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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/4

16. Wahlperiode

21.06.2012

4. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 21. Juni 2012

Mitteilungen der Präsidentin. 61

1   Vorstellung und Vereidigung der Mitglieder der Landesregierung  61

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 61

2   Neuwahl und Vereidigung der Wahlmitglieder des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-West­falen

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/50. 63

Dr. Joachim Paul (PIRATEN)
(gem. § 46 Abs. 1 GeschO). 64

Ergebnis. 65

3   Bestellung der Ausschüsse des Landtags und Festlegung der Zahl der Mitglieder

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/51 – Neudruck. 66

Ergebnis. 66

4   Gesetz zur Restrukturierung der WestLB AG

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/16

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/84

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/52

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/102. 66

zweite Lesung. 66

Stefan Zimkeit (SPD) 66

Daniel Sieveke (CDU) 67

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 68

Ralf Witzel (FDP) 70

Dietmar Schulz (PIRATEN) 71

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 72

Ergebnis. 74

5   Gesetz über die Genehmigung der Kreisumlage und anderer Umlagen (Umlagengenehmigungsgesetz – Uml­GenehmG)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/46 – Neudruck

erste Lesung. 74

Michael Hübner (SPD) 74

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 75

Kai Abruszat (FDP) 75

Peter Biesenbach (CDU) 76

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 77

Minister Ralf Jäger 78

Ergebnis. 79

6   Erstes Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden und Gemeindeverbände im Land Nordrhein-Westfalen (1. NKF-Weiterentwick­lungs­ge­setz – NKFWG)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/47 – Neudruck

erste Lesung. 79

Michael Hübner (SPD) 80

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 80

Kai Abruszat (FDP) 80

Daniel Sieveke (CDU) 81

Robert Stein (PIRATEN) 82

Minister Ralf Jäger 82

Ergebnis. 83

7   Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/45

erste Lesung. 83

Josef Hovenjürgen (CDU) 83

Henning Höne (FDP) 84

Rainer Schmeltzer (SPD) 86

Hans Christian Markert (GRÜNE) 88

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 90

Minister Johannes Remmel 91

Peter Biesenbach (CDU) 92

Ergebnis. 94

8   Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes und zur Änderung weiterer kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/48 – Neudruck

erste Lesung. 94

Martin Börschel (SPD) 94

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 95

Dr. Joachim Stamp (FDP) 96

Klaus Voussem (CDU) 97

Monika Pieper (PIRATEN) 98

Minister Ralf Jäger 99

Ergebnis. 99

9   Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag – Erster GlüÄndStV)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/17

erste Lesung. 99

Minister Ralf Jäger 99

Markus Töns (SPD) 100

Peter Biesenbach (CDU) 101

Reiner Priggen (GRÜNE) 101

Ralf Witzel (FDP) 102

Michele Marsching (PIRATEN) 103

Ergebnis. 104

10 Gesetz zum Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (GKL-StV)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/14

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/53

zweite Lesung. 104

Ergebnis. 104

11 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose – GHBG

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/15

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/54

zweite Lesung. 104

Ergebnis. 104


12 Zweites Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristung in § 29 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen – VSG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/41

erste Lesung. 104

Minister Ralf Jäger 104

Ergebnis. 105

13 Abkommen über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG-Abkommen)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/18. 105

Ministerin Barbara Steffens. 105

Ergebnis. 106

14 Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/19. 106

Minister Guntram Schneider 106

Ergebnis. 107

15 Jahresbericht 2011 des Kontrollgremiums gemäß § 23 VSG NRW (PKG)

Unterrichtung
durch das Parlamentarische Kontrollgremium
gemäß § 23 VSG NRW
Drucksache 16/43. 107

Ergebnis. 107

16 Veräußerung eines Grundstücks des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß § 64 Abs. 2 LHO
Vorlage 16/1

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/55. 107

Ergebnis. 107

17 Veräußerung eines Grundstücks des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß § 64 Abs. 2 LHO
Vorlage 16/2

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/56. 107

Ergebnis. 107

18 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 15/23. 108

Ergebnis. 108

Nächste Sitzung. 108

Anlage

     Zu TOP 3 – Bestellung der Ausschüsse des Landtags (Drucksache 16/51 – Neudruck) – gemäß § 46 Abs. 2 GeschO von 21 Abgeordneten der FDP-Fraktion abgegebene Erklärung  109

Entschuldigt waren:

Wilhelm Hausmann (CDU)

André Kuper (CDU)

Marcel Hafke (FDP)

Oliver Bayer (PIRATEN)


Beginn: 12:05 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne mit unserer heutigen, der vierten Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen beginnen. Ich begrüße Sie alle ganz herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich vier Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns. Herr Dr. Joachim Stamp von der Fraktion der FDP feiert seinen 42. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Damit können wir jetzt in die Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf:

1   Vorstellung und Vereidigung der Mitglieder der Landesregierung

Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat mir mit Schreiben vom heutigen Tag mitgeteilt, dass sie heute ihr Kabinett vorstellen möchte. Im gleichen Schreiben hat sie darum gebeten, für die Vereidigung der Mitglieder der Landesregierung den ersten Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung vorzusehen.

Ich erteile Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das Wort. Bitte schön, Frau Ministerpräsidentin.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe heute gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 der Landesverfassung folgende Mitglieder der Landesregierung ernannt:

–   zur Ministerin für Schule und Weiterbildung Frau Sylvia Löhrmann

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zum Finanzminister Herrn Dr. Norbert Walter-Borjans

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zum Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk Herrn Garrelt Duin

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zum Minister für Inneres und Kommunales Herrn Ralf Jäger

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zum Minister für Arbeit, Integration und Soziales Herrn Guntram Schneider

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zum Justizminister Herrn Thomas Kutschaty

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zum Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Herrn Johannes Remmel

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zum Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr Herrn Michael Groschek

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zur Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung Frau Svenja Schulze

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zur Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport Frau Ute Schäfer

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zur Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter Frau Barbara Steffens

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

–   zur Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien Frau Dr. Angelica Schwall-Düren

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Frau Ministerin Löhrmann habe ich mit meiner Stellvertretung beauftragt und Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren zur Bevollmächtigten des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund bestellt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und Herrn Landtagsabgeordneten Horst Becker habe ich zum Parlamentarischen Staatssekretär für Angelegenheiten der ländlichen Räume bei dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz ernannt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herzlichen Dank.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin.

Nach Art. 53 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen leisten die Mitglieder der Landesregierung beim Amtsantritt vor dem Landtag den in dieser Vorschrift formulierten Amtseid. Ich bitte daher die Ministerinnen und Minister, zu mir nach vorn in die Mitte des Plenarsaals zu kommen, um den Eid vor dem Landtag abzulegen. Die übrigen Anwesenden bitte ich, soweit es ihnen möglich ist, sich von den Plätzen zu erheben.

(Die Mitglieder der Landesregierung begeben sich in die Mitte des Plenarsaals. – Christian Lindner [FDP]: Herr Jäger, Sie kommen mir gefährlich nahe! – Heiterkeit)

Nachdem die Ministerinnen und Minister sowie die Ministerpräsidentin alle in die Mitte des Plenarsaals gekommen sind, möchte ich ihnen den in Art. 53 der Landesverfassung niedergelegten Amtseid vortragen. Er lautet:

„Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Nach dem letzten Satz des Art. 53 der Landesverfassung kann der Eid auch ohne die religiöse Beteuerung geleistet werden.

Sehr verehrte Ministerinnen und Minister, ich werde Sie nun namentlich aufrufen und bitte Sie, jeweils einzeln zu mir an das zweite Mikrofon zu treten. Danach heben Sie bitte die Schwurhand und leisten den nach Art. 53 der Landesverfassung vorgesehenen Amtseid, indem Sie die Worte „Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe“ sprechen. Sollten Sie den Eid ohne religiöse Beteuerung leisten wollen, sprechen Sie bitte nur die Worte „Ich schwöre es“.

Ich darf zuerst Frau Ministerin Sylvia Löhrmann zu mir bitten, um den Amtseid zu leisten. Frau Ministerin.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt Herr Minister Dr. Norbert Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Anschließend Herr Minister Garrelt Duin.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Nun Herr Minister Ralf Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Minister Guntram Schneider, bitte.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Minister Thomas Kutschaty.

Thomas Kutschaty, Justizminister: Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Minister Johannes Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Auf weiterhin gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Minister Michael Groschek.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Ministerin Svenja Schulze.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Ich schwöre es.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Ministerin Ute Schäfer.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ich schwöre es.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Ministerin Barbara Steffens.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Ich schwöre es.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Ich schwöre es.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren Ministerinnen und Minister, ich darf Ihnen im Namen des Hohen Hauses jetzt noch einmal zusammen ganz herzlich gratulieren. Wir wünschen Ihnen eine glückliche Hand bei allen vor Ihnen liegenden verantwortungsvollen Aufgaben zum Wohle unseres Volkes, unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, und zum Wohle unseres Landes. Herzlichen Glückwunsch! – Jetzt können die Kameras kommen.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Damit können die Ministerinnen und Minister auf ihren Plätzen Platz nehmen. Die Landesregierung ist damit für das Parlament und für das Land vollzählig.

Ich rufe auf:

2   Neuwahl und Vereidigung der Wahlmitglieder des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nord­rhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/50

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der genannten Drucksache liegt Ihnen ein gemeinsamer Wahlvorschlag, den 193 Mitglieder des Landtags von Nordrhein-Westfalen unterzeichnet haben, vor. Da mehr als zwei Drittel der Mitglieder des Landtags den Wahlvorschlag in der vorbezeichneten Drucksache unterschrieben haben, ist es nach § 4 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen möglich, nur einen Wahlgang durchzuführen.

Ich weise darauf hin, dass in dem Wahlvorschlag nur zwei stellvertretende Wahlmitglieder aufgeführt wurden. Die Stellvertreterinnen bzw. Stellvertreter für Herrn Prof. Dr. Joachim Wieland und für Herrn Dr. Claudio Nedden-Boeger werden zu einem späteren Zeitpunkt gewählt.

Für die Durchführung der Wahl benötigen wir neben den beiden derzeitigen Schriftführern im Sitzungsvorstand weitere Schriftführerinnen und Schriftführer. Ich schlage vor, dass wir auch in diesem Fall die Schriftführerinnen und Schriftführer, die bereits in der gestrigen sowie in der konstituierenden Sitzung des Landtags in dieser Funktion tätig waren, für die Durchführung des Wahlvorgangs mit dieser Aufgabe betrauen. Gibt es dagegen Einwände? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir mit der Wahl beginnen, möchte ich Ihnen noch einmal die für die Wahl relevanten gesetzlichen Bestimmungen vortragen:

Gemäß Art. 76 Abs. 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen setzt sich der Verfassungsgerichtshof aus dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, den beiden lebensältesten Oberlandesgerichtspräsidenten des Landes und vier vom Landtag auf die Dauer von sechs Jahren gewählten Mitgliedern, von denen die Hälfte die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben muss, zusammen. Für diese vier gewählten Mitglieder sind vom Landtag gemäß Art. 76 Abs. 2 der Landesverfassung vier Vertreter zu wählen.

Die sechsjährige Amtszeit der vom Landtag am 5. April 2006 gewählten Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs lief am 11. Mai 2012 ab. Die Amtszeit der heute gewählten und vereidigten Mitglieder und Stellvertreter wird in sechs Jahren, das heißt am 20. Juni 2018, enden.

Gemäß § 4 Abs. 3 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen sollen die Wahlmitglieder und ihre Vertreter im Fall der Auflösung des Landtags innerhalb eines Monats nach seinem ersten Zusammentritt gewählt werden. Der Landtag der 16. Wahlperiode ist erstmals am 31. Mai 2012 zusammengetreten. Die Wahl sollte mithin bis zum 30. Juni 2012 erfolgt sein. Die heutige Wahl findet daher fristgerecht statt.

Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen müssen die Wahlmitglieder das 35. Lebensjahr vollendet haben, zum Landtag wählbar sein und sich schriftlich bereit erklärt haben, Mitglied des Verfassungsgerichtshofs zu werden. Diese Voraussetzungen liegen insgesamt hinsichtlich aller vorgeschlagenen Mitglieder und Stellvertreter vor.

§ 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen sieht vor, dass die Wahl der Wahlmitglieder und ihrer Stellvertreter ohne Aussprache erfolgt. Deshalb können wir unmittelbar zur geheimen Wahl kommen.

Bevor wir aber in den Wahlvorgang eintreten und ich Ihnen dann zum wiederholten Male die Formalien des Wahlvorgangs vortragen darf und muss, hat die Fraktion der Piraten darum gebeten, dass Herr Paul für die Fraktion eine Erklärung zur Abstimmung gemäß § 46 Abs. 1 unserer Landtagsgeschäftsordnung abgeben darf. – Herr Paul hat das Wort.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion der Piraten kritisiert das parlamentarische Prozedere zur Wahl der Wahlmitglieder des Verfassungsgerichtshofs.

Erstens. Die Namen der Kandidaten wurden uns erst gestern Nachmittag mitgeteilt.

Zweitens. Die Kandidaten haben sich persönlich nicht der Fraktion vorgestellt.

Aus diesen Gründen werden wir die bevorstehende Wahl nicht unterstützen.

Wir weisen allerdings ausdrücklich darauf hin, dass sich diese Entscheidung nicht gegen die Person der Kandidaten richtet, sondern ausschließlich das Vorschlagsprozedere kritisiert. Wir bitten daher unsere Nichtzustimmung weder persönlich noch anderweitig als Affront zu verstehen.

Wir laden die Kandidaten herzlich ein, sich in Kürze unserer Fraktion vorzustellen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Paul. – Wir haben die Erklärung gehört und zur Kenntnis genommen.

Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Position an den Tischen zur Ausgabe der Wahlunterlagen und an den Wahlkabinen sowie an den Wahlurnen einzunehmen. Während das erfolgt, darf ich Ihnen, wie schon angekündigt, noch einmal die Hinweise zum Wahlverfahren geben:

Die Ausgabe der Wahlunterlagen erfolgt an den hierfür vorgesehenen Tischen. Nach Aufruf Ihres Namens erhalten Sie dort einen Stimmzettel, auf dem Sie mit Ja, Nein oder Enthaltung stimmen können. Für die Stimmabgabe benutzen Sie bitte die hinten links und rechts aufgestellten Wahlkabinen, die wiederum so platziert worden sind, dass die Durchführung einer geheimen Wahl sichergestellt ist.

Ihren Stimmzettel stecken Sie, wie wir das schon mehrfach getan haben, anschließend in den Briefumschlag. Diesen Briefumschlag werfen Sie dann in die seitlich danebenstehenden Wahlurnen. Diese Anordnung ist wiederum so gewählt, um den Wahlvorgang korrekt und gleichzeitig zügig abzuwickeln.

Beim Ausfüllen der Stimmzettel bitte ich Sie erneut nur die in den Wahlkabinen ausgelegten Dokumentenstifte zu benutzen. Eine anderweitige Kennzeichnung mit Tinte, Kugelschreiber oder Farbstift gewährleistet die Geheimhaltung der Wahl nicht, da ja in einem solchen Fall die Stimmabgabe dem Wahlberechtigten zugeordnet werden könnte. Derartig gekennzeichnete Stimmzettel müssen deshalb als ungültig gewertet werden.

Ebenfalls als ungültig gewertet werden Stimmzettel, die nicht im Briefumschlag in die Wahlurne geworfen werden, sowie leere, doppelt oder anderweitig gekennzeichnete Stimmzettel.

Fragen dazu gibt es, glaube ich, keine. – Das ist so. Dann können wir jetzt mit dem Namensaufruf beginnen. Heute wird das Herr Burkert durchführen.

(Der Namensaufruf zur Stimmabgabe erfolgt.)

Nachdem der Namensaufruf abgeschlossen ist und die Kolleginnen und Kollegen, die aufgerufen worden sind, auch wählen waren, bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmen abzugeben.

Nachdem nun erkennbar für mich alle Abgeordneten, die wählen wollten, gewählt haben, schließe ich die Wahlhandlung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen, die wiederum – wie bereits mehrfach erfolgt – im Empfangsraum der Präsidentin des Landtags stattfinden wird.

Ich unterbreche die Sitzung für kurze Zeit bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Auch diese Auszählung wird nicht lange dauern, sodass ich Sie bitte, im Plenarsaal oder in der Nähe des Plenarsaals zu bleiben.

Die Sitzung ist kurz unterbrochen.

(Die Auszählung erfolgt.)

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und gebe Ihnen das Ergebnis der Neuwahl der Wahlmitglieder des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen bekannt.

Dem Landtag gehören, wie Sie wissen, 237 Abgeordnete an. Vier Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt. An der Wahl haben sich 231 Abgeordnete beteiligt. Gültige Stimmen 230, eine ungültige Stimme. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja 199, Nein 19, Enthaltungen 12.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dem vorliegenden Ergebnis ist damit der gemeinsame Wahlvorschlag Drucksache 16/50 angenommen. Damit sind die vorgeschlagenen Wahlmitglieder und deren Vertreter gewählt. – Ich gratuliere den Gewählten recht herzlich.

Wir kommen unmittelbar zur Vereidigung der Gewählten. Nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen leisten sämtliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Stellvertreter, bevor sie ihr Amt antreten, vor dem Landtag den in dieser Vorschrift formulierten Eid.

Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Herr Prof. Dr. Wolfang Löwer heute nicht anwesend sein kann. Er und die beiden noch zu wählenden stellvertretenden Wahlmitglieder des Verfassungsgerichtshofs werden in einer späteren Sitzung vereidigt.

Wir kommen zur Vereidigung der heute anwesenden gewählten Wahlmitglieder. Ich bitte die Anwesenden, sich von ihren Plätzen zu erheben, soweit es ihnen möglich ist.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der nach dem Gesetz über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen zu leistende Amtseid lautet:

„Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Nach § 5 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen kann der Eid auch ohne die religiöse Beteuerung geleistet werden.

Ich darf Sie nun namentlich aufrufen.

Herr Prof. Dr. Wieland, ich bitte Sie, den Amtseid zu sprechen.

Prof. Dr. Joachim Wieland: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. Herzlichen Glückwunsch und allzeit eine gute Hand.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb.

Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. Herzlichen Glückwünsch und eine gute Hand.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Dr. Claudio Nedden-Boeger.

Dr. Claudio Nedden-Boeger: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. Herzlichen Glückwünsch.

(Allgemeiner Beifall)

Es folgen die stellvertretenden Wahlmitglieder.

Herr Dr. Andreas Heusch, bitte.

Dr. Andreas Heusch: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. Herzlichen Glückwunsch. Alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Prof. Dr. Christian Hillgruber.

Prof. Dr. Christian Hillgruber: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. Herzlichen Glückwunsch. Alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 2.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

3   Bestellung der Ausschüsse des Landtags und Festlegung der Zahl der Mitglieder

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/51 – Neudruck

Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/51 – Neudruck. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.

Wir kommen zu:

4   Gesetz zur Restrukturierung der WestLB AG

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/16

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/84

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/52


Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/102

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Zimkeit das Wort.

Stefan Zimkeit (SPD): Es ist keine einfache Entscheidung, sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wir heute zu fällen haben. Die WestLB abzuwickeln und hierfür 1 Milliarde € Steuergelder zur Verfügung zu stellen, ist nichts, was Begeisterung auslöst – im Gegenteil.

Die Menschen meinen, es wäre schon zu viel Geld für Banken ausgegeben worden, insbesondere, weil Privatbanken jetzt schon wieder am großen Rad drehen und die Boni der Banker ohne jedes Maß steigen. Heute geht es aber nicht um die Profitinteressen von Privatbanken, sondern darum, Schaden vom Land abzuwenden.

In der Anhörung und in den Diskussionen zum vorliegenden Gesetzentwurf wurde deutlich, dass der von der Landesregierung in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagene Weg die am wenigsten schlechte Lösung für alle Beteiligten ist. Sie begrenzt das Risiko für das Land, das sonst schnell auf zweistellige Milliardensummen steigen könnte.

Hier frage ich mich – ich konnte den Entschließungsantrag der CDU, der gerade vorgelegt worden ist, noch nicht lesen, aber ich ahne, was drinsteht –, wie CDU denn diese zweistelligen Milliardenbeträge – wenn sie denn dann anfallen – im Haushalt NRW darstellen will.

Die vorgeschlagene Lösung sichert Arbeitsplätze in Düsseldorf und findet deshalb auch die Zustimmung des Betriebsrates. Unsere Aufgabe ist es, weiter gemeinsam daran zu arbeiten, dass so viele Arbeitsplätze wie möglich gerade in NRW erhalten bleiben.

Sie sichert den Bestand der Sparkassen durch eine faire Lastenverteilung zwischen allen Beteiligten. Ansonsten droht der Zusammenbruch mehrerer Sparkassen in Nordrhein-Westfalen mit den unabsehbaren Folgen für den Mittelstand und für die Kommunen. Das gilt es auf jeden Fall zu verhindern.

Und die vorgeschlagene Lösung verhindert den Zusammenbruch der WestLB mit unabsehbaren Folgen auch für die wirtschaftliche Entwicklung Nordrhein-Westfalens. Im schlimmsten Fall könnte der Zusammenbruch der WestLB wieder zu einer neuen Finanzkrise führen. Auch dies gilt es auf jeden Fall zu verhindern.

Die 1 Milliarde € ist also sinnvoll eingesetzt – im Interesse des Landes, der Kommunen und der Beschäftigten und damit im Interesse der Menschen in Nordrhein-Westfalen.

Damit die zwischen allen Beteiligten ausgehandelte Lösung, die unter einem erheblichen Zeitdruck durch die EU steht, umgesetzt werden kann, haben die Regierungsfraktionen einen Änderungsantrag eingebracht, der die Umsetzung zwischen Bund und Anteilseignern sicherstellt. Hier sei noch einmal betont, dass sich der Bund mit insgesamt 3 Milliarden € an der vorgeschlagenen Lösung beteiligt.

Auch dies zeigt, wie wichtig eine geordnete Abwicklung der WestLB weit über NRW hinaus ist, und es zeigt, dass das Land Nordrhein-Westfalen ein gutes Verhandlungsergebnis erzielt hat. Dafür auch dem Minister und dem Ministerium einen herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Das Gesetz setzt die vom Landtag beschlossene Eckpunktevereinbarung 1:1 um. Es sichert den fairen Lastenausgleich zwischen Land und Sparkassen. Es wird durch die Bundesregierung unterstützt, und es findet die Zustimmung der Beschäftigten. Und das für uns Allerwichtigste: Es wendet Schaden vom Land Nordrhein-Westfalen ab. Deswegen appelliere ich an die Opposition, insbesondere an die CDU, die die Eckpunktevereinbarung mit beschlossen hat, dieses Gesetz mit zu beschließen und den eingeschlagenen Weg zu Ende zu gehen.

Für uns ist klar, dass 1 Milliarde € eine Belastung ist, auch eine Belastung für den Haushalt. Aber für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kommt es nicht infrage, wegen dieser 1 Milliarde € bei Bildung, bei Kindern und bei Kommunen zu streichen. Dieser Weg kommt für uns nicht infrage.

(Beifall von der SPD)

Kollege Schittges hat es mit großer Offenherzigkeit im Ausschuss erklärt: Die CDU würde diesem Gesetz nicht zustimmen, weil ihre Stimmen zum Beschluss nicht gebraucht würden. – Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, stehlen Sie sich aus der Verantwortung – einer Verantwortung für die WestLB, die auch Sie zu tragen haben.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Zahlreiche Fehler sind bei der WestLB gemacht worden, vor allen Dingen von den verantwortlichen Bankern, aber sicher auch parteiübergreifend im politischen Raum. Wir müssen gemeinsam kritisch nachdenken, welche Fehler begangen worden sind, und daraus für die Zukunft lernen. Jetzt gilt es aber, eine aktuelle Lösung für das jetzige Problem zu finden.

Da bitte ich Sie noch einmal eindringlich und appelliere an alle Beteiligten, die Verantwortung zu übernehmen und diesen Weg mit zu gehen. Es ist der Weg, der am wenigsten Risiken birgt und der den Schaden vom Land Nordrhein-Westfalen abwendet.

(Beifall von der SPD und Reiner Priggen [GRÜNE])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die CDU-Fraktion spricht der Herr Kollege Sieveke.

Daniel Sieveke (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über die Abwicklung der WestLB AG, die in der Geschichte einstmals das fünftgrößte deutsche Geldinstitut gewesen ist, ohne das es in den 80er- und 90er-Jahren keine große Fusion, keinen Börsengang gegeben hat. Wir reden damit aber leider auch über eine Landesbank, deren Geschichte von Arroganz, Verfilzung und Milliardenverlusten geprägt war.

(Beifall von der CDU)

Sie war das sozialdemokratische Herrschaftsinstrument von Ministerpräsident Johannes Rau. Friedel Neuber bildete seinerzeit gemeinsam mit Johannes Rau und dessen Finanzminister Heinz Schleußer ein regelrechtes Machtkartell, an dem vorbei in Nordrhein-Westfalen über viele Jahre keine Entscheidungen zu treffen waren.

Die Geschichte der WestLB AG ist damit untrennbar mit der Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen verbunden. Die Lasten und die bis heute nicht endgültig geklärten Risiken der WestLB sind das Erbe der SPD in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist schon bemerkenswert, dass der ehemalige Regierungssprecher von Johannes Rau heute als Finanzminister für die Abwicklung der WestLB zuständig ist, gewissermaßen als Abrundung dieser Historie.

Der Finanzminister hat in der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses die Beratung zur Eckpunktevereinbarung

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

als Sternstunde der Minderheitsregierung hoch gelobt.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Finanzminister, ich kann mich nur daran erinnern, dass – erstens – SPD und Grüne keine alleinige Mehrheit im letzten Jahr hatten, Sie – zweitens – das Pairing-Abkommen gebrochen haben, weil Sie geglaubt haben, eine eigene Mehrheit zu haben, und – drittens – Sie dann erst auf die CDU zugegangen sind.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Das war keine Sternstunde, das war eine Sonnenfinsternis der demokratischen Kultur.

(Beifall von der CDU)

In diesen finsteren Stunden sind dann die Fraktionsvorsitzenden Römer und Priggen auf die CDU zugegangen und haben mit der Bereitschaft zu ernsthaften Gesprächen Abbitte geleistet. Wir haben damals die handwerklichen Fehler und Versäumnisse der Landesregierung beiseitegeschoben, uns der staatspolitischen Verantwortung gestellt und der Eckpunktevereinbarung dann zugestimmt.

(Martin Börschel [SPD]: Und dann sind Sie davongelaufen!)

Allerdings hat damals unser Fraktionsvorsitzender Karl-Josef Laumann sehr deutlich und bis heute zutreffend gesagt – ich zitiere –:

„Aus staatspolitischer Verantwortung tragen wir das mit. Aus landespolitischer Verantwortung halten wir an unseren Forderungen nach Haushaltskonsolidierung fest. Es gibt in der gemeinsamen Erklärung kein Wort über das Verhalten des Landtags zu den Gesetzen, die demnächst vorgelegt werden müssen. Es gibt heute keinen Blankoscheck für diese Gesetze aus. Meine Fraktion wird Gesetzen nur dann zustimmen, wenn Sie haushaltspolitisch verantwortbar sind.“

(Beifall von der CDU)

Seitdem ist ein Jahr vergangen, ein Jahr, Herr Finanzminister, in dem Sie uns vieles von den schwierigen Verhandlungen, Ihren zahlreichen Nachtschichten, Ihren Reisen nach Berlin und Frankfurt erzählt haben. In einem geschlagenen Jahr war wenig Konkretes dabei, und von Ihren Einschätzungen und Prognosen, Herr Minister, ist so gut wie nichts eingetreten.

Bis heute, noch weniger als zehn Tage vor dem 30. Juni 2012, ist das wichtigste grammatikalische Element Ihrer Ausführungen stets der Konjunktiv. Sie haben uns erklärt, dass man mit umfangreichen Verkäufen rechnen könne. Von Teilbereichen mit mindestens 1.000 Beschäftigten war die Rede. Sie haben uns am 30. Juni 2011 im Plenum erklärt, dass man bis Ende 2016 im ungünstigen Fall mit einem Abbauvolumen von etwa 1.800 Stellen rechnen könne. Auch diese von Ihnen angestellte Prognose ist nicht Wirklichkeit geworden. Es wurde bisher nichts verkauft. Wir gehen weiterhin bei der WestImmo von 400 und bei der Portigon von 3.400 Beschäftigten aus. Hierzu kommen 2.800 Pensionäre und knapp 1.000 freigestellte Mitarbeiter. Das bedeutet allein bei der Portigon von 2013 bis 2016 einen jährlichen Personalabbau von mindestens 600 Mitarbeitern – also jedes Jahr, und das wird ganz schön hart werden.

Entscheidend ist aber: Die CDU-Fraktion wird diesem Gesetz nicht zustimmen, weil sich SPD und Grüne damals wie heute der dringend notwendigen Konsolidierung der Landesfinanzen verweigern.

(Beifall von der CDU)

Sie haben inzwischen erklärt, dass Sie die Neuverschuldung gegenüber dem gescheiterten Haushaltsentwurf für 2012 um eine Milliarde auf knapp 5 Milliarden € anheben werden. Damit steigt die Neuverschuldung gegenüber 2011 um fast zwei Drittel. Ihr Koalitionsvertrag enthält keinen Hinweis darauf, wie die aktuellen und zukünftigen Lasten der WestLB-Restrukturierung im Landeshaushalt aufgefangen werden sollen. Auf 200 Seiten definieren Sie viele neue Aufgaben und Ausgaben für das Land. Zur WestLB und zur konkreten Konsolidierung des Landeshaushaltes schweigen Sie komplett.

Neben dem politischen Unwillen, zu sparen, kommen obendrauf Ihre ganz persönlichen Rechenkünste. 2011 findet dieser Finanzminister 1 Milliarde € im Haushalt; 2012 vergisst die Koalition 1 Milliarde € im Koalitionsvertrag. Sie wissen, dass Sie mit Ihrer WestLB-Lüge die Wähler klar getäuscht haben.

(Beifall von der CDU)

Sie können noch immer nicht mit Sicherheit sagen, welche Risiken noch in der WestLB schlummern.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Daniel Sieveke (CDU): Ich komme zum Schluss. – Sie haben keinerlei Konzept für die Zukunft des Großteils der Mitarbeiter. Sie wissen, dass die Absicht, nur eine 1 Milliarde € bis 2017 zu sparen, bei einem strukturellen Defizit von über 4 Milliarden € ein Witz ist. Und Sie können sich sicher sein, dass Ihnen die CDU-Fraktion für diese Art der haushaltspolitischen Unverantwortlichkeit keinen Blankoscheck ausstellen wird. Aus Verantwortung für die Zukunft Nordrhein-Westfalens sagen wir heute Nein. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Sieveke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines vorweg: Man sollte sich nach einem solchen Ausrutscher des Kollegen Sieveke mit einer solchen Herleitung fast schon beim Finanzminister entschuldigen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Wenn Sie ein solches Niveau schon in der ersten ernsthaften Auseinandersetzung hier im Parlament an den Tag legen und das Ihre Strecke für die Opposition ist, dann kann ich nur das wiederholen, was ich im Haushalts- und Finanzausschuss bereits gesagt habe: Sie sind nicht nur 24 %, sondern Lichtjahre von jeder Mehrheit in Nordrhein-Westfalen entfernt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Kommen wir nun einmal dazu, was seit letztem Jahr passiert und in der Anhörung gesagt worden ist. In der Anhörung haben alle gekommenen Sachverständigen vorgetragen:

Erstens. Es wird konsequent das umgesetzt, was letztes Jahr angekündigt wurde.

Zweitens. Es wird deutlich günstiger abgewickelt, als es mit Alternativen – Restrukturierungsgesetz des Bundes oder vielleicht sogar eine radikale Sofortabwicklung, wie es in anderen Ländern Europas der Fall ist – möglich wäre.

Drittens. Es ist – das haben wir schriftlich vom Bundesfinanzministerium – ein fairer Interessenausgleich aller an diesem Prozess Beteiligten vorhanden. Das hat Steffen Kampeter für die Bundesregierung und nicht als eigene Meinung öffentlich verkündet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Sie sind ganz allein mit Ihrer Meinung, dass es sich hier um ein schlechtes Geschäft für das Land Nordrhein-Westfalen handelt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte auch dem Finanzminister für die Verhandlung ausdrücklich danken; das ist sicherlich ein komplizierter Prozess. Ich kann nur an alle appellieren, die jetzt noch beteiligt sind, dass bis zum 30. Juni 2012 die Verträge und alles, was damit zu tun hat, unter Dach und Fach kommen.

Jetzt komme ich zu des Pudels Kern Ihrer Argumentationslinie: Sie haben gesagt, dass die 1 Milliarde €, die heute mit der Gründung der Verbundbank, also dem Heraustrennen des Mittelstandsgeschäftes aus der alten WestLB und einer neuen Zukunft für die Sparkassen, erreicht wird, im Haushalt einzusparen sei.

Auf welchen Zeitraum denn? Wie sind, könnte ich fragen, fünf mal 200 Millionen € umzulegen? 1 Milliarde € strukturell? Ich will gar nicht wiederholen, wie weit Sie von dieser Milliardeneinsparung entfernt sind. Die 1,4 Milliarden €, die Sie das Land kosten würden, wenn Herr Röttgen Ministerpräsident geworden wäre, habe ich Ihnen bereits mehrfach vorgerechnet. An der Stelle brauchen Sie uns nichts vorzumachen.

Ein Weiteres hat eben der Kollege Schittges …

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Keine Beleidigung!)

– der Kollege Zimkeit eben in der Debatte über Herrn Kollegen Schittges schon dargestellt: Der Kollege Schittges hat in der Finanzausschusssitzung sehr ausführlich dargestellt, dass es notwendig sei, jetzt endlich einen Schlussstrich unter die Geschichte zu ziehen, damit die Sparkassen Rechtssicherheit bekommen. Gleichzeitig hat er gesagt: Wir stimmen trotzdem nicht zu, und zwar aus folgendem Grund:

Letztes Jahr wurden wir noch gebraucht, weil es eine Minderheitsregierung gab. Dieses Jahr werden wir nicht gebraucht. SPD und Grüne haben eine eigene Mehrheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nur hoffen, dass das in diesem Land noch lange so bleibt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Denn eine Partei, die eine Entscheidung nicht aus sachlichen Gründen trifft, sondern nur schaut, ob sie sich einen schlanken Fuß oder – wie wir im Ruhrgebiet sagen – vom Acker machen kann, wenn es kompliziert wird, ist es nicht würdig, in diesem Land zu regieren oder Politik zu gestalten. Das muss ich ganz eindeutig sagen.

Ich füge hinzu: Die 1 Milliarde € und die anderen Milliarden, die hinzukommen werden, sind kein leichter Weg für diejenigen, die entscheiden müssen. Das ist völlig klar.

Aber der Kollege Sieveke hat nicht mit einem Wort eine Alternative auf den Tisch gelegt, ist mit keinem Wort fachlich auf die Eckpunktevereinbarung eingegangen. Er hat noch nicht einmal den Antrag vom letzten Jahr korrekt zitiert, den ich Ihnen ebenfalls vorgelegt habe. Dort ist nämlich von einer Konditionierung in Höhe von 1 Milliarde in dem Zusammenhang keine Rede. Dort steht – wie Sie es auch einleitend in Ihrem Entschließungsantrag geschrieben haben – drin:

„Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat in den von allen beteiligten Verhandlungspartnern am 23. Juni 2011 beschlossenen Eckpunkten zum Restrukturierungsplan der WestLB unter den gegebenen Umständen eine … tragfähige Vereinbarung gesehen. Sie wäre ohne das finanzielle und politische Engagement der Bundesregierung, auch gegenüber der EU-Kommission, nicht möglich gewesen.“

Das ist der Beschlusstext vom letzten Jahr, Herr Kollege Sieveke. Sie versuchen zu suggerieren, als habe die CDU damals konditioniert. Das hat sie nicht getan. Sie machen sich vom Acker! Sie sind schädlich für das Land!

Ich hoffe, Sie werden diesen Kurs in dieser Wahlperiode ändern, statt Fundamentalopposition zu betreiben. Das wäre kein geeigneter Weg für dieses Parlament. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die FDP-Fraktion spricht der Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aktuellen Vorgänge um die WestLB lassen sich vereinfachend zusammenfassen: Die Sparkassen begehen Unfallflucht, und Sie, Herr Finanzminister, betätigen sich als Fluchthelfer.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ui, ui, ui!)

Die Geschichte der WestLB ist alles andere als rühmlich. Sie müssen nur einmal in die Medien schauen: WestLB-Debakel! Super-Gau für den Steuerzahler! Milliardengrab! Fass ohne Boden! – Das sind die Vokabeln dieser Tage.

Pünktlich zum endgültigen Ende der WestLB haben Sie, Herr Finanzminister, uns ja auch öffentlich vorgerechnet, was der Niedergang der WestLB den Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen kostet: 18 Milliarden €! Die Hälfte entfällt auf das Land NRW.

Aus diesem gigantischen Desaster können wir lernen: Politiker sind eben nicht die besseren Banker! Sie sind nicht die besseren Unternehmer! Der Staat ist dann ein starker Staat, wenn er ein schlanker Staat ist, der sich auf Rahmenbedingungen konzentriert, der für Wettbewerbsneutralität sorgt, aber nicht überall seine Finger in jedes unternehmerische Geschäft steckt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Der Blick in die jüngere Geschichte der WestLB zeigt, dass von Verantwortlichen politische Fehler gemacht worden sind, dass Handlungsspielräume nicht genutzt worden sind.

Ich darf daran erinnern: Im Jahr 2001 wäre es bei der Aufspaltung von WestLB und NRW.BANK möglich gewesen, die WestLB als international operierende Geschäftsbank an private Investoren mit Gewinn für das Land zu veräußern. Das wurde damals von allen Fraktionen dieses Hauses – mit Ausnahme der FDP – abgelehnt. Wir hatten es angeregt.

Rot-Grün ist es aber wichtiger gewesen, die WestLB weiterhin als politisches Instrument, als Industrie- und Förderbank, für ihre Vorhaben zu haben. Dieser Weg war falsch.

Wie die Geschichte weiterging, ist hinreichend bekannt. Weil die Sparkassen als Eigentümer der WestLB nicht bereit waren, der Bank ein tragfähiges Geschäftsmodell zu geben, hat sie von 2002 bis 2005 unter rot-grüner Verantwortung 4,8 Milliarden € Verluste eingefahren. Wäre man 2001 den von der FDP vorgeschlagenen Weg gegangen, hätte das Milliardendesaster der heutigen Größenordnung den Steuerzahlern erspart bleiben können, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Das gilt auch für die aktuellere Entwicklung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Was ist denn 2005 bis 2010?)

– Herr Kollege, ich sage Ihnen auch etwas zur jüngeren Vergangenheit: Bereits vor einem Jahr, als wir hier die schwarz-rot-grüne Eckpunktevereinbarung debattiert haben, hat die FDP kritisiert, dass bei der Verteilung der Lasten und Risiken des Restrukturierungsmodells das Land Nordrhein-Westfalen massiv benachteiligt wird. Obwohl die Sparkassen Mehrheitseigentümer der WestLB sind, übernehmen sie nämlich nur für etwa 10 % der Beschäftigten die Verantwortung. Das ist kein faires Burden-Sharing. Zudem haben sie sich aus den Vermögensbeständen der WestLB die guten Risiken herausgenommen, während die schlechten Risiken beim Land verblieben sind. In den letzten Wochen hat unser Finanzminister mehrfach betont, dass nun aber wenigstens alle Risiken im Zusammenhang mit der WestLB bekannt seien, dass es angeblich auch keine Nachverhandlungen gebe.

Wären Ihre Auskünfte richtig gewesen, Herr Walter-Borjans, hätten die Koalitionsfraktionen diesem Hause nicht mit einer Drucksache einen Änderungsantrag vorlegen müssen.

(Beifall von der FDP)

Dieser Änderungsantrag von Rot-Grün ist Ausfluss der Nachverhandlungen über das Derivate-Portfolio, das die Helaba entgegen Ihrer Annahme nicht übernehmen wollte und für das nun wiederum der nordrhein-westfälische Steuerzahler überproportional in die Pflicht genommen wird.

Deshalb sagen wir als FDP-Landtagsfraktion – so traurig das Kapitel auch ist –: Die Geschichte der WestLB geht nun zwar formal zu Ende, doch für den Steuerzahler ist dieses Abenteuer noch längst nicht ausgestanden. Der nordrhein-westfälische Steuerzahler haftet weiterhin für alle Risiken, die aus der neuen Portigon AG resultieren. Diese Risiken können durchaus noch beträchtlich sein.

Herr Finanzminister, in Ihrem Gesetzentwurf heißt es selbst, dass sich eventuelle Mehrausgaben in der Zukunft heute noch gar nicht prognostizieren lassen. In einer Vorlage von Ihnen für die Sitzung des HFA am vergangenen Montag ist sogar von einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage die Rede, um im Fall eines Bad-case-Szenarios weitere Stützmaßnahmen des Landes zu ermöglichen.

Sollten weitere Risiken schlagend werden und eine zusätzliche Verlustabdeckung für Portigon erforderlich sein, dann sind die Sparkassen fein raus, und der nordrhein-westfälische Steuerzahler ist erneut der Dumme. Einer solchen Konstruktion hat die FDP-Landtagsfraktion bislang nicht zugestimmt, stimmt sie auch heute nicht zu und wird sie auch zukünftig nicht folgen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine volle Tasche dort stehen mit Papier, mit Papier zum Thema „WestLB“.

(Zuruf von der SPD)

– Bitte? Papier, viel Papier, ja, eben nicht online. Hier im Hause wird ja eine Menge in Drucksachen verteilt. Die Drucksachen nehmen kein Ende, die Drucksachen zu einem Gesetz …

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Bitte?

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Jeden Zwischenruf finde ich großartig. Nur muss er hier vorne ankommen. Wenn Sie vielleicht ins Mikrofon sprechen wollen, Herr Kollege? Dann höre ich das nämlich auch.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich gehe wirklich darauf ein, wenn es notwendig ist.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Sie haben jetzt das Wort.

(Allgemeiner Beifall)

Es ist auch nicht möglich, dass Abgeordnete dann ins Mikrofon sprechen, es sei denn, wir haben eine Fragestunde. Dann können sie eine Frage stellen.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ja. Ich führe die Diskussion gerne auch außerhalb dieses Plenums. Das ist nun keine Frage.

Aber was das bedeuten soll mit dem ganzen Papier, muss man erkennen, wenn zwei Tage vor dieser Sitzung Änderungsanträge eingereicht werden, mit denen ganz massiv die Grundfeste dieses Vertrages, der auf der Basis dieser Eckpunktevereinbarung fußt, geändert werden sollen. Haftungsrisiken werden beleuchtet, neu und jeden Tag neu, wie es scheint, Haftungsrisiken, die das Finanzministerium offensichtlich nicht kennt, die möglicherweise aber – das ist das ganz Entscheidende – niemand in diesem Hause kennt. Niemand kennt die Haftungsrisiken, die mit diesem Gesetz verbunden sind, weder vom Grundsatz her noch vom Umfang her.

Es ist von 1 Milliarde € die Rede. Das hört sich verdammt schlank an. 1 Milliarde €, was ist das schon? Meine Güte! Der Steuerzahler wird das aufbringen können, vor allen Dingen dann, wenn man dann hört, es soll auch im nächsten Haushalt 1 Milliarde € eingespart werden.

Wofür die 1 Milliarde € eingespart werden soll, na ja, da kann man rätseln. Im Prinzip kann man auch sagen: rechte Tasche, linke Tasche. Aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, halte ich für dieses Haus nicht für sinnvoll, vor allen Dingen dann nicht, wenn wir Verantwortung zu tragen haben für die Bürger dieses Landes. Das, liebe Leute, geht nicht.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dieses Gesetz, das „Restrukturierungsgesetz zur WestLB“ genannt ist, ist im Prinzip nichts anderes als ein Sparkassenrettungsgesetz. Das ist auch so weit in Ordnung. Wir haben ja in der letzten Debatte gehört, dass das natürlich für einige Verwirrung gesorgt hat, dass man sagen kann: Na ja, auch Sparkassen können pleitegehen. – Das ist nicht so schön. Es ist überhaupt nicht schön, wenn irgendjemand pleitegeht. Es ist natürlich auch nicht schön, wenn eine WestLB pleitegehen müsste, vor allen Dingen wenn man daran denkt, dass ungefähr 4.000 bis 5.000 Beschäftigte damit letztendlich auch ihre Existenz verlieren könnten.

Aber wie sieht es heute aus? Sie werden übergeleitet in eine sogenannte Transfergesellschaft. Nichts anderes ist ja diese Auffanggesellschaft, von der wir hier reden. Es gibt, soweit mir bekannt ist, Herr Minister, noch keine Zustimmung des Betriebsrates. Oder gibt es die in der Zwischenzeit? – Die gibt es nämlich auch noch nicht. Das heißt, es stimmt überhaupt gar nicht, wenn hier behauptet wird, die Beschäftigten hätten diesem ganzen Gesetz zugestimmt bzw. dem Prozedere. Auch das ist nicht zutreffend.

Letztendlich: Ohne die Zustimmung der Beschäftigten der WestLB und aller anderen bereits in Firmen ausgelagerten Beschäftigten wird die ganze Sache nicht funktionieren, es sei denn, die können alle darauf zurückblicken, dass sie aus dem großen Portfolio, welches hier aufgefüllt werden soll mit 1 Milliarde € und noch weiteren liquiden Mitteln, letztendlich über die Zeitdauer bis 2016 oder 2027 ein Auskommen haben.

Dann fragt man sich natürlich: Was haben die Sparkassen eigentlich davon, in diese enormen Risiken einzusteigen? – Man muss doch ganz ehrlich fragen: Wieso konnten diese ganzen werthaltigen oder nicht werthaltigen Papiere eigentlich nicht verkauft werden? Warum konnten sie nicht verkauft werden? Wer hat eigentlich auf die Bremse getreten, damit sie nicht verkauft werden konnten?

Heute sitzen wir hier zusammen und müssen Geld nachschießen in einer Höhe von 1 Milliarde €, ohne zu wissen, wie viel Risiken tatsächlich damit verbunden sind. Denn ob es möglicherweise diese in der Zeitschrift „Online der Westen“ genannten 18 Milliarden € oder 9 Milliarden € – die Hälfte davon – sind oder 100 Milliarden € oder 45 Milliarden €, das hängt doch ganz davon ab, wie sich die Finanzmärkte entwickeln. Darauf wird selbstverständlich weder eine Portigon Einfluss nehmen können noch eine Erste Abwicklungsanstalt. Niemand wird darauf Einfluss nehmen können, wir auch nicht.

Wir müssen nur aufpassen, dass wir hier nicht ein Gesetz beschließen, welches auch überschrieben werden könnte mit dem Namen „Jack in the box“. Genau das ist es. Wir haben noch keine Verträge. Mit der Helaba wird weiter verhandelt. Mit allen möglichen Partnerinnen und Partnern wird weiter verhandelt, und vorher soll hier ein Gesetz verabschiedet werden, dessen Auswirkungen und Risiken auf das Land Nordrhein-Westfalen nicht ansatzweise klar sind. Dem kann man letztendlich nur seine Zustimmung verweigern.

Ob das jetzt mit dem Entschließungsantrag der CDU übereinstimmt, was ich hier sage, kann ich nicht beurteilen. Ich habe das Ding gerade erst auf den Tisch bekommen. Aber im Großen und Ganzen kann man nur sagen: Diesem Gesetz bei der derzeitigen Entwicklungslage und vor allen Dingen auf dem Verhandlungsstand kann man letztendlich nur die Zustimmung verweigern. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das Land 1 Milliarde € in die Hand nehmen muss, um eine Großbank vom Markt zu nehmen, dann ist das für keinen ein schöner Anlass, Geld auszugeben – nicht für die Opposition, auch nicht für die Regierung.

Aber es ist ein Ende mit Schrecken. Was wäre die Alternative gewesen? Sie wäre ein Schrecken ohne Ende. Die Frage, die ich an Sie stelle, ist: Hätten Sie lieber die Lösung, die Bayern gewählt hat, 10 Milliarden € in eine Bank zu setzen, die dann nur am Leben erhalten wird und damit überhaupt nicht sicher ist, nicht vor dieselben Probleme zu kommen, vor die die WestLB gekommen ist und vor denen auch andere Landesbanken in Deutschland stehen? Das sind Landesbanken, die sich alle unserem Ziel einer Konsolidierung bundesweit verweigert haben.

Wenn man sich überlegt, was denn die Alternativen gewesen wären, und wenn man sich anschaut, wie Sie im letzten Jahr mit der Eckpunktevereinbarung umgegangen sind, Herr Sieveke, muss man sagen: Das ist wirklich nicht die Zeit für Legendenbildung.

Es ist nicht so, dass SPD und Grüne erst auf Sie zugekommen sind, nachdem Sie abgelehnt hatten. Sie haben schon vorher die Erwartung gehabt, in diesem Entschließungsantrag müsse gleichzeitig stehen, dass das aus dem laufenden Haushalt herausgebrochen werden muss. Das müssen Sie sich einmal überlegen! Wem hätten Sie denn erzählt, was es an Lehrern nicht gibt, was an Straßen nicht repariert wird, was an Infrastruktur vergessen wird und was an öffentlicher Sicherheit nicht mehr finanzierbar ist, weil man jetzt gerade in diesem Jahr 1 Milliarde € braucht?

Dass diese 1 Milliarde € in die Konsolidierung gehört, ist vollkommen klar – aber mit ihren Lasten, die sie verursacht. Wenn Sie anschließend Zinsen dafür zu zahlen haben, sind diese Zinsen natürlich in den Konsolidierungspfad einzubauen. Wir können 2020 nicht sagen: Wir haben aber noch ein paar Zinsen obendrauf, die von der WestLB stammen; aus diesem Grund können wir die Schuldenbremse nicht einhalten. – Das ist richtig.

Was Sie hier machen, ist aber der vollkommen durchsichtige Versuch, sich, nachdem Sie nicht mehr für die Mehrheitsbeschaffung nötig sind, zurückzulehnen, Ihre Verantwortung an der Garderobe abzugeben und zu sagen: Jetzt lasst die doch mal machen. – Da sage ich Ihnen ganz klar: Das wird dem Umbau der WestLB unmittelbar nicht schaden. Ihnen wird es in der Wahrnehmung derjenigen, die damit zu tun haben, allerdings extrem schaden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Schauen wir uns jetzt einmal weiter die Legendenbildung an, das sei alles erst vor 2005 oder nach 2010 entstanden. Zum Zeitpunkt Ihrer Regierungsübernahme hatte die Bank einen Buchwert von 7 Milliarden €. Als wir die Regierung übernommen haben, war dieser Buchwert null. Das ist übrigens ein Teil des gesamten Aufkommens an Verlusten, das ich beschrieben habe. Sie haben 7 Milliarden € verbrannt, und zwar in einer Zeit, in der Sie die Möglichkeit gehabt hätten, die Bank an die LBBW zu verkaufen, wovon Sie aus nicht besonders sachlichen Gründen Abstand genommen haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In Ihrer Zeit haben Sie 5 Milliarden € Garantien für die aussortierten Phoenix-Papiere, die Schrottpapiere, übernommen und dabei den vierfachen Anteil der Garantie getragen, den die Sparkassen übernehmen mussten. Darin liegt der bisher einzige Unterschied von 3 Milliarden €, die die Sparkassen besser davongekommen sind als das Land. Das ist – ich sage es noch einmal – mit Unterstützung der damaligen Opposition erfolgt, weil man sich gemeinsam dafür verantwortlich gefühlt hat, dass aus dem WestLB-Problem nicht anschließend ein Sparkassenproblem wird, und weil wir den öffentlich-rechtlichen Kreditsektor schützen wollten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich hat sich seit der Eckpunktevereinbarung einiges getan. Ich bin Ihnen im Übrigen dankbar dafür, dass es dann – wie auch immer sie zustande gekommen ist – eine gemeinsame Eckpunktevereinbarung gegeben hat, die Sie in den Ausschusssitzungen im Inhalt auch nicht kritisieren. Nun unternehmen Sie aber erkennbar den Versuch, dort herauszukommen, damit Sie am Ende sagen können, Sie hätten sich als Opposition aber dagegen gestellt. Jetzt argumentieren Sie damit, dass das nicht in einem einzigen Haushalt abgearbeitet wird.

Ich habe eben schon gesagt, wie es geht und wie es auch gehen muss. Dass diese 1 Milliarde € uns natürlich nicht aus der Pflicht entlässt, alle Sparbemühungen im Haushalt umzusetzen, ist doch selbstverständlich. Das hat mit der 1 Milliarde € aber nichts zu tun. Diese Sparbemühungen stellen wir unabhängig davon an, ob 1 Milliarde € draufkommt oder nicht. Diese 1 Milliarde € ist eine einmalige Angelegenheit, die noch dazu zum Abschluss dieses Verfahrens beiträgt und dafür sorgt, dass es nicht zu einem immer weiteren Verlängern des Leidensweges kommt.

Herr Sieveke, dass der Konjunktiv an dieser Stelle eine Rolle spielt, haben wir mittlerweile schon häufiger miteinander ausgetauscht. Da kann ich nur noch einmal sagen: Wenn jemand in diesem Moment nicht im Konjunktiv redet und bei der Entwicklung der Finanzmärkte in Europa meint, hier feste Zusagen machen zu können, frage ich ihn einmal: Wie konnten Sie denn dann, als Sie die Garantien für die WestLB abgegeben haben, von Tail-Risk reden? Warum gibt es denn dann Sprechklauseln, wenn in der EAA Verlustwerte überschritten werden? Daran haben wir nichts geändert. Sie sind von Ihnen eingeführt worden. Wir haben jetzt eine Lösung gefunden, die für einen …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich komme sofort zum Schluss.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Nein. Ich wollte Sie fragen: Würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schemmer zulassen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ja, gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Schemmer, bitte schön.

Bernhard Schemmer (CDU): Herr Minister, Sie erzählen gerade, was wäre, wenn usw. Das hilft uns relativ wenig weiter. Warum beantworten Sie nicht die ganz schlichte, knappe Frage, warum Sie diese 1 Milliarde €, die ja absehbar war, nicht in Ihren Haushaltsentwurf 2012 eingestellt hatten?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Die Frage habe ich schon oft beantwortet. Das ist eine ganz einfache Antwort. Die Frage war, ob die 1 Milliarde € zum Buchwert in das Eigenkapital der WestLB eingezahlt werden muss oder ob sie dem Bund abgekauft werden soll, und zwar zu einem günstigeren Preis. Es gibt in diesem Geschäft nun einmal tatsächlich die Möglichkeit, 1 Milliarde € Buchwert für weniger als 1 Milliarde € zu kaufen. Das Ende der Verhandlungen war, dass wir diese 1 Milliarde € einzahlen.

Ich bitte aber auch zu berücksichtigen, dass als Teil dieses Verhandlungsergebnisses auch zählt, dass der Bund mit der 1 Milliarde €, die er herausnimmt, zu 330 Millionen € in Form eines an den Verlusten teilnehmenden Kredites mit ins Feuer geht. Das ist ein Ergebnis der Verhandlungen gewesen.

Wenn ich das gemacht hätte, was Sie am Anfang verlangt hatten, hätten wir über diesen Punkt mit dem Bund gar nicht mehr reden müssen. Dass wir das erreicht haben, war am Ende allemal das Einzahlen von 1 Milliarde € auf der Seite der WestLB wert.

(Zuruf von der CDU: Es ging darum, das in den Haushalt einzustellen!)

– Wir könnten darüber noch Stunden streiten. Ich will aber an Sie appellieren, daran zu denken, dass wir im vergangenen Jahr – wenn auch mit ein paar Kapriolen – gemeinsam eine Verantwortung übernommen haben.

(Bernhard Schemmer [CDU]: Nein! – Zuruf von der CDU: Ihre Kapriolen!)

Das ist eine enorm wichtige Angelegenheit für den Umbau der Bank, für die Ruhe, die an den Märkten notwendig ist, und als Signal an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich appelliere an Sie, dass wir diesen Weg auch in einer Konstellation beibehalten, in der es auch ohne die CDU und die FDP ginge. Meines Erachtens wäre es ein wichtiges Zeichen in diesem Bereich, dadurch zu zeigen, dass wir gemeinsam in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Wenn Sie das nicht machen, ist es Ihre Angelegenheit. Dann werden Sie es an anderer Stelle vertreten müssen.

Das gilt auch für die jetzt noch zur Debatte stehende Änderung dahin gehend, dass eine Garantie in der Abwicklungsanstalt in ein Darlehen umgewandelt werden soll. Das hat nichts damit zu tun, dass wir falsch gerechnet hätten. Es hat auch nichts damit zu tun gehabt, dass wir keinen Überblick über die Veränderungen hätten. In der Vergangenheit hat es aber einen Schuldenschnitt in Griechenland gegeben. Natürlich werden sich die Märkte ändern. Sie ändern sich sogar noch zwischen dem 21. Juni und dem 30. Juni dieses Jahres. Selbstverständlich wird das Auswirkungen auf eine Nullbewertung der Verbundbank haben. Das sind alles Dinge, über die wir in langen und auch konfrontativen Verhandlungen Regelwerke gesucht und gefunden haben.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, Ihre Redezeit …

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich komme zum Ende. – Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Lösung gefunden haben. Sie wird von allen Beteiligten – ausdrücklich erwähne ich dabei den Bund – als eine faire und ausgewogene Lösung angesehen, die die Lasten nicht gleich verteilt, die aber den ungleich verteilten Lasten auch ungleiche Ausstattungen mit Kapital zuordnet, sodass die Risiken und Chancen zusammen abgebildet sind.

Was wir jetzt brauchen, das ist die gesetzliche Grundlage dafür, dass wir den Weg weitergehen können, unter anderem auch deshalb, weil es noch keinen Haushalt 2012 gibt.

Deswegen meine Bitte: Versperren Sie nicht den Weg in die Richtung, in der wir gemeinsam gehen müssen! Das, was Sie angesprochen haben, Ihre kritischen Anmerkungen und Ihren Informationsbedarf, wird auf diesem Weg überall noch auszutauschen sein, so wie wir das in den letzten Wochen in Obleutegesprächen und anderen Formen von Informationen regelmäßig getan haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich weise darauf hin, dass die Landesregierung ihre Redezeit um zwei Minuten überschritten hat. Ich sehe aber keine weiteren Wortmeldungen der Fraktionen mehr. Wir sind damit am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/84. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dem nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU, der FDP und der Piraten angenommen.

(Zurufe: Eine Enthaltung!)

– Entschuldigung, eine Enthaltung. Das wird vermerkt.

Zweitens stimmen wir über den so geänderten Gesetzentwurf ab. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/52, den Gesetzentwurf Drucksache 16/16 anzunehmen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dem nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU, FDP und Piraten bei drei Enthaltungen angenommen worden.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/102. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit hat der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Zustimmung bekommen von der Fraktion der CDU und wurde abgelehnt von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP und einzelnen Enthaltungen der Fraktion der Piraten. Aber das Ergebnis ist eindeutig: Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich zum Tagesordnungspunkt 5 komme, möchte ich an dieser Stelle noch einen Hinweis geben: 21 Abgeordnete der Fraktion der FDP haben dem Sitzungsvorstand eine schriftliche gemeinsame Erklärung zur Abstimmung über TOP 3 „Bestellung der Ausschüsse des Landtags“, Drucksache 16/51 – Neudruck –, überreicht. Diese Erklärung wird gemäß § 46 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen in das Plenarprotokoll aufgenommen. (Siehe Anlage)

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt

5   Gesetz über die Genehmigung der Kreisumlage und anderer Umlagen (Umlagengenehmigungsgesetz – UmlGenehmG)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/46 – Neudruck

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile dem Herrn Kollegen Hübner von der SPD-Fraktion das Wort.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tagesordnung stehen das Umlagegenehmigungsgesetz, in der Nachfolge das NKF-Weiterentwicklungsgesetz und im späteren Verlauf der Tagesordnung das Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes. Diese drei Gesetze sind ja, wie es fachlich heißt, der Diskontinuität zum Opfer gefallen.

Von daher freue ich mich, dass diejenigen, die das in der vergangenen Wahlperiode sehr intensiv beraten haben, nämlich die FDP, heute zum wiederholten Male erklärt hat, dies gemeinschaftlich tragen zu wollen, was ja für die Regierungskoalition spricht, dass wir immer eine Koalition der Einladung bleiben wollen. Ich verstehe das auch so, dass wir das entsprechend annehmen und mit Ihnen kommunizieren wollen.

Bezüglich des Umlagegenehmigungsgesetzes möchte ich kurz die grundsätzliche Überlegung dafür skizzieren. Es geht darum, dass das im Begleitzug des Stärkungspaktgesetzes greift. Sie wissen, meine Damen und Herren, dass ab 2014 eine große Soziallast, nämlich die Grundsicherung im Alter, durch den Bund hoffentlich komplett übernommen wird. Das wird den kreisfreien Städten gutgeschrieben. Im kreisangehörigen Bereich haben wir allerdings das Problem, dass das Aufgabe der Kreise ist. Mit der Umlagegenehmigung wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass die kreisangehörigen Städte entsprechende Entlastungen aus der SGB-XII-Grundsicherung erhalten können.

Wir sollten uns bemühen, alle von mir genannten Gesetzentwürfe möglichst in einem sehr zügigen Verfahren zu beraten und zu beschließen, da diese final gelesen sind. Insbesondere zum NKF-Weiterentwicklungsgesetz, wozu ich gleich noch reden werde, liegt Ihnen ja eine Stellungnahme von allen kommunalen Spitzenverbänden vor, dass das begrüßt und ausdrücklich gewünscht wird.

Gleiches gilt für das Umlagegenehmigungsgesetz. Ich will aber dazu gleich anmerken, dass es hier gewisse Dissonanzen zwischen dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindebund gibt. In der Vorberatung und der letzten Beratung sind wir aber übereingekommen, dass wir dem Städte- und Gemeindebund ein bisschen entgegenkommen wollen. Vielleicht sollten wir das in der weiteren Beratung beim Umlagegenehmigungsgesetz machen.

Insofern möchte ich meine Ausführungen heute nicht zu lange machen. Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche uns bei diesem Gesetzentwurf eine zügige Beratung. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hübner hat schon auf den Verfahrensstand hingewiesen. Ich finde, es sollte auch für diese Legislaturperiode, genauso wie es in der letzten der Fall gewesen ist, durchaus maßstäblich sein, dass wir aufeinander zugehen, wo es Gemeinsamkeiten gibt, und diese auch gemeinsam ins Parlament einbringen und diskutieren.

Man hätte es auch anders machen können. Wir hätten den Gesetzentwurf verändern können. Aber wir haben ausdrücklich bei allen drei Punkten den Sachstand, jetzt auch gemeinsam mit der FDP, so eingebracht, wie er im März 2012 vorgelegen hat.

Kurz etwas ergänzend zu dem, was Kollege Hübner gesagt hat. Insgesamt, also neben der Entlastungwirkung, die es durch die Grundsicherungsentlastung gibt, kommt den Umlageverbänden, was die Haushaltskonsolidierung anbetrifft, eine besondere Verantwortung zu. Wir werden hier sicherlich nicht das letzte Mal über diese Thematik und diesen Widerstreit, den es geben wird, diskutieren. Dazu gibt es kommunale Selbstverwaltung, dazu gibt es den Widerstreit, der vor Ort auszutragen ist.

Aber ich glaube schon, dass jetzt mit dem Umlagegenehmigungsgesetz in mehrerlei Hinsicht ein Kompromiss gefunden wird, der sicherstellt, dass diejenigen, die besondere Beiträge zur Haushaltskonsolidierung leisten müssen, jetzt bessere Spielregeln haben und auch einen höheren Grad an Rücksichtnahme erfahren, insbesondere in den Bereichen, wo es dem Kreis oder einzelnen Städten im Kreis besser geht als einzelnen Gemeinden in Kreisen. Das Gleiche gilt genauso in Landschaftsverbänden oder in anderen Zusammenhängen.

Insofern bin ich froh, dass wir hier einen Schritt weitergekommen sind. Es ist natürlich ein Kompromiss auf der Strecke, und man wird möglicherweise irgendwann wieder darüber reden müssen. Aber die Spielregeln sind verbessert worden. Das passt in das Gesamtkonstrukt, das wir uns vorgenommen haben, a) von Landesseite her den Kommunen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, b) gleichzeitig den Kurs der Haushaltskonsolidierung vor Ort sehr klar einzufordern, jedoch c) mit fairen Regeln. Da haben wir bei § 76 angefangen und verschiedene Punkte angesprochen und wollen es hier fortsetzen.

Ich freue mich auf konstruktive und faire Beratungen in den Ausschüssen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der FDP spricht Herr Kollege Abruszat.

Kai Abruszat (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein gutes Zeichen, dass sich der Landtag zu Beginn dieser Legislaturperiode heute bei seiner parlamentarischen Gesetzesarbeit schwerpunktmäßig mit kommunalen Fragen befasst. Das zeigt, dass die Situation der Kommunen und der Kommunalfinanzen in Nordrhein-Westfalen insgesamt auch weiter eine zentrale Aufgabe dieses Hauses ist.

Hinter diesem vorliegenden Gesetzentwurf mit dem etwas sperrigen Titel „Umlagegenehmigungsgesetz“ steckt der gleichlautende Entwurf aus der letzten Legislaturperiode. Die Kollegen Hübner und Mostofizadeh haben es gesagt.

Es ist konsequent, das parlamentarische Verfahren so wieder neu zu beginnen. Gerade weil wir Ende der letzten Legislaturperiode – ich darf an dieser Stelle insbesondere an unseren ehemaligen gemeinsamen Kollegen Horst Engel erinnern – der Auffassung waren, dass dieses Gesetz richtig ist, ist es auch ungeachtet geänderter Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause richtig, es wieder einzubringen.

Meine Damen und Herren, was wollen wir mit dem Gesetz erreichen? – Wir wollen durch den jetzt eingebrachten Entwurf die vertikalen Finanzbeziehungen auf der kommunalen Ebene flexibler gestalten. Das ist auch als Ergänzung zu dem gemeinsamen Stärkungspaktgesetz notwendig. Denn wir müssen sicherstellen, dass das, was im Bund an Entlastungen verabredet und verabschiedet wird, auch unten auf der lokalen Ebene ankommt. Das muss vor Ort spürbar sein. Es kann nicht sein, dass solche wichtigen Entlastungseffekte in den Haushalten der umlagefinanzierten Verbände verbleiben. Um es auf den Punkt zu bringen: Entlastungen bei den Sozialausgaben bringen keinem städtischen Haushalt etwas, wenn die Kreise oder umlagefinanzierte Verbände das Geld nicht durchreichen.

(Beifall von der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Forderung ist nichts anderes als eine gelebte gegenseitige Rücksichtnahme bei der Verteilung von Kosten und Lasten in der kommunalen Familie. Genau deshalb sieht dieser Gesetzentwurf – übrigens auf unsere Initiative hin – vor, dass die kreisangehörigen Gemeinden in den Prozess der Umlagege­nehmigung dann auch stärker eingebunden werden.

Ich darf daran erinnern, dass wir mit dieser Regelung den Kommunen vor Ort ein Recht zur Stellungnahme bei der Aufsichtsbehörde geben, bevor eine Umlageerhöhung genehmigt wird. Dieses wird – dessen bin ich sicher – helfen, den schwieriger gewordenen Dialog zwischen den Kommunen im kreisangehörigen Raum und den Kreisen zu verbessern. Schwieriger geworden ist er deshalb, weil die finanzielle Situation vor Ort so ist, wie sie ist.

Meine Damen und Herren, dass eine Pflicht zur Aufstellung von Haushaltssicherungskonzepten für Umlageverbände eingeführt wird, dass eine Gesetzeslücke geschlossen wird, die es den Umlageverbänden bislang verwehrte, verlorenes Eigenkapital wiederherzustellen, ergibt sich aus dem Text des Entwurfs. Ich glaube, auch das ist deutlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele von uns haben kommunale Erfahrungen, bevor sie in den Landtag gekommen sind, oder haben auch noch kommunale Mandate. Man weiß: Nichts ist in der kommunalen Finanzbeziehung so streitig wie eine Debatte um Kreisumlagen oder Landschaftsverbandsumlagen. Oftmals erschöpft sich vor Ort in den Debatten um die Haushalte jegliche Argumentation lediglich in der Fragestellung, um wie viele Prozentpunkte eine Umlage – meistens – steigen soll. Das ist für alle in der kommunalen Familie sehr ermüdend, denn hier werden Rituale gepflegt – das ist uns hier im Landtag ja völlig fremd, meine Damen und Herren –, und dadurch geraten andere Themenbereiche völlig aus dem Blickfeld.

Deswegen soll dieser Gesetzentwurf sicherstellen, dass eine Umlagebemessung in Zukunft noch besser rechtskonform ist, dass eine Umlagebemessung unter dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme erfolgt und dass eine Umlagebemessung auch vorhandene Konsolidierungspotenziale bei den Umlageverbänden stärker in den Blick nimmt. Das ist die Stoßrichtung dieses Gesetzes.

Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf damals mit erarbeitet und mit eingebracht. Deshalb werben wir um Zustimmung. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Biesenbach.

Peter Biesenbach (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe zum ersten Mal, dass der Innenminister die Stirn kraust. Herr Jäger, es stimmt, am heutigen Tag gab es für Sie nur Anlass, sich zu freuen. Sie wissen aber, dass wir bei dem Gesetzentwurf, über den wir jetzt reden, keinen Anlass sehen, sich wirklich zu freuen.

Ich musste gestern lachen, als der Kollege Rasche sagte – er ist gerade nicht da –, man solle schnell die kommunalen Gesetzentwürfe mit FDP-Einfluss behandeln. Ich glaube, der FDP-Einfluss war hier entweder nicht allzu groß oder nicht besonders glücklich. Wir nehmen nämlich etwas auf – das haben wir gerade schon gehört –, was wir in der letzten Legislaturperiode schon einmal hier besprochen haben. Dazu hat es seinerzeit auch keinen Beifall von uns gegeben.

Sie machen konsequent ein Umlagegesetz nach dem Motto: Wir wollen den Bezirksregierungen die Möglichkeit geben, ein wenig einzugreifen, und zwar als vernünftige Ergänzung zum Stärkungspakt. Die Lösung wäre vernünftig, wäre der Stärkungspakt vernünftig. Sie wissen doch, Herr Hübner, was Ihnen Ihre eigenen Bürgermeister dazu gesagt haben. Sie haben etwas angeboten und lassen sich groß feiern für etwas, was im Grunde niemand haben will.

(Zurufe von Hans-Willi Körfges [SPD] und Michael Hübner [SPD])

Aber Sie treiben damit einen Keil in die kommunale Familie.

(Beifall von der CDU)

Das haben wir ausführlich besprochen, und darüber werden wir weiter ausführlich reden. Sie haben denselben Keil mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz hineingetrieben. Sie bringen auch hier nicht einmal Hoffnung. Es gibt keine Hoffnung. Sie erwecken in Kommunen, die selbst in Notlagen sind, den Eindruck, als ob sie aufgrund des Umlagegenehmigungsgesetzes über die Bezirksregierungen Einfluss nehmen könnten auf die Kreisumlage. Sie könnten ja Einfluss nehmen – nur, welche Bezirksregierung wird irgendeine Umlageänderung vornehmen? Ich prognostiziere das deshalb mit einer relativen Sicherheit, weil das auch in den letzten Jahren nicht geschehen ist, obwohl auch in dieser Zeit die Bezirksregierungen die Chance gehabt hätten, einzugreifen.

Sie suggerieren bei kreisangehörigen Kommunen die Hoffnung, als ob es noch Einsparpotential bei den Kreisen gäbe. Sehen Sie die wirklich? Aus meinem eigenen Kreis kann ich sagen, dass wir dort bei 0,8 % liegen. Bei dieser Situation kommt nicht einmal mehr ein Bürgermeister auf die Idee zu sagen: Das könnten wir einsparen. – Das akzeptiert der.

Betrachten wir einmal insbesondere die Kreise, die viele Stärkungspaktgemeinden haben. Glauben Sie, dass diese Kreise nicht kommunalfreundlich sind und sagen, sie gäben noch mehr Geld aus, während die anderen bluten?

Sie haben in diesem Gesetzentwurf noch einen konstruktiven Fehler, der in dem Vorschlag gar nicht angesprochen ist, und der betrifft die Sonderumlage. Sie sagen: Dann, wenn sich das Vermögen des Kreises aufzehrt, soll er die Chance erhalten, sich bei den Kommunen mit einer Sonderumlage wieder Eigenmittel zu holen. Das muss man sich vor allem in den Kreisen einmal vorstellen – ich nehme als Beispiel die Kreise Unna und Recklinghausen –, die besonders arme Kommunen haben. Dort gibt es auch besonders viele Stärkungspaktkommunen. Denen zwingen Sie ein Sparpaket auf, von dem die Gemeinden sagen, dass sie das gar nicht schultern können. Zusätzlich wollen Sie aber die Kreise in die Lage versetzen, eine Sonderumlage zu erheben, um von den Stärkungspaktgemeinden wieder etwas abzuholen. Das ist das besonders Schöne: Die sollen sparen, wozu sie sagen müssen, dass sie das gar nicht können, erhalten ein wenig Landesmittel – ein paar Almosen –, und die holt sich der Kreis mit der Sonderumlage wieder. Und das feiern Sie hier als kommunalfreundlich oder als Rettungspaket?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, über die Kommunalfinanzen werden wir hier in den nächsten Monaten und Jahren sicher ausführlich debattieren. Lassen Sie uns das Gesetz ganz niedrig hängen. Es passt in Ihre Konstruktion. Nur das, was Sie anbieten, passt nicht. Es hilft weder den Kommunen noch dem Land. Es spaltet nur die kommunale Familie. Erwarten Sie bitte nicht, dass wir dem zustimmen. Das werden wir mit Sicherheit nicht tun.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, ich darf eben Folgendes sagen: Es geht nicht um mich. Der jeweilige Präsident ist amtierender Präsident, egal ob er Vizepräsident ist oder Präsident. Ich möchte darauf in aller Freundlichkeit hinweisen. Es geht nicht um mich, sondern auch um die anderen Vizepräsidenten, die demnächst einmal die Sitzungsleitung übernehmen.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Entschuldigen Sie: Sehr geehrter Herr Präsident!

Die Kreisordnung, die Landschaftsverbandsordnung und das Gesetz über den Regionalverband Ruhr sollen geändert werden. Die beantragten Änderungen beziehen sich im Wesentlichen auf die folgenden Punkte:

Erstens. Die Genehmigung der Aufsichtsbehörde ist nun nicht mehr nur bei Erhöhungen, sondern bei jeder Festsetzung der Umlagen erforderlich.

Zweitens. Die Umlageverbände haben Haushaltssicherungskonzepte aufzustellen. Allerdings bestand diese Pflicht in der Sache bereits.

Drittens. Die Umlageverbände können eine Sonderumlage erheben, sofern im Jahresabschluss eine Inanspruchnahme des Eigenkapitals erfolgt ist. Die Sonderumlage ist zu erheben, sofern eine Überschuldung eingetreten ist, also nach der Bilanz das Eigenkapital angeknabbert wurde. Die Erhebung der Sonderumlage bedarf ebenfalls der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.

Und – last but not least – viertens: Die Jugendamtsumlage wird in eine eigenständige Umlage umgewandelt.

Der Hintergrund ist, dass die Umlageverbände aufgrund des Rücksichtnahmegebots – je nachdem – die Kreisumlage, die Landschaftsverbandsumlage oder die Umlage des Regionalverbandes Ruhr zu niedrig angesetzt haben und daher ein Eigenkapitalverzehr eingetreten ist.

Auf den ersten Blick scheint das alles sehr vernünftig. Die Umlageverbände nehmen Rücksicht auf ihre Mitglieder. Nicht geplante Defizite sollen durch eine Sonderumlage behoben werden dürfen. Und die Aufsichtsbehörden sind qua Genehmigungsverfahren, an der Umlagefestsetzung beteiligt. Also alles in Ordnung?

Die Frage stellt sich aber, ob durch ein solches Gesetz die strukturellen finanziellen Probleme der Umlageverbände tatsächlich gelöst oder vielmehr nur Symptome behandelt werden. Man könnte auf der anderen Seite lax einmal sagen: Unter Aufsicht darf der eine nackte Mann dem anderen nackten Mann in die Tasche greifen.

Ich möchte, verehrter Herr Präsident, aus dem Gutachten von Junkernheinrich und Micosatt zum alten Gesetzentwurf Drucksache 15/3535, der Stellungnahme vom 20.01. dieses Jahres, zitieren:

„Bei Anwendung des Rücksichtnahmegebotes … wird das fiskalische Problem nur zeitlich verschoben, indem es breiter verteilt wird: Die Defizite der Gemeinden steigen nicht so schnell und folglich verlangsamt sich für sie die Aufzehrung des Eigenkapitals. Die mögliche Überschuldung tritt für sie später ein.“

Weiter heißt es:

„Ohne Lösung des grundsätzlichen Finanzierungsproblems schlägt die nachträgliche Erhebung einer Ausgleichsumlage bzw. die Verpflichtung zur Erhebung einer Sanierungsumlage“

– im neuen Entwurf „Sonderumlage“ genannt –

„der strukturelle Finanzbedarf des Umlageverbandes umso härter auf die Mitgliedsgemeinden durch.“

Das grundsätzliche Problem wird auch vom Städtetag und vom Städte- und Gemeindebund NRW in ihrer Stellungnahme vom 17.01. gesehen. Und der Landkreistag hebt natürlicherweise die mangelnde finanzielle Ausstattung der Kreise hervor.

Generell ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Umlagesätze aller Verbände politisch immer heftiger diskutiert werden und die Atmosphäre zwischen den Gebietskörperschaften dadurch extrem belastet ist, in Einzelfällen sogar bis hin zu Vergiftungen.

Ich will Ihnen ein konkretes Beispiel aus meiner Zeit als wissenschaftlicher Referent beim Landschaftsverband Rheinland geben: Ein Lehrer an einem Gymnasium will für seinen Schulunterricht eine Dienstleistung seines Kreises abrufen und fällt aus allen Wolken, als er von der zuständigen Behörde des Kreises erfahren muss, dass die Gemeinde seines Schulstandortes sich zusammen mit drei weiteren Gemeinden aus der Finanzierung der gemeinsamen Dienstleistung des Kreises ausgeklinkt hat und ihm daher die Inanspruchnahme dieses Dienstes nicht gewährt werden kann.

Meine Damen und Herren, so etwas nennt man für gewöhnlich Verfall. Ein Mineraloge würde etwas schicker sagen: Erosion. Die Leidtragenden in dem Fall sind die Schülerinnen und Schüler, und wir befinden uns mitten in der Bildungspolitik. Das kann natürlich niemandem gefallen. Das alles als Konsequenz einer – hm – Kreislaufwirtschaft, in dem Fall einer Schuldenkreislaufwirtschaft.

Da generell viel von Schulden die Rede ist: Wie sieht es mit Informationsschulden aus? Bürgerinnen und Bürger, im konkreten Fall der Lehrer, haben überhaupt keine Möglichkeit, sich dazu zu verhalten. Im alten Griechenland wurden diejenigen, die sich nicht politisch engagiert haben, Idioten genannt. Mit den Idioten ist das aber so eine Sache. Dazu braucht es immer zwei: einen, der einen dazu macht, und der andere, der sich dazu machen lässt.

Schärfung der Transparenz im kommunalen Bereich heißt, dass Land und Kommunen einer Informationspflicht, einer Bringschuld, nachkommen. Das wäre in dem Fall angezeigt. Das beträfe auch die wichtigen Umlagen. Die Umlagen gehören zusammen mit den gegenstehenden Dienstleistungen laut und vernehmlich an die Rathaustüren genagelt, damit die Bürgerinnen und Bürger sich dazu verhalten können.

Zum Schluss ein versöhnliches Wort aus meiner Zeit beim Landschaftsverband. In dieser Zeit hat der zurückgetretene Minister Harry Voigtsberger in seiner Rolle als LVR-Direktor veranlasst, dass auf allen Dienstleistungen, in denen „Landschaftsverband“ drinsteckt, auch laut und deutlich „Landschaftsverband“ draufsteht.

Meine Damen und Herren, das ist ein Schritt in die richtige Richtung, denen informationspolitisch weitere folgen müssen. – Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN und Ilka von Boe­selager [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt diesen Gesetzentwurf der Fraktionen dieses Landtags ausdrücklich. Denn dieser Gesetzentwurf gibt den Diskussionsstand wieder, den wir gemeinsam erarbeitet haben, auch durch die Hilfestellung der Landesregierung in der letzten Legislaturperiode unter Anhörung der kommunalen Spitzenverbände, unter Anregung vieler einzelner Kommunen.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, diesen Gesetzentwurf, so wie er diskutiert, angehört und kommentiert wurde, von den betroffenen Kommunen, von den betroffenen Umlageverbänden jetzt wieder auf den Weg zu bringen zu einer parlamentarischen Beratung.

Wir würden, wenn wir diesen Gesetzentwurf so beschließen, einen Rechtszustand aus dem Jahre 1994 wiederherstellen. Bis 1994 mussten Umlagen der Umlageverbände in der Tat ebenfalls durch die seinerzeitige Kommunalaufsicht genehmigt werden. Dass dieses Rechtsinstrument wieder eingeführt wird, ist Not – Not vor allem aufgrund knapper werdender Finanzmittel in der kommunalen Familie und der Frage von Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der kommunalen Familie. Deshalb ist es gut, dass zukünftig die Kommunalaufsichten genauer hinsehen werden, ob diese Art der Gerechtigkeit auch tatsächlich eingehalten wird.

Es gibt übrigens noch einen weiteren konkreten Anlass. Das ist die Tatsache, dass der Bund ab dem Jahr 2014 die Kosten der Grundsicherung anstelle der Kommunen übernehmen wird. Wir wollen als Landesregierung, so habe ich auch die Diskussion im Ausschuss verstanden, dafür sorgen, dass diese Entlastungen durch den Bund tatsächlich auch den kreisangehörigen Gemeinden zugutekommen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Kai Abruszat [FDP])

Deshalb, meine Damen und Herren, muss auf Dauer gewährleistet bleiben, dass bei Umlageverbänden in Bezug auf ihre Umlagehöhe diejenigen, die diese Umlage zu zahlen haben, dieselben Konsolidierungsanstrengungen unternehmen müssen wie diejenigen, die die Umlage festlegen.

(Beifall von der SPD und Josef Hovenjürgen [CDU])

Der wesentliche Inhalt dieses Gesetzentwurfes ist es, dass insbesondere diejenigen, die die Umlage aufzubringen haben, zukünftig um Stellungnahme gebeten werden. Die Stellungnahme ändert noch nichts an der Höhe einer zurzeit notwendigen Umlage. Sie ist aber ein Instrument, das insbesondere mit den zuvor beginnenden Konsultationen zwischen den Landräten auf der einen und den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern auf der anderen Seite einen Baustein darstellt, um eine gerechte Verteilung knapper Finanzmittel innerhalb der kommunalen Familie besser zu gewährleisten.

Dieses neue Gesetz, wenn es denn Rechtskraft erlangt, wird den Kommunalaufsichten eine andere Bedeutung, eine andere Stellung zuweisen, die übrigens nicht einfacher wird. Denn natürlich muss die Kommunalaufsicht erwägen und abwägen, ob beim Zustandekommen der Umlagehöhe das Rücksichtnahmegebot des Kreises gewahrt wurde.

Um auch dies deutlich zu sagen: Ein solches Rücksichtnahmegebot kann keine Einbahnstraße sein. Diese Rücksichtnahme muss der Kreis gegenüber den Gemeinden gewähren, aber andererseits kann die Erwartungshaltung der Gemeinden nicht sein, dass eine Rücksichtnahme gegenüber dem Kreis und seiner zu erhebenden Umlage zukünftig keine Rolle spielen soll. Im Gegenteil muss die Rücksichtnahme gegenüber den Kommunen da Grenzen finden, wo die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Umlageverbänden, beispielsweise in Kreisen, erschöpft ist.

Ich meine, wir haben in der letzten Legislaturperiode hierzu eine gute Diskussion über Fraktionen hinweg geführt. Wir haben gute Diskussionen und Anregungen dazu im Ausschuss erörtert und Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände erhalten. Wir sind meiner Meinung nach gut beraten, mit diesem Rüstzeug zu einer zügigen Entscheidung zu kommen. Die kommunale Familie wartet darauf. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/46 – Neudruck – an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung erfolgt bei einer Gegenstimme.

(Zuruf: Zwei!)

– Bei zwei Gegenstimmen! Vielen Dank.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

6   Erstes Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden und Gemeindeverbände im Land Nordrhein-Westfalen (1. NKF-Weiterentwick­lungsgesetz – NKFWG)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/47 – Neudruck

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Kollegen Hübner das Wort.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar Ausführungen zum Verfahren machen. – Aus einer Initiative, die die FDP in der letzten Wahlperiode eingebracht hat, ist der gemeinschaftliche Gesetzentwurf von FDP, SPD und Grünen zum Neuen Kommunalen Finanzmanagement geworden, der sehr intensiv mit allen kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt worden ist, weil Insuffizienzen bei der NKF-Einführung aufgetreten sind, die damals nicht absehbar sein konnten.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Das galt im Übrigen auch, um das Thema von gerade noch einmal aufzugreifen, bei dem Verhältnis von Städten und Gemeinden zu Kreisen. Beispielsweise sind dort Abschreibungsregelungen herbeigeführt worden, die zu echten Liquiditätsbedarfen seitens der Städte geführt haben.

Der Gesetzentwurf ist also mit allen kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt worden. Jeder konnte sich dazu äußern, und wir haben es aufgegriffen. Wir hätten das Gesetz im Normalfall am 14. März auf den Weg gebracht. Die kommunale Familie wartet. Deshalb noch einmal der dringende Appell, den Entwurf schnell zu verabschieden. Denn es ist wesentlich für alle kommunalen Haushalte, die noch nicht verabschiedet sind oder in den Folgejahren verabschiedet werden, dass es zu einer deutlichen Verbesserung im Umgang mit dem neuen Kommunalen Finanzmanagement kommt.

In Richtung Piraten möchte ich sagen: Es geht natürlich auch um gesteigerte Transparenz gegenüber dem Bürger, gegenüber den Räten. Der Entwurf enthält zum Beispiel den Passus, dass der Beteiligungsbericht bei Verabschiedung des Haushalts beizufügen ist. Ansonsten gibt es nur eine Verpflichtung seitens der Städte und Gemeinden, den Beteiligungsbericht grundsätzlich vorzulegen. Jetzt schreiben wir fest, dass der Beteiligungsbericht während der Beratung der Haushaltssatzung vorzulegen ist.

Das sorgt für mehr Transparenz gegenüber dem Rat und dient auch dem von Dr. Paul vorhin vorgetragenen Ansinnen, dass irgendwo am Ortseingang ein Schild stehen muss, auf dem die Beteiligungen der Stadt angegeben sind. Dem tragen wir Rechnung. Von daher ist es ein guter und richtiger Gesetzentwurf, und ich bitte, der Überweisung zuzustimmen. – Danke schön.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Hübner. – Für die grüne Fraktion hat Herr Kollege Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hübner hat es schon angedeutet: Auch dieser Gesetzentwurf wird von den Fraktionen unverändert so eingebracht, wie er zur zweiten abschließenden Lesung im März vorgelegen hat. Auch hier sind die antragstellenden Fraktionen wieder SPD, Grüne und FDP. Die Einzelpunkte sind eben angesprochen worden.

Ein Punkt, der sich verändert hat, ist der der Dynamisierung der Ausgleichsrücklage. Es ist jetzt eine größere Dynamisierung möglich. Der Städtetag hatte insofern kritische Anmerkungen. Wir haben Gelegenheit, diesen Punkt in den Ausschussberatungen noch einmal zu erörtern.

Wichtig ist mir in dem Zusammenhang, dass mit der ausführlich durchgeführten NKF-Evaluierung ein Konstrukt auf dem Tisch liegt, in dem umfassend alle Einzelpunkte aufgegriffen sind, in dem dazu Vorschläge enthalten sind und der Versuch, diese umzusetzen. Das ist wichtig – der Innenminister kann vielleicht noch etwas zum Zeitplan sagen –, weil Jahresabschlüsse, Konzernabschlüsse und Ähnliches schnell erstellt werden müssen, da wir gerade betreffend den Stärkungspakt Rechtssicherheit mit Blick auf die Zahlen haben wollen.

Insofern haben wir als Land ein originäres Interesse daran, dass dieses Gesetzgebungsverfahren zügig abläuft, haben den Entwurf in der erstmöglichen Sitzung eingebracht und wollen das Gesetzgebungsverfahren nach den Ferien zügig abschließen.

Ich freue mich ausdrücklich auf die Beratungen und bitte die kommunalen Spitzenverbände, möglichst früh mit den Stellungnahmen zu kommen – der Sachverhalt ist bekannt –, damit wir die Punkte, wenn es geboten ist, noch einarbeiten können.

Ansonsten möchte ich dem Innenminister sagen: Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die fünf Jahre!

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Mostofizadeh. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Abruszat das Wort.

Kai Abruszat (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Oktober letzten Jahres hat die FDP-Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht, denn – Herr Kollege Hübner hat es angedeutet – das NKF, das Neue Kommunale Finanzmanagement, muss fortentwickelt werden. Es hat dann Gespräche mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegeben, und es ist gut, dass wir diesen Gesetzentwurf zu Beginn dieser Wahlperiode erneut einbringen.

Ich persönlich kann mich noch sehr gut daran erinnern, welch enorme Kraft die Kommunen aufgewandt haben, nicht nur ihre Haushaltswirtschaft von der Kameralistik auf die Doppik umzustellen, sondern gleich einen kompletten Paradigmenwechsel zu vollziehen: nicht mehr nur nach dem Konzept des Geldverbrauchens zu wirken, sondern auch den Ressourcenverbrauch in den Blick zu nehmen und dadurch auch einen ehrlichen Überblick über die tatsächlichen Vermögens- und Schuldenstände vor Ort zu bekommen. Das sollte man an dieser Stelle, wenn wir über die Fortentwicklung des Gesetzes sprechen, noch einmal betrachten.

Und – dieser Einwurf sei auch erlaubt – wenn man sich vorstellt, wir als Land Nordrhein-Westfalen würden jetzt auf die Doppik umstellen,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

mag man erst recht ermessen, dass die Einführung des NKF schon epochale Züge gehabt hat. Insofern gibt es immer noch viele Kommunalpolitiker, die sich nach der Kameralistik zurücksehnen und NKF eher übersetzen mit: „Nichts kannst du finden“ – NKF – im neuen Haushalt. – Es ist also für viele immer noch ein Umstellungsproblem.

Meine Damen und Herren, ich darf aber daran erinnern, dass für alle Beteiligten klar war: Man muss dieses Gesetz nach einem bestimmten Zeitraum fortentwickeln. Das haben wir als FDP – übrigens noch gemeinsam mit der Union – in der Wahlperiode 2005 bis 2010 gegen Ende der Legislaturperiode dem Landtag mit einem entsprechenden Bericht dargelegt. Es ist deshalb gut und richtig, heute gemeinsam über dieses Thema zu sprechen.

Es hat eine umfassende Expertenanhörung gegeben – Kollege Mostofizadeh hat es ausgeführt –, und wir haben uns gefreut, dass unser Gesetzentwurf positiv bewertet worden ist.

Herausgreifen möchte ich die Diskussion um die Dynamisierung der sogenannten Ausgleichsrücklage – darüber ist heute schon gesprochen worden –, aber es gibt auch zahlreiche kleinere Änderungen. Ich denke an diverse Berichtspflichten, an Inventurlisten und viele Dinge, die die Bürgermeister und Kämmerer vor Ort in ihrer täglichen Verwaltungsarbeit sehr in Anspruch nehmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir das NKF fortentwickeln.

Meine Damen und Herren, man sollte diesen Gesetzentwurf auch noch einmal einordnen. Es mag bei vielen in der breiten Öffentlichkeit und auch hier im Hause die Vorstellung bestehen, hier gehe es um reine Gesetzestechnik, um reine Gesetzessystematik und nur um marginale Änderungen. Solche Debatten vermögen nicht für jeden immer die große Spannung zu erzeugen. Ich sage aber: Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein.

Viele vor Ort warten darauf, dass wir jetzt zu Potte kommen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir zu Potte kommen. Deswegen ist es gut, dass der Gesetzentwurf heute eingebracht wurde. Ich freue mich auf die Debatten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, der SPD und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Abruszat. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Sieveke.

Daniel Sieveke (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt sind wir bei einem Tagesordnungspunkt, bei dem viel ruhiger miteinander gesprochen wird als bei anderen Tagesordnungspunkten zuvor.

Es ist erst einmal schön, dass dieser Gesetzentwurf so früh eingebracht worden ist – das gehört auch dazu. Wir waren schon sehr weit in der vergangenen Periode, als über dieses wichtige Thema für die Kommunen gesprochen wurde. Erlauben Sie mir die Bemerkung: Wir wären noch schneller dabei, wenn Sie seinerzeit, zu Beginn der letzten Legislaturperiode, dem Antrag der CDU – damals auch gemeinsam mit der FDP –, den Evaluierungsbericht schneller in das Verfahren hineinzugeben, gefolgt wären.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Nichtsdestotrotz: Halten wir uns nicht daran auf, sondern halten wir fest: Die NKF-Fortentwicklung – Kollege Abruszat hat es gerade erwähnt – ist wichtig für die Kommunen. Sie warten darauf. Selbst die kleinen Änderungsmodalitäten sind dabei zu betrachten. Es hat eine Expertenanhörung stattgefunden. Sie wissen auch, dass es im Beratungsverfahren noch Änderungswünsche der CDU-Fraktion gegeben hat. Ich weise darauf hin, dass auch weiterhin Gesprächsbedarf bei der CDU-Fraktion zu diesem Thema besteht.

Jetzt ist eine neue Legislaturperiode angebrochen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass die neuen Mitglieder der CDU-Fraktion des kommunalpolitischen Ausschusses – zum Teil haben sie sich schon in die Thematik eingearbeitet – ihre Impulse mit einbringen möchten. Ich bitte Sie, Gesprächsbereitschaft zu zeigen, auch wenn wir in der letzten Legislaturperiode schon sehr viel gesprochen haben, denn es gibt sicherlich noch den einen oder anderen Punkt, über den wir sprechen möchten und zu dem wir Änderungswünsche haben. Aber das soll sich im weiteren Verfahren zeigen.

Der Überweisung stimmen wir selbstverständlich zu und freuen uns auf eine fruchtbare Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Sieveke. – Für die Piratenfraktion spricht der Kollege Stein.

Robert Stein*) (PIRATEN): Werter Präsident! Liebe Abgeordnete! Wir begrüßen das Neue Kommunale Finanzmanagement. Es schafft Transparenz für die kommunale Finanzlage, für die kommunale Wirtschaftlichkeit.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass uns von IT.NRW im November 2011 mitgeteilt worden ist, die Piratenpartei sei überhaupt die erste Partei, die diese Daten gesammelt angefordert habe.

Leider sollten die Daten damals 2.500 € kosten. Das haben wir kritisch gesehen. 2.500 € verhindern Transparenz. Mittlerweile wurde uns zugesichert, dass die Daten nach der Sommerpause kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

(Michael Hübner [SPD]: Welche Daten denn?)

– Ja, die vom Neuen Kommunalen Finanzmanagement, die Haushalte, die Jahresabschlüsse der Kommunen. Die Jahresabschlüsse der Kommunen hätten zum Stichtag 31.12.2011 für die Jahre 2009 und 2010 vorliegen müssen. Ja, das wurde uns so mitgeteilt.

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

– Genau, richtig.

Am 23.12. waren bei Ihnen bzw. bei Ihren Mitarbeitern im Ministerium, Herr Kai Schmalenbach und Herr Carsten Trojahn von unserem Landesvorstand und der Sprecher des Arbeitskreises Kommunalfinanzen, Matthias Bock, zugegen und haben gefragt, wie Sie denn versuchten, die restlichen Daten beizutreiben. Ihre Antwort lautete, Sie würden noch einmal telefonisch nachhaken. Ich kenne die aktuelle Lage nicht. Ich hoffe, die Daten …

(Zurufe von der SPD – Heiterkeit)

– Ja, klären Sie das mal eben! –

… liegen mittlerweile vor. Es ist eines unserer wichtigen Anliegen, die Transparenz weiter zu fördern und die Möglichkeit der Bewertbarkeit der Kommunen weiter zu fördern.

Meiner Meinung nach steckt aber auch eine gewisse Gefahr darin – darauf müssen wir achten –, wenn wir die Bewertung der Kommunen ermöglichen und sie vergleichbar machen, denn dann werden die auch in irgendeiner Form geratet werden. Wir müssen verdammt aufpassen. Weil die Haushaltslage der Kommunen momentan bekannterweise desaströs ist, müssen wir entsprechend dafür sorgen, dass kein schlechtes Rating stattfindet, dass es den Kommunen nicht erschwert wird, Kredite zu bekommen oder dass sie möglicherweise gar keine Kredite mehr erhalten.

Das Beispiel Oberhausen sei hier mahnend erwähnt. Die WL Bank vergibt schon keine Kredite mehr an die Stadt Oberhausen.

Deswegen fordere ich, aufbauend auf dem, was wir hier besprechen, zügig Maßnahmen, die wir auch im Wahlprogramm der Piraten vertreten: Wir fordern – ich habe mit Herrn Herter gesprochen und weiß, dass Sie da ähnliche Programmpunkte haben –, dass der Bund nach dem Verursacherprinzip die Kosten, die er uns – insbesondere in Form der Soziallasten – auferlegt, auch zu bezahlen hat. Wer bestellt, der zahlt.

Dafür sollten wir uns meiner Meinung nach hier schleunigst einsetzen. Da können wir nicht noch zwei Jahre warten, bis die Grundsicherung der Altersvorsorge übernommen wird. Die Kommunen müssen nachhaltig handlungsfähig werden. Dafür brauchen wir jede Initiative, die gerne auch vom Land ausgeht. Wir unterstützen dies, ob das im Bundesrat oder anderweitig geschieht. Wir sind gerne dabei – im Sinne der Bürgerinnen und Bürger der Kommunen und auch der vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Stein. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, Herr Stein, Sie haben mich gerade ein wenig überrascht. Ich bitte um Nachsicht, dass ich nicht über jeden Vorgang in meinem Haus mit 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer im Detail informiert bin. Ich habe mir aber gerade den Vorgang schildern lassen:

Sie sind als Piratenpartei – sprich: als Partei vor ihrem Einzug in das Parlament – auf das Ministerium für Inneres und Kommunales zugegangen und haben um den Zugang zu Daten gebeten. Ein solcher Zugang ist einer Partei wie jedem Bürger auch grundsätzlich zu ermöglichen, allerdings natürlich nur gegen entsprechende Kostenrechnung für den Aufwand, der IT.NRW dabei entsteht.

Sie als Fraktion dagegen, als Mitglied dieses Parlamentes sind in einer völlig anderen Rechtsstellung. Da sind zukünftig andere Zugänge möglich, als sie der Partei zu gewähren waren.

Im Übrigen bitte ich auch um Verständnis dafür, dass die Abschlüsse 2009 und 2010 aus den Kommunen noch nicht vollständig vorliegen, weil das in der Regel nichts mit bösem Willen oder mit mangelnder Bereitschaft zu tun hat, vorhandene Haushaltsdaten transparent vorzulegen, sondern es sehr viel damit zu tun hat, dass gerade in den kleineren von den 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Umstellungsarbeiten immens und kostenträchtig waren und jetzt Zug um Zug abgearbeitet werden. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass die Umstellung auf NKF und die damit verbundenen höheren Datendichten im Laufe des Jahres auch aus den Kommunen zugänglich sein werden, die bisher die Jahresabschlüsse 2009 und 2010 schlichtweg aus technischen Gründen nicht haben leisten können.

Ich will auch nur darauf verweisen, dass dieser Gesetzentwurf in der letzten Legislaturperiode nun wirklich breit diskutiert worden ist, er über die Fraktionsgrenzen hinweg – mit Ausnahme der Linken – überall Zustimmung gefunden hat, wir uns sehr viel Mühe gegeben haben, die kommunale Familie beim Zustandekommen dieses Gesetzentwurfs zu beteiligen, die kommunalen Spitzenverbände diesem Gesetzentwurf auch nachdrücklich zugestimmt haben, aber die Beschlussfassung aufgrund der Auflösung des Landtags nicht mehr erfolgen konnte.

Ich nehme zur Kenntnis, dass die Fraktionen eine große Bereitschaft haben, diesen Gesetzentwurf zügig zu beraten und zu beschließen. Wo die Landesregierung dabei helfen kann, wird sie das tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Minister Jäger. – Wir sind am Ende der Beratung. Ich sehe auch keine weiteren Wortmeldungen mehr und komme zur Abstimmung.

Vom Ältestenrat ist empfohlen worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/47 – Neudruck – an den Ausschuss für Kommunalpolitik zu überweisen. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? Die sehe ich nicht. – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden.

Wir kommen zu:

7   Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/45

erste Lesung

Bereit steht für die Einbringung des Gesetzentwurfs Kollege Hovenjürgen für die CDU-Fraktion.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Landeswassergesetz, hier kürzer gefasst mit dem Begriff der sogenannten Dichtheitsprüfung, hat schon eine jahrelange Geschichte von Beratungen hinter sich. Im Vordergrund der Auseinandersetzungen in den letzten Monaten bzw. im letzten Jahr und Anfang dieses Jahres hat der Grundwasserschutz gestanden.

Aus Gesprächen mit Betroffenen und Unternehmen, denen wir uns stellen mussten, haben wir mitnehmen dürfen, dass die Argumentation der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen nicht belastbar und deshalb auch nicht haltbar war. Wir haben deshalb in der vergangenen Legislaturperiode einen Gesetzentwurf eingebracht, der eine bürgerfreundliche und der Situation angepasste Lösung anbot.

Die regierungstragenden Fraktionen von SPD und Grünen haben die Situation ebenso eingeschätzt und von daher selbst auch einen neuen Gesetzentwurf eingebracht, nach dem unter anderem zum Beispiel Ein- und Zweifamilienhäuser von der Untersuchungspflicht ausgenommen werden sollten.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Stimmt nicht!)

– Herr Schmeltzer schreit schon wieder in der üblichen Art und Weise.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Weil Sie in der üblichen Art und Weise Unwahrheiten sagen!)

Es wurde ja sogar diskutiert, Herr Schmeltzer, Häuser bzw. Haushalte mit unter 200 m³ freizustellen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: In welchem Gesetz stand das, Herr Hovenjürgen?)

Das hätte dann dazu geführt, dass der Zuzug der Schwiegermutter die Dichtheitsprüfung ausgelöst hätte.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Aber das wiederum, meine Damen und Herren, ist dann ja nicht zum Tragen gekommen. Insofern waren Ein- und Zweifamilienhäuser von der Prüfung ausgenommen.

Wir haben, wie gesagt, nach den vielen Gesprächen und Diskussionen tragfähige Hinweise auf Belastung von Grundwasser nicht erkennen können. Deswegen war es konsequent und richtig, den seinerzeit eingebrachten Gesetzentwurf heute noch einmal in der gleichen Konsequenz einzubringen.

Bevor Sie, Herr Schmeltzer oder Herr Markert, die Dinge gleich wieder intensiv darstellen wollen, will ich Ihnen schon im Vorfeld aufzeigen, wie die Dichtheitsprüfung überhaupt entstanden ist.

Das Jahr 1994 – SPD-Alleinregierung – führte zur Änderung der Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen. Der damals mit Drucksache 11/7153 vorgelegte Gesetzentwurf besagte, dass die Dichtheit von nichtkontrollierbaren Abwasserleitungen in wiederkehrenden Abständen von 20 Jahren überprüft werden sollte.

In der darauffolgenden Legislaturperiode legte die rot-grüne Landesregierung im Jahre 1999 eine Änderung der Landesbauordnung vor, die dafür Fristen setzte. Hier ist das Jahr 2015 dasjenige, das letztendlich den Druck auslöste. In Wasserschutzgebieten sollte die Prüfung schon bis 2005 abgewickelt sein.

In der 14. Legislaturperiode wurde das Landeswassergesetz durch die CDU/FDP-Koalition im Jahre 2007 novelliert. In diesem Zusammenhang wurden mit Datum 6. Dezember 2007 die in Rede stehenden Bereiche aus der Bauordnung herausgenommen und sinnvollerweise in § 61 a Landeswassergesetz überführt, der dann letztendlich der sogenannte Dichtheitsparagraf wurde, über den so intensiv diskutiert wurde und wird.

In der 15. Legislaturperiode hat dann Herr Minister Remmel am 5. Oktober 2010 einen Erlass zur Umsetzung des § 61 a des Landeswassergesetzes herausgegeben. Dieser Erlass wiederum hatte zur Grundlage eine gemeinsame Beschlussfassung von SPD, Grünen und CDU, die letztendlich dazu führen sollte, dass wir eine bürgerfreundliche Umsetzung des Dichtheitsparagrafen 61 a erreichen.

Wir als Union haben uns allerdings wegen mangelnder Umsetzung im Hause nicht mehr in der Lage gesehen, diesen Weg mitzugehen; offensichtlich erfolgte mehr Behinderung als konstruktive Umsetzung. Erst als die Union erklärte, dass sie diesen Weg nicht mehr mitgehen wolle, kam Bewegung in die Sache. Es wurde noch einmal nachgebessert, aber auch diese Nachbesserung blieb unzureichend. Insofern kam es am Ende zu einem eigenen, von CDU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf. Damit haben wir, glaube ich, richtig gehandelt.

Ich möchte Sie hier in diesem Hause, da wir alle gemeinsam einen Bedarf für Änderungen erkannt haben, bitten, diese bürgerfreundlich und umsetzbar zu gestalten, um vor allen Dingen eine Rechtsakzeptanz zu erreichen, und auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfs in die gemeinsamen Beratungen einzusteigen. Ich freue mich darauf, dass wir gemeinsam daran interessiert sein werden, hier schnellstmöglich Rechtssicherheit zu schaffen. Wir haben hierfür eine Grundlage gelegt. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Hovenjürgen. – Für die FDP-Fraktion spricht nun zu einem älteren Inhalt ein neuer Kollege. Es ist seine erste Rede. Ich freue mich immer, wenn ich sagen kann „Jungfernrede“, was für uns Männer ja nicht ganz so gewöhnlich ist. Herr Höne, Sie haben zum ersten Mal das Wort. Viel Freude daran!

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Henning Höne (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der nordrhein-westfälischen Umweltpolitik hat es in den letzten Monaten – der Landtagswahlkampf hat es noch einmal belegt – kaum ein anderes Thema gegeben, das die Gemüter der Bürgerinnen und Bürger landesweit so sehr erhitzt hat wie das Thema „Dichtheitsprüfung“.

(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)

Denn die festgeschriebene Prüfung privater Abwasserkanäle mit starren Fristen wird von den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen in dieser Form einfach nicht akzeptiert. Das zeigen unter anderem die vielen Bürgerinitiativen, die sich zu diesem Thema bereits gegründet haben und immer noch gründen und die weiterhin aktiv sind – aus Sicht der FDP-Fraktion völlig zu Recht!

(Beifall von der FDP)

Auch können wir feststellen, dass die Dichtheitsprüfung in ihrer bisherigen Form mit einer generellen Pflicht zur Überprüfung aller Hausanschlüsse weder ökologisch sinnvoll noch ökonomisch vertretbar ist.

(Beifall von der FDP)

Denn der drohende ökonomische Aufwand für den einzelnen Hausbesitzer steht in absolut keinem Verhältnis zum ökologischen Nutzen. Außerdem stellt die Prüfung die Hauseigentümer unter einen aus unserer Sicht nicht gerechtfertigten Generalverdacht und ist auch in unseren Kommunen wegen verschiedenster Rechtsunsicherheiten nur schwer umsetzbar.

Die FDP-Fraktion im Landtag NRW hat diese Probleme in der vergangenen Legislaturperiode erkannt und sich konsequent dafür eingesetzt, den sogenannten Kanal-TÜV endlich abzuschaffen.

Ende Dezember letzten Jahres hatten meine Kolleginnen und Kollegen zusammen mit der CDU dazu eine Initiative gestartet, die die Umwelt in ausreichendem Maße schützt, dabei zugleich aber praktikabel ist.

Gleichzeitig würde dieser Entwurf dafür sorgen, dass – aus unserer Sicht ein ganz besonders wichtiger Punkt – „Hauseigentum“ für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen überhaupt bezahlbar bleibt.

(Beifall von der FDP)

Sie wissen es: Wegen der Auflösung des Landtags am 14. März konnte das Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen werden.

Meine Damen und Herren, wir als FDP haben den Menschen in unserem Land während des Wahlkampfes das Versprechen gegeben, sie bei diesem Thema und den Problemen nicht im Regen stehen zu lassen. Maßnahmen zum Umweltschutz müssen immer verhältnismäßig sein. Wohneigentum muss bezahlbar bleiben. Darum haben wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion dieses Thema gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode wieder auf die Agenda gesetzt.

Schaut man sich den rot-grünen Koalitionsvertrag an, kommt die erneute Einbringung keine Minute zu früh: Von der – lassen Sie es mich so sagen – „behutsamen Annährung“ an eine vernünftige und praktikable Regelung, wie sie der eben auch schon vom Kollegen Hovenjürgen erwähnte Verordnungsentwurf II des grünen Umweltministers Remmel im Januar 2012 vorsah, wollen SPD und Grüne nun ganz plötzlich nichts mehr wissen. Für die Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen in unserem Land sieht Verlässlichkeit anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und es hilft im Übrigen nichts, lediglich an der Fristenregelung etwas zu verändern und die Fristen nach hinten zu schieben, wie Sie das im Koalitionsvertrag unter anderem vorsehen. Denn wenn man schon in die falsche Richtung fährt, ist die Geschwindigkeit irrelevant. Dann bringt es nämlich nichts, etwas langsamer zu fahren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Unser Gesetzentwurf hingegen geht in genau die richtige Richtung. Denn er sieht eine Dichtheitsprüfung für Neuanlagen, bei wesentlichen baulichen Veränderungen und immer dann, wenn eine wirklich begründete Gefahr für den Boden oder das Grundwasser besteht, vor. Damit steht unser Entwurf voll im Einklang mit dem das Wasserrecht durchziehenden Vorsorgeprinzip. Die erforderlichen Maßnahmen – insbesondere zum Schutz des Grundwassers – müssen selbstverständlich ergriffen werden.

Das setzt aber voraus, dass undichte Leitungen tatsächlich und generell zu einer nennenswerten Grundwassergefährdung führen. Und genau dieser wissenschaftliche Nachweis – Kollege Hovenjürgen hat es gerade erwähnt – wurde aus unserer Sicht bislang nicht ausreichend geführt. Mit allgemeinen Mutmaßungen, mit denen im Moment gearbeitet wird, kommen wir aktuell nicht weiter. Schließlich müssen auch die Besonderheiten eines jeden Einzelfalls ausreichend berücksichtigt werden. Denken Sie zum Beispiel an die konkreten Bodenverhältnisse.

Auf der Grundlage eher allgemeiner Mutmaßungen will die rot-grüne Koalition die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen aber finanziell erheblich belasten. Sie wollen den Bürgern wieder einmal in die Taschen greifen. Auch hier zeigt sich, dass beim Thema „Dichtheitsprüfung“ die Verhältnismäßigkeit nicht stimmt.

An dieser Stelle werden Sie, Herr Minister Remmel, sicherlich noch weitergehen und den wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz bemühen. Den haben Sie ja auch in den Koalitionsvertrag einfließen lassen.

(Hans Christian Markert [GRÜNE]: Zu Recht!)

Der Grundsatz findet sich nämlich beim Thema „Unkonventionelle Erdgasförderung“ bzw. „Fracking“. Dort, lieber Herr Kollege, wo Chemikalien in den Untergrund verpresst werden, ist dieser Grundsatz angebracht und dringend geboten, aus unserer Sicht aber nicht bei privaten Abwasserleitungen.

„Viel hilft viel“ ist bei der finanziellen Belastung der Bürgerinnen und Bürger eben nicht der richtige Weg. Beim selbstverständlich notwendigen Schutz der Umwelt dürfen wir die Menschen und insbesondere deren Akzeptanz für einzelne Maßnahmen im Umweltschutz nicht aus dem Blick verlieren.

Denn auch die finanziellen Belastungen der Hauseigentümer müssen angemessen berücksichtigt werden. Zum Beispiel geht es um die Kosten der Prüfung und einer möglichen Sanierung. Denken Sie an junge Familien, die die monatlichen Raten gerade abstottern können, oder Rentner, die sich überhaupt nur unter großen Mühen ein Häuschen haben leisten können. Gerade für diese Gruppen mit kleinen und mittleren Einkommen stellt das eine unkalkulierbare und damit auch unsoziale Belastung dar.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir wissen natürlich, dass es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, besonders schwerfällt, den Eigenheimbesitzern in Nordrhein-Westfalen zumindest einmal eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Erst in der letzten Legislaturperiode haben Sie ja die Grunderwerbsteuer „großzügig“ – so will ich es einmal bezeichnen – angehoben. Vielerorts wurden außerdem die Grundsteuern massiv erhöht. Man könnte eine ganze Liste weiterer Belastungen und böser Überraschungen für Hauseigentümer aufführen. Ich denke dabei unter anderem an das geplante Landes-Erneuerbare-Wärme-Gesetz für Altbauten – um wirklich nur eine weitere Überraschung zu nennen. Ich will und darf meinen Redebeitrag an dieser Stelle auch nicht mit Aufzählungen bis in den Abend ausdehnen.

An der verpflichtenden Dichtheitsprüfung festzuhalten beweist: Sie wissen überhaupt nicht, was die Vorhaben, die Sie politisch im Landtag in Düsseldorf beschließen, vor Ort konkret bewirken. Das wissen Sie insbesondere nicht in Bezug auf das, was es für das Portemonnaie der Bürgerinnen und Bürger bedeutet.

Darum ist unsere Gesetzesinitiative heute umso wichtiger. Eine Regelung, die die Umwelt nicht spürbar schützt, dafür aber gerade Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen zusätzlich zu den gerade schon genannten „Wohltaten“ belastet, muss endlich ersetzt werden.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen beschreitet mit der Dichtheitsprüfung im Moment einen Sonderweg. Wir sind das letzte Flächenland in Deutschland, das an einer landesweit verpflichtenden Dichtheitsprüfung mit starren Fristen festhält.

Wir, die Fraktionen von CDU und FDP, wollen diesen Sonderweg im Interesse der Bürgerinnen und Bürger schnellstmöglich verlassen. Unsere Gesetzesinitiative als Vorschlag ist die entsprechende Wegbeschreibung. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Glückwunsch zur ersten Rede, Herr Höne. Herzlichen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Schmeltzer.

Rainer Schmeltzer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie hat mir auch etwas gefehlt in den letzten Wochen und Monaten. Ich weiß nicht, ob es unbedingt die Redebeiträge von CDU und FDP zur Dichtheit waren. Gefehlt hat mir heute mindestens der impulshafte Wortbeitrag von Kanal-Kai. Aber vielleicht ist das ja ein Staffelstab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Höne, Glückwunsch zur Jungfernrede. Das ist das eine. Kein Glückwunsch zu den Inhalten. Denn sie knüpfen bei Herrn Abruszat an.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Wir wissen nicht, was die Vorhaben bewirken. Der Herr Kollege von der CDU hat eben schon dargelegt, wie die Historie war. Ja, die Historie beginnt 1995 mit der Landesbauordnung. Wir wissen ja alle, Herr Hovenjürgen, dass seitdem Menschen in diesem Jahr im guten Wirken auf ein Landesgesetz die Prüfungen durchgeführt haben, in den letzten Jahren im Übrigen mehr als natürlich direkt nach 1995. Von daher wissen wir, Herr Höne, was diese Vorhaben bewirken. Wir wissen, dass die Kosten, die Sie immer anführen, nicht der Realität entsprechen. Wir wissen mittlerweile auch, dass die Abfallrohre inzwischen sogar mehr kaputt sind, als der Kollege Ellerbrock und der Kollege Uhlenberg seinerzeit als Umweltminister dieses Landes im Jahre 2006 noch vermutet haben.

Als ich den Tagesordnungspunkt, zu dem hier heute debattiert wird, gelesen habe und festgestellt habe, dass der Gesetzentwurf eins zu eins der gleiche ist wie zu Beginn dieses Jahres, habe ich mir überlegt nach der Studie des Plenarprotokolls vom 26. Januar: Sollst du nicht einfach hingehen und sagen, das, was ich am 26. Januar gesagt habe, war sachlich und fachlich richtig, und das ist nachzulesen.

Aber ich denke, auch der Anstand insbesondere den neuen Kolleginnen und Kollegen gegenüber, aber auch der neuen Fraktion gegenüber, die ja zumindest parlamentarisch erstmalig mit diesen Dingen betraut wird, gebieten es, dass man noch einige Ausführungen macht.

Gerne wird hier von CDU und FDP behauptet, dass die Landesregierung einen Beschluss des letzten Jahres von SPD, Grünen und CDU – Herr Hovenjürgen hat es eben wieder getan, unwahrheitsgemäß – nicht umgesetzt habe. Das ist falsch. Am 8. Dezember vergangenen Jahres hat der Umweltminister die drei Fraktionen – zumindest die Verantwortlichen der drei Fraktionen – eingeladen, um genau über diese Punkte zu berichten und nicht zu berichten, was alles nicht geht, sondern dass alles umgesetzt ist.

Herr Hovenjürgen, wären Sie zu diesem Termin gekommen – Sie haben sich ja dem Termin verweigert nach dem Motto: was ich nicht hören will, höre ich mir auch nicht an –, dann hätten Sie auch die Situation gehabt, dass Sie genau vom Gegenteil überzeugt worden wären.

Gerne behaupten CDU und FDP, die rot-grüne Koalition würde ausschließlich der Handwerkerlobby nachgeben und es ginge uns gar nicht um den Grundwasserschutz. Das ist ebenso falsch.

Gerne behaupten CDU und FDP, dass ihr Vorgehen der Sache nach mit den Linken damals gemeinsam angegangen wurde. Das ist ebenso falsch. Die Linken haben nie das Begehren des Grundwasserschutzes bei den Funktionsprüfungen infrage gestellt, sondern haben vielmehr abgezielt auf Kosten und soziale Aspekte.

Fakt ist: Mit dem uns heute vorliegenden Gesetzentwurf von CDU und FDP verlassen Sie den Vorsorge- und Besorgnisgrundsatz, den Sie eben noch angesprochen haben. Dieser hat insbesondere im Bundes- und im Landeswasserrecht eine herausragende Bedeutung. Unter anderem sprechen auch deswegen sowohl der Bundesumweltminister auf seiner Internetseite – er gehört der CDU an – als auch der Bundesbauminister in einer eigens aufgelegten Broschüre – er gehört der CSU an – von der Verpflichtung zur Dichtheitsprüfung.

Nachdem der damalige Landesumweltminister Uhlenberg die Änderung des Landeswassergesetzes vehement vertreten hat, hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, von wie vielen Undichtigkeiten im Land auszugehen ist. Dies wird zwischenzeitlich durch die bereits zu Tausenden durchgeführten Überprüfungen nicht nur ausdrücklich belegt, sondern zum Großteil auch deutlich überschritten.

Im Übrigen stimmt das natürlich nicht, Herr Hovenjürgen. In dem Gesetzentwurf stand nichts von Ein- und Zweifamilienhäusern. Das zeigt, dass Sie trotz langjähriger Parlamentszugehörigkeit nach wie vor nicht in der Lage sind, Gesetzentwürfe zu lesen.

Es ist bedauerlich, dass die beiden ursprünglichen Gesetzentwürfe mit den damit begonnenen Verfahren nicht weitergeführt wurden und dass die damit im Zusammenhang stehende im April vorgesehene Sachverständigenanhörung auch nicht durchgeführt wurde.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Schmeltzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hovenjürgen?

Rainer Schmeltzer (SPD): Aber sehr gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das habe ich mir gedacht. Bitte schön, Herr Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Schmeltzer, bei Ihrer gewerkschaftlichen Rhetorik lassen Sie mich einmal eine Frage stellen: Ist Ihnen bekannt, dass im Wahlkampf, der gerade zurückliegt, die Frau Ministerpräsidentin erklärt hat, sie könne sich sehr wohl vorstellen, dass Einfamilienhäuser – Omas klein Häuschen, so war ihre Formulierung – von der Dichtheitsprüfung ausgenommen werden?

Rainer Schmeltzer (SPD): Unabhängig davon, dass ich hier keine gewerkschaftliche Rhetorik betreibe, sondern als Parlamentarier rede, aber ein gewerkschaftlicher Hintergrund nie verkehrt sein kann, ist mir bekannt, dass die Ministerpräsidentin so etwas in Aussicht gestellt hat.

Ich hoffe, Ihnen ist ebenso bekannt, dass sich eine ähnliche Formulierung im Koalitionsvertrag widerspiegelt. Da steht drin: Wir prüfen. – „Wir prüfen“ ist nichts anderes als „man kann sich vorstellen“. Von daher warten wir doch erst einmal die Dinge ab, die da kommen, Herr Hovenjürgen.

Mir ist aber auch bekannt, dass Sie in Ihrem Wahlkreis ganz offensichtlich mit dem Kanal-TÜV nicht wirklich gepunktet haben. Sonst hätten Sie Ihren knappen Vorsprung von knapp 200 Stimmen aus 2010 nicht mit über 5.000 Stimmen ins Negative umgekehrt. So viel ist mir auch bekannt bei der Angelegenheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir diese eigentlich für April geplante Anhörung jetzt hoffentlich irgendwann bekommen werden, dann werden wir Sachverständige hier haben, die deutlich machen werden, dass der vorliegende Gesetzentwurf der CDU ein Entwurf des Blendens ist, der sowohl dem Bundesrecht bezüglich der Betreiberverantwortung widerspricht als auch der Tatsache, dass Sie nur bei Neuanlagen und nur bei begründetem Verdacht prüfen lassen wollen, was dem Vorsorgeprinzip entgegensteht.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

– In der Regel ist doch, Herr Kollege Rasche, davon auszugehen, dass Neuanlagen – das unterstelle ich dem deutschen Handwerk – dem Stand der Technik entsprechen und somit auch funktionsfähig sind.

So ist es auch beim Auto. Trotzdem muss das neue Kraftfahrzeug drei Jahre, nachdem es gekauft wurde, zum TÜV. Später muss es nach zwei Jahren zum TÜV, und zwar immer und nicht erst, wenn ein Verdacht vorliegt. Oftmals wurden Autos beim TÜV schon ohne Verdacht des Eigentümers aus dem Verkehr gezogen. Das war auch gut so.

So ist es auch bei Heizungsanlagen und ihren Kaminen. Da wird nicht der Kamin geprüft, wenn der Rauch eine komische Farbe hat. Oder anders: Es ist so lange alles in Ordnung, solange weißer Rauch aufsteigt.

Nein, es wird regelmäßig vom Schornsteinfeger überprüft, beides übrigens mit regelmäßig entsprechenden Gebühren. Die regelmäßigen Abstände sind deutlich geringer als die, die wir bei der Funktionsprüfung vorsehen.

Vorsorgeüberprüfungen sind das – Vorsorge zum Wohle der Gesundheit der Menschen. So wie es beim Pkw um vorsorgenden Unfallschutz und bei der Heizung um vorsorgenden Schutz unserer Luft geht, geht es bei der Funktionsprüfung von Abwasserkanälen um vorsorgenden Schutz des Grundwassers – im Übrigen ganz im Sinne Ihrer Bundesregierung.

Was haben uns die letzten Monate gezeigt? Zum Gewässerschutz wollen alle stehen, aber dafür tun wollen nur wenige etwas. Ebenso haben wir festgestellt, dass die 396 Gebietskörperschaften in unserem Land unterschiedlich agieren. Dort, wo Aufklärung seit Jahren betrieben wird – übrigens: das ist der überwiegende Teil in unserem Land –, funktioniert das Gesetz in seiner Umsetzung. Fristen sind mal angepasst, mal nicht; Verunsicherung herrscht bei den Eigentümern und über die eventuellen Sanierungskosten.

Dies alles gilt es gründlich aufzuarbeiten, und zwar so, wie wir es auch schon in den letzten zwei Jahren praktiziert haben: in einem ständigen Austausch mit den Menschen – Betroffene zu Beteiligten machen.

Wir werden, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist, eine dem Gewässerschutz verpflichtete Vorsorgepolitik gemäß dem Wasserhaushaltsgesetz fortsetzen.

Die Verlässlichkeit der Landespolitik – Herr Höne, Sie haben sie angesprochen – ist durch Sie durchbrochen worden. Herr Ellerbrock und Herr Uhlenberg – ich habe es eben gesagt – haben hier massiv auf den Grundwasserschutz hingewiesen, als Sie 2006 das Gesetz geändert haben. Sie haben in der letzten Legislaturperiode diese Verlässlichkeit der Landespolitik gebrochen.

Uns ist wichtig, dass wieder Verlässlichkeit da ist, dass ein fairer Ausgleich zwischen den Betroffenen und dem Gewässerschutz hergestellt wird.

Es ist uns wichtig, bürgerfreundliche und soziale Lösungen zu erarbeiten, die insbesondere bei eventuellen Sanierungen der Abwasserleitungen soziale Härten und Ungerechtigkeiten verhindern. Wir werden aber auch darauf drängen, dass eine bundeseinheitliche Regelung, also eine Verordnung zum Wasserhaushaltsgesetz, schnellstmöglich auf den Weg gebracht wird – so wie es auf der Bundesebene vom Bundesumweltminister angekündigt wurde, so wie es auf der Internetseite des Bundesumweltministers zu lesen ist.

Der Bundesumweltminister macht sich zurzeit einen schlanken Fuß. Er muss da auch seiner Verantwortung nachkommen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass dies bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinausgezögert wird – immer mit Blick auf Nordrhein-Westfalen.

Meine Damen und Herren, Grundwasser macht nicht an Landesgrenzen halt. Sich an Niedersachsen zu orientieren, ist auch bei der Funktionsprüfung falsch. Herr Höne, Sie haben das Fracking angeführt. Wer Fracking, wie das in Niedersachsen durch einen FDP-Minister geschieht, bis zur Unendlichkeit zulässt und somit die Trinkwasserverschmutzung in Kauf nimmt, ist bei der Dichtheitsprüfung ein schlechter Ratgeber. Sie können nicht das eine mit dem anderen verbinden und sich nur auf Nordrhein-Westfalen beziehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich freue mich, dass der Kollege Biesenbach jetzt im Saal ist – er wird auch gleich das Wort ergreifen –; denn nach der nochmaligen Lektüre der Plenardebatte vom 26. Januar dieses Jahres ist es mir ein besonderes Bedürfnis, Herr Biesenbach, Sie noch einmal anzusprechen. Bei vielen haben Sie damals den Eindruck erweckt, von unseren Abwasserkanälen gehe keine Gefahr aus. Ich bin mir sehr sicher, dass das bei der anstehenden Sachverständigenanhörung widerlegt werden wird. Herr Sagel hat Sie damals wie folgt interpretiert: Sie wollten zurück ins Mittelalter; wir bräuchten überhaupt keine Abwasserkanäle mehr.

Herr Kollege Biesenbach, manchmal ist es ratsam, sich in der Kinderwelt umzuschauen. Kennen Sie Fenja Firn? Fenja Firn ist ein Wassertropfen, der in einem wunderschönen Kinderbuch seinen Weg vom Gletscher bis in die Erde unter unseren Städten – durch die Abwasserkanäle und das Klärwerk, das Sie im Januar mehrfach zitiert haben – und wieder sauber in einen Fluss findet. Auf seinem Weg wird Fenja Firn, der Wassertropfen – das ist alles hier nachzulesen; ich schenke Ihnen dieses Buch gerne –, mit all dem, was Sie in Zweifel stellen, konfrontiert: mit Verschmutzungen jeglicher Art, mit der Sinnhaftigkeit dichter Abwasserkanäle und auch mit deren Überprüfung. Die Kinder lernen in diesem Buch sehr gut den Umgang sowohl mit Frischwasser als auch mit Abwasser.

Ich werde Ihnen dieses Buch gleich schenken – nach der Debatte; ich mache hier nicht so ein Szenario, wie andere das mit Rotwein früher gemacht haben – und hoffe, dass Sie aufgrund dieser Anschaulichkeit in dem Kinderbuch die Sache wirklich einmal mit Kinderaugen betrachten und dann auch die Sachlichkeit darin erkennen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Schicken Sie es auch nach Bielefeld zu Ihren Parteifreunden!)

– Herr Hovenjürgen, das sagt der Richtige.

Wir werden sachlich-fachlich mit den Betroffenen eine dem Koalitionsvertrag entsprechende Regelung erarbeiten. Ich bin mir relativ sicher, dass Ihr populistischer Entwurf auf der Basis von Kanal-Kai mit all seinen Rechtsunsicherheiten dabei keine Rolle spielen wird.

Herr Hovenjürgen, Herr Biesenbach, wir waren im Sommer 2010 schon mit Ihnen von der CDU auf einem guten Weg. Nehmen Sie das von Ministerpräsidentin Kraft erst gestern wiederholte Angebot an, und lassen Sie uns gemeinsam zum Wohle der Menschen in unserem Land das Thema sach- und fachgerecht in einem offenen Dialog diskutieren.

Ich freue mich nicht nur auf die Beratungen im Ausschuss, sondern insbesondere auch auf die Sachverständigenanhörung, die hoffentlich die Klarheit erbringen wird, die der Sache angemessen ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Schmeltzer.

(Rainer Schmeltzer [SPD] überreicht Peter Biesenbach [CDU] ein Buch. – Zuruf von der SPD: Aber auch lesen! – Gegenruf von Reiner Priggen [GRÜNE]: Das sind Comiczeichnungen! – Gegenruf von Rainer Schmeltzer [SPD]: Nein, das wäre zu schwer!)

Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Markert.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe anwesenden Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen im Wahlkampf und in den Wochen danach war viel von der personellen und inhaltlichen Erneuerung von CDU und FDP die Rede.

Personell – wir haben es eben gehört; Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede, Herr Höne – ist auch einiges passiert. Der bisherige Bundesumweltminister, der auch bei diesem Thema eine andere Meinung als die CDU-Landtagsfraktion hatte, ist gar nicht mehr im Amt.

Nun waren wir heute sehr gespannt, in der quasi ersten regulären Sitzung zu hören, wie die inhaltliche Erneuerung von CDU und FDP aussieht. Da kommen Sie auch mit einem wahrhaft neuen Thema an. Das ist ganz spannend. Gefühlt haben wir in den letzten 20 Monaten auch nur ungefähr 20 Mal über dieses Thema die Meinungen ausgetauscht. Die Standpunkte sind im Grunde genommen klar. Sie sind sogar sonnenklar. Die Standpunkte der Koalitionsfraktionen auch zu diesem Thema kann man im Koalitionsvertrag nachlesen.

(Friedhelm Ortgies [CDU]: Eben nicht! Das ist es ja!)

Wir bekennen uns aus wasserrechtlichen, baulichen und ökologischen Gründen ausdrücklich zur Notwendigkeit einer Kanalfunktionsprüfung. Aus wasserrechtlichen Gründen stehen wir wie bisher voll und ganz hinter dem Besorgnisgrundsatz, also dem Vorsorgegedanken in unserem Wasserrecht.

Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, wollen uns jetzt zum x?ten Mal eine Beweislastumkehr nahebringen. Was, bitte schön, heißt das denn? Warten wir bei diesem Thema tatsächlich in Zukunft immer ab, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist? Dann dürfte es im Einzelfall, wenn der Kanal einstürzt oder wenn das Grundwasser verunreinigt ist, in der Tat zu spät sein.

Derzeit findet ja die Konferenz Rio+20 statt. Viele Staaten auf dieser Erde schauen fast neidvoll auf unseren guten Wasserzustand und auf unsere guten wasserrechtlichen Vorgaben. Und Sie wollen daran jetzt sägen, während andere das zum Vorbild nehmen wollen?

Herr Höne, Ihre Partei hat sich mal ganz anders mit Umweltschutz auseinandergesetzt. Da waren Sie noch nicht geboren. Ich zitiere:

„Umweltschutz hat Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen.“

Das kennen Sie vielleicht nicht mehr. Das sind die Freiburger Thesen. Herr Lindner ist jetzt nicht da. Der war damals, glaube ich, gerade noch nicht geboren, als das beschlossen wurde. Für die neuen Kollegen in der FDP wiederhole ich mich gerne: Gerade beim Thema „Umweltschutz“ zeigt sich: früher Karl-Hermann Flach, heute nur noch flach – das ist die FDP.

(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: „Hohes“ Niveau – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

– Regen Sie sich doch nicht so auf! Bleiben Sie auf dem Teppich, meine Damen und Herren von der FDP!

In unserem Grundgesetz – die früheren Bürgerrechtsliberalen haben sich ja auch am Grundgesetz orientiert – findet sich übrigens in Artikel 14 – das zur Erinnerung – der Hinweis, dass Eigentum verpflichtet.

Wir sind aber auch für eine flächendeckende Funktionsprüfung aus baulichen Gründen, aus Gründen der Standsicherheit. Kollege Schmeltzer hat ja vorhin andere Beispiele, wo es regelmäßige Untersuchungen gibt, erwähnt. Wenn der Schornsteinfeger kommt, dann geht es ja auch darum, ob der Schornstein, der Kamin standsicher ist. Genau um diese Angelegenheiten kümmern wir uns bei der Funktionsprüfung auch. 80 % der Abwasserkanäle sind in einem sanierungsbedürftigen Zustand.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Woher wissen Sie das? Unglaublich!)

– Fragen Sie gerne nach, Josef Hovenjürgen. Ich mache das wie am 26. Januar, als wir hier auch schon einmal zusammengestanden haben. Ich zitiere gerade für den jungen Kollegen, der seine Jungfernrede gehalten hat, einen FDP-Unternehmer.

(Rainer Schmeltzer [SPD] und Josef Hovenjürgen [CDU] führen ein Zwiegespräch.)

– Das wird mir jetzt aber nicht auf die Redezeit angerechnet, wenn sich die Herren jetzt duellieren, oder?

Vizepräsident Oliver Keymis: Auf keinen Fall.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Gut. – Weil Sie das in Zweifel ziehen, zitiere ich gerne noch einmal – das habe ich bereits am 26. Januar getan – einen FDP-Unternehmer aus Hennef. Der betreibt dort die Firma Abwasser-Service Volkner GmbH. Er hatte damals – Herr Papke erinnert sich – eine E-Mail, die offensichtlich an viele gegangen ist, an Herrn Papke geschrieben. Er schrieb damals, weil er die ganzen Pirouetten der FDP nicht mehr nachvollziehen konnte:

Aus der Erfahrung der letzten fünf Jahre können wir Ihnen versichern, dass mindestens 85 % der untersuchten Grundleitungen, die vor 1970 erstellt wurden, undicht sind.

Zitat Ende. – 85 %! Das schreibt ein FDP-Handwerker.

Weil uns gleich Herr Biesenbach auch noch die Ehre geben wird – wir freuen uns schon alle darauf –, will ich auch den dritten Punkt, warum wir uns ausdrücklich zur flächendeckenden Funktionsprüfung bekennen, nennen: die ökologische Notwendigkeit.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Neue Datenauswertungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz stützen ausdrücklich die Aussage des zuständigen Abteilungsleiters des CDU-geführten Bundesumweltministeriums Helge Wendenburg, hier vorgetragen in einer Anhörung des Landtags. Sie gehen nämlich davon aus, dass durch die umfangreiche Wasserverunreinigung, die in unseren Haushalten stattfindet, und die marode Situation der Kanäle sehr wohl eine Gefahr für das Grundwasser und das Rohwasser besteht. Lesen Sie es nach, das ist hoch interessant.

Deswegen, meine Damen und Herren: Rasches Handeln ist geboten. Wir streben eine ausgleichende, faire und auf Dauer angelegte Lösung an. Dabei geht es um die Angleichung der privaten und öffentlichen Kanaluntersuchungen. Es geht um verträgliche Fristen, wobei wir sagen: In Wasserschutzgebieten, gerade bei älteren Häusern ist besondere Sorgfalt anzulegen.

Wir bekennen uns im Koalitionsvertrag ausdrücklich zur Vermeidung sozialer Härten, weil uns auch „Oma und Opa ihr klein Häuschen“ am Herzen liegt.

Wir wollen einen fairen Interessenausgleich, Verlässlichkeit und Rechtssicherheit für Kommunen, Umwelt, Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer und natürlich Handwerkerinnen und Handwerker.

Abschließend noch einmal: Es waren Ihre Pirouetten von CDU und FDP, die zur Verunsicherung im Land geführt haben. Das wollen und werden wir zeitnah beenden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Das ist das besondere Vergnügen am Beginn einer Legislaturperiode: Wir haben eine weitere Jungfernrede zu erwarten, diesmal von Herrn Kollegen Rohwedder von der Piratenfraktion. Herzlich willkommen am Pult, Herr Rohwedder. Auch Ihnen viel Glück für die erste Rede.

(Allgemeiner Beifall)

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es heute ganz kurz, auch wenn es eine Jungfernrede ist.

Zum Schutz von Böden, Wasser und Oberfläche muss gewährleistet sein, dass Abwässer ordentlich entsorgt werden, nicht nur Abwässer, aber eben auch Abwässer. Die Dichtheitsprüfung, wie sie gemäß § 61a im Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen vorgesehen und im Land durchgeführt werden soll, ist jedoch abwassertechnisch und ökologisch verkehrt bewertet. Das sagen unabhängige Gutachten. Sie ist volkswirtschaftlich untragbar, sie ist in manchen Fällen existenzgefährdend für die Hausbesitzer, für die Bürger, und sie ist rechtlich bedenklich, möglicherweise verfassungswidrig. Diese Gutachten haben ergeben, dass die unterstellten Gefahren für unser Trinkwasser, für das Grundwasser und die Oberflächen aus den defekten privaten Abwasserleitungen vergleichbar gering sind

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

und dass die zu erwartenden enormen Kosten für die Bürger dazu in keinem vernünftigen Verhältnis stehen.

(Renate Hendricks [SPD]: Welche Kosten?)

Und deshalb lehnen wir Piraten diese Dichtheitsprüfung in dieser Form ab und fordern eine neue Ausarbeitung. Die Notwendigkeit, die Risiken, wenn man darauf verzichtet, und die Kosten dieser Dichtheitsprüfung müssen transparent gemacht und nachvollziehbar abgewogen werden. Das ist unsere Forderung. Mit dieser Forderung sind wir auch in den Landtagswahlkampf gezogen.

(Beifall von den PIRATEN)

Es gab am letzten Wochenende in Dülmen ein landesweites Treffen von Bürgerinitiativen, die sich zu diesem Thema zusammengeschlossen hatten. Dort war außer mir für die Piraten auch der Kollege Höne für die FDP anwesend. Es waren dort also die beiden kleinen Fraktionen aus dem Landtag vertreten, die drei großen Fraktionen hatten es nicht nötig, dort zu erscheinen. Der Landtagswahlkampf war eben vorbei. Das ist schade, denn das Treffen war interessant, und es wurde engagiert und sachlich berichtet und diskutiert.

Wir Piraten sagen: Wir werden uns weiterhin an solchen Treffen beteiligen und uns als eine Art Proxy für diese Initiativen und für die betroffenen Bürger zur Verfügung stellen, damit deren Anregungen, Bedenken und Vorschläge in den Landtag, in die Ausschüsse eingebracht werden und in die Gesetzgebung einfließen können, wenn sie dann mehrheitsfähig sind.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Es gibt Zweifel, ob § 61a Landeswassergesetz wirklich verfassungsgemäß oder vielleicht verfassungswidrig, zumindest problematisch ist. Wir behalten uns ausdrücklich die Option vor, wenn er nicht geändert wird, und zwar so geändert wird, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt werden, vielleicht eine Normenkontrollklage anzuregen und durchzuführen, also weitere Abgeordnete zu suchen, die mit uns zusammen das gegebenenfalls durchführen würden. Das ist ein Vorschlag, den die Bürgerinitiativen in Dülmen am Wochenende gemacht haben.

Wir möchten, dass wir von der Regierung vor solchen Gesetzesnovellen, bevor wilde Behauptungen aufgestellt werden, 80 bis 90 % der Leitungen seien undicht und es bestehe eine Gefahr, dass stattdessen eine evidenz- und faktenbasierte Politik gemacht werde, wirklich wissenschaftliche Nachweise bekommen, dass von undichten Leitungen eine Gefährdung ausgeht. Wir wollen keinen Generalverdacht. Wir sind als Piraten ständig in Generalverdacht, der auch in anderen Bereichen immer wieder vorgebracht wird, um Gesetzesverschärfungen durchzuführen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie beim Schornstein!)

Wir wollen lieber, dass dort, wo wirklich ein konkreter Verdachtsmoment besteht, gezielte Kernbohrungen durchgeführt und Bodenproben genommen und analysiert werden. Die Netzbetreiber kennen die entsprechenden Stellen im Netz, wo man solche Probebohrungen und Probeentnahmen durchführen könnte, um zu schauen: Was passiert dort, wo es undichte Stellen gibt, wie viel Abwasser geht dort wirklich raus, und welche Folgen hat das? Man muss bedenken, dass Boden auch Leben ist, dass dort ständig organisches Material von den Oberflächen eingebracht wird und nicht jede Einbringung von organischen Materialien für die Abwässer unbedingt eine Gefährdung darstellt.

Auch die Koalitionsfraktionen haben offensichtlich erkannt, dass es bei diesem Thema noch Handlungsbedarf gibt. Das zeigt, dass das Thema im Koalitionsvertrag angeschnitten wird, wenn auch leider wenig konkret. Es ist dort eher eine Sonntagsredenprosa festzustellen. Aber immerhin ist das besser als gar nichts.

Wir empfehlen jetzt, dass dieser Gesetzentwurf von CDU und FDP zunächst einmal aus der ersten Lesung heraus in die Ausschüsse gegeben und dort weiter diskutiert wird, Anregungen und Verbesserungsvorschläge vonseiten der Bürgerinitiativen aufgenommen und eingepflegt werden können. Dann haben auch die Regierungsfraktionen die Gelegenheit, vom Allgemeinen zum Konkreten zu kommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Rohwedder, herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede und vielen Dank. – Um auf das Ganze zu reagieren, steht am Pult schon der heute frisch vereidigte Minister Herr Remmel bereit. Bitte schön, Herr Remmel, Sie haben das Wort.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch von meiner Seite, Herr Rohwedder, Herr Höne, herzlichen Glückwunsch zu Ihren Jungfernreden, wobei ich eine Äußerung von Ihnen, Herr Höne, gern zurückweisen möchte: den Vorwurf an die Regierungsfraktionen, von den Auswirkungen der Funktionsprüfung keine Ahnung zu haben.

Für mich selbst kann ich sagen, dass ich bei meinem Haus eine solche Prüfung durchgeführt habe. Insofern weiß ich, wovon ich spreche. Ich bin auch froh, dass ich es gemacht habe, weil damit Schäden für die Zukunft vermieden wurden. Ich glaube, es hat in der letzten Legislaturperiode kein Thema gegeben, das so intensiv bis hin zur DIN-Norm, zu technischen Anleitungen und zu Prüfungsarten diskutiert worden ist wie das Thema „Dichtheitsprüfung“. Insofern können Sie diesem Haus durchaus einen gewissen Sachverstand unterstellen, gerade was dieses Thema angeht, welches in der letzten Legislaturperiode nicht nur einmal diskutiert worden ist.

Ich würde sogar so weit gehen – insofern ereilt uns auch wieder das eine oder andere Argument –, dass es sich bei dem Thema „Funktionsprüfung“ um eine Art Erbsünde handelt, wobei diejenigen, die sündig geworden sind, an verschiedenen Stellen sündig geworden sind, also zum einen eine Verankerung im Baurecht schon in den 90er-Jahren, zum anderen eine Novellierung durch die schwarz-gelbe Landesregierung in der Zeit von 2005 bis 2010 sowie eine Verankerung im Bundesrecht. Auch da gibt es eine Ableitung.

Deshalb ist es nicht ganz einfach, in einer Neugestaltung die bereits stattgefundene Rechtsgeschichte, aber auch die Wirkungsgeschichte – es ist nicht so, dass Rechtsetzungen der Vergangenheit nicht auch zu Wirkungen bei Kommunen, bei Bürgerinnen und Bürgern geführt haben – jetzt zu einem anderen Ende zu bringen.

Das alles muss bei einer Novellierung bedacht werden. Da machen Sie es sich zu einfach, allein sozusagen rechts umzukehren und auf Verdacht zu begründen.

Die Argumente sind in der Tat ausgetauscht, aber sie müssen beantwortet werden. Wir haben gut 70.000 km öffentliche Kanäle mit einem Anspruch – ich finde zu Recht –, dass diese Kanäle dicht und funktionssicher sein müssen. Wir haben 200.000 km Kanäle, die in privater Hand sind. Die Frage zum Beispiel ist von Ihnen nicht beantwortet worden: Wie ist das Verhältnis von öffentlicher Pflicht, die Kanäle funktionsfähig und dicht zu halten, und der dann daraus folgenden privaten Pflicht? Diese Frage muss beantwortet werden. Das muss genauso beantwortet werden, wie der Vorsorgegrundsatz im Wasserrecht rechtlich umgesetzt wird, den Sie auch hochgehalten haben.

Im Übrigen – darauf habe ich schon verwiesen – ist die Funktionsprüfung eigentlich dem Baurecht entwachsen, sodass mit der Funktionsprüfung auch verbunden ist, die Frage der Standfestigkeit sowohl von Leitungen als auch von Gebäuden entsprechend zu überprüfen.

Herr Kollege Schmeltzer hat schon darauf hingewiesen, dass es hier eine Analogie zu anderen Prüfungen gibt, die das Recht vorsieht, um in Abständen bestimmte Funktionen von technischen Anlagen zu überprüfen. Das ist der Grundsatz, der an der Stelle im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes verankert ist.

All das muss bei einer Novellierung bedacht werden. Deshalb ist der Ansatz der Koalitionsfraktionen und auch des Koalitionsvertrags richtig, dies unter diesen Vorzeichen in eine Novellierung und Veränderung einzubringen. Die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen haben ein Recht darauf, dass es eine verlässliche Grundlage durch politische Rahmensetzungen gibt und dass diese auch über Legislaturperioden hinaus schon begangene Rechtshandlungen unterstützt und zukünftige absichert.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

In diesem Zusammenhang ist auf ein Gutachten verwiesen worden, das der parlamentarische Gutachterdienst des Landtages in der letzten Legislaturperiode vorgelegt hatte. Ich hatte seinerzeit im Ausschuss angekündigt, dass es dazu auch eine rechtliche gutachterliche Stellungnahme seitens der Landesregierung geben wird. Diese gutachterliche Stellungnahme ist fremd vergeben worden und wird in Kürze dem Landtag zugestellt.

Darüber hinaus ist zu Recht darauf zu verweisen, dass wir möglichst bundeseinheitliche Regelungen bekommen. Die Landesregierung wird hierzu zukünftig den Weg über die entsprechenden Gremien wie die Umweltministerkonferenz oder über entsprechende Anträge im Bundesrat suchen.

Eines sage ich aber an dieser Stelle auch ganz klar: Ich finde es schon etwas schizophren, wenn der Spitzenkandidat der CDU im Wahlkampf auftritt und sich gegen die Funktionsprüfung ausspricht. Er hätte längst die Möglichkeit gehabt, durch eine Rechtsverordnung auf Bundesebene – so sieht es jedenfalls das Wasser0haushaltsgesetz vor – diese Frage einheitlich zu klären. Es ist schon etwas komisch, sich im Wahlkampf hinzustellen und zu sagen, ich bin dagegen, aber die Regelungen auf Bundesebene nicht zu treffen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb steht hier auch die Bundesregierung in der Verantwortung, für Klarheit in der Bundesrepublik zu sorgen und damit auch für uns eine rechtssichere Verhandlungsgrundlage zu schaffen.

In diesem Sinne wird sich die Landesregierung unterstützend an dem weiteren Diskussionsprozess beteiligen. – Ich bedanke mich für die Debatte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Biesenbach. Bitte schön.

Peter Biesenbach (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin enttäuscht.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ja, das lässt sich gar nicht vermeiden. Ich bin enttäuscht darüber, dass die Koalitionsfraktionen heute eigentlich nichts anderes getan haben, als zu wiederholen, was wir von ihnen kennen.

Das Buch, lieber Herr Schmeltzer, ist schön und angenehm. Aber es beantwortet leider nicht die Fragen, die wir seinerzeit gestellt haben. Es ist gerade nicht Ihr Gegenbeweis zu unserer bisherigen These. Es mag ja toll sein, wenn ich demnächst weiß, warum die Gletscher schmelzen. Es mag auch toll sein, wenn ich demnächst weiß, warum Schmelzwasser lebensnotwendig ist, und wenn ich einen Weg durch die Kläranlagen nachlesen kann.

(Heiterkeit)

Aber leider finde ich nicht die Antwort auf die Frage, die wir eben gestellt haben und die Herr Kollege Markert eben mit seinem Vorsorgegrundsatz noch einmal plakativ in den Raum stellte. Auch wenn Minister Remmel den Vorsorgegrundsatz ebenfalls noch einmal anspricht und auf andere Analogien zu Prüfungen verweist – nein, Sie haben den Beweis nicht antreten können, dass die Analogie möglich ist.

Nehmen wir den TÜV: Wir kennen die Allgemeingefahr eines PKWs, eines Busses oder eines Motorrades. Das erleben wir leider fast jeden Tag. Darum muss der PKW und muss das Motorrad zum TÜV. Wir haben aber nicht die Analogie und wir haben keinen Beweis, dass die privaten Hausanschlüsse, selbst wenn sie undicht sind, das Grundwasser verunreinigen oder gefährden. Diesen Beweis sind Sie doch bis heute schuldig geblieben. Das ist aber nicht einmal vorwerfbar, denn Sie können den Beweis gar nicht antreten. Solange Sie den Beweis nicht antreten können, hilft es auch nicht, dass Sie hier markig auftreten und versuchen, das rhetorisch ganz toll darzustellen: Umweltschutz hat Vorrang. Wir wollen keine Gefährdung.

Ja, wir auch nicht. Der Kollege Hovenjürgen und ich haben nach dem Januar von vielen Unternehmern Besuche bekommen, von Verbandsvertretern, die Unternehmer vertreten. Die waren nach einem halbstündigen Gespräch so frei zu sagen: Eigentlich sei ihr Interesse kein Interesse des Umweltschutzes; sie wollten doch nur den Hauseigentümern helfen, den Wert zu erhalten. – Für die sind dichte und geschlossene Haushaltsanschlüsse werterhaltender als möglicherweise nicht funktionierende.

Das ist aber – Entschuldigung – nicht unsere Aufgabe. Wir haben keine öffentliche Gefahrenabwehr im Sinne von Werterhalt. Das ist private Angelegenheit, das gehört zu den ureigensten Rechten der Hauseigentümer. Das ist aber kein Recht, mit dem wir ihn beglücken können, weil es die Gefahr, die Sie voraussetzen, nicht gibt.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei dem Kollegen Rohwedder, der das ja auch sehr deutlich gesagt hat.

(Beifall von der CDU)

Ich hätte mir gewünscht, Herr Kollege Schmeltzer, dass Sie etwas zu dem Thema „gewässerschützende Regelungen“ gesagt hätten. Kollege Hovenjürgen hat nicht umsonst gerufen: „Kennen Sie die Haltung der Bielefelder SPD?“ Wahrscheinlich kennen Sie die. Darauf sind Sie aber nicht eingegangen. Sie sind auf die beiden vorhandenen Gutachten, die rechtliche Bedenken äußern, auch nicht eingegangen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Haben Sie Herrn Remmel nicht zugehört?)

– Herr Remmel hat nur gesagt, man werde seitens der Landesregierung eine eigene Stellungnahme vorlegen. Wir haben sie aber doch noch nicht. Selbst wenn diese Stellungnahme zu dem Ergebnis kommt, es sei rechtlich anders, sollten wir doch einmal abwarten, was die Gerichte dazu sagen. Aber allein deshalb, weil möglicherweise vonseiten der Landesregierung ein solches Gutachten kommt, ist unsere Argumentation einer nicht nachgewiesenen Gefahr nicht aus der Welt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Ruf nach der bundeseinheitlichen Regelung, Herr Kollege Remmel, ist doch auch nichts anderes als ein deutliches Rückzugsgefecht.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Sie kennen die bundesweite Lage. Dreizehn Länder sagen: Wir denken gar nicht daran. – Drei wollen eine Regelung wie wir. Der damalige Bundesumweltminister hat auch gesagt, er sehe die Notwendigkeit nicht und darum wolle er auch keine bundeseinheitliche Lösung.

Wenn Sie sagen, wir warten ab, bis wir eine bundeseinheitliche Lösung bekommen, können wir uns darauf verständigen. Dann dürfen Sie nur nicht immer so tun, als ob Sie eine Regelung nach dem Motto „flächendeckende Prüfung“ bräuchten, ohne dann klarmachen zu können, warum wir wirklich eine solche Lösung brauchen.

Wenn Sie eine bürgerfreundliche und soziale Lösung wollen, dann machen Sie doch bitte erst einmal klar, ob die von Ihnen behauptete Gefahr besteht! Wir haben doch angeboten, dass wir, wenn der Beweis erbracht ist, dass die Gefahr besteht, mitmachen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordnetenkollegen Markert zulassen?

Peter Biesenbach (CDU): Bitte.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Lieber Kollege Biesenbach, herzlichen Dank für die Möglichkeit, hier eine Frage zu stellen. Sie beziehen sich in Ihren rechtlichen Ausführungen, wenn Sie von Gutachten sprechen, offensichtlich regelmäßig auf das Gutachten, das die Linksfraktion, die früher diesem Landtag ja angehört hat, beim gutachterlichen Dienst des Landtags in Auftrag gegeben hat.

Ist Ihnen denn dann auch bekannt, dass offensichtlich bei der Erstellung des Gutachtens ein veralteter Gesetzestext zugrunde gelegt wurde?

Peter Biesenbach (CDU): Herr Markert, mit einer solchen Attacke hätten Sie bei der Europameisterschaft den Ball nicht einmal in das gegnerische Feld bekommen. Warum?

(Heiterkeit von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Er ist auch kein Holländer! – Hans Christian Markert [GRÜNE]: Ich spiele übrigens Floorball und nicht Fußball!)

– Ich beziehe mich ja gerade nicht auf ein bestimmtes Gutachten. Ich kenne auch diese Stellungnahme. Aber diese Stellungnahme ist identisch mit einem Gutachten eines Rechtsprofessors der Universität Köln, den Bürgerinitiativen beauftragt haben. Dieses Gutachten basierte auf aktuellen Gesetzestexten. Beide sind in ihrem Schluss identisch. Also leider keine Entlastung für Sie, sondern allenfalls der Beleg, dass die Juristen, die sich bisher dazu schriftlich geäußert haben, ein und derselben Meinung sind.

Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, dass Sie sagen: Wir wollen eine bürgerfreundliche und soziale Lösung. – Dann wählen Sie doch eine Lösung und versuchen Sie sich dann bitte mit den Grenzwerten auseinanderzusetzen, die ich im Januar angesprochen habe!

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie haben gerade gesagt, Sie hätten die Reden aus dem Januar noch einmal nachgelesen. Ich habe leider kein Wort dazu gehört. Ich will das gerne noch einmal aus meiner damaligen Rede zitieren: Nehmen wir eine ganz simple Situation, was die Gefahr für das Grundwasser und den Boden angeht. Es gibt Messungen aus der Stadt Dülmen. Dort wurde verglichen – das ist rechnerisch und wissenschaftlich nie angegriffen worden –: Wie groß ist denn die Gefahr aus möglicherweise undichten Hausanschlussleitungen und dem täglichen organischen Schmutzfrachteintrag aus legalen und zugelassenen Kläranlagenabläufen? Jetzt kommen doch die Zahlen, die uns zumindest erschreckt haben. Es zeigt sich, dass das Verhältnis zum organischen Schmutzfrachteintrag eins zu 400 ist. Das heißt, das, was für Kläranlagen genehmigt und zugelassen ist, ist am Auslass 400-fach höher als die denkbare Belastung durch undichte Hausanschlussleitungen.

Und noch schlimmer wird es, wenn es um die angeblichen pharmazeutischen Medikamentenrückstände in Abwässern geht. Da ist das Verhältnis eins zu 10.000. Noch einmal: Das Frachtverhältnis, das auch Sie zulassen, das Sie aus Kläranlagenabläufen genehmigen, ist bei pharmazeutischen Medikamentenrückständen 10.000-fach höher als das errechnete Risiko aus den Hausanschlussleitungen.

Wenn Sie sich mit diesen Fakten auseinandersetzen und wir uns darüber unterhalten können und dann wirklich in die Sache einsteigen, dann kommen wir auch ein Stückchen weiter vorwärts. Aber lassen Sie Ideologie weg und lassen Sie Vorsorge da weg, wo keine Gefahr besteht!

(Beifall von der CDU)

Insoweit freue ich mich, Herr Rohwedder, dass wir diese Thesen wirklich im Ausschuss vertiefen können. Ich bin einmal gespannt, Herr Schmeltzer, ob die Koalition dann noch zulegen kann

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Seien Sie gewiss!)

ober ob Sie sagen: Okay, wir warten auf die bundeseinheitliche Lösung.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Wir sind damit am Ende der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/45 an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Darf ich fragen, wer dieser Überweisung zustimmen möchte? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisungsempfehlung angenommen und der Gesetzentwurf einstimmig an die genannten Ausschüsse überwiesen.

Wir treten ein in den Tagesordnungspunkt

8   Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes und zur Änderung weiterer kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften


Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/48 – Neudruck

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile zunächst für die antragstellende SPD-Fraktion dem Kollegen Börschel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Martin Börschel*) (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben heute offensichtlich nicht nur eine Vielzahl von Jungfernreden, sondern auch eine Jungfernpräsidentschaft. Ich habe mich früher immer gerne mit Ihnen in einer anderen Rolle – so vis à vis – gezankt. Jetzt müssen Sie unparteiisch und milde hinter mir wachen. Darauf freue ich mich sehr.

(Heiterkeit)

Ich bin gespannt, ob wir das beide hinbekommen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Die Freude ist ganz meinerseits, Herr Kollege.

(Heiterkeit – Allgemeiner Beifall)

Martin Börschel*) (SPD): Na gut.

Es ist in der letzten Wahlperiode das Anliegen der SPD-Fraktion und auch der Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen gewesen, das kommunale Ehrenamt in Räten, Kreistagen und Landschaftsverbänden zu stärken. Wir haben das in unserem Gesetzentwurf, der am 9. Dezember 2011 plenar beraten wurde, zum Ausdruck gebracht. Dem sind damals wie heute dankenswerterweise auch die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion beigetreten. Ich kann vollinhaltlich auf meine damalige plenare Einbringungsrede vom 9. Dezember des vergangen Jahres Bezug nehmen, damit ich das hier nicht wiederholen muss.

Wir bringen das Gesetz unverändert wieder ein, damit wir die Angelegenheit beschleunigen können, weil es uns wirklich sehr wichtig ist, für die Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen etwas zu tun. Ich hoffe sehr, dass auch die CDU-Fraktion – damals hat sie noch durch ihren designierten Generalsekretär Löttgen, der kommunalpolitischer Sprecher war, angekündigt, da eine ernsthafte und wohlwollende Prüfung vornehmen zu wollen – dem vielleicht noch beitreten kann. Das wäre sehr schön.

Wir wollen also beschleunigen, sagen allerdings schon jetzt bei der Einbringung dieses unveränderten Gesetzentwurfs, dass wir einen Änderungsantrag gemäß des Koalitionsvertrages von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einbringen werden – einen Änderungsantrag, der im Wesentlichen auf den Punkten beruht, die in der Sachverständigenanhörung, die es, kurz bevor sich der Landtag aufgelöst hat, noch gegeben hat, unstreitig von den Expertinnen und Experten formuliert worden sind.

Ich will insbesondere die Regelung zur Hausarbeitsentschädigung, die wir dringend treffen wollen, herausgreifen. Durch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen gibt es hier seit Neuerem ein Problem. Das wollen wir ebenfalls im Rahmen dieses Gesetzentwurfs regeln. Wir möchten auch kritisch die Genehmigungspflicht von Aufgaben, die auf Veranlassung des Rates wahrgenommen werden, bei Kolleginnen und Kollegen, die Angestellte oder Beamte des öffentlichen Dienstes sind, überprüfen – also im Rahmen des Nebentätigkeitsrechts.

Auch das war uns von den kommunalpolitischen Vereinigungen einmütig als Anregung mit auf den Weg gegeben worden. Das möchten wir aufgreifen und schauen, ob es weitere Punkte gibt, die aus der Sachverständigenanhörung wichtig sind und noch umgesetzt werden können. Auch dazu laden wir CDU und FDP, aber selbstverständlich auch die Kolleginnen und Kollegen der Piraten ein, das wohlwollend und kritisch mit uns zu beraten.

Wir haben zugesagt – das werden wir auch umsetzen –, noch einmal eine Expertenkommission ins Leben zu rufen, die sich mit weiteren Stärkungen des kommunalen Ehrenamts beschäftigt, aber auch mit einer Stärkung der Räte gegenüber den Verwaltungen insgesamt. Da haben wir noch nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen. Wir sind darauf angewiesen, dass uns Expertinnen und Experten dabei helfen. Das werden wir offen angehen, kündigen aber an, dass es diesen Prozess geben wird. Ich hoffe, dass wir das hier gemeinsam gut und konstruktiv beraten können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Börschel. – Für die zweite antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Mostofizadeh das Wort. Bitte schön.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist, wie gesagt, der dritte Gesetzentwurf, der von der letzten Plenarrunde übriggeblieben ist, als der Landtag aufgelöst worden ist. Dazu möchte ich noch einige Takte sagen.

Kollege Börschel hat schon eingeleitet, dass das kommunale Ehrenamt gestärkt werden muss. Wir hatten im Kommunalausschuss zu dem Themenbereich einige Beratungen. Es gibt manchmal auch Auseinandersetzungen zwischen den Hauptamtlichen und den Ehrenamtlichen in den Räten und Kreistagen. Insofern will ich für meine Fraktion ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir den Weg, das kommunale Ehrenamt zu stärken, konsequent weitergehen werden – möglicherweise zulasten des hauptamtlichen Bereichs. Das ist aber ausdrücklich gewünscht.

Ich möchte schildern, wie es in den Kommunen derzeit aussieht. Wir haben kein Überangebot von Leuten, die gerne ehrenamtlich kommunal arbeiten wollen, was mit erheblichem Aufwand und möglicherweise mit beruflichen Risiken verbunden ist. Wenn dann noch dazukommt, dass man sich täglich oder häufig darüber streiten muss, ob man zu der Sitzung gehen kann, ist das problematisch. Bei einer Sitzung mag es noch überschaubar sein, aber nicht bei all den anderen Punkten, die Herr Börschel angesprochen hat: Vorbereitung, Ausarbeitung, Gremien, die sich auf das Mandat beziehen.

Ein weiterer Punkt, bei dem dieses Beratungsverfahren vielleicht gar nicht ausreichen wird – das hat Herr Börschel schon ausdrücklich gesagt –, ist die Frage: Wie kann man die Problematik mit Freiberuflerinnen und Freiberuflern und bei Schichtarbeit regeln? Wir hatten früher einmal das andere Extrem – das will ich auch nicht verhehlen –, dass manche gemeint haben, so ein Kommunalmandat kann dazu geeignet sein, sich etwas von beruflichen Pflichten zu verabschieden, und viele Termine genau auf diese Gremientage gelegt haben. Ich glaube, wir haben mittlerweile – das ist auch der Rechtsprechung geschuldet – zum Teil genau das gegenteilige Bild, dass es zunehmend für Gleitzeitler, aber auch für viele andere schwierig wird, ihre Pflichten wahrzunehmen.

Ich will hinzufügen: Es ist nicht hinzunehmen, dass, weil man Gleitzeit oder verschiedene andere Verpflichtungen hat, quasi alles, was nicht mit dem kommunalen Ehrenamt zu tun hat und nicht originär beruflich ist, in die Nachtzeiten zu verlegen ist, angefangen bei der Kinderbetreuung – da ist es noch am offensichtlichsten –, aber auch bei so profanen Tätigkeiten wie zu Hause aufräumen, waschen und anderes. Es kann nicht verlangt werden, dass dies, weil jemand ehrenamtlich tätig ist, auf seinem Rücken ganz persönlich ausgetragen wird.

Da gilt es, eine Balance zu finden. Der Gesetzentwurf ist da ein erster guter Aufschlag. Aber es wird unsere Aufgabe sein – das hat Herr Börschel schon angekündigt –, an diesem Thema weiterzuarbeiten. Wir werden uns möglicherweise auch in dem einen oder anderen Fall zulasten der sogenannten hauptamtlichen kommunalen Familie entscheiden müssen. Aber ich glaube, die ehrenamtliche kommunale Familie ist das Fundament, die leistungsfähig und entscheidungsfähig bleiben muss.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die dritte antragstellende Fraktion, die FDP, erteile ich dem Kollegen Dr. Stamp das Wort, der heute nicht nur Geburtstag hat, sondern jetzt auch seine Jungfernrede als Abgeordneter des Landtags halten kann.

(Allgemeiner Beifall)

Sie haben das Wort.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Vielen Dank für den herzlichen Empfang. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes greift ein wichtiges Anliegen auf. Diejenigen von Ihnen, die selbst kommunale Erfahrung haben, wissen, wie wichtig es ist, dass wir die Vereinbarkeit von ehrenamtlichem Mandant und Beruf stärken.

Tausende von Bürgerinnen und Bürgern engagieren sich ehrenamtlich und mit großem Idealismus in der Kommunalpolitik. Wir haben als FDP-Landtags­fraktion eine starke kommunale Verankerung. Ich weiß, dass es vielen von Ihnen ähnlich geht. Kollege Beu von den Grünen hat wie ich ein Direktmandat in Bonn. Von daher wissen wir auch, was es heißt, die Wahlkreise entsprechend zu pflegen – gerade auch als kleinere Partei. Das sind große Herausforderungen, die unsere Kommunalpolitiker vor Ort haben.

Sitzungen, Ortsbegehungen, Bürgersprechstunden, Hausbesuche, die Vorbereitung der Termine und vieles mehr führen dazu, dass viele Kommunale de facto einen Halbtagsjob – manche sogar mehr – ehrenamtlich ausüben. Von daher ist es notwendig und richtig, dass Mandatsträger wenigstens für die Zeit, in der sich die Zeiten des Mandats mit der beruflichen Arbeitszeit überschneiden, freigestellt werden können. Für Angestellte mit festen Arbeitszeiten ist das klar geregelt. Aber bei der Gleitzeit sieht das anders aus. Die Gleitzeit nimmt zu und wird auch in Zukunft weiter steigen.

Aus meiner Sicht sind hier zwei Aspekte besonders wichtig:

Zum einen ist es schlichtweg eine Frage der Gerechtigkeit, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in ihrem Berufsfeld über ein großes Kontingent an Gleitzeit verfügen, nicht schlechter gestellt werden als die, die einen geregelten Job, einen typischen Nine-to-five-Job, haben. Hier darf es keine Schlechterstellung geben; das ist ungerecht.

Zum Zweiten – das ist vorhin bei einem meiner Vorredner schon angeklungen – ist es auch eine Frage der Qualität unserer Kommunalpolitiker. Das heißt: Welchen Qualitätsanspruch legen wir an die Politik an? Können wir es uns wirklich erlauben, den Vertretern bestimmter Berufsgruppen nicht die Möglichkeit zu geben, ein kommunales Mandat auszuüben?

Wenn mir beispielsweise Ingenieure aus Forschungseinrichtungen sagen, sie würden sich gerne intensiv in der Kommunalpolitik einbringen, aber sie könnten unmöglich die gesamte Zeit nacharbeiten, weil sie umfassende Gleitzeitregelungen haben, und deswegen würden sie auf das Engagement verzichten, dann können wir uns das meiner Meinung nach nicht leisten, weil wir den Sachverstand und die Expertise dieser Arbeitnehmer auch in den Kommunen brauchen.

Das gilt nicht nur für Ingenieure, sondern für viele verschiedene Berufszweige. Aus diesem Grund ist die Einführung einer Zeitgutschrift für Arbeitnehmer mit Gleitzeit in Höhe der Hälfte der für die Mandatswahl eingesetzten Gleitzeit ein vernünftiger Vorschlag. Er schafft mehr Flexibilität und setzt gleichzeitig keine Missbrauchsanreize, auf die mein Vorredner eben hingewiesen hat.

Notwendig ist gleichfalls die Klarstellung, dass die Entsendung von Vertretern in Gremien privater oder öffentlich-rechtlicher Organisationen auf Veranlassung des Rates erfolgt und damit ein Freistellungsanspruch verbunden ist.

Ebenso begrüßen wir den maßvollen und angemessenen Urlaubsanspruch für kommunalpolitische Weiterbildung. Denn das Kümmern vor Ort ist das eine, die Fachlichkeit und das Fachwissen in den Fachausschüssen ist das andere. Hier bedarf es der Möglichkeit der entsprechenden Weiterbildung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzentwurf entspricht dem gleichnamigen Entwurf aus der vergangenen Legislaturperiode. In der Legislaturperiode davor hat es schon eine Expertenkommission gegeben. Hier sind letztendlich von allen Fraktionen Vorschläge eingeflossen. Es ist eine gute Diskussionsgrundlage, um im Ausschuss weitere Aspekte zu beraten.

Man kann noch darüber diskutieren, wie man mit den Angestellten umgeht, die weder über feste Arbeitszeiten noch über einen definierten Gleitzeitrahmen verfügen. Das wäre ein Punkt, der sicherlich der Erörterung wert wäre.

Auch die Vorschläge der kommunalpolitischen Vereinigungen KPV, SGK, VLK und GAR, die allesamt den Gesetzentwurf im Grundsatz geprüft haben, sollten ebenfalls in Ruhe erörtert werden. Es ist positiv, dass die vielen unterschiedlichen politischen Vereinigungen den Entwurf unterstützen. Deswegen sollten wir das auch entsprechend ernst nehmen.

(Beifall von der FDP und Hans-Willi Körfges [SPD])

Die FDP wird dieses Gesetzgebungsverfahren weiterhin intensiv begleiten. Wir sind uns, denke ich, im Ziel alle einig. Wir wollen jedem Berufstätigen, unabhängig davon, wie seine Arbeitszeit im Berufsleben organisiert ist, die Möglichkeit geben, sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu engagieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. Noch einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede! Die leichte Überziehung der Redezeit betrachten wir als Geburtstagsbonus. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Voussem. Bitte schön.

Klaus Voussem (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Nordrhein-Westfalen engagieren sich über 20.000 Ehrenamtler in Räten, Kreistagen, Bezirksvertretungen und Ortsverbänden für das Funktionieren der Demokratie im Kleinen. Das Ehrenamt ist damit das Rückgrat der kommunalen Selbstverwaltung und ist es auch wert, heute noch einmal einen besonderen Stellenwert eingeräumt zu bekommen.

Das Leitbild des Freizeitpolitikers allerdings begegnet angesichts des stetigen Zeitaufwands sowie komplexer werdender Themen und Kontrollaufgaben heutzutage vielerorts wachsenden Schwierigkeiten. Ratsmitglieder leisten für ihr Mandat oft 20 Wochenstunden und mehr. Zwar finden die meisten Sitzungen abends statt, doch die veränderte Arbeitswelt mit Gleitzeit und flexiblen Dienstplänen verlangt nach einer Gesetzesreform.

Nach der derzeit geltenden Regelung können sich Ratsmitglieder nur während der normalen Arbeitszeit freistellen lassen. Wer gleitet, muss die ehrenamtlichen Stunden der Ratsarbeit meist später nachholen, auch weil die Gemeinde keinen Verdienstausfall zahlt. Das wird nicht nur als ungerecht und unzeitgemäß empfunden, sondern es schreckt auch Kandidatinnen und Kandidaten für den Rat ab. Nicht von ungefähr klagen inzwischen 89 % der Mandatsträger über Probleme und Nachteile am Arbeitsplatz.

Ohne das ehrenamtliche Engagement aber funktioniert die Kommune nicht. Räte müssen auch in Zukunft ein Spiegelbild unserer Gesellschaft sein. Daher ist es zunächst einmal gut, dass sich der Landtag auch in der 16. Wahlperiode schnell wieder mit dem Thema „Stärkung des Ehrenamtes“ beschäftigt und die SPD auch in der neuen Wahlperiode eine Arbeitsgruppe einrichten will, die sich des Themas annehmen soll.

Ich möchte daher heute nur auf einige wenige, für uns jedoch wichtige Punkte des vorliegenden Gesetzentwurfs eingehen.

Für eine effektive und sachgerechte Ausübung des kommunalpolitischen Mandats ist Fort- und Weiterbildung zwingend erforderlich. Daher ist ein spezieller kommunalpolitischer Fortbildungs- und Urlaubsanspruch sehr zu begrüßen, insbesondere weil eine Mehrfachgewährung bei Doppelmandatsträgern ausgeschlossen und die Anrechnung auf die allgemeine Arbeitnehmerweiterbildung vorgesehen ist.

Die Ausweitung der Freistellungsregeln auch für die Entsendung von kommunalen Mandatsträgern in Organe und Gremien von juristischen Personen und Vereinigungen des privaten und öffentlichen Rechts ist grundsätzlich ebenfalls zu begrüßen. Zu hinterfragen ist diese Regelung allerdings vor dem Hintergrund, dass die Kommune verdienstausfallpflichtig dafür ist, wenn ein Mandatsträger für eine Drittorganisation freigestellt wird. Warum sollte nicht die Drittorganisation diesen Verdienstausfall selbst tragen?

Im Rahmen der bereits mehrfach angesprochenen Expertenanhörung zu diesem Gesetzentwurf in der letzten Wahlperiode wurde insbesondere von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände der Eingriff in arbeitsrechtliche Vertragsbeziehungen problematisiert, der eine Rechtfertigung regelmäßig nur dann erfährt, wenn das Interesse des Allgemeinwohls dies zwingend erfordert.

Die verfassungsrechtlich notwendige Rechtfertigung dieser Regelung ist in der Neuausrichtung dann nicht unproblematisch, wenn nicht nur der Schutz des Ehrenamtes vor konkreten Kollisionen erreicht wird, sondern auch abstrakt-pauschale Gleitzeitanteile angerechnet werden. Vor Konflikten in der Belegschaft wurde in diesem Zusammenhang bereits ebenfalls gewarnt.

Außerdem wurde bemängelt, dass es viele weitere Arbeitsverhältnisse zum Beispiel in Schichtarbeit gibt, die von dieser Regelung nicht profitieren, aber dieselben Schwierigkeiten haben, wenn ein Ehrenamt ausgeübt werden soll.

Kritisch anzumerken ist schlussendlich auch, dass der vorliegende Gesetzentwurf keine Verbesserung für die Situation Selbstständiger bietet.

Ob das Vorhaben seinem Anspruch gerecht wird, das hehre Bild des ehrenamtlich tätigen kommunalen Mandatsträgers einerseits mit den tatsächlichen Anforderungen an einen kommunalen Mandatsträger heutiger Prägung unter Berücksichtigung insbesondere beruflicher Aspekte in Einklang zu bringen, wird sich im Verlaufe der weiteren Beratungen noch zeigen müssen.

Insgesamt bleibt positiv, dass ein Gesetzentwurf und damit die Thematik wieder auf dem Tisch liegen. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt gesetzliche Rahmenbedingungen und kann insoweit nur ein erster Schritt sein. Weitere müssen folgen. Diese haben Sie, Kollege Börschel, bereits angekündigt.

Für heute werden wir uns als CDU-Fraktion der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Kommunalpolitik selbstverständlich anschließen und uns bei den weiteren Gesprächen konstruktiv einbringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Voussem. – Für die Piratenfraktion erteile ich jetzt zu ihrer Jungfernrede der Kollegin Pieper das Wort. Bitte schön.

Monika Pieper (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schön, dass wir uns einig sind, dass der vorliegende Gesetzentwurf sehr wichtig ist. Er ist sogar elementar. Hier geht es um die Beteiligung der Menschen in NRW an demokratischen Prozessen. Und das ist ein Piraten-Kernthema.

Ich habe mich in den letzten Tagen mit vielen Ehrenamtlern unterhalten. Sie haben immer häufiger Probleme, den Beruf, die Familie und auch noch das Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen. Die Aufgaben werden immer komplexer, ohne dass eine angemessene Aufwandsentschädigung für viele Aufgaben und Tätigkeiten gezahlt wird. Deswegen wird es immer schwieriger, engagierten Nachwuchs zu finden. Wir brauchen aber über 20.000 Menschen in den kommunalen Gremien.

Die kommunalen Aufgaben erfordern außerdem ein zunehmendes Maß an Fortbildungsbereitschaft. Man kann nicht erwarten, dass diese Fortbildungen ausschließlich in der Freizeit stattfinden. Der Gesetzentwurf sieht hier acht Tage in fünf Jahren vor. Das sind nicht einmal zwei Tage im Jahr. Das wird auf lange Sicht nicht ausreichen.

Im Blick behalten muss man auch die zusätzlichen finanziellen Belastungen der Kommunen. Durch den Ausgleich der Einkommensausfälle entstehen enorme Kosten. Diese müssen sicherlich von den Kommunen übernommen werden. Viele Kommunen befinden sich jedoch am Rande ihrer Belastbarkeit; einige haben diese Grenze längst überschritten.

Das Gesetz bürdet den Kommunen weitere finanzielle Belastungen auf. Die Umsetzung muss durch weitere Anstrengungen der Landesregierung auch realisierbar sein. Der Aktionsplan Kommunalfinanzen und der Stärkungspakt Stadtfinanzen sind dazu ein erster Schritt. Weitere Schritte sollten folgen.

Bei meinen Recherchen wurde aber auch eines sehr schnell deutlich: Vielen Bürgern ist überhaupt nicht bewusst, dass auf kommunaler Ebene viele Aufgaben im Ehrenamt liegen und gar nicht bezahlt werden. Hier gibt es ein deutliches Informationsdefizit.

Liebe Kollegen und Kolleginnen der Regierungskoalition, in Ihrem Koalitionsvertrag betonen Sie immer wieder, Bürgerbeteiligung verbessern zu wollen. Sie wollen Bürgerengagement fördern. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht im Ansatz dieser Forderung und ist daher zu begrüßen.

Vor der Bürgerbeteiligung steht jedoch die Bürgerinformation. Frau Kraft hat erklärt, dass Informationen aus Betroffenen Beteiligte machen. Dem stimme ich umfassend zu. Die Bürger erwarten von den kommunal- und landespolitischen Gremien mehr Transparenz und Offenheit. Damit meine ich allgemein zugängliche Informationen. Das kommunale Ratsinformationssystem ist an der Stelle völlig ungeeignet. Wer das nicht glaubt, hat das Problem noch gar nicht begriffen. Es geht nicht um einen möglichst großen Hürdenlauf auf der Suche nach Information; es geht um einen möglichst barrierefreien Zugang zu allen relevanten Daten – sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene.

Im Koalitionspapier finden sich einige Ansätze zum Thema Bürgerinformation. Hier nehmen wir Sie bei Wort: Sie wollen die Bürger umfassend über politische Prozesse und Entscheidungen informieren. Sie wollen die Voraussetzungen für Beteiligung schaffen. Dann sollten Sie die von Ihnen benannten Ziele Open Data und Open Government zügig in die Tat umsetzen. Schauen Sie einmal in die USA oder nach England. Da haben wir hier noch einen enormen Nachholbedarf.

Es geht um zwei Ansätze: Erstens brauchen wir eine bessere Informationspolitik, um mehr Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern. Nur so werden sich mehr Menschen in NRW aktiv an politischen Prozessen beteiligen.

Zweitens – das finde ich genauso wichtig –: Es geht darum, alle Bürger so gut zu informieren, dass das kommunale Ehrenamt mehr Zustimmung und Respekt erfährt.

(Beifall von den PIRATEN)

Jetzt können Sie zeigen, wie ernst Sie Bürgerinformation nehmen. Wir alle hier im Saal leben und streben nach Demokratie. Dafür brauchen wir das kommunale Ehrenamt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen die Politik in NRW so gestalten und kommunizieren, dass sich die Menschen auf solche Ämter wieder einlassen und sie mit Leben füllen. Hierfür ist das vorliegende Gesetz ein erster Schritt.

Wir sind aber auch sehr gespannt, wie ernst es Ihnen mit der angekündigten konstruktiven Zusammenarbeit ist. Open Data ist sicherlich unsere Zukunft. Open Data ist aber auch Piratenkompetenz. Wir beraten Sie da sehr gerne. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Parlamentsrede. – Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Jäger das Wort. Bitte schön.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kommunales Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement sind kein Selbstzweck und im Übrigen auch keine Selbstläufer. Und damit Menschen in diesem Land in ausreichendem Maße und ohne zusätzliche Belastungen für Familie und Freizeit diesem Amt nachgehen können, bedarf es eines staatlichen Schutzes.

Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich den Gesetzentwurf der Fraktionen, der in einem so breiten Konsens zustande gekommen ist. Er stärkt das bürgerschaftliche Engagement. Er stärkt die ehrenamtliche Mandatswahrnehmung. Er stärkt damit die Demokratie in diesem Land.

Wenn die Landesregierung den Fraktionen Hilfestellung bei der Ausformulierung möglicher Ergänzungen zu diesem Gesetzentwurf im weiteren parlamentarischen Verfahren leisten kann, wird sie dies gerne tun. Ansonsten freue ich mich auf die Beratungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind damit am Ende der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/48 – Neudruck – an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung folgen? Gibt es Gegenstimmen? Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

9   Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag – Erster GlüÄndStV)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/17

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile zunächst für die Landesregierung Herrn Minister Jäger das Wort. Bitte schön.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 31. Dezember 2011 ist der Glücksspielstaatsvertrag außer Kraft getreten. Bis zu einer Neuregelung gilt er nach nordrhein-westfälischem Landesrecht natürlich weiter.

Das Ergebnis einer Evaluierung und die Rechtsprechung des EuGH haben eine Neuregelung des Glücksspielrechts in ganz Deutschland erforderlich gemacht. Mit dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag wurde der entsprechende rechtliche Rahmen neu geschaffen. Ich will versuchen, möglichst kurz auf die Eckpunkte des Änderungsstaatsvertrages einzugehen:

Verankert sind dort die Ziele des Staatsvertrages wie beispielsweise die Bekämpfung der Spielsucht und des Schwarzmarkts. Die Stärkung des Jugend- und Spielerschutzes stehen künftig gleichrangig nebeneinander. Neu ist das Ziel, Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs bei der Veranstaltung und der Vermittlung von Sportwetten vorzubeugen.

Meine Damen und Herren, die Lotterien unterliegen auch zukünftig einem staatlichen Veranstaltungsmonopol.

Und unter dem Aspekt der Schwarzmarktbekämpfung wird das bisherige Internetverbot gelockert. Künftig können unter strengen Voraussetzungen Lotterien, Sport- und Pferdewetten im Internet veranstaltet und vermittelt werden. Damit öffnen wir das Internet als Vertriebsweg. Das ist wichtig für erlaubte Lotterie- und Sportwettenangebote.

Daneben können Fernseh- und Internetwerbung für Lotterien und Sportwetten ebenfalls erlaubt sein.

Der Sportwettenbereich wird liberalisiert. Im Rahmen einer zeitlich befristeten Experimentierklausel sollen 20 Konzessionen an private Sportwettenanbieter vergeben werden.

Wegen des besonders hohen Suchtpotenzials bleibt es für Casinospiele einschließlich Poker bei der strengen Begrenzung des Angebotes auf staatliche Spielbanken.

Die Länder legen Mindeststandards im Bereich des Rechts der Spielhallen fest.

Für zahlreiche Erlaubnisse sind ländereinheitliche Verfahren vorgesehen. Hierfür wird ein Glücksspielkollegium geschaffen, das mit qualifizierter Mehrheit für die Länder entscheidet. Danach erteilt NRW für alle Länder Ausnahmeerlaubnisse für Internet- und Fernsehwerbung für Lotterien und Sportwetten.

Für die Umsetzung der Ziele des Staatsvertrages in unserem Land sieht das Ausführungsgesetz unter anderem Regelungen vor zum Erlaubnisverfahren für Veranstalter und Vermittler, zur Begrenzung der Anzahl der Annahmestellen für gewerbliche Spielvermittlung, zur Suchtprävention und Suchthilfe sowie zur Suchtforschung und letztendlich zu Sportwetten und Sportwettvermittlungsstellen sowie zu Spielhallen.

Die Bezirksregierung Düsseldorf soll im ländereinheitlichen Verfahren die Erlaubnisse für Internet- und Fernsehwerbung für alle Anbieter erteilen.

Die Neubekanntmachung des Spielbankgesetzes in Art. 3 dient dazu, notwendige redaktionelle Anpassungen vorzunehmen.

Ich habe wirklich versucht, kurz darzustellen, welche Ziele dieses Gesetz verfolgt, und verbinde dies mit einer eindringlichen Bitte an das Parlament: Eigentlich sollte dieses Gesetz am 1. Juli 2012 bundesweit in Kraft treten. In 14 Bundesländern ist es bereits ratifiziert. Alle warten auf Nordrhein-Westfalen. Die Ratifizierung dieses Gesetzes war aufgrund der Auflösung und Neuwahlen zum Landesparlament nicht möglich. Deshalb die eindringliche Bitte der Landesregierung an das Parlament, dieses Gesetz im anschließenden Beratungsverfahren möglichst zügig zu behandeln. Die Landesregierung steht für Unterstützung gerne zur Verfügung. Es geht darum, dass Lotteriegesellschaften in Nordrhein-Westfalen durch die ausstehende Ratifizierung keine Nachteile erlangen und dieses Gesetz möglichst schnell und zügig in den anderen Bundesländern Wirkung entfalten kann.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss und verbinde das noch einmal mit der eindringlichen Bitte an das Parlament, einen möglichst zügigen Parlamentsberatungsverlauf zu gewährleisten. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Töns das Wort. Bitte schön.

Markus Töns (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wie eingangs von der Landesregierung bereits erläutert, gibt es vielerlei Gründe für die nun vorgelegte Novelle des Glücksspielstaatsvertrages.

Ziel dieses neuen Staatsvertrages sind unter anderem, das Entstehen von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern, Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, das Spielverhalten in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, der Entwicklung unerlaubten Glücksspiels in Schwarzmärkten entgegenzuwirken, den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten, sicherzustellen, dass Glücksspiel ordnungsgemäß durchgeführt wird und Manipulationsmöglichkeiten abgewehrt werden, Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorzubeugen – das ist ein ganz wichtiger Aspekt –, die Kanalisierung illegalen Spiels sowie die Kriminalitäts- und Betrugsverminderung. Verbraucherschutz und Suchtbekämpfung stehen in der Diskussion nun gleichberechtigt nebeneinander.

Meine Damen und Herren, um diese Ziele zu erreichen, sind differenzierte Maßnahmen für die einzelnen Glücksspielformen vorgesehen. Das dazugehörige Ausführungsgesetz soll den uns verbleibenden Gestaltungsspielraum für landesspezifische Regelungen geben, und zwar insbesondere hinsichtlich der Regelungen zu Spielhallen, aber auch zu Sportwetten.

Lassen Sie mich an dieser Stelle an den ersten Glücksspielstaatsvertrag erinnern: Am 1. Januar 2008 trat er in Kraft. Am 8. Oktober 2010 scheiterte er vor dem Europäischen Gerichtshof, also knapp drei Jahre nach seinem Inkrafttreten.

Das ist – neben der Novellierung – einer der Gründe – der Minister hat das eben erwähnt –, dass wir uns heute auch wieder mit einem Glücksspielstaatsvertrag, mit einem Änderungsstaatsvertrag, beschäftigen müssen, weil wir nämlich auch der europäischen Gesetzgebung Rechnung tragen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wir hatten Ihnen das damals prophezeit. Wir hatten schon in den Beratungen 2008 darauf hingewiesen, dass dieser Staatsvertrag nicht dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union entsprechen wird. Der EuGH bekräftigte zwar das Recht eines staatlichen Wettmonopols zum Schutz von Verbrauchern, aber die Richter kritisierten auch den Verstoß gegen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit und den nicht ausreichenden Versuch der Spielsuchtbekämpfung.

Deshalb orientieren wir uns an dem im rot-grünen Koalitionsvertrag festgehaltenen Grundsatz, am Prinzip der gesellschaftlichen Verantwortung sowie an Suchtprävention, Jugendschutz, der Kanalisierung illegalen Spiels, der Kriminalitätsbekämpfung, dem Schutz vor Manipulation und der Integrität der sportorientierten Glücksspielpolitik, welche nach unserer Auffassung die Förderung des Breitensports, der caritativen Organisationen, des Denkmalschutzes, der Kultur – das wissen Sie alle – sowie weiterer Verbände und Vereine aus dem gemeinnützigen Bereich sicherstellen. Dies ist von ganz enormer Bedeutung.

Wir werden uns daher im Ausschuss in einer möglichst zügigen, aber auch ausführlichen Beratung damit befassen. Ich unterstütze ausdrücklich den Wunsch des Ministers und hoffe, dass Sie uns dabei auch folgen können, möglichst ein zügiges Beratungsverfahren hinzubekommen – bei der Gewährung aller Rechte dieses Hauses und aller Fraktionen. Wir sprechen uns deshalb für eine konstruktive Beratung aus. Ich hoffe und freue mich auf gute Beratungen im Ausschuss und wünsche Ihnen ein herzliches Glückauf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Biesenbach das Wort. Bitte schön.

Peter Biesenbach (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einiges von dem, was der Minister und der Kollege Töns gesagt haben, kann ich stehen lassen. Dem kann ich folgen. Das brauche ich nicht zu wiederholen. Das ist die Historie. Das sind die Ziele. Beides können wir bestätigen. Beides tragen wir mit.

Von daher ist vielleicht der Blick auf die Schwerpunkte des Glücksspieländerungsstaatsvertrages und des Entwurfs des Ausführungsgesetzes zu werfen.

Wir haben hier die Möglichkeit, ein Konzessionssystem für Sportwetten einzuführen. Das sind so die beiden wichtigen Dinge. Und wir haben – teilweise im Änderungsvertrag, teilweise im Ausführungsgesetz vorgeschlagen – eigentlich strenge Regelungen für Spielhallen. Insbesondere das Verbot von sogenannten Mehrfachkonzessionen hat ja zu erheblichen Debatten geführt.

Ich denke, Herr Minister, wir werden uns in den Ausschusssitzungen darüber ausführlich unterhalten. Die Ziele sind natürlich mitzutragen. Aber: Sind diese mit den vorgelegten Änderungen auch erreichbar? Sind sie umsetzbar?

Wir werden uns – wie immer – ferner mit den rechtlichen Ausführungen in der Kleinen Anfrage der Kollegen Abruszat und Höne auseinanderzusetzen haben. Auch sie gehören in das Thema. Die Anwaltskanzleien, die anschließend den Rechtsstreit führen wollen, haben Sie bereits benannt.

Dennoch werden wir, glaube ich, an einer Anhörung nicht vorbeikommen. In dieser Anhörung wird es darum gehen: Sind die Folgen in Bezug auf Suchtabhängigkeit so, wie sie geschildert werden? Denn sie sind ja nicht mehr unumstritten. Die Schilderungen sind nicht unumstritten. Ich verspreche mir gerade von den Anhörungen, dass wir dann auch die, die einer strengeren Regel skeptisch gegenüberstehen, überzeugen können, dass diese Regeln erforderlich sein werden, um eine Suchtgefährdung zu vermeiden. Aber das gilt es, Herr Priggen – Sie nicken gerade –, in der Anhörung überzeugend zu belegen. Dies wird im Anschluss auch die Debatte im Ausschuss erleichtern.

Ebenso ist in der Anhörung und der Ausschussarbeit zu klären, inwieweit finanzielle Folgen einzutreten haben, etwa für die Destinatäre. Wir haben noch keine Lösung dazu, wie sich der Wegfall von Zweckausgaben auswirkt. Aber die Folgenbetrachtung gehört natürlich auch zu einem Gesetz. Sie gehört auch zu dem, was wir wollen.

All die Arbeit soll – auch einverstanden – zügig und konkret im Ausschuss erfolgen. Dann werden wir hoffentlich abschließend hier zu einer konsensualen Lösung kommen. Wir bieten sie an. Wir stimmen natürlich der Überweisung an den Ausschuss zu.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Priggen das Wort. Bitte schön.

Reiner Priggen (GRÜNE): Auch von meiner Seite aus, Herr Präsident, alles Gute an der neuen Stelle. Auf eine gute Zusammenarbeit!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann eigentlich nahtlos anschließen an das, was Kollege Biesenbach, Kollege Töns und auch der Innenminister vorhin schon gesagt haben.

Die Beschreibung der Situation, warum wir hier stehen: Auslaufen des alten Glücksspielstaatsvertrages, Probleme mit der EU-Rechtsprechung und der Änderungsstaatsvertrag, der bei uns im parlamentarischen Verfahren etwas hängt, weil durch die Neuwahlen alles in die Diskontinuität gefallen ist.

Richtig ist auch: Es braucht nur 13 Länder, nicht alle 16. Aber es ist sinnvoll, dass auch Nordrhein-Westfalen nachzieht, auch zügig nachzieht, weil wir im Rahmen der Aufgabenverteilung, bei der einzelne Länder einzelne Aufgaben für alle anderen übernehmen, eine wichtige Aufgabe zukünftig hier bei der Regierungspräsidentin in Düsseldorf haben.

Mein Kenntnisstand war auch, dass 13 Länder den Änderungsstaatsvertrag beschlossen haben und in Hessen in der nächsten Woche die zweite Lesung stattfinden soll. Das heißt, er wird damit am 1. Juli in Kraft treten.

Wir sollten gucken – wir haben ja auch noch einen Obleutetermin im Anschluss an diese Sitzung, bei dem wir uns über Anhörungen verständigen –, dass wir uns schnell und konsensual auf einen Termin und die Verfahrensweise einigen, damit wir in der angemessenen Gründlichkeit und mit den notwendigen Beteiligungsrechten im September die Anhörung durchführen können und möglichst im Oktober zu einer Beschlussfassung kommen, damit wir mit den anderen Ländern gleichziehen.

Der Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist in den anderen Bundesländern trotz wechselnder Regierungsmehrheiten immer beschlossen worden. Das heißt, es gibt ein hohes Konsenspotenzial, weil wir da zu gemeinsamen Regelungen kommen müssen.

Ich persönlich finde es auch erfreulich, dass sich die Position Schleswig-Holsteins ein Stück weit geändert hat und man sich dort der Position der anderen Bundesländer anschließt. Die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein hat sich in Person des Ministerpräsidenten geäußert. Schleswig-Holstein möchte dem Vertrag auch beitreten, muss aber – richtigerweise – prüfen, mit welchen potenziellen Entschädigungsforderungen zu rechnen ist, weil auf der alten Grundlage Konzessionen vergeben worden sind, die bis zu einer bestimmten Jahreszahl Gültigkeit haben. Da muss man schauen, wie die Schleswig-Holsteiner das sauber abwickeln können. Dann hätte man aber unter Umständen den Zustand, dass alle 16 Bundesländer den Staatsvertrag einheitlich tragen und man dann vernünftig damit arbeiten kann.

Detailfragen – unter anderem hinsichtlich der Destinatäre – müssen wir besprechen; das ist richtig. Geklärt werden muss auch, wie konkret die Regelungen in Bezug auf das Automatenspiel vor dem Hintergrund des dort vorhandenen Suchtgefährdungspotenzials zu fassen sind. Das können wir im Ausschuss und in der Anhörung aber in aller Gründlichkeit machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Witzel. Bitte schön.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die FDP-Landtags­fraktion eine konstruktive Oppositionsrolle wahrnimmt, will ich zunächst einmal etwas Positives sagen: Im ganzen Beratungsverfahren des letzten Jahres hat Staatssekretär Lersch-Mense uns als Fachpolitiker sehr intensiv informiert. Wir haben regelmäßig Konsultationen gehabt und den Informationsstand gekannt. Das war bei anderen Staatsverträgen längst nicht üblich. Insofern ist am Beratungsverfahren keine Kritik zu üben.

Dass wir in unterschiedlichen Parteien und Fraktionen in unterschiedlichen Rollen sind und es in der Sache zu anderen Bewertungen kommen kann, ist klar. Das praktizierte Verfahren will ich hier aber ausdrücklich honorieren.

In der Sache sieht das Urteil für uns nicht so positiv aus – insbesondere dann nicht, wenn wir uns anschauen, dass der Europäische Gerichtshof in seinen letzten rechtlichen Entscheidungen unmissverständlich klargemacht hat, dass es in Deutschland zwingend auch neue Regelungen zum Glücksspielrecht geben muss.

Der allererste Entwurf für einen Glücksspieländerungsstaatsvertrag enthielt deshalb auch nur eine formale Öffnung des Glücksspielmarktes, die unzureichend war. Wäre er so ratifiziert worden, hätte er nichts von dem hinreichend erfüllt, was die Grund­sätze von Kohärenz und Marktöffnung ansonsten bedingen. Im Gegenteil! Er hätte Marktwirtschaft und Wettbewerb beschränkt oder sogar verhindert. An dieser Stelle gab es Nachbesserungen.

Einer der markantesten Kritikpunkte war in § 9 Abs. 1 Nr. 5 zu finden. Dort ging es um die Beibehaltung der Netzsperren, die zum Beginn des Diskussionsprozesses eine große Rolle spielten. Da sagen wir als FDP-Landtagsfraktion im Rahmen der sachlichen Abwägung: Gut, dass das in der aktuellen Version nicht mehr enthalten ist! Das ist eine richtige Entscheidung gewesen.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine teilweise Optimierung ist sicherlich auch darin zu sehen, dass ausgehend von der restriktiven Begrenzung der Sportwettenkonzessionen die Zahl von sieben auf 20 hochgesetzt worden ist.

Aber natürlich stellt sich auch hier die Frage: Reicht dies alles aus, um die europäischen Vorgaben damit zu erfüllen?

Wir haben deshalb als FDP-Fraktion mit Spannung das Notifizierungsschreiben der EU-Kommission er­wartet. Diese hat nun deutlich gemacht, dass es dort durchaus noch offene Fragen gibt. Von grünem Licht kann bei ihren Äußerungen gegenüber den Staatskanzleien insgesamt also sicherlich nicht die Rede sein. Näheres weist die sogenannte Detailed Opinion der EU-Kommission aus.

Die EU-Kommission stellt sich immer noch die Frage der Gesamtkohärenz der Maßnahmen und erklärt, dass diese noch nicht abschließend in ihrer Gesamtwirkung beurteilt werden können.

Ein Nachweis über die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen bei Sportwettenlizenzen fehlt der EU-Kommission nach wie vor. Daran hat alleine der Umstand der Erhöhung der Lizenzzahlen natürlich nichts geändert.

Die EU-Kommission definiert klare Kriterien, die zukünftig für rechtssicheres Glücksspiel gegeben sein müssen. In Erlaubnisverfahren müssen die Ausgestaltungen transparent und nicht diskriminierend sein. Vor allem müssen sie so sein, dass insbesondere staatliche Anbieter nicht bevorzugt werden. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode immer darauf hingewiesen, dass es ein großes Problem darstellt, wenn bei Sportwetten für private Anbieter deutlich höhere Hürden vorliegen als für staatliche.

Darüber hinaus kann die EU-Kommission nicht einschätzen, inwieweit die kritischen hohen Anforderungen der Lizenzerteilung überhaupt ein wirtschaftliches legales Glücksspielangebot ermöglichen. Auch in den Sprecherrunden waren wir uns immer einig, dass dies ein ganz wichtiger Bewertungsaspekt ist. Wir wollen nicht den illegalen Wettraum stärken, sondern das Glücksspielwesen – auch im Sinne des Präventionsgedankens – in legale Bahnen lenken.

Des Weiteren hat sich die EU-Kommission zu einem Bereich geäußert, bei dem man sicherlich geteilter Meinung sein kann. Nichtsdestotrotz bestehen auch hier, nämlich beim Verbot von Onlinecasinospielen und Onlinepoker, Fragezeichen seitens der EU. Die EU-Kommission hat deutlich gemacht, dass für sie der Nachweis von Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit noch nicht nachvollziehbar ist.

Das sind markante Prüfpunkte und Fragestellungen, die auch die EU-Kommission immer beschäftigt haben und die sie trotz der Neuerungen und Überarbeitungen für sich noch nicht abschließend dauerhaft und rechtssicher für die Zukunft bewerten kann.

Lassen Sie mich noch auf einen Aspekt im Zusammenhang mit der Gesamtdebatte des Glücksspiels und der Neuregelung hinweisen, nämlich die Frage der Zukunft des Rennwett- und Lotteriegesetzes, und zwar konkret bezogen auf den Bereich der Pferdewetten. Wir hätten gerne noch eine Darlegung der Landesregierung, wie dies eingeschätzt wird: Fällt die Rennwettsteuerrückvergütung? Bleibt sie bestehen? Kann hier zukünftig dem Tierzuchtauftrag und den damit verbundenen Leistungsprüfungen noch nachgekommen werden? Oder werden auf den Rennbahnen in Deutschland schlichtweg bald die Lichter ausgehen, weil ihnen durch solche Regelungen die Finanzierungsgrundlage entzogen wird? Haben die Länder konkrete Pläne, um solche Szenarien zu verhindern? Wenn ja: Wie sollen diese aussehen? – Das sollte von Vertretern der Landesregierung in dieser Debatte noch einmal aufgezeigt werden.

Eine ausführliche Fachanhörung macht natürlich Sinn. Es bleibt aber dabei: In der jetzigen Form lehnen wir diesen Entwurf des Glücksspieländerungsstaatsvertrages ab.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion der Piraten erteile ich jetzt zu seiner Jungfernrede Herrn Kollegen Marsching das Wort. Bitte schön.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Michele Marsching (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass ich nicht der Einzige bin, der hier ein bisschen in die Suppe spucken muss. Der Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist sowohl in meiner Partei als auch in der Netzgemeinschaft umstritten. Sie wissen, die dort enthaltenen Websperren haben die Aufmerksamkeit auf diesen Staatsvertrag gelenkt und zu einer großen Diskussion beigetragen.

Worum geht es? – Der Europäische Gerichtshof – der Kollege Töns hat es bereits gesagt – hat am 8. September 2010 ausgeführt, das staatliche Sportwettenmonopol sei nicht gerechtfertigt, weil damit der Schutz der Spielsüchtigen und auch der Jugendschutz nicht ausreichend gewährleistet werden könnten. Es wurde also beschlossen, einen Änderungsstaatsvertrag zu machen, das Vertriebsverbot für Lotterien zu lockern und im Sportwettenbereich 20 Konzessionen im Bereich der Vermittlung über das Internet zu erteilen.

Im Zeitalter des Internets Konzessionen zum Vertrieb über das Internet zu verteilen, halte ich für sehr fragwürdig. Aber die Kollegen werden mir sicherlich sagen, wie im Internet die Durchführung dieses Staatsvertrags überwacht werden soll, selbst wenn die Websperren nicht mehr drinstehen. Ohne eine technische Lösung sehe ich da keine Möglichkeit.

Jetzt wird den Anbietern eine sogenannte Konzessionsabgabe in Höhe von 5 % abgenommen. Im Grunde genommen sind das Steuern, und zwar von den Einsätzen und nicht von dem, was sie am Ende gewinnen. Faktisch wird es weniger Anbieter geben, die sich darauf einlassen. Das Monopol bleibt bestehen. Denn das Ziel ist ja auch, durch Spielersperren und durch das Aussperren von Anbietern den Schutz der Jugend und der Spieler sicherzustellen.

Frage 1, die ich stelle: Wie wird das Spielverbot sichergestellt, insbesondere wenn ich an das Netz denke? Schleswig-Holstein hat ein eigenes Gesetz verabschiedet. Die EU-Kommission war von diesem Gesetz begeistert. Nicht begeistert war sie vom Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Sie hat gesagt, dass die Änderungen nicht weit genug gehen. Im Grunde genommen bleibt unsere Kritik auch hier bestehen. Jetzt möchte die neue Landesregierung in Kiel ihr eigenes Gesetz zurücknehmen. Sie fürchtet Regressansprüche und möchte gerne in den Glücksspielstaatsvertrag der 15 anderen Länder zurück. Ich frage: Warum orientiert man sich, wenn man sich schon an einer Klage der EU orientiert, nicht auch gleichzeitig am Applaus der EU und damit an der Lösung aus Schleswig-Holstein? Statt einer wirklichen Liberalisierung wird hier versucht, die Zügel in den Händen zu halten.

Sogar Organisationen wie Transparency International sagen, man sollte den Markt liberalisieren, damit Manipulationen aufgedeckt werden können, und nicht den Markt noch weiter zumachen. Denn was macht man? – Man macht die Anbietersperren. Dann werden eben die Anbieter außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums ihre Angebote aufmachen. Wir leben im Zeitalter des Internets.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir machen Spielersperren, wo ich mich frage, wie diese kontrolliert werden. Ich muss als Anbieter jederzeit Zugriff auf eine zentrale Datenbank haben.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Ich frage zweitens: Wo ist der wirksame Datenschutz? – Den finde ich sowohl im Staatsvertrag als auch im Durchführungsgesetz nicht. Das ist doch eine Riesenbeute für jeden Finanzdienstleister. Der hat eine super Negativliste, die er sich nur ansehen muss, um zu erfahren, wer gesperrt ist, weil er eventuell als Spieler überschuldet ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich sage: Die Spieler, wenn sie gesperrt werden, wandern dann eben zu illegalen Angeboten, zur Not außerhalb des europäischen Auslands ab.

Und dann stelle ich Frage Nr. 3: Warum denken wir den Schutz nicht einfach neu? Ich lese so häufig im Koalitionsvertrag das Wort „Prävention“. Warum stellen wir nicht Prävention und Aufklärung nach vorne und kontrollieren die dann legalen Anbieter? Das würde nämlich Jugendschutz sichern und effektiv dazu beitragen, Spielsucht zu bekämpfen, und zwar besser als Verbote und Bevormundungen.

(Beifall von den PIRATEN)

Im Übrigen empfehle ich trotzdem meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Hauptausschuss zur weiteren Beratung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. Als Jungfernpräsident gratuliere ich zur Jungfernrede.

(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist auch diese Beratung abgeschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/17 an den Hauptausschuss. Ich darf fragen, wer dieser Empfehlung Folge leisten möchte und zustimmt. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das ist einstimmig angenommen. Damit geht der Gesetzentwurf an den Hauptausschuss.

Wir kommen zu:

10       Gesetz zum Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (GKL-StV)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/14

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/53

zweite Lesung

Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/53, den Gesetzentwurf Drucksache 16/14 anzunehmen. Ich darf auch hier um Handzeichen bitten, wer diesem Vorschlag zustimmen möchte. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit zwei Gegenstimmen aus der Piratenfraktion und einigen Enthaltungen angenommen.

Wir kommen zu:

11       Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose – GHBG

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/15

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/54

zweite Lesung

Eine Beratung ist auch hier nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/54, den Gesetzentwurf Drucksache 16/15 anzunehmen. Ich darf auch hier fragen, wer dem zustimmen kann. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

12       Zweites Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristung in § 29 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen – VSG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/41

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ereignisse um die NSU-Morde haben das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Arbeit der deutschen Verfassungsschutzbehörden erheblich erschüttert. Diesem Vertrauensverlust wollen wir mit einem transparenten Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen begegnen.

Wir haben deshalb in der Koalitionsvereinbarung die Eckpunkte für eine Reform des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetzes sehr klar festgelegt. Wir wollen einen Verfassungsschutz, der modern, effektiv und vor allem transparent arbeitet. Die Bürgerinnen und Bürger sollen nachvollziehen können, wie eine staatliche Institution, die den Auftrag hat, unsere Demokratie zu schützen, diese Aufgabe wahrnimmt.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Minister Jäger, lassen Sie eine Zwischenfrage aus der Piratenfraktion von Herrn Schatz zu?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Gerne.

Dirk Schatz (PIRATEN): Ich habe eine kurze Frage für den Schluss: Warum wird das Ganze an den Hauptausschuss und nicht an den Innenausschuss überwiesen?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Die Überweisungsregelung legt nicht die Landesregierung, sondern das Parlament selbst fest. Darauf können wir auch gar keinen Einfluss nehmen. Ich würde Ihnen raten, dass Sie im Kreise der Parlamentarischen Geschäftsführer darüber beraten, welche Überweisung aus Ihrer Sicht für diesen Gesetzentwurf sinnvoll ist.

Meine Damen und Herren, wir wollen – das habe ich gerade gesagt – einen modernen und effektiven Verfassungsschutz, der transparent arbeitet, wo die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, wie der Auftrag für diese staatliche Institution, nämlich unsere Demokratie zu schützen, wahrgenommen wird.

Eine solche Novellierung ist in der letzten Legislaturperiode schon ansatzweise beraten und diskutiert worden. Eine umfangreiche Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes ist keine Hexerei; es erfordert aber ein Höchstmaß an Sorgfalt und Gründlichkeit. Ich denke, wir sind uns einig, dass es wichtig ist, dass im parlamentarischen Verfahren ausreichend Gelegenheit dazu besteht, sich intensiv mit der Novelle des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetzes zu beschäftigen.

Ein derartig wichtiges Vorhaben für die künftige Arbeit darf nicht unter Zeitdruck entstehen. Deshalb wollen wir das Verfahren um die Regelungen entlasten, die ausschließlich zu befristen sind. Das bedeutet: Um die Handlungsfähigkeit des Verfassungsschutzes sicherzustellen, wollen wir die Befristung der Maßnahmen nach § 29 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen bis zum 31. März des nächsten Jahres verlängern. Bei der heute vorgelegten Gesetzesänderung geht es daher konkret um die Maßnahmen nach § 5a und § 5 Abs. 2 Nr. 2.

Der nach dem 11. September 2001 eingeführte § 5a betrifft Auskunftsrechte gegenüber Zahlungsdienstleistern sowie gegenüber Telekommunikations- und Teledienstunternehmen. Im Jahre 2006 wurde dann der von mir ebenfalls gerade genannte § 5 Abs. 2 eingefügt. Darin geht es um Befugnisse zum Einsatz von technischen Mitteln bei Observationen.

Es geht letztendlich darum, dass diese beiden Normen bisher bis zum 30. September befristet sind und der Verfassungsschutz dringend eine Verlängerung braucht, um diese Maßnahmen auch zukünftig ergreifen zu können. Ich kündige jedoch gleichzeitig an, dass wir nach der Sommerpause mit einer umfangreichen Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes ans Parlament herantreten werden. Wir sollten uns eine ausreichend breite Zeitschiene reservieren, um diesen sehr umfangreichen Gesetzentwurf zum Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen zu beraten.

Wir bitten darum, diese beiden Regelungen, die sonst bis zum 30. September verfristen würden, bis zur Beschlussfassung über die große Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes, also bis zum 31. März 2013 zu verlängern. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Eine weitere Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt ist heute nicht vorgesehen. Wir kommen somit unmittelbar zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt hier die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/41 an den Hauptausschuss. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Die Überweisungsempfehlung ist bei zwei Enthaltungen und zwei Gegenstimmen der Piratenfraktion angenommen.

Wir kommen zu:

13       Abkommen über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG-Abkommen)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/18

Zur Einbringung des Antrags erteile ich für die Landesregierung Frau Ministerin Steffens das Wort. Bitte schön.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch einmal für diejenigen, die sich damit nicht immer beschäftigen: Was ist die ZLG, die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten? – Auch das ist ein Zusammenschluss, sozusagen eine Zentralstelle aller 16 Bundesländer, die 1994 im Auftrag der 16 Bundesländer gegründet worden ist. Es ist eine nordrhein-westfälische Einrichtung im Geschäftsbereich des für das Gesundheitswesen zuständigen Ministeriums. Diese Zentralstelle nimmt hoheitliche Aufgaben aller Länder im Bereich Medizinprodukte und Koordinierungsfunktionen im Arzneimittelbereich national, aber auch europaweit wahr und harmonisiert dabei Vollzugsaufgaben.

Es ist wichtig, eine solche gemeinsame Stelle zu haben, weil wir damit eine Bündelungsfunktion haben, damit Doppelarbeit zwischen den unterschiedlichen Bundesländern vermieden wird und durch diese gemeinsame Nutzung der Zentralstelle natürlich Synergieeffekte entstehen, aber auch Kompetenzen gemeinsam wahrgenommen werden.

Die ZLG finanziert sich zum größten Teil ihres Haushalts über Gebühren für die Aufgaben, und der verbleibende Finanzierungsbedarf, der über die Gebühren hinaus entsteht, wird über die Länder gedeckt, und zwar wie bei anderen gemeinsamen Aufgaben entsprechend dem Königsteiner Schlüssel.

Warum heute dieses Thema? – Es ist notwendig, eine Anpassung und eine Aktualisierung dieses Abkommens der Länder zu vollziehen, weil wir eine Veränderung und einen veränderten Bedarf haben.

Zum einen müssen wir die Zuständigkeiten im Bereich der nicht aktiven und aktiven Medizinprodukte bezüglich der Akkreditierung neu ordnen, und dieses soll dann bei einer Behörde, der ZLG, gebündelt werden.

Das Zweite, weswegen wir diese Veränderung brauchen, ist, dass die ZLG neu eine Koordinierungsaufgabe im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Qualitätssicherungssystems in der Medizinprodukteüberwachung erhalten soll. Klar ist auch, dass wir eine Aktualisierung der Koordinierungsaufgaben im Arzneimittelbereich vollziehen wollen. Unter anderem soll die ZLG den Internethandel für Arzneimittel und Medizinprodukte, der mittlerweile verstärkt stattfindet, beobachten.

Ich will aus gesundheitspolitischer Sicht einige Beispiele dafür bringen, warum das wichtig ist und warum der Schutz der Gesundheit und die Sicherheit von Patientinnen und Patienten und Verbrauchern und Verbraucherinnen hierdurch verstärkt werden.

Das eine Bespiel kennen viele noch aus der Berichterstattung der letzten Monate. Es betrifft den Brustimplantateskandal. Hierbei ist klar, dass verstärkt vermieden werden muss, dass gefälschte und gefährliche Medizinprodukte in den Verkehr gebracht werden. Ein Bespiel dafür ist auch die Vermeidung von gefälschten und kontaminierten Arzneimitteln. Wir hatten 2008 den großen Skandal um Heparin-Präparate aus China, die auf den Markt gekommen sind. Klar ist zudem, dass viele Arzneimittelhersteller, insbesondere Generikahersteller, Wirkstoffe aus nichteuropäischen Ländern beziehen, überwiegend aus China und Indien. Auch hier muss klar sein, dass es eine andere Kontrolle geben wird, damit die Menschen Sicherheit haben.

Wir wissen, dass Arzneimittelfälschungen mittlerweile für viele Labore ein lukrativer Markt geworden sind. Dementsprechend ist es notwendig, diesem Markt entgegenzutreten.

Zunehmend spielt – das ist das letzte Beispiel – die Beobachtung des Onlinehandels von Arzneimitteln und Medizinprodukten eine Rolle. Dieser Handel nimmt stetig zu. Dazu sagen uns nach wie vor viele Studien, wie problematisch es hierbei bezüglich der Produktesicherheit aussieht.

Es gibt also eine Reihe neuer Aufgaben und neuer Bereiche. Wir möchten dementsprechend dieses Abkommen im Konsens mit allen Ländern ändern. Deshalb bringen wir hier diesen Antrag ein. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Ministerin Steffens. – Eine weitere Beratung zu dem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit unmittelbar zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt, den Antrag Drucksache 16/18 an den Hauptausschuss zu überweisen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Wir haben eine Enthaltung bei der Fraktion der Piraten. Die Überweisungsempfehlung ist damit angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

14       Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/19

Zur Einbringung des Antrages erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Schneider das Wort.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik – kurz ZLS – ist eine von allen Bundesländern gemeinsam getragene und finanzierte Einrichtung. Die ZLS ist zuständig für die europäisch und national vorgeschriebene Anerkennung von Stellen, die die Sicherheit von Geräten, Maschinen und Anlagen überprüfen und zertifizieren. Die ZLS nimmt diese Aufgabe für alle Länder wahr.

Nach Unterzeichnung des Ursprungsabkommen über die ZLS im Dezember 1993 hat Bayern sie als Organisationseinheit des für den technischen Arbeits- und Verbraucherschutz zuständigen bayerischen Staatsministeriums errichtet.

Das Abkommen wurde zweimal mit Abkommen vom 3. Dezember 1998 sowie vom 13. März 2003 geändert. Eine erneute Änderung des Abkommens ist erforderlich, da die Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Medizinprodukte neu geordnet und damit aus dem Aufgabenspektrum der ZLS gestrichen werden. Frau Kollegin Steffens hat eben darauf verwiesen.

Darüber hinaus erfolgt eine Übertragung von koordinierenden Aufgaben der Marktüberwachungsbehörden der Länder an die ZLS und eine Unterstützung hinsichtlich des einheitlichen Vollzugs des Produktsicherheitsgesetzes in Deutschland.

Daneben vertritt die ZLS zukünftig die Länder in den einschlägigen europäischen und auch nationalen Gremien. Dies führt zu einer Optimierung und Stärkung der Marktüberwachung nach dem Produktsicherheitsgesetz.

Ich bitte sie darum, der Überweisung an den federführenden Hauptausschuss zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister Schneider. – Eine weitere Beratung zu dem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit unmittelbar zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/19 an den Hauptausschuss. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

15       Jahresbericht 2011 des Kontrollgremiums ge­mäß § 23 VSG NRW (PKG)

Unterrichtung
durch das Parlamentarische Kontrollgremium
gemäß § 23 VSG NRW
Drucksache 16/43

Eine Debatte ist hier nicht vorgesehen.

Das Parlamentarische Kontrollgremium erstattet gemäß § 5a Abs. 4 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie Art und Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen der Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift. Hierbei handelt es sich um Auskünfte über Beteiligte am Zahlungsverkehr und über Geldbewegungen und Geldanlagen sowie um Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten.

Das Gremium kommt dieser jährlichen Berichtspflicht durch die Vorlage der Unterrichtung Drucksache 16/43 nach. Dies stelle ich hiermit fest.

Wir kommen dann zum Tagesordnungspunkt

16 Veräußerung eines Grundstücks des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß § 64 Abs. 2 LHO
Vorlage 16/1

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/55

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Wir kommen auch hier unmittelbar zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/55, in die mit Vorlage 16/1 beantragte Veräußerung einzuwilligen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Wir haben Enthaltungen aus der Piratenfraktion. Ansonsten ist die Beschlussempfehlung angenommen und die beantragte Einwilligung erteilt.

Wir kommen zu:

17 Veräußerung eines Grundstücks des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß § 64 Abs. 2 LHO
Vorlage 16/2

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/56

Eine Debatte ist auch hier nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/56, in die mit Vorlage 16/2 beantragte Veräußerung einzuwilligen. Ich darf Sie fragen, wer dafür ist. – Wer


ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Enthaltungen aus den Fraktionen der Piraten und der CDU ist die Beschlussempfehlung angenommen und die beantragte Einwilligung zur Veräußerung erteilt.

Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt, und zwar zu:

18       Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 15/23

Gibt es hierzu Wortmeldungen? Ist jemand mit den Beschlüssen, die dort aufgeführt sind, nicht einverstanden? – Das ist nicht der Fall.

Dann stelle ich hiermit gemäß § 91 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass die Beschlüsse zu Petitionen in der Übersicht 15/23 damit bestätigt sind.

Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung.

Die nächste Sitzung findet statt am nächste Sitzung findet statt am Mittwoch, 4. Juli 2012, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag.

Die Sitzung ist damit geschlossen.

(Beifall von den PIRATEN)

Schluss: 16:24 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 96 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage

     Zu TOP 3 – Bestellung der Ausschüsse des Landtags (Drucksache 16/51 – Neudruck) – gemäß § 46 Abs. 2 GeschO von 21 Abgeordneten der FDP-Fraktion abgegebene Erklärung

Zur Abstimmung über die im Betreff bezeichnete Drucksache erklären die Abgeordneten

Abruszat, Kai

Alda, Ulrich

Bombis, Ralph

Brockes, Dietmar

Busen, Karlheinz

Ellerbrock, Holger

Freimuth, Angela

Gebauer, Yvonne

Höne, Henning

Lindner, Christian

Lürbke, Marc

Nückel, Thomas

Orth, Dr. Robert

Papke, Dr. Gerhard

Rasche, Christof

Schmitz, Ingola Stefanie

Schneider, Susanne

Stamp, Dr. Joachim

Wedel, Dirk

Witzel, Ralf

Wolf, Dr. Ingo

gemäß § 46 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen:

Wir stimmen der Drucksache 16/51 – Neudruck – zu, haben aber angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Zusammensetzung von Ausschüssen nicht vollends ausgeräumte Restzweifel, ob der Parlamentsmehrheit tatsächlich ein Spielraum für die beabsichtigte, lediglich am Stärkeverhältnis der regierungstragenden Fraktionen gegenüber den Oppositionsfraktionen orientierte Ausschusszusammensetzung zusteht.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mehrfach und ausdrücklich die Art. 38 Abs. 1 GG, § 12 GOBT dahin ausgelegt, dass nur eine am Stärkeverhältnis der Fraktionen orientierte Zusammensetzung der Fachausschüsse in Betracht kommt, sofern nicht aus anderen Gründen die Funktionsfähigkeit des Parlaments in Abrede steht. § 12 GOBT ist insoweit mit der für den Landtag geltenden Vorschrift des § 13 GOLT inhaltsgleich.

Das BVerfG hat betont (Urteil vom 16.07.1991, 2 BvE 1/91, Rz. 100, zit. nach juris):

     „[…] Der Ausschussarbeit kommt entsprechend der parlamentarischen Tradition in Deutschland eine besondere Bedeutung zu. Ein wesentlicher Teil der Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben des Bundestages wird durch die Ausschüsse wahrgenommen, die auf diese Weise in die Repräsentation des Volkes durch das Parlament einbezogen sind. Dies prägt den gesamten Bereich der parlamentarischen Willensbildung, weshalb grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln muss. […]“ (Hervorhebungen durch Uz.)

Diese Auffassung hat das Gericht in Folgeentscheidungen stets aufs Neue in Bezug genommen und weitergehend präzisiert. Eine Orientierung der Zusammensetzung am Stärkeverhältnis der Fraktionen bedeutet danach insbesondere (BVerfG, Urteil des 2. Senats vom 08.12.2004, 2 BvE 3/02 = NJW 2005, 203):

     „[…] Dieser Grundsatz leitet sich her aus der in Art. 38 Abs. 1 GG festgelegten Freiheit und Gleichheit des Abgeordnetenmandats. Der Abgeordnete ist frei, sich in Fraktionen zu organisieren, weswegen die Fraktionen als politische Kräfte ebenso gleich und entsprechend ihrer Stärke zu behandeln sind wie die Abgeordneten untereinander […]. Die Regelung [des § 12 GeschOBT, wonach die Ausschüsse im Verhältnis der Stärke der Fraktionen zu besetzen sind, Anmerkung des Uz.] soll sicherstellen, dass der Parlamentsausschuss die Zusammensetzung des Plenums in seiner konkreten, durch die Fraktionen geprägten organisatorischen Gestalt verkleinernd abbildet (Grundsatz der Spiegelbildlichkeit). Sie ermöglicht eine gleichheitsgerechte Aufgabenerfüllung durch die Ausschüsse. Wenn der Bundestag seine fachliche Arbeit durch Ausschüsse wahrnimmt, muss demnach der gleiche Anteil jedes Abgeordneten an der Repräsentanz des Volkes auch bei verkleinerten Gremien gewahrt werden, sofern diese wesentliche Teile der dem Bundestag zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen (vgl. BVerfGE 80, 188 <222>). […]“ (Hervorhebungen durch Uz.)

Abweichungen von diesem strengen Spiegelbildlichkeitsgrundsatz lässt das BVerfG – jedenfalls hinsichtlich der vorliegend in Rede stehenden Fachausschüsse – allein im Rahmen der Korrekturabweichungen bei der Anwendung von Zählverfahren zwecks verkleinerter Abbildung des Plenums (etwa nach d’Hondt) oder dann zu, wenn die Funktionsfähigkeit des Parlaments als solche in Zweifel steht. An letztere Voraussetzung stellt das Gericht indes hohe Anforderungen, indem es betont, das Parlament habe es


selbst in der Hand, entsprechende Schwierigkeiten durch die Wahl einer (größeren) Ausschussstärke zu vermeiden (aaO., S. 205).

Wir erachten daher eine Ausschussbesetzung, die sich nicht an einem spiegelbildlichen, verkleinerten Abbild der Stärkeverhältnisse der Fraktionen im Plenum orientiert, sondern allein das Verhältnis zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen insgesamt zum Zusammensetzungsmaßstab erhebt, weiterhin zumindest für rechtlich zweifelhaft. Nach unserer Auffassung findet die gegenteilige Rechtsansicht des BayVerfGH zur Frage der Spiegelbildlichkeit keine Stütze in der bisherigen Judikatur des BVerfG; diese Bedenken haben wir bei der Abstimmung jedoch im Hinblick auf die mangelnde Letztentscheidungskompetenz der Unterausschüsse zurückgestellt. Hinsichtlich der Fachausschüsse erschien uns eine Zustimmung vor dem Hintergrund der rechtlichen Bewertung der Landtagsverwaltung (noch) möglich, dass mit dem BayVerfGH zumindest ein Landesverfassungsgericht die der Drucksache 16/51 – Neudruck – entsprechende Zusammensetzungsweise gebilligt hat und damit zumindest juristische Vertretbarkeit vorliegen dürfte.

Wir gehen davon aus, dass durch die heute zu Tagesordnungspunkt 3 erfolgte Beschlussfassung über die Ausschusszusammensetzung keinesfalls eine Vorbildwirkung im Sinne einer ständigen Staatspraxis begründet wird.