Das Dokument ist auch im PDF und Word Format verfügbar.

Landtag

https://www.landtag.nrw.de/portal/Grafiken/Logos/pp_wappen.jpg

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/20

17. Wahlperiode

28.02.2018

 

20. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 28. Februar 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 5

Änderung der Tagesordnung. 5

1   Diesel-Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen – Die Politik muss das wirtschaftliche Chaos abwenden

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2026

In Verbindung mit:

Landtag muss über die Verhandlung und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zur Stickstoffdioxid-Belastung diskutieren

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2027. 5

Dr. Christian Blex (AfD) 5

Arndt Klocke (GRÜNE) 7

Klaus Voussem (CDU) 8

Sven Wolf (SPD) 10

Bodo Middeldorf (FDP) 11

Marcus Pretzell (fraktionslos) 13

Ministerin Christina Schulze Föcking. 13

André Stinka (SPD) 14

Rainer Deppe (CDU) 16

Arndt Klocke (GRÜNE) 17

Markus Diekhoff (FDP) 19

Christian Loose (AfD) 20

Minister Hendrik Wüst 21

Carsten Löcker (SPD) 23

2   NRW muss der Allianz für eine starke EU-Kohäsionspolitik beitreten

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1993 – Neudruck. 24

Rüdiger Weiß (SPD) 24

Johannes Remmel (GRÜNE) 25

Oliver Krauß (CDU) 26

Thomas Nückel (FDP) 27

Sven Werner Tritschler (AfD) 28

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner 29

Ergebnis. 30

3   Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit – Anpassung der Lehrerbesoldung an ihre Ausbildung (Lehrerbesoldungsgleichstellungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/1817

erste Lesung. 30

Jochen Ott (SPD) 30

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 32

Ralf Witzel (FDP) 34

Sigrid Beer (GRÜNE) 36

Helmut Seifen (AfD) 38

Minister Lutz Lienenkämper 40

Heike Gebhard (SPD) 41

Herbert Strotebeck (AfD) 42

Ergebnis. 43

4   Erst versprochen, dann vergessen – und jetzt? Landesregierung muss Mittel für Integrationsmaßnahmen schnell und zielgerichtet an Kommunen weiterleiten

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1985

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2048. 43

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 43

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU) 45

Ellen Stock (SPD) 46

Henning Höne (FDP) 47

Roger Beckamp (AfD) 49

Minister Dr. Joachim Stamp. 49

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 51

Ergebnis. 51

5   Unterrichtsniveau sichern: Sprachliche Mindestvoraussetzungen schaffen und Anteil von Migranten in Schulklassen begrenzen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/1995. 51

Helmut Seifen (AfD) 51

Petra Vogt (CDU) 52

Jochen Ott (SPD) 53

Franziska Müller-Rech (FDP) 55

Sigrid Beer (GRÜNE) 58

Minister Dr. Joachim Stamp. 59

Ergebnis. 60

6   Halbjahresbericht des Petitionsausschusses. 60

Serdar Yüksel (SPD) 60

7   Siebtes Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/1671

Beschlussempfehlung
des Innenausschusses
Drucksache 17/1858

zweite Lesung. 63

Dr. Jörg Geerlings (CDU) 63

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD) 64

Marc Lürbke (FDP) 65

Verena Schäffer (GRÜNE) 65

Markus Wagner (AfD) 66

Minister Herbert Reul 68

Ergebnis. 69

8   Theater- und Orchesterpakt erneuern – Landesregierung soll Vielfalt der Theater- und Orchesterlandschaft in Nordrhein-Westfalen sicherstellen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/1992. 69

Andreas Bialas (SPD) 69

Bernd Petelkau (CDU) 70

Lorenz Deutsch (FDP) 70

Oliver Keymis (GRÜNE) 71

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 72

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 73

Ergebnis. 73

9   Wildschweinbejagung tierschutzgerecht gestalten – Sinnvolle Schutzmaßnahmen gegen die Afrikanische Schweinepest entwickeln

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1982. 73

Norwich Rüße (GRÜNE) 73

Bianca Winkelmann (CDU) 75

Annette Watermann-Krass (SPD) 76

Markus Diekhoff (FDP) 77

Sven Werner Tritschler (AfD) 78

Marcus Pretzell (fraktionslos) 79

Ministerin Christina Schulze Föcking. 79

Ergebnis. 80

10 Alte Straßen schnell, ressourcenschonend, umweltfreundlich und günstig sanieren

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/1444

Beschlussempfehlung
des Verkehrsausschusses
Drucksache 17/1941. 81

Klaus Voussem (CDU) 81

Frank Börner (SPD) 81

Bodo Middeldorf (FDP) 81

Arndt Klocke (GRÜNE) 81

Nic Peter Vogel (AfD) 82

Minister Hendrik Wüst 83

Ergebnis. 83

11 Fragestunde

Drucksache 17/2023. 83

Mündliche Anfrage 8

Wie und wann wird der Abschlag auf die Integrationspauschale in Höhe von 100 Millionen Euro verteilt?  83

des Abgeordneten Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE)

Minister Dr. Joachim Stamp. 84

Mündliche Anfrage 9

Wer darf was entscheiden – Wie werden in Zukunft Steuer-CDs erworben?  86

des Abgeordneten Stefan Zimkeit (SPD)

Minister Lutz Lienenkämper 87

Mündliche Anfrage 10

Versorgt der Ministerpräsident ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete mit Posten?  88

der Abgeordneten Elisabeth Müller-Witt (SPD)

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 89

12 Philosophie verleiht Flügel!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/533

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Schule und Bildung
Drucksache 17/2001. 94

Frank Rock (CDU) 94

Ina Spanier-Oppermann (SPD) 95

Martina Hannen (FDP) 96

Sigrid Beer (GRÜNE) 97

Helmut Seifen (AfD) 99

Ministerin Ina Scharrenbach. 100

Ergebnis. 100

13 Die Kraft-Wärme-Kopplung braucht stabile, rechtssichere und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen – Umlagebefreiung für effiziente und umweltfreundliche Anlagen erhalten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/1988. 100

Ergebnis. 101

14 Lehren aus den Paradise Papers ziehen – Steuervermeidung, Steuerbetrug und Geldwäsche konsequent entgegentreten

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1983. 101

Ergebnis. 101

15 Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Städte Bonn und Velbert, §§ 8 Abs. 3 Satz 2 und 3, 27 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2017 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 – GFG 2017) vom 15. Dezember 2016 i. V. m. Anlage 3 zu diesem Gesetz verletzten die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung

VerfGH 17/17

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 17/1833. 101

Ergebnis. 101

16 Wahl eines Mitglieds des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2045. 101

Ergebnis. 101

17 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 17/4
gem. § 82 Abs. 2
der Geschäftsordnung
Drucksache 17/2029. 101

Ergebnis. 102

18 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/9
gem. § 97 Abs. 8
der Geschäftsordnung. 102

Ergebnis. 102

Entschuldigt waren:

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart

Ministerin Yvonne Gebauer

Jürgen Berghahn (SPD)

Christian Dahm (SPD)

Gabriele Hammelrath (SPD)

Armin Jahl (SPD)

Regina Kopp-Herr (SPD)

Hubertus Kramer (SPD)

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD)

Ibrahim Yetim (SPD)

Wibke Brems (GRÜNE)
(ab 16:30 Uhr)

Josefine Paul (GRÜNE)

 

 

Beginn: 10:03 Uhr

Präsident André Kuper: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle zu unserer heutigen, 20. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen in den Medien, auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich elf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Geburtstag feiert heute unser Kollege Dr. Dennis Maelzer von der Fraktion der SPD. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen der Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Vor Eintritt in die Tagesordnung: Die Fraktionen haben sich gestern darauf verständigt, den für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkt 1 „Wahl und Vereidigung eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen“ von der Tagesordnung abzusetzen. – Ich sehe, hiergegen gibt es keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. Die Tagesordnungspunkte verschieben sich entsprechend.

Wir treten nunmehr in die so geänderte Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1   Diesel-Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen – Die Politik muss das wirtschaftliche Chaos abwenden

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2026

In Verbindung mit:

Landtag muss über die Verhandlung und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zur Stickstoffdioxid-Belastung diskutieren

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2027

Die Fraktion der AfD hat mit Schreiben vom 23. Februar gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der erstgenannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ebenfalls mit Schreiben vom 23. Februar hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der anschließend aufgeführten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst für die antragstellende Fraktion der AfD zur Drucksache 17/2026 Herrn Dr. Blex das Wort. Anschließend erhält für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Antragstellerin der Drucksache 17/2027 Herr Klocke das Wort. – Bitte sehr.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist interessant zu sehen, wie viele grüne Freundinnen heute Morgen bei der von Ihnen mit beantragten Aktuellen Stunde anwesend sind. So wichtig scheint Ihnen das Thema „Diesel in Deutschland“ zu sein.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat gestern in seinem Urteil verkündet, dass die nordrhein-westfälischen Kommunen Fahrverbote zur Luftreinhaltung verhängen dürfen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf sei nicht zu beanstanden. Die Revision des Landes Nordrhein-Westfalen wurde zurückgewiesen.

Meine Damen und Herren, das, was wir gestern erleben durften, war Staatsversagen mit Ansage. Bevor das Verfahren gegen das Land Nordrhein-Westfalen beim Bundesverwaltungsgericht anhängig wurde, haben wir Ihnen gesagt, dass das strukturelle Korsett zur Einhaltung eines absurd geringen EU-Grenzwertes in Verbindung mit einer klagewütigen Umweltlobby konsequenterweise zu einem Fahrverbot führen muss.

(Beifall von der AfD)

Das Grundübel des Fahrverbots, das mittlerweile sogar manche Systemmedien erkannt haben und das in manchen Kommentaren genannt wird, liegt an der vollkommen unreflektierten Übernahme einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation – nicht mehr und nicht weniger. Den sogenannten Luftgüteleitwert in Höhe von 40 µg/m³ Luft für Stickoxid hat die EU als ökoradikales Planziel übernommen und so auch der deutsche Gesetzgeber. Dabei wird der Zielwert für Stickoxide in der Umgebungsluft als Grenzwert zur Abwehr unmittelbarer gesundheitlicher Gefahren interpretiert. Diese Interpretation, Ihre Interpretation ist ganz bewusst falsch.

(Beifall von der AfD)

Es spricht für Sie, dass Sie jetzt meinen, hier quatschen zu müssen, anstatt sich die Faktenlage anzuhören. Das ist eine Unverschämtheit den deutschen Dieselfahrern gegenüber.

(Beifall von der AfD)

Höchst offiziell sind an den deutschen Produktionsstätten weiterhin 950 µg/m³ Luft erlaubt. Zum Vergleich: Die nach den hohen deutschen Standards durchgeführten Reizuntersuchungen an Nagetieren zeigen, dass Atemwegsbeschwerden erst ab einer Stickstoffdioxidkonzentration von 8.000 – nicht 40! – µg/m³ Luft auftreten.

(Helmut Seifen [AfD]: Hört, hört!)

Diesen ganzen Grenzwertunsinn haben Sie alle hier zu verantworten. Sie sind zum Schaden unserer Bürger über das Brüsseler „Ökostöckchen“ gesprungen, und zwar sehr bereitwillig.

(Beifall von der AfD und der FDP)

Im direkten Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn nach der gültigen EU-Karte für Luftreinheit fällt schnell auf, dass Deutschland mit 51 die mit Abstand meisten Messstellen hat. Frankreich, auf dem nächsten Platz liegend, hat gerade einmal 28 Messstellen.

(Helmut Seifen [AfD]: Die sind klug!)

Auch beim Aufstellen der Messcontainer rächt sich die preußische Obrigkeitshörigkeit. So bauen wir Deutsche unsere Messstellen direkt an den Hauptverkehrsstraßen auf. Die Standorte Corneliusstraße und Merowingerstraße liegen bewusst ungünstig und sind damit nicht repräsentativ für Düsseldorf oder ganz NRW.

(Beifall von der AfD)

Doch die räumlichen Umgebungsbedingungen, die nichts mit dem Autoverkehr zu tun haben, begünstigen die hohen NO2-Werte, und zwar ganz bewusst.

(Helmut Seifen [AfD]: Schifffahrt!)

Ein bloßes Verschieben der Messstation Corneliusstraße um 250 m nach Süden hin zur Oberbilker Allee würde zu deutlich geringeren Ergebnissen führen. Aber es hat einen Grund, warum sie dort nicht steht: Die Abgase der Binnenschiffe verursachen deutlich höhere Schadstoffanteile in der Luft als die Kraftfahrzeuge in Düsseldorf.

Die Probenentnahmepraxis in den romanischen Ländern dagegen spricht eine ganz andere Sprache. Das Zitat von Herrn Stolpe: „In Brüssel wird’s erdacht, in Deutschland wird’s gemacht, in Italien wird gelacht!“, ist aktueller denn je.

(Beifall von der AfD)

In der politischen Debatte über Fahrverbote wird außer Acht gelassen, dass die gesamten Stickstoffdioxidemissionen vor 25 Jahren noch 1,5 Millionen t betrugen und derzeit bei nur noch 0,5 Millionen t liegen. Vor allen Dingen im Verkehr wurden die Emissionen um 65 % reduziert.

Auch wird mit einem differenzierten Blick auf die mittleren Stickstoffdioxidkonzentrationen deutlich, dass diese für den ländlichen, für den städtischen und erstmals seit 2016 auch für den verkehrsnahen Hintergrund im Mittel unter dem EU-Grenzwert von 40 µg/m³ Luft liegen. Vor fast 20 Jahren betrug die mittlere Stickstoffdioxidkonzentration für den verkehrsnahen Hintergrund noch mehr als 130 µg/m³ Luft.

Seit einigen Jahren publiziert das LANUV auf seiner Webseite die Monatsberichte zur Luftqualität in Nordrhein-Westfalen. So wurde bei der letzten Messung im September 2017 deutlich, dass keine Messstelle den Mittelwert von 55 µg/m³ Luft überschritten hat. Keine einzige! Die höchste Messung lag 15 µg/m³ Luft darüber; nicht mehr und nicht weniger.

Wenn wir über Stickstoffdioxid sprechen, so verweise ich auf den Abschlussbericht des Abgasuntersuchungsausschusses im Bundestag. Dort heißt es:

„Die Kausalität unterstellende Aussage, jährlich würden 10.000 Menschen durch Verkehrsemissionen sterben, ist nach Ansicht des Ausschusses nach dem Ergebnis der Sachverständigenanhörung nicht haltbar.“

(Beifall von der AfD)

Weiter heißt es:

„Es gibt keine wissenschaftlich erwiesenen Zahlen dazu, wie viele Menschen aufgrund grenzwertüberschreitender NO2-Expositionen erkrankt oder gar gestorben sind.“

Es ist nichts bewiesen, was Sie hier behaupten.

Als Ökoblockwart wird die Deutsche Umwelthilfe, die ihren Kreuzzug bisher gegen Immobilienmakler, Händler, Auto- und Möbelhäuser führte, jetzt auch verstärkt gegen nordrhein-westfälische Städte führen. Die juristische Schlammschlacht der DUH gegen die deutsche Wirtschaft hat gerade erst begonnen. Denn das Ganze hat System: Die DUH lehnt die persönliche Freiheit und den Individualverkehr ab. Sie skandalisiert um des Skandals willen, und Ihre Parteien haben dieses Problem vollkommen bewusst erst geschaffen.

Präsident André Kuper: Die Redezeit.

Dr. Christian Blex (AfD): Sie alleine sind dafür verantwortlich, dass Millionen von deutschen Dieselbesitzern quasi kriminalisiert und enteignet werden. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Für die Fraktion der Grünen hat nun der Kollege Klocke das Wort.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grund unseres Antrags auf eine Aktuelle Stunde ist der Urteilsspruch gestern in Leipzig, der bundesweit für Furore gesorgt und dessen möglicher Ausgang in den letzten Wochen die Medien bestimmt hat.

Wir wollen in dieser Aktuellen Stunde von der Landesregierung erfahren, insbesondere von der Umweltministerin, aber gerne auch vom Verkehrsminister und vom Ministerpräsidenten, was das Land zu tun gedenkt, um Fahrverbote zu vermeiden. Denn – da sind auch wir Grünen uns einig – Fahrverbote können verhindert werden, und Fahrverbote sollten auch verhindert werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zur Pressearbeit: Wenn man sich die öffentlichen Stellungnahmen der regierungstragenden Fraktionen und der Landesregierung von gestern anschaut, wird man nicht schlauer. Die umweltpolitische Sprecherin der CDU sagte in ihrer Presseerklärung, man respektiere den Richterspruch aus Leipzig. Na ja, immerhin respektiert die CDU einen Richterspruch. Die FDP ging komplett auf Tauchstation; sie hat gestern gar nichts verlautbart. Die Umweltministerin sagte, Fahrverbote seien nur die Ultima Ratio. Gut, dem würden wir uns anschließen.

Uns würde aber doch interessieren, was die Landesregierung in den nächsten Wochen und Monaten tun wird, um Fahrverbote zu verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu hätte sie schon jetzt Zeit gehabt; denn schon seit 2010 gelten die EU-Grenzwerte. Die Bundesregierung, die all die Jahre von der CDU gestellt wurde – der Bundesverkehrsminister kam in dem Zeitraum von der CSU –, hätte also sieben Jahre Zeit gehabt, entsprechend zu reagieren. Sieben Jahre hatten auch die Autohersteller Zeit, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Sieben Jahre hatte die rot-grüne Landesregierung!)

Doch statt entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, wurde geschummelt und getrickst; das wissen wir alle. Das wurde durch den VW-Abgasskandal deutlich, Stichwort „Schummel-Software“. Außerdem gab es eine nicht abweisbare Kumpanei zwischen Automobilindustrie und Bundesregierung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Bundesregierung hat nicht interveniert. Wir wissen, dass die Kanzlerin in Brüssel unterwegs war und dafür gesorgt hat, dass keine strengeren Abgaswerte festgesetzt werden.

Als ich Herrn Wissmann, den ehemaligen CDU-Verkehrsminister, gestern im Fernsehen gesehen habe, war das fast wie beim Politbüro kurz vor dem Mauerfall. Er konnte gar nicht verstehen, was in Leipzig passiert ist. Er stammelte irgendetwas davon, dass ein Softwareupdate greifen würde, zu allen anderen Maßnahmen sei die Automobilindustrie nicht bereit. Dieser Herr Wissmann hat insbesondere in der CDU und auch in der Bundesregierung jahrelang erfolgreich lobbyiert, weshalb es gestern zu diesem Urteil in Leipzig gekommen ist, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Heute debattieren wir nicht nur über ein wirtschaftspolitisches und verkehrspolitisches Thema, sondern es geht auch um Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitik.

Man kann das jetzt abwehren und sagen: Das alles sind aus dem Raum gegriffene Zahlen. – Es gibt jedoch gute und qualifizierte umwelt- und gesundheitspolitische Studien, die belegen, dass es jedes Jahr aufgrund von NOx Tausende vorzeitiger Todesfälle in unseren Innenstädten gibt. Laut Umweltbundesamt sind es bis zu 6.000 Todesfälle, laut EU-Kommission sogar bis zu 10.000 Todesfälle. Jeder einzelne Todes- bzw. Krankheitsfall ist einer zu viel. NOx in unseren Innenstädten führt dazu, dass Menschen krank werden und frühzeitig sterben. Hier muss dringend und zügig gehandelt werden.

(Markus Wagner [AfD]: Bringen Sie die Beweise dafür! – Helmut Seifen [AfD]: Es gibt keine ernsten Beweise!)

Die Gesundheitsgefährdung besteht insbesondere für Ältere, Kranke sowie Kleinkinder und Babys.

(Helmut Seifen [AfD]: Das sind doch alles Märchen!)

Wenn Sie auf den Straßen unterwegs sind, werden Sie feststellen, dass die Abgase besonders Babys in Kinderwagen schädigen, die sich auf Augenhöhe mit den Auspuffanlagen befinden.

Man kann jedoch nicht – und das tun Sie von der AfD mit Ihrem Antrag – die Messwerte am Arbeitsplatz mit denen auf der Straße vergleichen. Am Arbeitsplatz werden gesunde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zeitlich befristet belastet. Das können Sie doch nicht ernsthaft mit der tagtäglichen Belastung der Menschen vergleichen, die beispielsweise in der Corneliusstraße leben, die dort tagtäglich einkaufen, lüften usw. Das zeigt, wie absurd Ihr Antrag ist, liebe Kollegen von der AfD. Sie sorgen hier im Plenum wieder einmal für eine vergiftete Atmosphäre.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diesmal geht es um die Verkehrs- und Gesundheitspolitik. Das einzige Problem, das Sie in Ihrem Antrag skizzieren, ist, dass ein unübersichtlicher Schilderwald droht. Liebe AfD, Sie müssen sich dringend in die Materie einarbeiten.

(Lachen von der AfD – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Das müssen aber auch andere tun. Denn die Debatte um Grenzwerte und Schadstoffe wird bei der FDP, insbesondere von Christian Lindner, genauso geführt. Er argumentiert ähnlich wie die AfD, und das ist peinlich genug.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu Recht fühlen sich Millionen von Autofahrerinnen und Autofahrer in diesem Land von den Herstellern betrogen. Deswegen braucht es ein verbindliches Hardwareupdate in allen betroffenen Fahrzeugen. Dieses Hardwareupdate muss zu 100 % von der Automobilindustrie finanziert werden, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das fordern nicht nur die Grünen, das fordert bemerkenswerterweise auch eine den Grünen nicht unbedingt nahestehende Organisation wie der ADAC. Das fordern der Deutsche Städtetag, der Städte- und Gemeindebund und weitere Organisationen.

Sehr geehrte Frau Umweltministerin, setzen Sie sich ebenso für ein verbindliches Hardwareupdate in den betroffenen Pkws ein, wie diese Organisationen und wir es tun. Dazu sollten Sie heute entsprechend Stellung nehmen.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Oder trifft das zu, was Ihr Staatssekretär Bottermann heute Morgen auf WDR 5 zum Besten gegeben hat? Er sagte, dass man jetzt in Gespräche mit der Industrie eintreten und prüfen wolle, wozu die Industrie bereit sei, um möglicherweise eine Fifty-fifty-Regelung zu treffen, sodass die Verbraucher die eine Hälfte und die Automobilhersteller die andere Hälfte finanzieren.

Vor dem Hintergrund der Milliardengewinne von VW und anderen deutschen Konzernen ist genug Geld da, um dieses Update, sprich: diese Hardwarenachrüstung, zu finanzieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Selbstverständlich – das hat das Urteil gestern deutlich gemacht – braucht es Ausnahmeregelungen für Handwerkerinnen und Handwerker, für Rettungswagen und andere Fahrzeuge. Aber warum stehen eigentlich so wenige Best-Practice-Beispiele im Mittelpunkt der Debatte, und warum wird das von der Landesregierung nicht aufgegriffen?

Ich möchte den Bäcker Schüren aus dem Kreis Mettmann als Beispiel anführen. Es handelt sich um einen mittelständischen Betrieb mit über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie 30 Fahrzeugen. Er hat in den letzten Jahren freiwillig und ohne jeden Fördercent die komplette Flotte auf Hybrid- und Elektroantrieb umgestellt.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Ohne Fördergelder?)

Solche Maßnahmen sind zu unterstützen. Es ist möglich, entsprechend zu agieren. Diese Beispiele sollten in Zukunft in der Öffentlichkeit deutlicher gemacht werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Handwerkerinnen und Handwerker sind dazu bereit, die Hardware entsprechend nachzurüsten und ihre Fahrzeuge umzurüsten.

Die zweite entscheidende Forderung ist: Wir brauchen eine blaue Plakette. Wir brauchen keinen roten Fuchsschwanz, wie die Bundesumweltministerin gestern sagte, sondern eine verbindliche bundesweite Regelung für eine nachvollziehbare Kennzeichnung von schadstoffarmen Fahrzeugen.

Deshalb lautet mein Appell an die Landesregierung: Setzen Sie sich dafür in Berlin in der neuen Großen Koalition ein! Diese Forderung richtet sich an die zahlreichen neuen NRW-Minister im Kabinett, die Herr Laschet so preist und lobt. Kämpfen Sie in der neuen Bundesregierung dafür, dass wir eine blaue Plakette bekommen! Das ist Ihre Chance, in dieser Debatte Farbe zu bekennen.

Präsident André Kuper: Herr Klocke, die Redezeit.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Für die CDU erteile ich nun dem Abgeordneten Voussem das Wort.

Vielleicht noch eine Erläuterung, während Herr Voussem auf dem Weg ist: Es wurde während des gerade gehaltenen Wortbeitrages die Bitte geäußert, eine Zwischenfrage zu stellen. Nach § 95 der Geschäftsordnung sind Zwischenfragen oder Kurzinterventionen bei Aktuellen Stunden ausgeschlossen.

(Zuruf von Frank Sundermann [SPD] – Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Bitte schön.

Klaus Voussem (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch am Tag danach ist nicht die Stunde der Verschwörungstheoretiker und Weltuntergangspropheten.

Lieber Herr Kollege Dr. Blex, Ihre Rede hat meiner Einschätzung nach schon gewisse Grenzwerte überschritten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege Klocke, bei Ihrem Beitrag habe ich mich gefragt: Was sagt denn wohl Ihr Parteifreund Kretschmann dazu?

(Beifall von der CDU)

Lassen Sie mich zu Beginn eines klar und deutlich feststellen: Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ist ein hohes Gut. Es ist das höchste Gut, dem wir uns verpflichtet fühlen. Gleiches gilt für unser Klima. Auch hier fühlen wir uns in der Pflicht, das haben wir mehrfach betont. Wir wissen also, worum es geht.

Die Diskussion um die Luftbelastung durch Stickoxide beschäftigt uns schon seit geraumer Zeit. Seit 2010 sind europaweit die Grenzwerte aus der EU-Luftqualitätsrichtlinie einzuhalten: 40 µg NOx pro Kubikmeter Luft als Jahresmittelwert.

Das Verwaltungsgericht in Düsseldorf hatte am 13. September 2016 mit dem Urteil zur Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen den Luftreinhalteplan Düsseldorf die Bezirksregierung aufgefordert, den Luftreinhalteplan so fortzuschreiben, dass der Stickstoffdioxidgrenzwert schnellstmöglich eingehalten wird. Die Sprungrevision vor dem Bundesverwaltungsgericht sollte zur Klärung beitragen, welche Rechtsgrundlagen hierfür bestehen.

Gestern nun kam es zum Urteilsspruch. Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei über die Frage entschieden, ob es eine Rechtsgrundlage gibt, die es erlaubt, über Fahrzeuge mit einer bestimmten Antriebstechnik ein Fahrverbot zu verhängen. Diese Rechtsfrage hat das Gericht bejaht. Damit hat es eine abstrakte Rechtsfrage beantwortet. Es hat nicht darüber geurteilt, ob Fahrverbote in den betroffenen Kommunen einzuführen sind.

Die Luftreinhaltepläne werden zurzeit in vielen Städten und Kommunen überarbeitet. Die Prüfung und Entscheidung, ob und inwieweit Dieselfahrverbote die Luftqualität verbessern und dabei helfen, die gesetzlichen Grenzwerte von 40 µg NOx pro Kubikmeter Luft einzuhalten, liegt bei den Bezirksregierungen. Ihnen obliegt es daher auch, darüber zu entscheiden, ob Fahrverbote verhältnismäßig sind.

Es muss also zwingend ein Kompromiss zwischen Gesundheitsschutz und Mobilitätswahrung der Menschen gefunden werden. Hierfür steht den Behörden ein ganzer Mix an geeigneten Maßnahmen – einem Werkzeugkasten vergleichbar – zur Verfügung. Dabei ist die Verhängung von Fahrverboten nur ein Instrument unter vielen und kann angesichts der Schärfe des Eingriffs nur Ultima Ratio sein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ziel der NRW-Koalition ist und bleibt es daher, Fahrverbote generell zu vermeiden.

Auch der blauen Plakette erteilen wir weiterhin eine Absage; denn sie regelt nur die Ausnahme von Fahrverboten, die wir ja vermeiden wollen. Fahrverbote beschränken nicht nur die individuelle Mobilität und das innerstädtische Wirtschaftsleben, sondern sie bedrohen Handel, Handwerk und Mittelstand in ihrer Existenz.

Fahrverbote würden zur Unterbrechung von Wertschöpfungsketten führen und damit einen schweren wirtschaftlichen Schaden verursachen. Sie hätten nicht zuletzt gewaltige Auswirkungen auf die zahllosen Pendler in Nordrhein-Westfalen, die sich im Vertrauen auf die Industrie Dieselfahrzeuge gekauft haben und auf ihrem Weg zur Arbeitsstätte auf ihr Fahrzeug angewiesen sind.

Auch für Arbeitgeber würde sich die Situation im Hinblick auf die verfügbaren Arbeitskräfte verschlechtern. Die öffentliche Versorgung, der Nahverkehr, die Einsatzfahrzeuge wären ebenso beeinträchtigt. Kurz: Das würde einen erheblichen Eingriff in die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Unternehmen bedeuten.

Zudem tragen nicht allein Dieselabgase zur Überschreitung der Grenzwerte bei. Es gibt weitere Hintergrundbelastungen in den Städten, zum Beispiel durch andere Verkehrsträger und Industrieanlagen.

Es macht also wenig Sinn, diese Faktoren losgelöst voneinander zu betrachten. Vielmehr gilt es, die Stickoxidkonzentration in der Luft weiter wirksam zu senken. Dafür steht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, die in den letzten Monaten auch jenseits der Fahrverbote aufgezeigt worden sind.

Aus Sicht der Verkehrspolitik warne ich im Übrigen davor, allzu leichtfertig auf die Verhängung von Fahrverboten zu setzen und dabei die sich neu bietenden Chancen einer nachhaltigen Stärkung des ÖPNV zu verpassen. Gefragt ist jetzt eine Unterstützung bei der Umsetzung der Maßnahmen durch die Bundesregierung, damit Anreize zur Modernisierung der Fuhrparks geschaffen werden. Dazu kommt die Nachrüstung von Bussen im ÖPNV, die wir in Nordrhein-Westfalen bereits unterstützen und umsetzen.

Vonseiten des Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen sowie der Verkehrsverbünde werden moderne multimodale Verkehrskonzepte entwickelt, die die Kombination von Bus, Bahn, Fahrrad und Pkw benutzerfreundlicher machen.

Ein Schlüssel liegt auch in der Digitalisierung zur Entwicklung von Logistikkonzepten und intelligenten Ampelschaltungen. Nur schlagwortartig nenne ich an dieser Stelle die technologieoffene Förderung von emissionsarmen und emissionslosen Antriebsformen.

Meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, dass der Werkzeugkasten prall mit Maßnahmen gefüllt ist, die es ermöglichen, die Stickstoffdioxidgrenzwerte bis 2020 einzuhalten. Wir haben dabei vollstes Vertrauen in unsere Landesverwaltung, dass im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten alles ausgeschöpft wird, um Dieselfahrverbote zu vermeiden. Unsere Verwaltungen mit ihren sehr fähigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden hier kreative Lösungen finden.

Gestern kam bereits die Meldung über den WDR, dass die Bezirksregierung Düsseldorf bis mindestens 2020 keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen will. Mit diesem doch positiven Signal freuen wir uns auf die weitere Debatte. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Voussem. – Für die SPD erteile ich nun dem Kollegen Wolf das Wort.

Sven Wolf (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Voussem, ich war ein bisschen überrascht, dass Sie gar kein Zitat gebracht haben. – Aber das nur am Rande.

(Dr. Stefan Nacke [CDU]: Sie können mich zitieren!)

Das Bundesverwaltungsgericht hat gestern entschieden – ich glaube, das war keine Überraschung, sondern es war abzusehen, wie es entscheiden würde – und sehr deutlich gemacht: Die EU-Richtlinie muss erfüllt werden, und es müssen alle Instrumente genutzt werden, um die Luftreinhaltung zu ermöglichen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erklärt, dass auch ein Fahrverbot von den Kommunen zu erwägen ist. Dazu sind zahlreiche Übergangsfristen und Ausnahmen definiert worden, aber im Kern – und das ist das Hauptproblem, liebe Kolleginnen und Kollegen – obliegt es nun den Städten und Gemeinden in unserem Land, bei den Luftreinhalteplänen nachzusteuern und dabei die Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Es gibt, wenn Sie sich die Presse anschauen, eine sehr einhellige Meinung dazu: Die Kommunen in unserem Land sind nun in der Zwickmühle – und da dürfen wir sie nicht lassen. Es jetzt die Aufgabe der Landesregierung, die Kommunen aus dieser Zwickmühle herauszuführen.

(Beifall von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns als NRW-SPD bereits im Wahlkampf sehr deutlich gegen Dieselfahrverbote ausgesprochen. Ich habe der Debatte bisher entnommen, dass dies auch keiner will. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig. Fahrverbote dürfen nur das letzte Mittel sein, um die vorgegebenen Richtwerte einzuhalten. Käme ein Fahrverbot in Nordrhein-Westfalen, dann wären von den 3,1 Millionen zugelassenen Dieselfahrzeugen 2,6 Millionen betroffen. Das sind rund 83 % aller Dieselfahrzeuge in unserem Land. Deswegen liegt es nun an der Landesregierung, hier dringend einen Maßnahmenkatalog zu erstellen. Denn nur so kann bei einem möglichen Fahrverbot ein Verkehrschaos verhindert werden und können zugleich die Ziele des Gesundheits- und Umweltschutzes erreicht werden.

Aber wie hat die Landesregierung bisher reagiert? –  Sprachlos, untätig und orientierungslos!

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Die für diese wichtige Frage zuständigen Minister, Frau Schulze Föcking und Herr Wüst, haben dazu bisher auch geschwiegen. Sie haben dazu zwar gestern eine Pressemitteilung gemacht, aber das war’s.

Das Problem kann jetzt aber nicht von den Kommunen alleine gelöst werden. Das ist jetzt aus meiner Sicht eine Bewährungsprobe nicht nur für die Landesregierung, sondern insbesondere auch für die Kommunalministerin. Ich hätte jetzt die Frau Ministerin gerne direkt angesprochen, aber Sie werden Ihr das mit Sicherheit ausrichten: Sie muss jetzt dafür sorgen, dass die kommunalen Interessen am Kabinettstisch Gehör finden, und sie muss sich für die kommunalen Interessen im Kabinett einsetzen. Wenn sie das tut, dann kann sie sich auf unsere Unterstützung verlassen.

Es muss jetzt dringend ein über alle Ressorts abgestimmtes Konzept vorgelegt werden. Wir kennen ja Ihre großen Ankündigungen, zum Beispiel: Stauverhinderung. Herr Kollege Wüst, auch davon haben wir bisher außer großen Ankündigungen noch nichts erlebt.

(Zurufe von der CDU)

Stillschweigen auch von der Frau Ministerin Schulze Föcking. Ich bin gespannt, was sie nach meiner Rede hier sagen wird.

Aber es geht nicht, dass der Schwarze Peter immer weitergeschoben und weitergereicht wird und nun bei den Kommunen landet. Es sind nämlich insbesondere Kommunen, die selber starke finanzielle Probleme haben, aber dieses Problem jetzt vor Ort lösen müssen.

Selbst die finanzstarken Kommunen wie zum Beispiel unsere Landeshauptstadt Düsseldorf werden die Probleme nicht einfach in den Griff bekommen können. Thomas Geisel hat das gestern sehr deutlich gesagt. Er hat sich beschwert, dass die Probleme bei den Kommunen abgeladen werden. Er hat deutlich gemacht, wie hoch der administrative Aufwand für Kommunen ist, um jetzt die Luftreinhaltepläne nachzusteuern.

Wenn die Kommunen gezwungen werden, tatsächlich auf das Mittel des Fahrverbots zurückzugreifen, dann muss man ihnen auch ein Instrument in die Hand geben, um Klarheit zu haben. – Herr Kollege Klocke, Sie haben die eindringliche Forderung der kommunalen Spitzenverbände gerade angesprochen: Es muss ein Instrument geben wie etwa die blaue Plakette. Wir fordern an dieser Stelle die Landesregierung auf, sich in den Bundesrat intensiv einzubringen, um überhaupt ein Instrument zu bekommen für den Fall, dass Fahrverbote unausweichlich werden.

(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])

– Vielen Dank.

(Heiterkeit)

Die Liste der massiven Kritik der kommunalen Spitzenverbände ließe sich hier fortsetzen. Ich könnte den Oberbürgermeister von Münster zitieren, der dies beklagt; ich könnte den Hauptgeschäftsführer des Landkreistages zitieren. Aber, auch das konnten Sie der Presse heute entnehmen: Dieselgate ist in den Städten angekommen.

Durch die Manipulationen der Automobilindustrie ist uns eine Suppe eingebrockt worden, die wir jetzt alle gemeinsam auslöffeln müssen. Ich habe so ein bisschen den Eindruck, der Löffel wird die ganze Zeit weitergereicht und von Ihnen, Herr Ministerpräsident, jetzt den Oberbürgermeistern in unserem Land in die Hand gedrückt. Das kann nicht die Lösung sein.

(Beifall von der SPD)

Deshalb fordern wir von Ihnen sehr deutlich ein Maßnahmen- und ein Förderprogramm zur Unterstützung, Koordinierung und Beratung der Kommunen, der Verkehrsverbünde und der Unternehmen in unserem Land. Sie müssen hier sehr deutlich Farbe bekennen, Sie müssen hier handeln. Ich gebe zu, ich wünsche Ihnen dabei mehr Erfolg, als Sie ihn zum Beispiel in der Frage der Abschaltung des Atomkraftwerks Tihange in Belgien hatten.

(Zuruf von der CDU: Och!)

Die Pendlerinnen und Pendler erwarten dringend eine Antwort. Aber nicht nur die: Auch die Handwerker und Unternehmen in unserem Land brauchen schnell eine klare Antwort. Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt ein großes Paket an drängenden Aufgaben. Es liegt nun an der Landesregierung und beinahe jedem Ressort, sich diesen Problemen zu widmen. Lassen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kommunen nicht im Regen stehen! – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Wolf. – Für die FDP hat der Kollege Middeldorf das Wort.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die politischen Kommentare zu dem gestrigen Urteil anhört oder diese liest, dann hat man fast den Eindruck: Dem einen oder anderen kann es mit der Verhängung von Fahrverboten gar nicht schnell genug gehen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Och!)

Deswegen will ich für meine Fraktion und auch für die NRW-Koalition hier zu Beginn sehr, sehr deutlich sagen: Fahrverbote bedeuten aus unserer Sicht eine unzumutbare Einschränkung individueller Mobilität.

(Beifall von der FDP und der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Dann tun Sie etwas dagegen!)

Sie vernichten Vermögen, und sie sind wirtschafts- und stadtentwicklungspolitisch der völlig falsche Weg. Deswegen werden wir, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, alles daransetzen, im Rahmen des geltenden Rechts Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu vermeiden. Das ist weiter unser zentrales politisches Ziel.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das nun vorliegende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellt zweifellos einen wichtigen juristischen Meilenstein dar. Daher ist es grundsätzlich richtig, dass wir hier und heute darüber auch politisch beraten. Das Urteil ist aber vor allem eines nicht: Es ist nämlich kein Automatismus in das Dieselfahrverbot. Auch das findet sich ja in dem einen oder anderen politisch motivierten Beitrag anhaltend wieder.

Fahrverbote sind damit möglich und müssen auch geprüft werden; ihre Einführung ist vom Gericht aber klar an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geknüpft worden. Damit sind sie eben kein kurzfristiges und erst recht kein alleiniges Instrument. Sie dürfen damit nur die Ultima Ratio sein, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das Bundesverwaltungsgericht hat also ein kluges, ein abgewogenes Urteil gefällt. Die Richter haben, wenn man den Medienberichten trauen darf, hinter vorgehaltener Hand auch sehr deutlich ihrer Verärgerung Ausdruck verliehen, dass man sich überhaupt mit diesem Thema juristisch befassen muss. Diese Verärgerung, meine Damen und Herren, teilen wir ausdrücklich, denn jahrelang hat die Bundesregierung – und eben auch die SPD-Minister, lieber Herr Kollege Wolf – das Thema Luftreinhaltung und Dieselproblematik schleifen lassen und nichts getan.

(Beifall von der FDP)

Millionen Verbraucher haben darauf vertraut, dass ihre Investitionsentscheidung zugunsten eines Diesel-Pkw sicher ist. Sie werden jetzt von einer kalten Enteignung bedroht – aufgrund Ihrer Untätigkeit!

In dieser entscheidenden Phase der Debatte erleben wir nämlich gerade eine planlos agierende Bundesumweltministerin. Nicht zu Ende gedachte Schnellschüsse wie die Forderung nach kostenlosem Nahverkehr – er ist nicht nur illusorisch, sondern auch weitgehend wirkungslos; das wissen wir doch –

(Sven Wolf [SPD]: Das wissen Sie schon?)

oder eine abrupt vom Zaun gebrochene Debatte über Gesetzesänderungen zur Ermöglichung punktueller Fahrverbote haben der Sache geschadet, bei den Städten und in Brüssel Kopfschütteln verursacht und, was noch viel schlimmer ist, zur Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher geführt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Was wir jetzt brauchen, ist eine klare Haltung, das ernsthafte Bemühen, zu echten Lösungen zu kommen. Aus Sicht der FDP-Fraktion gehört dazu auch – das will ich ausdrücklich sagen –, dass die Automobilhersteller endlich in die Pflicht genommen werden müssen.

(Beifall von der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Sie müssen – das haben wir immer gesagt – ältere Dieselfahrzeuge auf eigene Kosten nachrüsten.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Es darf nicht sein, dass sich die Autobauer ihrer Verantwortung entziehen und die Dieselbesitzer im Regen stehen lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der SPD)

Aber bevor Sie sich zu früh freuen, was die rot-grüne Landesregierung der letzten sieben Jahre betrifft: Wenn Sie, Herr Löcker – ich weiß nicht, ob er da ist –, im Verkehrsausschuss von dem immer ach so reichlich gedeckten Tisch reden,

(Michael Hübner [SPD]: Recht hat er!)

muss ich Ihnen sagen: Dieser Tisch war beim Thema Diesel komplett leer.

(Widerspruch von Arndt Klocke [GRÜNE])

Fakt ist: Die Vorgängerregierung hat in sieben Jahren Verantwortung – und genauso lange liegt die Grenzwertproblematik auf unserem Tisch – keinerlei wirksame Maßnahmen ergriffen, die einen Beitrag zur Abwendung von Fahrverboten hätten leisten können. Sie, Herr Kollege Wolf, haben die Kommunen im Stich gelassen – und nicht diese Landesregierung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn die Grünen jetzt den Eindruck erwecken, dass sie sich für gebeutelte Pendler und Geschäftsleute einsetzen, muss ich Ihnen sagen: Es waren doch Ihre Verbündeten, nämlich die Umweltverbände, die Abmahnvereine, die seit Jahren das Thema Fahrverbote geradezu wie eine Monstranz vor sich her tragen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Sven Wolf [SPD]: Sie verwechseln Ursache und Wirkung! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Christof Rasche [FDP]: Toyota lässt grüßen!)

Die NRW-Koalition hat dagegen bereits Mitte letzten Jahres klar formuliert, alles zu tun, um den Versuch zu unternehmen, Fahrverbote doch noch abzuwenden. Die Landesregierung fördert schon heute die Anwendung und Erprobung neuer Verkehrskonzepte, die Anschaffung von Elektrofahrzeugen und Ladesäulen. Außerdem unterstützte das Land den Einsatz von elektro- und wasserstoffbetriebenen Linienbussen und den Ausbau alternativer Antriebe. Auf dieser Basis sollen etwa für die Stadt Düsseldorf, auf die das Urteil ja unmittelbar bezogen ist, weitere Minderungspotenziale erreicht werden.

Die FDP-Fraktion hat größtes Zutrauen in die Behörden, dass wir gemeinsam auf dem hier beschriebenen Weg an Fahrverboten vorbeikommen werden. Es erfordert aber – das will ich ausdrücklich sagen – zugleich das Zutun der Städte. Dass sie dasselbe Ziel verfolgen, haben die allermeisten Städte seit gestern mittlerweile auch in dankenswerter Klarheit erklärt.

Als Land werden wir weiter intensiv daran arbeiten, die Rahmenbedingungen zu verbessern und die Instrumente dafür bereitzustellen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Welche denn? – Gegenruf von Sven Wolf [SPD]: Das ist noch geheim!)

– Ich sage es Ihnen jetzt: Wir werden den ÖPNV attraktiver machen, Busse umrüsten, alternative Antriebssysteme fördern. Wir müssen aber auch aufhören – das sage ich auch ausdrücklich –, eine Dieseltechnologie in der Euro-6-Klasse zu brandmarken, weil diese auch weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Luftreinhaltung und zur CO2-Reduktion leisten wird.

(Beifall von der FDP und der CDU – Sven Wolf [SPD]: Die wenigsten Dieselfahrzeuge fahren doch Euro 6!)

Statt auf Verbote und eine pauschale Verteufelung des Diesels setzen wir auf intelligente, auf zukunftsweisende Antriebs- und Verkehrskonzepte: einen modernen ÖPNV, eine bessere Vernetzung der Verkehrsträger und autonomes Fahren. Wir wollen die Chancen der Digitalisierung auch für die Weiterentwicklung der Mobilität in unserem Lande fördern. Daran arbeiten wir intensiv. Das sind die richtigen Ansätze. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Middeldorf. – Ich darf nun dem fraktionslosen Abgeordneten Herrn Pretzell das Wort erteilen.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Positiv ist anzumerken, dass sich offenbar alle Fraktionen in diesem Hause einig sind, dass wir keine Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen gebrauchen können und dass wir das alle nicht anstreben.

Gleichzeitig ist aber festzustellen, dass wir uns seit Jahren in einem politischen Blindflug befinden, wenn wir dieses gemeinsame Ziel alle haben. Denn das Ganze beginnt mit dem Setzen von NOx-Grenzwerten, die für sich genommen relativ wenig Aussagekraft haben. Eine ganze Reihe von weiteren Grenzwerten, die es in diesem Prozess auch noch zu beachten gäbe, werden überhaupt nicht berücksichtigt. Insofern hat man sich hier ohnehin völlig willkürlich auf einen Grenzwert fokussiert, der nun bedauerlicherweise den Diesel trifft.

Im Übrigen müsste man sich vielleicht bei den Elektroautos auch einmal den Ausstoß aus den Kraftwerken ansehen und nicht nur das, was tatsächlich aus dem Auspuff herauskommt.

Das fängt also mit diesen Grenzwerten an und geht weiter über Lobbyismus, zum Beispiel dem der Deutschen Umwelthilfe. Auch das ist Lobbyismus. Es gibt nicht nur Industrielobbyismus. Es gibt auch Anti-Industrie-Lobbyismus, durchaus auch ökonomisch getrieben, und zwar von den ökonomischen Interessen von Herrn Resch.

Über Jahre sind dazu in Deutschland Dieselsubventionen gewährt worden. Das heißt, Autofahrer sind ganz bewusst dazu erzogen worden, Diesel zu kaufen. Gerade Pendler, die lange Strecken fahren und häufig in die großen Innenstädte müssen, sind möglicherweise in besonderer Weise von Fahrverboten, die kommen könnten und auch kommen werden – das ist jetzt schon absehbar –, betroffen.

Bemerkenswert vage blieb dabei Herr Wolf von der SPD, der zwar erklärt hat, dass man die Kommunen nicht alleine lassen soll, aber nicht einen Vorschlag dazu gemacht, was denn jetzt passieren muss, damit wir das verhindern.

(Sven Wolf [SPD]: Dann haben Sie nicht zugehört!)

– Nein, es war eben nichts dabei. Jedenfalls war ich offenbar nicht klug genug, Sie zu verstehen. Vielleicht müssen Sie sich dann deutlicher ausdrücken, Herr Wolf.

Herr Middeldorf hat sich sogar zum Industrie-Bashing verstiegen. Es ist interessant, das nun ausgerechnet von der FDP zu hören.

Meine Damen und Herren, wie wäre es denn, wenn wir endlich an die Grenzwerte rangingen? Das ist doch die Ursache. Wenn wir die Grenzwerte tatsächlich einhalten müssen – das ist nun mal Rechtslage –, gleichzeitig aber der Meinung sind, dass wir die Fahrverbote nicht wollen, müssen wir entweder andere Möglichkeiten finden, NOx einzusparen, oder aber wir verändern die Grenzwerte. Meine Damen und Herren, das ist die einzig realistische Möglichkeit. Wenn wir uns alle gemeinsam dafür einsetzen, dann bin ich zuversichtlich, dass wir das auch schaffen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von Frank Neppe [fraktionslos])

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich nun der Ministerin Frau Schulze Föcking das Wort.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem gestrigen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht für Rechtssicherheit gesorgt. Nunmehr ist klar, dass es nach geltendem Recht grundsätzlich als letzte Option möglich ist, Fahrverbote anzuordnen. Grundlage hierfür ist nicht das Bundesrecht, sondern das EU-Recht. Auch wenn das Gericht unsere Revision zwar überwiegend zurückgewiesen hat, so ist doch hervorzuheben, dass es, davon unbenommen, unseren Bedenken in vielen Punkten gefolgt ist.

Was bedeutet das nun für die Praxis? – Das Urteil hat als Konsequenz keinesfalls den Automatismus zur Folge, dass jetzt in Düsseldorf und anderen Städten, in denen die Grenzwerte der Luftqualität überschritten werden, unmittelbar Fahrverbote angeordnet werden. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Das Bundesverwaltungsgericht hat deutlich gemacht, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nur dann zulässig sind, wenn sie sich als die einzige geeignete Maßnahme erweisen, den Zeitraum einer Nichteinhaltung der NO-Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Diese Einschränkung ist wichtig. Die Richter haben damit einhergehend deutlich gemacht, dass es sich bei der Anordnung eines Verkehrsverbotes für Dieselfahrzeuge um einen massiven Eingriff in die Grundrechte handelt.

Zudem müssen den Betroffenen Möglichkeiten der Anpassung und der Vorbereitung gegeben werden. Um es also auf den Punkt zu bringen: Fahrverbote sind die Ultima-Ratio-Option, von der nicht ohne sorgfältige Abwägung Gebrauch gemacht werden kann. So haben die Richter klargestellt, dass im Falle der Anordnung von Fahrverboten Übergangsfristen vorzusehen wären und dass dies abgestuft zu erfolgen hätte. Darüber hinaus bedarf es hinreichender Ausnahmen, zum Beispiel für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.

Durch die Betonung der Wahrung der Verhältnismäßigkeit haben die Richter wichtige Hinweise für den Vollzug sowie für den Gesetzgeber gegeben. Ob und inwieweit Fahrverbote zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte erforderlich und zudem verhältnismäßig sind, obliegt weiterhin der Prüfung und Entscheidung der zuständigen Bezirksregierung.

Durch das ergangene Urteil wurde das Augenmerk jedoch noch stärker auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelenkt. Das machte einen großen Anteil der Verhandlung aus. Darüber wurde lange debattiert. Damit wird im Urteil unterstrichen, dass Verbote nach Umsetzung vieler anderer Maßnahmen zur Luftreinhaltung nur das letzte Instrument sein können und sollen.

Das Urteil bestätigt damit unsere grundsätzliche Linie; denn im Falle von Fahrverboten würden ganz klar die Falschen für das Fehlverhalte anderer bestraft. Gerade Autobesitzer, die erst vor wenigen Jahren ein neues Dieselfahrzeug angeschafft haben, würden sich nunmehr plötzlich mit einem großen Wertverlust konfrontiert sehen.

Deshalb gebührt es auch ein Stück Verantwortung gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern, dass wir uns um alternative Lösungen bemühen. Da sind wir auf einem guten Weg. Unser Ziel ist es, den Ausstoß von Stickoxiden mit geeigneten Maßnahmen so schnell und so weit wie möglich zu reduzieren. Klar ist, jedes Mikrogramm Stickstoffdioxid weniger ist ein Mehr an Gesundheitsschutz.

Nach den uns vorliegenden Prognosen sind wir weiterhin zuversichtlich, dieses Ziel und damit die geltenden Grenzwerte durch eine ambitionierte Umsetzung des vorhandenen Maßnahmenbündels zu erreichen. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wir haben diesen Ehrgeiz. Dazu werden alle Maßnahmenpotenziale ausgeschöpft, die einen geringeren Eingriff in die Rechte der Bürgerinnen und Bürgern bedeuten, als dies durch Fahrverbote der Fall wäre.

Leider stellt sich die Wirkung nicht bei allen Maßnahmen und Aktivitäten von heute auf morgen ein. Die Mobilität der Zukunft ist nicht von jetzt auf gleich zu erreichen. Es wäre schön, wenn da in der Vergangenheit schon mehr geleistet worden wäre. Aber das darf kein Hinderungsgrund sein. Wir müssen an diesem Thema dranbleiben. Nicht nur zur Luftreinhaltung, sondern auch zum Schutz des Klimas und zur Erhöhung der Wohnqualität müssen wir Mobilität neu denken und neu gestalten.

Wir unterstützen daher Städte, Gemeinden und Wirtschaftsunternehmen bei der Umsetzung neuer Verkehrskonzepte. Unter anderem fördern wir mit dem Ziel immissionsarmer Innenstädte die Anschaffung von Elektrofahrzeugen und Ladesäulen.

Eines ist auch klar: Wir sehen die Automobilbranche in der Pflicht. Bevor weiter über Fahrverbote diskutiert wird, müssen alle, alle technischen Möglichkeiten zu Nachrüstungen geprüft werden, und zwar zeitnah und nicht auf Kosten der Autofahrer und der Steuerzahler.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es gilt also weiterhin, die bisherigen Bemühungen zu intensivieren, mit den Akteuren in den Kommunen bzw. bei den Herstellern nach Lösungen zu suchen und vor allem die Bürgerinnen und Bürger nicht unverhältnismäßig zu belasten. Fahrverbote sind und dürfen auch nur Ultima Ratio sein.

Abschließend, Herr Wolf: Wie Sie wissen, hat der Ministerpräsident vor dem Gipfel auf Bundesebene mit den betroffenen Kommunen gesprochen. Das werden wir selbstverständlich auch weiterhin intensiv tun. Des Weiteren wurden ebenso selbstverständlich in der interministeriellen Arbeitsgruppe auch Vorschläge für einen Maßnahmenkatalog erarbeitet. Da sind wir nach wie vor dran.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD hat der Kollege Stinka das Wort.

André Stinka (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Ihre Ausführungen reihen sich nahtlos in die Argumentationskette der Mitte-rechts-Koalition bei diesem Thema ein.

(Zurufe von der CDU und von der FDP: Oh!)

Nämlich: Es wird von Wertschöpfungsketten gesprochen, es wird von Verschwörungstheorien gesprochen. Bei der FDP wird auch noch davon gesprochen, es sei ein unglaublicher Eingriff in die persönliche Freiheit. – Fragen Sie die Menschen, die an diesen Stellen wohnen, welchen Eingriff diese sich gefallen lassen müssen, wenn es um den Gesundheitsschutz geht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bei FDP und CDU kein Wort davon, kein Wort!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, wenn die Bundesumweltministerin gerade von der FDP angegangen wird, will ich nur daran erinnern, dass Frau Hendricks diejenige war, die deutlich gemacht hat, dass eine Nachrüstung nur mit technischen Möglichkeiten machbar ist. Wir erinnern uns an den Dieselgipfel, bei dem es die Kanzlerin nicht einmal nötig hatte, an einigen Teilen teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund: Lesen Sie erst einmal nach, was in Berlin beschlossen wird, bevor Sie hier herumpoltern und Dinge in die Gegend stellen, die so nicht zutreffen!

(Beifall von der SPD)

Die Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, bemüht häufig den Begriff der Heimat. Das wird fast zum Modewort. Wenn wir Sozialdemokraten uns den Heimatsbegriff einmal anschauen, dann hat er für uns zwei Perspektiven: Einmal haben die Menschen in dieser Frage ein Recht darauf, vor Feinstaub und Stickoxiden geschützt zu werden, um nicht krank zu werden. Zum anderen haben sie natürlich das Recht auf Teilhabe an Mobilität. Diese beiden Dinge müssen zusammen verhandelt werden.

Es ist daher erstaunlich, dass die Heimatministerin auch heute bei diesem Termin nicht anwesend ist. Ortsschilder mit plattdeutschen Namen reichen nicht, um Heimat zukunftsfest zu machen. Dazu gehören vielmehr eine gesunde Umwelt, gute Quartiere und eine vernünftige Mobilität in Nordrhein-Westfalen. Das macht noch einmal deutlich, dass gerade Sie hier nur plakative Äußerungen auf den Lippen führen, aber sonst nicht handeln wollen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Die Vorredner von CDU und FDP und auch die Ministerin haben den Verbraucher mit ein paar Silben erwähnt. Der Verbraucher hat – das ist richtig – eine Kaufentscheidung getroffen, weil klar wurde, dass der Diesel besonders CO2-arm ist.

Aber Sie müssen noch einmal deutlich machen, Frau Schulze Föcking: Sie sind Verbraucherschutzministerin. Schließen Sie sich unserer Musterfeststellungsklage doch an – das gilt auch für die Vertreter der FDP –, damit die Verbraucher auf Augenhöhe mit den Automobilkonzernen den Kampf führen können, dass sie das, was sie vorgeblich gekauft haben, auch wirklich in der Garage stehen haben und damit fahren können, und dass die Schadstoffgrenzwerte, die von der EU vorgegeben werden, wirklich eingehalten werden.

Schließen Sie sich der SPD an, machen wir die Musterfeststellungsklage und sorgen wir dafür, dass die Verbraucherrechte – und das betrifft auch den Wertverlust, der hier angesprochen wurde – hier in Nordrhein-Westfalen Wirklichkeit werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wenn wir uns der Debatte nähern wollen, müssen wir einen Schritt zurückgehen. Die sozialdemokratische Fraktion im Landtag hat die Landesregierung im August, im Dezember und nicht zuletzt in der vorletzten Sitzung des Umweltausschusses aufgefordert darzulegen: Was tun Sie eigentlich, wenn der Tag X kommt? –

(Henning Rehbaum [CDU]: Was haben Sie denn getan?)

Nichts. Es ist nichts gekommen.

(Lachen und Beifall von der CDU – Dr. Günther Bergmann [CDU]: Ehrlich währt am längsten! – Weitere Zurufe von der CDU)

– Herr Rehbaum, dass gerade Sie das sagen, unterstreicht noch einmal …

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

– Herr Rehbaum, wenn Sie einmal zuhören würden! Mit Ihrer hohen Wirtschaftskompetenz wissen Sie, dass gerade dieses Urteil auch auf Zulieferer in Nordrhein-Westfalen einen erheblichen Einfluss hat.

(Zurufe von der CDU)

Sie heften sich „Wirtschaft“ ans Revers und tun nichts, obwohl über Monate klar wurde, dass wir auf diesen Tag hinsteuern, und über Monate klar wurde, dass Sie eine Entscheidung fällen müssen. Sich zu entscheiden, Herr Rehbaum, ist ja das Schwierigste für Ihre Regierung. Sie machen Arbeitskreise, Arbeitsgruppen und verschieben und verschieben. Wir wissen sehr wohl, wie die Debatten zu den Anträgen gelaufen sind.

(Zurufe von der CDU)

Da haben Sie versucht – der Kollege Wolf hat das hier noch einmal deutlich gemacht –, die Verantwortung bei den Kommunen abzuladen. Das geht aber nicht, denn die Bezirksregierung – Herr Rehbaum, nur einmal kurz ins Organigramm der Landesregierung geguckt – untersteht der Ministerin, die da vorne sitzt, und nicht der UNO. Deswegen stehlen Sie sich nicht aus dieser Verantwortung!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Weil Sie Ihre Wirtschaftskompetenz hier immer wieder anführen, sollten Sie deutlich machen, welche Auswirkungen das hat. Der Kollege Wolf hat das vorhin ausgeführt. Wir haben 3,1 Millionen zugelassene Dieselfahrzeuge. 2,6 Millionen können von einem Fahrverbot betroffen sein. Das heißt Wertverlust, das heißt, Zulieferbetriebe kommen in eine schwierige Phase ihrer Planung. Das ist doch das, was Sie immer anführen. Aber dies macht noch einmal deutlich, dass es Ihnen egal ist, was passiert, und dass Sie den Kopf in den Sand stecken, egal was das Bundesverwaltungsgericht hier entscheidet, Herr Kollege.

(Beifall von der SPD)

Wir waren gestern in der Fraktion schon erstaunt darüber, dass die Ministerin in ihrer Presseerklärung deutlich machte, an der Corneliusstraße seien die Werte schon um 18 µg pro Kubikmeter gesunken. Frau Ministerin, ich bitte Sie, fahren Sie einmal zur Corneliusstraße, schauen Sie sich an, was aus der Heimat der Menschen wird, die am Clevischen Ring, an der Corneliusstraße wohnen, die jetzt ein Urteil haben und nicht wissen, wer für die Ermittlung der Werte bei ihrer Wohnung zuständig ist und was mit der Luftbelastung los ist. Diesen Menschen zu helfen, wäre Politik für die Heimat – und nicht, wie gesagt, plattdeutsche Ortsschilder, die an die Gemeindegrenzen gestellt werden.

(Beifall von der SPD – Monika Düker [GRÜNE]: Sie wohnen da ja nicht!)

Machen Sie hier noch einmal klar: Wenn Sie das Lippenbekenntnis der Verantwortung der Industrie hier anführen, dann muss eine Musterfeststellungsklage kommen und dann muss die Kanzlerin den deutschen Automobilherstellern ganz klar sagen: Ihr bezahlt für die Nachrüstung! Nichts anderes. Das hat Barbara Hendricks gemacht. Aber es ist leider nicht bis zur Kanzlerin vorgedrungen. – Dann wäre Ihre Politik glaubhaft.

(Beifall von der SPD)

Fazit – weil das ja eingefordert wird –: Erstens. Folgen Sie der Luftreinhaltepolitik von Michael Groschek, die er hier angeführt hat.

(Lachen von der CDU)

Schauen Sie sich an, wie die Mobilitätspolitik hier organisiert wird, und nehmen Sie den Gesundheitsschutz auch als Lebensqualitätssteigerung in Nordrhein-Westfalen ernst.

Zweitens. Wenn Sie die Verbraucherrechte der Menschen hier in Nordrhein-Westfalen ernst nehmen, schließen Sie sich unserer Musterfeststellungsklage an. Sagen Sie klar – auch der Ministerpräsident, der gerne auf diesen Gipfeln weilt –, dass die Industrie die Nachrüstung bezahlen muss. Dann, glaube ich, können wir hier gemeinsam reden.

Abschließend: Ducken Sie sich nicht aus der Verantwortung. Nicht die UNO, wie schon gesagt, ist für Düsseldorf, Mönchengladbach oder Köln zuständig, sondern das Ministerium, das hier heute im Raum sitzt. – Vielen Dank, meine Herren.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Deppe.

Rainer Deppe (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich dachte, wir hätten hier heute eine Aktuelle Stunde, aber wenn ich mir den letzten und auch einige Redebeiträge von davor anhöre, dann bekomme ich den Eindruck, dass heute wieder einmal die Stunde der Populisten ist. Das gehört aber nicht hierher.

(Zuruf von der SPD: Ho, ho, ho!)

Herr Blex, welches Problem auf dieser Welt leugnen Sie eigentlich nicht?

(Beifall von der CDU)

Warum erzählen Sie den Leuten, dass 8.000 µg offenbar kein Problem sind? Sie sind doch überhaupt nicht in der Realität, sondern in irgendeiner Scheinrealität. „Fake News“, sagt man woanders.

(Helmut Seifen [AfD]: Wo sind denn Ihre Belege?)

Meine Damen und Herren: Wir werden die Grenzwerte in Nordrhein-Westfalen erreichen. Dazu gibt es auch gar keine Alternative. Wir werden das schaffen.

Die Luftqualität in unserem Land ist kontinuierlich besser geworden. Ich zitiere aus dem Bericht zur Luftqualität des Jahres 2016, den uns noch die alte Landesregierung vor knapp einem Jahr vorgelegt hat. Es geht um die Entwicklung der Luftqualitätsmessungen, gegliedert nach den verschiedenen Luftschadstoffen: PM10 – Feinstaub: keine Überschreitung der zulässigen Anzahl von Tagesmittelwerten. PM10 – Inhaltsstoffe: Blei – keine Überschreitungen, Arsen – keine Überschreitungen, Kadmium – keine Überschreitungen, Nickel – keine Überschreitungen, Benzopyren – eine Überschreitung an den Messstellen. PM2,5: keine Überschreitung, SO2: keine Überschreitung, Benzol: keine Überschreitung und Ozon: sechs Überschreitungen des Informationswertes und einmal des Alarmschwellenwertes.

Das ist die Entwicklung, meine Damen und Herren. Außer beim Stickstoffdioxid: Da hatten wir an 127 Messstellen 60 Überschreitungen. Das sind weniger als zuvor.

Wir sind also auf einem guten Pfad. Die NO2-Jahreswerte sind in den letzten zehn Jahren von ca. 29 und 30 µg im städtischen und vorstädtischen Bereich auf 24 µg gesunken – übrigens im städtischen und vorstädtischen Bereich ungefähr gleich hoch. Also: deutlich unter dem Grenzwert.

Noch signifikanter ist der Trend an den Messstationen für Verkehr. Dort sind sie nämlich von 54 auf 44 µg zurückgegangen. Wir haben das vorgegebene Ziel, meine Damen und Herren, noch nicht erreicht. Das ist klar, aber immerhin ist es schon von 54 auf 44 µg gesunken. Und ich sage Ihnen: Die letzten 4 µg werden wir auch noch erreichen.

(Beifall von der CDU)

Die Luftqualität, meine Damen und Herren – ich denke, das muss man in der Öffentlichkeit auch einmal klar machen –, ist heute besser als vor zehn Jahren. Der Eindruck, der öffentlich erweckt wird, ist immer das Gegenteil.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben zwei Drittel des Weges geschafft. Das letzte Drittel werden wir auch noch schaffen. Im Vergleich zum Erreichten fehlt uns nur noch ein kleiner Schritt. Wir sollten mal diese Panikmache sein lassen, die hier betrieben wird.

Es wäre doch ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich daran beteiligt haben, die sich moderne Fahrzeuge gekauft haben, die einen ganz persönlichen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität geleistet haben. Genau für diejenigen werden jetzt Fahrverbote gefordert. Sie sagen den Menschen: Sie haben sich zwar angestrengt und das Richtige gemacht, indem Sie sich verbrauchsarme Fahrzeuge angeschafft haben, aber zum Dank wird ihr Auto jetzt stillgelegt. – So kann man mit den Menschen nicht umgehen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

So überzeugt man sie nicht, so gewinnt man sie nicht für Umweltschutz, sondern so verängstigt man sie. So werden wir nicht mit den Menschen umgehen. Deshalb noch einmal: Wir werden die Grenzwerte in Nordrhein-Westfalen ohne Fahrverbote erreichen. Das geht auch noch einmal an die Bevölkerung in unserem Lande.

Die Luftqualität ist heute deutlich besser als vor 20 Jahren, als vor zehn Jahren, und 2018 wird sie besser sein als 2016 und 2017. Wir sind auf dem richtigen Pfad, weil wir den technischen Fortschritt nutzen und nicht verteufeln. Wir packen die Probleme an und glauben, dass man die Welt nicht mit Katastrophenmeldungen besser macht, sondern mit kontinuierlicher Arbeit und vernünftiger Politik.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, deshalb – auch an die Kollegen der SPD – ist die blaue Plakette aus unserer Sicht für Nordrhein-Westfalen keine Lösung. Denn sie ist doch nur die Vorbereitung, eines Tages Fahrverbote zu verhängen, dann eben nicht für alle, aber gerade für diejenigen, die wirtschaftlich nicht in der Lage sind, sich ein neues Auto zu kaufen. Das ist unsozial und der falsche Weg.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen erklären, wie es geht.

(Michael Hübner [SPD]: Jetzt bin ich aber mal gespannt!)

Der Verkehrsminister hat vor etwa einem Monat die Kölner Verkehrsbetriebe gefördert; dort werden Elektrobusse angeschafft. Ich komme aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis, aus der Nachbarschaft von Köln also. Wir werden unsere Busse auf Wasserstoff umstellen. Es gibt schon Ankündigungsplakate, mit denen wir die Bevölkerung für dieses Thema einnehmen.

(Christian Loose [AfD]: Neue Zahlen!)

Das ist uns im Kreishaushalt 600.000 € zusätzlich wert. Der größte Teil der Zusatzkosten ist vom Bund, vom Land und von der EU gefördert worden.

(Christian Loose [AfD]: Von den Steuerzahlern!)

Aber so gewinnt man Akzeptanz, indem man umstellt und die Schritt für Schritt vorangeht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zu den verkehrspolitischen Maßnahmen hat mein Kollege Klaus Voussem schon etwas gesagt.

Wir sind im Programm der Bundesregierung für saubere Luft für die Jahre 2017 bis 2020. Es ist jetzt unsere Aufgabe – viele von uns sind auch Kommunalpolitiker –, das anzugehen und unsere öffentlichen Betriebe – mit einer der größeren Verursacher – umzustellen.

Ich will den Gedanken noch weiter spinnen: Wir alle können heute schon etwas tun. Es gibt heute auf dem Markt Fahrzeuge, die so gut wie keine Stickstoffdioxide ausstoßen. Denken Sie an Erdgas, denken Sie an LPG, denken Sie an LNG, denken Sie an Biogas, und in der Entwicklung wird es weitergehen in Richtung Wasserstoff.

Wir haben alle technischen Möglichkeiten in der Hand. Viele können heute schon genutzt werden, andere perspektivisch. Für Panikmache ist kein Grund. Der Verkehrssektor, meine Damen und Herren, wird seinen Beitrag zur Luftreinhaltung leisten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Deppe. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fand einige Wortbeiträge bemerkenswert, weil es offensichtlich ein Stück Bewegung gibt. Es gibt offensichtlich in den regierungstragenden Fraktionen durchaus eine Grundtendenz, dass dieser endgültige Weckruf ein Stück weit gehört wird. Ich werde mich jetzt mit ein paar Argumenten auseinandersetzen, die in den Reden gefallen sind.

Herr Voussem hat mich auf Ministerpräsident Kretschmann angesprochen, und Herr Deppe hat sich zur blauen Plakette geäußert.

Bezüglich der bundesweiten Einführung der blauen Plakette gibt es zwischen mir und Herrn Kretschmann, aber auch zwischen uns NRW-Grünen und Herrn Kretschmann nun wirklich überhaupt keinen Unterschied. Das fordert er seit Langem. Die Bundesumweltministerkonferenz hat 2016 auf Initiative des damaligen NRW-Umweltministers einstimmig beschlossen, dass eine solche Plakette eingeführt werden soll. Die Bundesregierung hat das nicht umgesetzt.

Wenn man nach Nordrhein-Westfalen blickt – Herr Ministerpräsident ist gerade auf den Abgeordnetenbänken –: Lieber Armin Laschet, manchmal ist es schon gut, auf die Kölner Oberbürgermeisterin zu hören,

(Zuruf von der AfD)

die wir ja gemeinsam – CDU und Grüne – ins Amt gebracht haben. Ich erinnere mich noch an den schönen Wahlabend, als wir zusammen im Kölner Rathaus standen; da waren Sie noch nicht Ministerpräsident. Es ist gut, auf Henriette Reker, unsere gemeinsame Oberbürgermeisterin, zu hören, die eindeutig die Einführung einer blauen Plakette fordert und damit jeden Tag in den Medien ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für die CDU wäre es gut: ein bisschen mehr Reker und weniger Deppe oder Voussem. Das würde uns in dem Fall weiterhelfen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Kollege Petelkau – ich sehe ihn gerade nicht im Plenum –, es gibt in Köln einen klaren Ratsbeschluss von CDU, Grünen und interessanterweise der Linken zur Einführung der blauen Plakette.

Also, die CDU sollte einmal auf ihre Großstadtunion hören und nicht so sehr auf den ländlichen Raum. Dann wären wir in dem Bereich schon ein wenig weiter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Middeldorf, die Vorlage haben Sie mir noch einmal geliefert. Man kann natürlich der vorherigen Landesregierung vorhalten: Ihr habt zu wenig getan. –

Ihr aber zu sagen, sie hätte gar nichts getan?

Wenn ich mir dann aber allein Herrn Pinkwart ansehe, der sich bei seinen Pressekonferenzen mit seinem großen breiten Grinsen hinstellt und die 100 Millionen € aus dem 100-Millionen-€-Programm „Emissionsfreie Innenstädte“ – von Herrn Remmel auf den Weg gebracht – jetzt mit großer Freude an die Städte in Nordrhein-Westfalen verteilt – Bonn ist die erste Stadt, die 20 Millionen € bekommt – … Das ist ein Beschluss aus rot-grüner Zeit.

Herr Deppe hat eben das Thema „Elektrobusse in Köln“ angesprochen. Herr  Deppe,  Sie sind auch schon lange dabei;  ich weiß allerdings nicht, ob Sie an dem Termin teilgenommen haben – ich war anwesend –, an dem Michael Groschek als damaliger NRW-Verkehrsminister die ersten acht Elektrobusse an die KVB übergeben hat. Ich freue mich, dass Hendrik Wüst das auch machen darf. Vor diesem Hintergrund aber zu behaupten, die vorherige Landesregierung hätte kein Maßnahmenprogramm im Bereich Elektromobilität für den ÖPNV auf den Weg gebracht, das Sie jetzt entsprechend fortführen, das ist doch wirklich Humbug.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann der Kieler Schlüssel: Jedes Jahr Hunderte von Millionen Euro mehr vom Bund für Nordrhein-Westfalen für den Nahverkehr, ausgehandelt von Rot-Grün in der Verkehrsministerkonferenz. Das ist das Geld, das Hendrik Wüst jetzt immer schön an die Verkehrsverbünde verteilen kann. Das gönnen wir ihm, weil es gut ist. Aber zu sagen, die vorherige Landesregierung habe nichts getan, ist wirklich absoluter Humbug. Sie stehen hier in der Tradition; und die positiven Projekte werden von Ihnen weitergeführt, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Gleiche gilt für Radschnellwege. Das Gleiche gilt für den RRX. Das Gleiche gilt für andere Projekte.

Zum Schluss zu den Nahverkehrstickets: Das mit dem Brief war ein Schnellschuss – nicht nur durch die Umweltministerin, sondern ich erinnere mich daran, dass auch Peter Altmaier darunter stand. Von daher wäre es jetzt falsch, den Ball nur an die SPD zu spielen, denn es war ein Brief von drei Ministern an die EU-Kommission.

Die Ideen waren durchaus noch unausgegoren, aber lassen Sie uns doch den Ball aufnehmen hin zu einem besseren Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen. Wir hatten im Wahlkampf ein Zwei-Euro-Ticket vorgeschlagen. Von der BOGESTRA wird das jetzt im Ruhrgebiet mit großem Erfolg umgesetzt: Pendler steigen um, gute Verkaufszahlen mit einem Zwei-Euro-Ticket täglich.

Was die Debatte um öffentlichen Nahverkehr im Übrigen anbelangt: So unausgereift die Forderung nach einem kostenlosen öffentlichen Nahverkehr war, bietet sich aber die Chance, dass wir die Verkehrswende in Nordrhein-Westfalen in einem klaren Mobilitätsmix konkret umsetzen. Dazu gehören auch in Zukunft Pkw, die aber elektrisch oder mit Wasserstoff betrieben sein müssen. Wir brauchen mehr Radverkehr. Ich bin gespannt, ob wir jetzt in der zweiten Runde noch etwas hören, dass es ein großes Programm zum Radwegeausbau in Nordrhein-Westfalen über das hinaus gibt, was wir jetzt im Haushalt projektiert haben.

Die Frage, die sich an die Landesregierung richtet, lautet: Was macht Ihr konkret nach diesem Urteil mehr als das, was bisher verabschiedet wurde? – Wir wissen, was auf den Weg gebracht worden ist, aber wir wollen konkret von dieser Landesregierung auf der Grundlage des gestrigen Urteils wissen: Wo sattelt diese Landesregierung drauf? Wo beschleunigt sie?

In den nordrhein-westfälischen Städten drohen in den nächsten Jahren Fahrverbote. Die Kommunen müssen deshalb unterstützt werden. Die Autofahrerinnen und Autofahrer müssen unterstützt werden. Jetzt ist die Chance, zu handeln. Nutzen Sie die Chance dazu und sagen Sie uns, was Sie vorhaben, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Klocke. – Für die FDP spricht jetzt Herr Kollege Diekhoff.

Markus Diekhoff (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, auch, wenn Sie gerade einen anderen Eindruck erwecken wollten: Ihre Debattenbeiträge heute waren so inhaltslos und -leer wie die Aktenordner mit Maßnahmen gegen Dieselfahrverbote, die Sie uns aus Ihrer Regierungszeit überlassen haben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Jetzt stellen Sie sich hierhin und beklagen die Pressearbeit der NRW-Koalition von gestern. Das können wir auch. Sehen wir uns die Pressearbeit von gestern einmal an: Die SPD wusste scheinbar noch nicht einmal, dass die zuständige Ministerin eine Frau ist. Oder verzichten die Genossen jetzt wieder auf eine geschlechtergerechte Sprache? Wenn ja, können wir das so tun.

(Heiterkeit von der FDP)

Von der gleichen Unwissenheit war leider auch der Rest der Pressemitteilung geprägt. Die Landesregierung kann die Kommunen gar nicht im Stich lassen; zuständig für die Luftreinhaltung sind nämlich die Bezirksregierungen. Herr Stinka, Sie sind Beamter, Sie müssten eigentlich wissen,

(Michael Hübner [SPD]: Das hat er Ihnen doch gerade erklärt! Das ist eine Unverschämtheit!)

dass Bezirksregierungen keine Kommunalbehörden sind.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die NRW-Koalition lässt niemanden im Stich – nicht die Autofahrer und nicht die Kommunen.

(Michael Hübner [SPD]: Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie darauf reagieren können! Aber wenn Sie nur ablesen, klappt das nicht!)

Lustig war in der Pressemitteilung auch der Satz:

„Die schwarz-gelbe Landesregierung muss ihr Wohlwollen gegenüber der Automobilindustrie beenden und im Interesse der Gesundheit der Anwohner, des Umweltschutzes sowie der Autobesitzer auf Nachrüstungsmaßnahmen der Fahrzeugflotten hinwirken.“

Liebe Genossen, Sie wissen schon, dass die SPD seit vielen Jahren in der Bundesregierung die Verantwortung trägt? Sie wissen schon, dass Sie selbst in Person des niedersächsischen SPD-Ministerpräsi-denten Weil den wichtigster Vertreter im Aufsichtsrat des größten Autobauers Europas, der nicht ganz unchuldig an der Misere ist, stellen?

Sie können durchaus einen eigenen Antrag stellen und müssen nicht alles uns in die Schuhe schieben. Das hat selbst die SPD-Bundesumweltministerin Hendricks, der ich nur sehr ungern zustimme, gestern richtigerweise erkannt und gesagt, sie hätte sich früher kümmern müssen. – Richtig! Nur: Hier in NRW haben Sie anscheinend nichts von den Problemen in den letzten Jahren mitbekommen – als hätten Sie nie regiert.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das ist doch Quatsch! Haben Sie mir eben zugehört? Dann gehen Sie doch mal auf die Argumente ein, die ich gerade genannt habe!)

– Ja, ich weiß, dass Ihnen Ihre Regierungsbilanz peinlich ist. Sie haben gerade versucht, es zu übertünchen. Von der SPD ist nichts gekommen! Ich rede mit der SPD!

(Zurufe: Oh!)

Wir waren ja noch bei der SPD!

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Was ein Schnösel!)

– Vielen Dank!

Ich weiß, dass Ihnen die Regierungsbilanz peinlich ist – nicht nur bei der Luftreinhaltung. Aber die Regierungsstrategie „Augen zu und durch“ hat uns den Trümmerhaufen doch beschert. Sich hier nun wegzuducken und aus der zweiten Reihe die Trümmerfrauen zu beschimpfen, ist doch kein ernsthafter Beitrag zur Problemlösung.

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Was ist denn das für ein Quatsch?)

Das, was Sie hier zusammen mit den Grünen und Herrn Resch von der Deutschen Umwelthilfe machen und was gerade hier im Haus läuft,

(Sven Wolf [SPD]: Lassen Sie Herrn Middeldorf wieder reden; das war besser!)

ist doch nichts anderes als politischer Klamauk auf dem Rücken von Pendlern, Handwerkern und Geringverdienern,

(Beifall von der FDP und der CDU)

welche seit Jahren mit einer steuersubventionierten Pro-Diesel-Politik dazu gezwungen werden, Selbstzünder zu fahren, und jetzt im Regen stehen.

Deswegen sollten Sie nicht herumwettern, belehren und schimpfen, sondern sich schämen, dass Sie uns dieses Trümmerfeld überlassen haben.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die Textbausteine können Sie doch auswendig aufsagen!)

Seit 2010 fehlt in NRW ein wirksamer Luftreinhalteplan. Sie hatten über sieben Jahre Zeit – wir sieben Monate. Merken Sie was?

(Zuruf: Nein! – Michael Hübner [SPD]: Ich auch nicht!)

– Ich auch nicht mehr. Aber die Bürgerinnen und Bürger werden am Ende nicht so vergesslich sein wie die Spitzenfunktionäre der SPD – zum Beispiel beim Thema „GroKo“: So etwas bleibt hängen.

(Zuruf von der SPD: Sie wollten nicht mal regieren!)

Aber den Vogel beim gestrigen Pressereigen hat letztendlich ein Grüner abgeschossen – Reiner Priggen, von 2010 bis 2015 noch Vorsitzender der grünen Landtagsfraktion hier im Hohen Haus und bis zur Wahl im Mai 2017 auch noch Sprecher für Wirtschaft, also eine der wichtigsten Personen der rot-grünen Regierung Kraft. Dieser Herr Priggen hat gestern als inzwischen Vorsitzender der grünen Vorfeldorganisation „Landesverband Erneuerbare Energien NRW“ geschrieben:

In Nordrhein-Westfalen

„stehen jetzt Millionen Pendler, Lieferdienste und Handwerksbetriebe vor drohenden Fahrverboten, weil die Regierung die Energiewende verschläft. Dabei stehen umwelt- und klimafreundliche Mobilitätslösungen längst bereit:“

(Sven Wolf [SPD]: Ja, da hat er recht!)

vor allem

„die Elektromobilität auf Basis Erneuerbarer Energien.“

(Helmut Seifen [AfD]: Mein Gott!)

„Was es dafür braucht, haben wir in NRW: innovative Hersteller von E-Autos, belastbare Stromnetze und genug Ausbaupotenzial für Erneuerbare.“

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Original Ministerpräsident!)

Vielen Dank für das Kompliment. Wir wissen, dass die NRW-Koalition das Land extrem schnell voranbringt. Aber so schnell? Innovative, marktfähige E-Autos aus NRW, top Stromnetze, die das alles schaffen, jede Menge freie Flächen für Windräder – all das in sieben Monaten? Ich fürchte, das haben wir nicht geschafft.

(Zurufe von Johannes Remmel [GRÜNE] und Markus Wagner [AfD])

Es gibt also nur zwei Antworten. Entweder hat Rot-Grün in den letzten Jahren ein Land mit diesen tollen Eigenschaften vorgefunden, wie sie der damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen hier beschreibt – dann haben Sie aber nichts daraus gemacht –,

(Beifall von der FDP und der CDU)

oder Herr Priggen ist – wie die gesamte ehemalige rot-grüne Landesregierung – das Opfer einer völlig unrealistischen Einschätzung …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Markus Diekhoff (FDP): … des eigenen Handelns geworden und macht sich seine Welt, wie es ihm gefällt – wahrscheinlich sogar im Duett mit Andrea Nahles.

(Michael Hübner [SPD]: Da lacht noch nicht mal bei Ihnen einer!)

Die NRW-Koalition träumt nicht. Bei uns können sich die Autofahrer in NRW darauf verlassen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Fahrverbote zu verhindern – und damit auch die Enteignung der Besitzer. Das ist 100 % mehr als das, was Sie in sieben Jahren getan haben und hier heute im Plenum verkaufen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Diekhoff.

Bevor ich Herrn Kollegen Loose für die AfD das Wort erteile, möchte ich mit Blick in die entsprechende Richtung sagen: Wir haben hier oben gerade zu zweit einen unparlamentarischen Ausdruck gehört, der mit „Sch“ beginnt. Sollte das der Fall gewesen sein, wissen die betreffenden Kollegen bzw. weiß der betreffende Kollege, dass das unparlamentarisch ist. Sollten wir uns verhört haben, ist das eine Ansage von folgenloser Richtigkeit.

Für die AfD spricht nun Herr Kollege Loose.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst vorab: Die Festlegung eines Grenzwertes in der EU kann auch nach wissenschaftlichen, toxikologischen Gesichtspunkten erfolgen. Hier könnte unsere Kanzlerin ihren Einfluss geltend machen, und auch die zahlreichen Politiker – insbesondere der Altparteien, die dort die Mehrheit stellen – könnten ihren Einfluss geltend machen. Aber diese lassen unsere Bürger im Stich.

Kommen wir zur angeblichen Gesundheitsschädigung, die in keiner Studie nachgewiesen wird. Im Gegenteil: NO-Verbindungen werden sogar in der Medizin eingesetzt, zum Beispiel beim Nitrospray, um Bluthochdruckpatienten zu helfen.

Nun zu den Dieselfahrzeugen. Die Dieselfahrzeuge sind nach Auffassung des Lobbyvereins „Deutsche Umwelthilfe“ die Hauptquellen für Stickoxid in den Städten. In Deutschland gibt es 15 Millionen Diesel-Pkw, und von einem Fahrverbot wären die älteren davon – etwa fünf Millionen – betroffen.

Mittlerweile hat die schleichende Entwertung von Dieselfahrzeugen in Deutschland bereits begonnen. Die Dieselfahrzeuge sind Ladenhüter, und die Wirtschaftsfähigkeit unseres Landes ist schwer angeschlagen. Das Dieselfahrverbot ist nur noch der letzte Schritt hin zur Enteignung der über fünf Millionen Fahrzeughalter.

(Beifall von der AfD)

Die Angst, von Ihnen geschürt, greift bereits um sich. Auch die Automobilindustrie wird sich ihre Gedanken machen müssen: Wann kommt das endgültige Aus für Dieselfahrzeuge?

Selbst die Interimskanzlerin äußerte sich bereits positiv zum Verbot von Verbrennungsmotoren. Und da wird Ihr Beifahrer aus NRW, Herr Ministerpräsident Laschet, auch nicht ins Lenkrad greifen, wenn beide gemeinsam ungebremst in den Abgrund unseres wirtschaftlichen Ruins fahren.

(Beifall von der AfD – Zuruf von der AfD: Hört! Hört!)

Bei der nächsten größeren Revision werden sich deshalb die Vorstände der Automobilhersteller überlegen, ob das Geld überhaupt noch in Deutschland investiert oder besser für ein neues Werk im Ausland ausgegeben werden sollte.

Aber kommen wir zum Autofahrer: Nicht ohne Grund sind wir Deutschen die Autonation in Europa. Unser Auto ist das wesentlichste Transport- und Reisemittel sowohl für unseren Beruf als auch für unseren Urlaub. Wir fahren, wann wir wollen und wohin wir wollen. Das ist unsere gelebte Freiheit. Aber das ist auch notwendig, denn es wird von uns verlangt, dass wir für den Job flexibel sein müssen, also vor der Arbeit unser Kind zur Kita bringen, danach zur Arbeit fahren, am Nachmittag schnell von der Arbeit zurück und bis 16 Uhr zur Kita, wenn man denn überhaupt einen 45-Stunden-Platz ergattert hat.

Das alles ist mit dem ÖPNV gar nicht möglich, denn durch die festen Taktzeiten verliert man immer wieder Rüstzeit, die man nicht mehr aufholen kann – und das unabhängig davon, ob es sich um einen Elektrobus oder um einen Dieselbus handelt.

Was ist mit unseren Taxifahrern? – Die gesamte Taxiflotte besteht aus Dieselfahrzeugen. Was ist mit unseren Handwerkern, die in der Regel Dieselfahrzeuge fahren? Wie sollen sie zu den Kunden kommen, die in der Regel in den Innenstädten wohnen?

Unsere Bürger haben sich auch ein Dieselfahrzeug gekauft, weil dieses als besonders umweltfreundlich galt. Und das ist es immer noch. Durch die Nutzung von Dieselfahrzeugen können jedes Jahr allein im Pkw-Bereich mehr als 5 Millionen t Treibstoff gespart werden. Und nun werden unsere Bürger von der Presse und von einigen idiotischen Politikern mit Mördern gleichgesetzt.

(Beifall von der AfD)

Diese würden laut deren Aussage Menschen – ich zitiere – vergasen. Das war zum Beispiel Jürgen Döschner, wenn es jemand wissen möchte.

Wer soll jetzt eigentlich die Umrüstung bezahlen? Soll das der einkommensschwache Bäckereiangestellte bezahlen, der sich gerade mal ein altes Dieselfahrzeug leisten kann, um morgens um 4 Uhr zur Arbeit zu fahren? Und ist eine Umrüstung überhaupt zielführend? – Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes in Stuttgart auf jeden Fall nicht, denn für Diesel wäre eine Umrüstung nicht mal schnell genug.

Die Schuldigen für diesen Skandal sind vornehmlich zwei Gruppen, zum einen die Politiker, die von der Industrie völlig ohne Sinn und Verstand immer schärfere Vorgaben fordern, und zum anderen die Vorstände der Autoindustrie, die diesen irrwitzigen Vorstellungen immer wieder nachgeben und sagen, das sei doch einfach zu schaffen. Natürlich ist alles immer irgendwie zu schaffen. Aber es kostet enorme Ressourcen, sprich Geld, oder es ist nur mit Schummeleien zu leisten.

Wir fordern eine Garantie für die treibstoffsparenden Dieselfahrzeuge bis zum Jahr 2050, um Ressourcen zu sparen, und für unsere Freiheit. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Loose. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Wüst.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wolf hat eben vorgetragen, was gestern schon in der Pressemitteilung stand: Es sei absehbar gewesen, dass das mit dem Urteil jetzt so kommen würde.

Ganz ehrlich, gegen diese Kritik muss ich meinen Vorgänger, Ihren Landesvorsitzenden Michael Groschek, und den Kollegen Remmel eindeutig in Schutz nehmen. Das haben sie nicht verdient, denn die Rechtsauffassung, dass es im deutschen Recht keine Grundlage für Fahrverbote gibt, ist eindeutig bestätigt worden, denn man muss ja den Rückgriff nehmen auf das europäische Recht.

Vor ein paar Wochen habe ich im Straßenkarneval einen kleinen Jungen gesehen, der als Fred Feuerstein ging – das war ganz niedlich – und eine aufgeblasene große Keule dabei hatte. An ihn erinnern Sie mich heute ein bisschen. Sie meinen, hier eine riesengroße Keule schwingen zu müssen, mindestens einen dicken Knüppel. Gucken Sie einmal ganz genau hin: In Wahrheit wedeln Sie wieder nur mit einem der toten Hühner Ihrer Amtszeit, die Sie uns über den Zaun schmeißen wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Carsten Löcker [SPD]: Das habe ich schon mal gehört; das ist vier Wochen alt!)

Die Grenzwerte, über die wir heute streiten, gibt es seit 2010. Seitdem werden sie überschritten. Das heißt: während Ihrer kompletten Amtszeit inklusive Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linkspartei. – Das zum Thema „tote Hühner“.

Dann sagen Sie jetzt, die Kommunen wären im Stich gelassen worden. – Ja, wer hat denn die Kommunen sieben Jahre lang im Stich gelassen, um das zu vermeiden, was wir heute diskutieren müssen? Man hat fast den Eindruck, Sie oder zumindest Teile der früheren Landesregierung wollten es auf diese Situation zutreiben lassen, wenn man sich vor Augen hält, dass in sieben Jahren Ihrer Regierungszeit Grenzwertüberschreitungen folgenlos akzeptiert worden sind.

Sie sagen: Die Kommunen sind im Stich gelassen worden; ihr tut nichts für die.

Ich habe hier einen Brief der kommunalen Spitzenverbände, also Städtetag Nordrhein-Westfalen, Landkreistag Nordrhein-Westfalen und Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen – vom 26. Februar. In diesem Brief schreiben die kommunalen Spitzenverbände, es sei doch gut, dass jetzt Klarheit herrsche über ein paar Themen, die auf dem Dieselgipfel noch diskutiert worden seien. Sie bedanken sich herzlich für ein sehr hilfreiches Schreiben des Staatssekretärs Dr. Schulte aus meinem Haus. Mitunterzeichner waren die Staatssekretäre Dr. Bottermann und Dammermann. – Also die, für die Sie vermeintlich hier mit großer Keule Palaver machen, sagen: Prima, vielen Dank,

(Michael Hübner [SPD]: Palaver machen sieht anders aus!)

wir haben Klarheit, wir kommen gut zu Rande. – Ich kann aus dem Brief zitieren, Sie können ihn sich gerne nachher bei mir anschauen.

Wenn Sie hier antreten als die Anwälte, als die Vertreter der Kommunalen, dann haben Sie an der Stelle, glaube ich, ein Eigentor geschossen. Sie sind diejenigen, die es viel zu lange haben treiben lassen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann sage ich auch noch einmal: Nur kein Neid, weil wir ein paar Förderprogramme fortsetzen. Ich bin überhaupt kein Vertreter davon, alles, was Vorgängerregierungen gemacht haben, erst mal mit Stumpf und Stiel auszureißen und dann mühevoll Vergleichbares mit anderen Etiketten wieder aufzubauen. Wir fördern heute Elektrobusse. Bei Rot-Grün waren es acht in Köln, ich habe einen Förderbescheid überreicht für 51. Aber darum soll es jetzt nicht gehen.

Ich habe auch eine ganze Menge rot-grüner Blockaden in der Mobilitätspolitik geerbt. Die Grünen haben den Roten vermasselt, Landesstraßen zu bauen. Die Roten haben den Grünen vermasselt, in Radwege zu investieren. Es ist ja heute nahezu leicht, zum Freund der Fahrradlobby zu werden – so wenig, wie Sie gemacht haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben schon vorsorglich bei den Radwegen an Landesstraßen und bei den Radschnellwegen draufgesattelt.

Sie haben sich da gegenseitig blockiert – zum Schaden der Menschen und zum Schaden des Landes.

Unser Ziel ist weiterhin, die Luftreinhaltung in den Städten zu verbessern. Wir gehen davon aus, dass das auch ohne Dieselfahrverbote geht.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dieselfahrverbote sind schleichende Enteignungen der Pendler, der Menschen, die zur Arbeit wollen und müssen, der mittelständischen Unternehmen und vieler anderer.

In den letzten Jahren ist zwar viel zu wenig getan worden – ein Fahrverbot und Maßnahmen vergleichbarer Art sind jedoch das schärfste Schwert, die Ultima Ratio. Im Vergleich zu anderen Ländern können wir in Nordrhein-Westfalen so etwas aufgrund der geringen Schadstoffüberschreitungen beim Stickstoffdioxid mit einer Vielzahl anderer Maßnahmen verhindern. Man muss es am Ende nur wollen. Man muss es angehen, und man muss es wollen. Ich sage es Ihnen klar: Wir wollen das.

Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen. Ich will sie gerne noch einmal in aller Ausführlichkeit nennen.

Die Landesregierung unterstützt die Kommunen bei Nachrüstung und vorgezogener Modernisierung von Linienbussen – das war das 60-%-Programm; es wird jetzt seitens des Bundes noch einmal getoppt durch ein neues 80-%-Programm –, bei der Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV, beim Verkehrs- und Parkraum-Mobilitätsmanagement, beim Ausbau von Radwegen und Radschnellwegen sowie durch die Förderung der Elektromobilität und anderer alternativer Antriebe und Kraftstoffe.

Es gibt einen Elektromobilitätsrat, angesiedelt high-level beim Ministerpräsidenten, der auch den Vorsitz hat. Wir unterstützen die Kommunen bei der Förderung der Lade- und Tankinfrastruktur für alternative Antriebe sowie bei der Umsetzung neuer Verkehrskonzepte mit insgesamt 100 Millionen € aus dem Programm „Kommunaler Klimaschutz“ – davon 40 Millionen € für ein Sonderprogramm „Emissionsfreie Innenstadt“ –, bei der Förderung im Bereich Forschung und Entwicklung von Leichtbau und synthetischen Kraftstoffen.

Die Landesregierung nutzt – um es klar zu sagen – erstmals die enormen Chancen der Digitalisierung für eine Verbesserung der Mobilität. Der eigentlich reich gedeckte Tisch war dort leer, Herr Löcker. Wir fangen jetzt damit an, mit einer neuen Fachabteilung in der Landesregierung Kompetenzen und Wissen aufzubauen, um die Chancen der Digitalisierung für vernetzte Mobilität besser zu nutzen – Stichwort: ÖPNV-Digitalisierungsoffensive.

Hierzu haben wir im November letzten Jahres mit den Beteiligten ein ganzes Paket an Maßnahmen zur besseren Nutzung der Chancen der Digitalisierung verabredet. Stichwort „E-Ticket“: Hierzu erfolgte in der letzten Woche der Startschuss für das nextTicket im Praxistest des VRR. Stichwort „Besserer ÖPNV“: Letzte Woche wurde im Verkehrsausschuss die Reaktivierung der Bahnstrecke von Duisburg nach Kamp-Lintfort beschlossen. Da geht eine ganze Menge, und wir werden alle Chancen nutzen, die sich uns bieten.

Heute oder morgen werden wir noch über die NE-Bahn-Förderung debattieren. Sie reden immer davon, die Bahn attraktiver zu machen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Stimmen Sie doch zu!)

Und dann haben Sie die NE-Bahn-Förderung während Ihrer Regierungszeit auf ein Kreditmodell umgebaut, das nicht funktioniert hat. Wir aber machen es jetzt. Wir reparieren jetzt die Schäden, die Sie angerichtet haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sorgen jetzt dafür, dass aus dem Scherbenhaufen, den Sie uns hinterlassen haben, neue Chancen erwachsen, um Fahrverbote zu vermeiden, die Luft reiner zu machen und die Mobilität zu verbessern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Löcker.

Carsten Löcker (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere gemeinsamen Ziele, die Energiewende und der Klimaschutz, gelingen nur mit dem Verkehrssektor. Das Ganze geht nicht ohne den Verkehrssektor. Das muss zusammen gedacht werden.

Was deshalb nicht hilft, Herr Blex, ist Realitätsverweigerung nach dem Motto: Wir müssen nur anders messen, dann wird alles gut. Herrn Deppe, der meint, Fahrverbote kämen sowieso nicht, entgegne ich: Rufen Sie doch mal Ihren Kollegen in Berlin an! Da werden Sie sich wundern, was der gerade plant – was wir hoffentlich alle nicht begrüßen wollen –, nämlich Fahrverbote.

Wir von der SPD haben überhaupt kein Erkenntnisproblem. Deshalb sage ich Ihnen, Herr Middeldorf – Sie haben ja so eifrig vorgetragen; auch Herr Minister Wüst hat das gerade noch einmal angeführt –, klar und deutlich: Die Verantwortung für das derzeitige Chaos – das zeigen auch die Gerichtsentscheide – ist durch die Automobilindustrie ausgelöst worden.

Ich sage es gerne noch einmal: Sie weisen der SPD Probleme zu, die aber gar nicht an unsere Adresse zu senden sind, sondern die klar an die Automobilindustrie gehen, die manipuliert hat, die gelogen und betrogen hat, und die die Käuferinnen und Käufer der Autos jetzt im Regen stehen lässt. Hören Sie endlich auf, so zu tun, als wären die Probleme in den letzten sieben Jahren entstanden!

(Beifall von der SPD)

Was ist die Quintessenz der Wortbeiträge von heute Morgen? Herr Voussem, Frau Ministerin Schulze Föcking, bei Ihren Wortmeldungen konnte man den Eindruck gewinnen, es bräuchte für die Verkehrswende nur etwas mehr technischen Fortschritt, und dann würden die Probleme nicht so heftig ausfallen; die Städte würden im Grunde genommen mit den Problemen selber fertig.

Technischer Fortschritt allein führt nicht zu verbesserten Rahmenbedingungen in den Innenstädten. Nur wenn die Verkehrswende mitgedacht wird, dann kommen wir auch ein Stück voran. Will man also eine abgasärmere Mobilität als Chance begreifen, die Verkehrswende in den Städten zu ermöglichen, so brauchen wir zusätzliche neue Mobilitätsangebote. Wir brauchen einen Dreiklang, um an vielen Stellen zugleich innovativ zu sein.

Denn eines ist auch klar – diese Einsicht ist bei vielen bereits durchgesickert, insbesondere was die verdichteten Städte angeht –: Es wird zukünftig nicht mehr so autogerecht zugehen können, wie wir uns das immer gerne vorgestellt haben. Die autogerechte Stadt wird es in den Ballungsräumen nicht geben; so viel ist heute schon klar. Dafür ist kein Platz. Es gibt zu wenig Lebensqualität; deshalb müssen wir uns Innovationen einfallen lassen. Ich füge aber gerne hinzu: Auf dem Land bleibt das Auto sicher wichtig.

Sie haben in Berlin ausloten lassen, welche fünf Städte den ÖPNV für lau – so muss man ja sagen – probeweise einführen könnten. Sie haben die vergiftete Praline aus Berlin wieder mitgebracht, und jetzt brauchen Sie Unterstützung, um die Verkehrswende tatsächlich zu schaffen. Will beispielsweise Essen diese Form der Verkehrswende wagen, so braucht die Stadt die Begleitung des Bundes und des Landes.

Deshalb rate ich dringend dazu, bereits heute darüber zu reden und nicht erst morgen oder übermorgen; denn wir dürfen keine Zeit verlieren. Mehr Interaktion können wir uns, was die Städte angeht, gar nicht wünschen.

Deshalb fordern wir die Einführung eines Umwelttickets mit staatlicher Förderung seitens des Bundes und des Landes – so viel zum Nutzen der Chancen. Wir hören in den Städten, dass dies hinsichtlich der kurzfristigen Maßnahmen ausdrücklich gewünscht ist. Im Ergebnis würde dies zu einer schnellen Entlastung der derzeitigen Verkehrssituation in den betroffenen Städten führen und gleichzeitig die Stickoxidwerte absenken.

Dies ist unsere letzte Chance, und wir sollten sie gemeinsamen nutzen. So viel an Gemeinsamkeit muss man herstellen. Wenn die Städte solche Ticketinnovationen einführen wollen, sollten wir sie zügig auf die fünf Städte zugehen und sie dabei finanziell unterstützen, und zwar möglichst schnell.

In diesem Sinne wünsche ich uns viel Glück bei der Verkehrswende, die in den nächsten 15 Jahren umgesetzt werden muss. Da werden wir noch in der Verantwortung stehen, und zwar gemeinsam. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Löcker. – Damit sind wir am Ende der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1, den ich damit schließe.

Ich rufe auf:

2   NRW muss der Allianz für eine starke EU-Kohäsionspolitik beitreten

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1993 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Weiß das Wort.

Rüdiger Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die aktuelle Debatte zur Zukunft der EU-Kohäsionspolitik findet in zwei unterschiedlichen Dimensionen statt. Die erste Dimension betrifft NRW als Empfänger von EU-Fördermitteln. Die zweite Dimension betrifft Deutschland als großen Nettozahler.

Beginnen möchte ich mit der ersten Dimension, auf die sich der Antrag hauptsächlich bezieht, also NRW als Empfänger von EU-Regionalfördermitteln. Hier geht es im Kern darum, ob NRW, ob unsere Städte und Gemeinden in Zukunft überhaupt noch Fördermittel aus den EU-Fonds bekommen. Nach dem Brexit ist die EU mit einer Situation konfrontiert, in der sie mit weniger Budget gleich viel und in Teilen sogar mehr leisten soll. Dass diese Rechnung nicht ohne starke Einschnitte aufgehen kann, ist klar. Das hat uns die EU-Kommission im Übrigen bereits letztes Jahr in ihrem Weißbuch und in verschiedenen Positionspapieren vorgerechnet.

Es stellt sich also die Frage: Wo werden im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen die Prioritäten liegen, und wo wird die Axt angelegt? Es kann nicht im Interesse von NRW sein, dass der Sparzwang zu massiven Kürzungen der EU-Regionalförderung führt. Zur Erinnerung: In der letzten Förderperiode haben wir mit immerhin 2,4 Milliarden € von den Fördermitteln profitiert.

Im Anschluss an ein Treffen mit dem EU-Kommissar Oettinger hat der Finanzminister des Landes NRW Herr Lienenkämper betont, wie stark NRW bisher von der EU-Förderung profitiert hat. Darin kann man – da wird wohl niemand widersprechen – ein starkes Bekenntnis zur Kohäsionspolitik erkennen, und darüber freuen wir uns.

Weiter hat unser Finanzminister verkündet, NRW brauche – ich zitiere – eine starke Stimme in Brüssel. Da kann ich Ihnen sagen: Wir brauchen keine starke Stimme in Brüssel. Denn NRW hat bereits eine starke Stimme in Brüssel, nämlich in Form seiner Mitgliedschaft im Ausschuss der Regionen. Heute geht es darum, diese starke Stimme auch zu nutzen. Mittlerweile hat sich bereits die Hälfte aller deutschen Bundesländer hinter die Allianz für eine starke Kohäsionspolitik gestellt. Sie nutzen also ihre Stimme schon, um sicherzustellen, dass ihre Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin von der EU-Politik profitieren können.

Neben Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden-Württemberg gibt es auch, wie gesagt, unionsregierte Länder, die sich dieser Allianz angeschlossen haben. Falls das noch nicht ausreicht, kann ich Ihnen sagen, dass der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag ebenfalls hinter diesem Projekt stehen. Daran kann man sehr schnell und deutlich erkennen, dass die Allianz, die in dem Antrag vorgestellt wird, über Parteigrenzen hinweg eine große Anerkennung findet.

Ich darf in diesem Zusammenhang die Mitglieder des Ausschusses für Europa und Internationales an die Intensivierung unserer Benelux-NRW-Beziehungen erinnern. Gerade für dieses Projekt wäre eine Mitgliedschaft Nordrhein-Westfalens in der Allianz ein wertvolles Zeichen. Eine Mitgliedschaft unsererseits in dieser Allianz für eine starke Kohäsionspolitik wäre nicht nur eine starke Stimme in Brüssel – sie wäre noch mehr; denn sie hätte nämlich auch große Symbol- und Strahlkraft gegenüber den soeben aufgezählten Partnern NRWs.

Ich sprach eingangs von zwei Dimensionen der Debatte über die Zukunft der Kohäsionspolitik. Die zweite Dimension beschäftigt sich mit der Rolle Deutschlands als großer Nettozahler in der EU. Hier wird es darum gehen, wie und unter welchen Bedingungen Gelder, die aus dem deutschen Haushalt stammen, in der EU verteilt werden. Anlässlich der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zur Zukunft der EU-Finanzen möchte ich noch auf die Forderung nach einer zukünftigen Konditionalisierung – so hat sie das genannt – von EU-Fördermitteln eingehen.

Wir sehen durchaus den Mehrwert, wenn das zukünftige Vergabeverfahren von EU-Geldern dahin gehend angepasst wird, dass die Empfänger dieser Gelder sich zu den europäischen Grundwerten bekennen müssen – in Worten und in Taten. Natürlich müssen sie das.

Was nützt es aber, sich dafür einzusetzen, die Vergabe von EU-Fördermitteln an Bedingungen zu knüpfen, wenn diese Fördermittel am Ende so stark zusammengestrichen werden, dass sie kaum noch einen Anreiz für entsprechende Reformen bieten? Wir müssen zunächst sicherstellen, dass die Kohäsionspolitik mit ausreichenden Mitteln versorgt ist, damit wir weiter von ihr profitieren können.

Die Zukunft Europas – ich komme zum Schluss – und die Zukunft der EU-Kohäsionspolitik gestalten wir, indem wir offen Farbe bekennen und unseren Ankündigungen Taten folgen lassen. Der heutige Antrag „Beitritt der NRW-Koalition zur Allianz“ bietet die Möglichkeit, genau das zu tun. Ich werbe deshalb sehr heftig und leidenschaftlich um Ihre Zustimmung. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Da es sich um einen gemeinsamen Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen handelt, hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den zweiten Redebeitrag. Es spricht Herr Kollege Remmel.

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So ganz kann ich nicht nachvollziehen, warum bei diesem Tagesordnungspunkt so viele Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank nach der Debatte über Diesel und Zukunft der Mobilität den Saal verlassen haben.

(Zuruf von der CDU: Sie sind ja auch nicht da!)

– Ich denke, wir sind vollzählig, was diese Frage angeht.

(Lachen von der CDU)

Was diese Frage angeht, sind wir gut präpariert und vollzählig.

(Heiterkeit)

Ich will deutlich machen, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt. Wir diskutieren auf der einen Seite, wie wir zukünftig Mobilität gestalten, vergessen aber auf der anderen Seite, wo das Geld dafür herkommen soll, um solche Projekte zukünftig anzuschieben. Ich darf daran erinnern, dass es ein Landesprogramm „Emissionsfreie Innenstadt“ gibt, das mit gut 100 Millionen € ausgestattet ist, wobei ein großer Anteil aus diesen eben hier diskutierten EU-Fördermitteln kommt.

Wenn es darum geht, die Energiewende in unsere Städte zu bringen, nämlich Wärme mit einzubeziehen, darf ich daran erinnern, dass ein Großteil der Mittel für diese Energiewende aus den Strukturfördermitteln der EU stammt.

(Christian Loose [AfD]: Also vom deutschen Steuerzahler!)

Ich möchte damit deutlich machen: Wenn es darum geht, in unserem Land die Zukunft zu entwickeln, dann hat dies selbstverständlich auch damit zu tun, wie viele Mittel zukünftig bereitgestellt werden. Insofern ist das eine hochinteressante Frage, wie und wohin diese Mittel künftig nach Nordrhein-Westfalen fließen. Daher hätte ich längst eine Orientierung seitens der Landesregierung erwartet.

Meines Erachtens ist das Thema so brisant – schließlich geht es um Zukunftsfragen, die unser Land betreffen –, dass es geeignet ist, eine Regierungserklärung dazu abzugeben: Wo und in welcher Weise soll zukünftig in der EU die Finanzierung organisiert werden? – Das ist doch entscheidend für die Strukturpolitik in unserem Land.

Das gilt im Übrigen auch, wenn es um die Frage der digitalen Infrastruktur oder der Digitalisierung unserer Wirtschaft geht. Auch hier – und gerade dann, wenn es um Gründungen geht – sind europäische Mittel von entscheidender Bedeutung.

Darüber hinaus gibt es ein wichtiges Thema, das Sie auf die Tagesordnung gesetzt haben – Sie haben ja ein Heimatministerium gegründet –: Wie und in welcher Weise sollen gleiche Lebensbedingungen in unserem Land zukünftig unterstützt werden, was die Strukturen im ländlichen Raum betrifft? Erhebliche Mittel der Strukturförderung im ländlichen Raum kommen von der Europäischen Gemeinschaft.

Meines Erachtens ist das Thema „Kohäsionspolitik“ sehr geeignet, um über Zukunftsfragen zu diskutieren und eine Orientierung, eine Meinung des Landtags deutlich zum Ausdruck zu bringen. So wie in dem gemeinsamen Antrag vorgeschlagen, sollten wir hier zumindest Position dahin gehend beziehen, dass diese Strukturförderung für die Zukunft unseres Landes in allen Landsteilen von wesentlicher Bedeutung ist. Dabei müssen die Größenordnungen in dem vorgegebenen Rahmen bleiben.

Wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn wir sagen, dass wir diese Gelder auch zukünftig für die Strukturförderung in unserem Bundesland haben wollen, weil sie für die wirtschaftliche Entwicklung der Städte und Unternehmen notwendig sind, dann müssen wir auch sagen, woher das Geld kommen soll. Da werden zwei Fragen diskutiert, zu denen man sich eine Meinung bilden muss.

Zum einen stellt sich die Frage, ob die Mitgliedsstaaten ihre Beiträge nach dem Brexit erhöhen sollen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob es zukünftig eigene Einnahmequellen der Europäischen Union gibt, um den Haushalt zu gestalten. Dazu hat Herr Oettinger Vorschläge gemacht, beispielsweise die Einführung einer Plastiksteuer oder einer CO2-Steuer. Auch zu einer solchen Strategie würde mich die Haltung der Landesregierung interessieren.

Dies hängt dann eng zusammen mit der Frage der Verteilung hier bei uns, der Zukunft der Strukturförderung und damit auch der Möglichkeit, die Luft in unseren Städten aufgrund einer anderen Mobilität zu verbessern. Man braucht allerdings Geld, um die Kommunen dabei zu unterstützen.

Der erste Tagesordnungspunkt heute hängt also sehr eng mit dem zweiten zusammen. Ich würde mir wünschen, dass das gesamte Parlament eine klare Orientierung für die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen gibt, und zwar für eine weitere Strukturförderung. Insofern würde ich mir auch wünschen, dass der Ministerpräsident endlich erklärt, was er will und wie er zukünftig Nordrhein-Westfalen auf Bundes- und europäischer Ebene in dieser Frage vertreten will. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN )

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Remmel. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Krauß.

Oliver Krauß (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Remmel, dass Sie enttäuscht sind über die Resonanz, ist sicher nachvollziehbar. Es wusste aber auch niemand, dass Sie versuchen würden, Tagesordnungspunkt 1 und Tagesordnungspunkt 2 zu verknüpfen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD – das gilt auch für die Grünen, die sich angeschlossen haben –, Einigkeit im Ziel bedeutet nicht immer Einigkeit in der Wahl und in der Ausgestaltung des Weges, wie wir dieses Ziel erreichen können und erreichen wollen.

Die Mitwirkung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Gestaltung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Zeit nach 2020 ist auch das erklärte Ziel der NRW-Koalition – selbstverständlich.

Die Kohäsionspolitik ist dabei ein ganz wesentliches Element der EU-Haushaltspolitik, da sie den Menschen unmittelbar den Mehrwert Europas verdeutlicht. Nur durch den Erhalt der Strukturförderung bleibt Europa für die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens vor Ort spürbar und erlebbar.

Im Gegensatz zu Ihnen von Rot-Grün haben wir dieses Ziel nicht erst seit Dezember des vergangenen Jahres auf unserer Agenda. Zuletzt im Oktober des letzten Jahres haben wir dies mit unserem Antrag „Nordrhein-westfälische Interessen mit starker Stimme in Brüssel vertreten – Gestaltung des mehrjährigen Finanzrahmens und der Kohäsionspolitik nach 2020 im Sinne des Landes ausrichten“ unter Beweis gestellt.

Noch einmal:

Es besteht Einigkeit darüber, dass die Kohäsionspolitik ein ganz wichtiges investitionspolitisches Instrument der Union ist. Die Kohäsionspolitik baut das Gefälle zwischen den Regionen und den Mitgliedsstaaten ab und schafft in ganz Europa mehr Chancengleichheit.

Es besteht Einigkeit darüber, dass auch Gebiete in Nordrhein-Westfalen, die im europäischen Vergleich eher zu den weiter entwickelten Regionen Europas zählen, weiterhin unterstützt werden müssen. Selbst in diesen vermeintlich stärkeren Regionen bestehen große Strukturherausforderungen, die mit europäischen Mitteln bewältigt werden können. Nordrhein-Westfalen könnte so zu einer Lokomotive für Europa werden.

Wir halten aber den Beitritt zur Allianz mit dem Ziel einer starken EU-Kohäsionspolitik nicht für das geeignete Instrument.

Mit der Verabschiedung des Antrags der NRW-Koalition zum mehrjährigen Finanzrahmen in der Sitzung des Ausschusses für Europa und Internationales am vergangenen Freitag haben wir ein klares Signal gesetzt. Mit klaren Stellungnahmen im Bundesrat – also mit gemeinsamen Bund-Länder-Stellungnahmen –, die allesamt der EU-Kommission zugeleitet wurden, nutzt NRW bereits eine ganze Bandbreite an Instrumenten, um sich in Brüssel für den Erhalt der Kohäsionspolitik einzusetzen.

Wer hätte gedacht, dass in einem Antrag, den die SPD formuliert hat und dem die Grünen beigetreten sind, Bayern mal als Vorbild genannt wird! Das hätte ich mir bei anderen Punkten, zum Beispiel bei der Verkehrspolitik, schon immer gewünscht. Jetzt aber wird Bayern als Beispiel dafür genannt, beigetreten zu sein.

Der Beitritt zur Allianz für eine starke EU-Kohäsions-politik wäre jedoch ein Instrument mit nur sehr begrenzter Wirkung. Das ist nicht mehr als ein Symbol. Sie überschätzen das. Der Ausschuss der Regionen erhofft sich mediale Aufmerksamkeit, wenn jede Gebietskörperschaft, wie aufgezählt, einzeln der Allianz beitritt. Das halten jedoch nicht nur wir für eine reine PR-Maßnahme, die die Gestalter des ersten Vorschlages des künftigen mehrjährigen Finanzrahmens – der übrigens schon am 2. Mai dieses Jahres vorgelegt werden soll – wenig beeinflussen wird. Außerdem bleibt diese Kampagne auf einer pauschalen und damit viel zu oberflächlichen Ebene.

Die Union entscheidet alle sieben Jahre über ihre zukünftigen Finanzen. Mit der Festlegung auf einen mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 wird festgeschrieben, was Europa gemeinsam erreichen will, welche Prioritäten gesetzt und mit welchen Mitteln sie ausgestaltet werden sollen. Es steht zur Debatte, ob wir mehr oder weniger Europa wollen, ob alles so bleiben soll wie bisher oder ob grundlegende Veränderungen anstehen.

Nordrhein-Westfalen liegt im Herzen Europas und hat großes Interesse an einer starken Europäischen Union.

Klar ist auch, dass die Debatte des künftigen Finanzrahmens vor dem Hintergrund des Austritts Großbritanniens aus der EU geführt wird. Großbritannien ist bislang der zweitgrößte Beitragszahler. Wir können also nicht mehr Mittelzuweisungen fordern, sondern müssen uns vor allem auf die Projekte fokussieren, die einen europäischen Mehrwert bringen.

Dabei ist es unsere Aufgabe und unser Ziel, dafür Sorge zu tragen, dass unsere Gemeinden, die einzelnen Städte und Kommunen, auch zukünftig Strukturfördermittel der Kohäsionspolitik aus dem EU-Haushalt erhalten. Dafür setzen wir uns mit den genannten Instrumenten ein. Dies ist aus unserer Sicht der richtige Weg, um das Ziel zu erreichen, das wir ebenso wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, erreichen wollen.

Ihr heutiger Antrag aber beschreibt einen Weg, den wir nicht mitgehen können. Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Krauß. – Für die FDP spricht Herr Kollege Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tatsache, dass auf die Frage nach dem Begriff „Kohäsion“ die Passanten auf der Straße höchstwahrscheinlich konsterniert mit einem Achselzucken reagieren würden, entschuldigt noch lange nicht, dass aus dem Antrag der SPD-Fraktion eher Konfusion statt Kohäsion spricht.

Klar ist: Dabei geht es um den Zusammenhalt. Für die meisten geht es jedoch eher um den Zusammenhang mit dem EU-Budget, welches – und das ist sicher – nicht größer wird. Dennoch besteht kein Grund für Kollektivalarm; denn selbst die Nettozahler in der EU wetzen nicht das Messer und pochen auf den Status quo. Nach dem Brexit muss das zwar auf eine kleinere EU angepasst werden; allerorten heißt es aber auch, dies geschehe ohne überproportionale Einschnitte bei den einzelnen Politikfeldern wie der Regionalförderung.

Dafür, dass Sie von SPD und Grünen dieses Thema in NRW lange vortrefflich verschlafen haben – schließlich war der Brexit nicht erst gestern; der Beschluss der Briten dazu hat sozusagen schon vorgestern stattgefunden –, fahren Sie jetzt sehr auf eine pauschale und oberflächliche Forderung der Allianz nach einer starken EU-Kohäsionspolitik ab. Die Allianz meint es vielleicht gut; aber ist das wirklich die starke Schulter, die benötigt wird? Vielleicht verwechseln Sie da etwas. Diese Allianz ist auch nichts fürs Leben; denn mit ihr drohen eher Gefahren. Eine starke Stimme haben wir damit nicht, vielmehr reine Symbolpolitik.

Bei dieser Allianz war von einem Beitritt zur AdR-Gliederung lange überhaupt gar nicht die Rede, wie sich aus der Chronologie auf der Internetseite ergibt. Jetzt wirkt es wie ein kurzfristiger PR-Trick, also eher wie Symbolpolitik statt starker Stimme. Insbesondere mit Blick auf die Vorverlegung des Beratungsendes auf den 2. Mai dieses Jahres kommen diese Initiative und somit auch dieser Antrag viel zu spät.

Die gerade von mir erwähnten oberflächlichen und pauschalen Forderungsformulierungen sind außerdem nicht besonders geeignet, irgendeinen Druck auszuüben. Inhaltlich konkrete Forderungen, die Sie bei Ihrem politischen Gegner vermissen, fehlen zum jetzigen Zeitpunkt auch bei Ihnen. Insofern ist nicht ersichtlich, wie dies zu einer stärkeren Berücksichtigung der Interessen beispielweise Nordrhein-Westfalens bei der Festlegung des Finanzrahmens führen soll.

Die Notwendigkeit eines Beitritts zu einer durch den AdR initiierten Allianz ist für die FDP damit nicht gegeben, insbesondere weil das Ganze ziemlich spät kommt. Welche Vorteile das bringen soll, erschließt sich aus dem Antrag nicht. Zudem ist NRW Mitglied des AdR; insofern hat es dort schon eine starke Stimme, wie Sie gerade auch indirekt bestätigt haben.

Es ist unstrittig, dass die Interessen NRWs in Brüssel im Rahmen der Festlegung des Finanzrahmens bestmöglich vertreten werden müssen. In dieser Hinsicht erledigt die Regierung aber schon lange ihre Hausaufgaben, und auch die Parteien der NRW-Koalition machen diesbezüglich ihren Job.

Wie mein Vorredner bereits mitgeteilt hat bzw. vorgetragen hat, haben die Fraktionen von CDU und FDP schon im Oktober letzten Jahres einen entsprechenden Antrag eingebracht. Dieser Antrag wurde mittlerweile im Ausschuss verabschiedet. Darüber hinaus werden die Interessen NRWs auch durch diverse Stellungnahmen deutlich gemacht, die der Kommission zugeleitet wurden.

Insofern komme ich jetzt von der Kohäsion zur Konklusion: Aus den genannten Gründen lehnen wir den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Nückel. – Für die AfD spricht Herr Kollege Tritschler.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD möchte der Allianz für eine starke Kohäsionspolitik beitreten. Das ist eine dieser Debatten, die üblicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit und offensichtlich auch nicht unter großem Interesse im Parlament stattfinden, weil kein Mensch weiß – Herr Nückel hat es bereits gesagt –, was Kohäsionspolitik überhaupt bedeutet.

Tatsächlich handelt es sich bei dieser Politik um nichts anderes als um den großen Geldverschiebebahnhof, der rein dem Namen nach den Zusammenhalt in der EU stärken soll. Nachdem jetzt mit Großbritannien der erste Hauptfinanzier aus diesem Unsinn ausgestiegen ist, ist weniger Geld vorhanden. Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten und den Grünen wissen auch alle anderen, dass man dann weniger verteilen kann. So viel Restvernunft hat sich sogar die Union erhalten.

Bei der SPD ist man aber der Meinung, man solle Steuern einführen, am besten solle die EU direkten Zugriff auf das Säckel des deutschen Steuerzahlers haben. Das war im Ausschuss schon Thema und klang auch in der Debatte eben durch, obwohl es der Antrag noch verschweigt.

Der Brexit wäre die beste Gelegenheit gewesen, den ineffizienten Wildwuchs an EU-Förderungen endlich zu kassieren. Aber dafür fehlt es Ihnen offensichtlich an Mut. Ihre Rechte-Tasche-linke-Tasche-Politik, mit der Sie inzwischen Tausende von Milliarden Euro ohne erkennbaren Effekt verschoben haben, mag den Finanzministern anderer Länder helfen, in Deutschland aber kommen von jedem eingezahlten Euro nur 29 Cent wieder an. Also ersparen Sie uns bitte die Krokodilstränen um das Ruhrgebiet, um Hagen, Bottrop oder Hamm! Sie können den Menschen dort viel einfacher helfen, indem Sie damit aufhören, ihnen die Steuern abzuknöpfen, die diesen gewaltigen Blödsinn finanzieren.

Lassen Sie die Menschen endlich ihr Geld investieren, anstatt irgendwelche Förderbürokraten anzubetteln! Das ist die beste Strukturpolitik. Nur so kommen diese Regionen wieder auf die Beine.

Aber machen wir uns nichts vor: Auch bei der Union gibt es niemanden, der diese „EU-Besoffenheit“ ernsthaft infrage stellt. Allenfalls die Motive und Methoden unterscheiden sich geringfügig. Am Ziel – dem großen EU-Superreich – halten dann doch wieder alle fest.

Vor ein paar Tagen hat die Kanzlerin noch auf dem EU-Gipfel gefordert, bei der Verteilung der Mittel zukünftig – Zitat – „die Einhaltung europäischer Werte“ zu berücksichtigen. Gemeint ist damit, dass zukünftig nur noch der mit dem Griff in die Steuerzahlertasche belohnt werden soll, der ihre selbstmörderische Migrations- und Flüchtlingspolitik mitmacht.

(Beifall von der AfD)

Am deutschen Flüchtlingswesen soll also die Welt oder zumindest erst einmal Europa genesen, sonst gibt es zukünftig keine Kohle mehr. Und da erzählen Sie uns immer, wie wichtig das Überwinden nationaler Egoismen sei und dass dies nur mit der EU geschehen könne! Tatsächlich ist die EU für Sie aber nichts anderes als das Mittel zum Ausleben Ihrer feuchten Imperialistenträume, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Das macht man heute offensichtlich nicht mehr mit dem Kanonenboot, sondern mit dem Scheckbuch. Aber die Arroganz und die Großmannssucht sind geblieben.

Die AfD wird da nicht mitgehen. Wir setzen auf ein starkes Europa der Vaterländer, in dem jeder seine Rechnungen selbst bezahlt. Wir glauben, dass der beste Garant für Zusammenhalt und Wohlstand ein freier Handel unter den Europäern, nicht aber ein Geldverschiebebahnhof ist, bei dem am Ende vor allem die Steuerzahler in Deutschland die Verlierer sind.

(Beifall von der AfD)

Wir sind davon überzeugt, dass Strukturförderung am besten bei den Nationalstaaten aufgehoben ist und nicht dem Geschacher unter den EU-Mitglieds-staaten überlassen werden sollte. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal, Herr Tritschler, ist es gut, dass ich Sie wieder höre. Immer, wenn ich Sie lange nicht gehört habe, werde ich so unnachvollziehbar milde. Aber das arbeiten Sie dann sehr schnell wieder auf.

(Beifall von der CDU)

Die Kohäsionspolitik ist ein zentrales Instrument für Wachstum und Beschäftigung in der EU. Eine Fortsetzung der Politik nach 2020 ist für Nordrhein-Westfalen von großer Bedeutung.

Wir bringen unsere Interessen und auch unsere Ziele kontinuierlich in die Diskussion zur zukünftigen Kohäsionspolitik gegenüber dem Bund und der EU und auch im Länderkreis ein. Das gelingt nach meiner Meinung am allerbesten, indem wir unsere Positionen zu unseren Zielen für Nordrhein-Westfalen und deren Wirkungen für Deutschland und Europa frühzeitig und ständig darlegen.

Der Europäische Ausschuss der Regionen hat die Kampagne „Allianz für eine starke Kohäsionspolitik“ ins Leben gerufen, die nun vom AdR-Präsidium beworben wird. Die Allianz soll dazu beitragen, finanzielle Einschnitte bei der Kohäsionspolitik – und damit beim wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt – zu vermeiden.

Der Antrag bezüglich der Kohäsionsallianz greift zudem eine Äußerung der Kommission auf, wonach Deutschland und – wie es heißt – andere wohlhabende Mitgliedsstaaten von regionalen Fördermitteln ausgeschlossen werden können.

Die Antragsteller betonen, die Kampagne sei wichtig, um die Forderungen an die Kommission deutlich zu machen; denn es blieben nur noch wenige Wochen, bis der Vorschlag zum neuen mehrjährigen Finanzrahmen vorgelegt und veröffentlicht werde. Die Landesregierung wird in der Konsequenz aufgefordert, dieser Kampagne beizutreten.

Nach Auffassung der Landesregierung hat sie sich bereits durch die Bundesratsstellungnahmen und eine gemeinsame Bund-Länder-Stellungnahme, die der EU-Kommission zugeleitet wurde, frühzeitig und dezidiert zu den Vorstellungen und dem neuen Rechtsrahmen der Zukunftspolitik nach 2020 geäußert. Dieser Rahmen ist unserer Meinung nach das richtige Mittel, um unsere Interessen anzumelden. Im Vergleich dazu vertritt die Allianz hingegen nur pauschal und insoweit viel zu oberflächlich Forderungen.

Nordrhein-Westfalen hat daher von einem offiziellen Beitritt zur Kampagne bewusst abgesehen. Ursprünglich war auch gar nicht vorgesehen, dass die dem AdR angehörigen Gebietskörperschaften zusätzlich individuell der Allianz beitreten sollten. Das Präsidium hat diesbezüglich jedoch seine Meinung geändert und vertritt nun die Auffassung, dass der Beitritt eine zusätzliche mediale Wirkung für die Kampagne und den AdR habe – eben nicht auch eine mediale Wirkung für die Mitunterzeichner. Dadurch, dass ein breites Spektrum an Unterzeichnern angesprochen wird – von einzelnen Städten und Kommunen über Regionen bis zu Verbänden verschiedener Mitgliedsstaaten –, kann die AdR-Kampagne inhaltlich nur an der Oberfläche bleiben. Dies stärkt die Einbringung unserer – nordrhein-westfälischer – Interessen nicht.

Für die Landesregierung sind die weiteren Diskussionen von großer Relevanz. Derzeit erhält NRW – Kollege Weiß hat das, meine ich, schon gesagt – rund 2,4 Milliarden € in sieben Jahren, womit wir weitere Projektträger finanzieren. Ein Wegfall dieser europäischen Finanzmittel hätte erhebliche negative Folgen für den Innovationsstandort Nordrhein-Westfalen und wäre auch in vielen Bereichen das Aus für Weiterbildungsmaßnahmen und eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Nach unserer Überzeugung muss eine europäische Kohäsionspolitik förderungswürdige Stärken weiter stärken. Diese Projekte schaffen aus sich heraus einen europäisch wirkenden Mehrwert. Starke und gestärkte Regionen strahlen weit in andere Regionen und andere Länder aus.

Die Landesregierung wird sich weiter entschieden für die Interessen Nordrhein-Westfalens im Bereich der Kohäsionspolitik und der zukünftigen Finanzplanung auf der Ebene anderer Bundesländer, beim Bundesrat, beim Bund und auf der europäischen Ebene einsetzen.

Erlauben Sie mir noch einen Gedanken, der mögliche Koalitionen auch nicht gerade einfacher macht. Die länderübergreifenden Übereinstimmungen bei Interessen der Finanzpolitik werden möglicherweise auch mit Inhalten verbunden, denen wir nicht bereit wären nachzukommen. Die Zusammenarbeit innerhalb der Fraktionen, innerhalb des Parlaments macht Koalitionen – nach Ungarn und Polen – sicher nicht leichter, wenn nicht bei bestimmten Forderungen sogar völlig unmöglich. Daher sind wir der Meinung, dass ein Beitritt die Position unserer Auffassungen nicht stärkt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass wir am Ende der Aussprache sind und zur Abstimmung kommen können.

Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nun über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/1993 – Neudruck – abstimmen lasse. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/1993 – Neudruck – abgelehnt.

Wir kommen zu:

3   Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit – Anpassung der Lehrerbesoldung an ihre Ausbildung (Lehrerbesoldungsgleichstellungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/1817

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD dem Abgeordneten Ott das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Jochen Ott (SPD): Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem 2009 in Kraft getretenen neuen Lehrerausbildungsgesetz durchlaufen nun alle Lehramtsanwärter die gleiche und gleich lange universitäre Ausbildung. Dies ist Ausgangspunkt für die berechtigte Forderung nach einer anschließend gleichen Besoldung, unabhängig von der Schulform. Deshalb legt die SPD-Fraktion heute einen Gesetzentwurf dazu vor.

Ich möchte zunächst mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Lehrerausbildungsgesetz und der Begründung der Landesregierung – damals CDU und FDP – vom 25. November 2008 zitieren:

„Die Ausbildung für alle Lehrämter ist danach gleich lang. Sie dauert in der Regel sechs Jahre. Sie besteht aus einem dreijährigen Bachelor- und einem zweijährigen Master-Studiengang, in den ein Praxissemester integriert ist, und in dessen Anschluss ein zwölfmonatiger Vorbereitungsdienst vorgesehen ist. … Die gleich lange Ausbildungszeit für alle Lehrämter berücksichtigt, dass für die verschiedenen Lehrämter zwar unterschiedliche Kompetenzprofile erforderlich sind, aber ein gleichwertiges Anspruchsniveau besteht.“

Soweit die schwarz-gelbe Landesregierung von 2008.

Herr Professor Baumert, der damals für die Landesregierung die Vorarbeiten geleistet hatte, sagte im Schulausschuss euphorisch, das Bundesland ginge voran. Es sorge dafür, dass dieser überfällige Schritt stattfinde. Vor allen Dingen sorge es dafür, dass das Qualitätsniveau bei aller Unterschiedlichkeit der Lehrämter am Ende gleich sei, und deshalb hätten die Lehrerinnen und Lehrer, trotz aller Spezialisierung, Anspruch darauf, auch gleich besoldet zu werden.

SPD und Grüne haben zum damaligen Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass es unbedingt zu dieser Anpassung kommen sollte; Schwarz-Gelb hatte keinen Vorschlag gemacht. Dann gab es den Regierungswechsel, und wir müssen selbstkritisch feststellen, dass auch SPD und Grünen diese Besoldungsanpassung in ihrer Regierungszeit nicht vorgenommen haben. Es wurde erst einmal abgewartet, bis die ersten Lehrerinnen und Lehrer in der neuen Ausbildung angekommen waren, und dann wollte man sehen, wie es weitergeht. Das war ein Fehler.

Man muss ehrlicherweise hinzufügen, dass Rot-Grün es auch deshalb nicht auf die Reihe bekommen hat, weil wir hier über einen Kostenfaktor von 600 Millionen € sprechen und die Kampagnen in Bezug auf die „Schuldenkönigin“ ja legendär sind. Es kam immer wieder der Hinweis der Opposition, dass wir auf keinen Fall weitere Schulden machen dürften.

Nichtsdestotrotz spielte das Thema im Wahlkampf 2017 wieder eine große Rolle. Die Vertreter aller Fraktionen – auch von CDU und FDP – haben auf der Podiumsdiskussion des VBE deutlich gemacht, dass die Besoldungsanpassung jetzt kommen müsse. Ministerpräsidentin Kraft hatte dies zu einem ihrer Regierungsvorhaben erklärt; nach der Wahl werde diese Besoldungsanpassung kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann der GEW nur zustimmen, wenn sie darauf hinweist: Wer A sagt, muss auch B sagen. – Sie wussten, was Sie taten. Keiner, der hier im Raum sitzt, kann sagen, er habe es nicht gewusst. Deshalb stellt sich jetzt die spannende Frage: Wann, wenn nicht jetzt, wollen wir endlich fair mit unseren Lehrerinnen und Lehrern umgehen und das nachvollziehen, was wir alle miteinander seit Jahren diskutieren, nämlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit, die Besoldung anpassen?

(Beifall von der SPD)

Ich weiß, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU in einem bemerkenswerten Beitrag beim VBE schon gesagt hat: Wir werden es tun.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Ich weiß, dass die Ministerin intern schon aufgelaufen ist; Herr Lienenkämper war nicht ganz so begeistert. Sehen Sie mich und die gesamte SPD-Fraktion mit ihrer Schulpolitik als Unterstützer für diesen Weg. – Herr Löttgen, mit uns gemeinsam können Sie jetzt endlich das Besoldungsrecht in Nordrhein-Westfalen anpacken.

Ich sage Ihnen auch, warum das nötig ist. Dazu möchte ich – mit Erlaubnis der Präsidentin – Herrn Ollmann zitieren, der sich in der Anhörung zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit wie folgt geäußert hat.

„Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes regelt die Geltung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. In diesem Zuge gibt es auch das Alimentationsprinzip. Das heißt nicht, dass ein Beamter wie auch eine Lehrerin oder ein Lehrer überhaupt eine Besoldung zu erhalten hat, sondern dass diese amtsangemessen zu sein hat. Bei der Amtsangemessenheit geht es darum, welcher Tätigkeit ein Lehrer nachgeht. Wir haben in Nordrhein-Westfalen momentan noch die Differenzierung: … Das ist offensichtlich eine Ungleichbehandlung, die aus meiner Sicht durch nichts mehr zu rechtfertigen ist.“

Ich glaube, eines ist deutlich: Schon um unserer Landesverfassung treu zu sein, müssen wir die Besoldung anpassen. Es ist inakzeptabel, dass die Lehrerinnen und Lehrer mit einem permanenten Verfassungsbruch durch dieses Haus leben müssen. Das alles ist die Grundlage für unseren Antrag, den wir heute vorlegen.

Warum sollte das jetzt nicht möglich sein? Der Haushalt sieht so gut aus wie nie zuvor. Die Steuereinnahmen fließen. Wenn es also ein historisches Zeitfenster gibt, um diesen Fehler zu beseitigen, dann ist es jetzt offen.

Ich möchte Sie ermutigen, dass wir in den nächsten Wochen – erst in der Anhörung und dann, wenn das Gesetz wieder zurückkommt – gemeinsam mutig vorangehen, das Gesetz beschließen und dafür sorgen, dass in den nächsten Jahren ein klarer Akzent und ein Zeichen für den Lehrerberuf gesetzt werden.

Ich rate der Regierung, die Zeit, in der wir diesen Gesetzentwurf beraten, dazu zu nutzen, sich Gedanken zu machen:

Was machen wir mit den stellvertretenden Schulleiterinnen und Schulleitern, deren Besoldung wir gerade angepasst haben? – Sie haben sinnvollerweise vorgeschlagen, auch das anzugehen. Wie gehen wir jetzt damit um?

Was bedeutet das für andere Beförderungsämter in der Schule?

Was passiert mit den Fachleitern, die gerade in den Grundschulen einen Knochenjob machen und dafür sorgen, dass Integration und Inklusion gelingen können, die aber trotzdem nicht einmal ein Beförderungsamt haben? Das machen sie quasi für‘n Appel und‘n Ei.

Wir müssen uns Gedanken darüber machen, was mit den angestellten Lehrkräften in unserem Land passiert. In den nächsten Tarifrunden muss es ein Thema sein, auch ihnen zu helfen.

Wir müssen uns Gedanken über die Weiterbildung machen, über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten, Lehrerinnen und Lehrer so fortzubilden, dass sie der komplexen Gegenwart gerecht werden können.

Wir werden auch gemeinsam über die Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern sprechen müssen; denn bei einer Besoldungsanpassung stellt sich schnell die Frage, warum Grundschullehrer 28 Stunden arbeiten müssen und andere weniger.

Diese Diskussion werden Sie haben. Deswegen raten wir der Landesregierung dringend: Nutzen Sie die Chance unseres Gesetzentwurfs. Nutzen Sie die Chance, um mit den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, mit den Lehrerinnen und Lehrern und deren Verbänden darüber zu reden, wie die Attraktivität des Lehrerberufs in Zukunft sichergestellt werden kann.

Der Lehrerberuf muss attraktiver gemacht werden. Ja, es ist in Ordnung, dass eine Imagekampagne gestartet wird, um junge Leute für den Lehrerberuf zu gewinnen. Aber mit Werbekampagnen wird man den Lehrermangel nicht bekämpfen. Gute Bezahlung und Wertschätzung für die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer sind das A und O. Das ist unser gemeinsames Ansinnen in diesem Hause.

Es geht um die Leistungsbereitschaft, die Bereitschaft, Kinder zu fördern, denen es schwerer fällt, Anstrengung und Erfolg, soziale Empathie, auch den Umgang mit Niederlagen, das Bekenntnis zu unserem Grundgesetz. Unsere Lehrerinnen und Lehrer leisten jeden Tag einen fantastischen Beitrag zum Wohle dieser Gesellschaft.

Ich halte es für ganz zentral, dass wir Politiker nach vielen Jahren der Enttäuschung, die die rot-grüne Regierung organisiert hat, die aber auch davor schon eingetreten war, den Lehrerinnen und Lehrern jetzt mit Wertschätzung begegnen und in Zeiten, in denen es möglich ist, die nötigen Entscheidungen treffen. Jetzt ist das Zeitfenster offen, um die Besoldung anzupacken.

Der Dank an die Lehrerinnen und Lehrer in Sonntagsreden ist das eine; jetzt den Lehrerinnen und Lehrern konkret entgegenzukommen, ist das andere. Deshalb rufen wir Sie auf: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu. Sorgen Sie mit dafür, dass die Lehrerinnen und Lehrer schon ab diesem bzw. ab dem kommenden Schuljahr, ab September, endlich so bezahlt werden, wie es ihre Ausbildung ermöglicht. – In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Kollege Dr. Optendrenk das Wort. Bitte schön.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die Diskussion um die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Nordrhein-Westfalen schon ein wenig länger verfolgt, der weiß, dass der Systemwechsel, den Kollege Ott eben beschrieben hat, 2009 nicht plötzlich gekommen ist. Damals hat die Regierung von CDU und FDP auch gesehen, dass das Folgen für die Besoldung haben würde. Dass eine veränderte Ausbildungsordnung entsprechend in das System des öffentlichen Dienstes und seine Besoldung eingepasst werden muss, ist eigentlich das Selbstverständlichste von der Welt.

Richtig ist aber auch, dass sich die Veränderungen nicht auf die Grundschulen beschränken. Es wird ein schlüssiges Gesamtkonzept geben müssen, denn auch an anderen Stellen haben sich Dinge verändert und verschoben.

Tatsache ist aber auch, dass offensichtlich mit dem Regierungswechsel zu Rot-Grün – zunächst mit der Duldung im Jahr 2010 – die Überlegungen dazu, wie man die absehbaren Veränderungen umsetzen will, wie man damit umgehen will, völlig zum Erliegen gekommen sind. Denn wie wäre es anders zu erklären, dass die Regierung Kraft es über sieben Jahren nicht in Angriff genommen hat, ein tragfähiges Konzept für die Harmonisierung der Lehrerbesoldung zu erarbeiten und dem Landtag überhaupt nur zur Beratung vorzulegen?

Es ist bei diesem Thema nach meiner Einschätzung wie bei vielen anderen Themen gewesen: Auch an der Stelle gab es rot-grünen Stillstand und eine Politik der eingeschlafenen Hand,

(Widerspruch von der SPD)

stattdessen Auftritte der Minister dort, wo ein besonderer Showfaktor eingebaut werden konnte. Sie werden sich erinnern, wie viele Symboldiskussionen von diesem Pult aus hier im Plenarsaal geführt worden sind, ob von der Ministerpräsidentin oder vom damaligen Finanzminister, der eigentlich für das Besoldungsrecht zuständig war, oder auch an die Verteidigungsarien des damaligen Innenministers, der eigentlich etwas im Dienstrecht hätte regeln müssen.

Jetzt haben wir eben einen spannenden Punkt bei Herrn Kollegen Ott erwischt. Das klang etwas wie ein kleines „mea culpa“. Das kleine „mea culpa“ wuchs sich dann allerdings im Grunde in eine Liste – das kann man dann noch einmal schön im Protokoll nachlesen – der Versäumnisse von Rot-Grün im gesamten öffentlichen Dienstrecht, der Besoldung und der Schulpolitik aus.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege Ott, es reicht nicht aus, zu sagen: Es war ein Fehler, das nicht zu regeln. Eigentlich wäre nur die Opposition mit ihrem Gerede über die „Schuldenkönigin“ schuld gewesen. – Entschuldigung, wissen Sie eigentlich, dass das Haushaltsvolumen des Landes damals auch schon bei weit über 50 Milliarden € lag? Wissen Sie, dass es auch damals schon Mitarbeiter in den Ministerien gab, die wussten, dass man das regeln muss? Wussten Sie, dass eine Minderheitsregierung nicht jeder Klientel etwas hätte zuschieben müssen und dass man dann Spielräume für den Haushalt gehabt hätte?

Nein, Sie haben sich bewusst dagegen entschieden. Sie haben alles auf die lange Bank geschoben, weil Sie Mehrheiten sichern, aber nicht die Zukunft gestalten wollten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist es schön, dass Sie den Gesetzentwurf und das, was Sie dazu vorgetragen haben, hier zur Debatte stellen. Genau das ist die Bilanz von Rot-Grün in der Schul- und Bildungspolitik, und zwar in einer Nutshell, wie der Engländer sagen würde.

(Jochen Ott [SPD]: Also stimmen Sie jetzt zu, Herr Optendrenk?)

Jetzt können Sie natürlich die Frage stellen: Was hätte man denn tun können?

(Heike Gebhard [SPD]: Was tun Sie jetzt?)

2015/16 hätte man zum Beispiel eine grundlegende Dienstrechtsreform machen können. Das haben Sie nicht getan. Die dazwischenrufende Kollegin Gebhard hat häufig genug – mein Eindruck war: mit erkennbar schlechtem Gewissen – wortreich in den Gremien verteidigt, was da an Mittelmäßigkeit aus der Landesregierung kam. Sie waren damit auch nicht einverstanden, wenn Sie ehrlich sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben eben kein an modernen Maßstäben ausgerichtetes Besoldungs- und Dienstrecht vorgelegt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sagen Sie auch noch was zur Sache?)

Sie haben es gegenüber Ihrer eigenen Regierung gerade nicht durchsetzen können, und das war schade. Im Nachhinein tut Ihnen das auch leid.

Jetzt sagen Sie, alles das müsse die neue Landesregierung innerhalb von Monaten umsetzen, und zwar in einem Gesetzgebungsverfahren für einen Phantomentwurf, den Sie hier vorgelegt haben. Damit meinen Sie, beschreiben zu können, was jetzt alles passieren muss. Das ist eine wunderbare Fehlerbilanz. Herr Ott, Sie hätten es nicht schöner machen können.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Alles Ausreden!)

Als der Herr der vielen Worte hätten Sie Ihrer Regierung schon damals Dampf machen können. Stattdessen haben Sie sich an diesem Redepult viele Minuten mit vielen Worten bewegt. Aber Sie haben nichts erreicht.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wer regiert denn jetzt?)

Sie haben bei Ihrer eigenen Regierung nichts erreicht. Das ist im Nachgang eigentlich das Blamabelste, Herr Ott.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Stattdessen haben Sie als parlamentarischer Abnickverein auch noch eine erkennbar verfassungswidrige Besoldungsrunde, nämlich die Nullrunde, abgefeiert, und das mit einem Gesetzgebungsverfahren, bei dem die Begründungen an Peinlichkeiten nicht zu überbieten waren. Das ist Ihnen um die Ohren gehauen worden, und zwar völlig zu Recht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das folgende Beispiel – Herr Ott, Sie wissen das aufgrund Ihrer eigenen Lebenserfahrung – war das Absurdeste. Damals hat man gesagt, ab A13 seien die Leute Besserverdiener, und deshalb müssten sie eine Nullrunde akzeptieren. Sie wissen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen in Nordrhein-Westfalen A13-besoldet sind und in Teilzeit arbeiten.

Im damaligen Gesetzgebungsverfahren haben Sie als Parlamentarier Ihrer Regierung nicht erklärt – der Finanzminister hat das hier mehrfach einfach unwidersprochen vorgetragen –, dass diese Leute keine Besserverdiener sind, sondern Menschen, die ihre Arbeitsleistung in der Schule nicht zu vollen Stundenkontingenten erbringen, weil sie beispielsweise daneben noch Familie haben. Denen damals mitzuteilen: „Ihr seid Besserverdiener, deshalb bekommt ihr eine Nullrunde“, das war Hohn in Dosen. Dafür haben Sie auch die Quittung bekommen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Sagen Sie mal was zum Thema!)

Sie haben einen Strich darunter zu ziehen. Sie haben nichts gemacht. Sie haben von 2010 bis 2017 mit Ihrer Koalition nichts geregelt.

(Jochen Ott [SPD]: Und was machen Sie?)

Das spüren wir heute auch bei der Besetzung der Lehrerstellen in Nordrhein-Westfalen. Sie hätten die Schritte im Besoldungsrecht lange gehen können. Wir haben im Koalitionsvertrag klare Aussagen dazu getroffen. Wir werden dieses wichtige Thema in dieser Wahlperiode aufgreifen und regeln. Wir werden auch die heißen Eisen anpacken, die für Ihre Fingerchen zu heiß waren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber dazu, lieber Kollege Ott, braucht man keinen Schnellschuss wie das, was Sie heute vorgelegt haben. Das will ich Ihnen an zwei Punkten deutlich machen.

Der eine Punkt betrifft die inhaltliche Ausgestaltung Ihres sogenannten Gesetzentwurfs. Ich sage ganz bewusst „sogenannten“; denn es gibt einen Unterschied zwischen einem Gesetzentwurf und einem parlamentarischen Antrag. Was Sie auf Seite 9 als Begründung für das vorgelegt haben, was Sie an Gesetzestechnik regeln wollen, erfüllt in keiner Weise den Anspruch an eine Gesetzesbegründung in einem Gesetzgebungsverfahren, weder in Nordrhein-Westfalen noch sonst wo in einem Parlament in Deutschland.

(Beifall von der CDU und der FDP – Markus Wagner [AfD]: Wirklich ganz schlecht gemacht!)

Sie haben Ihre Redebausteine offensichtlich mit dem abgeglichen, was Sie hier Gesetzesbegründung genannt haben, die aber keine ist. Sie können natürlich Antragstexte als Gesetzesbegründung vorlegen, aber das macht es nicht besser. Das ist handwerklich peinlich und schlecht.

(Michael Hübner [SPD]: Im Gegensatz zu Ihnen haben wir zum Gesetzentwurf geredet! – Gegenruf: Das sehe ich genauso!)

Der zweite Punkt ist: Es ist inhaltlich – Sie haben das in Ihrer Rede teilweise angesprochen – auch deshalb nicht weiterführend, weil Sie an mehreren Stellen den Zusammenhang mit den anderen, derzeit auch nach A12 Besoldeten nicht aufgreifen. Wenn Sie eine Strukturreform durchführen wollen, dann müssen Sie bitte erklären, warum Sie etwa Realschullehrerinnen und Realschullehrern mit einer A12-Stelle im Regelfall nicht weiterhelfen wollen. Das Gleiche müssten Sie für viele Lehrer an den Berufskollegs mit regeln.

(Helmut Seifen [AfD]: Genau! – Stefan Zimkeit [SPD]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)

Denn das Thema ist eben nicht mit einem Lehrerbesoldungsgleichstellungsgesetz zu regeln, wie Sie es hier vorgelegt haben, sondern Sie brauchen eine wirklich systematische Herangehensweise an ein modernes und für junge Menschen auch attraktives Besoldungsrecht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Alles nur Luftblasen!)

Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag etwas vereinbart – ich hatte das eben schon bezogen auf das Dienst- und Besoldungsrecht gesagt –, bei dem Sie sich auch im Grunde weggeduckt haben. Wir möchten in dieser Wahlperiode – damit beginnen wir sehr bald – Vorschläge für ein modernes Dienst- und Besoldungsrecht unterbreiten, das attraktiv für junge Menschen ist, das dazu beiträgt, dass sie sich auch in Zukunft als Beschäftigte in den Dienst dieses Landes stellen wollen – bei allen Herausforderungen,  vor denen wir als Arbeitgeber im demografischen Wandel stehen.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Hört, hört!)

– Ja, hört, hört.

(Jochen Ott [SPD]: Das werden wir ja sehen!)

Sie könnten eine wunderbare Leseprobe im Koalitionsvertrag nehmen; denn Lesen scheint für Sie einfacher zu sein, als einen Gesetzentwurf zu schreiben.

(Jochen Ott [SPD]: Aber wenn Sie ihn gelesen hätten, wäre es schon gut!)

Um es klar zu sagen: Sie von Rot-Grün haben damals sieben Jahre vertrödelt, statt zu regieren. Sie haben sieben Jahre vertröstet, statt zu handeln. Jetzt haben Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nicht das Ganze im Blick hat. Dann können Sie sich ausrechnen, dass selbst ein Beratungsverfahren mit einer Anhörung zu diesem rudimentären Gesetzentwurf

(Jochen Ott [SPD]: Wir werden sehen, was die Experten dazu sagen!)

am Schluss nicht dazu führen wird, dass irgendjemand aus der Regierung dem zustimmen wird. Sie sollten Ihr Handwerk erst einmal neu lernen. Dazu haben Sie noch genug Zeit. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Optendrenk. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Witzel das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fragen der Lehrerbesoldung sind politisch immer von großer Bedeutung. So ist es natürlich auch heute.

Am sachlichen Beginn der Debatte steht, dass am Ende der 14. Wahlperiode eine Änderung des Lehrerausbildungsgesetzes stattgefunden hat, die im Ergebnis dazu geführt hat, dass es zu einer Angleichung der unterschiedlichen Lehrämter bei dem so wichtigen Punkt der identischen Ausbildungsdauer gekommen ist.

Richtig ist auch, dass es eine Aufwertung im Lehrerberuf gegeben hat, gerade auch, was Anforderungen des Primarbereichs anbetrifft – formal, aber auch inhaltlich. Wenn zum Beispiel Englisch in der Grundschule neuerdings zur Regel gehört, dann ist das ein zusätzlicher Baustein, für den Lehrer vorbereitet sein müssen, was in früheren Jahren nicht der Fall war.

Deshalb stellen sich in diesem Zusammenhang ganz nüchtern betrachtet für betroffene Lehrkräfte natürlich auch Vergütungsfragen. Wer würde ihnen das verdenken?

Die NRW-Koalition ist sich dieser Problematik und ihrer eigenen Verantwortung auch bewusst. Wir wissen, es gibt gute Gründe für Verbesserungen bei den Absolventen der neuen Lehramtsprüfung für Grundschulen und die Sekundarstufe I, mit denen wir uns ernsthaft auseinandersetzen wollen und müssen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Das Problem ist insgesamt facettenreich, und deshalb bedarf es der Gesamtsicht, die in der Debatte von uns eingefordert wird. Dazu gehört die Betrachtung, dass die Kosten am Ende des Tages aller Voraussicht nach höher sein werden als von der SPD angegeben, wenn wir das tun würden, was Ihr Gesetzentwurf erwartet und Ihr Redner gerade vorgetragen hat. Sie arbeiten in Berechnungen mit alten Zahlen, Sie nehmen keine Vollkostenrechnung vor, die natürlich in adäquater Weise auch eine Berücksichtigung der Versorgungslasten in der Gesamtkalkulation des Modells beinhaltet.

Wenn wir Ihrem Gesetzentwurf so folgen würden mit der Umsetzung, die Sie für das Jahr 2018 einfordern, dann würde dieser eine Beschluss in der noch laufenden Legislaturperiode Mehrkosten von mehreren Milliarden Euro für das Land Nordrhein-Westfalen bedeuten.

Vergütungsgerechtigkeit ist nicht nur eine Frage der absoluten Höhe, sondern auch eine Frage des sozialen Vergleichs. Das lassen Sie in der Debatte ebenfalls außen vor.

Deshalb gehört zur Wahrheit, dass die Interessenlage in der Lehrerschaft höchst heterogen ist. Wer für eine längere und höherwertige Ausbildung jetzt eine höhere Besoldungsstufe einfordert, der will eben gerade nicht einheitlich A13 für alle.

(Helmut Seifen [AfD]: So ist es!)

Daher ist die Überschrift dieses Gesetzentwurfs für jeden Anhänger des logischen Denkens schon eine Karikatur für sich, weil Sie zwei Punkte, die sich in der aktuellen Debatte argumentativ widersprechen und je nach Interessenlage aufeinanderprallen, in eine Überschrift hineinschreiben.

Genau deshalb müssen Sie hier die Frage beantworten: Was wollen Sie? Wollen Sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit, wie es der erste Teil Ihrer Überschrift besagt? Oder wollen Sie Anpassung der Lehrerbesoldung an die jeweilige Ausbildung, wie der zweite Teil Ihrer Überschrift besagt? Beides ist etwas Unterschiedliches, wie doch die Debatten zeigen.

Wollen Sie eine ergebnisorientierte Entlohnung, bei der Sie sagen, qualifikatorische Voraussetzungen sind nur am Rande wichtig, solange im Ergebnis derselbe Unterricht für Schüler stattfindet und diese auch nicht die Unterschiede in der Ausbildung ihrer Lehrer sehen können? Oder sagen Sie, Sie wollen eine qualifikationsorientierte Entlohnung, bei der dann aber auch die unterschiedlichen Ausbildungswege unterschiedlich vergütet werden? Sie müssen sich in Ihrer Priorisierung für eines von beidem entscheiden.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Zur Wahrheit gehört ferner: Es gibt an diversen Stellen im Schulbereich wenig nachvollziehbare Vergütungsunterschiede. Wir diskutieren das an anderen Stellen, beispielsweise unter dem Aspekt „Beamtenstatus versus angestellte Lehrer im Tarifbereich“; wir diskutieren über die Korrekturlehrerproblematik. Ist das, was der reine Sportlehrer macht, mit der Tätigkeit desjenigen gleichwertig, der in der Oberstufe permanent Mathematik- und Englischklausuren korrigiert? Ist das dieselbe Arbeitszeit, die dahinter steckt?

Da gibt es viele Fragen, die wir diskutieren müssen, von denen wir zu Oppositionszeiten wie auch jetzt in der Regierungsrolle sagen, dass wir die nicht alle über Nacht auf einen Schlag lösen können. Vielmehr handelt es sich um einen Prozess, in dem man sich Lösungen nähern muss und der sukzessiv aufeinander aufbauend wird stattfinden müssen.

Bei aller Bedeutung der angesprochenen finanziellen Belange – zur Betrachtung gehört auch, dass Berufs-attraktivität, Arbeitszufriedenheit und Motivation an sich und natürlich gerade im Schulbereich nicht nur eine Frage der Vergütung sind. Gerade die Arbeitsbedingungen haben sich unter Rot-Grün dramatisch verschlechtert.

Was haben Sie von SPD und Grünen Lehrern und Schülern durch Ihr Inklusionschaos zugemutet?

(Helmut Seifen [AfD]: Genau so ist es!)

Was sind die Folgen Ihrer ideologischen Schulpolitik für den Schulalltag gewesen?

(Helmut Seifen [AfD]: Grausam!)

Wie sieht es aus mit der Zerschlagung des pädagogischen Einflusses für Ihr Ziel der leistungslosen rot-grünen Schule?

(Zuruf von der SPD: Uah!)

Dieser Gesetzentwurf ist in Wahrheit eine schallende Ohrfeige für die eigene Untätigkeit

(Jochen Ott [SPD]: Noch mehr Plattitüden!)

sowie für das grüne Versagen von Sylvia Löhrmann in der Schulpolitik, die nach ihrer Abwahl dann auch konsequent direkt aus dem Parlament entflohen ist, um sich ihrer Trümmerbilanz in den politischen Debatten nicht mehr stellen zu müssen.

(Lachen von den GRÜNEN – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Alles Ausreden! – Jochen Ott [SPD]: Jetzt kann man es machen!)

Sylvia Löhrmann hat sich in den letzten beiden Legislaturperioden hingestellt und gesagt: Wir handeln überhaupt nicht,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Leute beschimpfen, die nicht da sind! Das ist das Einzige, was er kann!)

wir warten ab. Wir als Grüne, wir als Landesregierung warten ab, bis wir verklagt werden, und dann sind wir so großzügig, Musterurteile, wenn es sie denn gibt, in einem Rechtsstaat auch zu akzeptieren. – Ja, was für ein Entgegenkommen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war Ihre grüne Schulministerin zwei Legislaturperioden lang in diesem Hohen Hause.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Alles Ausreden!)

– Herr Kollege, Sie haben Tausende unbesetzte Stellen im Schulbereich hinterlassen.

(Jochen Ott [SPD]: Sie wissen doch, dass die Schulministerin gescheitert ist!)

Wenige Wochen nach Ihrer Abwahl zum Schuljahresbeginn nach der letzten Sommerpause haben Sie hier gestanden mit Krokodilstränen in den Augen, wie viele Stellen nicht besetzt seien, das sei doch ganz schlimm. – Genauso wie in allen anderen Bereichen, etwa bei der Polizei! Da haben Sie sich in Ihren Wahlkreisen hingestellt, haben aufgelistet, wie viele Stellen nicht besetzt sind, und hatten mit all dem nichts zu tun, was Sie in den letzten sieben Jahren gemacht haben!

Das ist keine ehrliche und seriöse Politik, wie Sie hier in den beiden letzten Legislaturperioden vorgegangen sind.

(Beifall von der FDP und der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Dass Sie das Wort Ehrlichkeit in den Mund nehmen – unmöglich!)

Deshalb sage ich Ihnen sehr wohl, Herr Kollege: Sie müssen sich jetzt ehrlich machen. Wir haben das in unterschiedlichen Rollen gemacht. Wir haben zu Oppositionszeiten als FDP-Landtagsfraktion nicht jedem alles versprochen.

(Zuruf von der SPD: Was? Natürlich! – Lachen von der SPD)

Wir haben uns nicht hingestellt und eins zu eins Tarifanpassungen und Umsetzungen versprochen. Wir haben auch nicht gesagt,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Gar nichts haben Sie gemacht! Kein Vorschlag lag auf dem Tisch!)

jeder bekommt bei uns A13 für alles, sondern wir haben immer darauf hingewiesen, dass das haushalterisch passen und sachangemessen sein muss. Das alles muss man im System weiterentwickeln. Für diese sachliche Herangehensweise stehen wir.

Sie haben ein handwerklich völlig unzureichendes Gesetz vorgelegt, das wir so sicherlich nicht beschließen können. Uns liegt am Inhalt dieser Debatte sehr viel. Es gibt auch gute Gründe, sich mit den Fragestellungen sehr eingehend zu beschäftigen, aber auf einer fundierten Basis mit seriöser Politik und nicht mit diesem Showantrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Witzel. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Beer das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Witzel, das wird nicht weiter so funktionieren: die Frage hochjazzen, in den alten Wahlkampfmodus zurückfallen und dann aber hier nicht liefern. Das funktioniert eben nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was Sie gerade bravourös gemacht haben, ist, Ihrer Schulministerin den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Denn die verlautbart in Veranstaltungen inzwischen etwas anderes. Ich bin sehr gespannt – ich habe ein wenig differenzierte Töne zwischen Herrn Optendrenk und Herrn Witzel wahrgenommen –, wie es denn jetzt ist. Wir wissen nichts. Wir wissen nicht, was, wir wissen nicht, wann, und wir wissen auch nicht, für wen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da sollte man doch einmal sehr genau hinhören, was Herr Witzel hier gerade von sich gegeben hat. Das hörte sich nach einer sehr interessanten Differenzierung an. Wir werden sehr genau hinschauen, was da kommt.

Herr Optendrenk, ich hätte mir von Ihnen gewünscht, dass Sie etwas konkreter gewesen wären. Ich bin sehr gespannt, wie dieses große Paket angefasst werden soll. Herr Ott hat davon gesprochen, welche Regelungsbedarfe bestehen, und die werden wohl auch – so habe ich das hier vernommen – allgemein zugestanden. Ich erwarte nicht, dass es über Nacht passiert, aber, dass Sie einen konkreten Plan haben, was wann angefasst wird.

Ich bin dem Kollegen Ott dankbar, dass er deutlich gemacht hat, welches Ringen es unter Rot-Grün gegeben hat. Ich hätte mir in der Tat gewünscht, dass in dieser Regierungszeit der der SPD angehörige Finanzminister auch Zustimmung signalisiert hätte. Dann wären wir einen Schritt weiter. Die Notwendigkeiten haben bestanden. So viel zu der Frage der Selbstreflektion. Ja, das ist wichtig, um genau zu sein.

Es ist aber falsch, zu sagen, dass nichts passiert ist. Denn der Bildungshaushalt ist in der Regierungszeit von Rot-Grün auf 17,8 Milliarden € aufgestockt worden. Vergessen Sie bitte auch nicht die 2 Milliarden € zum Thema „Gute Schule 2020“. Das ist gerade besonders wichtig, wenn wir uns noch einmal die Ausgaben pro Schüler und Schülerin anschauen. Beim letzten Bildungsmonitoring ist der letzte Aufwuchs noch gar nicht berücksichtigt.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Herr Witzel, Sie wollen es aber doch nicht abschaffen. Sie wollen es den Kommunen nicht entziehen. Das habe ich nicht gehört. Das, was Sie hier wieder populistisch in die eine Richtung schieben, wird in den Kommunen gebraucht. Es ist gut, dass das so ist. Ich habe von Frau Gebauer, Herrn Löttgen und allen anderen vernommen, dass es weitergeführt werden wird. Auch vom Finanzminister habe ich nichts anderes vernommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie überlegen sogar, das Programm zu flexibilisieren oder gegebenenfalls zu strecken und dass es etwas in der Nachfolge geben muss. Also, Herr Witzel, machen Sie doch hier nicht diesen Kram! Das trägt überhaupt nicht durch.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Der kann nicht anders!)

Dann will ich etwas zu dem Gesetzentwurf sagen, den wir ja noch intensiv beraten werden. Lieber Kollege Jochen Ott, wahrscheinlich hat noch eine Vision daran mitgewirkt, dass jetzt im Entwurf steht: Gesetzentwurf der Landesregierung. – Das zeigt ja nur, dass Rot-Grün schon vorgedacht hat, diesen Textbaustein zu verwenden. Wir nehmen es einmal als Vorlage, dass sich die jetzige Landesregierung das zu eigen und auch wirklich zu ihrem Entwurf macht.

Beim zweiten Punkt haben Sie, glaube ich, nicht richtig geschaut, Herr Optendrenk. Nach der im Entwurf gewählten Formulierung werden in der Tat alle Lehrkräfte unabhängig vom Lehramt in A13 eingruppiert. Allerdings ist der SPD nicht aufgefallen, dass die Konrektoren leider immer noch bei A12 stehen. Das werden wir aber auch nachvollziehen.

Es gibt auch noch andere Dinge – da hat Herr Optendrenk recht –, über die wir reden müssen, etwa die Dienstrechtsreform. Wir müssen aber auch über die Fachlehrkräfte in den Förderschulen reden. Die sind hier noch nicht benannt worden. Auch da gibt es Regelungsbedarf. Wenn wir die Dienstrechtsreform parallel mit angehen wollen, dann ist dieser Gesetzentwurf eine gute Grundlage, das zu diskutieren.

Sie werden sich auf jeden Fall keinen schlanken Fuß machen können, indem Sie sagen: Das ist unter Rot-Grün alles nicht passiert, und wir haben hier Wolke sieben. Die ist undurchsichtig und man weiß nicht, was kommt. Sie bringen jedenfalls Ihre Ministerin in eine ziemlich dumme Situation. Denn die hat eigentlich schon fröhlich verkündet, dass es jetzt etwas gibt.

Herr Löttgen hat im VBE-Forum freundlicherweise diesen Part übernommen, weil die Kollegin Korte feststeckte. Ich fand es toll, dass Sie dann gleich gesagt haben: Ich bin so flexibel und ich bestätige, dass etwas für die Grundschullehrkräfte kommt. Das ist wichtig. Ich habe von Ihnen auch vernommen, dass die Gleichwertigkeit der Ausbildung ganz klar ist.

(Bodo Löttgen [CDU]: Sagen Sie das Wichtigste noch dazu: im Laufe dieser Legislaturperiode! Dann sind wir d’accord!)

Das, was wir in der letzten Woche in der Debatte im Schulausschuss zur Gleichwertigkeit der Lehrämter und zum Grundschullehramt von der AfD gehört haben, war unterirdisch. Ich will das betonen. Es geht um die Gleichwertigkeit der Lehrämter in Anerkennung der Arbeit in den Grundschulen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt und ist längst überfällig. Ganz egal, welche Landesregierung in der Verantwortung ist oder gewesen wäre – der Regelungsbedarf ist da.

(Zurufe von der CDU)

– Möchten Sie untereinander diskutieren? Soll ich einen Augenblick warten?

(Bodo Löttgen [CDU]: Nein, danke!)

– Danke schön. – Das wäre mir noch einmal wichtig.

(Bodo Löttgen [CDU]: Sie haben nur etwas Wichtiges weggelassen!)

– Möchten Sie mir eine Frage stellen, ob ich etwas weggelassen habe?

(Bodo Löttgen [CDU]: Nö!)

– Auch nicht. Gut, dann werden wir in der weiteren Erörterung ja sicherlich dazu kommen.

Wichtig ist, Herr Löttgen, dass Sie liefern müssen und dass es nicht reicht, sich einmal im Goldsaal in Dortmund hinzusetzen und zu verkünden: Das wollen wir dann machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nicht zuletzt muss man schauen, wann es denn kommt. Ich erwarte nicht – das betone ich noch einmal –, dass die Welt über Nacht plötzlich eine andere ist. Auch Sie müssen kalkulieren, was bei den Finanzen möglich ist. Aber die Schritte müssen da sein. Sie haben gesagt, Sie möchten beste Bildung und die Bildungsinvestitionen hoch halten. Dann muss man aber deutlich sagen, dass schon im jetzigen Haushalt wesentlich weniger Aufwuchs im Schulhaushalt ist als in den Jahren vorher.

Wie wollen Sie das Ganze dann eigentlich anlegen, um diese Aufgaben zu bewältigen? Wenn Sie im gleichen Tempo wie Rot-Grün in die Schulen investieren wollen, müssen Sie mindestens das Doppelte hineinbringen. Ich warte darauf im nächsten Haushalt und dass sich das in den Bezügen für Kolleginnen und Kollegen auswirkt.

Sie müssen die entsprechenden Schritte machen; denn Sie werden dieses Paket, das dann aufläuft, in den notwendigen – und ich sage es noch einmal deutlich – Milliardensummen nicht mehr im Haushalt 2020 unterbringen können. Machen Sie uns doch nichts vor!

Also, jetzt müssen die Schritte kommen. Jetzt muss Klarheit herrschen. Das erwarte ich von Ihnen, und ich erwarte vom Finanzminister, dass das sehr deutlich durchdekliniert wird. Da können Sie sich nicht herausreden.

So, und jetzt erledigen wir die handwerkliche Arbeit in der Diskussion und dann auch im Gesetzentwurf, und da werden wir Sie stellen und das einfordern.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, …

Sigrid Beer (GRÜNE): Wie gesagt: Es geht nicht, vorher alles hochzujazzen, dann nicht zu liefern und zu versuchen, sich hier mit solchen Debatten herauszuwinden. Wir wollen sehen, was die FDP unter neuem Dienstrecht versteht und was die CDU versucht, unter neuem Dienstrecht vielleicht unterzubringen. Ich denke, das gibt noch spannende Diskussionen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Beer, entschuldigen Sie, es gibt den Wunsch einer Zwischenfrage vom Kollegen Ott. Ich frage, ob Sie diese zulassen.

Sigrid Beer (GRÜNE): Die lasse ich gerne zu, na klar.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön.

Jochen Ott (SPD): Herzlichen Dank. – Frau Kollegin, ich wollte nur noch einmal nachfragen: Erinnere ich mich richtig, dass im Plenarblock vor der Bundestagswahl die Debatte zur Besoldung hier schon einmal sehr intensiv geführt wurde und die Grünen einen Antrag eingereicht hatten, mit dem die Landesregierung beauftragt werden sollte, eine schrittweise Angleichung vorzulegen? – Können Sie sich auch noch erinnern, wie CDU und FDP auf Ihren Vorschlag damals reagiert haben?

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke, Herr Kollege. – Ja, ich kann mich erinnern. Das ist genau so, wie Sie es in Erinnerung haben. Wir hatten diesen Antrag zur direkten Abstimmung gestellt. Die Forderung war: Legen Sie uns bitte einen Plan vor, gehen Sie in Schritten vor! – Das ist abgelehnt worden. Wir haben danach einen Antrag eingebracht, der im Schulausschuss beraten und auch negativ beschieden worden ist. Und jetzt haben wir diesen Gesetzentwurf hier.

Deswegen sage ich noch einmal: Sich das zu verkneifen, hinter den Baum zu gehen und zu sagen: „Nein, das können wir jetzt nicht machen“, wird nicht funktionieren.

(Bodo Löttgen [CDU]: Hinter dem Baum ist kein Platz!)

– Nein, Herr Löttgen, damit wir uns verstehen: Leisten Sie erst einmal den Aufwuchs über 4 Milliarden € im Schulhaushalt. Das möchte ich sehen. Liefern Sie bitte, damit dass dann auch so passiert! In der ersten Etappe, im Haushalt 2018, sind Sie weit hinter dem geblieben, was Sie hätten liefern müssen, damit Sie diese Summe im Endziel erreichen können. Herr Löttgen, ich bin auf den nächsten Haushalt gespannt, und da hinein gehören die Besoldungsfragen!

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

– Nein, Sie kommen nicht davon. Ich fand es gut, dass Sie gesagt haben: „Ja, wollen wir machen.“ Aber wir wollen wissen: wann, für wen und mit welchen Ausführungen innerhalb der Legislaturperiode?

Es gibt viele Baustellen – um das noch einmal deutlich zu machen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Danke schön für die Baustellen!)

Da ist die Besoldung für die Grundschullehrkräfte. Da ist die Frage von Laufbahnen, die mit dazu gehört.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

– Ja natürlich, auch die Frage von Entlastungen gehört dazu. Wie sieht es mit den Schulleitungsassistenzen aus? – Das ist ein Gesamttableau. Da gibt es noch viele Dinge, die wir miteinander besprechen müssen, Herr Löttgen.

Wie gesagt, mit so einer leichten Nummer

(Zurufe von Jochen Ott [SPD] und Bodo Löttgen [CDU])

wie heute – „… habt ihr alles so nicht gemacht, und jetzt schieben wir es hinaus“ – kommen Sie nicht davon. Wir werden Sie auf jeden Fall immer wieder stellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Beer. – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Seifen das Wort. Bitte schön.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte …

(Bodo Löttgen [CDU]: Frau Präsidentin!)

Entschuldigung, Frau Präsidentin, das tut mir sehr, sehr leid. Ich war so von der Rede von Frau Beer gefangen, dass mir dieser Lapsus unterlaufen ist. So viel Inhaltsleeres wie von den beiden Vertretern von SPD und Grünen ist mir noch nicht untergekommen, und jetzt weiß ich auch, warum die Schulpolitik der letzten sieben Jahre so katastrophal war.

(Zuruf von der SPD)

Einzig und alleine Herr Kollege Witzel hat den Kern des Problems erfasst.

(Beifall von der AfD – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Der hier vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion offenbart wieder einmal sehr deutlich,

(Unruhe)

dass sich die Mitglieder dieser Fraktion von ihrer ideologisch geführten Wirklichkeitssicht ohne Rücksicht auf die in der Wirklichkeit tatsächlich vorzufindenden Sachverhalte leiten lassen.

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wird hier als gesetzliche Forderung für einen Tatbestand erhoben, in dem es wenig Gleiches zu beobachten gibt. Der Gesetzentwurf führt für eine Besoldungsanpassung der Eingangsstufen der verschiedenen Lehrämter lediglich die „gleiche und gleich lange Ausbildung“ der Lehramtsanwärter der verschiedenen Schulstufen als Begründung an und meint wohl damit – gestützt auf Expertisen zweier Anwälte – ein grundgesetzliches Anrecht auf gleiche Besoldung ableiten zu können.

Diese schlichte Schlussfolgerung vereinfacht die komplexe schulische Wirklichkeit und die besoldungsrechtliche Struktur auf eine geradezu primitive, sträfliche Art und Weise.

(Beifall von der AfD)

Der Verband lehrer nrw weist zu Recht darauf hin, dass eine übereilte und von den falschen Prämissen ausgehende Entscheidung in der Besoldungsanpassung zu Verwerfungen im Bereich des Tarifrechts und gleichzeitig auch zu einer Verwerfung in der Systematik des Beförderungswesens führt. In der Anhörung hat der Vertreter dieses Verbandes zu Recht davor gewarnt, dass man mit der Besoldungsanhebung der bisher mit A12 dotierten Eingangsämter drei Viertel der Lehrkräfte vor den Kopf stößt und brüskiert, wie das in zurückliegender Zeit bereits schon einmal nach einer Besoldungsanpassung im Beamtenbereich bei den Tarifangestellten erlebt wurde.

Brüskiert werden sich auch viele Lehrkräfte der weiterführenden Schulen fühlen, vor allem die der Gymnasien und Gesamtschulen. Das interessiert Sie aber offensichtlich wenig. Die Arbeit in einer Grundschule ist von sehr hohem Wert und selbstverständlich gleichwertig zu allen anderen Lehrtätigkeiten. Sie ist aber trotzdem nicht gleichzusetzen mit der Arbeit in einer weiterführenden Schule, vor allem, wenn diese eine Oberstufe hat.

Die Breite der Altersstruktur der Schülerinnen und Schüler, die von der Kindheit über das Jugendalter bis zum Eintritt in das Erwachsenenalter reicht, verlangt andere, aber nicht minder anstrengende und intensive Erziehungsbemühungen. Hinzu kommt die höhere Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die man über die unterschiedlichen Jahrgänge hin als Fachlehrer zu unterrichten und zu benoten hat.

Die Breite des Stoffes über sechs bis neun Schuljahre hinweg sorgt für einen hohen zeitlichen Aufwand an Unterrichtsvorbereitungen für die Aneignung und Aufbereitung komplexer Sachverhalte im naturwissenschaftlichen, gesellschaftswissenschaftlichen und im sprachlich-literarischen Bereich und sorgt für einen zum Teil hohen Korrekturaufwand, zu dem noch diverse mündliche wie schriftliche Prüfungen mit einem Aufwand an Prüfungsvor- und -nachbereitung hinzugezählt werden müssen.

Herr Ott, ich muss mich wirklich wundern. Ich habe gehört, Sie seien mal als Lehrer an der Schule gewesen. Ich möchte gerne wissen, wie da Ihre Arbeit ausgesehen hat.

Wenn Sie jetzt meinen, Sie könnten die Lehrkräfte dagegen aufwiegen, die in sogenannten Nebenfächern eingesetzt werden und wenig Korrekturen haben, dann darf ich Ihnen vor Augen halten, dass zum Beispiel ein Kunstlehrer aufgrund der Stundentafel des Faches Kunst und seiner Unterrichtsverpflichtung zwischen 200 und 230 Schülerinnen und Schüler unterrichten und benoten muss. Machen Sie das doch einfach mal; probieren Sie es doch mal aus!

Zu all dem kommt noch die Einbindung des Lehrpersonals in eine Reihe von außerunterrichtlichen Tätigkeiten hinzu. Ich darf dann noch daran erinnern, dass die Gymnasiallehrer vor ca. 18 Jahren eine Gehaltskürzung hinnehmen mussten, indem ihr Stundendeputat von 23,5 Stunden auf 25,5 Stunden angehoben worden ist. Da hat sich auch niemand gerührt. Deshalb hat der Vertreter des Philologenverbandes in der Anhörung zu Recht darauf hingewiesen, dass – Zitat – „die Lehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen in besonderer Weise arbeitszeitlich belastet sind“.

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen sowohl der Vertreter des Verbandes lehrer nrw als auch sogar die Vertreterin der GEW – man höre und staune! Beide weisen darauf hin, dass vor allem die Gestaltung des Arbeitsplatzes der wesentliche Aspekt bei der Attraktivität des Arbeitsplatzes und des Belastungsgefühls der Lehrkräfte ist.

Die Integration von zahllosen Ausländerkindern in den allgemeinen Schulbetrieb, die inklusive, zieldifferente Beschulung von Kindern mit besonderem Förderbedarf, die besonderen Herausforderungen an Brennpunktschulen und noch einiges, noch vieles mehr – all das belastet die Lehrkräfte an den Schulen und besonders auch an den Grundschulen, sodass 70,1 % der Lehrkräfte die hohe psychische Belastung als die größte Herausforderung ihres Berufs betrachten.

Hier muss Abhilfe geschaffen werden. Dass man da vielleicht über eine Verringerung des Stundenvolumens sprechen kann – einverstanden; aber nicht nur an dieser einen Stellschraube drehen und damit alles durcheinanderbringen!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben in Ihrer Begründung all diese Hinweise aus der Anhörung ignoriert. Nichts davon haben Sie hier vorgestellt – lediglich das, was die Anwälte mit ihrem Bezug zum Grundgesetz vorgebracht haben, der auch noch vollkommen falsch ist. Sie haben hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zwar Ihrer schlichten Gleichheits- und Nivellierungsideologie entspricht, für die Lehrkräfte an den Schulen aber keine Verbesserung bereithält. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Seifen. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Lienenkämper das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss nach dieser Debatte schon sagen: Es ist viel Chuzpe erforderlich, um so zu sprechen, wie Sie von Rot-Grün es hier heute getan haben – als wenn Sie schon vergessen hätten, dass Sie im Wesentlichen für Ihre verfehlte Bildungspolitik im Mai letzten Jahres abgewählt worden sind!

(Beifall von der CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Was denn? – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das war heute überhaupt nicht zu erkennen. Es ist schon viel Chuzpe erforderlich, und es ist wirklich bemerkenswert, dass Sie heute als SPD-Fraktion, die die Vorgängerregierung nicht nur getragen, sondern gestaltet hat, eine Gesetzesinitiative vorlegen, um die Konsequenzen aus der Vereinheitlichung der Lehrerausbildung von 2009 zu ziehen.

Es ist einfach nicht hinwegzureden: Sie haben sieben Jahre lang regiert und überhaupt nichts gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Ralf Witzel [FDP]: So ist es! – Jochen Ott [SPD]: Alles Ausreden!)

Sie haben sich mit der 2017 vorgenommenen Anhebung der Besoldung der Schulleiterinnen und Schulleiter an Grund- und Hauptschulen begnügt.

(Zurufe von der SPD)

Im Übrigen haben Sie nichts getan.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Was kommt denn jetzt? Wann kommt denn jetzt etwas?)

Andersherum formuliert: Die Diskussion ist grundsätzlich richtig,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das trägt nicht lange, Herr Lienenkämper!)

aber die Motivation für diesen unausgereiften Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zum jetzigen Zeitpunkt ist durchsichtig wie Glas, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Einfach vernünftig!)

Sie machen es sich jetzt ohne Regierungsverantwortung leicht. Manchmal ist das ja so: Wenn man die Regierung nicht mehr hat, wird es leichter. Jetzt fordern Sie plötzlich, einfach mal im Bereich der Grundschule und der Sekundarstufe I alle Einstiegsämter für sämtliche Lehrkräfte anzuheben – sowohl für alle nach altem Recht ausgebildeten Bestandslehrkräfte

(Zurufe von Stefan Zimkeit [SPD] und Heike Gebhard [SPD] – Sigrid Beer [GRÜNE]: Was heißt das denn jetzt, was der Finanzminister gerade sagt?)

als auch für alle nach dem LABG 2009 ausgebildeten Lehrkräfte. Alles soll einheitlich zum 01.09.2018 auf A13 angehoben werden – zuzüglich der sogenannten Strukturzulage.

(Jochen Ott [SPD]: Er hat es gelesen – danke, Herr Lienenkämper –, die CDU-Fraktion nicht!)

Die Besoldung einschließlich der Strukturzulage in Höhe von 92,96 € würde der Einstiegsbesoldung unserer Studienräte und Studienrätinnen entsprechen.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Ganz unabhängig von den vielen komplexen Fragen, die hier berührt werden, weisen übrigens auch die zugrunde gelegten haushaltspolitischen Annahmen in Ihrem Gesetzentwurf in die völlig falsche Richtung. Der Gesetzentwurf beziffert die mit der Anhebung der Einstiegsbesoldung verbundenen Mehrausgaben auf etwa 365 Millionen € pro Jahr.

Das gesamte Zahlenwerk fußt offenbar auszugsweise auf einer überschlägigen Berechnung der Vorgängerregierung vom Juni 2017. Das Problem ist nur: Das verhält sich streng orthogonal zur Wirklichkeit. Denn die veranschlagten 365 Millionen € pro Jahr bilden nicht die tatsächliche Höhe der zu erwartenden Mehrausgaben ab. Es fehlen insbesondere die auf die Versorgung und den Ersatzschulbereich entfallenden Mehrausgaben. Auch die für eine Gewährung der Strukturzulage zu veranschlagenden Mehrausgaben wurden nicht berücksichtigt. Zudem ist noch das alte Bezügeniveau vom 1. April 2017 zugrunde gelegt und nicht das aktuelle.

Das sind nur einige wenige Beispiele dafür, wie handwerklich unausgegoren dieser Gesetzentwurf ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Sie werden das mit Ihrer Expertise bestimmt ausbessern, Herr Lienenkämper!)

Wenn man sich die richtigen Zahlen anschaut, dann wird man feststellen, dass die vorgesehene Anhebung der Einstiegsbesoldung, wie dieser Gesetzentwurf sie vorsieht, tatsächlich in der Endausbaustufe voraussichtliche Mehrausgaben von etwa 600 Millionen € pro Jahr bedeutet.

(Jochen Ott [SPD]: Habe ich doch gesagt!)

Dass Sie verlässliche und seriöse Haushaltspolitik

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die kommt nicht!)

nie gemacht haben, weiß hier inzwischen jeder. Jedenfalls dürfen Sie die Augen nicht vor der Realität verschließen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Außerdem wissen Sie ganz genau aus Ihrer Erfahrung, dass Schnellschüsse in diesen komplexen Zusammenhängen ohnehin nicht besonders sinnvoll sind.

(Jochen Ott [SPD]: Na ja!)

Stattdessen geht es darum, das unbestritten notwendige Handlungsfeld mit der größtmöglichen Sorgfalt anzugehen – realistisch, differenziert und fair gegenüber allen Beteiligten.

Wir haben mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2018 zunächst schon einmal Versäumtes nachgeholt und folgerichtig auch die Besoldung der stellvertretenden Schulleitungen an Grund- und Hauptschulen verbessert. Das war ein erster ganz konkreter Schritt. Wir werden auch die notwendigen Schritte einleiten, um die besoldungsrechtlichen Konsequenzen aus der Reform der Lehrerausbildung zu ziehen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Da dies eine Änderung des Landesbesoldungsgesetzes betrifft, werden wir dafür dem Parlament Vorschläge unterbreiten.

Meine Damen und Herren von Rot und Grün, …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: … nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Sie können nicht ernsthaft erwarten, dass die neue Landesregierung in sieben Monaten alles das regelt, bei dem Sie sieben Jahre versagt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, es gibt den Wunsch einer Zwischenfrage.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Nein.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Okay. Sie wollen die nicht zulassen.

Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Gebhard das Wort.

Heike Gebhard (SPD): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das fand ich ja schon recht spannend. Die Tatsache, dass der Kollege Optendrenk, der Kollege Witzel und in Teilen auch der Minister meinten, bei diesem Thema eine Generaldebatte über Schulpolitik führen zu müssen, also sich auf ein völlig anderes Feld zu begeben als das, was heute zur Debatte steht, macht deutlich, dass Sie zu dem Thema, das heute auf der Tagesordnung steht, inhaltlich nichts zu sagen haben.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Optendrenk, über die große Dienstrechtsreform können wir diskutieren. Wir haben die letzten fünf Jahre intensiv damit zugebracht, welche Diskussionen dazu zu führen sind. In der Tat. Wenn Sie jetzt vorschlagen, dass wir an die Lehrerbesoldung erst dann rangehen können, wenn wir das große Rad komplett drehen, dann kriegen Sie in dieser Legislaturperiode garantiert keine Lösung für die Lehrer hin. Das ist der erste Punkt.

(Dr. Marcus Optendrenk [CDU]: Nur bei Ihrem Tempo nicht, bei unserem schon!)

Der zweite Punkt ist – das müssen wir noch mal festhalten; wir sollten noch mal zu den Fakten zurückkommen –: Sie haben gesagt, in dieser Legislaturperiode wollen Sie eine Lösung vorlegen. Diese Legislaturperiode geht bekanntlich bis 2022. Das heißt, wenn 2022 tatsächlich eine Lösung für die Lehrerbesoldung kommt, dann bedeutet das, wir haben eine ganze Reihe von Jahrgängen, von neu ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern nach der neuen Reform mit der verlängerten Ausbildungszeit, alle gleich lang, egal für welche Schulform, die aber nicht entsprechend bezahlt werden. Und dies wollen Sie in Kauf nehmen?

(Beifall von der SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Sie haben das immer noch nicht verstanden!)

– Wer hier was nicht versteht, das wird an anderer Stelle deutlich.

Wir stellen fest: Sie haben in der Tat im Jahre 2008 die Lehrerausbildung reformiert und für alle Schulformen gleichlange Ausbildungen festgeschrieben. Das waren Sie. Dies ist 2009 wirksam geworden.

Sie haben dabei zwei Dinge in Kauf genommen, erstens, dass es mehrere Jahrgänge ohne Absolventen gibt, die in den Bereich Grundschule gehen könnten, was jetzt mit dem Mangel in den Grundschulen zusätzlich aufploppt, und zweitens haben Sie das Beamtenrecht ausgeblendet an der Stelle, wo der Qualifikationsweg in der Tat im System fest verankert ist. Das heißt, Sie haben es einfach schleifen lassen.

Als wir 2010 in der Minderheitsregierung die Verantwortung übernommen haben, mussten wir feststellen, dass es bei Ihnen null Vorarbeiten für eine Regelung der Besoldungsanpassung für Lehrer gab.

Sie sagen, wir hätten sieben Jahren lang geschlafen. – Nein, wir haben sie nicht verschlafen. Wir hatten aber eine völlig andere Ausgangslage. Als wir 2010 übernommen haben, lag die Nettoneuverschuldung bei 6,6 Milliarden €.

(Sarah Philipp [SPD]: Richtig!)

Sie haben einen Haushalt übernommen, der 2016 mit einem Plus abgeschlossen wurde. 2017 hätten Sie ihn auch im Plus abschließen können. Das können Sie sogar nachlesen. Die entsprechende Vorlage war im Haushalts- und Finanzausschuss. Die Koalitionsfraktionen haben für ihre Koalitionsgespräche über all diese Unterlagen mit Datum vom 30. Mai gehabt verfügt. In diesen Unterlagen sind zwei Dinge dargelegt. Erstens wird daraus deutlich, dass das Geld dagewesen wäre. Zweitens wurde klar aufgelistet, welche Mittel erforderlich sind, um diese Baustelle zu beheben. Sie ist explizit in dem Papier benannt, wohl auch auf Ihren Wunsch hin, wobei vorgerechnet worden ist, in welchem Umfang Mittel erforderlich sind.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ja, in der Tat, wir haben bei unserem Gesetzentwurf genau diese Zahlen zugrunde gelegt und die Anpassung vom letzten Sommer nicht berücksichtigt. Das ist richtig. Wir haben uns auf die Zahlen des Finanzministeriums gestützt, die seinerzeit gekommen sind.

(Ralf Witzel [FDP]: Das sind falsche Rechnungen!)

– Entschuldigen Sie bitte, ich betrachte ein Finanzministerium nicht als eine parteipolitische Organisation,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

sondern als eine Institution des Staates. Ich würde niemanden in einem Ministerium verdächtigen, Parteipolitik zu machen, sondern ich gehe davon aus, dass er loyal für das Land tätig ist.

Von daher, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das Problem liegt auf der Hand. Die Absolventen kommen jetzt in die Schulen. Denen müssen Sie nun sagen, wie Sie sie behandeln.

Wir haben gesagt: Ja, das geht nicht anders. Wer A sagt, muss auch B sagen. Wir müssen springen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Warum haben Sie es nicht getan?)

– Das habe ich eben gerade erklärt: weil wir die Haushaltsmittel dank Ihrer Haushaltspolitik vorher nicht zur Verfügung hatten. Sie haben jetzt eine Ausgangslage, von der wir nur träumen konnten. Und wenn man es nicht jetzt anpackt, wann denn dann?

(Beifall von der SPD – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Die Leute sind jetzt da. Sie müssen für sie eine Antwort finden. Man könnte natürlich sagen: Wir nehmen nur diejenigen, die diesen neuen Ausbildungsweg gegangen sind; die werden jetzt neu eingestuft. – Dann stellt sich die Frage: Was bewirkt das in unserem System Schule? –  Man würde dann plötzlich die neu Ausgebildeten, die A13er, und die anderen, die zum Teil seit Jahrzehnten ihren Dienst fachlich qualifiziert machen, deren Erfahrung offenbar nicht anerkannt und bewertet wird, unterschiedlich behandeln. Deshalb haben wir gesagt: Nein, wir müssen einen entsprechenden Schnitt machen. Wir brauchen eine Gleichbehandlung.

Stellen Sie sich dem Problem! Gucken Sie noch einmal in die Vorlage vom 30. Mai 2017 und sagen uns bitte schön – das ist das, worauf alle Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen warten –: Wann werden Sie die Besoldungsanpassung endlich vornehmen?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heike Gebhard (SPD): Meine Stimme lässt das leider nicht mehr zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Ganz in Ruhe. Ich wollte es eigentlich als Zwischenfrage gekennzeichnet wissen. Sie wollen keine Zwischenfrage?

Heike Gebhard (SPD): Nein.

Vizepräsident Oliver Keymis: Gut, alles klar. Das nehmen wir zur Kenntnis.

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebhard. – Nun spricht für die AfD-Fraktion Herr Strotebeck.

Herbert Strotebeck (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Alle haben die gleiche Ausbildung. Daraus ergibt sich die vermeintlich berechtigte Forderung nach gleicher Bezahlung. Herangezogen wird das Grundgesetz, der Art. 3 und der Art. 33, also starke Argumente – sicher nicht.

Es ändert nichts an der Tatsache, dass die gleiche Ausbildung als Fakt für die gleiche Entlohnung herhalten muss, aber doch bitte nicht verwechselt und vermischt mit „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, was sicher außer Frage steht und was wir alle für selbstverständlich halten.

Sehen wir doch einfach mal in die freie Wirtschaft! Natürlich sind dort unterschiedliche Entgelte bei gleicher Ausbildung normal, einfach selbstverständlich.

Nicht normal ist die Forderung im Antrag der SPD. Die Arbeit unserer Lehrkräfte ist bei gleicher Ausbildung keineswegs gleich, sondern sehr verschieden. Auch bei Lehrern muss es weiterhin die Möglichkeit der unterschiedlichen Bezahlung geben. Mag die Ausbildung auch gleich sein, die Tätigkeiten sind es aber doch absolut nicht. Wie wollen Sie bei der Gleichmacherei motivieren? Gerade im sensiblen Schulbereich gilt es, sehr behutsam vorzugehen und nicht mit der Gießkanne.

Die Lehrkräfte haben unsere volle Wertschätzung verdient. Denn die Bildung ist die Grundlage unseres Wohlstandes, unser Wissen, unsere Sprache. Dafür brauchen wir natürlich motivierte Lehrer.

Über die Unterschiede aufgrund der Verbeamtung und der Tätigkeit im Angestelltenverhältnis haben wir noch gar nicht gesprochen, ein weiteres überaus brisantes Thema. Wollen Sie zukünftig alle Lehrer verbeamten? Was ist mit den 40.000 bereits tätigen angestellten Lehrern in Nordrhein-Westfalen? Die Verbeamtung kann schon alleine wegen der Altersgrenze von 35 Jahren nicht erfolgen. Oder wollen Sie die einfach aufheben?

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Über die Kosten und über die Finanzierung ist noch nichts gesagt. Aber damit, meine Damen und Herren, werden wir uns ja eingehend im Haushalts- und Finanzausschuss beschäftigen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Strotebeck. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Es ist vorgeschlagen die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/1817 an den Haushalts- und Finanzausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Schule und Bildung. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

4   Erst versprochen, dann vergessen – und jetzt? Landesregierung muss Mittel für Integrationsmaßnahmen schnell und zielgerichtet an Kommunen weiterleiten

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1985

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2048

Die Aussprache ist eröffnet. Ans Pult tritt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir möchten heute beim Thema „Integrationspauschale“ drei Punkte erreichen.

Erstens. Wir wollen, dass die 100 Millionen €, die wir für viel zu wenig halten, sehr schnell und unbürokratisch an die Kommunen weitergeleitet werden.

Zweitens. Wir wollen, dass die Mittel, die im Bereich Integration von Bundesebene an die Länder weitergereicht werden, in den kommenden Jahren erstmalig in einem größeren Umfang als bisher an die Kommunen weitergeleitet werden.

Drittens. Wir wollen – das unterscheidet uns dann offensichtlich fundamental von CDU und FDP –, dass dies ohne Vorbehalte an die Kommunen weitergeleitet wird und dass den Kommunen nicht vorgeschrieben wird, wofür sie es ausgeben – entsprechend der Argumentation, die CDU und FDP selbst aufgebaut haben, dass die pauschal an die Kommunen weitergeleitet werden. Das wollen Sie ja ausdrücklich nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Vielleicht kurz zur Historie, dazu, was gewesen ist: Im September 2016 hat ja die CDU hier im Landtag einen Antrag gestellt, dass 434 Millionen €, also das gesamte Geld, das der Bund bereitgestellt hat, an die Kommunen weitergeleitet werden sollen. Damals sagte der Kollege Optendrenk: Integration findet vor Ort statt. Deswegen muss das gesamte Geld nach vor Ort geschoben werden. – Lieber Herr Löttgen, findet ab heute die Integration nicht mehr vor Ort statt, sondern nur noch auf Landesebene?

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann kam der glorreiche Tag in 2017, die Landtagswahl. Die CDU übernahm zusammen mit der FDP die Macht in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Was war die Folge, Herr Kollege? – Null Cent wurden an die Kommunen überwiesen. Null Cent! Das ist Ihre Bilanz, was die Integrationspauschale in Nordrhein-Westfalen anbetrifft.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen und Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dann kommt das Jahr 2018. Herr Josef Hovenjürgen, dir als Präsident der Duma, des Ruhrbezirks, kann ich nur sagen: Im Jahr 2018 geben CDU und FDP im Landeshaushalt 1,7 Milliarden € weniger – 1,7 Milliarden €! – für die Unterbringung von Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen aus.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

1,7 Milliarden € Spielraum nur aufgrund der zurückgehenden Zuwanderung in Nordrhein-Westfalen! Und Sie haben keinen Spielraum dafür, die Integrationspauschale in die Kommunen weiterzuleiten? – Sie machen sich doch lächerlich mit Ihrer Argumentation.

(Bodo Löttgen [CDU]: Abenteuerlich! Wie viel haben Sie gegeben? – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Zwischenfrage?

Letzte Woche im Ausschuss war Staatssekretär Heinisch anwesend. Ministerin Scharrenbach, die für Kommunales zuständig sein soll, war wieder einmal nicht anwesend und ist auch jetzt nicht anwesend. Der Kollege Heinisch konnte nichts darüber sagen, wie das Geld verteilt werden soll und warum die Konstruktion so ist, wie sie jetzt ist.

Wir lesen heute im Antrag der Koalitionsfraktionen, dass die Landesregierung beauftragt werden muss, einen fertigen Haushaltstitel von 100 Millionen € noch zu verteilen.

Das ist aus zwei Gründen hochinteressant.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Höne?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Jetzt haben Sie schon ein Stück weit weitergeredet. Ich will gerne zu dem Teil zurückkommen, als Sie eben den Kollegen Löttgen gefragt haben, ob er nicht eine offizielle Zwischenfrage stellen möchte. Die lautet wie folgt: Wie viel Euro hat denn die rot-grüne Landesregierung in den Jahren 2016 und 2017 an die Kommunen im Rahmen der Integrationspauschale weitergegeben, und wie viel wollten Sie denn nach der mittelfristigen Finanzplanung im Jahr 2018 an die Kommunen weitergeben?

Könnten Sie vielleicht mal das Delta zwischen Ihren Plänen und dem, was wir gemacht haben, aufzeigen?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ja, Herr Kollege Höne. Ich bedanke mich herzlich für diese Frage, die nicht ganz unerwartet kommt. Im Text Ihres Antrags steht dazu bereits etwas.

Ich kann Ihnen nur sagen: Es waren 2016 Ihre Pläne. Sie haben versprochen, 434 Millionen € an die Kommunen weiterzuleiten, und haben im Jahr 2016, als die Haushaltslage allein in diesem Bereich um 1,7 Milliarden € gespannter war, versprochen, das Geld eins zu eins an die Kommunen weiterzuleiten.

Wir haben Ihren Antrag gelesen und gesagt: Oh, die versprechen ja, das Geld eins zu eins weiterzuleiten.

Ich sage Ihnen – auch guten Gewissens –: Die Lage hat sich verändert. Selbstverständlich muss man bei der Überlegung, was man weiterleiten kann, auch die Haushaltslage berücksichtigen. Selbstverständlich ist es richtig, dass wir heute nicht 100 Millionen € – dazu wäre ich noch gekommen –, sondern 175 Millionen € weiterleiten. Denn das entspricht der Verbundmasse an die Kommunen. Im Jahr 2018 müssen wir das weiterleiten. Dazu stehen wir – eins zu eins –, und das halten wir auch für richtig.

Was ich Ihnen vorgetragen habe, war ja nur Ihre Argumentation, was Sie im Wahlkampf versprochen und nicht eingehalten haben – das haben wir im Antrag ausgeführt – und was Sie auch weiterhin nicht gewillt sind einzuhalten. Das ist die Botschaft, die heute von hier ausgeht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ein zweiter Punkt, Herr Kollege Höne, weil das den Kollegen Hafke betrifft: Der weiß ja schon, was mit dem Geld passiert. Deswegen bin ich ganz interessiert, was gleich der Minister dazu vorträgt. Der weiß schon, dass ungefähr 2 Millionen € nach Wuppertal fließen. Ich habe von der Landesregierung bisher keine Information dazu bekommen, wie der Verteilungsschlüssel aussieht, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Auch Herr Heinisch hat erklärt, er wüsste es nicht und könne nur auf diese Woche verweisen.

Ich kann Ihnen das Zitat von Herrn Hafke aber geben. In „Radio Wuppertal“ hat er gesagt: ungefähr 2 Millionen. – Ich suche es Ihnen heraus.

(Der Abgeordnete blättert in seinen Unterlagen.)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Paul von der FDP?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ja. Aber nur, wenn Sie die Zeit anhalten.

Vizepräsident Oliver Keymis: Die Zeit wird immer angehalten, wenn Fragen gestellt werden. Hier oben wird immer ordentlich gearbeitet. Da gibt es kein Vertun.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Lachen von den GRÜNEN)

Herr Kollege Paul, Sie haben eine Frage. Bitte schön.

Stephen Paul (FDP): Herr Kollege Mostofizadeh, Sie hatten die Frage des Kollegen Höne gehört. Ich möchte Sie fragen: Wann beantworten Sie die Frage des Kollegen Höne?

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Paul, ich habe die Frage beantwortet.

Ich will die Gelegenheit nutzen, um vorzulesen, was Herr Hafke in der „Wuppertaler Rundschau“ geäußert hat:

„‘Wuppertal profitiert von politischem Aufbruch‘ Wuppertal erhält so circa 2 Millionen € für die immens wichtige Integrationspauschale vor Ort …“

Wissen Sie, was Sie machen, ist, die Leute zu täuschen; Sie tricksen und erzählen Dinge, die überhaupt nicht der Wahrheit entsprechen. – Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen. Deshalb haben wir diesen Antrag auf den Tisch gelegt. Wir fordern Sie auf: Schaffen Sie Klarheit! Wann kommt das Geld, und wie schnell kommt das Geld? Sorgen Sie dafür, dass auch das künftige Geld in einem angemessenen Maß an die Kommunen fließt!

(Zuruf von der CDU)

Halten Sie Ihre Wahlversprechen ein! Sonst, liebe Kolleginnen und Kollegen, machen Sie sich nicht nur lächerlich, sondern das ist schon echte Wählerinnen- und Wählertäuschung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Bis zu zwei Zwischenfragen pro Beitrag steht andeutungsweise in § 34 der Geschäftsordnung. Wir sind hier oben echt vorbereitet.

(Heiterkeit von der CDU – Zuruf von der CDU: Erfreulich!)

Das haben wir also auch geklärt. Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Als Nächstes spricht Herr Hoppe-Biermeyer für die CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Für die Jahre 2016 bis 2018 stellte und stellt der Bund den Ländern jährlich 2 Milliarden € als Integrationspauschale zur Verfügung. Für 2016 sind das nach dem Königsteiner Schlüssel 434 Millionen € gewesen. Davon hat die Vorgängerregierung keinen einzigen Euro an die Kommunen weitergegeben,

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

um die Frage zu beantworten.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

2017 dasselbe Spiel: 434 Millionen € erhalten und nichts davon weitergegeben. Die kommunale Familie hat das völlig zu Recht kritisiert – genauso wie wir. Wäre Rot-Grün nicht im Mai abgewählt worden, hätte sich all das 2018 genauso wiederholt.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ihre mittelfristige Finanzplanung sah keine Weiterleitung der Integrationspauschale vor. Solidarität gegenüber den Kommunen ist Ihnen genauso fremd wie eine solide Haushaltsführung.

Zum Glück kam im Mai alles anders. Diese NRW-Koalition misst dem Thema „Integration“ einen deutlich höheren Stellenwert bei: mit einem eigenen Ministerium. Diese NRW-Koalition ist kommunalfreundlich.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Am wichtigsten: Diese NRW-Koalition kann mit Geld umgehen. Jeder Euro wurde zweimal umgedreht, bevor er verplant wurde. Herausgekommen ist für 2018 ein Haushalt mit einer schwarzen Null – der erste seit 1973 –,

(Beifall von der CDU und der FDP)

ein Haushalt, der den Spagat aus Solidarität und Solidität schafft. Für 2018 stehen 100 Millionen € an zusätzlichen Mitteln im Haushalt, mit denen die Kommunen jetzt Integrationsaufgaben erfüllen können. Dieser Betrag entspricht 23 % der 434 Millionen € Bundesmittel, also genau dem Verbundsatz im Gemeindefinanzierungsgesetz.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mostofizadeh?

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Herr Präsident, selbstverständlich arbeitet das Präsidium immer ordnungsgemäß. Das habe ich eben vergessen, noch zu sagen.

Sie haben 1,7 Milliarden € Minderausgaben im Bereich der Geflüchteten. Warum setzen Sie andere Schwerpunkte, als die Integrationspauschale in vollem Umfang umzuleiten? Können Sie mir das sagen?

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Wir haben uns am Verbundsatz orientiert. 434 Millionen € kommen jedes Jahr nach Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von der SPD)

Von diesen 434 Millionen geben wir 23 % weiter. Für mich ist die Rechnung ganz einfach. Das sind 100 Millionen €.

(Beifall von der CDU – Zuruf: Was stört mich mein Geschwätz von gestern! – Vereinzelt Heiterkeit)

Welchen Beitrag liefert denn Ihr Antrag? Das Geld soll jetzt am besten ganz schnell verteilt werden. Der Einfachheit halber soll der Verteilungsschlüssel des Gemeindefinanzierungsgesetzes genommen werden. Einziges Verteilungskriterium wäre dann die Leistungsfähigkeit der Kommunen. Sie halten das für angemessen. Wir halten das für unfair.

Aus unserer Sicht muss der Verteilungsschlüssel auch integrationspolitischen Zielen Rechnung tragen, rechtssicher und einfach in der Umsetzung sein und – ganz wichtig – die unterschiedlichen Belastungen in den Städten und Gemeinden berücksichtigen. Nur so ist eine wirklich faire und gerechte Verteilung der Mittel innerhalb der kommunalen Familie möglich.

Das soll natürlich zeitnah geschehen, aber ohne dabei etwas übers Knie zu brechen. Denn hier geht es um weit mehr als 100 Millionen €. Es geht hier auch um Wertschätzung. Es waren die Kommunen, die für die Bewältigung der Flüchtlingskrise Kräfte mobilisierten, es waren die Kommunen, die hauptamtliche und ehrenamtliche Kräfte immer neu motivierten, und es sind die Kommunen, die jetzt den maßgeblichen Anteil der Integrationsarbeit übernehmen.

Rot-Grün hat unsere Kommunen mit ihren finanziellen Belastungen im Stich gelassen. Wir machen das anders. Auf uns können sich die Kommunen verlassen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP )

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hoppe-Biermeyer. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Stock. Das ist ihre erste Rede. Daher sind wir alle gespannt, und sie selbst ist es natürlich auch. Frau Kollegin Stock, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Ellen Stock (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schauen wir doch einmal ein paar Monate zurück. Im vergangenen Jahr haben wir ungefähr zu dieser Zeit damit begonnen, uns auf den heißen Wahlkampf vorzubereiten. Wahlprogramme wurden entwickelt und ausgearbeitet, Plakate wurden veröffentlicht. Wir von der SPD präsentierten ein solides und zukunftssicheres Regierungsprogramm und warben mit dem bereits Erreichten um das erneute Vertrauen der Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hat nicht geklappt!)

Ganz anders agierten die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP. Mit markigen Sprüchen und großen Versprechungen stießen sie bei den Menschen Ängste und große Emotionen an. Und was sie den Menschen alles versprochen haben: Mehr Bewegung und weniger Stau sollte es in Nordrhein-Westfalen geben. Weniger Einbrüche und mehr Polizei haben sie versprochen, außerdem mehr Lehrer und weniger Unterrichtsausfall.

Ausgerechnet am 1. April 2017 hat die CDU ihr Wahlprogramm für den damaligen Wahlkampf beschlossen. Darin lesen wir auf Seite 98 – ich zitiere –:

„Die durch den Bund dem Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellte Integrationspauschale werden wir künftig zwingend und ohne Umwege oder Kürzungen an die Kommunen weiterleiten.“

(Bodo Löttgen [CDU]: Künftig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun frage ich mich: War denn das alles nur ein Aprilscherz? Nichts, aber auch gar nichts von den vollmundigen Versprechungen hat die Regierung eingehalten.

(Beifall von der SPD )

Im Gegenteil: Ihr gesamtes Handeln ist im Prinzip darauf ausgerichtet, den tagesaktuellen Pressemeldungen hinterherzuregieren oder auf Druck tätig zu werden. Die Integrationspauschale ist hierfür ein gutes Beispiel. Es ist doch bezeichnend, dass mir die Landesregierung bereits kurz nach der Wahl keine Antwort mehr auf meine Kleine Anfrage geben wollte, sondern sich mit Formalitäten herausredete. Das spricht nicht gerade für Treue zum Wahlprogramm.

Erst nachdem sie sich den großen Protesten nicht mehr verschließen konnte, reagierte die Landesregierung Anfang dieses Jahres und versprach, 100 Millionen € den Kommunen bereitzustellen. Das widerspricht dem eigenen Wahlversprechen; denn es ist immer noch nicht der gesamte Betrag von 434 Millionen €. Aus den versprochenen 100 % wurden kurzerhand 23 %, also weniger als ein Viertel. Die Frage ist also: Wieso kommt die schwarz-gelbe Landesregierung der Forderung nicht in vollem Maße nach?

Darüber hinaus ist von einem Konzept oder einem durchdachten Plan nichts zu erkennen. Denn wie soll das Geld verteilt werden? Wer bekommt wie viel? Und worauf können sich die Kommunen verlassen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Papier ist bekanntlich geduldig, und so erhalten wir auch aus dem Entschließungsantrag, den CDU und FDP jetzt noch dazu eingebracht haben, keine zufriedenstellenden Antworten auf diese Fragen.

Ganz im Gegenteil: Es stellen sich immer neue Fragen. Was bedeutet denn – ich zitiere –, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zur Ausschüttung der 100 Millionen € an die kommunale Familie mit der gebotenen Sorgfalt im Interesse der Menschen in Nordrhein-Westfalen umzusetzen?

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Wahnsinn! So einen Satz muss man erst mal hinbekommen!)

Und vor allen Dingen: Wann soll diese Ausschüttung erfolgen?

Dieses Hin und Her bei der Integrationspauschale passt ins Bild. „Versprochen – gebrochen“, kann ich dazu nur sagen.

(Beifall von der SPD )

CDU und FDP lassen die Menschen und Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Regen stehen, und dabei sind es doch gerade die Kommunen, die die wichtige Integrationsarbeit vor Ort leisten und mit großen Kosten zu kämpfen haben. Sie alle leiden unter der Konzeptlosigkeit der Landesregierung.

(Beifall von der SPD)

Deshalb hier mein Appell an die Regierung: Sie wollten die Verantwortung. Jetzt haben Sie sie. Also, verhalten Sie sich bitte auch dementsprechend, und fangen Sie endlich damit an, Ihre Wahlversprechen einzulösen.

Wir unterstützen den Antrag der Grünen und stimmen diesem zu. Den Entschließungsantrag der CDU lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Stock, und herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede im Hohen Hause! – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Höne. Bitte schön.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass Kollege Hoppe-Biermeyer meine soeben an den Kollegen Mostofizadeh gestellte Frage beantwortet hat. Man könnte ergänzend anmerken, dass es ganz spannende Argumentationen gibt, von denen Rote und Grüne offensichtlich nichts mehr wissen wollen. Ich empfehle, hierzu das Plenarprotokoll 16/130 aus der letzten Legislaturperiode nachzulesen; das nur für die Feinschmecker unter uns.

Die NRW-Koalition hat bei erster Gelegenheit reagiert, als haushaltspolitische Spielräume bestanden, und jetzt geben wir 100 Millionen € an die Kommunen für die wichtige Aufgabe der zu leistenden Integration weiter. Das sind, um das noch einmal deutlich zu unterstreichen, Herr Mostofizadeh, 100 Millionen € mehr, als das unter Rot-Grün jemals angedacht oder geplant war.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Diese 100 Millionen € – auch das ist eben schon angesprochen worden – entsprechen im Vergleich zu dem, was wir vom Bund bekommen, anteilig dem Verbundsatz, den wir auch im GFG ansetzen. Insofern ist das nicht so ganz verkehrt, weil – auch hier kann ich noch mal auf das alte Plenarprotokoll verweisen; Herr Kollege Hübner hat dazu übrigens ausgeführt – mit Blick auf Integration und Zuwanderung nicht nur die Kommunen zusätzliche Kosten zu tragen haben, sondern auch das Land. Dies geschieht unter der Voraussetzung, dass weder Kommunen noch Land das Zepter wirklich in der Hand haben, sondern auf den Bund angewiesen sind.

Darum ist es inhaltlich und sachlich richtig, dass eine entsprechende Aufteilung erfolgt. Die kommunalen Spitzenverbände haben das auch begrüßt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mostofizadeh?

Henning Höne (FDP): Bitte. Aber gerne doch.

Vizepräsident Oliver Keymis: Sehr freundlich von Ihnen. – Bitte schön, Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Höne, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Die Minderausgaben im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen – ich habe so eine Ahnung, dass das den Fraktionen womöglich entgangen ist – betragen 1,7 Milliarden €. Ich kann Ihnen gerne die Haushaltsstellen nennen und es für Sie zusammenrechnen, falls Ihnen das nicht bekannt ist.

Glauben Sie nicht, dass diese 1,7 Milliarden € Ihnen den Spielraum bieten, zumindest der Forderung der kommunalen Spitzenverbände nachzukommen, nämlich die 760 Millionen € mit einem Verbundsatz für den Verbundzeitraum zu belegen – das wären 175 Millionen € – und weiterzuleiten und dies auch dauerhaft zu tun? Warum tun Sie das nicht? Was machen Sie mit dem Rest des Geldes?

Henning Höne (FDP): Herr Mostofizadeh, um Ihre Frage zu beantworten, was wir mit dem Rest des Geldes machen, müsste ich eine ganze Reihe von Haushaltsstellen aufführen. Dabei sind die Haushaltsberatungen doch noch gar nicht so lange her.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Wir entlasten die Kommunen mit diesem Geld. Sie müssten eigentlich wissen, dass eine Eins-zu-eins-Verrechnung und eine Gegenrechnung an dieser Stelle angesichts eines solch umfangreichen Haushalts sachlich nicht unbedingt geboten sind.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Abschaffung des Kommunalsoli, Abschmelzung des Vorwegabzugs, eine deutliche Unterstützung für die Kommunen, eine Anhebung der Pauschalen für die Kommunen,

(Beifall von der FDP und der CDU)

neue Polizisten – all das hat die Kollegin von der SPD gerade angesprochen. Es gibt viele weitere Punkte, die wir ansprechen könnten.

Da wir gerade über diesen Bereich reden, könnte ich noch einen anderen Punkt aufmachen, der mit einer großen finanziellen Kraftanstrengung verbunden war. Wir mussten eine halbe Milliarde Euro ausgeben, um die Kitas zu retten, denen die Schließung drohte.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das war davor! Das war davor!)

Das war das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Also fragen Sie mich vor diesem Hintergrund doch nicht so komisch, was wir mit dem Geld machen. Sie wissen doch genau, wie viele Baustellen Sie uns hinterlassen haben, und an wie vielen Baustellen wir während der ersten sieben Monate unserer Regierung schon reparieren mussten – und zwar dringend –, weil Sie dort versagt haben.

Meine Damen und Herren – ich bleibe noch bei Herrn Mostofizadeh –, die Kritik, die Sie hier geäußert haben, geht nicht nur ins Leere, sondern es hätte auch Ihren Antrag nicht gebraucht, weil ohnehin an der Umsetzung gearbeitet wird, und zwar seit dem entsprechenden Haushaltsbeschluss.

Umso mehr lohnt es sich aber, sich noch einmal den Inhalt Ihrer Forderungen sowie Ihren Vorschlag, wie das Geld an die Kommunen weiter zu verteilen ist, anzuschauen. Darauf sind Sie, Herr Mostofizadeh, in Ihrer Rede, wenn überhaupt, nur in den letzten anderthalb Sekunden eingegangen. Ich kann auch verstehen, warum: Was Sie hier fordern, ist nämlich inhaltlich absurd und peinlich.

Sie wollen, dass die Integrationsgelder nach dem Verteilschlüssel des Gemeindefinanzierungsgesetzes weitergeleitet werden. Freundlich formuliert ist das völlig sachfremd. Das Geld – und darum heißt es „Integrationspauschale“ – soll doch für die Integrationsarbeit verwendet werden, die – das ist eben schon gesagt worden – vor Ort stattfindet. Jetzt könnte man sich noch einmal anschauen, was denn eigentlich alles in einen Verteilschlüssel nach Gemeindefinanzierungsgesetz einfließt: Demografie-faktor, Einwohnerzahl, Soziallastenansatz, Zentralitätsansatz und Flächenansatz.

Für die Feinschmecker unter uns – ich habe es gerade schon angesprochen – könnte man sich im GFG informieren, Herr Mostofizadeh, wie der Flächenansatz … Der Kollege scheint an dem Thema gar nicht so interessiert zu sein.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was soll das denn jetzt? – Gegenruf von Bodo Löttgen [CDU]: Er redet mit Ihnen!)

– Herr Mostofizadeh, es ist schließlich Ihr Antrag. Sie wollten das doch direkt abstimmen lassen. Oder sollen wir Ihren Antrag einfach ohne Debatte ablehnen, weil er inhaltlich Quatsch ist? – Weiß er nicht. Es ist Ihre Debatte und Ihr Antrag, und Sie folgen der Debatte leider gar nicht. Das ist schade, weil ich Sie gerade fragen wollte, was der Flächenansatz im GFG mit der Frage zu tun hat, was die Kommunen integrationspolitisch zu leisten haben

(Beifall von der FDP und der CDU)

oder was der Zentralitätsansatz damit zu tun hat.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Eine kurze Geschichte der Dinge!)

Das alles hat nichts mit Flüchtlingen zu tun, und es hat auch nichts mit der vor Ort zu leistenden Integrationsarbeit zu tun. Darum ist es sachfremd, einen solchen Schlüssel anzuwenden. Vielmehr müssen wir das für die 100 Millionen € im Rahmen eines Ausführungsgesetzes diskutieren.

Frau Kollegin Stock stellte gerade die Frage, warum man dafür ein neues Gesetz braucht. – Das ist relativ einfach zu beantworten: weil wir nicht einfach so freihändig das Geld anderer Leute – sprich: Steuergeld – verteilen können und weil das auf eine saubere rechtliche Grundlage gestellt werden muss.

Wichtig ist: Bei dieser Grundlage muss gelten, dass die Integrationsmittel den Menschen folgen, die wir integrieren möchten und die zu integrieren sind. Das Geld muss den Köpfen folgen und nicht irgendwelchen Ansätzen,

(Beifall von der FDP und der CDU)

die im GFG zwar richtig sind, aber mit der Integrationsarbeit überhaupt nichts zu tun haben. Darum ist Ihr Antrag inhaltlich falsch. Ihre Kritik im Vorfeld führt ins Leere und sagt viel mehr über Ihr eigenes Versagen aus, als Ihnen eigentlich lieb ist. Wir lehnen diesen Antrag darum ab.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Höne. – Für die AfD-Fraktion spricht nun Herr Beckamp.

Roger Beckamp (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Integrationspauschale geht es um Geld, und wenn es irgendwie um Integration geht oder um irgendwas, was Integration genannt wird, ist immer reichlich Geld da.

Zunächst mal ist jedoch das Meinungswirrwarr der Altparteien bemerkenswert. Sie hatten sich schon ein bisschen darüber ausgetauscht, dass die CDU, als sie in der Opposition war, dafür war, das ganze Geld, also die 434 Millionen €, weiterzuleiten, während die damalige rot-grüne Regierung sagte: Nein, gar nichts weiterleiten. – Auf einmal – kurze Rollenverteilung – ist es genau andersrum. Jetzt will die Regierung  aus CDU und FDP nichts weiterleiten, wohingegen SPD und Grüne nach einer vollen Weiterleitung rufen.

In der Sache hat sich nichts geändert, und dennoch äußern Sie sich diametral entgegengesetzt. Insofern ist wirklich zu hinterfragen, worum es Ihnen dabei geht. Aber das ist eigentlich nur eine Randnotiz, denn im Kern geht es bei der Sache darum, dass Sie einmal fragen sollten: Für wen ist das Geld denn eigentlich da? Warum soll es denn gezahlt werden?

Die Grünen schreiben es ganz wunderbar in ihrem Antrag. Sie schreiben: ganz vorrangig für Geduldete – warum auch immer das am Anfang so prägend war; es ist ja auch für viele andere Menschen da –, insbesondere für Geduldete. – Da sollten wir uns einmal die Frage stellen: Warum leiten wir Geld an Kommunen weiter, die nicht dafür sorgen, dass Leute ausreisen, die ausreisepflichtig sind? Wir haben in diesem Land 124.000 Menschen, die ausreisepflichtig sind. Dafür, dass sie wirklich ausreisen, wird nicht Sorge getragen. Das ist nicht Ihr Anliegen. Ihnen geht es nur wahllos um irgendetwas mit Integration und „Refugees welcome!“ Das ist ein Skandal.

Gleichzeitig – und dies wurde letzte Woche sehr, sehr deutlich – wird immer klarer: Diese vielen Menschen, die zu uns kommen und die Sie integrieren wollen – anscheinend dauerhaft, warum auch immer, und dies, obwohl Fluchtgründe wegfallen –, und Ihre Politik sorgen dafür, dass die eigene Bevölkerung verdrängt wird. Das ist empörend.

Darüber empört sich aber niemand von Ihnen, Herr Stamp. Sie fallen der Essener Tafel sogar in den Rücken. Herr Laschet sagt dazu gar nichts. Eine Tafel-Pauschale – das wäre ein Bild! Das wäre eine Maßnahme, in die Geld fließen könnte, wie auch in Wohnungen für Bedürftige – sie trifft es doch zuerst.

Insofern können wir weder dem Entschließungsantrag noch dem Ursprungsantrag der Grünen zustimmen. Das ist Geld, das in die falsche Richtung fließt. Wieder mehr Geld bedeutet in dem Fall weniger Abschiebungen. Eine Tafel-Pauschale wäre das richtige Bild. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Beckamp. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dem Thema „Tafel“ eine Anmerkung machen.

Ich habe zu diesem Thema genau den Satz wiederholt, den die Bundes-Tafel zur Essener Tafel gesagt hat: entscheidend muss die Bedürftigkeit sein, und nicht die Herkunft. Was dann andere im Netz daraus machen – zum Teil mit hasserfüllten Kommentaren; ich habe da einiges in den sozialen Medien lesen müssen –, ist deren Interpretation. Das lasse ich hier so stehen. Ich kann nur an unsere Gesellschaft appellieren, dass wir uns nicht über deutsch oder nichtdeutsch definieren, sondern über anständig oder unanständig.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Und wer sich an einer Tafel nicht anständig benimmt, der gehört dauerhaft davon ausgeschlossen, und da ist es auch völlig egal, ob er einen Fluchthintergrund hat oder nicht. Wer sich nicht benimmt, hat an einer Tafel nichts verloren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich werde übrigens – das kann ich an dieser Stelle ankündigen – am Samstag um 12.30 Uhr in Essen vor Ort sein und mit den Beteiligten in aller Ruhe und Sachlichkeit über die Situation sprechen.

Herr Mostofizadeh, ich war schon erstaunt, dass ausgerechnet Sie sich zu Wort melden und die Weiterleitung der Integrationspauschalen an die Kommunen für sich entdecken; denn als Sie in der Regierungsverantwortung waren, war davon keine Rede. Sie waren zu dem Zeitpunkt haushaltspolitischer Sprecher oder sogar Fraktionsvorsitzender und damit kein unwesentlicher Faktor der die rot-grüne Landesregierung unterstützenden Mehrheit.

Laut „Rheinischer Post“ vom 19. November 2016 sagte Ihre Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, das Land sei zwar mit den Kommunen solidarisch und statte sie finanziell gut aus, die Integrationspauschale des Bundes sei aber für die Länder bestimmt, und deshalb solle das Geld in der Landeskasse bleiben.

Der Finanzminister der von Ihnen getragenen Landesregierung sagte am 24. November 2016 anlässlich der Beratungen des Haushalts 2017 im Finanzausschuss – ich zitiere –: Dieser Beschluss sagt, dass zur Entlastung der Länder vom Bund Mittel zur Verfügung gestellt werden unter dem Titel einer Integrationspauschale.

In dieser Runde bestand kein Zweifel, dass es sich im zweiten Teil um eine Bundesunterstützung für die Ausgaben der Länder handelt. In Regierungsverantwortung war Ihre Position also eindeutig: Die Integrationspauschale des Bundes steht allein dem Land und nicht den Kommunen zu. Und so haben Sie auch gehandelt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben das Gegenteil behauptet!)

Sie haben die Frage vorhin nicht beantwortet; deswegen sage ich es hier noch einmal: Sie haben 2016 keinen Cent der Integrationspauschale an die Kommunen weitergeleitet. Sie haben 2017 keinen Cent der Integrationspauschale an die Kommunen weitergeleitet. Auch 2018 hatten Sie nicht vor, einen einzigen Cent an die Kommunen weiterzuleiten. Das ist die Wahrheit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Begründung, Herr Mostofizadeh, war ja nicht, dass Sie kein Geld hatten; denn dann hätten Sie ja auf Ihre desolate Haushaltsführung hinweisen müssen – nein, die Begründung war, dass den Kommunen das Geld nicht zustünde.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Das war Ihre Begründung, und hilfsweise haben Sie noch darauf verwiesen, dass das Land an anderer Stelle umfangreiche Flüchtlingskosten erstatte – Gelder, die diese Landesregierung ebenfalls zur Verfügung stellt. Kaum jedoch in der Opposition, drehen Sie das Ganze um, und es gibt nichts Wichtigeres als die Weiterleitung der Integrationspauschale. Ich finde es interessant, dass Sie dazu heute auch noch eine Mündliche Anfrage stellen. Ich halte es durchaus für angemessen, das hier zu verhandeln.

Kaum stellen wir als Nordrhein-Westfalen-Koalition im ersten von uns verantworteten Haushalt 100 Millionen € für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung – übrigens in einem Haushalt ohne neue Schulden –, kann Ihnen die Verteilung auf die Kommunen nicht schnell genug gehen. Das, werte Kollegen der Grünen, ist einfach unglaubwürdig.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Sie scheinen Ihre Wahlkampfreden nicht zu kennen!)

Herr Präsident, ich werde meine Redezeit minimal überziehen; ich habe jedoch zu Beginn zu den Vorwürfen der AfD Stellung genommen. Ich bitte Sie, mir nachzusehen, wenn ich eine knappe Minute überziehe.

Es ist richtig, dass CDU und FDP in der vergangenen Legislaturperiode die Weiterleitung der Integrationspauschale gefordert haben – die CDU die vollständige Weiterleitung, die FDP die Weiterleitung eines wesentlichen Teils dieser Pauschale. Genau dieses Versprechen halten wir nun.

Bereits 2018 – in dem Jahr, für das Sie die Integrationspauschale schon vollständig anderweitig verplant und für die Kommunen null Euro vorgesehen hatten – erhalten die Kommunen 100 Millionen € für Integrationsmaßnahmen. Die Integration findet vor Ort in den Städten und in den Gemeinden unseres Landes statt. Die Kommunen haben es verdient, dass sie vom Land endlich die notwendige finanzielle Unterstützung für diese wichtige Integrationsarbeit erhalten. Genau das werden wir tun.

Die Weiterleitung der Gelder geht aber nicht so hopplahopp, wie Herr Mostofizadeh sich das vorstellt. Wir brauchen dafür eine vernünftige gesetzliche Grundlage, die einer solchen Integrationspauschale gerecht wird. Mein Haus arbeitet in enger Abstimmung mit dem Haus von Frau Scharrenbach an einer gemeinsamen Vorlage dazu. Wir werden auch nicht mit der Gießkanne über das Land ziehen und das Geld irgendwo über den Kommunen ausschütten.

Die Gelder für Integration sollen auch für Integration eingesetzt werden. Sie sind nicht dafür da, um zum Beispiel Haushaltslöcher zu stopfen. Der Verteilungsschlüssel soll sich am tatsächlichen Bedarf in den Kommunen orientieren. Er soll rechtssicher und einfach in seiner Umsetzung sein, unterschiedliche Belastungen vor Ort berücksichtigen und den integrationspolitischen Zielen Rechnung tragen. Es muss eine faire Verteilung der Mittel innerhalb der kommunalen Familie ermöglicht werden.

Das brechen wir nicht übers Knie, sondern wir werden eine vernünftige und sorgfältig durchdachte Lösung dazu vorlegen. Nach meiner Planung – weil Sie danach gefragt haben; darauf haben Sie zu Recht einen Anspruch – wird diese Lösung noch vor der Sommerpause in Kraft treten.

Wir werden zudem nicht nachlassen, vom Bund eine weitere Entlastung unserer Kommunen bei der Integration von Flüchtlingen einzufordern. Wir haben das bereits auf verschiedenen Ebenen und in einigen Sondierungsverhandlungen gemacht. Wir werden dafür sorgen, dass unsere Kommunen eine faire finanzielle Unterstützung bei ihrer Arbeit erhalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Für die grüne Fraktion hat sich noch einmal Herr Mostofizadeh zu Wort gemeldet.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte war ausgesprochen aufschlussreich.

Erstens stelle ich fest: Sie von FDP und CDU gehen nicht davon aus, dass die Kommunen für die Kosten von Integrationsmaßnahmen einen Ausgleich erhalten müssen, ansonsten könnten Sie ja unserem Antrag folgen, die 100 Millionen € ins GFG zu packen und die bereits erfolgten Integrationsmaßnahmen zu substituieren. Das haben Sie 2016 so vorgeschlagen Sie sind der Auffassung, dass Sie den Kommunen vorgeben müssen, wo es langgeht, und Sie als Landesregierung sind nicht bereit, den Kommunen das Geld zu erstatten.

Zweite Bemerkung. Obwohl Sie es vor anderthalb Jahren beantragt haben, wissen Sie bis heute nicht, wie Sie das Geld verteilen wollen und für welche Maßnahmen es verwendet werden soll. Deswegen haben Sie vor zwei Jahren letztlich ein Scheingefecht geführt. Sie haben etwas in Ihr Wahlprogramm geschrieben, von dem Sie damals schon wussten, dass Sie es nicht einhalten werden. Was hier abgelaufen ist, ist nichts anderes als eine Täuschung der Wählerinnen und Wähler.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Darum ging es heute. Das ist sehr klar von Ihnen auf den Tisch gelegt worden. Vielen Dank für die Offenheit, die Sie an den Tag gelegt haben. Ehrlich gesagt: So gehen wir normalerweise nicht miteinander um.

Dass Sie, Herr Minister Stamp, heute hier geredet haben, ist in Ordnung; dass aber bei dieser Variante nicht die Kommunalministerin die Kommunen gegen das Land verteidigt hat, finde ich schon ein starkes Stück.

(Zurufe von der CDU)

Das ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus! – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung, und zwar erstens über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1985. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt.

Wer stimmt dem Inhalt des Antrags zu? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU-, FDP- und die AfD-Fraktion stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen sind nicht zu sehen. Damit ist der Antrag Drucksache 17/1985 mit breiter Mehrheit im Hohen Haus abgelehnt.

Zweitens stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/2048. Wer stimmt dieser Entschließung zu? – CDU und FDP stimmen zu. Wer stimmt gegen diese Entschließung? – SPD und Grüne sowie die AfD stimmen gegen die Entschließung. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es nicht. Gleichwohl ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/2048 mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen.

Ich rufe auf:

5   Unterrichtsniveau sichern: Sprachliche Mindestvoraussetzungen schaffen und Anteil von Migranten in Schulklassen begrenzen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/1995

Die Aussprache ist eröffnet. Ans Pult tritt Herr Seifen für die AfD-Fraktion.

(Unruhe – Glocke)

Helmut Seifen (AfD): Vielen Dank! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, den die AfD-Fraktion vorlegt, soll in entscheidender Weise dazu beitragen, endlich die Misere im deutschen Bildungswesen zu bekämpfen, indem wir den uns anvertrauten Kindern eine taugliche, menschenfreundliche sowie effiziente Lernumgebung anbieten.

Insofern stellt dieser Antrag eine wirklichkeitstaugliche Alternative zu dem populistischen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Besoldungsanpassung dar. Denn während diese ungerührt die Misere in den Schulen weiterführen will, indem sie nichts an den dortigen Zuständen ändern, sondern die Lehrkräfte mit einem Almosen abspeisen will, kann die Maßnahme, die in diesem Antrag vorgeschlagen wird, zur entscheidenden Verbesserung der schulischen Situation führen – einer Verbesserung, von der alle Beteiligten profitieren:

(Beifall von der AfD)

die Lehrkräfte in gleicher Weise wie die betroffenen Schülerinnen und Schüler.

Ausgangspunkt für alle Maßnahmen muss eine objektive und schonungslose Bestandsaufnahme der Zustände sein, für die man verantwortlich ist. Da lohnt ein Blick in die letzte IGLU-Studie aus dem Jahre 2016, die im Dezember 2017 vorgestellt worden ist. Die Befunde dort sind erschreckend und sollten verantwortlichen Politikern den Schlaf rauben.

Die Zahl der Grundschüler mit starken Leseschwächen nahm von 2001 bis 2016 um 2 % zu, von 16,9 % auf 18,9 %. 2006 und 2011 gab es deutlich weniger Kinder mit schlechten Ergebnissen.

Mit anderen Worten: Fast jeder fünfte Schüler im Alter von rund zehn Jahren erreicht derzeit nur eine der beiden unteren Kompetenzstufen auf einer insgesamt fünfstufigen Skala. Es ist davon auszugehen – Zitat – „dass diese Schülergruppe mit erheblichen Schwierigkeiten beim Lernen in allen Fächern in der Sekundarstufe I konfrontiert sein wird.“ So schreiben die Studienmacher.

Andere Länder haben aufgeholt und damit Deutschland überholt, sodass Deutschland im internationalen Vergleich nicht mehr im oberen Drittel landet, sondern eher im guten Mittelfeld. 2001 gab es nur vier Länder, die signifikant besser abgeschnitten haben; 2016 waren es 20 Länder. Signifikant bessere Leistungen weisen auf: Irland, Finnland, Polen, Lettland, Schweden, Bulgarien, Litauen, Italien, Dänemark, die Niederlande und außerhalb Europas die Vereinigten Staaten von Amerika. Spitzenreiter sind die Russische Föderation und Singapur.

Sehr bedenklich ist die Tatsache, dass die Leistungsstreuung zugenommen hat; das heißt: Die Differenz zwischen den leistungsschwächsten und den leistungsstärksten Kindern beträgt mittlerweile 257 Punkte – das ist das große Problem – und ist EU-weit nur in Malta bedeutsam größer.

Mit diesem Befund allerdings – das sagen auch die Personen, die die Studie vorstellen; allerdings sagen sie es sehr verdeckt – korreliert die Angabe des Statistischen Bundesamtes über den Anteil von ausländischen Schülern an deutschen Schulen. Seit Jahren steigt dieser Anteil ständig an. Nach letzten Erhebungen im Jahr 2016 lag der Durchschnitt bundesweit bei 9,2 %, in Ballungsgebieten natürlich deutlich höher.

So wies eine erste Klasse an einer Grundschule in Bergkamen einen Migrantenanteil von 97 % auf. In Städten wie Duisburg verzeichnen die amtlichen Schuldaten von 2017/2018 alleine 13 Grundschulen mit einem Migrationsanteil von 90 % bis 100 %.

Nicht alle diese Migranten bringen die notwendigen sprachlichen und schulischen Voraussetzungen mit, um den Lernerfolg zu erzielen. Schon im Jahr 2000 wiesen die Verfasser der PISA-Studie darauf hin, dass ein Ausländeranteil von mehr als 20 % in einer Klasse in der Regel zu einer sprunghaften Verringerung des Leistungsniveaus führt. Diese Beobachtung wurde seitdem durch zahlreiche nationale und internationale Vergleichsstudien immer wieder belegt.

Bei einer zu großen Heterogenität von Lerngruppen beschreiten andere Länder andere Wege. Diese sollten auch wir beschreiten, weil sie pädagogisch und didaktisch sinnvoll und effizient sind. Sowohl in den nordischen Staaten als auch in Österreich setzt man Kinder mit zu geringen Sprachkenntnissen in eigenen Lerngruppen zusammen, damit sie dort die Landessprache intensiv lernen und in den anderen Fächern die einzelnen Sachverhalte auf einem sprachlichen Niveau erfassen und reflektieren können, das ihnen eine sinnerschließende Begegnung mit den verschiedenen Wissensinhalten ermöglicht.

Dies ist den Kindern mit einem zu geringen sprachlichen Vermögen nicht so ohne Weiteres möglich. Sie bleiben in der eigenen Lerngruppe, deren Niveau sie nicht erreichen können, häufig ausgegrenzt. Andererseits erleben die leistungsstarken Schüler nicht die Leistungsanreize, die sie in einer durchweg leistungsstarken Lerngemeinschaft vorfinden.

Die Bildung von Lerngruppen gemäß sprachlicher Kompetenz wird allen Beteiligten mehr Lernfreude bereiten und den Lernerfolg signifikant verbessern. Ich kann Sie nur ermutigen: Stimmen Sie diesem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Seifen. – Für die CDU-Fraktion hat das Wort nun Frau Vogt.

Petra Vogt (CDU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag hat mich zugegebenermaßen überrascht. Da in dem Antrag meine Heimatstadt Duisburg erwähnt wird, möchte ich das gerne auch anhand dieser Stadt erläutern.

Ja, der Duisburger Schulausschuss hat sich sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, wie man Kinder mit Sprachdefiziten möglichst gleichmäßig auf das gesamte Stadtgebiet verteilen kann. Allerdings hat er sich damit bereits vor 20 Jahren beschäftigt. Wir haben alle möglichen Modelle durchgespielt, zum Beispiel das Bussing-Modell aus den USA, und haben überlegt: Wie können wir es erreichen, dass die Kinder mit einem Sprachdefizit nicht geballt an nur einigen Standorten zur Schule gehen, sondern möglichst auf die Stadt verteilt?

In der Realität gibt es allerdings große Schwierigkeiten. Wir reden normalerweise über Grundschüler, die zwingend die Verankerung ihrer Schule im sozialen Raum benötigen. Das heißt, man kann sie nicht einfach kilometerweit durch die Gegend fahren, um sie irgendwo an einer anderen Grundschule unterzubringen, sondern man muss darauf achten, wie diese Kinder vor Ort eingebunden sind, und was man ihnen überhaupt an Schulweg zumuten kann.

Bei einer Stadt wie Duisburg, die an Rhein und Ruhr liegt, ist das ausgesprochen kompliziert, weil in Duisburg viele Brücken zu überqueren sind, die häufig staubelastet sind. Schon alleine aus diesem Grund wäre es quasi unmöglich, täglich viele Schüler aus dem Duisburger Norden in den Duisburger Süden zu transportieren, auch wenn es sich nur um wenige Kilometer handelt. Ganz davon abgesehen muss man sich die Frage stellen: Wie kann denn ein solcher Transport überhaupt organisiert werden?

Deshalb haben wir diese Modelle verworfen und uns für eine andere Variante entschieden, die ich auch nach 20 Jahren immer noch für absolut richtig halte. Wir sind nicht daran interessiert, die Kinder nach Herkunft zu sortieren, sondern wir wollen schauen, welche Kinder ein Sprachdefizit haben und wo wir entsprechend fördern müssen.

Daher haben wir Sprachtests bei den Kindern bereits im Vorschulalter durchgeführt. Es wird den einen oder anderen vielleicht erstaunen: Nicht nur die Kinder mit Migrationshintergrund, sondern auch sehr viele deutsche Kinder haben ein deutliches Sprachdefizit aufgewiesen.

(Helmut Seifen [AfD]: Das ist richtig! Allerdings!)

Wir haben als Stadt Duisburg – das kenne ich auch von vielen anderen Kommunen mit ähnlichen Problemstellungen – eine Deutschförderung im Vorschulalter eingeführt, um die Kinder in die Lage zu versetzen, dem Unterricht auf Deutsch zu folgen, wenn sie in die Schule kommen.

(Beifall von der CDU)

Das ist sicher ein besserer Weg, als zu fragen, wo ein Kind herkommt. Das verstehen wir unter Chancengerechtigkeit.

Inzwischen sind wir viele Jahre weiter. Ich kann Ihnen sagen, dass sich in meiner Heimatstadt die Situation mittlerweile völlig anders darstellt.

Wir fahren die Kinder heute tatsächlich durch das Stadtgebiet. Warum? Wir haben einen derartigen Andrang auf unsere Schulen, dass wir in bestimmten Stadtteilen gar nicht mehr in der Lage sind, diese Kinder – trotz Containerlösung und aller anderen Möglichkeiten – überhaupt noch vor Ort zu beschulen. Wir fahren sie aber nicht von Süd nach Nord, weil das aus den Gründen, die ich eben dargelegt habe, gar nicht möglich ist, sondern wir bringen sie in benachbarte Stadtteile, wo eben noch Platz ist, um tatsächlich ein Schulangebot zu bekommen.

Ich kann Ihnen das auch in Zahlen darlegen. Wir haben zehn Buslinien für ca. jeweils 16 Kinder. Die Kosten pro Buslinie liegen bei rund 30.000 € im Jahr. Wenn Sie sich vorstellen, dass das, was die Zahl der Kinder angeht, wirklich noch eine sehr überschaubare Zahl ist, dann wage ich schon die Frage: Wie soll so etwas in einem größeren Rahmen überhaupt möglich sein?

Das viel schwierigere Problem in meiner Stadt ist momentan, dass wir immer noch 350 Kindern gar keinen Schulplatz anbieten können. Das ist das Thema, mit dem wir uns zurzeit beschäftigen. Es geht nicht mehr um irgendwelche Quoten, sondern die Frage ist: Haben wir überhaupt noch Möglichkeiten, Kinder bei uns vor Ort zu beschulen? Das ist in ein riesiges Problem in unserer Stadt, und wir arbeiten daran, es zu lösen.

Das liegt nicht – das möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen – an der Flüchtlingswelle, die wir hatten, sondern das liegt im Wesentlichen an der Zuwanderung aus Südosteuropa, die es in meiner Stadt gibt. Das hat mit der Flüchtlingsproblematik ausgesprochen wenig zu tun.

Abschließend Folgendes: Schauen Sie sich die Zahlen an. Wenn man sieht, wie wir in Nordrhein-Westfalen aufgestellt sind, dann muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Sie fordern in Ihrem Antrag eine Höchstquote von 20 %. Sehen Sie sich an, wie viele Grundschulen es gibt und wie hoch der Anteil von Kindern mit Migrationsgeschichte jeweils ist. Dann können Sie überlegen, rein rechnerisch, wie Sie auf die 20 % kommen wollen, von allen technischen Fragen einmal abgesehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist so überhaupt nicht möglich. Daher werden wir dem Antrag natürlich nicht zustimmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Vogt. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Ott.

Jochen Ott (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

(Helmut Seifen [AfD]: Richtig!)

So lautet Art. 3 unseres Grundgesetzes. Abgesehen davon, dass der Antrag der AfD inhaltlich an vielen Stellen falsch und schlecht recherchiert ist, sind die Forderungen auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

(Beifall von der SPD – Christian Loose [AfD]: Nennen Sie mal Beispiele für die schlechte Recherche!)

– Dafür muss man am Schluss des Antrags anfangen. Sie fordern die Landesregierung auf, einen Höchstanteil von 20 % von Nichtmuttersprachlern pro Klasse festzulegen. Diese Forderung verstößt klar gegen das Grundgesetz.

Die Schlussfolgerung kommt aber sicherlich daher, dass Sie Begriffe wie „Ausländer“ und „Migranten“ in dem gesamten Antrag durcheinanderwerfen und eigentlich auch gar nicht wissen, wovon Sie gerade sprechen. Entweder wissen Sie nicht, oder Sie wollen nicht wissen, wie man „Muttersprachler“ oder „Migrationshintergrund“ definiert.

Die Hälfte der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Viele von ihnen haben als Kinder nicht als erste Sprache Deutsch gelernt. Damit sind sie keine Muttersprachler, aber trotzdem sprechen sie Deutsch, sie arbeiten und leben in Deutschland.

Diesen Fehler kann man der AfD natürlich verzeihen, weil er ja zeigt, wie sehr Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte in unser tägliches Leben gehören. Man kann schon mal vergessen, welche Person welchen Hintergrund hat und wie sie zu uns gekommen ist, weil es schlicht und ergreifend egal ist.

(Beifall von der SPD)

Nicht egal ist jedoch die Begründung, auf die Sie sich beziehen, nämlich auf die PISA-Studie von 2000. Abgesehen davon, dass diese Studie die erste war und seitdem 18 Jahre vergangen sind, sagen Sie Folgendes – ich zitiere –:

„Schon im Jahr 2000 wiesen die Verfasser der PISA-Studie darauf hin, dass ein Ausländeranteil von mehr als 20 Prozent in einer Klasse in der Regel zu einer ‚sprunghaften‘ Verringerung des Leistungsniveaus führt.“

Jetzt frage ich mich: Warum sollte man dies nicht aus dem Zusammenhang ziehen? Das kann ich Ihnen sagen. Wenn man das im Internet in eine Suchmaschine eingibt, dann stößt man sofort auf einen Artikel, der im Jahre 2007 in „Politically Incorrect“ veröffentlicht wurde, einer allseits bekannten Zeitung, die offen rassistisch hetzt.

(Zurufe von der AfD: Oh!)

Die Argumentation entspricht ganz dem Tenor Ihres Antrages, sodass klar wird, warum Sie sich solcher Quellen bedienen.

(Christian Loose [AfD]: Stimmt das Zitat oder nicht?)

Die AfD hätte sich einen Gefallen getan, nicht alleine solche Quellen zu nehmen, sondern in die PISA-Studie selbst hineinzuschauen. Dann hätten Sie nämlich erfahren, dass das Ergebnis der PISA-Studie damals zu einer Veränderung der Politik in diesem Land geführt hat. Parteiübergreifend ist man nach dem PISA-Schock tätig geworden.

Es ist deutlich geworden, dass man an Ganztagsschulen arbeiten muss, dass man daran arbeiten muss, die Schulsozialarbeit einzuführen und dann auch zu sichern, dass man für Förderung und Unterstützung der Kinder an Schulen sorgen muss.

Das alles interessiert Sie aber gar nicht; denn Sie haben eine bestimmte Vorstellung. Die haben Sie deutlich gemacht, indem Sie solch einen Antrag hier vorlegen. Der ist absolut inakzeptabel.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte deshalb darauf hinweisen, dass wir die Ergebnisse der aktuellen PISA-Studien haben und dass sich deutliche Verbesserungen …

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifen?

Jochen Ott (SPD): Bitte.

Helmut Seifen (AfD): Ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie das erlauben, Herr Ott. – Ich wollte Sie nur fragen: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass es bei dem Antrag nicht generell um Migranten oder Ausländer geht, sondern nur um solche, deren sprachliche Fertigkeit nicht ausreicht, um dem normalen Unterricht zu folgen?

Jochen Ott (SPD): Ihr Problem ist ja gerade, dass Sie versuchen, durch die Nichtdefinition dieser Themen in einem Mainstream zu surfen, um damit populistische Thesen zu bedienen. Sie nehmen sich nicht die Zeit und machen sich nicht die Mühe, das genau zu definieren, sondern Sie wollen im Grunde genommen hetzen. Ihnen geht es gar nicht um die Lösung des Problems.

(Beifall von der SPD)

Durch die PISA-Studie in diesem Jahr wurde belegt, dass es zu Verbesserungen gekommen ist. Aber das reicht nicht aus. Da bin ich bei der Kollegin Vogt, die vor mir gesprochen hat. Natürlich gehört zur Bildungspolitik auch die Stadtteilpolitik, die Stadtteilentwicklung und die Frage: Wer wohnt in welchen Quartieren? Natürlich müssen wir darauf achten, dass wir gemischte Quartiere haben, damit am Ende des Tages auch die Schulen durchmischt sind.

Ich will noch auf eines hinaus: Wenn Sie zu Recht davon sprechen, dass wir ein Land sind, das vom wirtschaftlichen Erfolg lebt, dann möchte ich darauf hinweisen, dass dieser wirtschaftliche Erfolg auch von einer guten Zuwanderung in unser Land abhängt.

(Helmut Seifen [AfD]: Einverstanden, ja!)

Wir können ein Riesengeschenk nutzen und sollten die Vielfalt dieses Landes, die Vielfalt der Menschen, die hierherkommen, als Chance begreifen. Wir dürfen die Menschen mit Migrationshintergrund nicht systematisch am Arbeitsmarkt diskriminieren, sondern müssen sie in der Schule vernünftig ausbilden.

(Helmut Seifen [AfD]: Eben darum geht es doch!)

Dafür müssen wir über mehr Beteiligung und Förderung nachdenken. Ich will ein Beispiel aus der letzten Anhörung nennen. Herr Ulrich Gräler von lehrer nrw hat damals gesagt:

„In Bezug auf Inklusion und Integration wird in der Grundschule Erhebliches geleistet. Dies gilt allerdings auch für die Sekundarbereiche I und II. Ich selbst habe zwei Flüchtlingskinder bei mir im Kurs. In meinem Kurs gelingt die Integration bei beiden sehr gut. Sie haben nach eineinhalb Jahren Deutsch die Fremdsprache auf Muttersprachenniveau erworben – das ist kaum vorstellbar – und erlernen zusätzlich noch eine weitere Fremdsprache. Es gibt sehr beeindruckende Erfolge im Bereich der Integration.“

Das ist eine Realität, die Sie nicht wahrnehmen wollen. Deshalb ist eins gewiss: Kinder lernen eine Sprache schneller und besser, wenn sie im Klassenverbund sind. Kinder lernen dadurch, dass eine durch Vielfalt geprägte Gesellschaft sie aufnimmt. Vielfalt und Mehrsprachigkeit sind ein Geschenk und kein Nachteil auf einem internationalen Arbeitsmarkt.

Wir wollen Kinder nicht nach Herkunft oder nach Hautfarbe unterscheiden, sondern wir wollen Kinder vielfältig für unsere Demokratie unterstützen und fördern.

Deshalb sage ich, weil Ihnen Heimat ja so wichtig ist: Su sin m‘r all hehin jekumme. Mir sprechen hück all dielve Sproch. Mir han dadurch su vill jewönne. Dat es jet, wo mer stolz drop sin – nicht nur in Köln, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Ich bin gespannt, wie das im Protokoll steht! – Heiterkeit von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die FDP hat die Kollegin Müller-Rech das Wort.

Franziska Müller-Rech (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion weist große inhaltliche Lücken und Fehler auf, er hält einer praktischen Überprüfung nicht stand.

(Zuruf von der AfD: Handwerklich schlecht gemacht! – Helmut Seifen [AfD]: Rückwärtsgewandt!)

Exemplarisch habe ich heute fünf Punkte für Sie. Ich habe sogar noch ein paar mehr, die ich mir für später aufhebe.

Erstens. Sie zitieren die allererste PISA-Studie aus dem Jahr 2000, eine 18 Jahre alte Studie, nach der zahlreiche Maßnahmen getroffen worden sind, unter anderem in der Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund.

Deutschland liegt nach dem PISA-Schock inzwischen in allen Testbereichen der PISA-Studie deutlich über dem OECD-Durchschnitt. Sie führen hier 18 Jahre alte Daten und Rückschlüsse an, die längst überholt sind. Das zeigt, wie höchst unangemessen Sie hier arbeiten und recherchieren. Das zeigt mir erneut – das haben Sie schon einmal von mir gehört –, dass sich Ihr Blick auf die Zukunft eher an der Vergangenheit orientiert.

(Beifall von der FDP und der SPD)

Zweitens. Sie zitieren Österreich. Das Land habe sich dazu entschlossen, sprachliche Mindestvoraussetzungen für die Aufnahme von Migranten in den regulären Schulbetrieb aufzustellen. Dieses Vorhaben haben wir bei unserer Recherche tatsächlich im österreichischen Regierungsprogramm gefunden. Was Sie allerdings nicht erwähnen, ist, dass in NRW schon längst Maßnahmen entwickelt worden sind, damit die zugewanderten Schülerinnen und Schüler schnell Deutsch lernen und am deutschsprachigen Regelunterricht teilnehmen können.

Eine ganz wichtige Maßnahme für die Kinder, die gerade erst zu uns gekommen sind, sind die Internationalen Vorbereitungsklassen.

(Helmut Seifen [AfD]: Die kenne ich persönlich!)

– Das wollte ich Sie fragen, weil Ihr Antrag nicht zeigt, dass Sie je eine IVK von innen gesehen haben.

(Lachen von der AfD – Helmut Seifen [AfD]: Selbst eingerichtet!)

Ich habe sie mir angeschaut und kann sagen: Die zuständigen Lehrerinnen und Lehrer leisten großartige Arbeit, um den Spracherwerb zu fördern und die Schülerinnen und Schüler – das ist genau ihre Aufgabe – bestmöglich auf den Regelunterricht vorzubereiten.

(Markus Wagner [AfD]: Sie haben mit keinem Lehrer einer Integrationsklasse gesprochen!)

Ihr Antrag – und das auch noch, wenn Sie sogar dort gewesen sind – ist ein Schlag ins Gesicht aller engagierten Lehrkräfte, Sozialarbeiter, Schülerinnen und Schüler und der anderen Beteiligten der Internationalen Vorbereitungsklassen.

(Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Sie zeigen damit, dass Sie nicht in den Themen stecken. Sie kennen die Arbeit vor Ort nicht, und Sie stecken nicht in den Themen.

Drittens. Sie zitieren Italien. Jetzt wird es richtig bitter für Sie, hier haben Sie nämlich nicht ausreichend recherchiert.

Wir haben mit dem Bildungsbüro der italienischen Botschaft in Berlin gesprochen. Die haben uns bestätigt, dass es zwar formell die Vorschrift von maximal 30 % Migranten in italienischen Schulklassen gibt, sie haben aber auch gesagt, dass die Realität völlig anders aussieht. Denn – das haben Sie wohl nicht gelesen – die zuständigen Schulämter der Regionen können jederzeit über die tatsächliche Zahl von Migranten an den örtlichen Schulen entscheiden, also die Quote aussetzen,

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

zum Beispiel bei entsprechenden demografischen Verhältnissen und um die Schulpflicht zu gewährleisten, die in Europa ein hohes Gut ist. Gerade das wird oft gemacht, das wird in Italien sehr oft in Anspruch genommen. Es handelt sich bei dem, was Sie hier zitieren, um eine fragwürdige Sollvorschrift, die glücklicherweise sowieso nicht eingehalten wird, weil sie in der Praxis nicht funktioniert.

Viertens. Ich bin verwundert über die Begriffe, die Sie in dem Antrag verwenden. Sie sprechen in der Überschrift und im weiteren Text immer wieder von Migranten. Im zweiten Absatz geht es um den Ausländeranteil. Dann sprechen Sie im Beschlussteil von Nichtmuttersprachlern. Migranten, Ausländer, Nichtmuttersprachler – wissen Sie denn selbst überhaupt, wen Sie mit Ihrem Antrag meinen?

(Beifall von der FDP)

Um einen Vergleich aus der Schule zu bringen: Ihr Antrag liest sich für mich so, als hätten Sie ihn auf die Schnelle morgens um halb acht auf den Knien im Schulbus geschrieben.

(Lachen von der AfD – Helmut Seifen [AfD]: Ich habe meine Hausarbeiten immer gemacht!)

Damit bin ich bei fünftens und meinem letzten Punkt für heute: höchstens 20 % Nichtmuttersprachler pro Klasse. Nichtmuttersprachler – was ist das für ein Schwachsinn? Damit sammeln Sie alle Kinder ein, die zu Hause eine andere Sprache sprechen, Kinder, die vielleicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen – ungeachtet ihrer tatsächlichen Möglichkeiten, dem Unterricht in Deutschland folgen zu können.

Damit hätten Sie zum Beispiel auch meine Freundin gemeint. Sie hat zu Hause mit ihrer Mutter Russisch gesprochen. Sie hat eine Klasse übersprungen, ein hervorragendes Abitur gemacht, ist heute Harvard-Absolventin, erfolgreiche Unternehmerin und hat Arbeitsplätze in NRW geschaffen.

(Helmut Seifen [AfD]: Sehr gut!)

Die hätten Sie mit Ihrer Quote gegebenenfalls vom NRW-Schulsystem ausgeschlossen, …

(Helmut Seifen [AfD]: Nein, die nicht!)

– Nichtmuttersprachler, so steht es in Ihrem Antrag. Lesen Sie Ihren eigenen Antrag!

… obwohl sie perfekt Deutsch konnte und dem Unterricht folgen konnte, einfach weil in der internationalen Stadt Bonn, der ehemaligen Hauptstadt, dem heutigen Standort der Vereinten Nationen und zahlreicher internationaler Organisationen und Unternehmen, die Quote von 20 % Nichtmuttersprachlern in einzelnen Klassen schnell überschritten gewesen wäre.

Das ist einfach nur peinlich. Mit diesem schlampig recherchierten und formulierten Antrag blamieren Sie sich heute bis auf die Knochen.

(Beifall von der FDP und der SPD)

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von dem Kollegen …

Franziska Müller-Rech (FDP): – Nein. – Ganz ehrlich, wenn man mir so etwas vorlegt und dann hier etwas anderes vorträgt und sonst was erzählt …

Präsident André Kuper: Gestatten Sie eine Zwischenfrage von dem Kollegen Hovenjürgen?

Franziska Müller-Rech (FDP): Ach so! Oh!

(Zuruf von der AfD: Hahaha!)

– Sonst belästigen Sie uns eher mit den Zwischenfragen zu Ihren eigenen Anträgen.

(Helmut Seifen [AfD]: Belästigen? Das war doch eine Debatte!)

Präsident André Kuper: Gestatten Sie sie?

Franziska Müller-Rech (FDP): Ja.

Präsident André Kuper: Der Kollege Hovenjürgen hat gedrückt.

(Markus Wagner [AfD]: Wenn parlamentarische Gepflogenheiten für Sie eine Belästigung sind, dann legen Sie doch Ihr Amt nieder!)

Franziska Müller-Rech (FDP): Ich danke für den wertvollen Tipp.

Präsident André Kuper: Herr Kollege Hovenjürgen, wollten Sie eine Zwischenfrage stellen? Denn wir haben hier eine angemeldete Wortmeldung.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Entschuldigung!)

– Das war nicht der Fall.

(Heiterkeit – Michael Hübner [SPD]: Du musst auch der Debatte folgen, nicht immer nur E-Mails lesen! Guten Morgen, Josef!)

Dann geht es weiter. Entschuldigung.

Franziska Müller-Rech (FDP): Mit Ihrer äußerst unfairen Quote wollen Sie brutal vereinfachen, statt sich jedes zugewanderte Kind individuell anzuschauen. Heute nehmen die Pädagogen zum Beispiel in den IVK jedes einzelne Kind in den Blick und leiten den Wechsel in das reguläre Schulsystem ein, sobald Integration und Sprachstand dafür ausreichen.

Eine willkürlich politisch festgelegte Quote zum Beispiel anhand von Muttersprache, Herkunft oder Nationalität – das sind die drei Kategorien, die Sie hier nennen – widerspräche den individuellen Bildungschancen jedes Kindes und damit unseren Zielen von weltbester Bildung und Chancengerechtigkeit in NRW.

Wie schon angekündigt werden wir über die weiteren großen Schwächen des Antrags – sie wurden zum Teil schon von den anderen Kollegen aufgezeigt –, insbesondere bezüglich der PISA-Studien und der Bildungsstandards, im Schulausschuss diskutieren. – Ich glaube, ich darf hier stehen bleiben.

Präsident André Kuper: Ja, genau so ist es. Wir haben eine Kurzintervention durch Herrn Seifen von der AfD. Bitte.

Helmut Seifen (AfD): Frau Müller-Rech, es war ein sehr eindrucksvolles Theaterschauspiel, das Sie hier aufgeführt haben.

(Beifall von der AfD)

Sie haben mir so richtig die Leviten gelesen. Wenn das Problem an den Schulen nicht so ernst wäre, würde ich auch in das Gelächter der anderen einstimmen. Aber dafür ist das, was an den Schulen passiert, zu ernst.

Erstens. Ich habe selbst eine IK-Klasse eingeführt und auf dringende Bitten der Kollegen eine zweite eingesetzt, weil die Leistungsdifferenz so unglaublich groß war, dass sich die Kolleginnen und Kollegen nicht mehr in der Lage sahen, alle Kinder in einer Klasse zu unterrichten. Das geht nämlich von Analphabeten bis hin zu den – da haben Sie völlig recht – ganz cleveren Kindern, die super schnell lernen und super fit sind.

Zweitens. Die Kinder erhalten pro Woche zwölf Stunden DaZ-Unterricht – also Deutsch als Zweitsprache –, gehen aber schon sofort in den Regelunterricht. Das heißt, sie sitzen bereits in der zweiten oder dritten Woche im Deutsch- oder Matheunterricht. Während sie beim Matheunterricht vielleicht noch mitkommen, verstehen sie im Deutschunterricht nichts. Auch da habe ich unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

Der Antrag bezieht sich nicht darauf, alle Migranten oder alle Nichtmuttersprachler extra in der deutschen Sprache zu beschulen, sondern lediglich die, bei denen die Kollegen vor Ort feststellen: Hier sind die Defizite so groß, dass sie dem normalen Unterricht nicht folgen können.

Ich kann Ihnen sagen: Man sieht in den Gesichtern der Kinder, wie schwierig und frustrierend es für sie ist, wenn sie dem Unterricht nicht folgen können. Der von mir vorgelegte Antrag ist ein Antrag der Menschenfreundlichkeit für den Lernerfolg aller Kinder. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Frau Kollegin.

Franziska Müller-Rech (FDP): Das können Sie doch selber nicht glauben. Ich möchte aus Ihrem Antrag zitieren. Unter Punkt 3 steht:

„zur Gewährleistung eines erfolgreichen Schulunterrichts festzulegen, dass ein Höchstanteil von 20 Prozent von Nichtmuttersprachlern pro Klasse nicht überschritten wird.“

Ich weiß nicht, wer Ihnen diesen Antrag geschrieben hat oder was in Ihrer Vorbereitung schiefgelaufen ist, aber genau das beantragen Sie. Wir werden ihn an den Schulausschuss überweisen, dann aber nicht beschließen.

Die Internationalen Vorbereitungsklassen, wie ich sie in Bonn erlebt habe, stehen tatsächlich vor der Herausforderung, dass die Kinder auf unterschiedlichen Leistungsständen sind. Die Lehrer leisten aber eine tolle Arbeit, um die Kinder vorzubereiten. Es gibt begabte Kinder, die nach einer kurzen Zeit so gut Deutsch sprechen, dass sie die Regelschule besuchen können. Wir arbeiten weiter daran, dass man sich für die Kinder, die nicht so leicht lernen, mehr Zeit nehmen kann.

Gleichzeitig wollen wir ermöglichen, dass die Teilnahme am deutschen Unterricht erfolgen kann, wie es vor allem – so habe ich es gesehen – in Musik und Kunst möglich ist. Dann können sie auch auf dem Schulhof mit deutschen Schulkameraden zusammenkommen, wodurch der Spracherwerb noch einmal einfacher wird. Ich möchte hier eine Lanze für die Internationalen Vorbereitungsklassen brechen.

Wir müssen uns natürlich anschauen, wie wir einen erfolgreichen Übergang zur Regelschule schaffen können. Wir haben tolle kommunale Integrationsämter, die uns immer wieder beeindruckende Daten liefern. So sehen wir in Bonn, wie der Übergang klappt, und zwar an alle Schulen – von der Hauptschule, Realschule, Gesamtschule bis hin zum Gymnasium – und gemessen an ihren tatsächlichen Chancen.

Der Antrag, Nichtmuttersprachler pro Klasse zu begrenzen, ist menschenfeindlich, weil Sie Menschen nach einer Quote einteilen: nach Nichtmuttersprachlern, Migranten, Ausländeranteil oder was auch immer. Das wird den einzelnen Kindern nicht gerecht. Das ist nicht das, was wir uns unter Bildungs- und Integrationschancen in NRW vorstellen.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Grünen hat nun Frau Kollegin Beer das Wort.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Frau Müller-Rech außerordentlich dankbar, dass Sie den Lehrerinnen und Lehrern sehr deutlich einen Dank ausgesprochen hat – das teile ich, wie auch der Kollege Ott und die Kollegin Vogt –, die in der Tat engagiert, kompetent und sehr zielorientiert mit den Kindern in ihrer Vielfalt und unter den unterschiedlichen Bedingungen arbeiten.

Sie achten sehr genau darauf, ob ein Kind schon komplett am Regelunterricht teilnehmen kann oder ob noch zusätzliche Sprachförderung notwendig ist. Sie sehen auch sehr genau, dass möglichst viel Gemeinsamkeit in der Schule zur Integration beiträgt. Das ist unser gemeinsames Ziel.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Herr Seifen und die AfD hier von einem menschenfreundlichen Antrag sprechen, dann müssen wir alle sehr wachsam sein. Ich will das einmal in Kombination mit dem letzten Beitrag von Herrn Beckamp zur Frage der Integrationsmittel vor Ort betrachten. Was hat er denn hier gesagt? – Mittel für Geduldete bitte nicht in die Kommunen, das ist überflüssig.

(Roger Beckamp [AfD]: Für Ausreisepflichtige!)

Es geht doch hier um Abgrenzung, um Abschottung. Genau das steckt auch in dem Antrag der AfD, das muss man sehr deutlich sagen. Dass Sie von Menschenfreundlichkeit sprechen, ist wirklich eine Zumutung.

(Zuruf von der AfD: Inländerfreundlichkeit!)

Auf den nächsten Punkt haben die Kolleginnen und Kollegen schon hingewiesen, nämlich dass dieser Antrag durcheinander und fachlich unsauber ist. Von wem reden Sie eigentlich? – Von Ausländern, ausländischen Kindern, von Migranten und Migrantinnen. Das bringen Sie regelmäßig durcheinander und verwenden es auch gegeneinander, so wie es Ihnen gefällt und wie es in Ihre Zielrichtung einer negativen Emotionalisierung gegen Menschen passt. Sie zeichnen bewusst Bilder, hätten aber die Chance, andere Bilder wahrzunehmen.

Ich möchte von zwei Schulen in Nordrhein-Westfalen berichten, die wie viele andere Schulen hervorragend arbeiten und genau das tun, die den Deutschen Schulpreis errungen haben.

Die Schule Kleine Kielstraße im Dortmunder Norden hat eine Migrantenquote von nahezu 100 %. Trotzdem stimmt die Leistung. Dort geht man gewinnend mit Vielfalt um, und das Schulklima stimmt. All das findet vor allem in einem Stadtteil statt, der von Armut geprägt ist. Die Nationalität ist nicht ausschlaggebend, sondern die soziale Lage der Menschen. Dem Punkt müssen wir uns widmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen brauchen diese Schulen mehr Unterstützung. Es geht um Stadtentwicklung und Stadterneuerung, darum, die Kompetenzen der Jugendhilfen, Familienhilfen, Sozialhilfen und der Arbeitsagentur zusammenzubringen. Das wissen wir von der kommunalen Ebene. Es ist eine Herausforderung, diese Unterstützungsstruktur zu gewährleisten, um den Kindern alle Chancen zu bieten. Diese Schulen meistern genau jene Herausforderungen und führen Kinder mit und ohne Migrationshintergrund zu hervorragenden Ergebnissen.

Sehen wir uns das Genoveva-Gymnasium in Köln an. Vielleicht hätten Sie für die Umsetzung an Ihrer Schule da einmal hospitieren sollen, Herr Seifen. Das wäre vielleicht eine Maßnahme gewesen.

(Beifall von den GRÜNEN – Arndt Klocke [GRÜNE]: Ja!)

Dieses Gymnasium mit 70 % Migrantenquote – ich finde das Wort eigentlich unmöglich und frage, was denn durch „Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund“ definiert wird; dazu komme ich gleich noch einmal – hat auch den Deutschen Schulpreis erhalten, weil es so gelingend und so gut mit der kulturellen Vielfalt, mit der vielfältigen Herkunft umgeht, die Leistung stimmt und Kinder nicht benachteiligt werden.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Das ist das Wichtige, und darum geht es.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen muss man die Schulen unterstützen, aber nicht Kinder wegschicken. Was soll denn der Unfug?

(Beifall von den GRÜNEN)

Wollen Sie jetzt Kinder aus Kranenburg – übrigens hat IT.NRW heute wunderbar in einer Statistik …

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Sigrid Beer (GRÜNE): Nein, ich möchte gerne weiterreden. – Heute hat die Statistik deutlich gemacht, dass die Schulen in Kranenburg einen Migrantinnenanteil von 33,3 % haben.

(Zuruf von der CDU)

Bringen wir jetzt Kinder nach Brakel, weil es dort nur 2,6 % sind, oder vielleicht ins ostwestfälische Borgentreich, wo es nur 2 % sind? Das ist doch Unfug! Es ist Unfug, was Sie in diesem Antrag zusammengebracht haben.

(Zurufe von der AfD)

So stellt sich auch die Frage nach Bussing und Verteilung. Das geht so nicht, das ist nicht zielführend. Sie müssen schon fachlich arbeiten, damit man Ihre Anträge überhaupt ernst nehmen kann.

(Zuruf von der AfD)

Hier geht es um Emotionalisierung gegen Menschen. Hier geht es um Ausgrenzung. Das ist sehr deutlich.

Ich bin dankbar, dass die anderen Kollegen und Kolleginnen das auch so sehen und wir diesen Antrag daher gemeinsam ablehnen, der Überweisung aber natürlich zustimmen werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Stamp in Vertretung von Frau Ministerin Gebauer das Wort. Bitte sehr.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der AfD kann eigentlich nur Unverständnis hervorrufen.

Zum einen besteht in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen die allgemeine Schulpflicht. Zur Erfüllung dieser Schulpflicht möchte das Land insbesondere eine möglichst wohnortnahe Beschulung aller Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrer ethnischen Herkunft sicherstellen.

Zum anderen erübrigen sich zentrale Forderungen des Antrags; es ist hier schon mehrfach vorgetragen worden. Bereits jetzt wird vor Beginn des Schuleintritts, egal welcher Herkunft die Kinder sind oder welche Familiengeschichte sie haben, festgestellt, ob ihre Deutschkenntnisse ausreichen, um dem schulischen Unterricht folgen zu können. Wird dabei erkannt, dass die Deutschkenntnisse nicht ausreichend sind, werden alle betroffenen Kinder schon vor dem Schuleintritt, unabhängig von ihrem Hintergrund, durch Sprachförderkurse entsprechend vorbereitet. Diese Förderung wird, wenn nötig, auch nach dem Schuleintritt im Rahmen des Förderunterrichts fortgesetzt.

Selbstverständlich haben wir zudem die neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler im Blick, die erst später in unser Bildungssystem eintreten. Auch für sie haben wir flexible und bedarfsgerechte Konzepte zur Deutschförderung. Mit der geplanten Änderung des Erlasses zur Deutschförderung wollen wir Schulen zeitnah explizit wieder mehr Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Die Schulen sollen die Deutschförderung nach den Bedürfnissen der jungen Menschen und der Situation vor Ort gestalten können.

Unser erklärtes Ziel in Nordrhein-Westfalen ist: Wir möchten allen Kindern gleichermaßen die besten Voraussetzungen für den Start in eine erfolgreiche Bildungsbiografie bieten; denn ein Förderbedarf in der deutschen Sprache ist kein charakteristisches Merkmal, das sich mit einer anderen Staatsangehörigkeit oder einem Migrationshintergrund begründen lässt.

Sehr geehrter Herr Seifen, es mag Sie überraschen, aber auch Kinder ohne Migrationshintergrund kann das Erlernen der deutschen Sprache vor große Herausforderungen stellen. Auch bei diesen Kindern ist eine intensive Deutschförderung unerlässlich.

(Helmut Seifen [AfD]: Da haben Sie recht!)

In dem Antrag der Fraktion der AfD ist die Rede von Migranten sowie von nichtdeutschen Schülern und auch von Nichtmuttersprachlern. Diese Begrifflichkeiten führen insgesamt zu unzulässigen Pauschalisierungen.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Es ist mehr als fragwürdig, die – Zitat – „Wahrung und Wiederherstellung des Leistungsniveaus an den Schulen“ pauschal mit einem Migrationshintergrund in Verbindung zu setzen.

(Jochen Ott [SPD]: Richtig! – Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Ich möchte an dieser Stelle zum Beispiel die Ressource betonen, die mehrsprachig aufwachsende Kinder und Jugendliche mitbringen – eine individuelle und auch gesamtgesellschaftliche Ressource in einer globalisierten Welt.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir die beste Bildung für alle Schülerinnen und Schüler im selben Maße im Blick haben. Um es abschließend unmissverständlich zu sagen: Wir werden keine Standards absenken. Diese Landesregierung will alle Kinder so fördern, dass sie tatsächlich hohe Standards erreichen.  Vielen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Daher kommen wir nach dem Schluss der Aussprache zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/1995 an den Ausschuss für Schule und Bildung – federführend –, an den Integrationsausschuss sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.

Wer diesem Vorschlag so folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP, die AfD und die drei Fraktionslosen. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Überweisungsempfehlung ist somit einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

6   Halbjahresbericht des Petitionsausschusses

Gemäß § 100 unserer Geschäftsordnung soll der Petitionsausschuss dem Landtag mindestens jährlich mündlich berichten. Entsprechend der bisher geübten Praxis im Haus erteile ich dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Herrn Yüksel, zu einem Halbjahresbericht das Wort. Bitte schön, das Mikrofon ist Ihres.

Serdar Yüksel (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Rahmen des Halbjahresberichts des Petitionsausschusses möchte ich zunächst die Gelegenheit nutzen und Ihnen ein paar grundsätzliche und historische Hinweise zum Thema „Petitionen“ geben, um die Arbeit und auch die besondere Stellung des Petitionsausschusses zu verdeutlichen.

Im Jahre 44 vor Christus wurde bekanntlich Caesar in Rom ermordet. Den Quellen zufolge geschah dies während einer Sitzung des Senats, in der dieser sich mit einer Bürgereingabe und Bürgerbittschriften befasst haben soll. Diese Begleitumstände machen eines deutlich: Die Möglichkeit, eine Eingabe an die höchsten staatlichen Stellen richten zu können, ist ein sehr altes bedeutendes demokratisches Anliegen.

Doch auch nach dem Untergang der römischen Republik war es den römischen Bürgern möglich, sich mit Bittschriften, Gesuchen oder Klagen direkt an den Kaiser zu wenden. Empfand ein römischer Bürger ein Verfahren als Unrecht, konnte er sich innerhalb von zwei Jahren nach dem beschiedenen Verfahren beim Kaiser beschweren. Falls ihn die Argumente des Bürgers überzeugten, konnte der Kaiser dann eine erneute Prüfung des Verfahrens veranlassen.

Der Begriff der Petition war dem römischen Recht noch unbekannt. Gleichwohl liegt bereits hier – in der Wiege der Zivilisation – der Gedanke eines Schutzes des einzelnen Bürgers gegenüber der Willkür staatlicher Instrumente zugrunde. Dieser Gedanke wirkt über die Geschichte bis in unsere Gegenwart hinein und prägt heute noch unser Selbstverständnis als Abgeordnete.

Entsprechend finden wir diesen Gedanken auch im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Dort war es nicht unüblich, sich mit einem dringenden Anliegen direkt an den Fürsten zu wenden. Das galt insbesondere für Rechtsstreitigkeiten, in denen der ordentliche Rechtsweg bereits ausgeschöpft war und die Bürger keinen anderen Ausweg mehr wussten, als sich direkt an den Fürsten zu wenden. Der Fürst konnte dann im Sinne der Bürger tätig werden und sogar rechtskräftige Urteile aufheben, was wir natürlich heute im Sinne der Gewaltenteilung nicht mehr tun.

Im Zuge der Aufklärung und dem Ideal einer praktischen Vernunft gewann der Grundgedanke einer Überprüfung behördlicher Vorgänge gegenüber einem allzu machiavellistischen Politikverständnis weiter Auftrieb. Friedrich der Große beispielsweise rühmte sich in einem Brief an den französischen Aufklärer und Philosophen Voltaire mit folgenden Worten:

Ich für meinen Teil versuche in meinem Lande bloß zu verhindern, dass der Mächtige den Schwachen unterdrückt. Jedermann hat Zutritt zu mir; alle Klagen werden entweder von mir selbst oder von anderen untersucht.

Eine erste gesetzliche Verankerung des Rechts auf ein Ersuchen finden wir dann im Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794. Damit war der Gedanke einer Beschwerde auch rechtlich aufgewertet und als Recht des Bürgers gegenüber dem Staat abgesichert. Die Bürger mussten somit nicht mehr bitten, sondern konnten zumindest de jure auf ihr Recht bestehen.

Das im Zuge der Aufklärung erstarkte Bewusstsein des Bürgertums und die Sehnsucht nach demokratischer Mitbestimmung führten schließlich zur sogenannten Märzrevolution und zur Nationalversammlung 1848 in der Frankfurter Paulskirche.

Auch hier finden wir Spuren zur Geschichte des Petitionsrechts. In der durch die Nationalversammlung verabschiedeten Verfassung finden wir den § 48 der Geschäftsordnung, der dem Petitionsausschuss eine vorrangige Stellung zugesteht. Entsprechend heißt es:

„Dem Petitions-Ausschusse ist ein bestimmter Tag in jeder Woche zur Vorlegung seiner Berichte einzuräumen. Erst nach völliger Erledigung dieser Berichte kann zur anderweitigen Tagesordnung übergegangen werden.“

Eine solch hohe Wertung der Arbeit des Petitionsausschusses in einem parlamentarischen Gefüge ist historisch betrachtet sicherlich einmalig.

Zwar scheiterte bekanntlich die Märzrevolution, doch viele ihrer Grundgedanken wurden im Kaiserreich aufgenommen und integriert – so auch das Konstrukt der Petition. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Weimarer Reichsverfassung von 1919 wieder an diesem Punkt ansetzt und erneut versucht, das Petitionsrecht und den Bürger in den Fokus zu nehmen, indem es dort heißt:

„Jeder Deutsche hat das Recht, sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständige Behörde oder an die Volksvertretung zu wenden.“

Dass das Petitionsrecht in der Zeit des Nationalsozialismus de facto keine Rolle gespielt hat, ist ein Indikator dafür, wie eng die Verwandtschaft zwischen Demokratie und Petitionsrecht ist. Es war daher nur folgerichtig, dass die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes mit Blick auf die Weimarer Republik in Art. 17 das Petitionsrecht erneut festgeschrieben haben und die Formulierung „Jeder Deutsche hat das Recht“ von 1919 durch die Formulierung „Jedermann hat das Recht“ ersetzt haben.

Denn wenn uns aus der Zeit des Nationalsozialismus eines in Erinnerung bleiben soll, dann, dass die Würde des Menschen sich nicht an der Nationalität, Ethnie oder der sozialen Stellung orientieren darf und dass die Aufgabe, diese Würde zu schützen, keine bloß politische, sondern auch eine zutiefst moralische sein muss.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auch unsere Landesverfassung folgt diesem Duktus und schreibt in Art. 4 die unmittelbare Geltung des Grundgesetzes auch im Hinblick auf das Thema „Petitionen“ vor. Zunächst wurde allerdings in der Landesverfassung nicht weiter konkretisiert, inwieweit die Vorgaben des Grundgesetzes umgesetzt werden können.

Die sogenannte Klingelpütz-Affäre aus den 60er-Jahren hatte indes gezeigt, dass eine weitere Konkretisierung durch den Gesetzgeber dringend erforderlich war. In der Kölner Justizvollzugsanstalt Klingelpütz kam es trotz zahlloser Beschwerden seitens der Häftlinge jahrelang zu massiven Übergriffen und Misshandlungen, die sogar zu Todesfällen führten. Nicht in allen Fällen konnten damals durch die Justiz Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden, und auch im eigens dafür eingesetzten Untersuchungsausschuss blieben Fragen offen. Gleichwohl gelang es, das ganze Ausmaß der Affäre offenzulegen.

Eben dieser Kölner Vorfall hatte gezeigt, dass die schriftlichen Berichte der Verwaltung an den Ausschuss allein nicht ausreichten, da dem Parlament manchmal nicht der gesamte Sachverhalt bzw. die ganze Wahrheit berichtet worden war.

Die damalige CDU-Fraktion beantragte daraufhin in der 6. Wahlperiode des Landtags die verfassungsmäßige Einrichtung eines Landesbeauftragten für Verfassungskontrolle. Doch die SPD-geführte Koalition mit der FDP lehnte diesen Vorschlag ab. Sie plädierte dagegen für die Stärkung der Rechte des Petitionsausschusses. Da diese Forderung dann auch von der CDU geteilt wurde, war der Weg für eine gemeinsame Lösung geebnet.

Zusammen verankerten die Parlamentsparteien dann den neuen Art. 41a in der Landesverfassung. Mit ihm wurde der Petitionsausschuss nicht nur ausdrücklich zum Verfassungsorgan, sondern ihm wurde jetzt das Recht auf Zutritt zu allen Landeseinrichtungen sowie auf Auskunftserteilung und Akteneinsicht eingeräumt. Außerdem wurde die Beweiserhebung durch die Möglichkeit, Zeugen und Sachverständige zu vernehmen, erleichtert.

Auch in demokratietheoretischer Hinsicht erfüllt der Petitionsausschuss mit seiner Kontrollfunktion gegenüber der Regierung bzw. gegenüber den Ministerien eine wichtige Aufgabe des Parlaments. Denn als Abgeordnete im Parlament und somit als Legislative gehört es zu unseren Kernaufgaben, die Exekutive zu kontrollieren.

Man kann diesbezüglich mit Recht behaupten, dass Nordrhein-Westfalen mit der Stärkung des Petitionsausschusses durch den Art. 41a in der Landesverfassung eine Vorreiterrolle eingenommen hat, die bis heute über die Landesgrenzen hinweg auch so wahrgenommen wird.

(Beifall von der SPD)

Wir sehen bereits an diesem kurzen historischen Abriss, dass die Geschichte der Demokratie einhergeht mit der Geschichte des Petitionsrechts. Die historische Entwicklung des Petitionsrechts war stets mit der Entwicklung der Demokratie und dem Bedürfnis nach mehr demokratischen Elementen in der Politik eng verbunden.

Die Geschichte zeigt uns, dass die oft abstrakte Maxime, die Demokratie erhalten und schützen zu wollen, sich offensichtlich ein Stück weit dadurch konkretisieren lässt, dass wir das Petitionsrecht der Bürgerinnen und Bürger weiter ernst nehmen und auch weiter stärken.

Es ist auch ein Beispiel dafür, wie die zunächst abstrakt anmutende Verpflichtung aus Art. 1 des Grundgesetzes konkret mit Leben gefüllt werden kann. Und auch wenn wir als Petitionsausschuss nicht in jedem Fall im Sinne der Petenten tätig werden können, so versuchen wir doch zumindest, uns jeden einzelnen Fall genau anzuschauen und dem Petenten die Sachlage zu erklären, um einen würdevollen Umgang sicherzustellen.

Und wenn wir aus dem Werk von Franz Kafka etwas mitnehmen können, dann doch, dass Verwaltungsabläufe und Behördenvorgänge, ohne dass vielleicht jemand im Speziellen daran schuld wäre, zu einem kafkaesken Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern und zu einer entsprechenden Ohnmacht führen können.

Auch heute versuchen wir, in diesem Sinne im Ausschuss tätig zu werden und machen daher auch regelmäßig und intensiv Gebrauch vom Art. 41a der Landesverfassung, wie man auch an den aktuellen Zahlen erkennen kann: Allein im letzten halben Jahr konnten wir über 1000 Petitionen abschließen. Rund ein Viertel konnte dabei im Sinne der Petenten erledigt werden. In knapp jeder zehnten Petition greifen wir dabei auf den Art. 41a der Landesverfassung zurück und laden zum runden Tisch ein oder verschaffen uns direkt vor Ort einen entsprechenden Überblick über die Situation.

Im Jahr 2017 haben wir erneut über 5.000 Petitionen erhalten. Eine so hohe Anzahl an Petitionen, die wir gleichzeitig in aller Gründlichkeit bearbeiten, wäre ohne die sehr zuverlässige und hochwertige Arbeit des Petitionsreferats kaum denkbar. Hier gilt es auch seitens des Parlaments ein herzliches Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung auszusprechen, die uns gerade bei den sogenannten 41a-Verfahren hervorragend unterstützen. Die Kolleginnen und Kollegen sitzen da auf der Tribüne.

(Allgemeiner Beifall)

Die konkrete Sinnhaftigkeit des Art. 41a möchte ich Ihnen über die nackten Zahlen hinaus kurz konkret an drei Beispielen veranschaulichen:

Das erste Beispiel: Das Schulgesetz bestimmt, dass die Schulpflicht für alle Kinder am 1. August beginnt, die bis zum 30. September das sechste Lebensjahr vollendet haben. Schulpflichtige Kinder können nur aus erheblichen gesundheitlichen Gründen für ein Jahr zurückgestellt werden. Viele Kinder haben jedoch keine erheblichen gesundheitlichen Defizite, sondern sind aus anderen, oft psychischen Gründen nicht schulreif: Sie können sich noch nicht ausreichend konzentrieren oder stillsitzen, sind sehr ängstlich oder schüchtern und wären daher im Schulbetrieb überfordert, was diese Probleme oft nur verstärken würde.

Über einen Antrag auf Schulzurückstellung entscheidet die jeweilige Schulleitung auf Grundlage eines schulärztlichen Gutachtens. Dieses durfte jedoch nur bestehende gesundheitliche Unzulänglichkeiten feststellen. Die psychische Auswirkung einer frühen Einschulung auf die Entwicklung der Kinder war kein Beurteilungskriterium.

Der Petitionsausschuss konnte betroffene Eltern in ihrem Anliegen unterstützen, die Kinder in ihrer Gesamtheit von Körper, Geist und Seele zu betrachten und eine dem jeweiligen Kind gerecht werdende Entscheidung herbeiführen. Gemeinsam mit den Eltern hat sich der Ausschuss mit dem Ministerium am runden Tisch die Einzelfälle angeschaut und bald festgestellt, dass hier eine grundsätzliche Problematik besteht. Schließlich hat das Schulministerium den Einschulungserlass dann auch geändert: So soll nunmehr nicht allein das Gutachten des Schularztes ausschlaggebend sein, sondern auch die Stellungnahmen von Fachärzten oder Fachtherapeuten im Rahmen der Entscheidungsfindung Berücksichtigung finden.

Ein anderes Beispiel zeigt uns, wie vielfältig und manchmal auch persönlich unsere Themen sein können. Eine Petentin war während des Zweiten Weltkriegs durch die Gestapo aus Polen entführt worden. Sie wurde in einem Kinderheim des NS-Regimes seelisch und körperlich misshandelt und ihr wurde eine falsche deutsche Identität aufgezwungen. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in verschiedenen, durch das NS-Regime ausgewählten Pflegefamilien, in denen sie als angeblich „deutsches Pflegekind“ aufwuchs. Dort ist ihr weiteres Unrecht geschehen.

Als junge Frau begann sie, ihre Herkunft und Vergangenheit zu hinterfragen und konnte durch die Unterstützung verschiedener Institutionen ihre wirkliche Identität in Erfahrung bringen. Das behördliche Prozedere zur Erlangung ihres Geburtsnamens empfand die Petentin jedoch als unangemessen und langwierig, die ihr abverlangten Gebühren und Verfahrenskosten als ungerecht. Dagegen richtete sie eine entsprechende Beschwerde an den Petitionsausschuss.

Der Petitionsausschuss konnte für die Petentin erreichen, dass das Land Nordrhein-Westfalen eine Geldleistung aus dem Härtefonds des Landes zur Unterstützung von Opfern des Nationalsozialismus aus Billigkeitsgründen an die Petentin zahlt und erledigte die Petition somit im Sinne der Petentin.

Auch beim letzten Beispiel geht es um die Klärung der eigenen Identität, jedoch in einem ganz anderen Kontext. 1998 reiste ein junger Mann als 13-Jähriger allein und ohne Papiere mit dem Zug aus Südfrankreich nach Deutschland ein. Kurz darauf wurde er durch die Polizei in Düsseldorf aufgegriffen und unter Betreuung des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer gestellt.

Um seine Identität zu klären, wandte sich der Sozialdienst an das französische Generalkonsulat. Dieses konsultierte den Internationalen Sozialdienst in Lyon, der mit den Angaben des Petenten erfolglos sämtliche bekannten Möglichkeiten ausschöpfte, um dessen Identität zu klären und zu überprüfen.

Seitdem erlebte der Petent eine wahre Odyssee, um seine Identität zu bezeugen. Weder die Kreisbehörden noch die diplomatischen Institutionen oder das Landeskriminalamt konnten die Identität des Petenten feststellen. Entsprechend scheiterten auch seine Vorhaben, einen dauerhaften Aufenthalt zu erhalten oder sich gar einbürgern zu lassen.

Um Zweifel an der Identität des Petenten auszuräumen, wurde im Rahmen eines Petitionsverfahrens nach Art. 41a der Landesverfassung beschlossen, ein aussagepsychologisches Gutachten zur Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben des Petenten einzuholen. Der Gutachter kam in seiner Gesamtbeurteilung zu dem Ergebnis, dass kaum Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussagen des Petenten bestanden.

Daraufhin erklärte sich die zuständige Ausländerbehörde bereit, beim zuständigen Standesamt darauf hinzuwirken, dass eine Eintragung in das Geburtenregister vorgenommen wird, wodurch dieser – ich habe das mal so genannt – „Kaspar-Hauser-Fall“ schließlich ebenfalls im Sinne des Petenten erledigt werden konnte.

Diese Beispiele zeigen ganz konkret, wie weitreichend unsere Möglichkeiten und wie vielfältig unsere Themen im Rahmen des Petitionsausschusses sind und wie wir bei konkreten Einzelschicksalen helfen und unterstützen können.

Der Petitionsausschuss zeigt sich somit auch als Bindeglied zwischen dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern. Der Ausschuss ist also nicht nur die Notfallsäule, sondern auch der Seismograf der Bevölkerung. Wenn wir nämlich in Petitionen Themen erkennen, leiten wir sie sozusagen weiter an den jeweiligen Fachausschuss, damit sie dort politisch aufgearbeitet werden können. Wir freuen uns, wenn das Thema dann in den Ausschüssen aufgegriffen und ernst genommen wird. Damit tragen wir die Sorgen und die Probleme der Bürgerinnen und Bürger direkt ins Parlament.

Ich kann daher nur an Sie als Abgeordnete und insbesondere an die neuen Abgeordneten appellieren, sich des Petitionsausschusses als fraktionsübergreifendem Kontrollinstrument des Parlaments bewusst zu werden und seine Möglichkeiten auch zu nutzen. Setzen Sie sich mit den Kolleginnen und Kollegen, die im Ausschuss sitzen, in Verbindung, wenn Sie konkrete Anliegen aus Ihrem Wahlkreis nach Düsseldorf tragen wollen. Machen Sie die Bürgerinnen und Bürger auf die Möglichkeit einer Petition an das Landesparlament aufmerksam!

Lassen Sie uns gemeinsam und fraktionsübergreifend diese Botschaft nach außen tragen. Denn hier zeigt sich ganz konkret, dass Politik nicht bürgerfern und abgehoben ist, sondern dass wir immer ein offenes Ohr für die Anliegen und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben.

Ganz am Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss für die wirklich hervorragende und engagierte Arbeit bedanken. Wir sind alle mit Herzblut dabei. Sie wissen, wie das manchmal in anderen Ausschüssen ist – da geht‘s manchmal zu wie bei den Kesselflickern. Wir sind am Wohl der Bürgerinnen und Bürger interessiert. Wir schauen, wie wir dem Einzelnen in seiner konkreten Notlage helfen können. Deshalb auch ganz herzlichen Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Präsident André Kuper: Ich danke Ihnen, Herr Yüksel, für den Bericht und nutze die Gelegenheit, Ihnen und allen Mitgliedern unseres Petitionsausschusses sowie den Mitarbeiterinnen und den Mitarbeitern unseres Petitionsreferates für ihre engagierte Arbeit ganz herzlich zu danken.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt

7   Siebtes Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/1671

Beschlussempfehlung
des Innenausschusses
Drucksache 17/1858

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU Herrn Dr. Geerlings das Wort.

Dr. Jörg Geerlings (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute vorliegenden Siebten Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen heben wir die Befristung dreier Normen auf, die im Sommer 2018 außer Kraft treten, wenn wir heute nichts anderes beschließen.

Deutschland steht nach wie vor im Fadenkreuz von Terrorismus und Extremismus. Ich zitiere schlagwortartig aus dem Evaluationsbericht zum Verfassungsschutzgesetz:

Die Sicherheitslage in Deutschland ist dauerhaft angespannt. Es muss jederzeit mit einem islamistisch motivierten Anschlag gerechnet werden. Die rechtsextremistische Szene in Deutschland unterliegt in den letzten Jahren einer starken Dynamik. Die aggressive Agitation gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte ist Konsens im ansonsten heterogenen rechtsextremistischen Spektrum. Die Gewaltbereitschaft innerhalb der rechtsextremistischen Szene nimmt zu. Auch der gewaltbereite Linksextremismus nimmt in Nordrhein-Westfalen weiter zu.

Auf andere Themen, wie zum Beispiel die Spionageabwehr, will ich gar nicht erst näher eingehen.

Wenn wir unser Zusammenleben in Frieden, Freiheit und Sicherheit und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen ihre Feinde verteidigen wollen, müssen wir zweierlei tun: nämlich erstens denen, die unsere Verfassung schützen, politische Rückendeckung geben und zweitens diese mit den nötigen Mitteln, vor allem mit den gesetzlichen Kompetenzen, ausstatten.

Zu den Kompetenzen, die unsere Verfassungsschützer benötigen, zähle ich erstens die Befugnis zum Zugriff auf zugangsgesicherte Kommunikationsinhalte im Internet auf dem technisch dafür vorgesehenen Weg. Durch den Zugriff auf Internetforen und Chats sollen etwa Propaganda und Rekrutierungsaktivitäten kontrolliert werden.

Zweitens zähle ich dazu die Befugnis zur Einholung von Auskünften über Beteiligte am Zahlungsverkehr und über Geldbewegungen und Geldanlagen bei Zahlungsdienstleistern. Durch Finanzermittlungen sollen terroristische Aktivitäten, insbesondere die Vorbereitung von Anschlägen und Attentaten, frühzeitig erkannt werden.

Drittens geht es um die Befugnis zur Erhebung von Auskünften über Telekommunikationsverbindungsdaten und Nutzungsdaten. Hierdurch sollen Aufenthaltsorte, Kommunikationsbeziehungen und Profile sowie Netzwerke offengelegt werden.

Die unter den Nummern zwei und drei genannten Befugnisse zählen bundesweit zu den Standardmaßnahmen der Verfassungsschutzbehörden. Sie werden auch hier in Nordrhein-Westfalen regelmäßig angewendet. Die unter Nummer eins genannte Befugnis zum Zugriff auf Internetforen und Chats wurde bislang noch nicht genutzt. Der Bedarfsfall kann jedoch jederzeit eintreten.

Die zunehmende Digitalisierung macht auch vor Terroristen und Extremisten nicht halt. Gruppentreffen finden virtuell statt und nicht im Wirtshaus an der Theke. Anleitungen zum Bombenbau stehen im Internet und nicht im gedruckten Handbuch. Cyberangriffe auf IT-Netze ergänzen bisher bekannte Anschlagsmuster. Darauf müssen wir reagieren.

Der gemeinsame Evaluationsbericht von Innenministerium und Professor Dr. Wolff hat alle drei zur Debatte stehenden Normen gründlich untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sie sich bewährt haben und nach wie vor zweckmäßig und erforderlich sind. Er empfiehlt ebenso wie die Landesregierung die unbefristete Verlängerung.

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf am 25. Januar beraten und ihm, ohne dass Änderungsanträge gestellt wurden, mit breiter Mehrheit zugestimmt. Vielleicht überdenkt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch einmal ihre Position. Es wäre ein gutes Zeichen für den Schutz unserer verfassungsmäßigen Ordnung, wenn wir den Gesetzentwurf heute einstimmig im Landtag beschließen würden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Geerlings. – Für die SPD hat nun Frau Kapteinat das Wort.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Siebte Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen bedeutet nicht nur eine Entfristung. Diese Änderung zeigt auch unser Vertrauen als Parlamentarier in die Arbeit der Verfassungsschutzbehörde.

Die wichtigste Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuwehren, über jegliche extremistische Gefahren aufzuklären und vor Spionage zu warnen. Herr Dr. Geerlings hat gerade schon auf viele extremistische Gefahren aufmerksam gemacht. Deswegen verzichte ich darauf, das zu wiederholen.

Die Gefahren werden auch durch die Nutzung des Internets nicht weniger, und es ist deshalb nur folgerichtig, die bereits von uns installierten Befugnisse dauerhaft zu gewähren. Eine Verlängerung der Befugnisse wurde bereits mehrfach für eine unterschiedliche Dauer beschlossen. Eine weitere temporäre Verlängerung ist nicht länger zeitgemäß.

Dabei ist es uns wichtig, dass die Befugnisse des Verfassungsschutzes nur sorgsam und bedacht genutzt werden. Die Wahrung der Grundrechte hat für uns oberste Priorität. Der Verfassungsschutz hat bewiesen, dass er das tut. Als Beispiel ist von den Befugnissen zur Datenabfrage, die seit 2001 bestehen, erst 27-mal Gebrauch gemacht worden. Telefondaten wurden erst einmal abgefragt.

Daher stimmen wir diesem Antrag zu und bedanken uns für die Arbeit.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kap-teinat. – Für die FDP hat Kollege Lürbke das Wort.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe das an diesem Pult schon mehrfach gesagt, aber ich wiederhole mich gern: Für die Nordrhein-Westfalen-Koalition hat innere Sicherheit Priorität, und wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Sicherheitslage spürbar zu verbessern und dabei die größtmögliche Freiheit unserer offenen Gesellschaft zu erhalten.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ha, ha! Das mit der Freiheit – na ja!)

Um dieses Ziel zu erreichen, Frau Düker, brauchen wir auf der einen Seite eine personell gut aufgestellte und mit den entsprechenden rechtlichen Befugnissen ausgestattete Polizei, aber auch einen Verfassungsschutz, der effektive und notwendige rechtstaatliche Befugnisse erhält. Diese Befugnisse haben meine Vorredner detailliert dargestellt.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Für uns Freie Demokraten ist es wichtig, dass alle drei Befugnisse, über die wir heute sprechen, die verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllen. Sie unterliegen parlamentarischer Kontrolle und wurden zum Teil bereits mehrfach evaluiert.

Es ist gerade schon angesprochen worden: Zuletzt wurde dem Landtag am 15. Mai 2017, wie gesetzlich vorgesehen, ein vom damaligen MIK und dem wissenschaftlichen Sachverständigen Professor Dr. Heinrich Amadeus Wolff verfasster Evaluationsbericht zu diesen Befugnissen vorgelegt. Auch dieser Bericht empfiehlt hinsichtlich aller drei Befugnisse die unbefristete Verlängerung. Dem schließen wir uns an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Lürbke. – Für die Grünen hat Kollegin Schäffer das Wort.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht bei diesem Gesetzentwurf im Wesentlichen um die Änderung der Befristung von drei Befugnissen im Verfassungsschutzgesetz.

Zum einen geht es um die Beobachtung der zugangsgesicherten Internetkommunikation. Da reden wir zum Beispiel über Chats, über Foren, von denen wir wissen, dass Terroristen oder andere Verfassungsfeinde diese nutzen, um zu kommunizieren. Sie tun das nicht übers Telefon. Diese Chats werden auch genutzt, um etwa zu radikalisieren. Es ist immer die Frage: Kann der Verfassungsschutz sich da mit einschalten oder nicht?

Die andere Befugnis betrifft den Zahlungsverkehr und die Geldbewegungen – ebenfalls eine wichtige Befugnis des Verfassungsschutzes.

Bei der dritten Befugnis geht es um Auskünfte über Telekommunikationsverbindungs- und -nutzungsdaten.

Es geht um diese drei Befugnisse im Verfassungsschutzgesetz, die bis zum 1. Juni dieses Jahres befristet sind. Der Gesetzentwurf sieht jetzt vor, alle komplett zu entfristen.

Dazu will ich im Einzelnen sagen, dass die beiden letztgenannten Befugnisse, also betreffend die Geldbewegungen und die Telekommunikationsverbindungs- und nutzungsdaten, schon mit dem Gesetz in 2002 eingeführt wurden. Herr Lürbke hat es richtig dargestellt: Diese wurden bereits evaluiert. Es gibt sie also schon länger. Aus meiner Sicht ist die Entfristung hier unproblematisch, weil wohl allen klar ist, dass wir diese Befugnisse für den Verfassungsschutz weiter brauchen.

Auch bei der dritten Befugnis – sie bezieht sich auf Chats und Internetforen – kommen wir Grüne ebenfalls zu der Bewertung, diese Befugnis weiter zu brauchen. Auch dagegen stellen wir uns nicht. Ich will daran erinnern, wann diese Befugnis eingeführt worden ist. 2013 haben wir, SPD und Grüne, nach dem Versagen der Sicherheitsbehörden beim Fall NSU eine sehr umfassende Reform des Verfassungsschutzgesetzes vorgenommen und diese Befugnis damals richtigerweise eingeführt.

Ich halte diese Befugnis nach wie vor für richtig. Aber man muss auch feststellen: Sie ist bisher kein einziges Mal angewandt worden. Ich persönlich finde es falsch, zu sagen: Okay, sie ist nie angewandt worden, wir brauchen sie weiterhin, also entfristen wir komplett. Man hätte hier eine weitere Befristung von fünf Jahren einführen und in fünf Jahren evaluieren können, wie oft die Befugnis genutzt worden ist. Brauchen wir diese Befugnis – ja oder nein? Ist sie problematisch?

Auch der Evaluationsbericht kommt zu dem Ergebnis, dass wir hier über eine Maßnahme sprechen, die einen tiefen Grundrechtseingriff in Art. 10 des Grundgesetzes beinhaltet. Insofern fände ich es richtig, sich in fünf Jahren noch einmal anzuschauen, ob wir diese Befugnis brauchen oder nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen, der mich ein Stück weit irritiert. In der Begründung des Gesetzentwurfs steht, dass durch eine Entfristung der Befugnisse der Verfassungsschutz insgesamt gestärkt würde.

Das finde ich ehrlich gesagt nicht nur übertrieben. Vielmehr finde ich, dass Befristung und Evaluation keine Schwächung der Sicherheitsbehörden darstellen. Befristungen sind auch keine Bürokratiemonster. Ganz im Gegenteil: Gerade da, wo es um Grundrechtseingriffe geht, müssen wir als Abgeordnete doch immer wieder hinschauen, ob die Behörden diese Befugnisse noch brauchen oder nicht, ob der Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist oder nicht. Daher finde ich es nicht richtig, die Befristung in diesem Punkt komplett zu streichen, und deshalb werden wir Grüne uns bei diesem Gesetzentwurf enthalten.

Ich möchte auch noch die uns allen vorliegende Evaluation ansprechen. Ich meine, dass sich ein Blick in diese Evaluation wirklich lohnt. Mit dieser Evaluation hat sich gezeigt, dass es gut ist, wenn Befugnisse der Behörde nicht nur von der Sicherheitsbehörde selbst evaluiert werden, wie es hier häufig der Fall ist, sondern wenn man externen unabhängigen Sachverstand wie Herrn Professor Wolff hinzuzieht, der sich das mit einer anderen Brille und unter einem anderen Blickwinkel anschaut. Das finde ich richtig, und das ist auch im Polizeigesetz zum Beispiel bei der Videoüberwachung so vorgesehen, dass unabhängige Sachverständige evaluieren sollen. Genau das ist der richtige Weg. Also, es lohnt sich, die Evaluation noch mal anzuschauen und es noch mal nachzulesen.

Das ist meiner Meinung nach der Weg, den wir gehen sollten, also nicht nur eine Evaluierung durch Sicherheitsbehörden, sondern auch durch Externe.

Zum Abstimmungsverhalten der Grünen habe ich bereits gesagt, dass wir uns in dieser Frage enthalten werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die AfD spricht Herr Kollege Wagner.

Markus Wagner (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen hier heute gemeinsam das Verfassungsschutzgesetz an ein paar Punkten ändern, respektive einige Regelungen, die bisher befristet waren, entfristen. Das kann man machen. Da sind wir auch dabei. Denn schließlich sind gerade wir als AfD der in Parteiform gegossene Schutz der Verfassung.

Allerdings lässt sich in letzter Zeit auch beobachten, dass der Verfassungsschutz durch Politiker der alten Parteien instrumentalisiert werden soll, worauf ich später noch zu sprechen komme. Und leider ist es auch so, dass unsere Verfassung nicht nur vor Islamisten, vor Linken, vor Rechtsextremen und vor ausländischen Extremisten geschützt werden muss. Nein, leider verstoßen auch die alten Parteien, die sich so gerne „Gemeinschaft der Demokraten“ nennen, immer wieder gegen Gesetze und gegen unser Grundgesetz.

(Beifall von der AfD)

In Anbetracht der kurzen Redezeit ein paar Beispiele:

Da ist der Holterdiepolter-Ausstieg aus der Kernenergie, den Sie als Energiewende verbrämen und für den Ihnen die Gerichte eine Milliardenrechnung aufgegeben haben, die Sie jetzt von den Bürgern bezahlen lassen.

Ich nenne die laut Horst Seehofer „Herrschaft des Unrechts“ im Bereich Asyl und Flüchtlinge, das nicht mehr Zur-Kenntnis-Nehmen von Art. 16 des Grundgesetzes und des Dublin-Abkommens. Dies geschieht wieder auf Kosten der Bürger – diesmal nicht nur finanziell, sondern auch kulturell.

Ich nenne weiter die Euro-Rettung, bei der Sie die No-Bailout-Klausel einfach ignorieren und munter die Schulden anderer Staaten übernehmen, und die 5-%-Hürde zur Kommunal- und Europawahl, die Sie aus Angst vor der Konkurrenz gegen das Votum des Verfassungsgerichts wieder einführen wollten. Ganze Haushalte der vormaligen Landesregierung mussten gestoppt werden, weil sie gegen die Verfassung verstießen.

Immer wieder – die angeführten Beispiele belegen es – testen Schwarz, Rot, Grün und Gelb unser Recht aus, dehnen die Gesetze und werden vor den Verfassungsgerichten bei Verstößen gegen das Grundgesetz erwischt.

Und genau diese selbsternannte Gemeinschaft der Demokraten versucht in ihrem verzweifelten Kampf gegen die AfD nun auch noch, sich des Amtes für Verfassungsschutz parteipolitisch zu bedienen, ganz so, als gehöre Ihnen der Staat und seine Behörden. Dass sie damit das Vertrauen der Bürger in unsere demokratischen Institutionen aushöhlen, ist Ihnen egal. In Ihrer fälschlichen Hoffnung, der AfD so ein paar Promillepunkte abzunehmen, wollen Sie sich die nächste, doch eigentlich unabhängige Behörde zur parteipolitischen Beute machen.

Es passt Ihnen von der heiligen Vierfaltigkeit, bestehend aus Schwarz, Rot, Gelb und Grün, nicht, dass die Chefs der Verfassungsschutzämter einmütig sagen: Die AfD ist nicht extremistisch, die AfD wird nicht beobachtet.

Es passt Ihnen noch weniger, dass die Präsidenten der Verfassungsschutzämter sagen: Wir sind keine Behörde, um die alten Parteien per Falschaussage vor der Konkurrenz der AfD zu beschützen. – Und deswegen wollen Sie auch da jetzt ran.

Das ist auch klar. Erst überholt die AfD die FDP, dann die Grünen, nun sind wir schon gleichauf mit der SPD. Da ist es kein Wunder: Da haben die alten Parteien natürlich Angst – Angst vor dem Machtverlust, Angst vor dem Verlust von Posten, Dienstwagen und Steuergeldern. Aber, meine Damen und Herren, Angst ist – das Sprichwort sagt es – ein schlechter Ratgeber.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Wagner …

Markus Wagner (AfD): Sie können aus Angst Ihre Unfairness gegen die Menschen, die Ihnen weglaufen, auf die Spitze treiben und Spitzel und Agenten gegen uns einsetzen. Ich sage Ihnen ganz unabhängig davon, dass wir das gerichtlich zu verhindern wissen werden: Machen Sie es einfach.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Wagner, darf ich Sie unterbrechen?

Markus Wagner (AfD): Entlarven Sie sich noch schneller für immer mehr Bürger. Es wäre nur ein weiterer und für noch mehr Wähler sichtbarer Nachweis dafür: Ihre angebliche Toleranz ist intolerant. Ihre angebliche Liberalität ist autoritär, und Ihre angebliche Liebe …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Wagner, es gibt einen Kollegen im Raum, der Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen würde.

Markus Wagner (AfD): … zur Buntheit erträgt nicht einmal das Blau der AfD. Der unfaire Umgang mit der AfD …

(Zurufe von der AfD: Markus!)

– Ja, bitte?

(Zurufe von der AfD: Zwischenfrage!)

– Zwischenfrage? – Ja, bitte.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Also, noch regele ich das hier im Haus.

(Heiterkeit – Beifall von der SPD)

Ich habe dreimal versucht, Sie zu unterbrechen. Ich dachte, Sie wollten das bewusst nicht hören. Also, der Kollege Pretzell würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Markus Wagner (AfD): Der Kollege Pretzell. Bitte schön, Marcus. Los!

Marcus Pretzell (fraktionslos): Ja, weil ich eigentlich vermute, dass Du es besser weißt.

Der Unterschied zwischen Verfassungsverstößen, die Du richtig benannt hast und die in der Tat von vielen Parteien begangen werden, und Verfassungsfeindlichkeit, wegen derer der Verfassungsschutz tätig wird, ist, vermute ich, bekannt. Fragezeichen.

Ansonsten möchte ich das Thema jetzt nicht weiter strapazieren. Das, was Du dazu gesagt hast, ist schon insofern entlarvend genug, als man inzwischen offenbar der Meinung ist, sich dagegen verteidigen zu müssen. Das Gefühl, dass ich das gemusst hätte, hatte ich nie.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Pretzell …

Markus Wagner (AfD): Das war die Frage?

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Frage habe ich …

Marcus Pretzell (fraktionslos): Ich hatte das Fragezeichen sogar benannt.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Natürlich. Das habe ich gehört. Aber die Frage, ob wir das vertiefen oder nicht, ist dann eher der Kurzintervention vorbehalten.

Markus Wagner (AfD): Ich habe jetzt nicht wirklich eine Frage erkennen können. Aber wie dem auch sei. Ich komme einfach mal zurück zu einem Teil der Rede, die ich gehalten habe,

(Beifall von der AfD )

und dazu, dass immer mehr Politiker der alten Parteien die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz fordern und den Verfassungsschutz damit missbräuchlich einsetzen wollen. Denn – und ich zitiere aus meiner Rede – es passt der heiligen Vierfaltigkeit aus Schwarz, Rot, Gelb und Grün eben nicht, dass die Chefs der Verfassungsschutzämter einmütig sagen – ich hoffe, Du hast zugehört –: Die AfD ist nicht extremistisch, die AfD wird nicht beobachtet.

Es passt ihnen scheinbar auch nicht, dass die Präsidenten der Verfassungsschutzämter sagen: Wir sind keine Behörde, um die alten Parteien per Falschaussage vor der Konkurrenz der AfD zu beschützen. – Das ist heutzutage ein Thema, und deswegen spreche ich das an.

Jetzt weiß ich gar nicht, wie viel Zeit ich noch habe; denn die Zeit ist abgelaufen. Ich mache einfach weiter.

Der unfaire Umgang mit der AfD, das Biegen von Recht und Gesetz gegen die AfD, die Drohung mit dem Verfassungsschutz, die Nazi-Keule und Ihre moralische Selbstüberhöhung – all das macht die AfD nur noch stärker.

Wissen Sie, Sie benötigen eigentlich gar keinen Verfassungsschutz gegen die Menschen, die Sie nicht mehr wählen. Sie müssen einfach nur eine gute Politik machen, dann würden die Bürger Sie vielleicht auch wieder in vermehrter Anzahl wählen.

Hören Sie auf, den Strom für die Menschen immer teurer zu machen, lassen Sie unsere Frauen wieder frei von Angst Abends joggen gehen, werfen Sie nicht immer mehr Geld in das griechische Fass ohne Boden, schieben Sie endlich die illegalen und kriminellen Ausländer ab, sorgen Sie endlich für genug und gut ausgerüstete Polizei, schaffen Sie die Zwangsrundfunkgebühr ab, lassen Sie endlich Volksentscheide zu, und halten Sie sich vor allen Dingen endlich wieder an Recht, Ordnung und Gesetz, an die Maastrichter Verträge und an das Grundgesetz!

Schützen Sie unser Land und unsere Verfassung, anstatt die Wähler einer bürgerlichen Partei wie der AfD mit dem Verfassungsschutz erschrecken zu wollen. Das schreckt nämlich niemanden mehr.

Erschrocken wären die Menschen höchstens über Sie und Ihren Machtmissbrauch. Ihre Angst vor dem Machtverlust macht Sie unfrei und autoritär. Sie haben noch immer die Wahl zwischen Freiheit und Unfairness. Ich bin gespannt, wie Sie sich entscheiden werden.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Markus Wagner (AfD): Wir als AfD wählen die Freiheit und stimmen letztlich zu.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Wagner. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Damen und Herren! Was diese Rede mit dem Tagesordnungspunkt zu tun hatte, habe ich nicht ganz verstanden. Der einzige Teil, der mich betroffen hat, war der Teil, in dem eine breite Hetze gegen alles stattfand. Glauben Sie, dass Sie die Menschen damit auf Dauer überzeugen können? Ich hoffe, nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Christian Loose [AfD]: Können Sie mal ein Beispiel bringen zu der Hetze? Dann bringen Sie auch ein Beispiel, Herr Minister!)

Zu diesem Tagesordnungspunkt sind schon viele Worte vorgetragen worden. Klar ist, dass wir hiermit keine inhaltliche Neuerung schaffen. Vielmehr geht es um eine Entfristung, also darum, vorhandene Befristungen abzuschalten. Andernfalls würde dieses Gesetz im Mai dieses Jahres auslaufen.

Es geht um Normen, die vor mehr als 15 Jahren in Kraft getreten sind. Die Entfristung ist also mehr als überfällig. Es geht um die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden, unter engen Voraussetzungen Daten bei Dritten abzufragen, zum Beispiel bei Zahlungsdienstleistern oder Telekommunikationsprovidern. Das ist eine Konsequenz aus 9/11 und seit 2002 fester Bestandteil unseres Verfassungsschutzgesetzes. Diese wurden mittlerweile übrigens auch bundesweit rechtskräftig.

Insofern wurden diese Normen im letzten Jahr auch nicht erstmalig evaluiert, sondern bereits zum dritten Mal, und zwar schon 2006 und 2011. Die Befristungen wurden also schon mehrfach verlängert. Der dritte Evaluationsbericht aus dem letzten Jahr hat ganz klar vorbehaltlos die unbefristete Verlängerung dieser Befugnisse empfohlen.

Entfristet werden soll zum anderen die im Juni 2013 eingeführte Befugnis, Kommunikationsinhalte in zugangsgesicherten Bereichen des Internet zu beobachten. Diese Norm erlaubt dem Verfassungsschutz unter engen Voraussetzungen, geschlossene Chats oder Foren im Internet zu beobachten. Allerdings darf sich der Verfassungsschutz dort nicht einhacken, sondern muss ein fremdes Passwort benutzen, das er sich zuvor auf rechtsstaatlichem Wege beschafft hat.

Auch diese Regelung wurde im vergangenen Jahr umfassend evaluiert und wissenschaftlich bewertet – im Einvernehmen mit dem Landtag und auch durch den Sachverständigen Professor Dr. Wolff, von dem eben schon die Rede war. Auch hier gibt es eine klare Empfehlung, die da lautet: Entfristung ohne Einschränkung.

Frau Schäffer, Sie sagten, der Evaluationsbericht sei nicht wichtig. In allen drei Fällen empfiehlt der Evaluationsbericht die Entfristung. Dann könnten Sie es doch auch mittragen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Ja, aber er ist doch nicht bindend! Das ist doch für uns entscheidend! Da steht doch ein bisschen mehr drin! Vielleicht lesen Sie den Bericht mal!)

Ich möchte betonen, dass sich Professor Wolff übrigens vor Abschluss seiner Bewertung sowohl mit der G 10-Kommission als auch mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium ausgetauscht hat. Sie oder Ihre Kollegen waren also daran beteiligt.

Die wirksame Beobachtung von extremistischen Bestrebungen bleibt angesichts der weiter steigenden Bedeutung des Internet akut. Dass der Verfassungsschutz vor diesem Hintergrund Instrumente und Befugnisse benötigt, ist eigentlich logisch. Darüber müssen wir nicht mehr reden. Der Fachausschuss hat dem fast einstimmig zugestimmt. Ich hoffe, dass auch heute eine große Zustimmung erfolgt. Es ist längst überfällig.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kann ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 7 – neu – schließen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 17/1671. Wie Sie wissen, empfiehlt der Innenausschuss in Drucksache 17/1858, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Das heißt, dass wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst kommen und nicht etwa über die Beschlussempfehlung. Wer also dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP, AfD und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Das ist die grüne Fraktion.

Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/1671 angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet worden.

Ich rufe auf:

8   Theater- und Orchesterpakt erneuern – Landesregierung soll Vielfalt der Theater- und Orchesterlandschaft in Nordrhein-Westfalen sicherstellen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/1992

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Bialas das Wort.

Andreas Bialas (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Kolleginnen und Kollegen! Der Theater- und Orchesterpakt sollte kommen, und er wird kommen. Ich möchte von Anfang an sagen, dass wir die Neuauflage des Theater- und Orchesterpaktes begrüßen und dieses Vorhaben an sich ausdrücklich als positiv bewerten.

Wir haben den ersten Pakt aufgelegt. Das war klug gedacht und klug gemacht. Aber durchaus selbstkritisch sage ich: Wir haben im weiteren Verlauf nicht immer die notwendigen höheren Schecks mitgeschickt. Das war dann nicht mehr so klug.

Sie stellen nun diese nötigen höheren Schecks aus. Wir aber möchten so langsam wissen, wofür konkret und vor allem, nach welchen Kriterien das Geld verteilt wird. Wer bekommt es also und wofür? Ist dies also der Blick auf die Leistungsfähigkeit der Kommunen, der Blick auf die Notwendigkeit einer Grundausstattung der Bühnen? Bekommen die, die bereits mehr haben, mehr, und die, die mehr brauchen, weniger? Wird nach Schönheit der Intendanten vergeben oder nach deren ästhetischen Zukunftsplanungen?

CDU und FDP haben Anfang September einen Antrag eingebracht – mit guten Absichten, aber ohne konkrete Inhalte. Sie haben im Haushalt 2018 eine Titelgruppe eingerichtet und Geld darauf gebucht – bisher auch ohne Konkretisierung. Und nun? Wir sind auf die Konkretisierung sehr gespannt.

In einem Interview der „BZ“ im vergangenen Jahr teilten Sie, Frau Ministerin, mit, dass Sie für dieses erste Projekt – so nannten Sie es damals – eine transparente Systematik entwickeln wollten. Wir wissen, dass es bereits Treffen gab, in denen Sie über Finanzsummen in den nächsten vier Jahren sprachen – Zahlen, die uns allen sicherlich gefallen könnten.

Wir als Parlamentarier wüssten aber gerne auch, über wie viel da gesprochen wird und vor allem – noch einmal –, wie das Geld verteilt werden soll. Wir wüssten vor allen Dingen gern: Wird das Parlament daran beteiligt oder eben nicht?

Wir legen hier nun einen Antrag vor, in dem wir unsere Vorstellungen über eine gerechte Verteilung der im Haushalt eingestellten Gelder darlegen. Wie sehen unsere Vorstellungen von einem gerechten Theater- und Orchesterpakt aus? – Unser Ziel ist eine grundsätzliche Stabilisierung der Infrastruktur der Theater- und Orchesterlandschaft. Damit geht zwingend eine weitere Stabilisierung der Kommunalfinanzen einher. Pakt und weitere Stabilisierung der Kommunalfinanzen sind die beiden Seiten derselben Medaille.

Unser Ziel ist eine faire, gerechte Behandlung der Künstlerinnen und Künstler, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Bühnen und Orchestern und auch eine Berücksichtigung der Tarifentwicklung.

Es kann auch nicht sein, dass Frauen ab einem reiferen Alter keine Engagements mehr erhalten, da die preiswerteren – jungen – auf alt geschminkt werden. Es kann nicht sein, dass Kleinkinder in den Garderoben bis tief in die Nacht warten müssen und Menschen mit Handicap ihren Beruf nicht mehr als Festangestellte ausüben können.

Unser Ziel sind Vereinbarungen mit den Kommunen, dass sie sich in gleicher Weise zu ihren Theatern und Orchestern bekennen und damit die höheren Finanzleistungen des Landes auch tatsächlich bei den Bühnen ankommen. Dies wäre mittels eines Sockelbetrages sicherzustellen. Zusätzliche finanzielle Anreize sollten für diejenigen Häuser geschaffen werden, die sich zu Gendergerechtigkeit, Familienfreundlichkeit und Inklusion bekennen und ihre Betriebe darauf ausrichten. Und unser Ziel ist auch, dass für eine möglichst große Erreichbarkeit, eine möglichst große Zuschauerschaft Sorge getragen wird.

Kulturelle Bildung für alle Altersstufen ist sehr ernst zu nehmen und zusätzlich zu fördern. Kulturelle Bildung ist nicht Pädagogisierung der Kunst, sondern ein notwendiges Bindeglied, eine notwendige Zuwegung zwischen Angebot und Zuschauern.

Unser Ziel umfasst auch eine faire Berücksichtigung der Kinder- und Jugendtheater und der Freien Szene. Unser Weg wäre ein transparenter, offener, dialogischer und partizipativer gewesen. Einen solchen können wir bei Ihnen leider noch nicht erkennen und werden uns daher ab jetzt auch im Parlament damit befassen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Petelkau.

Bernd Petelkau (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahre 1988 stellte ein großer Künstler aus dem Ruhrgebiet in einem Song die Frage: Was soll das? – Dreißig Jahre später stelle ich mir bei dem vorliegenden SPD-Antrag die gleiche Frage, Herr Kollege, denn dieser Antrag ist nicht nur überflüssig, sondern widerspricht auch der im Ausschuss zwischen den Fraktionen abgesprochenen Vorgehensweise.

Der Antrag ist deshalb überflüssig, weil die CDU-geführte NRW-Koalition bereits im September 2017 einen Antrag zur Stärkung der kommunalen Theater und Orchester sowie der Freien Szene in Nordrhein-Westfalen ins Plenum eingebracht hat. Da die Vorgängerregierung kein nachvollziehbares Förderkonzept hinterlassen hat und die Verwaltung die Chance bekommen sollte, eine Neukonzeption der Förderung im Dialog mit den Betroffenen zu entwickeln, wurde der Antrag der NRW-Koalition im Ausschuss einvernehmlich zurückgestellt.

In der Jahresplanung 2018, die von den Obleuten im Ausschuss einvernehmlich festgelegt wurde, ist vorgesehen, dass der Planungsstand der Verwaltung in der nächsten Sitzung des Ausschusses am 8. März berichtet wird, sodass die zweite Beratung des Antrags der NRW-Koalition erfolgen kann.

Was soll also jetzt ein Antrag, der nicht nur zu spät kommt, sondern auch inhaltlich weit hinter dem aktuellen Sachstand zurückbleibt? – Es drängt sich ganz klar die Vermutung auf, dass die SPD-Fraktion von ihren jahrelangen Versäumnissen im Bereich der Kultur ablenken will. Sie haben jetzt das Thema „Kultur“ in NRW wiederentdeckt und wollen es den Menschen hier so darstellen, dass sie die treibende Kraft wären. Das Gegenteil ist aber der Fall.

Die NRW-Koalition hat das Thema Kultur durch die Schaffung eines eigenständigen Ministeriums, die Auswahl einer kompetenten Ministerin und vor allen Dingen die budgetmäßige Unterlegung der verstärkten Kulturförderung im Haushalt vorangebracht.

Ich bin auf den Konzeptentwurf der Ministerin gespannt und freue mich auf die gemeinsame Diskussion der Details im Ausschuss, wo wir dann transparent – für alle Menschen nachvollziehbar – aufzeigen, wohin die Förderung in den nächsten Jahren konzeptionell geht. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Petelkau. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Deutsch.

Lorenz Deutsch (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe SPD, für Ihren Antrag bin ich ausgesprochen dankbar. Er bietet so etwas wie eine kulturpolitische Abschlussbilanz der alten Landesregierung am Beispiel der Theater- und Orchesterförderung. Das, was Sie dort feststellen, trifft tatsächlich den Nagel auf den Kopf. Sie verweisen auf Ihre letzte Maßnahme in diesem Bereich, den Theater- und Orchesterpakt im Jahr 2013, und stellen 2018 mit Ihrem Antrag fest – ich zitiere –:

„Die damals vereinbarte Erhöhung der finanziellen Förderung kommunaler Theater und Orchester durch das Land ist aufgrund der Veränderung äußerer Rahmenbedingungen – wie zum Beispiel gestiegene Betriebskosten – nicht mehr ausreichend.“

Stimmt, da haben Sie recht, weil Sie in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017 eben nichts mehr getan haben.

(Beifall von Thomas Nückel [FDP])

Sie haben das dankenswerterweise eben selbst gesagt. Leider sind die Schecks ausgeblieben. In Ihrer siebenjährigen Regierungszeit sind viereinhalb Millionen € Steigerung in diesem Feld alles gewesen. Ich nehme Ihren Antrag also sozusagen als Übergabe des kulturpolitischen Staffelstabes.

Sie scheinen ja jetzt selbst einige Hoffnungen darauf zu setzen, dass wir das besser machen, und diese Hoffnung werden wir auch nicht enttäuschen. In der nächsten Sitzung des Kulturausschusses – Herr Petelkau hat das eben schon ausgeführt – wird die Ministerin darlegen, wie die neue Förderung der kommunalen Theater und Orchester aussieht. Ich möchte dem nicht vorgreifen, nur so viel:

Die Landesförderung der kommunalen Theater und Orchester wird auf ganz neue Grundlagen gestellt. Das betrifft sowohl die Höhe der Förderung als auch den verlässlichen und nachhaltigen Prozess der Förderung in den kommenden Jahren. Damit beschreiten wir völlig neue Wege, und wir werden das Land zu einem berechenbaren und tatsächlich hilfreichen Partner für die Theater und Orchester machen.

Damit ist auch klar, dass wir Ihre Politik gerade nicht fortsetzen. Wir werden keinen neuen Pakt auflegen. Das, was Sie Pakt genannt haben, steht für eine Förderpolitik, die wir gerade nicht fortsetzen wollen. Der Pakt ist bei Ihnen eine einmalige Sache gewesen, sozusagen eine Notaktion. Wir möchten eben nicht in diesem einmaligen Modus arbeiten, sondern es soll ein kontinuierlicher Prozess des Aufwuchses werden, an dessen Ende – und das ist hoffentlich nach dieser Legislaturperiode noch nicht erreicht – man diesen Prozess nachhaltig angeht.

Es geht also um eine kulturpolitische Zeitenwende. Wir wollen weg von den Einmalaktionen, wir wollen weg von den wortreichen Konzepten und Plänen, die aber substanziell nicht hinterlegt sind.

Auch in dieser Disziplin zeigt Ihr Antrag noch einmal, was rot-grüne Kulturpolitik im Angebot hat. Was von Ihnen zu erwarten gewesen wäre, zeigt beispielhaft Ihr Punkt 8 – man könnte auch noch andere nehmen. Zitat:

„Erarbeitung des Paktes in einem dialogischen, transparenten, partizipativen Verfahren.“

Klingt gut. Wir bieten aber nicht die Erarbeitung in einem Verfahren, sondern wir bieten konkrete Förderung.

Wenn also Ihr Antrag kurz vor der Bekanntgabe der neuen Konzeption den Zweck gehabt haben sollte, irgendwie den Eindruck zu erwecken, dass das, was die neue Landesregierung an substanzieller Förderungsverbesserung auf den Weg bringt, auf irgendeine Art und Weise eine Fortsetzung dessen wäre, was Sie schon angelegt haben, dann wäre nichts falscher als das. Die neue Förderung der Theater und Orchester durch das Land steht im scharfen Kontrast zu dem, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben. Die neue Landesförderung ist nämlich das, was diesen Namen auch verdient: echte Förderung. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Deutsch. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Deutsch, Sie sprechen von einem rot-grünen Antrag. Es ist ein roter Antrag, damit wir die Sachen sauber auseinanderhalten. Die SPD hat durchaus eine eigenständige Vorstellung davon, was sie für richtig hält, und das ist auch gut so.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Wir Grünen haben das unter Umständen auch einmal. Ich denke, dass Sie auch insofern irren, Herr Deutsch, wenn Sie den Pakt so angreifen, wie Sie es jetzt getan haben. Das war 2013 insofern etwas Besonderes in der Theaterlandschaft, als wir uns seinerzeit diesen besonderen Problemen angenommen haben, die sich aufgrund der Tatsache ergaben, dass unsere Kommunen die Hauptträger der Theaterkosten sind, die auch eine Last für die Kommunen sind. Das war für uns der Grund, da, wo es wirklich schwierig wird, mit diesem Pakt einzugreifen. Ich meine nach wie vor, dass das eine durchaus richtige Entscheidung war.

Ich finde es klug und richtig, wenn Sie sagen, dass Sie das weiterentwickeln wollen. Ich würde eine Kulturpolitik im Land Nordrhein-Westfalen immer so formulieren, dass ich auf das, was vernünftig war, weiter aufbaue und es weiterentwickle. Ich glaube, dass durch die Abgrenzung wenig erreicht wird.

Ich verstehe die Koalitionsfraktionen, wenn sie ein Stück weit dem Verdacht folgen, dass der Kollege Bialas und seine Fraktion mit diesem Antrag auch ein bisschen antreiben wollen. Das ist schon so, und das soll auch, glaube ich, so sein. So ist es ja auch im Ausschuss vorgesehen. Die Ministerin hat angekündigt, dass sie dazu vortragen wird. Deswegen stehen sowohl der Antrag als auch der heute hier eingebrachte Antrag schon auf der Tagesordnung. Insofern glaube ich, dass wir eine konstruktive Debatte dazu führen können.

Wir müssen aber so ehrlich sein und sagen, dass wir als Land die Kommunen natürlich nicht aus ihrer Verantwortung entlassen können. Dafür reicht der von Ihnen erfreulicherweise jetzt um jährlich 20 Millionen € erhöhte Landeskulturetat nicht aus. Insofern müssen wir klar zum Ausdruck bringen, dass dies in der von Ihnen jetzt geplanten Form ein Zeichen des Landes ist, mit dem deutlich gemacht wird, dass das Land sehr daran interessiert ist, dass die Kommunen die kulturelle Vielfalt, die sie seit vielen Jahren und Jahrzehnten gewährleisten, erhalten.

Wir sind vor allem deshalb froh, weil wir in Nordrhein-Westfalen diese Breite in der Fläche an Angeboten haben. Das Theaterland Nordrhein-Westfalen hat nach wie vor eines der dichtesten Angebotsnetze weltweit. Daran wollen wir festhalten.

Dass dazu ein Beitrag organisiert wird, ist gut. Es ist die Pflicht der Opposition, dieses in entsprechenden Anträgen zum Ausdruck zu bringen. Auf diese Art hat die SPD aus meiner Sicht eine Reihe Denkanstöße mitgegeben, die wir in die Diskussion mit einbeziehen müssen. Manches davon wissen wir schon, weil es schon länger so gehandhabt wird. Anderes kann man möglicherweise auch anders sehen. Insofern freue ich mich auf die weitere Debatte im Ausschuss. Wir stimmen der Überweisung gerne zu. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die AfD-Fraktion spricht Frau Kollegin Walger-Demolsky.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kultur interessiert nicht so viele, weder bei Ihnen noch bei uns. Das ist so, und damit leben wir. Dennoch ist der Kulturetat angestiegen. Das begrüßt nicht nur Herr Keymis, das begrüßen wahrscheinlich alle, die im Kulturausschuss sitzen, so auch ich für die AfD.

Herr Bialas, ich verstehe, dass Sie Ihren Antrag gestellt haben – sogar im Hinblick darauf, dass in der nächsten Kulturausschusssitzung eigentlich eine Erklärung erwartet wird. Der Zeitraum, den man sich bisher gelassen hat, ist sehr lang. Die Information, vor Ort würden Gespräche geführt, beunruhigt auch uns, denn hinsichtlich der Kriterien gehen die Meinungen doch weit auseinander. Ich warte jetzt einfach mal die Kriterien ab, die uns in der nächsten Woche vorgestellt werden.

Nichtsdestotrotz kann man über Ihre Punkte diskutieren, wie es Herr Keymis auch angeregt hat. Das möchte ich jetzt auch tun.

Es geht gleich los mit der Orientierung an der Leistungsfähigkeit. Schon da stellt sich das erste Problem: Sollen Städte wie Hagen oder Bochum, deren Haushalt durch Währungsspekulationen nachhaltig belastet ist, höher gefördert werden, weil deren Leistungsfähigkeit eventuell schwächer ist? Das ist sicherlich eine Frage.

Nächster Punkt: Geschlechtergerechtigkeit. Was soll das sein? Eine Quotenregelung, zum Beispiel in Theatern, vielleicht sogar durch eine Reduktion von Stücken, die mehr männliche Schauspieler haben als weibliche? Geschlechtergerechtigkeit gerade in diesem Bereich finde ich schwierig. In anderen Bereichen – dort, wo es gut umsetzbar ist – wird dem schon heute Rechnung getragen.

Gut finde ich Ihren Punkt 5, der ausdrücklich unsere Zustimmung findet; denn kulturelle Bildung soll von Theatern und Orchestern durchaus aktiv unterstützt werden. Ein Zusammenspiel von Bildung und Kultur ist notwendig. Hier gibt es noch Defizite – vielleicht nur in einigen Städten, vielleicht in allen; das kann ich nicht beurteilen. Etwas Antrieb aus der Landesregierung wäre da nicht schlecht. Das kann ich gut unterstützen.

(Beifall von der AfD)

Was aber fehlt – und da hoffe ich auf den CDU-Anteil der Regierung –, ist der Ausbau des kulturellen Angebots im ländlichen Raum. Wir reden hier zwar über sehr viele Theater und Orchester, aber vorwiegend in den Ballungszentren und den Städten. Wenn Sie beispielsweise in Gronau wohnen, wie weit fahren Sie da, bis Sie ein Orchester anhören können? Da ist der Weg schon enorm, den der Gronauer bis zum nächsten Theaterstandort oder Orchesterstandort fährt. In Bochum hingegen habe ich mit Dortmund, Gelsenkirchen, Essen, Düsseldorf und Duisburg ein großes Umfeld; dort habe ich eine Riesenauswahl.

Da fehlt mir bei Ihnen eine Forderung. Diese Forderung möchte ich in den Raum stellen. Ich vertraue einfach darauf, dass die neue Landesregierung, in der sehr viele Politiker aus dem ländlichen Raum sitzen, diesen Aspekt mal berücksichtigt.

Überflüssig, wie Herr Petelkau den Antrag genannt hat, finde ich ihn nicht. Generell möchte ich noch einmal betonen: Dieser Antrag gibt Anstöße und Anregungen. Wir sind uns sicherlich nicht in allen Punkten einig. Ich bin gespannt, wie viel Übereinstimmung es nächste Woche gibt.

Ich werde meine Entscheidung, welchen Einzelpunkten ich zustimmen kann, ganz parteiunabhängig treffen. Das gilt sowohl für das, was uns die Regierung vorstellen wird, als auch für Ihren Antrag. Daher wäre es vielleicht sinnvoll, wenn man die einzelnen Punkte im weiteren Bearbeitungsverlauf voneinander trennt. Dann finden Sie sicher etwas mehr Zustimmung. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die kommunalen Theater und Orchester sind eine tragende Säule des Kulturlebens und auch des Kulturangebots in Nordrhein-Westfalen. Der vorliegende Antrag der Fraktion der SPD thematisiert dies, und auch der Antrag der Fraktion der CDU und der FDP „Kommunale Theater und Orchester in Nordrhein-Westfalen sowie die freie Szene stärken – Weiterentwicklung von Strukturen ermöglichen“ vom Herbst des vergangenen Jahres bringt dies deutlich zum Ausdruck.

Folglich ist die gemeinsame Weiterentwicklung und Förderung der kommunalen Theater- und Orchesterlandschaft ein zentrales kulturpolitisches Vorhaben der Landesregierung. Bei der Finanzierung dieser wichtigen Einrichtungen werden wir die Kommunen unterstützen.

Die Landesregierung hat mit Amtsantritt einen Schwerpunkt im Handlungsfeld Kultur, und zwar in der Stabilisierung der Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur gelegt. Die Rahmensetzung der Neukonzeption für die Förderung sieht eine deutliche Stabilisierung der Förderung der kommunalen Theater und Orchester in den nächsten fünf Jahren vor, wobei wir – es tut mir leid, das sagen zu müssen – natürlich von einem wahrlich niedrigen Ansatz der bisherigen Förderung ausgehen müssen.

Diese Konzeption wurde in den vergangenen Monaten in einem intensiven Arbeitsprozess mit dem Städtetag Nordrhein-Westfalen, dem Deutschen Bühnenverein, dem nordrhein-westfälischen Kultursekretariat Wuppertal, den Intendantinnen und Intendanten der Theater und Orchester, den Generalmusikdirektorinnen und Generalmusikdirektoren sowie den Leitungsteams in allen Sparten der Theaterlandschaft grundsätzlich diskutiert. Mehr Dialog, mehr Transparenz, mehr Partizipation geht gar nicht.

Wir sind in diesem Stadium so gut mit Argumenten beladen, dass wir alles sehr gut einarbeiten können. Es gab dabei viele konstruktive Anregungen aus den einzelnen Bereichen. Impulse sind eigentlich aus allen Diskussionen hervorgegangen. Sie werden derzeit in unser Konzept eingearbeitet.

Da alle im Antrag der SPD genannten Punkte bereits grundsätzlich Berücksichtigung in diesen Diskussionen und in unserer Arbeit gefunden haben, bedarf es dieses vorliegenden Antrags eigentlich nicht mehr, zumal die Forderungen – das muss man einfach deutlich sagen – hinter dem aktuellen Planungsstand zurückstehen. Deshalb ist seitens der Landesregierung auch keine Zustimmung zu diesem Antrag angedacht.

In der März-Sitzung des zuständigen Ausschusses für Kultur und Medien – das wurde hier schon mehrfach gesagt – findet die zweite Beratung des schon genannten Antrags Drucksache 17/524 statt. In diesem Rahmen werde ich dann über die konkreten Pläne und Vorschläge der Landesregierung berichten. Ich freue mich auf den Austausch dort und hoffe auf weiterhin breite Unterstützung für die Arbeit und vor allen Dingen die Stärkung der kommunalen Theater und Orchester. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor, sodass ich an dieser Stelle die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 8 schließen kann.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 17/1992 an den Ausschuss für Kultur und Medien, der die Federführung erhält. Die Mitberatung geht an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Ebenfalls nicht. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

9   Wildschweinbejagung tierschutzgerecht gestalten – Sinnvolle Schutzmaßnahmen gegen die Afrikanische Schweinepest entwickeln

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1982

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Rüße das Wort.

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Afrikanische Schweinepest“ bewegt seit Monaten die Gemüter unserer Bäuerinnen und Bauern, und das völlig zu Recht; denn im Fall des Auftretens der Schweinepest würde es zu Millionenschäden kommen – auch und gerade in Nordrhein-Westfalen, weil wir ein starker Standort der Schweinehaltung sind.

Gleichzeitig – das wird in der Debatte oft vergessen; deshalb will ich das noch mal ausdrücklich erwähnen – kann die Schweinepest auch zu einem erheblichen tierschutzrechtlichen Dilemma führen. Wir reden zwar zurzeit gar nicht darüber, aber ich kann mich gut daran erinnern, zu welchen Bildern der letzte Ausbruch der Schweinepest hier in NRW geführt hat: Da wurden Tausende gekeulte Tiere gezeigt.

Daher sind wir aufgerufen, alles zu tun, um das Auftreten dieser Seuche in Nordrhein-Westfalen zu verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alles zu tun, heißt aber auch, umfänglich an das Thema heranzugehen. Ich bin der Meinung, dass sich die Landesregierung zurzeit – nicht ganz berechtigt – einseitig auf den Wildschweinabschuss fokussiert, und ich glaube, dass Sie das Thema deutlich breiter anfassen müssen. Mit dieser einseitigen Fokussierung machen Sie aus unserer Sicht Symbolpolitik. Es hat etwas Aktionistisches; denn Sie wissen genauso gut wie ich, Frau Ministerin, dass die Wildschweine nicht der entscheidende Faktor sind, wenn es um die Frage geht, ob die Schweinepest nach Nordrhein-Westfalen kommt oder nicht.

Sie haben suggeriert – das finde ich nicht gut –, dass die Schweinepest durch einen massiven Abschuss von Wildschweinen eingedämmt werden könnte. Sie haben im August letzten Jahres eine Presseerklärung herausgegeben, aus der ich kurz zitieren möchte:

„Dies“

– “dies“ meint in dem Fall eine verstärkte Bejagung –

„ist eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen gegen die Afrikanische Schweinepest …, die auch über die Wildschweinpopulation eingeschleppt und verbreitet werden kann.“

Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Hauptfaktor bei der Einschleppung der Mensch ist. Der Mensch ist hierbei entscheidend. Er trägt die Seuche über Hunderte von Kilometern weiter. Es gibt Berechnungen, wonach die Verbreitung über Wildschweine nur ganz langsam geschieht, weil Wildschweine standorttreu sind. Daher stellen sie nicht den entscheidenden Faktor dar.

In diesem Zusammenhang hat ein Überbietungswettbewerb stattgefunden: Wer tut sich beim Wildschweinabschuss am meisten hervor? Da war der Bauernverband mit seiner Forderung, gleich mal 70 % der Wildschweine abzuschießen, ganz vorne mit dabei. „70 % wovon denn?“, fragt man sich; denn keiner weiß genau, wie hoch der Wildschweinbestand eigentlich ist.

Und vor allem: Wo befinden sich die Nutztierschweine überwiegend? – Dort, wo sie gehalten werden, leben relativ wenige Wildschweine. Die Wildschweine leben bei uns in Nordrhein-Westfalen vor allem in den Mittelgebirgslagen. Daher stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, was diese Fokussierung wirklich bringt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Blicken wir einmal zehn Jahre zurück. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands ist unverdächtig, besonders grünennah zu sein. Diese Interessengemeinschaft, Frau Ministerin – Sie werden sie gut kennen –, hat schon vor zehn Jahren gesagt, dass die stärkere Bejagung nichts bringt und nicht funktionieren wird, und zwar auch deshalb nicht, weil die Jagd im Regelfall ein Hobby ist. Die Jägerinnen und Jäger haben gar nicht genügend Zeit, um die Jagd auf Wildschweine zu intensivieren. Wenn man da wirklich etwas erreichen wollte, müsste man mit Berufsjägern herangehen.

Die ISN hat schon vor zehn Jahren gefordert: Wir brauchen vor dem Hintergrund der heranrückenden Seuche eine ganz andere Strategie. – Diese Position der ISN teilen wir ausdrücklich. Auch aus naturschutzfachlicher Sicht sind wir der Meinung, dass der Wildschweinbestand reduziert werden muss. Wenn man das will, dann darf man da aber nicht vor allem über die Jagd rangehen.

Ich glaube, dass die Jagd allenfalls den Bestand halten kann. Eine Reduzierung wird sie nicht erreichen; da bin ich mir ziemlich sicher. Vielmehr gehört dazu die Frage nach der Ausgestaltung von Agrarlandschaft. Es muss auch die Frage gestellt werden – wie wir es in unserem Antrag tun –, ob wir die Fruchtbarkeit von Wildschweinen regulieren möchten. Gibt es Methoden, das zu tun?

Mit Blick auf ASP sind wir klar für diese Trennung. Da gibt es viel entscheidendere Fragen zu klären, wie zum Beispiel die Abzäunung der Rastplätze entlang der Autobahnen A2 und A44. Das sind die Schneisen, über die der Virus letztendlich nach Nordrhein-Westfalen reinkommen könnte. Ist der Verkehrsminister so weit, dass dort Zäune gebaut werden? Werden die Mülleimer ersetzt, sodass sie im Zweifelsfall nicht mehr von Wildschweinen zu öffnen sind? Diese Dinge müssen geschehen. Dann, glaube ich, kommen wir ein Stück weiter.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Norwich Rüße (GRÜNE): Ich komme zum Schluss. – Ganz entscheidend ist die Frage: Können wir in puncto Schweinepest endlich eine Impflösung erreichen? Wenn wir als Politik uns wirklich dazu bekennen würden, dann könnten wir auch einen Impfstoff erhalten.

Das sind die entscheidenden Fragen, die wir mit Blick auf ASP klären müssten. Das würde unseren Bäuerinnen und Bauern wirklich helfen.

Ich freue mich auf die Beratung mit Ihnen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Winkelmann.

Bianca Winkelmann (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der 18. März 2015 wird vielen Abgeordneten noch lange in Erinnerung bleiben. Am 18. März 2015, einem Mittwoch, gab es hier vor dem Landtag ein ganz besonderes Ereignis, das es in dieser Dimension wohl noch nie gegeben hatte und so schnell auch nicht wieder geben wird. Über 15.000 Jäger, Angler und Naturschützer demonstrierten an diesem Tag vor dem Landtag und forderten ihren damaligen Minister Johannes Remmel auf, notwendige Änderungen im Landesjagdgesetz zu berücksichtigen – wie wir aus der Historie wissen, ohne Erfolg.

Daher ist der vorliegende Antrag in vielfacher Hinsicht mehr als erstaunlich. Uns überrascht doch sehr, in einem Antrag der Grünen Forderungen nach Schussschneisen im Mais, Nachtsichtgeräten und vor allem danach zu finden, die Fallenjagd zu prüfen – und das alles knapp zwei Jahre, nachdem Ihr ehemaliger Minister mit der Verabschiedung des Landesjagdgesetzes über die Köpfe aller Beteiligten hinweg die Jägerschaft in Nordrhein-Westfalen mehr als ins Abseits gestellt hat.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Weiterhin überrascht uns dieser Antrag auch, weil – das sollten Sie eigentlich schon bemerkt haben – in Nordrhein-Westfalen und bundesweit bereits viele der von Ihnen geforderten Maßnahmen umgesetzt wurden. Deshalb kommt mir der Antrag teilweise ein bisschen wie ein Scheinantrag vor.

Nach der Ausbreitung der ASP in Polen, der Ukraine, dem Baltikum und Tschechien hat das Friedrich-Loeffler-Institut das Risiko des Eintrags nach Deutschland durch illegale Verbringung und Entsorgung von kontaminiertem Material als hoch eingeschätzt. Die Gefahr eines Viruseintrags in die Schwarzwildpopulation wird als deutlich höher eingeschätzt als die eines Eintrags in Hausschweinebestände. Daher würde die derzeit hohe Schwarzwilddichte, die – auch das wissen Sie, Herr Kollege Rüße – man natürlich mit Zahlen belegen kann, einer Erregerverbreitung deutlich Vorschub leisten.

So weit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dürften wir uns in der Sache einig sein – zumindest gilt das für die meisten hier im Raum. Allerdings sieht unser Lösungsweg anders aus als Ihrer.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist das Traurige!)

Wir verfolgen den Ansatz, Schwarzwild zur Senkung der Populationsdichte nachhaltig zu bejagen. Eine verstärkte Bejagung ist in diesem Zusammenhang nun einmal von zentraler Bedeutung. Die für das Agrar- und Veterinärwesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder stellten auf der Sonderagrarministerkonferenz unter dem Vorsitz unserer Ministerin bereits im Januar dieses Jahres gemeinsam fest, dass regional das Erfordernis besteht, die Schwarzwildbestände durch jagdliche Maßnahmen deutlich intensiver zu regulieren.

Daher stehen wir hinter dem Erlass, die Schonzeit mit sofortiger Wirkung bis zum 31. März 2021 aufzuheben und in Abstimmung mit den Jägern die Jagd auf Schwarzwild zu erleichtern.

Mir ist es an dieser Stelle ganz besonders wichtig, zu betonen, dass die Jäger in Nordrhein-Westfalen nicht für die Seuchenprävention verantwortlich gemacht werden sollten. Sie sind vielmehr als Partner der Landwirtschaft zu sehen, die im Schulterschluss mit den Bauern im Lande ihr Möglichstes tun wollen, um die Ausbreitung der Seuche so lange wie möglich zu verhindern.

In Nordrhein-Westfalen gibt es darüber hinaus schon seit langer Zeit weitere wirkungsvolle Maßnahmen. Wenn Sie, liebe Kollegen von den Grünen, nach Zäunen an allen Autobahnraststätten in Nordrhein-Westfalen rufen, kann ich nur fragen: Wie lange soll es bitte dauern, bis alle Raststätten, Rasthöfe und sonstigen Verweilmöglichkeiten in Autobahnnähe eingezäunt sind? Diese im Ansatz möglicherweise durchaus richtige Maßnahme würde kilometerlange Einzäunungen bedeuten, die gar nicht so schnell umsetzbar sind.

Viel wichtiger ist es deshalb, dass vom zuständigen Ministerium schon jetzt Maßnahmen an den Autobahnen umgesetzt worden sind, zum Beispiel durch Aufklärung in Form mehrsprachiger Hinweisschilder, die auch Menschen aus Ländern, in denen der Erreger bereits grassiert, verstehen können.

In Ihrem Antrag ist mir neben den üblichen Beschuldigungen in Richtung Landwirtschaft und Jägerschaft noch ein Punkt besonders ins Auge gesprungen – Sie haben es vorhin auch kurz erwähnt –: die Pille fürs Schwein, oder richtiger – ich zitiere –: die antikörperbasierte Empfängnisverhütung.

Auch wenn wir uns durch die vorrückende Verbreitungsgrenze der Afrikanischen Schweinepest in einer besonderen Situation befinden, werden wir als NRW-Koalition den Tierschutz ganz bestimmt nicht aus den Augen verlieren. Nach einer aktuellen Einschätzung der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz ist das Vergiften von Wild oder eine medikamentöse Fruchtbarkeitskontrolle verboten, und sie muss verboten bleiben, da von derartigen Maßnahmen Schmerzen, Leiden und Schäden für die Zielart, insbesondere aber auch für viele andere Tierarten, die ebenfalls die Köder fressen könnten, ausgehen.

Wir werden mit aller Wahrscheinlichkeit nicht vermeiden können, dass die Afrikanische Schweinepest Nordrhein-Westfalen erreicht. Aber was kurzfristig getan werden kann, ist auf den Weg gebracht. Detailliert können wir darüber gern weiterhin ohne Zeitdruck im Ausschuss diskutieren.

Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Winkelmann. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Watermann-Krass.

Annette Watermann-Krass (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Afrikanische Schweinepest rückt immer näher an unsere Grenzen und damit auch an unsere landwirtschaftlichen Betriebe heran. Die Bedrohung durch einen möglichen Ausbruch in Deutschland ist auf vielen Ebenen Thema. Frau Winkelmann hat gerade auf die verschiedenen Ebenen hingewiesen: Sowohl auf der Bundes- wie auch auf der EU-Ebene gibt es Überlegungen, mit welchen Maßnahmen der Einschleppung dieser Krankheit nach Deutschland jetzt noch begegnet werden kann.

Noch in dieser Woche hat eine Sondersitzung der Agrarministerkonferenz stattgefunden, um mögliche Präventionsmaßnahmen abzustimmen. Im Januar dieses Jahres beantwortete das Ministerium unsere Fragen zur ASP mit einem ausführlichen Bericht im Fachausschuss. Auch bei den letzten regulären Sitzungen der Agrarministerkonferenz stand das Thema auf der Tagesordnung.

Ebenfalls erst im Januar dieses Jahres wurde vereinbart, bestehende Aufklärungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen nochmals zu intensivieren. Da das Risiko der Verschleppung vor allem durch menschliche Aktivitäten erhöht wird, sollen die bestehenden Aufklärungsmaßnahmen nochmals verstärkt werden. Auch das haben Sie eben ausgeführt, Frau Winkelmann.

Der Antrag legt auch auf die Wildschweinbekämpfung einen Schwerpunkt. In Bezug auf diese Problematik kann ich nur darauf hinweisen: Ja, es gibt eine historisch hohe Wildschweindichte im Land. In den letzten 45 Jahren ist die Schwarzwildstrecke von 4.000 auf knapp 40.000 Stück jährlich angewachsen – eine unwahrscheinlich große Menge.

Wie im Antrag erwähnt, gibt es mehrere Gründe für diese stetige Zunahme der Wildschweinbestände – wir wissen das –: Maisanbau, Klimaveränderungen, dadurch bedingt gute Mastjahre bei Buche und Eiche und natürlich die milden Winter. Als Reaktion hat das NRW-Umweltministerium mit Beginn dieses Jahres die Schonzeit für Wildschweine bis Ende März 2021 aufgehoben.

Also, alle Möglichkeiten müssen überprüft werden. Vor allen Dingen auf dem Transportwege müssen im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten die Bundespolizei oder aber die Zollbehörden die Kontrollen sicherstellen. Grenzkontrollen halten wir für nicht machbar. Vor allem auf den Rastplätzen müsste noch stärker kontrolliert werden.

Hinsichtlich der Impfung wissen wir – es gab jetzt mehrere Berichte zu diesem Thema –, dass es etliche Jahre dauern wird, bis wir einen Impfstoff entwickelt haben. Wildschweine gehen ja auch in den Verzehr.

Damit eine ganzjährige Bejagung erlaubt ist, braucht es natürlich Fördermaßnahmen. Wie setzen wir das Wildschweinfleisch ab? Beispielsweise wird die Trichinenschau übernommen. Das sind sicher sinnvolle Maßnahmen. Ob unsere Jäger allerdings – Sie haben das so ausgeführt – überhaupt in der Lage sind, die vorhandenen Mengen an Wildschweinen – selbst in den Städten gibt es Vorkommen; das zeigt sehr gut das Beispiel der Stadt Itzehoe – zu bekämpfen, Frau Winkelmann, das ist wirklich die Frage.

Sie finden kaum noch Jagdpächter, die solche Jagdpachten übernehmen wollen, da sie den Landwirten die entstandenen Schäden bezahlen müssen. Eins ist klar: Jäger wollen keine Schädlingsbekämpfer werden; dazu wollen sie nicht degradiert werden.

Zur Forderung von neuen Jagdstrategien – Brandenburg probiert es ja gerade mit Nachtsichtgeräten aus –: Ob die Fallenjagd, die die Grünen gerade bei der Novellierung des Jagdgesetzes immer infrage gestellt haben, tierschutzrechtlich machbar ist, geben wir doch sehr zu bedenken.

Mit diesem Antrag wird versucht, die drohende Gefahr abzuwenden. Wir Sozialdemokraten sind überzeugt, dass sich alle Ebenen – Land, Bund und EU – diesem dringenden Thema stellen müssen. Gute Zusammenarbeit, gute Information und gute Abstimmung sind dabei wichtig.

Denn eins muss dabei ganz deutlich zum Ausdruck gebracht werden: Ein ASP-Ausbruch zöge große Schwierigkeiten nach sich und wäre mit massiven wirtschaftlichen Folgen für die Agrarwirtschaft verbunden. Im Bericht konnten wir nachlesen, dass der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes davon ausgeht, dass bei Ausbruch der Seuche locker mit Kosten in Höhe von ca. 2 Milliarden € pro Jahr zu rechnen ist.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Annette Watermann-Krass (SPD): Wir stimmen der Überweisung zu. Von SPD-Seite geben wir allerdings zu bedenken, dass der Antrag sehr detailreich ist. In einigen Punkten sehen wir das kritisch, zum Beispiel bei den Grenzkontrollen und der Fallenjagd. Wir freuen uns aber auch auf aktuelle Informationen im Ausschuss. Wir müssen an dem Thema dranbleiben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Watermann-Krass. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Diekhoff.

Markus Diekhoff (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen über einen grundsätzlich interessanten Antrag zur Gesamtproblematik ASP. Ich freue mich, dass die auch Grünen diese Gefahr wahrnehmen und erkennen, dass man verschiedene Lösungsstrategien nutzen muss, um das Problem in den Griff zu bekommen. Denn mit Blick auf den möglichen wirtschaftlichen Schaden ist das ein großes Problem.

Problematisch ist auch die Frage, wie man das Ganze angeht. Ich bin mir nicht sicher, ob die Jägerinnen und Jäger in Nordrhein-Westfalen hier unbedingt Nachhilfe von den Grünen haben möchten. Sie haben in den letzten Jahren nicht unbedingt für ein sonderlich gutes Verhältnis und für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gesorgt. Ich weiß daher nicht, ob die Landwirte ein großes Vertrauen in Ihre Lösungskompetenz setzen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Ich kann mich nicht beklagen!)

Das größere Problem an dem Antrag ist aber, dass er in sich etwas widersprüchlich ist. In Ihrer Rede haben Sie auf der einen Seite ausgeführt, dass Wildschweine nicht in hohen Populationen in den Mastgebieten zu finden seien. Auf der anderen Seite sprechen Sie aber davon, dass man mit chemischen Mitteln an die Kastration herangehen müsse, um die Bestände zu senken. Das widerspricht sich ein wenig. Das findet sich auch in dem Antrag wieder.

Sie beklagen auf der einen Seite gleich zu Beginn, dass Jägerinnen und Jäger zu wenige Wildschweine schießen. Dabei übersehen Sie auf der anderen Seite, dass die Jagdstrecken, die Sie als Ergebnis heranziehen, noch vor den Bemühungen der Landesregierung um höhere Abschusszahlen benannt wurden. Sie übersehen auch, dass Sie in den letzten Jahren durch das angeblich ökologische Jagdgesetz selbst massiv dazu beigetragen haben, die Strecken zu reduzieren.

Wir hatten die Reduzierung von Kirrmengen. Wir haben die Verringerung von Kirrungen pro Hektar.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Schauen Sie sich die Abschusszahlen doch mal an! Das stimmt doch nicht!)

– Doch, die Zahlen könnten noch höher sein, wenn Sie das Ganze nicht so erschwert hätten. Sie haben teilweise Nachtjagdverbote in Staatsforsten erteilt. Sie haben verschiedene Kleinigkeiten eingeführt, die das Jagen erschweren, die in den vergangenen Jahren zu Recht kritisiert worden sind. Das hat die Arbeit für die Jägerinnen und Jäger nicht einfacher gemacht.

Sie kritisieren im gleichen Atemzug den massenhaften Abschuss, den Sie vorher aber gefordert haben. Dann folgt ein Punkt, den Sie im Ausschuss noch einmal erklären müssen, nämlich der waldökologische Nachteil einer intensiven Wildschweinbejagung. Das habe ich noch nicht verstanden.

Als Nächstes kommen wir zu der wildschweinsicheren Umzäunung von Autobahnraststätten; das war gerade schon ein paar Mal Thema. Man muss sich das mal bildlich vorstellen! Wie soll das denn funktionieren? – Wenn Sie eine Autobahnraststätte einseitig einzäunen, dann sind die Wildschweine geruchstechnisch immer noch in der Lage, zu erkennen, was sich dahinter befindet. Die wollen dann dahin.

Das eine Problem wäre, dass sie dann auf die Autobahn laufen. Das bedeutete eine extreme Verkehrsgefährdung. Das andere Problem wäre, dass man zumindest nachts die gesamte Raststätte sperren müsste, weil die Wildschweine im Dunkeln durch die Einfahrt hereinkämen. Man bräuchte dann also von der Bundespolizei gesicherte Tore. Die öffnen und schließen dann die Tore für jedes Auto und für jeden Lkw, der Einlass begehrt?! Das ist in der Praxis überhaupt nicht umsetzbar. So kann das nicht funktionieren.

Des Weiteren findet sich im Antrag die Untersuchung von Fallwild und Jagdstrecken. – Das macht die Landesregierung bereits. Diese Maßnahmen sind eingeleitet.

In einem weiteren Absatz ist die Beschwerde aufgeführt, dass von Wildschweinen in hohem Bestand ein immenser Schaden an Nutzpflanzen und eine Gefährdung seltener Bodengüter ausginge. – Das ist eines der Kernthemen, die schon im Bereich des ökologischen Jagdgesetzes aufs Tablett kamen. Dazu haben wir gesagt: Wir wollen stärker bejagen. Sie dürfen die Wildschweinjagd nicht durch geringere Kirrmengen usw. deshalb einschränken, weil wir eine Gefährdung von Bodengütern haben. Seinerzeit haben Sie es verneint – jetzt steht es hier im Antrag.

Dann beklagen Sie die Ausbreitung von Mais, was ja auch nicht ganz ohne Zutun der Grünen ermöglicht wurde. Es gab mal eine grüne Ministerin, die die Landwirte dazu aufgefordert hat, Energiewirte zu werden.

Des Weiteren kritisieren Sie die ganzjährige Fütterung von Schwarzwild. Diese ist im Landesjagdgesetz jedoch verboten. Die gibt es im Prinzip gar nicht, außer in extremen Ausnahmesituationen, wie nach großflächigen Waldbränden. So, wie es in Ihrem Antrag steht, ist es nicht möglich.

Schließlich kommen noch die Nachtsichtgeräte. Da sind wir aber schon dran.

Es geht in dem Antrag auch um die Fallenjagd auf Wildschweine, die hoch umstritten ist und zu Recht nicht durchgeführt wird. Sie ist tierschutzrechtlich hart an der Grenze und produziert Bilder, die keiner sehen will. Sie berücksichtigt den Muttertierschutz nicht; in der Form ist das nicht möglich. Das ist nicht waidgerecht, das lehnen wir ab.

Wir haben die Pille, die völlig indiskutabel ist. Zudem wäre es definitiv das Ende aller Vermarktungsbemühungen von Wildfleisch, wenn wir auch da mit Medikamenten arbeiten würden.

Der Antrag ist fachlich unsauber und widerspricht sich ein wenig. Ich bin gespannt, ob Sie im Ausschuss ein wenig Licht hineinbringen; wir werden es sehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Diekhoff. – Für die AfD spricht Kollege Tritschler.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind positiv überrascht von den Grünen. Offenbar ist nicht alles, was in Afrika seine Heimat hat und ungefragt über die Grenze kommt, eine Bereicherung. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Erkenntnisgewinn!

(Beifall von der AfD – Zuruf von den GRÜNEN)

Die Afrikanische Schweinepest ist eine ernst zu nehmende Bedrohung für unsere Agrarwirtschaft. Das ist richtig, und das war auch schon richtig, bevor die Grünen das Thema für sich entdeckt haben; denn zu Ihrer Regierungszeit – es klang eben schon an – haben Sie kräftig zu den Problemen beigetragen, die Sie jetzt vermeintlich lösen möchten.

Die Mais- und Rapsmonokulturen, die zu einem nicht unerheblichen Anteil zu den explodierenden Schwarzwildbeständen beitragen, sind eine direkte Folge Ihrer Energiepolitik. Bis vor gut einem halben Jahr haben Sie noch den Umweltminister gestellt, der wahrscheinlich aus gutem Grund gerade nicht hier ist. Warum hat er eigentlich nicht schon die Schonzeiten geändert? Warum war Herr Remmel schwerpunktmäßig damit befasst, die nordrhein-westfälische Jägerschaft, die man jetzt dringender denn je braucht, mit seinem sogenannten ökologischen Jagdgesetz zu traktieren? Aber gut, mit Ihrer Schizophrenie müssen Sie selber leben.

Nicht alles in Ihrem Antrag ist verkehrt. Die AfD-Fraktion hat auch im Rahmen der Haushaltsberatungen erste Bemühungen der Landesregierung unterstützt, die Afrikanische Schweinepestgefahr einzudämmen.

Ja, die Aufhebung der Schonzeiten ist ein erster Schritt in die richtige Richtung; denn die massive Ausweitung der Bestände ist nicht nur wegen der Krankheitsgefahr ein massives Problem für die hiesige Landwirtschaft. Auch dass die Grünen plötzlich die Lockerung waffenrechtlicher Vorschriften für Jäger zumindest prüfen wollen, ist schon einmal ein Fortschritt.

Abenteuerlicher wird es dann bei den Alternativen zur Bejagung. So wollen Sie zum Beispiel Antibabypillen ausbringen, um die Sauen unfruchtbar zu machen. Das ist sehr abenteuerlich, besonders weil diese Partei sonst bei jeder Innovation der Pharmaindustrie in wilde Hysterie verfällt. Autobahnraststätten gegen Schweine abzusichern, ist sicher keine schlechte Idee, aber auch kein kurzfristiger Lösungsansatz.

Allzu oft dringt dann allerdings doch wieder die grüne Ideologie ans Licht. Das Problem sei grundsätzlich nicht das Tier, sondern der Mensch, heißt es im Antrag. – Viel treffender kann man die ganze Verrücktheit Ihrer Politik eigentlich nicht beschreiben. Nein, meine Damen und Herren, bei der Schweinepest ist das Schwein das Problem, nicht der Mensch.

Genauso wenig gibt es ein grundsätzliches Akzeptanzproblem bei der Bejagung von Wildschweinen. Ja, Ihre Filterblase aus wohlstandsverwahrlosten Großstadtbewohnern, die die Natur in erster Linie nur aus Fernsehdokumentationen kennen,

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Wo kommen Sie denn her? – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

mag beim Gedanken …

(Zurufe von den GRÜNEN)

– Ich bin da aufgewachsen, ich kann Sie beruhigen. – … an Jäger die Nase rümpfen. Aber das ist nicht gottgegeben, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Hetze durch Ihre Gesinnungsgenossen, meine Damen und Herren von den Grünen.

Fragen Sie lieber einmal auf dem Land – da, wo Sie nicht so oft gewählt werden, aber vielleicht wohnen Sie da –, wie die Menschen das sehen, dann werden Sie ein differenzierteres Bild bekommen. Tatsächlich tragen die Jäger, denen Sie seit Jahren so beherzt vor das Schienbein treten, großenteils ehrenamtlich und mit viel Engagement bereits jetzt die Hauptlast dieses Problems.

Meine Damen und Herren, es ist klar ersichtlich, dass es Ihnen hier nicht um die Sache geht, sondern um Selbstdarstellung. Gleichwohl handelt es sich bei der Afrikanischen Schweinepest um eine große Gefahr für die deutsche Landwirtschaft. Wir werden uns dem Dialog zu den Lösungsmöglichkeiten nicht entziehen und freuen uns daher auf die Ausschussdebatte.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. – Als nächster Redner hat der fraktionslose Abgeordnete Pretzell das Wort. Bitte schön, Herr Pretzell.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Offenbar geht überhaupt kein Thema und keine Rede mehr ohne einen Kalauer. Bei meinem Vorredner fehlte eigentlich nur noch ein Kalauer über das Schwarzwild, aber der kommt vielleicht bei der nächsten Rede.

Meine Damen und Herren von den Grünen, auf der einen Seite bin ich über so viel Realismus beim Thema „Jagd“ hocherfreut, auf der anderen Seite ist eben schon darauf hingewiesen worden, dass manches widersprüchlich ist. Aber kommen wir auf die positiven Aspekte zu sprechen.

Positiv zu bewerten ist, dass Sie überhaupt naturschutzpolitische Gründe für eine Bejagung und Reduktion von Wildschweinpopulationen anführen, denn das hört man von Ihnen nicht so häufig. Oft hört man von Ihnen, dass jede Form der Bejagung ein Eingriff in die Natur sei.

Nein, eine Bejagung ist sehr häufig – insbesondere wenn sie, wie in Deutschland, sehr verantwortungsbewusst passiert – aktiver Naturschutz. Das sollten wir hier anerkennen. Und dazu, dass es sich um Hobbyjäger handelt, sage ich: Umso besser, wenn sich Menschen im Rahmen eines Hobbys auch noch dem Naturschutz widmen. Das sollten Sie nicht nur heute, sondern immer unterstützen.

Dabei sollten Sie aber nicht über das Ziel hinausschießen. Dass ausgerechnet Sie Schussschneisen im Mais verlangen und auf Wildschweine mit Fallen losgehen wollen, finde ich bemerkenswert. Aber das ist so ziemlich das letzte Wild, das man mit Fallen bejagen sollte. Normalerweise war da bei Ihnen immer die absolute Grenze, wenn man über die Jagd gesprochen hat. Das ausgerechnet bei der Wildschweinbejagung ins Spiel zu bringen, hat etwas, aber Sie sollten noch einmal darüber nachdenken, ob Sie damit nicht doch weit über das Ziel hinausschießen.

Ansonsten kann ich nur sagen: Ja, wir brauchen eine Bejagung der Wildschweinpopulationen, auch wenn die Afrikanische Schweinepest nicht droht. Es gibt in einigen Fällen weitere gute Gründe, die Wildschweine zu reduzieren.

Wenn Sie glauben, dass die Jagd nicht in der Lage ist, die Bestände zu reduzieren, meine ich: Lassen Sie uns das doch einmal versuchen. Lassen Sie uns die von Ihnen geschmähten Hobbyjäger nicht so sehr gängeln.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das klappt doch nicht!)

– Das wird funktionieren, und das schmeckt dann auch noch gut. Wir setzen keine Antibabypille ein, sondern bejagen die Wildschweine. Dafür bekommen wir dann ein wunderbares ökologisch wertvolles Wildfleisch. Und wenn wir es nicht essen, dann geben wir es an die Essener Tafel. Die hat Verwendung dafür. – Herzlichen Dank.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Pretzell. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Schulze Föcking das Wort.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bedrohungslage durch die Afrikanische Schweinepest – kurz: ASP – ist nach wie vor unverändert hoch. Aus diesem Grund habe ich, wie vorhin schon mehrfach gesagt wurde, selbstverständlich dem zuständigen Ausschuss im Januar dieses Jahres einen umfangreichen Bericht zum Thema „Afrikanische Schweinepest“ gegeben.

Es freut mich, dass die Antragsteller die Bedrohungslage durch die ASP nun ebenfalls erkennen und sich dem bereits eingeleiteten Handeln der Landesregierung und meines Hauses anschließen.

Schon am 28. Juli 2017 wurde ein Erlass mit dem Titel „Sicherungsmaßnahmen an Autobahnraststätten und Parkplätzen zur Absenkung des Risikos einer Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest“ verschickt, Herr Rüße. Denn eines der größten Einschleppungsrisiken geht in der Tat vom Personen- und Fahrzeugverkehr aus belasteten Regionen aus.

Ich möchte meinem Kollegen aus dem Kabinett, dem Kollegen Wüst und dem Verkehrsministerium, Dank und Lob aussprechen, weil er genau an dieser Stelle unterstützend tätig ist, und zwar ganz unkompliziert. Auch anlässlich des Sturmtiefs „Friederike“ hat er angemerkt, dass die Wildschutzzäune entlang der Rastanlagen überprüft und instand gesetzt werden müssen. Die Mülleimer an den Rastanlagen werden häufiger entleert. Es gibt dementsprechend einen sehr guten Austausch zwischen den Häusern. Wie Sie sehen und hören: Wir handeln bereits, und das schon lange.

Eine weitere Herausforderung sind unsere hohen Schwarzwildbestände. Auch hier haben wir bereits sehr früh konkrete Schritte eingeleitet:

Im Juli 2017 wurde die Schonzeit von Überläufern aufgehoben.

Seit Anfang August 2017 übernehmen wir die Kosten für die Trichinenuntersuchung bei Frischlingen.

Seit Januar 2018 gilt eine komplette Aufhebung der Schonzeit – außer natürlich für führende Bachen mit gestreiften Frischlingen; die werden geschont.

Die Wildforschungsstelle hat bereits ein Bejagungskonzept erarbeitet, welches sich natürlich an den wildbiologischen Erfordernissen orientiert.

Bei den notwendigen Schritten, die Schwarzwildbestände zu reduzieren, sehen wir die Jägerschaft als einen ganz wichtigen Partner an unserer Seite und sind dankbar, dass sie vor Ort so kompetent mit dabei sind.

Ebenso wichtig wie konkrete Maßnahmen in der Fläche ist mir, einen engen Informations- und Erfahrungsaustausch mit den betroffenen Akteuren zu führen. Hierzu hat mein Haus ebenfalls, beginnend im letzten Jahr, also 2017, gemeinsame Termine mit Vertretern aus der Jägerschaft, der Veterinäre, der Land- und Forstwirte, der Fleischwirtschaft, des Lebensmitteleinzelhandels und vielen weiteren durchgeführt, Herr Rüße. Eine enge Abstimmung und ein konstruktiver Austausch sind unerlässlich. Wie Sie sehen und hören: Wir handeln hier bereits.

(Beifall von der CDU)

Als der Agrarministerkonferenz vorsitzendes Land haben wir das Thema auf die Tagesordnung der Sonder-AMK am 18. Januar in Berlin gesetzt und mit unserem Abschlusspapier ein mit Bund und Ländern abgestimmtes Vorgehen beschlossen.

Des Weiteren fand im Februar dieses Jahres ein interdisziplinäres Treffen in Brüssel statt, bei dem Vertreter aus meinem Hause sich mit Kolleginnen und Kollegen aus den Beneluxländern und aus Frankreich weiter abgestimmt haben. Auch hier wird also gehandelt.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen auch gern vom ASP-Krisengipfel am letzten Montag in Berlin berichten. Wir Länder sind uns einig, dass für den Fall des Ausbruchs der ASP im Wildbestand teilweise nur unzureichende Rechtsinstrumente bestehen, insbesondere für Maßnahmen in der Kernzone. Das betrifft ganz konkret zum Beispiel Jagd- und Handlungsrechte, Betretungs- und Nutzungsverbote sowie Anordnungen von Sicherungsmaßnahmen wie beispielsweise Umzäunungen. Diese Sorge habe ich am Montag in Berlin erneut eingebracht, und wir bekommen dementsprechend Unterstützung von der Bundesebene. Ein gemeinsames Vorgehen ist da ganz wichtig, und wir konnten dahin gehend überzeugen.

Am 12. März dieses Jahres wird es eine Sitzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung Nordrhein-Westfalens geben, um die erforderlichen Rechtsgrundlagen konkret zu erarbeiten und sich über ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren abzustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das im vorliegenden Antrag Geforderte haben wir bereits in Angriff genommen, und in großen Teilen ist es auch schon durchgeführt, wie Sie gerade noch einmal gehört haben. Den Tenor des Antrags verstehe ich daher so, Herr Rüße, dass Sie meine Maßnahmen umfassend unterstützen.

Darüber hinaus können Sie sich sicher sein, dass die genannten Maßnahmen und Aktivitäten nicht abschließend sind. Wir werden alles dafür tun, um eine Einschleppung der ASP möglichst zu verhindern oder sie im Krisenfall schnellstmöglich zu bekämpfen.

(Beifall von der CDU)

Ich danke Ihnen für die Unterstützung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Schulze Föcking. – Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. – Das bleibt auch nach einem Blick in die Runde so.

Wir sind damit am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung, und zwar in diesem Fall über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrats, der uns nahelegt, den Antrag Drucksache 17/1982 an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz zu überweisen. Dort soll dann die abschließende Abstimmung in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer diesem Verfahren zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und AfD. Fraktionslose Abgeordnete sehe ich nicht im Raum. Der Antrag ist damit entsprechend überwiesen.

Ich rufe auf:

10 Alte Straßen schnell, ressourcenschonend, umweltfreundlich und günstig sanieren

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/1444

Beschlussempfehlung
des Verkehrsausschusses
Drucksache 17/1941

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Kollegen Voussem das Wort. Bitte schön.

Klaus Voussem (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Idee klingt verlockend, in einem Bauverfahren mehrere Arbeitsschritte wie das Fräsen, Aufnehmen, Mischen und Einbauen direkt von der Straße auf die Straße zu erledigen. Auch sind grundsätzlich Verfahren zur Material- und Zeiteinsparung begrüßenswert. Einzig: Das ist nichts Neues.

Die in dem Antrag beschriebenen Verfahren Warm- und Kaltrecycling sind Straßen.NRW bereits bekannt. Warum die Verfahren nicht genutzt werden, hat mehrere Gründe.

Der Bundesrechnungshof hat die Praxis des Kaltrecyclings, nachdem es einige Zeit angewandt wurde, gerügt. Bei einer späteren Sanierung fallen nämlich höhere Kosten der Beseitigung an, da altes mit neuem Material gemischt wurde. Belastetes Material, zum Teil krebserregend, muss ohne Ausnahme entfernt und entsorgt werden. Bei der vermeintlich umweltneutralen Variante der AfD wird jedoch belastetes Altmaterial mit frischem, neuem Material gemischt.

Auch das Warmrecycling ist in Nordrhein-Westfalen aufgrund der oftmals nicht gegebenen homogenen Zusammensetzung im Aufbau der Straßen kaum möglich. Meist wird grundständig saniert, und dabei hilft das Verfahren nicht weiter. Kurz: Die Idee besteht den Praxistest nicht. Das beschriebene Verfahren ist bekannt, geprüft, aber verworfen.

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag gibt mir dennoch die Gelegenheit, auf einen anderen Aspekt des begonnenen Neustarts in der Verkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen hinzuweisen; denn die NRW-Koalition hat mit dem Haushalt 2018 ein großes Paket mit vielen Maßnahmen zum Erhalt unseres Landesstraßennetzes geschnürt.

Für den Erhalt stehen in diesem Jahr rund 160 Millionen € zur Verfügung, für den Ausbau 37 Millionen €. Diese Mittel werden wir auch verbauen; das haben Sie mit der Veröffentlichung des Landesstraßenbau-programms und des Landesstraßenerhaltungsprogramms sicherlich bereits zur Kenntnis genommen.

Allein die von der AfD vorgeschlagenen Verfahren helfen hierbei nicht. Aufgrund der anfangs genannten Punkte werden wir den Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Voussem. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Börner das Wort. Bitte schön.

Frank Börner (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Landesbetrieb Straßen.NRW arbeitet hoch professionell und effizient. Er wird sachlich und fachlich die richtigen Maßnahmen treffen, um das Straßennetz zu pflegen und bedarfsgerecht auszubauen. Jetzt, da Geld vom Bund fließt, wird es hier bald rundgehen.

Also: Der Antrag ist durch Handeln von Straßen.NRW eigentlich erledigt. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Börner. – Für die Fraktion der FDP hat nun Herr Kollege Middeldorf das Wort.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie wissen, die FDP-Fraktion ist immer für Technologieoffenheit zu haben, auch für neue Ansätze, insbesondere in der augenblicklichen Zeit, in der wir tatsächlich jede Idee brauchen können, um die Versäumnisse der Vergangenheit bei der Sanierung unseres Straßennetzes aufzuarbeiten.

Das, was die AfD hier vorschlägt, ist leider der völlig falsche Ansatz. Das Verfahren ist erstens nicht neu. Es ist hinlänglich ausgetestet, ausprobiert worden und hat sich als falscher Weg herausgestellt. Vor dem Hintergrund können wir einem solchen Antrag nicht zustimmen.

Es gibt aber noch einen zweiten wichtigen Grund, den auch der Kollege Voussem schon angesprochen hat. Der Bundesrechnungshof hat ein solches Verfahren ganz klar als langfristig teurere Maßnahme gebrandmarkt. Vor dem Hintergrund verbietet sich eine ernsthafte Verfolgung dieses Ansatzes. Deswegen werden wir den Antrag auch hier, genauso wie wir es im Verkehrsausschuss bereits getan haben, ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Middeldorf. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Klocke das Wort. Bitte schön.

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in einigen Punkten eben schon angesprochen worden: Das Verfahren, das hier vorgeschlagen wird, ist von Straßen.NRW getestet und nicht für gut befunden worden. – Vielleicht wäre es gut, wenn sich die AfD-Fraktion einmal in die Materie einarbeiten würde. Schon aus der Sicht ist der Antrag abzulehnen.

Wenn Sie hier einen Antrag vorlegen, der damit beginnt, dass die rot-grüne Vorgängerregierung unsere Straßen hat verrotten lassen und deswegen jetzt ein neuer Straßenbelag nötig ist, dann erwarten Sie von uns ja wohl keine Zustimmung. Deswegen wird Sie unsere Ablehnung nicht verwundern.

Es wäre hilfreich, wenn Sie sich auch in dem Bereich in den Landeshaushalt einarbeiten würden. Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte den Ansatz für die Sanierung von Landesstraßen von 60 Millionen € im Jahre 2010 auf 127 Millionen € im Jahre 2017 heraufgesetzt. Die neue Landesregierung hat jetzt dankenswerterweise, was eine gute Entscheidung war, zusätzlich fast 40 Millionen € in die Hand genommen und diesen Etat noch einmal erhöht.

Die Landesstraßen werden also saniert. Das ist notwendig, es gibt viel Bedarf. Das Verfahren, das Sie dafür vorschlagen, ist seitens unseres Landesbetriebes ausreichend getestet und abschlägig beschieden worden. Auch aus diesem Grund ist Ihr Antrag abzulehnen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klocke. – Für die AfD hat nun als Nächster Herr Abgeordneter Vogel das Wort. Bitte schön.

Nic Peter Vogel (AfD): Danke schön. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor es besser wird, wird es erst einmal schlechter. Diesen Spruch werden sich wahrscheinlich Millionen von Autofahrern und Berufspendlern in Nordrhein-Westfalen für die nächsten zehn Jahre hinter die Windschutzscheibe schreiben müssen.

Nachdem wir jetzt den neuen Landesstraßenzustandsbericht bekommen haben, können wir davon ausgehen, dass wir uns in Nordrhein-Westfalen in den nächsten zehn Jahren mit einem Sanierungsstau von 30.000 bis 40.000 Straßenkilometern auseinandersetzen müssen.

Gewiss – es wurde gerade eben erwähnt –, die neue Landesregierung nimmt jetzt eine gewaltige Summe in die Hand, um unser Straßennetz zu sanieren, das am meisten befahrene und frequentierte Netz in ganz Europa. Wir wären sicherlich gut beraten, nach schnellen Alternativen zu suchen. Denn jede Bautätigkeit, jede neue Baustelle hat leider die unangenehme Eigenschaft, dass Verkehrsengpässe, Umleitungen und Staus entstehen.

Bei dem Verfahren „in situ“ handelt es sich – wie der lateinische Name schon sagt – um Produktionsprozesse vor Ort. In der regulären Straßensanierung wird der alte Asphalt aufgefräst und dann mühsam in Lkw-Flotten verbracht, um zu Deponien gefahren zu werden. Gleichzeitig kommen ganze Flotten von Lkws und bringen das neue Material. Bei der Kaltrecyclingmethode „in situ“ wird der alte Asphalt ebenfalls aufgebrochen, aber dann im Inneren der Maschine computergerecht zerkleinert, also mithilfe von Computerchips. Das Ganze wird mit Bitumen, Wasser, Zement oder anderen ölhaltigen Materialien ergänzt, und hinten kommt die komplette neue Straße heraus. – Das noch einmal zum Verfahren.

Dieses Verfahren ist im Ausland sehr erfolgreich, beispielsweise in den USA, Australien oder in China, und findet dort große Akzeptanz. In China ist die riesige Strecke von Peking nach Shenyang an Stellen und in Teilbereichen, wo es sich lohnte und sinnvoll war, in Rekordzeit in situ entstanden. Wir sollten den Zeitfaktor in den nächsten Jahren nicht aus dem Auge verlieren. Die Strecke von Turin bis Triest ist in sehr großen Teilen in situ fertiggestellt worden. São Paulo experimentiert jetzt damit und wird das Verfahren ebenfalls nutzen.

Deshalb wundert es mich einigermaßen, dass Straßen.NRW bei dieser neuen Technik, die andauernd Erneuerungen erfährt und immer umweltfreundlicher wird, jetzt einen Schlussstrich zieht. Das ist für uns etwas unverständlich.

Man könnte natürlich, was ich gerade auch gehört habe, sagen: Herr Vogel, das ist ein Showantrag. Wir machen das doch längst in Deutschland und hier in Nordrhein-Westfalen. – Da gebe ich Ihnen recht. Wir brauchen nur einmal auf die Zufahrtsstraße zur A52 zu schauen: in situ, saubere Arbeit. Im Grunde genommen ist es eine gute Sache.

In unserem Antrag geht es auch darum, der Straßenbauindustrie ein Zeichen zu geben, dass sie für die nächsten zehn Jahre Planungssicherheit hat. Ich habe eben davon gesprochen, wie viel wir hier zu tun haben. Die Anschaffung dieser Maschinen gerade der neuesten Generation, die weitaus umweltfreundlicher sind, ist natürlich teuer. Dementsprechend brauchen wir eine gewisse Planungssicherheit.

Planungssicherheit kann man auch geben, indem Straßen.NRW beispielsweise einmal durchleuchten würde: Welche Strecken oder Teilabschnitte könnten vernunftgemäß mit dem Verfahren „in situ“ bearbeitet werden? Das sollte sich dann explizit auch in den Ausschreibungen widerspiegeln. Das wäre natürlich ein gutes Signal für die einzelnen Firmen. Denn sie müssen auch wissen: In wie vielen Jahren amortisiert sich eine solche neue Maschine?

Es geht bei dem Entfesselungspaket, von dem so oft gesprochen wird, auch darum, alle Teilnehmer mit ins Boot zu nehmen. Das ist eine innovative Technik, die sich in der ganzen Welt immer noch großer Beliebtheit erfreut.

Was den Umweltschutz angeht, sage ich: Denken Sie allein an Hunderte von Lkw-Transporten, die quer durch die Republik zu den Deponien erforderlich sind. Das ist auch ein Aspekt bei der ganzen Sache.

Es geht darum: „In situ“ ist eine Technik des 21. Jahrhunderts, die andauernd fortentwickelt wird. In den nächsten zehn Jahren haben wir viel zu tun, deshalb sollten wir sie nicht komplett ausschließen. Darum geht es.

Ich fasse zusammen: Diese Technik ist meistens günstiger und in fast allen Fällen sehr viel schneller. Sie ist eigentlich immer umweltfreundlicher, auch in Bezug auf die neueste Generation von Geräten. – Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Wüst das Wort. Bitte schön.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin immer offen für neue gute Ideen. Aber diese Idee ist nicht sonderlich neu, und sie ist auch nicht sonderlich gut, sondern sie ist kalter Kaffee. Deswegen wäre dieser Antrag eigentlich überflüssig gewesen.

Ich bin relativ sicher, dass er mit guten Gründen abgelehnt wird. Alle guten Gründe sind schon genannt worden, die brauche ich nicht zu wiederholen. – Vielen Dank für das Zuhören.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Wüst. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen zur Aussprache zu diesem Punkt liegen mir nicht vor, sodass wir zur Abstimmung kommen können.

Der Verkehrsausschuss empfiehlt in der Drucksache 17/1941, den Antrag Drucksache 17/1444 abzulehnen. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/1444 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer dem Antrag zustimmen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das ist die antragstellende Fraktion der AfD. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Keine Enthaltung. Dann ist der Antrag Drucksache 17/1444 abgelehnt, und wir sind am Schluss von Tagesordnungspunkt 10.

Ich rufe auf:

11 Fragestunde

Drucksache 17/2023

Mit der Drucksache 17/2023 liegen Ihnen die Mündlichen Anfragen 8, 9 und 10 vor. Somit rufe ich nun auf die

Mündliche Anfrage 8

des Abgeordneten Mehrdad Mostofizadeh von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema:

Wie und wann wird der Abschlag auf die Integrationspauschale in Höhe von 100 Millionen Euro verteilt?

Im Zuge der Haushaltsberatungen wurde vonseiten der kommunalen Spitzenverbände wiederholt darauf hingewiesen, dass eine Weiterleitung der Integrationspauschale durch das Land an die Kommunen, wie von CDU und FDP in der zurückliegenden Legislaturperiode des Landtags NRW immer wieder vehement gefordert, weder vollständig (s. CDU-Wahlprogramm zur Landtagswahl 2017) noch teilweise vorgesehen war.

Erst nach deutlichem Protest sowohl im Landtag als auch innerhalb der kommunalen Familie beugte sich die Landesregierung dem öffentlichen Druck und kündigte an, Geld in unbestimmter Höhe an die Kommunen weiterzureichen.

Obwohl die Opposition mit eigenen Änderungsanträgen in Höhe von 175 Millionen Euro zur Weiterleitung der Pauschale an die Kommunen Druck gemacht hatte, stellten CDU und FDP nur den Antrag, den Kommunen in 2018 einen Teilbetrag von 100 Millionen Euro für die Durchführung von Integrationsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist bis heute unklar, wie das Geld rechtssicher verteilt wird und nach welchem Schlüssel dies geschehen soll. Die Landesregierung hat sich bisher weder zum Verteilmechanismus noch zum Zeitplan geäußert und erschwert damit den Kommunen die Planungssicherheit für das laufende Haushaltsjahr 2018.

Daher frage ich die Landesregierung:

In welcher Weise sollen die in Kapitel 07 080 „Gesellschaftliche Teilhabe und Integration Zugewanderter“ Titel 633 20 „Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände für Integrationsmaßnahmen“ etatisierten 100 Millionen Euro rechtssicher an die Kommunen verteilt werden?

Ich darf vorsorglich darauf hinweisen, dass die Landesregierung in eigener Zuständigkeit entscheidet, welches Mitglied der Landesregierung eine Mündliche Anfrage im Plenum beantwortet.

Die Landesregierung hat hierzu angekündigt, dass Herr Minister Dr. Stamp auf die vorliegende Mündliche Anfrage antworten wird. So darf ich dann auch dem Minister das Mikrofon freischalten. Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Mostofizadeh, wir hatten heute bereits eine umfassende Debatte zur Integrationspauschale. Die 100 Millionen € werden in 2018 sachgerecht auf die Kommunen verteilt. Wir haben das zugesagt, und wir machen das auch. Es wird eine gesetzliche Grundlage erarbeitet, die gleichzeitig Grundlage für künftige Entlastungen durch eine mögliche neue Bundesregierung sein kann.

Auch zum Verteilungsschlüssel hatte ich bereits das Notwendige mitgeteilt. Für die Verteilung bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Daran arbeiten das MKFFI und das MHKBG in gemeinsamer Federführung.

Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagene Schlüssel nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz ist aus unserer Sicht nicht sachgerecht. Denn die Gelder für Integration sollen auch für Integration eingesetzt werden. Aus unserer Sicht sind die GFG-Parameter nicht ausreichend. Der Verteilungsschlüssel soll sich am tatsächlichen Bedarf in den Kommunen orientieren. Er soll rechtsicher und einfach in seiner Umsetzung sein, unterschiedliche Belastungen vor Ort berücksichtigen und integrationspolitischen Zielen Rechnung tragen. Er muss eine faire Verteilung der Mittel innerhalb der kommunalen Familie ermöglichen.

Das liegt unseres Erachtens auch auf der Hand – genauso wie es entsprechend des Zeitablaufs auf der Hand liegt, dass genaue Details noch in der Klärung sind. Wir werden Sie zum entsprechenden Zeitpunkt an entsprechender Stelle selbstverständlich über die laufenden Gespräche und Abstimmungen unterrichten.

Die Landesregierung hat sich in Berlin erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Bund sich auch im Jahr 2019 und in den folgenden Jahren an den Kosten der Integration beteiligen will. Ob es jetzt eine Bundesregierung geben wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Wir werden dafür sorgen, dass unsere Kommunen die finanzielle Unterstützung bekommen, die sie für ihre wichtige Arbeit vor Ort brauchen. – Vielen Dank.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Für eine erste Nachfrage hat sich Herr Kollege Mostofizadeh gemeldet. Bitte schön.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin und Herr Minister, herzlichen Dank. Herzlichen Dank auch für die ruhige Bearbeitung des Themas. – Entlastung kann aus meiner Sicht nur dann stattfinden, Herr Minister, wenn vorhandene Maßnahmen zusätzlich finanziert werden. Ich hatte aber den Eindruck – so habe ich Sie auch jetzt verstanden; deshalb frage ich noch mal nach –, dass von der Regierungsfraktion vorgetragen worden ist, keine pauschale Entlastung vornehmen, sondern zusätzliche Integrationsmaßnahmen finanzieren zu wollen.

Das ist Ihr gutes politisches Recht, würde aber sozusagen der Argumentation von vor zwei Jahren widersprechen, als man gesagt hat: Wir müssen das Geld weiterleiten, weil die Integration vor Ort stattfindet. Deswegen müssen wir die Kommunen von der von ihnen geleisteten Arbeit entlasten. Sonst wird da kein Schuh draus.

Meine konkrete Frage lautet: Plant die Landesregierung, die Mittel, die Sie an die Kommunen verteilen will, an ganz bestimmte Integrationsauflagen zu binden, oder sollen diese Mittel vor Ort frei verwendbar sein?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, Sie haben die Gelegenheit zur Beantwortung.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Mostofizadeh, ich würde Ihre Frage beantworten. Wenn Sie noch etwas mit Herrn Bolte klären wollen, kann ich so lange warten. – Das Entscheidende ist, dass die Gelder für Integrationsarbeit ausgegeben und nicht pauschal etwa für andere Dinge in den Kommunen verwendet werden. Wir wissen alle, dass die Situation in vielen Kommunen sehr angespannt ist. Aber trotzdem müssen wir sicherstellen, dass das Geld, das wir im Rahmen der Integrationspauschalen an die Kommunen weitergeben, auch tatsächlich für die Integrationsarbeit da ist.

Das müssen keine zusätzlich kreierten Projekte sein, sondern können auch laufende Projekte sein. Aber klar ist, dass wir einen Schlüssel wählen wollen – da sind wir in der detaillierten Abstimmung mit MHKBG –, der die Zahl der Menschen aus der Zielgruppe berücksichtigt, die tatsächlich vor Ort leben. – Danke schön.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Für eine erste Nachfrage hat sich Herr Kollege Bolte-Richter gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Bolte-Richter.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Minister, für die bisherigen Antworten.

Meine Frage ist: Will die Landesregierung auch künftig trotz der Minderausgaben – wir hatten das heute schon zu einem früheren Zeitpunkt behandelt – von weit über 1,5 Milliarden € im Bereich der Unterbringung von Geflüchteten keine Mittel über das GFG an die Kommunen weiterleiten?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Ja, Herr Bolte-Richter, Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich den laufenden Haushaltsberatungen an dieser Stelle noch nicht vorgreifen kann.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächstes hat sich Frau Kollegin Düker für eine Nachfrage gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön, Herr Minister, für die Beantwortung der Fragen. – Mir erschließt sich die Begründung für diese Summe nicht. Der Finanzminister sitzt neben Ihnen und kann Ihnen die Zahlen noch mal nennen. Angesichts der enormen Minderausgaben und der Mehreinnahmen erschließt sich mir die Entscheidung für 100 Millionen € statt, wie versprochen, 434 Millionen € nicht.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kollegin Düker, wir haben feststellen müssen und haben auch in der Vergangenheit – damals in anderer Rolle – kritisiert, dass 2016 und 2017 von der Landesregierung, die vor uns im Amt gewesen ist, kein Cent der Integrationspauschalen weitergegeben worden ist und auch in der mittelfristigen Finanzplanung kein weiterer Cent vorgesehen ist.

Wir haben in dem Moment, als es den Spielraum gegeben hat, die 100 Millionen auf den Weg gebracht, die den Kommunen vor Ort tatsächlich helfen werden. Wenn Sie die Summe nehmen, die vom Bund gekommen ist, und daran den Verbundsatz der Kommunen messen, kommen Sie ziemlich genau auf die 100 Millionen. Insofern ist das meines Erachtens eine sehr faire Maßnahme gegenüber der Integrationsarbeit der Kommunen vor Ort. – Vielen Dank.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Kollegin Beer hat sich für eine Nachfrage gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Frau Präsidentin. – Danke, Herr Minister. Sie haben eben auf Nachfrage meines Kollegen Bolte-Richter ausgeführt, den Haushaltsverhandlungen nicht vorgreifen zu wollen. Ich möchte Sie aber als Fachminister fragen, welche Vorstellungen Sie denn haben. Wollen Sie aus Ihrer fachlichen Perspektive diese Mittel gerne über das GFG einbringen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Den letzten Satz der Kollegin Beer habe ich akustisch nicht verstanden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, vielleicht können Sie ihm weiterhelfen. Ich gebe Ihnen noch mal das Wort.

Sigrid Beer (GRÜNE): Ich möchte gern Ihre Perspektive als Fachminister hören, mit der Sie in die Verhandlungen – auch in die Haushaltsverhandlungen – gehen. Würden Sie es aus Ihrer fachlichen Perspektive präferieren, dann im GFG die Mittelverteilung vorzusehen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Kollegin Beer, was ich über das GFG auskehren möchte oder was wir in andere Projekte stecken, werden wir im Rahmen der Haushaltsberatungen genau eruieren. Mein Ziel ist es, dass wir es schaffen, für die Integrationsarbeit vor Ort in den Kommunen die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Und diese Mittel wird mein Haus beim Finanzminister entsprechend anmelden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich schaue jetzt mal und sehe noch eine Nachfrage beim Kollegen Mostofizadeh. Bitte schön.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE: Herr Minister, ich möchte noch mal nachfragen, weil auch im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene – Sie haben den Punkt zumindest gestreift – eine Fortzahlung der Integrationspauschale vorgesehen ist. Wenn ich das überschlägig richtig gerechnet habe, läuft das ungefähr die gleichen finanziellen Maßstäbe wie vorher hinaus. Wollen Sie auch künftig nur einen kleinen Teil weiterleiten, oder wie wollen Sie mit dieser Summe umgehen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Das ist eigentlich nicht Gegenstand Ihrer Mündlichen Anfrage. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir auf jeden Fall sicherstellen werden, dass die Kommunen zukünftig die Mittel bekommen, um die Integrationsarbeit auch tatsächlich vor Ort entsprechend leisten zu können.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Mostofizadeh hat sich noch einmal zu seiner dritten und damit letzten Nachfrage zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Der Personenkreis der Geduldeten wird einen immer größeren Anteil der Kosten vor Ort verursachen, was beispielsweise die Unterbringung und Integration anbetrifft. Gibt es schon Pläne, wie Sie finanzpolitisch damit umgehen wollen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Mostofizadeh, Sie sprechen hier ein sehr komplexes Thema an. Das ist aus meiner Sicht eine der ganz großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, dass wir insgesamt sehen müssen, dass wir von der hohen Zahl der Geduldeten insgesamt runterkommen müssen.

Dafür sind verschiedene Maßnahmen notwendig. Zum einen ist dafür notwendig, dass wir im Bereich der freiwilligen Ausreise und auch bei Rückführungen deutlich besser werden. Wir sind dabei, über die Zentralen Ausländerbehörden, die wir zur Unterstützung der kommunalen Ausländerbehörden einrichten, in allen Regierungsbezirken diesbezüglich zu einer effizienteren und besseren Struktur zu kommen.

Wir brauchen darüber hinaus eine andere Herangehensweise in den Ausländerbehörden bei der Verleihung eines dauerhaften Aufenthaltsstatus. Von den §§ 25a und 25b des Aufenthaltsgesetzes – diese Paragrafen würdigen die Integrationsleistung Geduldeter, um ihnen dann einen dauerhaften Aufenthaltsstatus zu geben – wird bisher in zu geringem Umfang Gebrauch gemacht. Wir müssen auf beiden Seiten deutlich besser werden.

Wir werden auch mit dem Bund darüber sprechen, wie sich die Finanzierung der Geduldeten in den Kommunen dauerhaft weiter gestaltet. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in einem sehr hohen Tempo – über die Qualität der Entscheidungen möchte ich an dieser Stelle gar nicht sprechen – sehr viele Entscheidungen getroffen, und dadurch ist die Anzahl der Duldungen angestiegen.

Wir dürfen die Kommunen bei diesem Thema nicht im Stich lassen, und es ist auch klar, dass wir dieses Problem, vor dem die Kommunen stehen, sehen. Ich kann Ihnen zum heutigen Zeitpunkt noch keine finanzpolitische Zusage machen, wie wir die Sache genau regeln. Aber wir werden dazu Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden führen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Weitere Nachfragen zur Mündlichen Anfrage 8 sehe ich nicht, sodass wir am Schluss dieser Mündlichen Anfrage sind.

Ich rufe auf die

Mündliche Anfrage 9

des Abgeordneten Stefan Zimkeit von der Fraktion der SPD zum Thema:

Wer darf was entscheiden – Wie werden in Zukunft Steuer-CDs erworben?

In der Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 1. Februar ist ein offensichtlicher Dissens zwischen den Koalitionsfraktionen deutlich geworden. Bei der Frage über einen möglichen Kabinettsvorbehalt bezüglich des Ankaufs von Steuer-CDs bleibt die Praxis auch weiterhin unklar.

Während der Sprecher der FDP-Fraktion, Ralf Witzel, im Plenum erklärte, es gäbe eine Absprache innerhalb der Koalition, wonach ein solcher Ankauf vom Kabinett entschieden würde, vertrat Minister Lienenkämper in der Ausschusssitzung eine andere Position. Er sagte, es gäbe lediglich eine „kollegiale Information“. Zu welchem Zeitpunkt ist aber offen geblieben.

Da es aber einen wichtigen Unterschied macht, ob andere Ressorts vorab informiert werden bzw. um Erlaubnis gefragt werden oder ob das bisherige Verfahren beibehalten wird, ist eine klare Antwort in dieser Frage unerlässlich.

Ich bitte daher den Ministerpräsidenten um Beantwortung nachfolgender Frage:

Gibt es eine Vereinbarung der Regierungskoalition, dass, wenn es Angebote zum Ankauf von Steuer-CDs gibt, im Kabinett darüber gesprochen werden muss, um den Einzelfall vor einer Kaufentscheidung zu bewerten?

Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Lienenkämper antworten wird. Ich danke Herrn Minister Lienenkämper und schalte ihm das Mikrofon frei. Bitte sehr.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Liebe Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege Zimkeit! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Verfahren bei der Prüfung des Ankaufs von Steuerdatenträgern bleibt unverändert. Über etwaige Ankäufe wird im Einzelfall und nach Abwägung von Chancen und Risiken entschieden. An der bewährten Praxis in Nordrhein-Westfalen beim Ankauf von Steuerdatenträgern ändert sich also gar nichts.

Wir werden das Verfahren, das mein Vorvorgänger Helmut Linssen erstmals angewendet hat, fortführen. Das bedeutet, dass das Ministerium der Finanzen nach Abschluss der Werthaltigkeitsprüfungen durch ein Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung allein über die Frage des Ankaufs der angebotenen Datenträger entscheidet. Deren Erwerb unterliegt keinem Kabinettsvorbehalt. Die Entscheidungsbefugnisse bleiben entsprechend, wie sie sind.

Dieses bewährte Verfahren steht in keinem Widerspruch zu einem kollegialen Stil innerhalb der Landesregierung und des Kabinetts. Wie in anderen Kabinetten anderer Zuschnitte auch ist es natürlich üblich und richtig, die Kolleginnen und Kollegen über politisch besonders bedeutsame Vorgänge außerhalb der Tagesordnung von Kabinettssitzungen oder am Rande der Tagesordnung von Kabinettssitzungen zu informieren. Das werde ich auch weiterhin so handhaben, weil es meines Erachtens in einer freundschaftlich und klug zusammenarbeitenden Koalition zu einer guten Amtsführung gehört.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es hat sich für eine erste Nachfrage Herr Abgeordneter Zimkeit gemeldet. Bitte schön.

Stefan Zimkeit (SPD): Nachdem Sie zur gestellten Frage nach einer Vereinbarung gerade nichts gesagt haben, möchte ich noch einmal nachfragen. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll vom 13. September 2017. Da hat der Abgeordnete Witzel für die FDP-Fraktion ausgeführt:

„Was die Frage der Steuer-CDs angeht, so kennen Sie die Vereinbarungen in der Koalition. Wenn es Angebote dieser Art gibt, muss im Kabinett darüber gesprochen werden, um sie im Einzelfall zu bewerten.“

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Gibt es eine Vereinbarung, nach der im Kabinett vor einem Ankauf einer CD darüber gesprochen werden muss?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Herr Kollege Zimkeit, es gibt ein klares Verfahren, das ich Ihnen eben geschildert habe. Das hat den rechtlichen Teil, dass das Finanzministerium in eigener Zuständigkeit entscheidet, und das hat den politischen Teil, dass in einer freundschaftlich und gut arbeitenden Koalition das Kabinett selbstverständlich über politisch besonders bedeutsame Vorgänge informiert wird. Das ist klug und vernünftig und läuft so im Rahmen einer sehr guten Amtsführung. Das hat Herr Kollege Witzel gemeint.

Ich kann verstehen, dass Sie aus den letzten Jahren relativ wenig Erfahrung mit einer freundschaftlich und gut arbeitenden Koalition haben. Aber bei uns ist das so.

(Heiterkeit von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es hat sich nun Frau Kollegin Düker für eine Nachfrage gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Minister, in Ihrem Freundeskreis bzw. dem, was Sie gerade als Kabinett bezeichnet haben, findet dann auch eine Bewertung statt. Sie nennen es Information, Herr Kollege Witzel hingegen spricht von Bewertung. Das sind für mich zwei unterschiedliche Sachstände. Können Sie uns schildern, was Sie unter einer freundschaftlich-kollegialen Bewertung verstehen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Düker, es ist charmant, mir in den Mund zu legen, ich hätte von einer freundschaftlichen Bewertung gesprochen. Ich habe von einer freundschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb der Koalition gesprochen. Ich kann nichts dafür, wenn das jetzt nicht gut ankommt.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nein, das können Sie nicht! Aber trotzdem ist es so! – Barbara Steffens [GRÜNE]: Man versteht Sie nicht!)

– Ich kann versuchen, noch näher ans Mikrofon zu rücken, wenn Ihnen das etwas bringt. Ich versuche es einmal so.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielleicht probieren wir das einmal. Ich habe bereits alle anderen Mikrofone ausgeschaltet und könnte höchstens noch die Technik bitten, das zu prüfen.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Sonst müsste der Kollege Laumann antworten. Der kann das auch ohne Mikrofon.

(Heiterkeit von der CDU)

Frau Kollegin Düker, jedenfalls habe ich von einer freundschaftlichen und kollegialen Zusammenarbeit innerhalb des Kabinetts gesprochen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit halte ich es für üblich und angemessen, Kolleginnen und Kollegen im Kabinett über politisch besonders bedeutsame Vorgänge zu informieren. Das ist das Vorgehen, das wir anwenden werden. Das ist im Übrigen auch das Vorgehen, das ich eben und auch bereits im Haushalts- und Finanzausschuss geschildert habe. Das entspricht auch dem Verfahren, das mein Vorvorgänger Helmut Linssen bereits angewendet hat.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es hat sich nun Herr Abgeordneter Zimkeit für eine zweite Nachfrage gemeldet. Bitte schön.

Stefan Zimkeit (SPD): Ich habe das jetzt so verstanden, dass es also eine entsprechende Muss-Vereinbarung nicht gibt.

Ich komme nun zu meiner Nachfrage. Der ehemalige Kollege Lindner hat der Presse gegenüber erklärt, dass der Ankauf von Steuer-CDs in Zukunft nur noch ein Ausnahmefall sein dürfte. Teilen Sie diese Einschätzung?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Herr Kollege Zimkeit, ich habe im Moment keinen Anlass, in der Presse wiedergegebene Äußerungen des Partei- und Fraktionsvorsitzenden der FDP im Deutschen Bundestag im Landtag Nordrhein-Westfalen zu kommentieren.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es hat sich nun Frau Abgeordnete Düker für eine zweite Nachfrage gemeldet. Bitte schön.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Minister, die koalitionstragende Fraktion der FDP hat aus ihrer Haltung, was sie von dem Ankauf von Steuer-CDs hält, in der letzten Sondersitzung keinen Hehl gemacht – Achtung, Wortspiel! –, denn sie bzw. ihr finanzpolitischer Sprecher bezeichnet es nach wie vor als Hehlerei. Das hat Herr Witzel genau so bestätigt. Ich habe ihn mit seiner Aussage „Wo kein Hehler ist, ist auch kein Diebstahl“ konfrontiert. Dazu sagte er, das sehe er auch heute noch so.

Nun sitzen Sie mit drei Kollegen der FDP, Herrn Stamp, Herrn Pinkwart und Frau Gebauer, in Ihrem freundschaftlichen Kabinett. Sie informieren über einen Ankauf. Die koalitionstragende Fraktion der FDP hält das, was Ihre Steuerfahnder da machen, nun für Hehlerei. Was machen Sie denn, wenn der Kollege Stamp, der neben Ihnen sitzt, dann sagt: „Ich möchte nicht, dass diese CD angekauft wird“? Wie gehen Sie mit solchen Ratschlägen aus der FDP um? Freundschaftlich natürlich, wie immer?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Düker, erstens selbstverständlich freundschaftlich. Zweitens kann ich Ihnen auf spekulative Überlegungen, die die Zukunft betreffen, keine genaue Antwort geben, weil ich nicht weiß, wie die Situation dann ist, sollte sie eintreten.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen sehe ich zur Mündlichen Anfrage 9 nicht.

Ich rufe auf die

Mündliche Anfrage 10

der Frau Abgeordneten Elisabeth Müller-Witt von der Fraktion der SPD zu dem Thema:

Versorgt der Ministerpräsident ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete mit Posten?

Am 22. Februar 2018 wurden unsere Fragen im Hauptausschuss des Landtages zur Besetzung des Beauftragten der Landesregierung für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern nicht vollständig beantwortet. Fragen der Überparteilichkeit seiner Funktion konnten nicht geklärt werden. Auch erhielten wir als Haushaltsgesetzgeber bisher unzureichend Auskunft über entstehende Kosten.

Der Entscheidung, Herrn Heiko Hendriks zum Beauftragten der Landesregierung für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern zu berufen, liegt eine Entscheidung des nordrhein-westfälischen Kabinetts zu Grunde. Es ist daher auch Angelegenheit des Ministerpräsidenten, jeglichen Zweifel um die Besetzung auszuräumen.

Ich bitte daher den Ministerpräsidenten um Beantwortung nachfolgender Fragen:

Beabsichtigt die Landesregierung, zur Wahrung der Überparteilichkeit im Amte darauf hinzuwirken, dass Herr Hendriks seine Funktion als Vorsitzender der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU NRW niederlegt oder zumindest ruhend stellt?

Welche Summe an Vergütung ist im Dienstvertrag mit Herrn Hendriks vereinbart worden?

Die Landesregierung hat angekündigt, dass Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen darauf antworten wird. Ich danke Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen bereits vorab und schalte ihr das Mikrofon frei. Bitte schön, Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau Müller-Witt, die nordrhein-westfälische Landesregierung hat Anfang des Jahres erstmals einen Beauftragten für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern bestellt. Herr Heiko Hendriks hat sein Amt am 1. Februar angetreten. Zugleich habe ich Herrn Hendriks zum Vorsitzenden des Landesbeirats für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen benannt.

Mit der Bestellung des Beauftragten wollen wir in sinnvoller Ergänzung der Arbeit des seit 1948 bestehenden Landesbeirats für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen das vielfältige Engagement der deutschen Heimatvertriebenen, der Flüchtlinge und Übersiedler aus der damaligen DDR sowie der Aussiedler und Spätaussiedler in Nordrhein-Westfalen besonders würdigen und die Erinnerung an Flucht und Vertreibung wachhalten.

Da in der aktuellen Diskussion um den Landesbeauftragten unterschwellig die Frage mitschwingt, ob wir uns auch heute noch, im Jahr 2018, diesem Personenkreis besonders widmen müssen oder ob die Position des Landesbeauftragten nicht vielmehr nur ein – in Anführungsstrichen – „Versorgungsposten“ sei, möchte ich eingangs auf diese Frage nach dem richtigen Zeitpunkt eingehen.

Richtig ist, dass die Gruppe der deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler in der Forschung als die am besten bei uns integrierte Einwanderergruppe gilt. Natürlich könnten wir sagen: Prima, das haben wir geschafft.

Aber die Erfolgsgeschichte der Integration dieser Personengruppe hat eben auch schwierige Seiten, die nun schon die zweite, manchmal auch die dritte Generation der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler prägen. Dazu gehören der Verlust der Heimat, Fremdheitsgefühle in der neuen Umgebung, zum Teil erlebte Ablehnung sowie die Frage nach der eigenen Identität.

Und wir registrieren wieder mehr Spätaussiedlerinnen und -aussiedler in Deutschland. Rund 7.300 haben sich im vergangenen Jahr bei uns niedergelassen, darunter vor allen Dingen junge Familien, die hier bereits Angehörige haben; das sind etwa viermal so viele wie 2012. Die Geschichte der Spätaussiedler ist also noch längst nicht abgeschlossen, erst recht nicht in Nordrhein-Westfalen, wo die größte Gruppe von ihnen lebt.

Aber so wichtig es dieser Landesregierung auch ist, den deutschen Vertriebenen und Flüchtlingen, Aussiedlern und Spätaussiedlern wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen, möchte ich eines an dieser Stelle auch ganz klar betonen: Die Überparteilichkeit der Arbeit des Beauftragten ist eine Selbstverständlichkeit – wie übrigens bei jedem öffentlichen Amt.

Herr Hendriks wird in seiner Rolle als Landesbeauftragter und Vorsitzender des Landesbeirats nur dann Akzeptanz und Vertrauen bei den deutschen Vertriebenen und Flüchtlingen, bei Aussiedlern und Spätaussiedlern finden, wenn er der Vielfalt der Personengruppe entsprechend die Überparteilichkeit beachtet. Dieses Erfordernis der Überparteilichkeit ist auch Herrn Hendriks bewusst.

Administrative Entscheidungskompetenzen sind im Übrigen mit beiden Funktionen von Herrn Hendriks nicht verbunden.

Was die Funktion von Herrn Hendriks als Vorsitzender der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU Nordrhein-Westfalen angeht, weise ich darauf hin, dass dies sein persönliches politisches Engagement ist und ich eine Interessenkollision mit seiner Rolle als Landesbeauftragter und Beiratsvorsitzender nicht sehe.

Mein Haus hat mit Herrn Hendriks in seinen beiden Funktionen – also als Landesbeauftragter und als Vorsitzender des Landesbeirats – einen sogenannten freien Dienstvertrag geschlossen, in dem seine Aufgaben festgelegt sind und eine pauschale Vergütung für seinen Zeitaufwand vereinbart ist.

Um Ihrem parlamentarischen Informationsrecht ebenso gerecht zu werden wie dem grundrechtlichen Schutz der privaten Daten von Herrn Hendriks, werde ich dem Landtag die Höhe der Vergütung in einem vertraulichen Schreiben zu Händen des Vorsitzenden des Hauptausschusses mitteilen.

Im Frühjahr 2017 – also vor einem Jahr – wurde hier im Landtag das Konzept zur Neuausrichtung der Kulturpflege der Vertriebenen nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes vorgestellt. Es ist parteiübergreifend auf eine positive Resonanz gestoßen. An dieses Konzept knüpfen wir auch mit der Bestellung des Beauftragten an. Und auch die positiven Reaktionen nicht nur aus dem Kreis der deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge, der Aussiedler und Spätaussiedler auf die Etablierung eines Landesbeauftragten zeigen uns, dass wir hier die richtigen Schwerpunkte gesetzt haben und diesen Weg gemeinsam weitergehen sollten. – Vielen Dank.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es hat sich nun Frau Abgeordnete Müller-Witt gemeldet. Bitte schön.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Vielen Dank. – Die Landesregierung hat inzwischen eine Reihe von Beauftragten ernannt. Nach welchen Kriterien entscheidet die Landesregierung, ob ein Beauftragter der Landesregierung dieses Amt ehrenamtlich ausübt und wann ein Beauftragter einen Honorarvertrag, einen Dienstvertrag oder einen freien Dienstvertrag erhält? Das wäre meine erste Frage.

Zum Zweiten:

(Zuruf von der CDU: Nein, nicht zwei!)

Welchen Kriterienkatalog legt die …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, die zweite Frage für die nächste Runde aufzuheben?

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Immer nur eine, okay, ja.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Entschieden wird – das kann man vielleicht generell sagen – nach der Aufgabenstellung und nach den Themen, die einer besonderen Beachtung würdig sind, wie ich es gerade auch in meiner Antwort bezüglich dieses Beauftragten dargestellt habe. Ob es eine Vergütung gibt oder nicht, hängt natürlich davon ab, wie umfangreich die Aufgabenstellung und wie viel Zeit für die Aufgabenwahrnehmung notwendig ist.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es hat sich nun Herr Abgeordneter Bolte-Richter für eine Nachfrage gemeldet. Bitte schön.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Frau Ministerin, Sie haben eben festgestellt, es gäbe keine Kollision der Interessen zwischen dem öffentlichen Amt als Beauftragter der Landesregierung und dem Parteiamt, das Herr Hendriks einnimmt. Ich möchte Sie fragen: Wer hat das geprüft, und wie wurde das begründet?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Vielen Dank. – Ich würde zunächst sehr grundsätzlich antworten wollen: Das ist ein Konflikt, den Sie bei der Übernahme jedes politischen öffentlichen Amtes klären müssen und den wir natürlich auch in diesem Punkt geklärt haben. Und es ist eine Frage, wie man ein Amt wahrnimmt – da könnten wir jetzt über viele Ämter sprechen, so auch über dieses –, dass man nämlich auch, wenn man ein persönliches politisches Engagement hat, jede Art von öffentlichem Amt immer überparteilich ausüben muss. Dies ist selbstverständlich auch besprochen worden – in diesem Falle mit Herrn Hendriks; es gilt aber für jedes Amt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es hat sich nun Herr Abgeordneter Kutschaty für eine Nachfrage gemeldet.

Thomas Kutschaty (SPD): Vielen Dank. – Frau Ministerin, Sie haben gerade gesagt, es ist ein freier Dienstvertrag mit einer pauschalen Vergütung für den Zeitaufwand vereinbart worden. Meine Frage ist: Ist dieser freie Dienstvertrag mit Herrn Hendriks in Person verabredet, vereinbart worden, oder ist unter Umständen seine Beratungsfirma – die Firma RECITAS – Vertragspartner?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Dieser Vertrag ist mit ihm in Person vereinbart worden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Abgeordnete Müller-Witt, ich erteile Ihnen für Ihre zweite Nachfrage das Wort. Bitte schön.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Frau Ministerin, wie erklären Sie die Anwesenheit des stellvertretenden Landesvorsitzenden der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU NRW, des Landtagsabgeordneten Herrn Rüdiger Scholz, bei der Pressekonferenz der Landesregierung zur Vorstellung des neuen Beauftragten für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern?

Oder anders gefragt: Ist es neue Praxis der Landesregierung, bei Regierungsveranstaltungen wie Pressekonferenzen Vertreter der Regierungsfraktionen einzuladen und teilnehmen zu lassen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Das war eine ganz normale Pressekonferenz, zu der die Üblichen eingeladen worden sind. Herr Scholz war nicht eingeladen, aber er war da.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Abgeordneter Kutschaty für seine zweite Nachfrage.

Thomas Kutschaty (SPD): Schon im Hauptausschuss hat die Landesregierung keine Auskunft über die Höhe der Vergütung geben wollen, selbst in einer vertraulichen Sitzung nicht. Auch heute verweigern Sie eine Auskunft über die Vergütung. Ich frage Sie: Auf welcher Rechtsgrundlage stützen Sie Ihre Auffassung, uns hier im Parlament in öffentlicher Sitzung keine Auskunft über die Höhe der Vergütung geben zu wollen vor dem Hintergrund, dass wir doch hier der Landeshaushaltsgesetzgeber sind und die Mittel zur Verfügung stellen? Zumindest ich leite daraus einen Anspruch her, dass der Landesgesetzgeber und insofern auch die Öffentlichkeit wissen darf, was die Beauftragten verdienen. Welche rechtliche Begründung haben Sie dafür?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Frau Ministerin. Sie haben die Gelegenheit, zu antworten.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Ich weiß jetzt nicht, ob Sie vorhin vielleicht nicht zugehört haben. Ich habe das eben schon einmal erläutert, aber ich tue es gerne noch einmal.

Hier geht es um eine Güterabwägung zwischen dem Informationsrecht des Parlaments und den schützenswerten persönlichen Daten des einzelnen Betroffenen. Deswegen habe ich Ihnen ja das Angebot gemacht – ich habe es übrigens auch schon unterschrieben –, einen Brief an den Vorsitzenden des Hauptausschusses zu schreiben und vertraulich alle Informationen mitzugeben.

Aber Sie wissen auch – das hatte man Ihnen, glaube ich, auch schon im Hauptausschuss berichtet –, dass als Orientierungspunkt das Gehalt eines Referatsleiters, einer Referatsleiterin genommen worden ist. Insofern bekommen Sie Ihre Information, auch wenn Sie gerade vielleicht nicht zuhören mögen.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Ich höre Ihnen zu!)

Ich habe Ihnen vorhin schon einmal die Abwägung dieser Güter verdeutlicht.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin.

Es hat jetzt noch zahlreiche Wortmeldungen gegeben. Als Nächstes ist Frau Kollegin Müller-Witt für ihre dritte und letzte Nachfrage dran. Bitte schön.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Frau Ministerin, wie viele Beauftragte hat die Landesregierung bislang ernannt? Mir ist klar, dass das jetzt ad hoc für Sie als Fachministerin nicht zu beantworten ist, aber vielleicht kann man es nachreichen. Und wie hoch ist der Gesamtaufwand für Beauftragte der Landesregierung, aufgeteilt nach entstehenden Sachkosten und Personalkosten sowie der individuellen Bezahlung, Entschädigung der Beauftragten pro Jahr?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Sie haben schon richtig bemerkt, dass ich Ihnen das jetzt nicht enumerativ aufzählen kann. Einiges ergibt sich übrigens aus dem Haushaltsplan. Ich würde aber sagen, damit Sie eine ganz präzise und genaue Antwort bekommen, dass wir das schriftlich nachreichen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Bolte-Richter stellt die nächste Frage.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben eben auf meine erste Frage recht allgemein geantwortet. Deswegen möchte ich es konkretisieren: Hat es bei der Beauftragung von Herrn Hendriks eine formale Prüfung möglicher Interessenskollisionen zwischen öffentlichem Amt und Parteiamt gegeben, oder hat man sich einfach hingesetzt und gesagt: „Mach‘ das mal überparteilich und vermeide Interessenskonflikte“?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin, bitte schön.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Ich weiß jetzt im Moment nicht ganz genau, was Sie mit einer formalen Prüfung meinen. Ich kenne natürlich formale Eignungsprüfungen. So etwas hat es natürlich gegeben. Selbstverständlich – ich habe es vorhin schon einmal gesagt – ist darüber gesprochen worden, dass es ein überparteiliches Amt ist. Dessen ist sich der Beauftragte bewusst.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Schmeltzer – auf dem Platz von Herrn Herter, wenn ich es richtig sehe – hat eine Frage. Bitte schön, Herr Schmeltzer.

Rainer Schmeltzer (SPD): Nichts ist so beständig wie der Wandel, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, Herr Kutschaty habe Ihnen vielleicht nicht richtig zugehört. Vielleicht haben Sie seiner Frage nicht richtig zugehört. Er hat nach der Rechtsgrundlage gefragt. Ich gehe davon aus, dass Sie das dann gleich noch einmal beantworten werden.

Ich frage Sie, ob Sie mit Ihren Antworten, die Sie hier gegeben haben, die Interessen eines ehemaligen Abgeordneten über die Interessen der Abgeordneten des aktuellen Parlaments stellen?

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Auch ehemalige Abgeordnete haben nach ihrem Abgeordnetendasein ein Berufsleben; so ist es auch bei Herrn Hendriks. Er ist selbstständiger Unternehmensberater. Wenn die Verträge, die er abschließt, veröffentlicht werden, hat das natürlich auch eine Rückwirkung auf seine übrige Berufstätigkeit. Deswegen wählen wir einen Weg, der dem Informationsbedarf des Parlaments und dem Schutz der Daten des Einzelnen gerecht wird. Das würden wir bei jedem anderen auch tun.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Beer hat noch eine Frage. Bitte schön, Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Frau Ministerin, wenn man die Pressemitteilungen der Landesregierung aufmerksam verfolgt, dann wundert man sich manchmal, so auch bei dieser Personalie.

Ich zitiere die Pressemitteilung vom 23. Januar 2018, als verlautbart wurde, dass Heiko Hendriks zum Beauftragten für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern bestellt wurde. Dann gab es im Februar 2018 eine erneute Pressemitteilung, wonach er nun Landesbeauftragter für die Belange der deutschen Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler ist.

Ich frage: Gibt es dazu einen neuen Kabinettsbeschluss, und wie erklärt sich die Aufgabenerweiterung? Wie ist hier die Abgrenzung zum Ressort von Herrn Stamp vorgesehen?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Den Landesbeirat gibt es bereits, wie ich vorgetragen habe, seit 1948. Diese beiden Aufgaben ergänzen sich. Selbstverständlich gibt es dazu einen Kabinettsbeschluss.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Lüders hat eine Frage. Bitte schön, Frau Lüders.

Nadja Lüders (SPD): Herzlichen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, Sie haben gerade Herrn Schmeltzer geantwortet, dass die Belange von Herrn Hendriks aufgrund seiner Tätigkeit als selbstständiger Unternehmensberater höherrangig wären als die des Parlaments. Habe ich Sie da richtig verstanden, dass Sie jetzt die Belange des Unternehmens, in dem Herr Hendriks selbstständig tätig ist, höher bewerten? Vorher haben Sie es als Privattätigkeit eingeordnet. Ist da eine Diskrepanz?

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe da jetzt keinerlei Widerspruch. Es gibt da auch nichts Höher- oder Niederrangiges, wie Sie gerade versucht haben, zu insinuieren. Es ist einfach der Punkt, dass man abwägen muss, wie man mit dem Informationsbedürfnis im Verhältnis zu den schützenswerten privaten Daten umgeht. Die Lösung, die ich Ihnen vorgetragen habe, finden wir angemessen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Zweite und letzte Frage für Frau Beer. Bitte schön.

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Ministerin, herzlichen Dank für die Ausführung und dass Sie gesagt haben, dass es einen weiteren Kabinettsbeschluss gibt. – Wann ist der denn gefasst worden? Hatten Sie beim ersten Mal das Thema „Flüchtlinge“ vergessen?

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Frau Ministerin. Sie haben das Wort.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Wann genau der gefasst worden ist, muss ich eben nachfragen; das habe ich nicht im Kopf. – Der Kabinettsbeschluss war am 23. Januar; ich wollte es Ihnen genau sagen. Das war sozusagen der erste Schritt. Der zweite Schritt war dann die Benennung des Vorsitzenden. Das hat mein Haus gemacht.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Ich habe Sie leider nicht verstanden. Tut mir leid.

Vizepräsident Oliver Keymis: Solche Zwiegespräche sind auch gar nicht vorgesehen. Eine Nachfrage gibt es nicht mehr. Insofern müssen wir das sehr formal behandeln, wie sich das für eine Fragestunde gehört.

Frau Freimuth hat eine Frage?

(Zustimmung von Angela Freimuth [FDP])

– Dann stellen Sie die mal, Frau Kollegin.

Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident, ich habe noch eine Nachfrage.

Frau Ministerin hatte vorhin ausgeführt, dass es ein Vertragsverhältnis mit Herrn Hendriks in Person ist. Jetzt hat gerade die Kollegin Lüders noch einmal nachgefragt. Dabei ist sie davon ausgegangen, dass die Vertragsbeziehung mit dem Beratungsunternehmen von Herrn Hendriks besteht. Ich wüsste gerne, was denn nun zutrifft.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank. – Frau Ministerin, bitte schön.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Vielen Dank. Das ist ein guter Hinweis. Da gab es sicherlich gerade eine Unklarheit. Also noch einmal deutlich gesagt: Es gibt einen Vertrag ad personam, wie wir es vorhin gesagt haben, mit dem Beauftragten.

Er hat aber – und das habe ich eben vielleicht ein bisschen zu schnell gesagt – eine Firma, mit der er unabhängig vom Beauftragtendasein – das ist ja kein Fulltimejob, wie Sie sich vorstellen können – Verträge über Beratungen abschließt.

Trotzdem, denke ich, hat so etwas immer eine Wirkung. Deswegen muss man es einfach diskret im Sinne von schützend behandeln. Aber Sie werden die Auskunft ja bekommen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Aymaz hat eine Frage. Bitte schön, Frau Aymaz.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben soeben auf die Nachfrage meiner Kollegin Sigrid Beer geantwortet, dass es einen Kabinettsbeschluss gibt für die Benennung des Beauftragten vom 23. Januar. Ich möchte genauer wissen wollen, ob in dem Kabinettsbeschluss vom 23. Januar explizit steht, dass der Beauftragte auch für Flüchtlinge zuständig ist.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin, bitte schön.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Wenn Sie mir eine Minute Zeit geben, hole ich es noch einmal heraus. – Er ist für die deutschen Flüchtlinge nach dem Krieg zuständig. So ist die genaue Formulierung in dem Kabinettsbeschluss, damit das auch ganz exakt zitiert ist.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Lüders hat ihre zweite und letzte Frage. Bitte schön, Frau Lüders.

Nadja Lüders (SPD): Aufgrund der Ausführungen, Frau Ministerin, hätte ich die Nachfrage, ob Sie in der Abwägung, die Sie getroffen haben, auch die Belange der Firma von Herrn Hendriks berücksichtigt haben, um keine Preisgabe gegenüber dem Parlament vorzunehmen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Das kann ich kurz und klar beantworten: Es ging um die persönlichen Belange des Beauftragten.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Auf dem Platz von Herrn Bischoff sitzt Herr Kollege Hübner. Bitte schön.

Michael Hübner (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Belange der Firma haben mich auch aufmerksam gemacht. Frau Ministerin, können Sie mir erklären, wie viele Auftragnehmer die Firma hat und welche Tagessätze oder Stundensätze verrechnet werden?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Wenn wir jemanden bitten, einen bestimmten Auftrag mit einem Stundeneinsatz von round about zweimal neun Stunden an zwei Tagen vorzunehmen, muss das für uns die Arbeitsgrundlage sein. Es ist nicht unseres Amtes, zu kontrollieren, wie die Auftragslage an den restlichen drei Tagen der Woche ist. Ich denke, das steht uns auch nicht zu.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Aymaz hat noch eine zweite und ihre letzte Frage. Bitte schön.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Ministerin, in der Pressemitteilung vom 26. Februar dieses Jahres heißt es, Herr Hendriks sei neuer Landesbeauftragter für die Belange der deutschen Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler. Ihrer Antwort eben entnehme ich aber, dass er zuständig ist für die Belange der deutschen Heimatvertriebenen, der deutschen Flüchtlinge. Ist es so, dass er gar nicht der Beauftragte für alle Flüchtlinge, sondern nur für deutsche ist?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Wenn Sie mir eben zu Ende zugehört hätten, hätten Sie auch gehört, dass ich, nachdem wir es noch einmal präzisiert haben, „der deutschen Flüchtlinge nach 1945“ gesagt habe. Das sind natürlich in erster Linie die deutschen Flüchtlinge nach 1945. Das ist eine ganz klar definierte Personengruppe.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich sehe eine weitere Wortmeldung von Frau Kollegin Philipp von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Philipp.

Sarah Philipp (SPD): Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Ministerin, die Firma von Herrn Hendriks wirbt auf ihrer Internetseite damit, dass sie Beratung für Behörden, Verbände und weitere Parteien unternimmt. Hat die Landesregierung geprüft, ob im Zuge der Beschäftigung und der neuen Funktion der Landesregierung irgendwelche Interessenkonflikte bestehen?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin, bitte schön.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Wir haben einen Dienstvertrag mit Herrn Hendriks. Punkt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Ich danke Frau Ministerin für die Beantwortung und schließe damit die Fragestunde.

Ich rufe auf:

12 Philosophie verleiht Flügel!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/533

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Schule und Bildung
Drucksache 17/2001

Die Aussprache wird eröffnet durch den Redebeitrag des Kollegen Rock von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frank Rock (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Thema „Philosophieunterricht in der Grundschule“ beschäftigt das Parlament schon eine ganze Weile. Es war unter anderem Bestandteil eines Antrags in der letzten Legislaturperiode, wobei seinerzeit nicht der Begriff „Philosophie“, sondern „nichtkonfessioneller Werteunterricht“ benutzt wurde. In Deutschland wird in zehn von 16 Bundesländern der Begriff „Ethik“ benutzt, in fünf in unterschiedlichen Formen der Begriff „Philosophie“, und das Land Niedersachsen nutzt für das Unterrichtsfach den Begriff „Werte und Normen“.

Dieser Unterricht ist in einigen Bundesländern als verpflichtender Ersatz zum konfessionellen Religionsunterricht etabliert worden. Andere haben eigene landesrechtliche Regelungen getroffen. Man könnte auch einmal eine einheitliche Begrifflichkeit bei der KMK vorschlagen oder sich eine solche wünschen; denn es gibt insgesamt acht verschiedene Namensgebungen in Deutschland für eigentlich ein und dieselbe Sache.

Der Grund für die Einrichtung des Ersatzfaches war die fortschreitende Säkularisierung und die immer heterogeneren Bekenntnissituationen in unseren Schulen. Dieser Intention hat sich auch die NRW-Koalition im Rahmen der Beratungen ihres Koalitionsvertrages nicht entzogen.

Die Position der NRW-Koalition ist dabei klar. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass wir Ethikunterricht an Grundschulen ermöglichen werden. Ja, wir werden in dieser Legislaturperiode ein Ersatzfach für diejenigen Kinder einführen, die nicht am konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen. Aber nein, dieses Fach wird nicht so aussehen, wie es von den Grünen gefordert wird, und es wird nicht den Stellenwert des Fachs Religion berühren.

Ich möchte in dem Zusammenhang kurz die Chance wahrnehmen, ins Jahr 2014 zurückzuschauen. Damals stand ein Antrag der FDP mit dem Wunsch auf ein Konzept für einen nichtkonfessionellen Werteunterricht zur Diskussion. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Plenarprotokoll vom 2. Juli 2014, das heißt, von vor gut dreieinhalb Jahren, die Kollegin Beer. Wenn Frau Beer von „wir“ spricht, meint sie die damaligen regierungstragenden Fraktionen. Ich zitiere:

„Wir wollen auf diese veränderte Gesellschaftslage, wie Sie sie richtig beschrieben haben, reagieren. Das bedeutet aber nicht, weil Sie etwas entdeckt haben, was Sie auch gut finden, zu sagen: Jetzt muss das hopplahopp umgesetzt werden. – Dazu brauchen wir auch einen Diskurs.“

Ja, Frau Beer, hopplahopp geht das nicht. Leider haben Sie die Idee eines Philosophieunterrichts in der Grundschule dreieinhalb Jahre nicht mehr verfolgt. Jetzt nach dem Regierungswechsel lesen Sie unseren Koalitionsvertrag und möchten hopplahopp die neue Ministerin bzw. die regierungstragenden Fraktionen unter Druck setzen.

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])

Ihre jetzige Initiative beruht doch darauf, dass Sie das Thema in Ihrer eigenen Regierungszeit nicht auf der Agenda hatten – wie so vieles, Frau Beer.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten die ehemalige Bildungsministerin Sylvia Löhrmann aus derselben Sitzung, Frau Beer:

„Die Umsetzung des Faches Philosophie für die Grundschule ist im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode nicht enthalten und stellenplanmäßig auch nicht abgesichert. Das ist stellenneutral nicht zu machen. Wir haben heute Morgen darüber gesprochen, wie wir sozusagen die Dinge, die wir uns vorgenommen haben, umsetzen wollen und dass wir nicht mal eben sagen können – auch wenn es wünschenswert ist –: Ach, da fällt uns noch dieses und jenes ein.“

Liebe Kolleginnen der SPD und der Grünen, mal eben geht eben nicht. Ja, wir werden Ihr Versäumnis nachholen.

Die Annahme, welche man dem Antrag der Grünen in Teilen entnehmen kann, dass die Einführung eines Faches simpel und von heute auf morgen durchzuführen ist, widerlegen Ihre eigenen Einschätzungen aus dem Jahre 2014. Nicht zuletzt der Expertenanhörung konnte man entnehmen, dass die Einführung eines breiten Diskurses bedarf. Es bedarf einer intensiven Prüfung, ob wir einen komplett eigenständigen Studiengang vorhalten müssen, um den komplexen Anforderungen des Philosophierens mit Kindern gerecht zu werden. Denn alle Sachverständigen waren sich darin einig: Wir brauchen ein gut ausgearbeitetes Konzept, damit der Werteunterricht an Grundschulen flächendeckend erfolgreich sein kann.

Selbstverständlich benötigen wir durch ein neues Fach auch mehr Lehrkräfte, und wir geben uns nicht damit zufrieden, dass hier fachfremd unterrichtet wird. Das ist in vielen weiterführenden Schulen schon der Fall. Hier gilt auch, die Qualität des Unterrichts im Auge zu behalten. Der große Mangel bei der Lehrerversorgung hilft auch hierbei nicht. Die Zusammenhänge muss ich Ihnen nicht erklären, und die Verantwortung für den Mangel hat diese Landesregierung beim besten Willen nicht zu tragen. Wir stellen fest, dass es der Sache nicht dienlich wäre, das Fach einfach so zwischendurch mal einzuführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als neu gewählte NRW-Koalition haben uns insbesondere in der Bildungspolitik vorgenommen, grundsätzlich Gründlichkeit vor Schnelligkeit in den Vordergrund zu rücken. Damit heben wir uns deutlich von der Vorgängerregierung ab. Es ist nicht sinnvoll, aktuell neben den Großprojekten G8, G9, Inklusion, OGS und Integration, die auch im Land kontrovers diskutiert werden, mit der sofortigen Einführung des Faches Ethik bzw. Philosophie in der Grundschule eine weitere Baustelle aufzumachen.

In persönlichen Gesprächen mit vielen Kolleginnen und Kollegen haben sie mir bestätigt, dass sie andere Herausforderungen als dringender ansehen als die Einführung eines neuen Ersatzfaches. Ich habe keine Grundschulkollegin und keinen Grundschulkollegen gefunden, der oder die die zeitnahe Einführung priorisieren würde. Die Rahmenbedingungen der im Koalitionsvertrag vereinbarten Einführung des Faches Ethik werden wir im Rahmen des Masterplans Grundschule prüfen und sorgfältig ausarbeiten. Den Antrag der Grünen lehnen wir, wie schon im Ausschuss, ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rock. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Spanier-Oppermann.

Ina Spanier-Oppermann (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der letzte TOP mit Debatte; da möchte ich mich aus Gründen der Kollegialität ein bisschen kürzer fassen. Dennoch ist es ein wichtiges Thema.

Wie wir von Herrn Rock schon gehört haben, gab es eine Debatte im Ausschuss. Wir haben eine Anhörung gehabt. Nun sind wir heute noch einmal zusammengekommen.

Tenor der Anhörung und auch der Diskussion war, dass Philosophie in der Grundschule eine gute Alternative zum bisherigen Religionsunterricht anbietet. Auch die Bereitschaft und das Vermögen der Kinder, sich in diesem Fach zu beteiligen und es zu verstehen, sind vorhanden.

Es ist ganz klar gesagt worden, dass Philosophie nicht den bisher bestehenden Religionsunterricht ersetzen, sondern ergänzend dazu stattfinden soll. Dies ist auch richtig so und ermöglicht als weiteres Element zusätzliche Varianten im Grundschulunterricht für die Kinder, die aus verschiedensten Gründen nicht am Religionsunterricht teilnehmen möchten und können.

Allerdings – das wurde in der Anhörung auch deutlich – sollte der Philosophieunterricht – das hat mein Kollege Rock aus seiner Sicht noch einmal beschrieben – auf ganz stabile Füße gestellt werden. Soll es zu einer flächendeckenden Einführung kommen, brauchen wir hierfür auch das entsprechend ausgebildete Personal.

Sicherlich könnten wir mithilfe von Fortbildung und Zertifikaten relativ schnell Lehrkräfte für dieses Fach bereitstellen; auch die Bereitschaft wäre sicherlich vorhanden. Aber ich denke schon, eine fundierte Ausbildung ist zwingende Voraussetzung.

Betrachten wir auch einmal – das, denke ich, war auch Bestandteil unserer Diskussion im Ausschuss – unser Schulsystem in der momentanen Situation. Wir befinden uns, um es vorsichtig zu sagen, in einer doch sehr angespannten Phase. Insbesondere an den Grundschulen macht sich die angespannte und schwierige Personalsituation deutlich bemerkbar. Unsere Lehrkräfte sind besonderen Belastungen ausgesetzt.

Viele begrüßen sicherlich den im Antrag vorgeschlagenen Weg und die Einführung des Faches Philosophie an den Grundschulen. Aber ich befürchte, dass wir das Personal an den Schulen im Moment überlasten und auch überfrachten.

Auch ist es wert, in die zukünftigen Überlegungen einzupflegen, ob nicht alle Kinder von einem Fach Philosophie profitieren sollten, also Philosophie nicht nur für die Kinder einzuführen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sondern für alle.

Daher sollte die Landesregierung im Zuge der Beratungen über das Schulfach Ethik die Argumente und guten Vorschläge, die wir auch von den Expertinnen und Experten in der Anhörung bekommen haben, mitnehmen und einfließen lassen.

Kurzum, es ist ein guter Antrag, jedoch sollten wir diesen zu einem anderen Zeitpunkt in einer vielleicht auch etwas entspannteren Situation und unter entspannteren Rahmenbedingungen wieder aufgreifen. Meine Fraktion wird sich daher der Stimme enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Spanier-Oppermann. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Hannen.

Martina Hannen (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Nutzen, der Effekt und auch die Notwendigkeit eines nichtkonfessionellen Werteunterrichts in der Grundschule sind unbestritten. Das hat die Anhörung im Schulausschuss im Dezember des vergangenen Jahres ausdrücklich unter Beweis gestellt.

Die Diskussion und die Erkenntnis sind aber nicht neu. Deshalb haben wir Freien Demokraten bereits im Jahr 2014 hier in diesem Hause beantragt, ein Konzept für die Einführung eines ebensolchen nichtkonfessionellen Werteunterrichts an Grundschulen vorzulegen.

Wenn Ihnen also das Thema so am Herzen liegt, meine Damen und Herren von den Grünen, dann stellt sich mir die Frage: Warum haben Sie den Antrag damals abgelehnt? Wenn Ihnen das Thema so wichtig ist, dann stellt sich mir die Frage: Warum haben Sie in den sieben Jahren Ihrer Regierungszeit keine Initiative ergriffen, einen Philosophieunterricht in der Grundschule einzuführen?

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Zeit genug hatten Sie ja. Das kann man doch nicht bestreiten. Wenn es Ihnen wirklich um die Sache geht, meine Damen und Herren, dann stellt sich mir die Frage: Wissen Sie wirklich nicht, was im Koalitionsvertrag für die jetzige Landesregierung steht? Ein Blick hätte gereicht und Sie hätten festgestellt, dass hier ausdrücklich erwähnt wird – ich zitiere –:

„Neben vielfältigeren religiösen Bekenntnissen ist auch die Anzahl der Familien ohne konfessionelle Bindung angewachsen. Daher werden wir Ethikunterricht an Grundschulen ermöglichen.“

Hätten Sie also einfach in den Koalitionsvertrag geschaut, hätten Sie erkannt, dass Ihr Antrag schlicht überflüssig ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, offensichtlich verleiht nicht nur Philosophie, sondern auch Opposition Flügel. Im Gegensatz zu Ihnen nehmen wir unsere damals schon richtigen und wichtigen Anträge ernst. Wir wollen unsere gestalterische Mehrheit nutzen, diese auch umzusetzen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Daher haben wir als NRW-Koalition vereinbart, Ethikunterricht an den Grundschulen zu ermöglichen. Kurz: Der hier vorliegende Antrag wird durch kommendes Regierungshandeln überholt werden.

Wir werden den Ethikunterricht an Grundschulen, den wir, wie erwähnt, bereits 2014 beantragt haben, einführen und hierfür die entsprechenden Grundlagen erarbeiten. Wir werden den Lehrplan unserer Grundschulen um dieses zweifelsfrei notwendige Angebot erweitern, aber eben – das ist entscheidend – als wichtiges Teilstück eines ausgewogenen, praxisnahen Ganzen.

Im Rahmen eines Masterplans Grundschule werden wir aber leider auch weitere Probleme an den Grundschulen angehen müssen. Denn gegenwärtig sind die Rahmenbedingungen für einen bestmöglichen Unterricht im Primarbereich noch nicht gegeben.

Bevor wir uns also um eine Erweiterung des schulischen Angebots kümmern können, müssen wir zuerst die Scherben Ihres Regierungshandelns beseitigen. Wir benötigen eine effektive Vertretungsreserve, kleinere Klassen bei Inklusion und Integration und eine deutliche Verbesserung bei den Kernkompetenzen Lesen, Rechnen und vor allem Schreiben.

Die Einführung eines neuen Unterrichtsfaches erfordert eine sorgfältige Planung und Vorbereitung. Unsere Grundschulen benötigen eine klare und vernünftige Priorisierung der notwendigen Maßnahmen und eben keine Schnellschüsse. Hier ist die NRW-Koalition auf einem guten Weg. Jetzt ist das Entscheidende: Wir sind auf einem guten Weg ganz ohne Flügel, dafür aber, meine Damen und Herren, mit Sinn und Verstand. Wir werden Ihrem Antrag daher nicht zustimmen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Hannen. – Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Ihnen gerade zu dieser Debatte etwas mitgebracht, insbesondere für Herrn Rock, für Frau Hannen und für Frau Müller-Rech; für die Ministerin lassen wir es da, denn Frau Scharrenbach vertritt freundlicherweise heute die Bildungsministerin. Das ist mir sehr wichtig, und ich habe es mitgebracht, um mit einer Legende aufzuräumen. Wir haben im Jahr 2014 hier beraten. Herr Rock hat daraus zitiert. Es ist nicht so, dass nichts passiert ist.  

Die Fraktion hat – resultierend aus der damaligen Situation – ein Gutachten zur Erstellung eines Curriculums für die Einführung von Philosophie in der Grundschule und für den philosophischen Unterricht insgesamt in Auftrag gegeben. Da ist inzwischen vorgearbeitet worden. Professor Blesenkemper war so freundlich, diese Aufgabe für unsere Fraktion zu übernehmen. Dieses Gutachten überreiche ich Ihnen gleich.

Darin werden Sie auch lesen, dass es bereits 2012 im Ministerium eine Arbeitsgruppe für einen ersten curricularen Entwurf gegeben hat. So viel dazu, was angeblich alles nicht passiert ist. Hier sind bereits viele Dinge auf den Weg gebracht worden.

Herr Rock, ich habe jetzt noch einmal in unserem Antrag gesucht. Dabei habe ich das Wörtchen „sofort“ gar nicht gefunden. Ich möchte jetzt aus dem Antrag zitieren, und das, was ich zitiere, entspricht eigentlich genau Ihren Planungen:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

     dem Ausschuss für Schule und Bildung einen umfangreichen Bericht zur Forschungslage und Sachstand praktischer Anwendung von ‚Philosophieren mit Kindern‘ vorzulegen,

     in einen intensiven Austausch mit den entsprechenden Einrichtungen, die bislang damit befasst sind, einzutreten, mit dem Ziel, eine koordinierte und intensivierte Vorbereitung der Einrichtung eines entsprechenden Unterrichtsfachs zu erreichen,

     die curriculare Zusammenarbeit von bekenntnisorientiertem Religionsunterricht und dem Philosophieren mit Kindern in der Grundschule zu entwickeln und grundsätzlich die Einrichtung einer Fächergruppe zu prüfen,

     die Ausbildung und Fortbildung von Lehrkräften zu entwickeln, die für eine Erteilung des Unterrichts qualifiziert werden,

     entsprechende Ressourcen für die flächendeckende Einführung des Unterrichts vorzusehen.“

Ich finde das Wörtchen „sofort“ nicht. Ich finde nur „Entwicklung“, und ich finde „Plan“. Sie haben selbst zugegeben, dass das Anliegen in der Anhörung noch einmal sehr deutlich begründet, unterfüttert und auch begrüßt worden ist. Von daher kann ich die Ablehnung leider nicht nachvollziehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das erschließt sich aus diesem Antrag nicht.

Wir wissen, dass ein sorgfältiger Prozess notwendig ist – ja, in der Tat. Deswegen haben wir die Hände nicht in den Schoß gelegt, sondern wir haben dieses Curriculum in der Fraktion erarbeitet, um den Prozess voranzuführen.

Sie haben recht, Frau Hannen: Ich habe dieses Anliegen schon 2014 auf unserem Parteitag vorgestellt. Wir als Grüne haben es auch vorangetrieben, weil es uns wichtig ist.

(Lachen von der FDP – Dietmar Brockes [FDP]: Wo denn?)

– Ja, Sie können hier lesen, was Herr Blesenkemper schreibt: 2012, Arbeitsgruppe im Ministerium. Wir haben das Curriculum vorgelegt.

(Zuruf von der FDP)

Das ist von März 2017.

(Dietmar Brockes [FDP]: Da haben Sie ja richtig Gas gegeben!)

Das gebe ich Ihnen gleich zur Kenntnis. Wir haben gearbeitet, und jetzt sind Sie am Zug. Ich habe von Ihnen aber noch gar nichts gehört.

Das Spannende in der Ausschusssitzung war, dass Herr Rock und Frau Müller-Rech unterschiedliche Einschätzungen haben, was wirklich kommen müsse und wie das aussehen soll. Ihre Ausführungen gerade, Frau Hannen, zeigen leider, dass wieder zurückgerudert wird und wir nicht wissen, ob das Ganze denn wirklich – wie von Frau Müller-Rech angekündigt – im Masterplan Grundschule steht oder nicht.

Ich habe schon viele Anfragen aus den Philosophischen Fakultäten und von Grundschulen bekommen, weil sie die Hoffnung hatten, dass dieser Antrag eine gemeinsame Grundlage bilden könnte. Ich hatte Ihnen angeboten, sich diesen Antrag zu eigen zu machen. Sie hätten darin arbeiten können. Diese Chance haben Sie leider vertan.

Man kann natürlich sagen: Ihr habt das damals so gemacht, und wir machen es jetzt anders. – Ich weiß aber nicht, ob das souverän ist. Ich lege Ihnen noch einmal dar: Wir haben gearbeitet. Das, was Sie hier ausgebreitet haben, stimmt gar nicht. Aber da sind wir jetzt gar nicht verhärmt.

Ich möchte den Koalitionsvertrag positiv sehen und hoffe, dass diese Angelegenheit schnell zu einer Umsetzung gelangt. Ich übergebe Ihnen jetzt dieses Curriculum, damit Sie eine Arbeitsgrundlage haben. So kann es zügig vorangehen. Ich würde mich freuen, wenn wir bald eine Vorlage bekommen würden, in der genau dieses Anliegen umgesetzt wird. Denn im Ziel sind wir, glaube ich, gar nicht so weit auseinander.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin…

Sigrid Beer (GRÜNE): Ich habe Verständnis dafür, dass Sie jetzt nicht zustimmen können, aber bitte enttäuschen Sie die Grundschulen nicht. Sie haben in der Anhörung gehört, dass es diesbezüglich einen großen Graubereich gibt, dass wir Regelungsbedarf haben und dass viele Grundschulen das gerne in Angriff nehmen möchten, und zwar ganz geregelt, weil sie es im Augenblick de facto auch schon tun. – Herr Präsident, Sie hatten…

Vizepräsident Oliver Keymis: Es ist noch eine Zwischenfrage von Herrn Rock angemeldet.

Sigrid Beer (GRÜNE): Aber natürlich, herzlich gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Dann nehmen wir die noch als Zwischenfrage dazwischen. – Bitte schön.

Frank Rock (CDU): Frau Beer, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben gesagt, Sie kennen so viele Grundschulen. Ich habe auch mit sehr vielen Grundschulen gesprochen. Sie können mir glauben, dass ich als Schulleiter in meinem Netzwerk ausgesprochen viele Grundschulen kenne.

Ich – da bedanke ich mich bei der Kollegin der SPD, die das auch noch einmal deutlich gemacht hat – habe keine Person kennenlernen dürfen, die sagt: In der jetzigen Lage wäre es die richtige Entscheidung, ein weiteres Fach einzuführen. – Ich würde Sie bitten, mir zu erläutern, woher Sie die Leute kennen, die es für dringend notwendig erachten, jetzt, angesichts der schwierigen Lage unserer Grundschulen, dieses Fach einzuführen.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sie haben in der Anhörung mit Frau Wenders und auch mit Frau Rixa Borns bereits solche Personen kennengelernt. Darüber hinaus kann ich Ihnen aber gerne weitervermitteln, wo Schulen bereits entsprechend arbeiten und sich wünschen, dass ganz regulär so arbeiten zu können. Dort sitzen derzeit Kinder im Unterricht, denen sie gerne noch ein anderes Angebot machen würden.

Wir haben in der Anhörung auch gehört – schauen Sie sich noch einmal das Protokoll an –, dass es bereits eine Grauzone gibt, die von den Universitäten wahrgenommen und betreut wird. Dort machen Schulen im Prinzip schon genau das, was laut Ihrem Koalitionsvertrag auf den Weg gebracht werden soll.

Eine Anmerkung noch zu Ihrer Aussage, Frau Hannen. Sie haben gesagt: Wir wollen Ethikunterricht machen. – Lassen Sie sich das bitte noch einmal durch den Kopf gehen. Philosophieunterricht ist mehr als Ethikunterricht. Auch bei dieser Frage hatte die Anhörung etwas Gutes und hat viel Material für die eigenen Überlegungen geliefert.

Ich freue mich jetzt, dass die Sache durch die Regierungsfraktionen vehement vorgebracht und vorangetrieben wird. Warten wir mal ab, wann wir es im Parlament vorliegen haben. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Beer. – Nun spricht für die AfD-Fraktion Herr Seifen.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen kommt reichlich poetisch-romantisch daher. In welche fernen Räume wollen die Antragsteller die Grundschulkinder fliegen lassen? – Sollen Sie auf den Flügeln der Philosophie in das Reich der Illusion getragen werden – da, wo sich Vertreter dieser Partei besonders wohlfühlen? Oder doch in himmlische Sphären?

Kommt man dann nicht den Konkurrenten der Partei ins Gehege, die das „C“ in ihrem Namen als schönen Zierrat führen und den Zugang zum Christsein verteidigen wie seinerzeit die Cherubim den Zugang zum Paradies nach dem Sündenfall Adams und Evas?

Sie sollten aber auch an Ikarus denken, der der Sonne zu weit entgegenflog und dies mit Absturz und Tod bezahlen musste. Abstürze haben Sie jede Menge hinnehmen müssen; das haben die letzten Wahlen gezeigt. Das Scheitern Ihrer utopiegeleiteten Politik in NRW ist wohl mehr als offensichtlich.

Halten wir uns deshalb lieber an Wilhelm Raabe, dessen Mahnung sich vor allem die Utopie-Anhänger hier im Landtag zu Herzen nehmen sollten – ich zitiere –: Blick auf zu den Sternen, aber gib acht auf deinem Weg durch die Gassen. – Damit wären wir beim Schulalltag angelangt. Verantwortungsvolle Schulpolitiker haben immer beides im Blick: die Sterne – das Erziehungs- und Bildungsideal – und den Weg durch den Schullalltag. Dabei hat man insbesondere die Menschen im Blick, die wir mit unserem Ideal konfrontieren, fördern oder manchmal auch belästigen.

Ja, man kann die Wünsche der Antragsteller gut teilen. Auch die Kinder der Primarstufe sollen sich mit Sinn- und Wertefragen auseinandersetzen können; denn auch sie bewegt die Frage: Wo kommen wir her, wo wollen wir hin, was ist der Sinn des Lebens? – Wir müssen auch den Mädchen und Jungen, die an keinem Religionsunterricht teilnehmen oder teilnehmen wollen, ein Unterrichtsangebot zur Verfügung stellen, das ihnen Raum für Fragen und Gedanken zu den Grundlagen unseres Zusammenlebens gibt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, das sind aber doch Sachverhalte, die in vielen Fächern zum Thema gemacht werden. Auf der einen Seite sind Literatur, Sprache und Sachkunde Fächer an der Grundschule, in denen ebenfalls existenzielle Fragen Gegenstand des Nachdenkens sind. Auf der anderen Seite vermittelt der Religionsunterricht Basiswissen über die religiösen Weltbilder, die 2000 Jahre oder vielleicht noch länger das Denken und Leben der Menschen, die Kunst und die Kultur geprägt haben.

Ohne eine Kenntnis darüber ist vieles unverständlich. Man sollte deshalb die Kinder nicht leichtfertig vom Religionsunterricht fernhalten, sondern stärker dafür werben, dass sie den Religionsunterricht besuchen; denn das Fach heißt „Religionslehre“ und nicht „Glaubensinfiltration“.

Darüber hinaus stellt sich die Situation in den verschiedenen Schulen unterschiedlich dar. Während in der einen Schule die Notwendigkeit besteht, größeren Schülergruppen ein alternatives Fachangebot zu unterbreiten, das „praktische Philosophie“ heißen könnte, ist das in anderen Schulen nicht nötig oder auch nicht möglich; dort sind andere Lösungen gefragt, die vor Ort gefunden werden müssen.

Wir können Ihrem Antrag deshalb nicht zustimmen, erkennen das Anliegen aber grundsätzlich an und werden uns deshalb enthalten.

Im Übrigen zeigt dieser Antrag, wie hier vor Ort die Altparteien – möglicherweise schon sehr lange – Politik betreiben. Ihr Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, wurde in annähernd gleicher Form bereits 2014 von der FDP vorgelegt, wie das gerade auch schon gesagt wurde. Dennoch lehnten Sie diesen Antrag damals ab. Jetzt legen Sie dieses Anliegen in einem eigenen Antrag selbst vor – da möchte man gerne wissen, was dabei in Ihren Köpfen vorgegangen ist.

Dieser Antrag wird jetzt von den Mehrheitsfraktionen abgelehnt, wie das die Vorredner deutlich gemacht haben. Mit dieser Art sollte es aber langsam vorbei sein. Es wäre zu wünschen, dass wir endlich nach sachlichen Notwendigkeiten entscheiden und nicht ständig nach parteipolitischem Opportunismus. Die Bürger erwarten von uns Lösungen für dringende Probleme und keine Anti-Reden hier im Parlament. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie sich das bitte zu Herzen! Sie wissen ja – die Hoffnung stirbt zuletzt. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Seifen. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Scharrenbach in Vertretung von Frau Ministerin Gebauer. Bitte schön, Frau Ministerin.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Ziel sind wir uns durchaus einig; denn wir brauchen auch in den Grundschulen neben dem bekenntnisorientierten Religionsunterricht ein Angebot im Bereich „Ethik, Werte, Philosophie“ für Kinder ohne konfessionelle Bindung.

Wir wären heute aber bereits sehr viel weiter, wenn sich die rot-grüne Vorgängerregierung damals selbst organisatorischen Planungen nicht verweigert hätte. 2014 – das klang heute bereits mehrfach an – hatte die damalige FDP-Landtagsfraktion im Plenum einen Antrag eingebracht. Sie von Rot-Grün haben ihn damals abgelehnt und entgegen der Ankündigung nichts weiter unternommen. Nun, in der Opposition angekommen, greifen Sie dieses Thema wieder auf und präsentieren uns dankenswerterweise den Baum der Weisheit der Philosophie als Ergebnis eines Auftrags der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Da es bisweilen entsprechende Befürchtungen gibt, möchte ich für die Landesregierung zunächst einen Aspekt unmissverständlich betonen: Ein Ethikunterricht soll ein Angebot für diejenigen Kinder darstellen, die nicht am bekenntnisorientierten Religionsunterricht teilnehmen. Auch künftig wird der bekenntnisorientierte Religionsunterricht seinen angestammten Platz in unseren Grundschulen behalten – daran wird nicht gerüttelt –, und deswegen geht es um die Schaffung eines qualitativ hochwertigen Wahlangebotes – und nicht um ein Gegeneinander.

Der Koalitionsvertrag von CDU und FDP beschreibt in diesem Sinne den gemeinsamen Willen der Regierungsparteien, Kindern schon in der Grundschule einen solchen nicht konfessionellen Unterricht zu ermöglichen – einen Unterricht, in dem sie altersgerecht über Fragen des Zusammenlebens in der Gesellschaft sprechen, in dem sie Wissen über die verschiedenen ethischen, philosophischen, weltanschaulichen und übrigens auch religiösen Ansätze erwerben.

Demokratie, Menschenrechte, Freiheit und der Respekt vor den Mitmenschen und vor den natürlichen Lebensgrundlagen – ganz im Sinne von Art. 7 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und § 2 des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes – sind der Kern, um den es geht.

Selbstverständlich ist bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines solchen Angebots ein vielschichtiger Diskurs von essenzieller Bedeutung. Deshalb, meine Damen und Herren Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen: Der vorliegende Antrag enthält aus Sicht der Landesregierung viele voreilige Festlegungen.

Deswegen müssen wir gründlich vorgehen – auch das ist hier und heute bereits mehrfach betont worden –; denn die Schulen sind auf dieses mögliche neue Unterrichtsangebot vorzubereiten – durch hochqualitative Fort- und Weiterbildung oder zum Beispiel durch sehr gute Kernlehrpläne.

An den Ausbildungseinrichtungen werden Angebote entwickelt werden müssen. Durch die damalige Blockade seitens des letztendlich grün geführten Schulministeriums wurde viel Zeit für ein solches systematisches Vorgehen vertan.

Sehr geehrte Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, bei dem Ziel trennen uns zwar nicht Welten, aber eben doch gewisse Vorstellungen. Ich glaube, wir können am Ende ein wirklich gutes Angebot für die Schülerinnen und Schüler der Grundschulen machen, die eben nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Dabei gilt aber – das wurde heute mehrfach betont – Gründlichkeit vor Schnelligkeit, um solch ein qualitativ hochwertiges Angebot für Nordrhein-Westfalen zu entwickeln. Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, und damit kommen wir zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Schule und Bildung empfiehlt in Drucksache 17/2001, den Antrag Drucksache 17/533 abzulehnen. Wir stimmen über den Antrag selbst und nicht über die Beschlussempfehlung ab.

Wer stimmt dem Antrag zu? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – CDU, FDP und die fraktionslosen Abgeordneten Langguth und Pretzell stimmen gegen den Antrag. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die SPD-Fraktion, die AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Wir haben das zur Kenntnis genommen und aufgenommen; es ist eine klare Entscheidung. Der Antrag Drucksache 17/533 ist mit den Mehrheitsstimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Ich rufe auf:

13 Die Kraft-Wärme-Kopplung braucht stabile, rechtssichere und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen – Umlagebefreiung für effiziente und umweltfreundliche Anlagen erhalten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/1988

Eine Aussprache ist zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vorgesehen.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/1988 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung. Die abschließende Aussprache und Abstimmung nach Vorlage einer Beschlussempfehlung soll im Anschluss erfolgen. Ich bitte um die Entscheidung dazu. Wer stimmt für die Überweisung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag überwiesen wie vorgesehen.

Ich rufe auf:

14 Lehren aus den Paradise Papers ziehen – Steuervermeidung, Steuerbetrug und Geldwäsche konsequent entgegentreten

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1983

Eine Aussprache ist auch hier nicht vorgesehen.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/1983 an den Ausschuss für Europa und Internationales. Alle im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, den Antrag mitberatend an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Der Ausschuss für Europa und Internationales soll die Federführung erhalten. Die abschließende Aussprache und Abstimmung soll nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Wer stimmt diesem Verfahren zu? – Gibt es dazu Gegenstimmen oder gar Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch hier einstimmig beschlossen, wie beschrieben zu verfahren.

Ich rufe auf:

15 Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Städte Bonn und Velbert, §§ 8 Abs. 3 Satz 2 und 3, 27 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2017 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 – GFG 2017) vom 15. Dezember 2016 i. V. m. Anlage 3 zu diesem Gesetz verletzten die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung

VerfGH 17/17

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 17/1833

Es ist keine Aussprache vorgesehen.

Wir kommen also zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 17/1833, in dem Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht keine Stellung zu nehmen. Wir kommen zur Abstimmung über diese Beschlussempfehlung. Wer stimmt ihr zu? – Gibt es dazu Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 17/1833 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

16 Wahl eines Mitglieds des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2045

Ich darf zu diesem Tagesordnungspunkt Herrn Ministerialrat Burkhard Stadtmann begrüßen, der auf der Besuchertribüne Platz genommen hat. – Sie stehen sogar! Schön, dass Sie da sind, Herr Stadtmann – vielen Dank. Sie dürfen wieder Platz nehmen.

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 17/2045. Wer stimmt dem Wahlvorschlag zu? – SPD, Grüne, CDU, FDP, AfD und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Gibt es Gegenstimmen zu diesem Wahlvorschlag? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Wahlvorschlag Drucksache 17/2045 einstimmig angenommen.

Ich gratuliere Ihnen, Herr Stadtmann, ganz herzlich im Namen des Hohen Hauses und wünsche Ihnen im Namen von uns allen viel Erfolg bei Ihrer anspruchsvollen und wichtigen Aufgabe.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe auf:

17 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 17/4
gem. § 82 Abs. 2
der Geschäftsordnung
Drucksache 17/2029

Die Übersicht 17/4 enthält vier Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung an einen Ausschuss zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen entsprechend der Übersicht 17/4 abstimmen. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es dazu Gegenstimmen? – Nein. Gibt es Enthaltungen? – Nein. Damit sind Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse in Drucksache 17/2029 einstimmig bestätigt.

Ich rufe auf:

18 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/9
gem. § 97 Abs. 8
der Geschäftsordnung

Gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung sind die Beschlüsse des Petitionsausschusses mindestens vierteljährlich dem Landtag zur Bestätigung vorzulegen. Ihnen liegen mit der Übersicht 17/9 die Beschlüsse zu Petitionen vor, über deren Bestätigung wir abstimmen.

Eine Aussprache ist dazu nicht vorgesehen.

Wir stimmen also ab. Wer stimmt dieser Bestätigung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit sind die Beschlüsse des Petitionsausschusses in Übersicht 17/9 einstimmig bestätigt.

Damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung angelangt. Das Plenum ist für morgen, Donnerstag, den 1. März, um 10 Uhr wieder einzuberufen. Das ist der meteorologische Frühlingsanfang.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 17:53 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.