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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/7

16. Wahlperiode

12.09.2012

7. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 12. September 2012

 

 

 

 

 

 

Mitteilungen der Präsidentin ………………………..237

Hinweise der Präsidentin
zum Umbau des Plenarsaals ………………………..237

Verpflichtung des
Abgeordneten Wilhelm Hausmann (CDU) ……….. 240

Regierungserklärung …………………………………240

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft …………………..240


Entschuldigt waren:

Hubertus Fehring (CDU)

Claudia Middendorf (CDU)

Winfried Schittges (CDU)

Hendrik Wüst (CDU)

Holger Ellerbrock (FDP)


Beginn: 10:03 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie und die Gäste auf der Tribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien ganz herzlich zu unserer ersten Sitzung nach der parlamentarischen Sommerpause begrüßen. Es ist die siebte Plenarsitzung des Landtags der 16. Wahl­periode.

Man merkt, dass sich etwas verändert hat. Es ist nicht nur so, dass sich manche Kolleginnen und Kollegen nach der Sommerpause das erste Mal wiedertreffen und herzlich und freundlich begrüßen, sondern es ist auch so, dass der Plenarsaal ein anderer geworden ist.

Bevor ich zu dem neuen Plenarsaal und zu dem komme, was sich verändert hat, möchte ich der Form genügen und Ihnen allen noch mitteilen, dass sich für die heutige Sitzung fünf Abgeordnete entschuldigt haben; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Nachdem nun der verständlicherweise hohe Geräuschpegel im Saal heruntergefahren wurde, möch­te ich gerne mit Ihrer Erlaubnis diesen Platz verlassen, ohne die Sitzung zu unterbrechen, und mich an unser neues Redepult begeben, damit Sie das, was ich Ihnen alles mitteilen darf, nicht nur, wie ich hoffe, gut hören können, sondern damit Sie auch das neue Redepult erleben können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist für uns alle heute eine ganz besondere Plenarsitzung, die sich in dieser Weise auch nicht wiederholen wird. Sie alle haben nämlich eben zum ersten Mal den neu gestalteten Plenarsaal betreten dürfen.

Dieser Plenarsaal ist grundrenoviert worden. Ich hoffe – ich weiß das auch schon aus ersten kurzen Kontakten und Gesprächen –, dass Sie der erste Eindruck überzeugt hat. Das bleibt hoffentlich auch beim näheren Hinsehen so. Ich wünsche mir sehr, dass Ihnen das gefällt, was in der Sommerpause für uns alle verändert worden ist.

Damit Sie gleich anschließend nicht nur in Ruhe schauen, sondern auch ausprobieren können, was sich an den Tischen verändert hat, wie der Stuhl eingestellt wird, und beurteilen können, ob das wirklich eine optimale Lösung im Vergleich zu dem ist, was wir vorher hatten, haben wir im Ältestenrat einvernehmlich verabredet, zwar pünktlich um 10 Uhr mit unserer Plenarsitzung zu beginnen, dass aber die Regierungserklärung, auf die wir alle warten und die heute gehalten wird, erst um 10:30 Uhr beginnen wird.

Zuvor haben Sie die Gelegenheit, die Sie zum Teil eben schon genutzt haben, das Stuhl-Schiene-System auszuprobieren, sich mit allem Neuen vertraut zu machen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses, die für Fragen zur Verfügung stehen, anzusprechen und sich das erklären zu lassen, wofür Sie Erklärung benötigen. Ich glaube, dass wir somit einen würdigen Rahmen für die heutige Plenarsitzung haben werden, um dann die Regierungserklärung in gewohnter Weise hören zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 5. Juli habe ich Sie mit dem Hinweis in die Sommerpause verabschiedet, dass Sie heute einen Plenarsaal wiederfinden werden, der zwar in seiner architektonischen Gesamtheit weitgehend unverändert geblieben, der aber ansonsten von Grund auf saniert worden ist.

Zu meiner großen Freude – ich habe das auch nie anders erwartet – haben Sie ganz fest die Daumen gedrückt, worum ich Sie auch in der Sitzung am 5. Juli gebeten hatte, sodass wir pünktlich und fristgerecht zum heutigen Tag fertig geworden sind. Allein das ist schon ein Grund, sich darüber zu freuen und allen ein Dankeschön zu sagen, die dazu beigetragen haben.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Wie Sie wissen, haben die Sanierungsarbeiten direkt nach Sitzungsende am 5. Juli begonnen. Das war vor erst zehn Wochen. Ich bin sicher – ich weiß das auch von einigen –, dass viele von Ihnen das, was wir täglich ins Internet eingestellt haben, genutzt haben. Sie haben geschaut und nachgelesen, Sie haben sich die Fortschritte optisch vor Augen führen lassen. Das haben auch viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land miterleben dürfen.

Falls Sie das noch nicht getan haben und irgendwann einmal ein paar Minuten Zeit haben, sollten Sie das unbedingt nachholen, denn durch dieses Internetangebot haben Sie die einmalige Chance, den Plenarsaal in einer Art und Weise zu erleben, wie Sie ihn nie wieder sehen werden, nämlich entkernt, ohne Boden, ohne Tische und ohne Stühle, und Sie können einen Eindruck von der Arbeit gewinnen, die hier geleistet wurde.

Diese Arbeit ging direkt nach Plenumsende los. Sie waren noch nicht ganz aus der Tür heraus, da waren die Haustechniker und Handwerker schon hier und haben die Stühle herausgeräumt, die Tische abgebaut und später den Plenarsaalboden bis auf den blanken Beton aufgenommen.

Bevor der komplette Neuaufbau in Angriff genommen werden konnte, erfolgten erst sämtliche baulichen und technischen Vorbereitungen für Belüftung und Elektronik. Auch zahlreiche, bereits in der Errichtungsphase des Landtags quer durch den Boden des Plenarsaals verlaufende Sprinkler-, Wasser- und Heizungsrohre mussten in andere Bereiche verlegt werden. Das war zum Teil mit einer enormen Geräuschbelastung für all diejenigen verbunden, die zu diesem Zeitpunkt im Haus waren und keinen Urlaub hatten. Nachträglich vielen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Abgeordneten, die das mit großer Geduld und mit Verständnis ertragen haben!

Nachdem alles heraus war, erfolgte der Neuaufbau bis hin zum Einbau des Schienensystems, der Tische, der Stühle, der Medientechnik.

Die gesamte Baumaßnahme stand in einem extrem knapp bemessenen Zeitfenster, das auch erst gestern Abend respektive heute Morgen endgültig geschlossen werden konnte.

Dass dies alles möglich war, verdanken wir den verschiedenen Gewerken, den mittelständischen Betrieben, die bis auf wenige Ausnahmen alle aus Nordrhein-Westfalen sind. Was hier innerhalb weniger Wochen geleistet wurde, ist fast unbeschreiblich. Ich freue mich daher sehr, dass diese Firmen durch Geschäftsführer, Projektleiter, Vorarbeiter, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ebenso die beteiligten externen Fachingenieure heute Morgen als Ehrengäste auf der Tribüne vertreten sind.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Ihnen allen gilt unser ganz besonderer Willkommensgruß – die Abgeordneten haben das durch den Applaus deutlich gemacht –, und wir sprechen Ihnen mit großem Respekt unseren Dank aus. Sie, die Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Gewerke, haben bei den umfangreichen Arbeiten durch Ihre Leistung entscheidend zur erfolgreichen Bewältigung dieser Herkulesaufgabe beigetragen. Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es gelungen, in kürzester Zeit mit größtmöglichem Einsatz – wirklich fast Tag und Nacht und ohne Wochenende – den Plenarsaal in diesem neuen Gewand einschließlich der aufwendigen technischen Einzelheiten zur heutigen ersten Sitzung nach der Sommerpause fertigzustellen.

Wir danken Ihnen noch einmal für diese Leistung, die nicht selten auch bis an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit ging. Herzlichen Dank dafür! Sie alle, meine Damen und Herren, Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Gewerke, dürfen zu Recht stolz auf das sein, was Sie hier geleistet haben.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolleginnen, der Landtag ist sich seiner Vorbildfunktion bei der Umsetzung des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen für das Land bewusst. Daher hat der Landtag, vertreten durch den Präsidenten der 15. Wahlperiode, meinen Kollegen Eckhard Uhlenberg, mit den Vertretern der Behindertenverbände eine Zielvereinbarung in Anlehnung an den § 5 des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung abgeschlossen, die wir am 9. Dezember 2011 in einer Feierstunde unterzeichnet haben. Die Zielvereinbarung beinhaltete auch die weitgehende Barrierefreiheit dieses Plenarsaals.

Ich freue mich sehr, dass Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Nordrhein-Westfalen an der heutigen Sitzung auf der Tribüne teilnehmen. Es ist der Dachverband behinderter, chronisch kranker Menschen und deren Angehörigen mit rund 200.000 Einzelmitgliedern. Stellvertretend begrüße ich die Vorsitzende der LAG Selbsthilfe. Herzlich willkommen, Frau Geesken Wörmann!

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Liebe Frau Wörmann, gemeinsam werden wir später, wenn diese Sitzung beendet ist, den Plenarsaal aus nächster Nähe anschauen. Jetzt hoffe ich, dass Sie und die Vertreterinnen und Vertreter der LAG den Blick von der Tribüne aus genießen können. Auch Ihre Arbeit, Ihre Anregungen und Hinweise sind hier umgesetzt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolleginnen, ich habe es schon mehrfach gesagt: Dieser Plenarsaal ist nach der Grundsanierung nun weitgehend barrierefrei. Deshalb können von nun an Herr Fricke und Frau Steinmann ihre Reden vom Redepult ohne größere Probleme halten und vor allen Dingen diesen Platz selbstständig erreichen. Darüber sind wir sehr froh, und ich freue mich, dass wir in Kürze eine Jungfernrede erleben dürfen.

Gleichzeitig haben wir mit diesem Veranstaltungsort Plenarsaal Nordrhein-Westfalen die Barrierefreiheit auch für andere Veranstaltungen gewährleistet, nämlich für Anhörungen, für Fachveranstaltungen, für Feierstunden und auch für Schülerbesuchergruppen oder Besuchergruppen generell. Damit haben wir im Landtag Nordrhein-Westfalen einen Ort geschaffen, der für viele Menschen ein Ort der Begegnung sein wird. Das, was im Raum noch an Barrierefreiheit fehlt, werden wir noch umsetzen. Ich habe schon gestern mitgeteilt, dass das natürlich nur der Beginn sein kann. Wir werden es, soweit es technisch möglich ist, auf der Tribüne fortsetzen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, unser Plenarsaal ist, was die Größe und die bauliche Ausstrahlung angeht, unter den deutschen Landesparlamenten einzigartig. Deshalb war die große Herausforderung, diese Architektur und das Besondere, diese Einmaligkeit auch nach der Grundsanierung zu erhalten. Darin sind wir uns mit dem geistigen Vater und Erbauer des Landtags, mit Prof. Fritz Eller, der „seinen“ Plenarsaal schon in Augenschein genommen hat, einig: Das ist uns gelungen.

Wenn ich danke, darf ich nicht vergessen, Dank auch an die Baukommission respektive die Baukommissionen auszusprechen, die in diesem Haus dafür gesorgt haben, dass fraktionsübergreifende, sachorientierte Entscheidungen getroffen werden konnten und wir jederzeit im Hinblick auf die Umgestaltung des Plenarsaals zusammengearbeitet haben. Damit ist das, was wir heute – ich hätte fast gesagt: in Beschlag nehmen – wieder als unseren Arbeitsplatz begreifen und erleben können, ein gemeinsames Werk aller, ein gemeinsames Werk der Fraktionen, das nicht von Anfang an so geplant war. Das heißt mit anderen Worten: Alles Gute haben wir gemeinsam zu verantworten, und da, wo wir noch kleine Mängel ausmerzen und nachsteuern müssen, haben wir das auch gemeinsam zu verantworten.

Auch wenn die Zielvereinbarung, die wir mit der LAG geschlossen haben, noch nicht zu hundert Prozent erfüllt ist, können wir mit dem, was geschaffen wurde und was auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gehandicapt sind, einen echten Vorteil und einen echten Quantensprung darstellt, gut in das kommende Jahr, in das Jahr 2013, einsteigen. Denn dann werden wir gemeinsam 25 Jahre Landtag am Rhein feiern können.

Nachdem ich die große Linie der Umgestaltung dieses Plenarsaals nachgezogen habe, werde ich Ihnen noch einige praktische und technische Hinweise geben.

Wahrscheinlich haben Sie es längst entdeckt: Alle Tische sind mit einer Schiebeklappe ausgerüstet, in der sich zwei Steckdosen befinden. Diese Schiebeklappe lässt sich durch leichtes Herunterdrücken und gleichzeitiges Zurückziehen öffnen. Ich weiß, wenn man so etwas sagt, probieren es alle aus. Tun Sie es ruhig! Dazu ist dieser Vortrag heute gedacht.

In den Reihen 2 bis 6 ist das darunterliegende Ablagefach so groß ausgebildet, dass DIN A4-Doku­mente hineinpassen. In der ersten Reihe ist das Ablagefach etwas kleiner, da diese Tische zusätzlich über Schubladen verfügen. Sie alle müssten in den Laden die Kalender für 2013 gefunden haben. – Durch Nicken bestätigen Sie mir das; das freut mich.

Sie haben auch alle schon gesehen, dass die Fächer und Schubladen mit einem Schloss gesichert sind. Künftig werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Saaldienstes am jeweiligen ersten Plenartag unmittelbar vor der Sitzung die Schubladen und Fächer aufschließen und am letzten Plenartag unmittelbar nach der Sitzung wieder abschließen.

Ihr persönlicher Schlüssel hat bis gerade eben – ich hoffe, Sie haben ihn selbst herausgenommen – im Schloss an der rechten Seite Ihres Tisches gesteckt. Nehmen Sie ihn an sich! Denn das ist Ihre Gewähr dafür, dass Sie die Lade auch selbstständig auf- und zuschließen können.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtags sind hier im Saal verteilt, haben Ihnen bereits geholfen und werden auch in den nächsten Minuten gerne Ihre Fragen beantworten und weitere Erläuterungen geben.

Die Bedienungsanleitung für die Stühle lag auf den Tischen. Sie ist sehr aussagekräftig. Probieren Sie das ruhig alles aus! Es wäre mir lieber, Sie würden es jetzt ausprobieren, während ich rede, als später. Denn dadurch wird ein wenig Unruhe erzeugt, die vielleicht auch missgedeutet werden könnte. Auch bei der Möglichkeit, die Stühle zu verstellen, helfen Ihnen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich gerne.

Wie Sie hoffentlich alle bemerkt haben, ist die Klimatisierung in diesem Raum verändert. Sie erfolgt jetzt durch die gelochten Tischfrontplatten direkt an Ihrem Platz. Zusätzlich gibt es entlang der hinteren Steinfassade einen ebenfalls kanalgeführten Luftauslass, damit auch die hinteren Reihen mit Frischluft versorgt werden können.

Ein Allerletztes: Für die heutige Premiere konnte es keine echte Generalprobe geben. Wir konnten den Betrieb nicht unter realen Bedingungen simulieren und daher auch nur Erfahrungswerte in anderen Situationen erlangen. Deshalb bitte ich gemeinsam mit all denjenigen, die es technisch zu verantworten haben, herzlich um Ihr Verständnis, wenn es hinsichtlich der Akustik noch zu einigen klanglichen Unebenheiten im Raum kommt. Wir sind sehr froh, dass das Klanggespenst, das wir teilweise hier im Raum hatten und das so schreckliche Töne erzeugte, heute nicht aufgetaucht ist. Wir hoffen sehr, dass das auch in der nächsten Stunde so bleibt. Wir wissen sehr genau, dass wir die Anlage noch nachjustieren und nachsteuern müssen. Auch dafür bitten wir um Ihr Verständnis. Wir benötigen die Erfahrungen von heute, morgen und übermorgen.

Wenn ich gerade bei den Erfahrungen und dem Verständnis bin: Wenn Ihnen in den nächsten Tagen oder auch später in diesem Plenarsaal etwas auffällt, wovon Sie glauben, dass es nicht in Ordnung ist, dass es anders sein müsste, wenn Sie Anregungen oder Hinweise haben, sprechen Sie uns an! Wir wollen diesen Plenarsaal gemeinsam mit Ihnen dynamisch weiterentwickeln und weiter optimieren. Wir sind jederzeit für Sie da, wenn es Fragen oder Hinweise gibt.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das waren die technischen Hinweise.

Es gibt noch eines, was ich mir für den Schluss dieser Rede aufbewahrt habe: den Dank an unser Team Gebäudemanagement unserer eigenen Landtagsverwaltung hier im Hause, das in den vergangenen zehn Wochen eine Leistung im Rahmen der Sanierung erbracht hat, die ich als außergewöhnlich und herausragend bezeichnen will. Das hat das Team richtig toll gemacht!

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Stellvertretend für das gesamte Team möchte ich der Leiterin des Referates, Frau Anita Drensek, mit einem Blumenstrauß gratulieren und mich gleichzeitig für diese wunderbare Leistung bedanken.

Liebe Frau Drensek, herzlichen Dank!

(Präsidentin Carina Gödecke überreicht Ministerialrätin Anita Drensek [Landtagsverwaltung] einen Blumenstrauß. – Lebhafter allgemeiner Beifall)

Jetzt bleibt mir nur noch, die Sitzung für kurze Zeit zu unterbrechen. Nutzen Sie alle Möglichkeiten, auszuprobieren, was man hier ausprobieren kann! Fragen Sie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! In acht Minuten geht es weiter. Vielen Dank!

(Unterbrechung von 10:22 Uhr bis 10:30 Uhr)

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hebe die Unterbrechung der Plenarsitzung wieder auf. Ich bitte Sie, Ihre Plätze wieder einzunehmen.

Wir kommen nun zur Verpflichtung eines Abgeordneten gemäß § 2 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung. Der Abgeordnete Herr Wilhelm Hausmann von der CDU konnte bei der konstituierenden Sitzung am 31. Mai dieses Jahres sowie bei den anschließenden Sitzungen vor der Sommerpause nicht anwesend sein. Somit konnte er auch bisher nicht gemäß § 2 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung verpflichtet werden. Die Verpflichtung werde ich heute nachholen. Zu diesem Zweck bitte ich Herrn Hausmann, zu mir zu kommen.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Lieber Kollege Hausmann, ich bitte Sie, die folgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:

„Die Mitglieder des Landtags von Nordrhein-Westfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.“

Herzlich willkommen! Alles Gute! Damit sind Sie verpflichtet und sind unser neuer Kollege.

(Allgemeiner Beifall)

Wilhelm Hausmann (CDU): Vielen Dank.

Präsidentin Carina Gödecke: Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nun in die Beratung der heutigen Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf den einzigen Tagesordnungspunkt heute:

     Regierungserklärung

Die Ministerpräsidentin hat mit Schreiben vom 3. September 2012 mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, heute eine Regierungserklärung abzugeben.

Ich erteile damit der Frau Ministerpräsidentin das Wort.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Am 13. Mai dieses Jahres haben die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes der neuen Landesregierung eine klare parlamentarische Mehrheit gegeben. Wir arbeiten jetzt weiter an unseren zentralen Aufgaben auf einer stabilen Regierungsgrundlage.

Es gilt, Nordrhein-Westfalen für die Zukunft noch stärker zu machen. Wir haben seit 2010 die Weichen richtig gestellt. In den kommenden fünf Jahren wollen wir die Schienen weiterlegen, das Netz ausbauen. Für uns ist klar: Zukunftsfähigkeit gewinnt Nordrhein-Westfalen mit einer Politik, die vorbeugend, nachhaltig und gerecht ist.

Seit Monaten machen sich die Menschen auch in unserem Land Sorgen wegen der Krise in der Währungsunion. Sie fragen sich, ob die verantwortlichen Akteure überhaupt noch mit der Krise fertig werden, ob sie sich einig genug sind. Es wurde auch die Frage gestellt, ob die Instrumente der Krisenbekämpfung mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Wie ich soeben vernommen habe, hat das Bundesverfassungsgericht den Weg zum Inkrafttreten des ESM-Vertrages freigemacht – dies aber mit Auflagen verbunden. Es gilt, die Details dann noch in Ruhe zu bewerten. Aber wichtig ist ein klares Signal. Ich freue mich darüber, dass dieses Signal deutlich ist, weil es wichtig für unser Land ist, dass es auch in Zukunft eine klare Ausrichtung nach Europa gibt.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Auch das Beispiel „Euro“ zeigt: Es reicht nicht, wenn in der Politik nur reagiert wird. Wir müssen viel öfter vorausschauend agieren. Ein solches Umsteuern kann sicher nicht in allen Feldern gelingen; dazu reichen Voraussicht und Mittel oft nicht aus. Aber es kann und muss viel häufiger gelingen als zurzeit. Denn klar ist, dass auch unser Land in der Mitte Europas nur dann stark in die Zukunft gehen wird, wenn die Europäische Union als Ganzes auf Dauer erfolgreich ist. Ich bleibe dabei: Die Lösung unserer Probleme ist mehr Europa und nicht weniger.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, ich will heute in dieser Regierungserklärung in einer kompakten Form darlegen, was wir unter einem weitsichtigen, vorausschauenden Politikansatz verstehen, der unser Land auf Dauer stärkt. Es geht mir um das Grundverständnis, wenn Sie so wollen, die Vision, auf der die Arbeit und der Einsatz des gesamten Landeskabinetts fußen.

Die Ministerinnen und Minister der Landesregierung werden für ihre Ressorts in den kommenden Sitzungen der Ausschüsse noch detaillierter berichten, und wir werden diese Berichte dann auch ins Internet stellen. So geben wir sowohl der Gesamtöffentlichkeit als auch der Fachöffentlichkeit jeweils die notwendige Orientierung über unser Handeln in den nächsten fünf Jahren. Und natürlich ist auch der Koalitionsvertrag die verbindliche Grundlage unserer Arbeit in dieser Legislaturperiode.

Meine Damen und Herren, die Energiewende zeigt genauso wie der Euro exemplarisch, wie wichtig langfristiges Denken und Handeln sind, wie groß die Chancen sind, wenn wir weitsichtig agieren, in diesem Fall den Atomausstieg konsequent verfolgen und die Klimaziele fest im Blick haben.

Da sind zum einen die wirtschaftlichen Chancen, die bereits vielfältig in Nordrhein-Westfalen genutzt werden. Im Siegerland haben wir seit 1921 eine Firma für schwere Eisen- und Blechkonstruktionen. Inzwischen liefert der Betrieb Maschinen, mit denen Offshore-Windtürme von fast beliebiger Höhe gebaut werden können.

Die Energiewende braucht Hightech. So gibt es in Nordrhein-Westfalen inzwischen mehr als 400 Firmen der Zulieferindustrie der weltweiten Energiebranche. Rund 10.000 Menschen in NRW arbeiten alleine im Bereich Windenergie. In den seit 2007 weltweit errichteten Windenergieanlagen kam jedes zweite eingebaute Getriebe aus unserem Land. Gerade diese Zahl macht deutlich, welche Chancen die Energiewende für unsere Unternehmen, für unser Land bietet.

Es gilt, mit neuen Produkten neue Märkte zu erobern und dabei neue Arbeitsplätze zu schaffen. Auch deshalb setzen wir uns im Rahmen einer Umweltwirtschaftsstrategie so konsequent für Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Ressourcen- und Energieeffizienz ein. Das ist Zukunftspolitik für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu den ökonomischen und gesellschaftlichen Chancen, die wir auch ergreifen müssen, kommen die ökologischen Chancen der Energiewende. Auch deshalb will Nordrhein-Westfalen dauerhaft eine Vorreiterrolle einnehmen. Es gilt, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 25 % und bis 2050 um mindestens 80 % gegenüber 1990 zu reduzieren. So steht es im Entwurf des Klimaschutzgesetzes. Auf dieser Basis werden wir in einem umfangreichen Dialogprozess einen detaillierten Klimaschutzplan entwickeln.

Wir wollen auch den schnellstmöglichen Umstieg auf die erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2025 sollen mehr als 30 % des Stroms in NRW aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Unter anderem soll der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung auf mindestens 15 % bis 2020 gesteigert werden. Mit einem 250-Millionen-Impulspro­gramm zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung wollen wir bis 2020 25 % über KWK erzeugen.

Ja, meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen soll Vorreiter sein. Wir machen dazu unsere Hausaufgaben.

In Bottrop entsteht mit breiter Unterstützung der Wirtschaft die „InnovationCity Ruhr“. Dabei wird erstmals ein bestehendes städtisches Quartier mit einem ganzheitlichen Konzept energiesparfit gemacht. Ja, dieses Ziel, den Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2020 um 50 % zu senken, ist ambitioniert. Aber ich bin mir sicher: „InnovationCity“ wird eine europaweite Blaupause für den ökologischen Umbau eines ganzen Stadtteiles im Bestand.

Ein anderes spannendes Projekt wird die landesweite Ausstellung „Klimaschutz-Expo“ sein. Dabei wollen wir in ganz Nordrhein-Westfalen zeigen, was es bei uns bereits an innovativer Technologie und Lösungsansätzen gibt. Das Ruhrgebiet wird dabei in der Präsentation eine besondere Rolle spielen, aber auch alle anderen Landesteile werden sich beteiligen.

Meine Damen und Herren, bei der Energiewende geht es nicht um irgendeine Aufgabe, die wir notfalls auch irgendwann lösen können, sondern es geht um unsere Wettbewerbsfähigkeit, unseren Wohlstand, und letztlich geht es sogar um unsere Schöpfung.

Leider hat die Bundesregierung die Energiewende lange nicht entschlossen genug vorangetrieben. Ein solches Zögern gefährdet die Zukunftschancen unseres Landes. Schließlich ist Nordrhein-Westfalen die Herzkammer der deutschen Energiewirtschaft. Wir produzieren ein Drittel der gesamten Strommenge Deutschlands. Wir haben zugleich das Know-how und die Produktionskraft, die für das Gelingen der Energiewende unverzichtbar sind.

Seit Monaten fordere ich darum einen Masterplan der Bundesregierung, der den einzelnen Akteuren Handlungs- und Planungssicherheit geben muss. Oberstes Ziel ist dabei eine sichere, klimafreundliche Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen, für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch insbesondere für die energieintensiven Unternehmen in unserem Land. Auch sie müssen eine Chance haben, wettbewerbsfähig auch in Zukunft in unserem Land zu produzieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind uns einig: Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien. Aber wir wissen auch: Wir brauchen auf diesem Weg dahin noch relativ lange auch fossile Energieträger und auch fossile Kraftwerke. Es gilt, fossile Energieträger so effizient und so umweltfreundlich wie möglich einzusetzen. Wir brauchen ein Leitungsnetz, das diesem Umbau gerecht wird. Auch hier machen wir unsere Hausaufgaben. Aber ohne einen umfassenden Plan, der alle Aspekte zusammenführt, werden wir das notwendige Maß abgestimmten Handelns nicht erreichen.

Die Bundesregierung ist mit der Energiewende erheblich ins Stottern geraten, weil sie nicht akzeptiert hat, was die Ethikkommission gefordert hat: Die Energiewende ist ein Gemeinschaftswerk und kann nur als Gemeinschaftswerk erfolgreich umgesetzt werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Energiewende kann zusätzliche Dynamik bringen. Es gibt aber bereits sehr viel Dynamik in unserer Wirtschaft. Es gab noch nie so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in unserem Land wie in diesem Jahr. In der Industrie sind es 13.700 Arbeitsplätze mehr als im vergangenen Jahr. Ich sage: Wir kämpfen um diesen Industriestandort. Wir kämpfen um jeden einzelnen Arbeitsplatz, weil wir wissen, es geht dabei nicht nur um industrielle Arbeitsplätze, sondern es geht dabei um die Wertschöpfungskette, die hinten dranhängt, den großen Bereich von Dienstleistungen, Service und Kreativwirtschaft. Diese Zusammenhänge kennen wir. Deshalb kämpfen wir um jeden einzelnen Arbeitsplatz in der Industrie dieses Landes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wie attraktiv der Standort Nordrhein-Westfalen ist, zeigt auch das hohe Engagement ausländischer Investoren. Sie haben insgesamt fast 190 Milliarden € bei uns investiert. Das sind 27,1 % aller Auslandsinvestitionen, die nach Deutschland fließen. Bei uns sind bekannte große Konzerne zu Hause, aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen, viele davon familiengeführt. Sie sind als sogenannte Hidden Champions vielfältig und äußerst erfolgreich. Jedes vierte dieser Hidden Champions der deutschen Weltmarktführer sitzt hier bei uns in Nordrhein-Westfalen. Ein starker, ein lebendiger Standort braucht innovative Unternehmen, braucht innovative Gründer. Sonst können wir unseren Wohlstand nicht wahren.

Damit solche Investitionen weiter akzeptiert werden, haben wir die Geschäftsstelle „Dialog schafft Zukunft“ ins Leben gerufen. Es geht um aktive Beteiligung im Vorfeld größerer Investitionen. Wir wissen: Aus Betroffenen Beteiligte zu machen und das rechtzeitig zu organisieren, wird uns helfen, die notwendige Akzeptanz für solche Investitionen in diesem Land zu stärken.

Wir kümmern uns aber nicht nur um die urbanen Zonen. Auch die ländlichen Räume in Nordrhein-Westfalen sind wirtschaftsstark, lebenswert und wichtige Standorte vieler kleiner und mittlerer Unternehmen und des Handwerks. Durch eine gezielte nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums wollen wir daher Beschäftigung und Wertschöpfung dort erhalten. Mittelstand und Handwerk können sicher sein, dass die Landesregierung ein offenes Ohr für ihre Anliegen hat. Das wird nicht nur in der Bezeichnung des Ministeriums deutlich. Das beweisen unser Mittelstandsgesetz und die Handwerks- und Fachkräfteinitiative. Wir zeigen damit deutlich, dass wir es ernst meinen und dass wir wissen, wie wichtig diese Unternehmen für unser Land sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen Nordrhein-Westfalen stärker machen für die Zukunft – in allen Bereichen. Erfreulich ist es, dass wir dabei in vielen Fällen schon vorangekommen sind.

So habe ich Mitte August mit Freude gelesen, dass nach einer Untersuchung der „AIlianz pro Schiene“ die beste Verkehrspolitik aller 16 Bundesländer hier in Nordrhein-Westfalen gemacht wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu diesem Ergebnis hat sicherlich auch das Sozialticket beigetragen, das wir eingeführt haben. Die „Allianz pro Schiene“ weist aber auch darauf hin, es müsse noch viel in Straßen, Schienen und Bahnhöfe investiert werden.

Ich teile diese Einschätzung. Neben den Straßen muss besonders der Ausbau der Schieneninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen hohe Priorität haben. Der Rhein-Ruhr-Express, die Betuwe-Linie, der Eiserne Rhein, der Bahnknoten Köln oder auch die Strecken Münster–Lünen und Aachen–Köln gehören dabei zu den besonders wichtigen Vorhaben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

– Das waren jetzt die örtlich betroffenen Abgeordneten, und man sieht: Es sind nicht gerade wenige. – Ja, das muss möglichst schnell verwirklicht werden: Bahnen, Autos, Flugzeuge, Schiffe, aber im regionalen Verkehr auch Fahrräder – wir dürfen die verschiedenen Verkehrsträger eben nicht isoliert betrachten, sondern wir müssen sie im Zusammenhang sehen und besonders darauf achten, dass die Verkehrsknotenpunkte leistungsfähiger werden und so ihre Funktion besser erfüllen können.

Aber eines ist auch klar: Zu all dem muss der Bund seinen Anteil an der Finanzierung unbedingt leisten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, meine Damen und Herren, wir müssen weit, Jahre und Jahrzehnte voraus denken, wenn wir unsere Infrastruktur erhalten und leistungsfähig machen wollen.

Wir müssen wohl noch weiter nach vorne schauen, wenn es um unsere Umwelt geht. Aber wir haben gegenüber unseren Kindern und Enkelkindern die Verpflichtung, die Schöpfung zu bewahren. Das gilt für unser Klima. Aber wir müssen auch die Treuhänder sein für alle anderen Teile unseres Naturerbes.

Darum werden wir in Nordrhein-Westfalen zum Schutz der biologischen Vielfalt ein Naturschutzgesetz NRW vorlegen. Wir wollen eine Stiftung für das Naturerbe gründen. Und auch unser Wasser und unseren Wald werden wir mit einer Reihe von Initiativen noch besser schützen, so zum Beispiel durch den „Masterplan Wasser NRW“ und die „Waldstrategie 2050“.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wichtig ist, dass wir das alles für die kommenden Generationen im Blick haben.

Weitsichtige Umweltpolitik ist auch Gesundheits- und Sozialpolitik. Jeder Mensch hat ein Recht auf den Schutz vor Umweltgiften, Schadstoffen und Lärm.

Verbraucherschutz ist deshalb – auch deshalb – zum Markenzeichen dieser Landesregierung geworden. Diesen Markenkern wollen wir weiter stärken. Die Diskussion um die Hygieneampel und die Bekämpfung von Antibiotika in Lebensmitteln hat uns gezeigt, dass das in der Bevölkerung sehr positiv gesehen wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, über den Tag hinaus denken, in allen Bereichen – das ist Leitmotiv unseres Handelns nicht nur in der Wirtschafts- und Umweltpolitik.

Das Landeskabinett hat in der vergangenen Woche sehr intensiv den Armuts- und Reichtumsbericht des Landes beraten. Die Entwicklungen sind besorgniserregend. Die einen werden immer ärmer, die anderen werden immer reicher. Das gefährdet die Grundlagen unserer Gesellschaft, den Zusammenhalt unseres Landes und die Substanz unserer Grundwerte.

Wir wollen und wir müssen diesen Trend umkehren. Deshalb wird die Landesregierung im kommenden Jahr ein umfassendes, bis 2020 angelegtes Handlungskonzept „Gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ für Chancengerechtigkeit und Teilhabe erarbeiten und beschließen.

Es ist weiterhin ein Markenzeichen dieser Regierung, dass wir an einem Strang ziehen – über Ressortgrenzen hinweg. Das gilt für Klima und Energie, für Prävention, aber auch für die Armutsbekämpfung. Im Rahmen dieses Konzeptes wollen wir die Verantwortlichkeiten klar benennen – in den einzelnen Ressorts, aber auch gegenüber Bund und Kommunen. Denn das Land allein kann auch in diesem Feld nicht nachhaltig erfolgreich sein.

Zentrale Herausforderungen für die Zukunft sind dabei Vorbeugung und Qualifizierung. Hier haben wir die Weichen richtig gestellt. Nun müssen wir insgesamt zügig, zielgerichtet und systematisch bündeln und handeln, wenn wir vorankommen wollen.

Wir werden uns keinen Tag mit wachsender Armut abfinden. Es reicht nicht, Berichte entgegenzunehmen; wir müssen einen Handlungsplan haben, um diesen Auswirkungen entgegenwirken zu können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders bei der Bildung hat unser Handeln Auswirkungen, die sich über ganze Lebensläufe, von der Kita über die Schule, über die Hochschule bis zur Weiterbildung oder sogar über mehrere Generationen hinweg, erstrecken können. Und darum ist es ganz besonders wichtig, dass wir ein solides Bildungsfundament bauen.

So, wie es mit dem Schulkonsens gelungen ist. Die Landesregierung steht ohne Wenn und Aber zu dem gefundenen Konsens. Damit haben wir im vorigen Jahr einen Streit befriedet, der jahrzehntelang erbittert geführt wurde. Schüler, Lehrer und Eltern, aber auch die Kommunen haben jetzt eine verlässliche und stabile Grundlage, auf der wir überall in NRW die Häuser der Bildung, unsere Schulen der Zukunft gestalten können. An diese Aufgabe werden wir uns weiter heranwagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Erfreulich ist: Der Schulkonsens wirkt. 42 neue Sekundarschulen und 20 neue Gesamtschulen sind gerade gestartet, und die zwölf Gemeinschafts­schulen sind nun schon im zweiten Jahr. Viele Eltern wollen einfach, dass ihre Kinder bis zum Schluss die Chance haben, den bestmöglichen Abschluss zu schaffen.

Mit dem Schulversuch PRIMUS wollen wir noch dazu erproben, welche Wirkungen ein gemeinsames Lernen von der ersten bis zur zehnten Klasse auf ein Lernverhalten, auf die Leistungsentwicklung und das Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler hat.

Und weil Bildung eben ein zentraler Bestandteil unserer Politik der Zukunftssicherung und der Armutsvorbeugung ist, werden wir hier auch weiter investieren. Die Schülerzahlen – das wissen wir alle – werden in den nächsten Jahren zurückgehen. Also – so könnte man schließen – bräuchten wir auch weniger Lehrerinnen und Lehrer. In NRW wären das rund 8.000 allein von 2012 bis 2015. Aber genau diesen Schluss ziehen wir nicht. Wir werden die freiwerdenden Bildungsressourcen nicht streichen, sondern für noch bessere Bildung einsetzen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Was wir damit meinen, haben wir schon in den letzten zwei Jahren vorbereitet. Dazu zählen kleinere Lerngruppen, ein wohnortnahes Grundschulangebot, ein inklusives Bildungssystem, der Ganztag und mehr Chancen für jedes Kind durch individuelle Förderung und Unterstützung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir setzen darauf, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen, unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Parlament. Die Bildungskonferenz mit allen am Schulleben Beteiligten wird ihre wichtige Arbeit fortsetzen. Wir laden nach wie vor die FDP und natürlich auch die Piratenpartei dazu ein, den Schulkonsens gemeinsam umzusetzen. Die Tür steht Ihnen jederzeit offen. Sie sind herzlich willkommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Es wäre gut, wenn wir auch darin einen Konsens hätten, dass Nordrhein-Westfalen an Bildung insgesamt nicht sparen darf. Bildung ist der wichtigste Teil der Zukunftssicherung. Darum ist es auch richtig, dass Nordrhein-Westfalen für Bildung finanziell mehr tut als alle anderen Länder in Deutschland. 42,2 % aller Ausgaben in unserem Haushalt investieren wir im Bildungsbereich. Der Durchschnitt der anderen Flächenländer im Westen liegt bei 38,6 %, der im Osten bei 33,8 %. Wenn Sie sich den Bildungsfinanzbericht der Bundesregierung anschauen, können Sie auch ablesen, dass Nordrhein-Westfalen bei den Bildungsausgaben pro Kopf mit 956 € ebenfalls an der Spitze liegt.

Ja, wir liegen bei der Finanzierung der Bildung an der Spitze. Aber ich weiß auch, dass wir bei der frühen Bildung noch nicht führen. Deshalb machen wir weiter Tempo, um die Ziellinie gemeinsam und in der Zeit zu erreichen, die wir uns gemeinsam gesetzt haben.

Dazu brauchen wir pragmatische Lösungen, die wir zusammen mit den Kommunen erarbeiten. Wir wollen dazu beitragen, dass die Kommunen den Rechtsanspruch auf einen U3-Platz ab August kommenden Jahres umsetzen können. Mit einer Taskforce stehen wir den Kommunen zur Seite, damit die Hürden vor Ort überwunden werden können, auch Hürden bei der Finanzierung. Mehr als 500 Anfragen konnten in der Taskforce bereits bearbeitet werden.

Wir werden überdies deutlich mehr Familienzentren gerade in benachteiligten Stadtteilen eröffnen. Denn es bleibt für uns ein wichtiges Ziel, auch Bildung beitragsfrei zu machen, sobald es dafür finanzielle Spielräume gibt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin da realistisch: Diese finanziellen Spielräume müssen wir uns zurückerobern. Darum bleibt eine nachhaltige Haushaltssanierung auch in der neuen Legislaturperiode eine unserer wichtigsten Aufgaben.

2020 greift die Schuldenbreme. Wir werden bis dahin durch einen konsequenten, aber verantwortlichen Konsolidierungspfad die Neuverschuldung auf null bringen. Wir treten auch dafür ein, dass die Schuldenbremse in die Landesverfassung kommt. Aber es bleibt dabei: Wir werden das nur mitmachen, wenn gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Kreditaufnahme wirklich gebremst und nicht einfach auf die Kommunen verschoben wird. Auch das bleibt Politik dieser Landesregierung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ehrliche und wirklich nachhaltige Konsolidierung – das Gegenteil von „rechte Tasche, linke Tasche“ oder „Verschieben auf andere politische Ebenen“ – gelingt allerdings nicht nur durch Kürzen auf der Ausgabenseite. Ein hochentwickeltes Land kann sein Niveau ohne Investitionen in die Zukunft nicht halten. Deshalb bleiben wir dabei: Dauerhaft konsolidierte Landesfinanzen setzen einen Dreiklang vor­aus, den Dreiklang aus Zukunftsinvestitionen, aus gezieltem Sparen und natürlich aus angemessenen Einnahmen.

In diesem Dreiklang ist das Sparen ein wesentlicher Bestandteil. Wir werden darum Jahr für Jahr aufwachsend bis 2017 dauerhaft 1 Milliarde € jährlich strukturell einsparen. Das Effizienzteam wird die Landesregierung weiter darin unterstützen, dieses Ziel zu erreichen. In einem ersten Schritt wurde bereits ein Einsparpotenzial von rund 150 Millionen € für den Haushalt 2013 identifiziert. Auch erste Einsparungen aus organisationsübergreifenden Untersuchungen sind vorbereitet. Sie konnten diese Woche lesen, dass die Oberfinanzdirektionen Rheinland und Westfalen zusammengelegt werden und dass auch hieraus Einsparpotenziale erwachsen.

Wir werden auch deutlich machen, welche Präventionsrendite dem Landeshaushalt zufließen wird. Auch die werden wir einzeln ausweisen, wie wir das bereits für den nächsten Haushalt vorgesehen haben.

Aber eines ist klar: Steuermehreinnahmen müssen auch weiterhin in die Senkung der Neuverschuldung einfließen. Für Steuergeschenke gibt es in diesen Zeiten keinen Raum! Auch das bleibt Politik dieser Landesregierung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Es wird Sie nicht überraschen, dass auch da gilt: Versprochen – gehalten!

Wir haben schon im Landtagswahlkampf deutlich gemacht: Wir setzen auch darauf, dass starke Schultern in unserem Land einen größeren Beitrag leisten – nicht aus Neid, sondern aus ökonomischer Weitsicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen von der FDP)

Wenn auch morgen noch die Chance bestehen soll, Vermögen zu bilden und zu sichern, dann müssen wir heute dafür die Voraussetzungen schaffen: durch den Ausbau und den Erhalt der Infrastruktur, durch gute Bildung und öffentliche Sicherheit. Immer mehr Menschen mit großem Vermögen wissen das nicht nur, sie bekennen sich auch zu ihrer Verpflichtung einer stärkeren finanziellen Beteiligung.

Ich nenne hier exemplarisch den Versandunternehmer Michael Otto. Er hat Ende August in einem Interview gesagt – ich zitiere aus der „WAZ“ vom 28. August mit freundlicher Erlaubnis –: „Wer gut verdient, verkraftet am ehesten höhere Steuern.“

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zusammen mit anderen Ländern werden wir deshalb eine Initiative für eine Steuer auf große Vermögen und Erbschaften in den Bundesrat einbringen. Wir werden dabei darauf achten, dass die Substanz der Unternehmen nicht gefährdet wird. Auch darauf kann sich die Wirtschaft in diesem Land verlassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ja, in dieser Frage geht es auch um soziale Gerechtigkeit.

Gerechtigkeit – das ist klar – muss auch bei der Steuerpflicht gelten. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern Betrug an der Gesellschaft.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wer das hohe Niveau unserer Leistungen tagtäglich in Anspruch nimmt, ob in den Kitas und den Schulen, die die Kinder besuchen, ob die Flughäfen, Autobahnen oder vieles mehr, darf sich nicht selbstgerecht aus dem Staub machen, wenn es darum geht, für die Finanzierung dieser Leistungen geradezustehen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wie weit der Eigennutz Einzelner und wie weit die Verblendung gehen, hat mir ein Beispiel gezeigt, das mir zugetragen wurde: Da hat doch tatsächlich ein Steuerhinterzieher eine gemeinnützige Einrichtung, an die er eine Geldbuße leisten musste, angerufen und gefragt, ob er dafür eine Spendenquittung bekommen könne.

(Heiterkeit)

Das zeigt die Dimension dessen, womit wir es hier zu tun haben.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Wir werden Steuerflucht entschieden bekämpfen, am besten durch europaweite wirksame Vereinbarungen, aber wo nötig auch durch unsere schlagkräftige Steuerfahndung, die hervorragende Arbeit für unser Gemeinwesen leistet. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich den tüchtigen Steuerfahnderinnen und Steuerfahndern für ihren verantwortungsvollen Dienst zum Wohle unseres Landes.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Eines vergessen die meisten, nämlich dass Steuermindereinnahmen durch Steuerhinterziehung am Ende immer von den Steuerehrlichen ausgeglichen werden müssen.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang bereiten wir eine Bundesratsinitiative für ein Unternehmensstrafrecht vor. Deutschland ist eines der wenigen Länder ohne ein solches Strafrecht. Hätten wir es, würde ein Vorgehen zum Beispiel gegen Banken leichter, die ihren Kunden bei der Hinterziehung von Steuern helfen.

(Christian Lindner [FDP]: Wie bei der früheren WestLB!)

– Jede Bank ist zu verfolgen, die Steuerhinterziehung begünstigt, damit das hier völlig klar ist.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Generell gilt für uns: Über die Steuerhinterziehung hinaus werden wir auch die Abschöpfung von illegalem, das heißt durch Kriminalität erworbenem Vermögen weiter ausbauen. Dieses wirksame Instrument allein hat dem Landeshaushalt im Jahr 2011 230 Millionen € eingebracht. So trocknen wir kriminelle Strukturen aus. Wichtig ist auch, dass allein 19 Millionen € direkt an die Geschädigten ausgezahlt werden konnten. Das ist eine gute, eine gerechte Politik für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für diese Landesregierung ist klar: Wenn wir von Langfristigkeit, von Vorbeugung, von guter Zukunft sprechen, dann meinen wir nicht eine gute Zukunft für wenige, die es sich leisten können, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, also auch für diejenigen, denen es zum Beispiel finanziell nicht so gut geht, und selbstverständlich auch für die Menschen, die mit einer Behinderung leben.

Ich war in den letzten Tagen bei den Paralympics, und ich muss Ihnen sagen: Es war ein fantastisches Erlebnis, festzustellen, wie Inklusion aussehen kann, wenn wir dieses Projekt am Ende erfolgreich umgesetzt haben. Ich sage uns allen: Es lohnt sich, sich diese Vision, die wir vor Augen haben, einmal in der Praxis anzuschauen. Das, was dort gelebt wurde zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, übrigens auch mit fantastischen Projekten, die wir unterstützt haben, wo deutlich wird, was zusammenwachsen kann und wie alle daraus für sich neue Impulse ziehen und neue Entwicklungen möglich machen, das ist ein Ziel, das wir gemeinsam und in voller Verantwortung angehen werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist gut, dass wir den Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ in Gang setzen wollen. Denn Inklusion geht eben über Schule hinaus. Es trifft aber Schulen in besonderer Weise. Gemeinsamen Unterricht gibt es in unserem Land seit Jahren. Aber er soll vom Ausnahmefall zum Normalfall werden. Das „Ob“ der Inklusion steht ja nicht mehr infrage. Darüber sind wir uns ja hier im Parlament einig. Aber das „Wie“ entscheidet darüber, ob Inklusion gelingt.

Wir werden einen Gesetzentwurf vorlegen, der dieses „Wie“ im Einzelnen erkennbar machen wird. Wir gehen dabei ganz bewusst schrittweise vor, um in dem Prozess möglichst alle mitzunehmen und niemanden zu überfordern. Zu den Kernelementen gehört, dass bei der Einschulung und beim Wechsel auf die weiterführenden Schulen allen Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine geeignete allgemeine Schule in zumutbarer Entfernung angeboten werden kann. Die Zahl geeigneter Schulen soll kontinuierlich steigen. Kinder haben ein Recht auf inklusives Lernen, übrigens auch die Kinder, die nicht behindert sind.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn aber der Bedarf besteht, können Eltern selbstverständlich weiterhin die Förderschule wählen.

Zu dem Prozess gehört natürlich auch eine gute, zielgerichtete Aus- und Fortbildung, durch die Lehrerinnen und Lehrer auf die Herausforderungen der Inklusion praktisch vorbereitet werden. Inklusion braucht Teamgeist. Darum sollen Sonderpädagogen und Sonderpädagoginnen schrittweise Teil des Kollegiums der allgemeinen Schulen werden.

Meine Damen und Herren, andere Länder zeigen uns, dass dieser Weg erfolgreich beschritten werden kann. Auch wir müssen viel öfter den Mut finden, einmal längere Wege einzuschlagen. Wir haben den Mut, über Wahlperioden hinaus zu denken. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger völlig zu Recht von uns: beim Schutz unserer Umwelt, bei dem Erhalt der Infrastruktur, bei der Bildung und ganz besonders dann, wenn es um junge Menschen geht.

Deshalb möchte ich das Beispiel eines Jugendlichen bringen, der hier in Nordrhein-Westfalen lebt. Ich nenne ihn mal Max. Bereits mit 13 Jahren ist er wegen mehrerer Anzeigen polizeibekannt: Schule schwänzen, Diebstähle, Handyklau, Bedrohung eines Mitschülers, Verprügeln anderer Kinder, erst mit Fäusten, dann mit Fußtritten, und zuletzt war auch noch ein Messer im Spiel. Es schien, als käme Max vom Weg des Intensivtäters nicht mehr herunter.

Durch unsere Initiative „Kurve kriegen“ hat Max diesen Weg verlassen können. Nach dem Motto „frühe Hilfe statt späte Härte“ haben Max und seine alleinerziehende Mutter Unterstützung bekommen, die sich an den Ursachen orientierte. Alle haben an einem Strang gezogen. Jetzt geht Max wieder zur Schule, hat die Versetzung geschafft und bislang keine weiteren Straftaten begangen.

Das Beispiel zeigt exemplarisch, wie sehr es sich lohnt, früh zu intervenieren – in erster Linie für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, auch unter finanziellen Aspekten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb gehen wir den Weg konsequent weiter, früh in Vorbeugung zu investieren. Diesen Weg wollen wir systematisch und konsequent weiter gehen, im Interesse der Betroffenen, im Interesse unserer Gesellschaft, im Interesse unserer Wirtschaft und auch im Interesse der öffentlichen Haushalte, in denen wir erhebliche Präventionsrenditen gewinnen können.

In unserem Modellprojekt „Kein Kind zurücklassen“ mit der Bertelsmann-Stiftung erproben wir gerade in 18 Kommunen, wie wir Präventionspolitik am besten vor Ort umsetzen, welche Strukturveränderungen wir in Gang setzen müssen, wie effizient welche Maßnahmen sind, die wir dort in Gang setzen, und was das am Ende auch für die Finanzen der Kommunen, des Landes, des Bundes und der Sozialversicherung bedeutet.

Für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass die Angebote passgenau und gut erreichbar sind. Wir müssen weg von dem Denken in Schubläden und in Kästen, von Zuständigkeiten und Anträgen. Wir wollen kommunale Präventionsketten weiter ausbauen und gesundheitliche, soziale und schulische Angebote, Kultur, Sport und Freizeit besser miteinander verzahnen.

Mich hat in den vergangenen zwei Jahren wirklich beeindruckt, wie hoch der Zuspruch von weiten Teilen der Gesellschaft für diese Politik der Vorbeugung tatsächlich ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, zugleich müssen wir aber auch den jungen Menschen Zukunftsperspektiven geben, bei denen das „Kurve kriegen“ im ersten Anlauf misslungen ist und die ihre Perspektiven selbst durch Straftaten gefährden. Deshalb werden wir schon morgen dem Parlament ein Gesetz zur Regelung des Jugendarrestvollzugs zuleiten. Mit diesem Gesetz wird Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland eine moderne, verfassungsrechtlich fundierte Grundlage für den Vollzug des Jugendarrests vorlegen. Wir werden darin die Förderung und die Erziehung der Jugendlichen in den Mittelpunkt stellen.

Es geht uns darum, bei möglichst vielen und möglichst von Anfang an besser für das zu sorgen, was man auch als Lebensbildung bezeichnen könnte. Das ist das, was man vom Elternhaus mitbekommt oder mitbekommen sollte. Manchmal funktioniert das leider nicht. Lebensbildung ist das, was Kinder und junge Menschen stark macht fürs Leben. Frühe Bildung, Jugendarbeit, Kultur, bürgerschaftliches Engagement, politische Bildung und Sport gehören in diesen Bereich Lebensbildung.

Junge Menschen – das wissen wir –, die regelmäßig im Verein Sport machen, sind viel weniger in Gefahr, gesellschaftlich aus der Kurve zu fliegen. Wie wichtig für den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft der Sport sein kann, haben nicht nur die Paralympics, sondern auch die Olympischen Spiele im Sommer bewiesen. Das ist übrigens auch für uns ein weiterer Ansporn, Sportland Nummer eins zu bleiben. Über 30 % der Medaillen für Deutschland haben die Sportlerinnen und Sportler aus unserem Heimatland geholt. Bei den Paralympics waren es sogar 38 %. Die wichtigen Grundlagen für diese sportlichen Spitzenleistungen legen wir durch eine intensive, passgenaue Förderung des Leistungs-, aber auch des Breitensports. Und auf diesem Weg werden wir weitermachen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu Lebensbildung und Lebensqualität gehört Kultur unabdingbar dazu. Sie hat auch eine ganz entscheidende Rolle für die Attraktivität der Kommunen. Zusammen mit ihnen wollen wir die kulturelle Substanz erhalten und Neues wagen. Nordrhein-Westfalen hat eine der reichsten Kulturlandschaften der Welt, und sie wird wesentlich von den Kommunen getragen. Die RuhrTriennale und die Kompanie von Pina Bausch sind Beispiele unseres internationalen Rufs und Ausdruck der Kreativität und der Spitzenleistungen der Kunst- und Kulturschaffenden unseres Landes. Kunst und Kultur sind eben kein Luxus und dürfen gerade in schwierigen Zeiten auch nicht als Luxus gesehen werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auch darum ist die kulturelle Bildung ein Schwerpunkt unserer Landespolitik, wie das Programm „Kulturrucksack“ und andere deutlich zeigen. Auf diesem Weg wollen wir weitermachen.

Meine Damen und Herren, wenn wir es schaffen, kein Kind mehr zurückzulassen, niemanden aufzugeben, möglichst viele zurückzuholen, und auch zweite und dritte Chancen ermöglichen, gewinnen wir noch aus einem anderen Grund an Zukunftsfähigkeit. Denn dann geben wir die richtigen Antworten auf den demografischen Wandel. Ich glaube, vielen ist gar nicht bewusst, wie drastisch dieser Wandel in den nächsten Jahren sein wird: Bis zum Jahr 2050 werden wir aller Voraussicht nach fast ein Drittel weniger Menschen unter 19 Jahren in unserem Land haben als derzeit.

Es ist deshalb unbedingt erforderlich, klare Signale zu setzen, damit unser Land kinder- und familienfreundlicher wird. Wir haben für dieses Ziel unter anderem die frühen Hilfen ausgebaut, wir haben den Kinder- und Jugendförderplan auf 100 Millionen € jährlich aufgestockt. Aber es bleibt noch viel zu tun für Familien und junge Menschen. Und es geht dabei nicht allein ums Geld. Wir werden deshalb einen Familienbericht Nordrhein-Westfalen erstellen, der uns umfassend weitere Handlungsoptionen aufzeigen soll.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Zukunftsfähigkeit gewinnen wir auch, wenn wir endlich mit einem System Schluss machen, bei dem junge Menschen ihre Zeit in beruflichen Warteschleifen verlieren. Daran arbeiten wir. Wir gestalten den Übergang von der Schule in den Beruf neu: Frühe Praktika, ab der achten Klasse gezielte Berufs-und Studienorientierung. Das neue System folgt dem Leitgedanken „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Das Ziel ist eine echte Ausbildungsgarantie. Wenn wir es schaffen, dass jeder Jugendliche einen Anschluss an den Abschluss erhält, erübrigen sich manche Angebote von Berufskollegs und Trägern. Dann brauchen wir in den kommenden Jahren auch weniger Lehrer­steIlen in den Berufskollegs. Das ist die Art von Präventionsrendite, von der wir sprechen und die wir auch im Haushalt ausführen werden. Das hat mit Qualitätsabbau gar nichts zu tun, weil wir einfach diese Maßnahmen nicht mehr brauchen, sondern dafür sorgen, dass die Menschen direkt in die berufliche Ausbildung gehen. Das hilft dem Land, dem Landeshaushalt, aber auch der Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, Nachwuchs ist und wird knapp in unserer Gesellschaft. Darauf müssen wir uns einstellen. So mussten nach einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Westdeutschland bereits 42 % der Unternehmen zumindest in Teilen auf Aufträge verzichten, weil sie ihre offenen Stellen nicht besetzen konnten. Auch das gefährdet die Zukunftsfähigkeit massiv. Geschieht nichts, droht in Nordrhein-West­falen nach Berechnungen von Prognos bis zum Jahr 2020 ein Fachkräftemangel von 630.000 Menschen. Wir haben darum eine Fachkräfteinitiative in allen Regionen unseres Landes gestartet. Die zu Recht unterschiedlichen regionalen Handlungskonzepte liegen vor. Das Land wird dafür bis zu 50 Millionen € bereitstellen. Vor allem bei Jugendlichen, Frauen, älteren Erwerbstätigen, aber auch bei Menschen mit Migrationshintergrund können wir noch große Potenziale erschließen. Und an diese Aufgabe werden wir uns begeben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Beim Thema „gute Bildung“ geht es auch um Hochschulen. Uns lassen die in manchen Fächern ex­trem hohen Abbrecherquoten keine Ruhe. Wir müssen solche Quoten signifikant senken – nicht indem wir fachliche Ansprüche aufgeben, sondern durch Beratung, bessere Vorbereitung, intensivere Begleitung und vieles mehr.

Ja, es gilt, viele Maßnahmen auf den Weg zu bringen und dafür zu sorgen, dass die jungen Menschen besser ihren Weg finden. Deshalb waren wir mit Freude dabei, als die Wirtschaft dieses Landes beim „Ideenpark“ in Essen Begeisterung geweckt hat für Innovationen, für Wissenschaft und Technologie. Das sind Initiativen, über die wir uns sehr freuen, und es war gut, dass das Land daran auch beteiligt war.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Klar ist, dass Staat und Hochschulen gemeinsam gefordert sind, alle Talente zu fördern und natürlich auch die Spitzenforschung voranzubringen. Den Rahmen dazu werden wir mit einem neuen Hochschulzukunftsgesetz legen, das zur Mitte der Legislaturperiode in Kraft treten soll. Dabei stehen drei Ziele im Vordergrund: An den Hochschulen und Universitätsklinika soll das Prinzip der guten Arbeit gelten. Wir wollen Demokratie und Mitbestimmung stärken. Und es ist besonders wichtig, dort, wo es Fehlentwicklungen gibt, einzuschreiten. Wir wollen als wichtigster Finanzier der Hochschulen – mit Steuermitteln – künftig wieder stärker Einfluss nehmen können, um solche Fehlentwicklungen zu beseitigen. Auch das wird Gegenstand dieses Gesetzes sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das heißt nicht – jetzt weiß ich wieder, was Schwarzweißdenken heißt –, dass Hochschulautonomie damit beendet wird.

(Zurufe von der CDU: Nein!)

– Nein, das heißt es überhaupt nicht.

(Widerspruch von der CDU)

Als ehemalige Wissenschaftsministerin – der eine oder andere erinnert sich – habe ich die leistungsorientierte Mittelvergabe bei Hochschulen eingeführt. Wir müssen aber feststellen, dass manches, was an unseren Hochschulen läuft, nicht zielgerichtet ist.

(Zurufe von der CDU)

Wir brauchen mehr Einfluss. Darüber werden wir im Detail noch reden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir brauchen wissenschaftliche Expertise heute mehr denn je. Wir brauchen sie für die Energiewende, für die Gestaltung der alternden Gesellschaft, für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft. Deshalb bündeln wir unsere forschungspolitischen Aktivitäten in einem Rahmenprogramm „Fortschritt NRW“ und betten es in die Forschungsförderung der EU und des Bundes ein. Und auch in dieser Legislaturperiode werden wir intensiv dafür kämpfen, dass weitere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen nach Nordrhein-Westfalen kom­men, so wie es uns mit dem Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion gelungen ist. Für diese exzellente Forschungseinrichtung, um die uns der Rest Deutschlands beneidet, werden wir in den nächsten vier Jahren insgesamt 45 Millionen € zur Verfügung stellen.

Dass so viele junge Menschen eine akademische Ausbildung anstreben, ist für unser Land ein Glücksfall. Aber für die Zukunftsfähigkeit brauchen wir auch einen besseren Übergang aus dem Handwerk in den Hörsaal. Wir haben hier Hindernisse beseitigt, Türen geöffnet und mehr Durchlässigkeit vorangebracht. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass alle Studierenden an unseren Hochschulen die Grundlagen finden, um erfolgreich studieren zu können, auch bei den doppelten Abiturjahrgängen.

Dieses Ziel zu erreichen, bedeutet eine wirkliche gemeinsame Kraftanstrengung. Für das Land heißt das konkret: NRW wird seinen Teil an der Finanzierung des Hochschulpaktes leisten. Vom Bund erwarten wir, dass er seiner Verantwortung für die gemeinsame Finanzierung ebenso gerecht wird.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Genau!)

Das brauchen die jungen Menschen in diesem Land, um richtig studieren zu können!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb muss der Bund die Deckelung des Hochschulpaktes aufgeben.

Es kann aber auch nicht sein – da reden wir über Entwicklungen, die schief laufen –, dass jemand im Ausland Studienleistungen erbracht hat, die an den Hochschulen nicht anerkannt werden. Wir haben Bologna eingeführt, um Studiengänge zu reformieren. Wir haben das eingeführt, damit der Übergang von Hochschule zu Hochschule vereinfacht wird. Die Realität ist leider, dass zum Teil der Übergang von der Hochschule von Wuppertal nach Duisburg nicht mehr gelingt. An diesen Stellen müssen wir nachsteuern. Bologna muss dabei auf den Prüfstand.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, „Kein Kind zurücklassen“ – diese Orientierung brauchen wir von der Kita bis zur Hochschule, damit wir für die Zukunft stärker werden. Das gilt für die Arbeitswelt genauso. Deshalb haben wir einen Aktionsplan „Faire Arbeit – fairer Wettbewerb“ in Vorbereitung. Wir werden helfen, die dramatischen Entwicklungen hin zu immer mehr atypischer Beschäftigung, zu Niedriglöhnen und zu prekärer Arbeit zu stoppen. Wir wollen, dass das normale Arbeitsverhältnis, dass gute Arbeit wieder der Normalfall wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir wollen, dass die Menschen leben können von dem, was sie erarbeiten. Das, lieber Herr Laumann, ist ehrliche Bekämpfung von Armut. Altersarmut ist immer die Folge von Erwerbsarmut, von Arbeitsarmut.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb werden wir unsere Initiativen auf Bundesebene fortsetzen, Missstände bei der Leiharbeit und bei Werkverträgen zu beenden. So wollen wir die verschiedenen Formen von prekärer Beschäftigung zurückdrängen, und zwar auch im Land, bei den Landesbehörden. Auch hier gehen wir Schritt für Schritt voran.

Ebenso wollen wir die verschiedensten Formen von prekärer Beschäftigung zurückdrängen und das unbefristete Normalarbeitsverhältnis wieder die Regel sein lassen. Nur so werden wir dem Problem der Altersarmut wirklich gerecht werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mir ist wichtig zu betonen: Wir werden nur dann zukunftsfähig sein, wenn wir endlich für die volle berufliche Gleichberechtigung von Frauen sorgen. Das heißt vor allen Dingen auch: In den Führungspositionen und in den Entscheidungsgremien brauchen wir künftig mehr Frauen, denn da sind sie nach wie vor stark unterrepräsentiert. Das entspricht auch nicht ihrem Können und schon gar nicht der Ausbildung.

Für die Privatwirtschaft sind wir mit unserer Bundesratsinitiative für eine Geschlechterquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen vorangegangen. Es kann aber nicht sein, dass wir bei den Unternehmen der öffentlichen Hand mit anderen Maßstäben messen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Deshalb werden wir das Gleichstellungsgesetz entsprechend reformieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jeder weiß: Der demografische Wandel wird die Struktur unserer Gesellschaft nachhaltig verändern. Wir müssen uns besser auf eine Gesellschaft einstellen, in der die Menschen immer älter werden. Dass immer mehr älter werden, ist ja eigentlich ein Grund zur Freude. Mit einer höheren Lebenserwartung verbinden die Menschen die Erwartung an uns als Politik, dass wir ein selbstbestimmtes Leben möglich machen, dass wir dafür die richtigen Weichen stellen und dass wir nicht sozusagen die Verlängerung der Pflegephase ins Visier nehmen. Dies wollen wir durch präventive Maßnahmen und durch eine gezielte Quartiersentwicklung erreichen.

Meine Damen und Herren, deshalb werden wir aber auch dafür sorgen, dass gesünder gearbeitet wird. Das Programm „Arbeit gestalten NRW“ ist der richtige Ansatz dafür. Es gilt, eine Allianz für gesunde Arbeit zu schmieden – gemeinsam mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und Sozialversicherungen. Es gilt, die Arbeitsbedingungen in den Betrieben so zu verändern, dass sie gesünder sind, für das jeweilige Alter passen und dass die individuellen Stärken der Beschäftigten je nach Lebensaltersphase berücksichtigt werden können. Auch das ist Aufgabe von Landespolitik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, die Zukunftsfähigkeit unseres Landes entscheidet sich aber auch noch bei zwei weiteren großen Aufgaben, die wir in einer gemeinsamen Kraftanstrengung lösen müssen.

Unsere Städte, Gemeinden und Kreise müssen finanziell wieder auf eigenen Füßen stehen können, weil das für das Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger von zentraler Bedeutung ist. Ein zukunftsfähiges Nordrhein-Westfalen ist nur mit zukunftsfähigen Kommunen denkbar. Niemand wird bestreiten, dass einzelne Kommunen in den vergangenen Jahren Fehler gemacht haben. Aber das erklärt nicht die strukturelle Krise, in die sie geraten sind. Die ergibt sich vor allem daraus, dass der Bund ihnen immer mehr Aufgaben zugewiesen hat, ohne dafür zu zahlen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU)

Schauen wir auf die Zahlen bei der Eingliederungshilfe. Wir wissen alle, dass diese Belastungen auf die kommunale Ebene übertragen worden sind mit der Argumentation, es handele sich um Einzelfallhilfen. Schauen wir auf die Eingliederungshilfe für Behinderte: Seit 2005 ist die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen von 2,8 Milliarden € auf 3,8 Milliarden € gestiegen. Das ist ein Zuwachs um fast 35 % innerhalb von nur sieben Jahren. Wir gehen als Land an die Grenze des finanziell Verkraftbaren, um gegenzusteuern. Aber die Kommunen brauchen auch die Unterstützung des Bundes. Hier müssen die Dinge wieder zurechtgerückt werden. Auch das bleibt Politik dieser Landesregierung.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Stärkungspakt Stadtfinanzen ist angelaufen. Wir helfen überschuldeten und von Überschuldung bedrohten Städten und Gemeinden. Dafür bringen wir bis 2020 insgesamt 5,85 Milliarden € auf. Bis heute konnten bereits 15 Pläne von Städten zur Haushaltssanierung genehmigt werden.

Ich freue mich, dass die von uns im vergangenen Jahr auf den Weg gebrachte Reform der Gemeindeordnung Früchte trägt. Ende 2011 hatten wir in Nordrhein-Westfalen noch 142 Städte und Gemeinden, die keinen genehmigungsfähigen Haushalt hatten und damit unter Nothaushaltsrecht standen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir bis zum Jahresende 2012 die Zahl der Nothaushaltskommunen um mehr als die Hälfte verringert haben werden. Dennoch: Den Durchbruch können wir auch hier nur schaffen, wenn der Bund mehr mit in die Pflicht geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das eine ist, die Kommunen finanziell zu stärken. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch bei den anderen Aufgaben weiterhin verlässlicher Partner auf Augenhöhe sein. Die Landesregierung ist dazu bereit. Wir wissen, dass die Kommunen vor einer Fülle großer Herausforderungen stehen.

So werden in den meisten Städten und Kreisen künftig weniger Menschen wohnen. Nur noch sechs Städte und sechs Kreise in Nordrhein-Westfalen werden wachsen. Maßgeschneiderte Antworten auf die jeweilige demografische Entwicklung sind darum nötig. Überall werden wir künftig mehr Ältere in unseren Gemeinden haben. Darauf müssen wir uns einstellen.

Mit der Novelle des Landespflegegesetzes und des Wohn- und Teilhabegesetzes schaffen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für altersgerechte Wohnformen. Damit die Menschen im Alter ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend leben können, werden wir mit einem „Masterplan altengerechtes Quartier NRW“ Angebote für die Kommunen und mit den Kommunen erarbeiten.

Ebenso muss sich die medizinische Versorgung am tatsächlichen Bedarf orientieren. Wir brauchen eine für alle gleichermaßen zugängliche und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung – wohnortnah, vorsorgend und gut vernetzt. Weiße Flecken in strukturschwachen Stadtteilen oder in ländlichen Gebieten sind für diese Landesregierung nicht hinnehmbar.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Wir wissen, in vielen Kommunen in unserem Land mangelt es an bezahlbarem Wohnraum. Auch hier müssen wir als Land im Rahmen unserer Möglichkeiten helfen. Wir werden deshalb das Landeswohnungsbauvermögen als Finanzierungsgrundlage der sozialen Wohnraumförderung erhalten. Wir werden unsere Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik neu ausrichten und dabei die entsprechenden Programme stärker verzahnen und konzentrieren. Der Stadtteil, das Quartier steht dabei im Mittelpunkt. Hier erleben die Menschen vor der Haustüre, ob die politischen Versprechen im Alltag eingelöst werden. Unter Einbeziehung aller Akteure werden wir die Quartiersentwicklung als Gemeinschaftsinitiative für gutes und bezahlbares Wohnen fördern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auch hier gilt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir schauen nicht nur auf die großen Städte und die dicht besiedelten Landesteile, sondern wir wollen auch die Erfordernisse des ländlichen Raums in den Blick nehmen und ihnen gerecht werden.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

– Na ja, die Problemlagen sind unterschiedlich, Herr Schemmer, wie Sie vielleicht wissen. Und auf unterschiedliche Probleme muss man in unterschiedlicher Weise reagieren.

(Heiterkeit von der SPD)

– Ich habe ihn ja bewusst ausgewählt.

Meine Damen und Herren, die richtigen Weichen stellen, Schienen in Richtung Zukunft weiterlegen, um zukunftsfähig zu bleiben – das müssen wir auch, um den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken und unsere Demokratie zu vitalisieren.

Innerer Zusammenhalt braucht Sicherheit. Sie ist eine absolute Grundvoraussetzung für unser Zusammenleben. Dazu brauchen wir eine leistungsfähige Polizei. Erfahrene Beamtinnen und Beamte, die in den Ruhestand gehen, müssen deshalb durch gut ausgebildete junge Kräfte ersetzt werden. Daher bleibt es dabei, dass wir auch in einer schwierigen Haushaltssituation jährlich 1.400 Polizeianwärter für den gehobenen Dienst einstellen, weil Sicherheit ein zentraler Punkt in Nordrhein-Westfalen ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen, Polizeibeamte sowie andere Einsatz- und Hilfskräfte in NRW werden wir entschlossen entgegentreten. Sorge bereitet uns, dass die Täter immer hemmungsloser und brutaler handeln. Hier müssen wir gegensteuern: durch eine bessere Ausbildung der Polizei, aber vor allem dadurch, dass wir eine gesellschaftliche Debatte führen und mehr Respekt einfordern, auch für die Polizei.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Wer die Zeitung aufschlägt, liest: mehr Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte, extrem brutale Attacken auf Wehrlose in Bussen und Bahnen, an Bahnsteigen, Hassstürme und Mobbing im Netz – Entwicklungen, die uns als Gesellschaft alarmieren müssen. Sie sind Anschläge auf unser friedliches Zusammenleben. Die Landesregierung plant deshalb, künftig jährlich in einer Woche des Respekts für gegenseitige Achtung zu werben. Der Respekt muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Dort muss er verankert sein. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen wollen wir gemeinsam für respektvolles Umgehen und gegenseitige Wertschätzung werben. Es wäre schön, wenn gegenseitige Wertschätzung hier vorgelebt würde. Dann wären wir ein Stückchen weiter.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Diese Woche soll in vielfältigster Weise genutzt werden. In den Schulen sollen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte informieren. In den Schulen soll über Mobbing im Netz, über Gewalt auf dem Schulhof diskutiert werden. Wir müssen früh beginnen, um auch hier die Weichen richtig zu stellen. Ziel ist es, ein Klima der Offenheit, der Akzeptanz und der Wertschätzung zu schaffen. Ja, dies gilt auch im Umgang mit Menschen unterschiedlicher sexueller Identität. Deshalb werden wir im Rahmen der Kampagne „anders und gleich – Nur Respekt Wirkt“ jeder Form von Homo- und Transphobie ganz entschieden entgegentreten.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Respekt ist ein weites Feld. Dazu gehört für uns auch, den Schutz der Opfer von Straftaten zu verbessern. Mitfühlende Worte allein reichen nicht aus. Wir werden dem Parlament daher das Gesetz zur Regelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung und ein Strafvollzugsgesetz vorlegen. In diesen Gesetzen werden wir die Perspektive der Opfer in bisher bundesweit einmaliger Form in die Gestaltung des Vollzugs einbeziehen und den Opfern eine deutlich gestärkte Rechtsposition gegenüber den Tätern und gegenüber der Justiz einräumen. Auch das ist eine klare Politik für ein gerechtes Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Präventiv wirken müssen wir auch bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Es ist schlimm, was sich da mit der NSU gezeigt hat und was sich in einigen unserer Regionen an braunem Sumpf entwickelt. Dagegen gehen wir bislang und auch weiterhin ordnungsrechtlich mit aller Konsequenz vor, wie es unser Innenminister in den letzten Wochen und Monaten getan hat.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Aber wir müssen auch bei diesem Thema gerade bei den Jungen anfangen, wenn wir vorbeugen wollen. Deshalb werden wir gerade mit Blick auf die jungen Menschen ein integriertes Handlungskonzept entwickeln. Da sind viele gefordert: die Kinder- und Jugendarbeit, die politische Bildung, die Schule, die Kultur und der Sport. Auch das geht am besten gemeinsam.

Wir müssen und werden einen neuen Anlauf nehmen, unsere Demokratie zu vitalisieren. Die Bürgerinnen und Bürger sollen und müssen zusätzliche Beteiligungsrechte bekommen. Durch eine Reform der Landesverfassung wollen wir unter anderem das Quorum für Volksbegehren auf ein angemessenes Maß senken.

Wir wollen das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 Jahre senken und damit ein Signal an die junge Generation geben, dass ihre Stimme bei zentralen politischen Entscheidungen zählt. Das ist ganz besonders wichtig, wenn man sieht, wie die Zahl der jungen Menschen in den nächsten Jahren abnimmt. Auch das ist eine konsequente Politik.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Die Landesregierung plant daher eine parteiübergreifende Kommission zur Reform der Landesverfassung, in der wir die Themen „Wahlalter“ und „Volksbegehren“ gemeinsam beraten wollen. Dazu werde ich die Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen, aber auch weitere Experten von außen, die hilfreich sein können, einladen.

Wir müssen mehr Bürgerinnen und Bürger in das politische Handeln einbeziehen. Unser Leitmotiv lautet deshalb weiterhin: aus Betroffenen Beteiligte machen. Wir brauchen auch im digitalen Zeitalter eine neue Politik der Beteiligung. Das heißt: mehr aktive Beteiligung, mehr Transparenz von Politik und Verwaltung, mehr Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Verbänden. Dafür werden wir eine eigene nordrhein-westfälische Open-Government-Strategie entwickeln. Digitale Teilhabe muss in Richtung unseres Landes, aber auch in Richtung unserer Wirtschaft gelten.

(Beifall von den PIRATEN)

– Wenn wir uns da einig sind, ist das schön. Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, die Menschen, die bei uns leben, stammen aus fast 200 Ländern, alphabetisch betrachtet: von Ägypten bis Zypern. Aber es bedarf – das wissen wir wohl alle – einer gezielten Integrationspolitik, um ein gutes Zusammenleben zu schaffen, vor allem aber auch um ein hohes Maß an Chancengleichheit zu garantieren. Grundlage dafür ist unser Teilhabe- und Integrationsgesetz, das wir nun umsetzen und mit Leben füllen werden. So werden mithilfe des Landes in allen 54 Kreisen und kreisfreien Städten kommunale Integrationszentren aufgebaut. Wir werden die Migrantenselbstorganisationen stärken und die öffentliche Verwaltung weiter für Menschen mit Migrationshintergrund öffnen. Es ist ein wichtiger, ein notwendiger Schritt, dass vor wenigen Tagen Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland mit dem islamischen Religionsunterricht gestartet ist. Auch das ist ein gutes Zeichen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Für die Landesregierung gilt: Wir legen unsere Politik und unser Handeln so an, dass wir Nachhaltigkeit erreichen. Wir legen sie so an, dass wir Fehlentwicklungen von Beginn an vorbeugen. Wir legen sie so an, dass wir für mehr Gerechtigkeit und weniger Armut, für weniger Egoismus und mehr Zusammenhalt


sorgen. In Nordrhein-Westfalen stellen wir uns diesem Anspruch: von Bildung, Arbeit und Gesundheit über Wirtschaft, Umwelt- und Naturschutz bis hin zu Infrastruktur, Energie und Finanzen, aber auch bei Sport und Kultur.

Ich bin sicher: Diese Politik ist die richtige Politik. Als Landesregierung nehmen wir damit unseren Teil der Verantwortung wahr, Verantwortung für Nordrhein-Westfalen, Verantwortung für das größte Land der Bundesrepublik, Verantwortung für nahezu 18 Millionen Bürgerinnen und Bürger, für jeden Einzelnen, für jede Einzelne.

Ich füge aber hinzu: Nicht nur eine Regierung, nein, möglichst viele müssen ihren Teil der Verantwortung für unser schönes, unser lebens- und liebenswertes Land übernehmen: die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Kirchen, gesellschaftliche Gruppen und Verbände, die Zivilgesellschaft und möglichst auch viele Einzelne. Nur mit einer gemeinsamen Anstrengung können wir unser Land voranbringen, es wirklich zukunftsfähig machen und den Zusammenhalt sichern.

Die Stärke unseres Landes ist das Miteinander seiner Menschen und das Miteinander seiner starken Regionen. Ich nenne sie jetzt in alphabetischer Reihenfolge, damit kein Missverständnis entsteht: Lippe, Rheinland und Westfalen, damit Lippe nicht immer hinten ist. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen.

(Heiterkeit und allgemeiner Beifall)

Nordrhein-Westfalen steht in der Tradition eines solidarischen Miteinanders. Dies zu erhalten und zu pflegen, darum geht es. Die Landesregierung wird ein verlässlicher Partner all derjenigen sein, die unser Land nach vorne bringen wollen.

Am 21. August hatten wir anlässlich des Ideenparks eine große Jugendkonferenz in Essen, die „#Jukon12“. Wir hatten sie im Internet vorbereitet. Es kamen junge Menschen, um mit uns über den ab­strakten Begriff „Zukunft“ zu sprechen. Mich hat begeistert, mit wie viel Kompetenz, Leidenschaft und Engagement sich diese Jugendlichen an der Debatte über zentrale politische und gesellschaftliche Themen beteiligt haben. Mir hat das gezeigt: Für die Zukunft unseres Landes zu arbeiten, das müssen wir alle stärker noch als gemeinsame Aufgabe verstehen, eine Aufgabe, an der wir viele, gerade auch junge Menschen intensiver beteiligen müssen und beteiligen können.

Wir wollen dazu beitragen und laden alle ein, dabei mitzutun, damit gilt: NRW stark für die Zukunft! – Vielen Dank.

(Langanhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Meine Damen und Herren, Sie haben die Regierungserklärung entgegengenommen. Die Aussprache hierzu findet in der morgigen Plenarsitzung unter Tagesordnungspunkt 1 statt. Damit ist der einzige Tagesordnungspunkt heute erledigt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 13. September, 10 Uhr, und wünsche Ihnen einen angenehmen Tag.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 11:43 Uhr