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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/39

16. Wahlperiode

25.09.2013

39. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 25. September 2013

Mitteilungen der Präsidentin. 3511

1   Vereidigung eines stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen  3511

2   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3800

erste Lesung

In Verbindung mit:

Finanzplanung 2013 bis 2017 mit Finanzbericht 2014 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/3801

Und:

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2013 (Nachtragshaushaltsgesetz 2013)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/4000

erste Lesung

Und:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2014 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 – GFG 2014)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3802

erste Lesung

Und:

GFG 2014 fair und sachgerecht ausgestalten – Rot-Grün darf wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ignorieren

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/4024

Und:

Gesetz zur Änderung des Einheits­lastenabrechnungsgesetzes NRW (ELAGÄndG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3966

erste Lesung. 3512

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 3512

Karl-Josef Laumann (CDU) 3517

Norbert Römer (SPD) 3522

Christian Lindner (FDP) 3525

Reiner Priggen (GRÜNE) 3531

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 3536

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 3540

Karl-Josef Laumann (CDU) 3544

Norbert Römer (SPD) 3546

Christian Lindner (FDP) 3548

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 3549

Dietmar Schulz (PIRATEN) 3551

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 3555

Minister Ralf Jäger 3556

Ina Scharrenbach (CDU) 3557

Michael Hübner (SPD) 3558

Kai Abruszat (FDP) 3561

Mario Krüger (GRÜNE) 3562

Dietmar Schulz (PIRATEN) 3564

Minister Ralf Jäger 3566

Ergebnis. 3567

3   Zweites Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3968

erste Lesung

In Verbindung mit:

Zwangsabgabe verhindern, Stärkungspakt nachbessern – Vermeintlich starke Kommunen dürfen nicht durch rot-grüne Umverteilungspolitik unter die Wasserlinie gezogen werden

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/3964. 3567

Minister Ralf Jäger 3567

Kai Abruszat (FDP) 3568

Michael Hübner (SPD) 3569

André Kuper (CDU) 3570

Mario Krüger (GRÜNE) 3571

Dietmar Schulz (PIRATEN) 3573

Ergebnis. 3574

4   Fragestunde

Drucksache 16/4035. 3574

Mündliche Anfrage 26

des Abgeordneten
Ralf Witzel (FDP)

Aktueller Sachstand im Trägerstreit über Eigentumsfragen und Rechtsformwahl – Scheitert die Provinzial-Fusion von Rheinprovinz und Westfalen an einer unüberwindbaren Interessenskollision ihrer Protagonisten?  3574

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 3575


Mündliche Anfrage 27

des Abgeordneten
Josef Hovenjürgen (CDU)

Wie lief die Versetzung des ehemaligen Staatssekretärs Paschedag nach Niedersachsen ab?  3583

Minister Johannes Remmel 3584

5   Polizei-Boykott für Spiele der Fußball-Bundesliga wäre unverantwortlich

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/4013

In Verbindung mit:

Kein Maulkorb für Kritiker – Öffentliche Kritik an Polizeieinsätzen muss weiter möglich sein

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/4022. 3589

Theo Kruse (CDU) 3589

Daniel Düngel (PIRATEN) 3590

Andreas Kossiski (SPD) 3591

Josefine Paul (GRÜNE) 3593

Marc Lürbke (FDP) 3595

Minister Ralf Jäger 3596

Ergebnis. 3599

6   Versprochen – Gebrochen: Landtag wehrt sich gegen rot-grünen Wortbruch bei der Dichtheitsprüfung und Wiedereinführung des Generalverdachts durch die Hintertür

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/4030. 3599

Henning Höne (FDP) 3599

Norbert Meesters (SPD) 3600

Josef Hovenjürgen (CDU) 3602

Hans Christian Markert (GRÜNE) 3603

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 3603

Minister Johannes Remmel 3604

Ergebnis. 3605


7   Sechstes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3335

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/4001

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/4065

zweite Lesung. 3605

Hans-Willi Körfges (SPD) 3605

Kirstin Korte (CDU) 3606

Verena Schäffer (GRÜNE) 3606

Marc Lürbke (FDP) 3607

Dirk Schatz (PIRATEN) 3607

Minister Ralf Jäger 3608

Ergebnis. 3608

8   Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3387

Beschlussempfehlung
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/3993

zweite Lesung. 3609

Lisa Steinmann (SPD) 3609

Peter Biesenbach (CDU) 3609

Mario Krüger (GRÜNE) 3610

Kai Abruszat (FDP) 3610

Frank Herrmann (PIRATEN) 3610

Minister Ralf Jäger 3611

Ergebnis. 3611


9   Gesetz zur Änderung des Hundegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/3439

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Klimaschutz, Umwelt,
Naturschutz, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz
Drucksache 16/4033

zweite Lesung. 3611

Frank Börner (SPD) 3611

Josef Hovenjürgen (CDU) 3612

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) 3612

Henning Höne (FDP) 3613

Simone Brand (PIRATEN) 3613

Minister Johannes Remmel 3614

Ergebnis. 3614

10 Sprachstandsfeststellung und Sprach­förderung im Elementar- und Primarbereich sowie im Übergang zu weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen

Große Anfrage 3
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/2138

Antwort
der Landesregierung
Drucksache 16/3328 – Neudruck. 3615

Ina Scharrenbach (CDU) 3615

Marlies Stotz (SPD) 3616

Yvonne Gebauer (FDP) 3617

Jutta Velte (GRÜNE) 3618

Monika Pieper (PIRATEN) 3619

Ministerin Sylvia Löhrmann. 3619

Ergebnis. 3620

11 Bergschäden durch den Braunkohlebergbau

Große Anfrage 2
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1567

Antwort
der Landesregierung
Drucksache 16/3340. 3620

Frank Sundermann (SPD) 3620

Gudrun Elisabeth Zentis (GRÜNE) 3622

Josef Wirtz (CDU) 3623

Dietmar Brockes (FDP) 3624

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 3624

Minister Garrelt Duin. 3625

Ergebnis. 3626

12 Staatliche Subventionen für Private Universität Witten/Herdecke beenden

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/4018. 3627

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 3627

Dietmar Bell (SPD) 3627

Dr. Stefan Berger (CDU) 3628

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) 3629

Angela Freimuth (FDP) 3630

Ministerin Svenja Schulze. 3631

Ergebnis. 3632

13 Gesetz zur Aufhebung der gesetzlichen Befristung des Landespressegesetzes NRW

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3526

erste Lesung. 3632

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren
zu Protokoll
(Siehe Anlage 1)

Ergebnis. 3632

14 Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsche Zentralbibliothek Medizin“

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3527

erste Lesung. 3632

Ministerin Svenja Schulze
zu Protokoll
(Siehe Anlage 2)

Ergebnis. 3632


15 Gesetz zu dem Vierten Änderungsvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Nordrhein – Körperschaft des öffentlichen Rechts –, dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe – Körperschaft des öffentliches Rechts – und der Synagogen-Gemeinde Köln – Körperschaft des öffentlichen Rechts –

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3625

erste Lesung. 3633

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
zu Protokoll
(Siehe Anlage 3)

Ergebnis. 3633

16 Gesetz zur Änderung des Landesreisekostengesetzes und des Landesumzugskostengesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3965

erste Lesung. 3633

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans
zu Protokoll
(Siehe Anlage 4)

Ergebnis. 3633

17 Gesetz zur Weiterentwicklung der politischen Partizipation in den Gemeinden und zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3967

erste Lesung. 3633

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(Siehe Anlage 5)

Ergebnis. 3633


18 Gesetz zur Neuordnung im Bereich der Schul- und Studienfonds

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3969

erste Lesung. 3633

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans
zu Protokoll
(Siehe Anlage 6)

Ergebnis. 3633

19 Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Bereich der Landwirtschaftskammer Nordrhein-West­falen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3970

erste Lesung. 3633

Minister Johannes Remmel
zu Protokoll
(Siehe Anlage 7)

Ergebnis. 3633

20 Haushaltsrechnung des Landes Nordrhein-Westfalen für das Rechnungsjahr 2011

Unterrichtung
durch die Präsidentin
des Landtags
Erteilung der Entlastung
nach § 114 LHO
Drucksache 16/2060

In Verbindung mit:

Jahresbericht 2013 des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen über das Ergebnis der Prüfungen im Geschäftsjahr 2012

Unterrichtung
durch den Landesrechnungshof
Drucksache 16/3510. 3634

Ergebnis. 3634

21 Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Stadt Aachen sowie weiterer 13 Städte und Kreise, die Beibehaltung der Zuständigkeit der Träger der Jugendhilfe verstoße gegen Art. 78 Abs. 3 LV NRW, weil der Landesgesetzgeber nicht gleichzeitig eine Regelung zum Ausgleich der durch das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 29. Juni 2011 (BGBI. I S. 1306) hervorgerufenen Mehrbelastungen erlassen habe

VerfGH 11/13
Vorlage 16/1044

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/4007. 3634

Ergebnis. 3634

22 Normenkontrollverfahren zu §§ 6 bis 11, 12 Abs. 1 bis 4 und 6
S. 1 Maßstäbegesetz und § 6 Abs. 2 S. 2 2. Halbs., § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 3,
§ 9 Abs. 2 und 3, § 10, § 11 Abs. 2 und 4 Finanzausgleichsgesetz  3634

2 BvF 1/13
Vorlage 16/1079

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/4008. 3634

Ergebnis. 3634

23 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 11
gemäß § 79 Abs. 2 GeschO
Drucksache 16/4034. 3634

Ergebnis. 3634

24 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/13. 3634

Ergebnis. 3634


Anlage 1. 3637

Zu TOP 13 – „Gesetz zur Aufhebung der gesetzlichen Befristung des Landespressegesetzes NRW“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 3637

Anlage 2. 3639

Zu TOP 14 – „Gesetz zur Errichtung einer Stiftung ‚Deutsche Zentralbibliothek Medizin‘“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Svenja Schulze. 3639

Anlage 3. 3641

Zu TOP 15 – „Gesetz zu dem Vierten Änderungsvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Nordrhein – Körperschaft des öffentlichen Rechts –, dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe – Körperschaft des öffentliches Rechts – und der Synagogen-Gemeinde Köln – Körperschaft des öffentlichen Rechts“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 3641

Anlage 4. 3643

     Zu TOP 16 – „Gesetz zur Änderung des Landesreisekostengesetzes und des Landesumzugskostengesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 3643


Anlage 5. 3645

Zu TOP 17 – „Gesetz zur Weiterentwicklung der politischen Partizipation in den Gemeinden und zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 3645

Anlage 6. 3647

Zu TOP 18 – „Gesetz zur Neuordnung im Bereich der Schul- und Studienfonds“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 3647

Anlage 7. 3649

Zu TOP 19 – „Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Bereich der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Johannes Remmel 3649

Entschuldigt waren:

Minister Garrelt Duin    
(von 12:30 Uhr bis 14:30 Uhr)

Minister Guntram Schneider

Ministerin Barbara Steffens

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans      
(ab 16:00 Uhr)

Helene Hammelrath (SPD)

Thomas Stotko (SPD)

Markus Töns (SPD)

Serdar Yüksel (SPD)

Thomas Kufen (CDU)   
(ab 14:00 Uhr)

Daniel Sieveke (CDU)

Oliver Wittke (CDU)      
(bis 14:00 Uhr)

Karlheinz Busen (FDP)

Holger Ellerbrock (FDP)           


Beginn: 10:05 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle zu unserer heutigen, 39. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen ganz herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir wie immer in das Protokoll aufnehmen.

Ich rufe auf:

1   Vereidigung eines stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Schreiben vom 29. Juli dieses Jahres hat die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass Frau Christiane Fleischer zur Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf ernannt worden ist. Sie ist damit gemäß § 7 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen aufgrund ihres Amtes Vertreterin der Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf in deren Funktion als Mitglied des Verfassungsgerichtshofs. Die Frau Ministerpräsidentin bittet im zuvor genannten Schreiben um Vereidigung der Vizepräsidentin.

Ich darf deshalb Frau Fleischer hier im Landtag ganz herzlich begrüßen. Ebenfalls begrüße ich als Gast herzlich die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Frau Dr. Ricarda Brandts sowie die Zweite Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs Frau Anne-José Paulsen, die im Plenarsaal hinter Ihnen Platz genommen haben.

Nach § 5 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof haben die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, bevor sie ihr Amt antreten, vor dem Landtag den entsprechenden Amtseid zu leisten. Ich bitte Frau Fleischer zu mir, damit ich ihre Vereidigung vornehmen kann.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Liebe Frau Fleischer, ich werde die Eidesformel abschnittsweise vorlesen und bitte Sie, die Schwurhand zu heben und mir nachzusprechen:

„Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

(Christiane Fleischer spricht die Eidesformel mit religiöser Beteuerung nach.)

Vielen Dank, Frau Fleischer. Damit sind Sie vor dem Landtag Nordrhein-Westfalen vereidigt worden. Wir wünschen Ihnen eine glückliche und gute Hand. Es ist immer schwierig, dem Verfassungsgerichtshof zu sagen: „Wir freuen uns auf die gute Zusammenarbeit“,

(Allgemeine Heiterkeit)

weil wir ja eigentlich unterschiedliche Rollen wahrnehmen. Aber herzlich willkommen in Ihrer neuen Aufgabe und alles Gute für Sie!

(Allgemeiner Beifall – Christiane Fleischer: Ganz herzlichen Dank! – Das neue stellvertretende Mitglied des Verfassungsgerichtshofs nimmt Glückwünsche von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der stellvertretenden Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann entgegen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit kommen wir zu:

2   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3800

erste Lesung

In Verbindung mit:

Finanzplanung 2013 bis 2017 mit Finanzbericht 2014 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/3801

Und:

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2013 (Nachtragshaushaltsgesetz 2013)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/4000

erste Lesung

Und:


Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2014 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 – GFG 2014)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3802

erste Lesung

Und:

GFG 2014 fair und sachgerecht ausgestalten – Rot-Grün darf wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ignorieren

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/4024

Und:

Gesetz zur Änderung des Einheitslastenabrechnungsgesetzes NRW (ELAGÄndG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3966

erste Lesung

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine relativ große Fülle von Gesetzentwürfen und Anträgen, die wir miteinander beraten. Deshalb will ich noch einmal darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen einvernehmlich darauf verständigt haben, bei diesem Tagesordnungspunkt 2, da er im Schwerpunkt den Haushalt umfasst, auf Kurzinterventionen zu verzichten.

Zur Vorstellung des Haushaltsgesetzes, der Finanzplanung und des Nachtragshaushaltsgesetzes erteile ich nunmehr für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Walter-Borjans das Wort. Lieber Herr Minister, das Mikrofon gehört Ihnen.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 2014, den ich dem Landtag heute im Entwurf vorstelle, ist eine Wegmarke auf der Strecke vom Jahr 2010, in dem die Landesregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Regierung übernommen hat, zum Jahr 2020, in dem die Landeshaushalte ohne neue Kredite auszugleichen sind.

Nach weniger als der Hälfte dieser Strecke werden wir im Jahr 2014 die Neuverschuldung im Landeshaushalt von 6,6 Milliarden €, wie sie noch 2010 geplant war, auf 2,4 Milliarden €, also um fast 64 %, zurückfahren. Das ist konsequente Konsolidierungspolitik, ohne auf zukunftssichernde soziale, ökologische und wirtschaftsfördernde Politik zu verzichten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir verkennen nicht die großen Herausforderungen, die auch in den Jahren 2014 bis 2020 und darüber hinaus auf uns zukommen werden. Dazu gehören die dringend notwendige Sanierung der Infrastruktur, der weitere Ausbau des Bildungssystems, die Beseitigung der kommunalen Finanznot, aber auch die Beobachtung der schwer kalkulierbaren Zinsentwicklung.

Ich sehe aber auch die Chance für eine Stärkung der Einnahmenseite durch mehr Steuergerechtigkeit ebenso wie die Chance für eine gerechtere Verteilung der Finanzströme und der Kreditlasten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Die Weichen müssen aber auf der Bundesebene gestellt werden. Da hängt vieles davon ab, ob die Wahlsieger vom vergangenen Sonntag sich dieser Verantwortung auch stellen.

Hier in Nordrhein-Westfalen hat die schwarz-gelbe Vorgängerregierung 2010 nicht nur den schon erwähnten beschlossenen Landeshaushalt für 2010 hinterlassen, der 6,6 Milliarden € neue Schulden vorsah. Die damalige Landesregierung hat auch eine mittelfristige Finanzplanung hinterlassen, die bis 2013 reichte. Sie sah eine deutliche Erholung bei den Steuereinnahmen vor. Man rechnete mit zusätzlichen Steuereinnahmen von 4,7 Milliarden €. Trotzdem ging die Planung Jahr für Jahr von 6,5 Milliarden € neuen Krediten aus. Damals stand die Schuldenbremse übrigens schon im Grundgesetz.

Seither hat sich noch einmal vieles verändert. Das ist keine Frage. Die Steuereinnahmen sind über die damaligen Erwartungen hinaus gestiegen. Sie werden 2013 rund 3 Milliarden € höher sein als seinerzeit prognostiziert. Allerdings geht davon wie immer knapp ein Viertel an die Kommunen – auch deshalb, weil die heutige Landesregierung den Städten und Gemeinden keine Mittel aus der Steuerverbundmasse vorenthält.

3 Milliarden € mehr als erwartet sind also rund 2,3 Milliarden € mehr für den Landeshaushalt. Trotzdem liegen wir schon im laufenden Jahr mit der Neuverschuldung 3 Milliarden € unter der Planung der damaligen Landesregierung für 2013.

2014 werden wir die Kreditaufnahme nochmals um rund 1 Milliarde € auf 2,4 Milliarden € senken – und das trotz des weitergehenden Anstiegs nicht beinflussbarer Ausgaben.

Uns ist es ernst mit der Schuldenbremse. Wenn der Haushaltsausgleich allerdings nur und allein über die Senkung von Ausgaben erfolgen müsste, weil im Bund jetzt nicht die richtigen Weichen gestellt werden, wird es für viele zappenduster. Ohne die für die Aufgabenerfüllung notwendigen Einnahmen ist die Schuldenbremse gleichbedeutend mit einer Bildungsbremse, einer Infrastrukturbremse, einer Bremse oder – das sollte man vielleicht besser sagen – einem Würgeeisen für die Kommunen. Das kann kein vernünftig denkender Mensch wirklich wollen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir wollen und werden konsequent weiter sparen, wo das richtig und verantwortbar ist. Aber wir vergessen bei unserem Sparwillen auch nicht, dass das Land Aufgaben zu erledigen hat. Wir halten Kurs bei unseren versprochenen Investitionen in Bildung, in Betreuung, in Infrastruktur, in die Handlungsfähigkeit unserer Kommunen und vor allen Dingen in den Zusammenhalt dieser Gesellschaft.

Wir nehmen Konsolidierung ernst. Wer sich das Wort „Konsolidierung“ einmal ansieht, stellt fest, dass darin das Wort „solide“ steckt. Den auf Dauer soliden Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben schafft man nicht, indem man Ausgaben an Stellen drosselt, die für die Zukunft des Landes unverzichtbar sind. Man schafft den Ausgleich aber auch nicht einfach nur durch Mehreinnahmen, indem man die Einnahmen erhöht.

Deshalb bleiben wir dabei: Es kommt auf den Dreiklang an: aufs Sparen, Investieren und auf eine nachhaltige Verbreiterung der Einnahmen. So werden wir einen ausgeglichenen Aushalt ohne Kredite bis 2020 nicht nur erreichen, sondern – darüber wird kaum geredet – auch nach 2020 fortsetzen. Das ist keine zu unterschätzende Aufgabe.

In der mittelfristigen Finanzplanung kalkulieren wir mit einer Nettoneuverschuldung von knapp 1,4 Milliarden € im Jahr 2017. Damit werden wir die Nettokreditaufnahme bis zum Ende dieser Legislaturperiode noch einmal um eine weitere Milliarde reduzieren.

Im Übrigen haben die internationalen Ratingagenturen bei ihren Prüfungen, die sie in den letzten Monaten vorgenommen haben, unserem Konsolidierungspfad gute Noten erteilt. Das Institut der deutschen Wirtschaft, das ja nicht nur positive Urteile über sozialdemokratische und grüne Wirtschafts- und Finanzpolitik abgibt, hat im März dieses Jahres in seiner Stabilitätsstudie über die Länder geurteilt: Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg sind auf einem guten Weg.

Von unserem Konsolidierungspfad weichen wir auch mit dem Nachtragshaushalt 2013 nicht ab, den ich heute ebenfalls vorlege. Gegenüber dem ursprünglichen Plan für dieses Jahr 2013 senken wir die Neuverschuldung im Jahre 2013 noch einmal um rund 38 Millionen €. Das ist nicht sehr viel. Es ist aber ein Nachtragshaushalt, der die gesamten Mehrausgaben mit Minderausgaben bzw. Mehreinnahmen an anderer Stelle auffängt und am Ende sogar zu einer geringfügigen Reduzierung der Neukreditaufnahme führt.

Für die Mehrausgaben etwa wegen der jetzt vorliegenden Änderung des Einheitslastenabrechnungsgesetzes mit einem Volumen von 151 Millionen € oder für Zuführungen zum Versorgungsfonds für die Beamtinnen und Beamten des Landes in Höhe von mehr als einer halben Milliarde €, aber auch für die Kostenerstattung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge von 16 Millionen € und für die Ersatzschulfinanzierung von 5,1 Millionen €, werden wir Mehreinnahmen und Minderausgaben haben, die das gegenfinanzieren. Ich führe nur zwei Posten an: Mehreinnahmen bei der Justiz von 210 Millionen € aufgrund von Geldstrafen, Geldbußen und Gerichtskosten aus dem sogenannten Zementkartellverfahren oder etwa durch Mehreinnahmen aus Bundesergänzungszuweisungen und Länderfinanzausgleich – ich nenne das Stichwort „Zensus-Neuberechnung“ – in Höhe von 315 Millionen €.

Um das direkt vorwegzunehmen: Im Jahr 2014 ergeben sich dadurch im Haushalt keine negativen Konsequenzen, weil die zusätzlichen Lasten bei der Aufstellung des Haushalts 2014 schon berücksichtigt worden sind.

Der Haushaltsentwurf 2014 sieht im Ergebnis ein Volumen von 62,3 Milliarden € vor. Das sind inklusive des heute vorgelegten Nachtragshaushalts rund 1,8 Milliarden € mehr als 2013 inklusive des heute vorgelegten Nachtragshaushaltes.

Der Löwenanteil dieser Steigerung geht wie immer auf Ausgaben zurück, die gar nicht in der Entscheidungshoheit des Landes liegen. Das sind beispielsweise 450 Millionen € für die Grundsicherung im Alter oder für die Unterbringungskosten und 210 Millionen € für den Hochschulpakt 2020. Oder aber diese Mehrausgaben sind Folge langfristiger Weichenstellungen wie der Höhe des Verbundsatzes. Deshalb steigen die Zuweisungen an die Kommunen durch das Gemeindefinanzierungsgesetz im Jahr 2014 um sage und schreibe 713 Millionen €.

Auf originäre Projekte dieser Landesregierung entfallen dagegen gerade mal weniger als 7 % der Mehrausgaben. Das sind im Wesentlichen die 110 Millionen € für die weitere Ausbaustufe des KiBiz.

Im vorliegenden Haushaltsentwurf haben wir Zinsausgaben in Höhe von 3,7 Milliarden € veranschlagt. Das sind nach stetig sinkenden Zinslasten noch einmal knapp 300 Millionen € weniger als im Vorjahr. Ich weiß, dass diese Entwicklung einerseits eine Entlastung ist, dass sie aber auch Gefahren birgt. Für die kommenden Jahre kalkulieren wir deshalb in der mittelfristigen Finanzplanung nicht mit diesem niedrigen Zinsniveau, sondern mit einem Anwachsen des Zinssatzes auf 3,75 %.

Ich habe mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass auch die Opposition das positiv zur Kenntnis genommen hat – wenn vielleicht auch etwas zähneknirschend. Denn eine so vorausschauende Haushaltspolitik kann man der Bundesregierung kaum bescheinigen. Ein möglicher Zinsanstieg spielt nämlich in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes keine Rolle.

Mit dem Haushalt 2014 führen wir die strukturellen Einsparungen bei den Förderprogrammen und die Umstellung auf Förderdarlehen in Höhe von rund 150 Millionen € fort. Der Entwurf 2014 sieht gegenüber dem Haushalt 2013 außerdem einen Abbau von 2.305 Stellen vor. Damit sparen wir 100 Millionen €. Dabei bleiben wir bei der Devise: weniger Stellen nur dann, wenn auch der Umfang der damit verbundenen Aufgaben abnimmt.

Die gestaffelte Übernahme des Tarifergebnisses für die Beamten und Beamtinnen schlägt sich mit den schon häufiger diskutierten 700 Millionen € nieder. Darüber hinaus müssen die Ministerien im Vollzug Minderausgaben im Gesamtumfang von 865 Millionen € erwirtschaften. 245 Millionen € davon sind den einzelnen Ressorts bereits zugewiesen.

Durch die Fusion der Oberfinanzdirektionen werden wir bis zum Jahr 2016 aufwachsend 10 Millionen € jährlich einsparen; im Haushalt 2014 sind es schon 6 Millionen €.

Meine Damen und Herren, eine gut laufende Konjunktur und wachsende Steuereinnahmen sind Voraussetzung für die nachhaltige Konsolidierung. Für 2014 haben wir 47 Milliarden € Steuereinnahmen eingeplant. Das ist, wie auch in den vergangenen Jahren, eine Rekordmarke. Einnahmen, die über denen des Vorjahres liegen, sind aber kein Geschenk des Himmels, sondern sie müssen der Normalfall sein. In wachsenden Volkswirtschaften ist es eine Selbstverständlichkeit, dass auch die damit verbundenen Steuereinnahmen wachsen.

Eine Volkswirtschaft, die wächst, hat wachsende Steuereinnahmen, aber sie hat im Regelfall auch eine ganze Menge – und zwar wenig beeinflussbare – wachsende Ausgaben. Jeder, der alleine aus der Zunahme von Einnahmen die Erwartung ableitet, dass dann auch der Haushalt ausgeglichen sein muss, müsste es eigentlich besser wissen. Dabei spielen eben zwei Dinge eine Rolle: Einnahmen und Ausgaben.

Schon 2011, 2012 und 2013 haben Sie von der Opposition uns vorgehalten, wir würden mit zu positiven Annahmen rechnen, das sei eine Schönrechnung. Die Realität ist da, wo uns heute Belege vorliegen, eine andere. 2011 und 2012 lagen wir am Ende deutlich über den im Etat budgetierten Einnahmen durch Steuern. 2013 sehen wir unseren Haushaltsansatz durch die aktuelle Einnahmenentwicklung – nach dem, was wir bisher wissen – ebenfalls bestätigt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Steueransatz für 2014 folgt erneut dem Prinzip, die Einnahmen realistisch abzuschätzen. Die Landesregierung ist überzeugt, meine Damen und Herren, dass sich die Investitionen in ihre politischen Schwerpunkte auch wirtschaftlich auszahlen.

Das gilt ebenso für unsere Kommunen. 2014 stellt das Land den Kommunen fast 20 Milliarden € zur Verfügung. Das ist fast ein Drittel des gesamten Haushaltsvolumens. Die Summe setzt sich zusammen aus 9,4 Milliarden € – auch eine Höhe, die es bisher nie gab – für das Gemeindefinanzierungsgesetz, 9,7 Milliarden €, die zweckgebunden aus einzelnen Ressorts überwiesen werden, und Zuweisungen aus Bundes? und EU-Mitteln.

Für Land und Kommunen gleichermaßen erfreulich ist, dass es uns gelungen ist, die lange Zeit streitige Frage der Einheitslastenabrechnung zu lösen. Ich weise immer noch einmal gerne darauf hin, dass es sich um das Ergebnis eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs gegen die Vorgängerregierung handelt, das sich jetzt auswirkt, das wir jetzt in den Haushalt einzubauen haben. Es bedeutet 2013 Erstattungen von rund 276 Millionen €, und in den Folgejahren werden wir zwischen 130 und 155 Millionen € in den Haushalt einzuplanen haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu Beginn unserer Regierungszeit haben wir den Bürgerinnen und Bürgern versprochen: Wir lassen kein Kind zurück. – Der aktuelle Haushalt trägt diesem Wahlversprechen in jeder Hinsicht Rechnung. Wir investieren 25,5 Milliarden € in Bildung und Wissenschaft. Das ist rund 1 Milliarde € mehr als im Vorjahr. Für die frühe Bildung stellt das Land rund 2 Milliarden € und damit 109 Millionen € mehr als 2013 zur Verfügung. Damit finanzieren wir zum Beispiel die Betriebskosten von insgesamt 157.000 U3-Plätzen und schaffen im Kindergartenjahr 2014/2015 wie in den Vorjahren weitere 100 zusätzliche Familienzentren in sozialen Brennpunkten. Das Land setzt ein klares Signal im Schwerpunkt „Frühkindliche Bildung“.

Genauso zeigen wir Flagge in der schulischen Bildung. Der Etat des Schulministeriums hat einen Umfang von 15,6 Milliarden €; das ist nicht viel weniger als der gesamte Etat eines Landes wie Sachsen. Auch im Haushaltsentwurf 2014 hat die Landesregierung die sogenannten Demografiegewinne, also die Mittel, die wegen rückläufiger Schülerzahlen bei gleichbleibenden Standards nicht mehr benötigt würden, im Schulsystem belassen. Sie kommen der Umsetzung des Schulkonsenses zugute, vor allem der Inklusion an den Schulen sowie der Verkleinerung der Klassen in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I. Damit werden wir das Bildungssystem gerechter und auch leistungsfähiger machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die guten Rahmenbedingungen werden auch nicht dadurch entwertet, dass wir im Übergang zum Schuljahr 2013/2014 2.500 Lehrerstellen abbauen. Diese Einsparung kann ohne Qualitätsverlust im Unterricht realisiert werden, weil keine Kapazitäten für bestehende Aufgaben, sondern für auslaufende Programme gestrichen werden, wie etwa die Kompensation für früher geleistete Mehrarbeit. Außerdem werden nach den bisherigen Zahlen gut 270 Stellen dadurch entbehrlich, dass wir eine vorbeugende Schulpolitik betreiben und hier zum ersten Mal eine Präventionsrendite greifbar wird. Die vorbeugende Politik der Landesregierung zahlt sich aus, und zwar nicht erst langfristig, sondern in ersten Schritten schon jetzt.

Zum Personal: Der Personalhaushalt – das wissen wir – ist ein enorm großer Block in diesem Landeshaushalt, er umfasst 23,2 Milliarden €. 2014 erreicht er inklusive der Hochschulen und der Landesbetriebe wieder einen Anteil von über 43 % des gesamten Ausgabevolumens. Trotz der Einsparungen von 2.305 Stellen, die ich eben beschrieben habe, steigen die Personalausgaben im Vergleich zum Haushalt 2013 um 246 Millionen € an. Dafür sind drei Entwicklungen verantwortlich:

Das Erste sind die steigenden Ausgaben für die Versorgung der Pensionäre.

Das Zweite sind die steigenden Ausgaben für die Beihilfe.

Das Dritte sind die steigenden Ausgaben für die Gehälter der Angestellten und die Bezüge der Beamten, trotz der gestaffelten Übernahme des Tarifergebnisses auf die Beamtenschaft.

Für die Portigon AG wird das Land Nordrhein-Westfalen als Alleinaktionär 2014 keine finanziellen Lasten in den Haushalt einstellen müssen. Auch aus der Phoenix-Garantie ergibt sich keine zusätzliche Belastung für das Jahr 2014. Hier reichen nach den aktuellen Prognosen die in dem Sondervermögen Risikoabschirmung der WestLB vorhandenen Mittel von immer noch rund 850 Millionen € für die erwarteten Zahlungen aus.

In der mittelfristigen Finanzplanung bis 2017 sehen wir ebenfalls keine weiteren Zahlungen über diesen Betrag hinaus vor.

Wir gehen aber davon aus – das sagen eben auch die Prognosen, die uns vorgelegt werden –, dass die in der Zeit meines Vorgängers gegebenen Phoenix-Garantien insgesamt in der vollen Höhe zur Auszahlung kommen werden.

Das Verbot, das von der Regierung Rüttgers gebildete Sondervermögen aufzustocken, um es für die erwartbare Last zur Seite zu legen, nehmen wir ernst. Es ist nicht zugelassen worden. Es bleiben damit aber auch die Unwägbarkeiten. Und ich finde es schon interessant, dass es im Bund diese Möglichkeit gibt – die auch Sinn macht, wie der Fonds zeigt, den der Bundesfinanzminister gerade erst für die Kosten der Flutschäden eingerichtet hat.

Zur mittelfristigen Finanzplanung ist zu sagen, dass wir die Neuverschuldung von 2010 in Höhe von 6,6 Milliarden € insgesamt bis 2017 auf 1,4 Mil-liarden € und damit um 80 % absenken wollen. Unserer ursprünglichen Zielsetzung, die Kreditaufnahme 2017 unter die Marke von 2 Milliarden € zu drücken, sind wir daher sogar ein Stück voraus.

Wir wollen – damit komme ich zum Thema „Einnahmen“ – die Schuldenbremse einhalten, ohne die Erfüllung der zentralen staatlichen Aufgaben zu vernachlässigen. Das setzt aber voraus, dass ausreichende Steuereinnahmen vorhanden sind. Nur dann sind Investitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur, Innovation, Prävention und in den sozialen Zusammenhalt finanzierbar. Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Sie gilt so oder so. Die Folgen wären aber ohne eine verbreiterte Einnahmebasis fatal.

CDU und CSU haben am Sonntag von den Wählerinnen und Wählern einen klaren Auftrag für die Bildung einer Bundesregierung erhalten –

(Beifall von der CDU und der FDP)

auch deshalb, weil die Kanzlerin im Wahlkampf bemerkenswerte und bemerkenswert teure Ankündigungen für die nächsten Jahre gemacht hat. Ich nenne nur die Mütterrente und den Grundfreibetrag für Kinder. Es gibt Berechnungen, die an die 30 Milliarden € gehen. Die Kanzlerin hat außerdem von dringendem Erneuerungsbedarf bei der Infrastruktur, und zwar überall in Deutschland, gesprochen. Die Kanzlerin weiß auch um die Schieflage der Lasten- und Finanzmittelverteilung auf allen Ebenen der staatlichen Haushalte.

Ich bin gespannt, welche konkreten Umsetzungs- und Finanzierungsvorschläge jetzt folgen. Der Ball liegt ohne Wenn und Aber bei CDU und CSU.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Von einer Bundesregierung – gleich welcher Prägung – erwarten wir die Einsicht, dass die gesamtstaatliche Finanzdecke zu kurz und falsch verteilt ist. Allein über eine bessere Verteilung zu reden, macht keinen Sinn. Jeder, der diese Finanzdecke erfolgreich ein Stück zu sich hinüber zieht, sorgt für kalte Füße an anderer Stelle – ganz gleich, ob es ein Hin- und Hergezerre zwischen Ost und West, zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, zwischen Bundeshaushalt und Sozialversicherungen oder anderen Töpfen ist. Der Solidarpakt, der „Soli“, der Länderfinanzausgleich, ein möglicher Altschuldenfonds – das alles sind enorm wichtige Themen für die Umverteilung der vorhandenen Einnahmen. Für eine insgesamt angemessene Finanzausstattung sorgen sie aber nicht. Die ist nur mit Mehreinnahmen für den Gesamthaushalt zu erreichen – am besten durch Schließung von Steuerschlupflöchern, aber gegebenenfalls eben auch durch Steuererhöhungen auf große Einkommen und große Vermögen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu Beginn der neuen Legislaturperiode im Bund wird es also darauf ankommen, dass keine Weichenstellungen vollzogen werden, die für Länder und Gemeinden fatale Folgen haben. Oder – viel besser – umgekehrt formuliert: Es wird darauf ankommen, dass Weichenstellungen vollzogen werden, die eine ernsthafte Basis für die Handlungsfähigkeit von Ländern und Kommunen bieten.

Es muss Schluss sein mit Durchschnittsbetrachtungen der Art, dass es den Gemeinden insgesamt im Durchschnitt doch ziemlich gut geht und dass die Gemeinden, bei denen es schlecht läuft, ein hausgemachtes Problem haben. Im Durchschnitt hat jeder Einwohner Deutschlands ein Vermögen von rund 120.000 €. Daran sieht man, wie unsinnig eine solche Berechnung ist. So wenig wie das über die wahren Vermögensverhältnisse in Deutschland sagt, so wenig hilft die Durchschnittsbetrachtung auch unseren Kommunen mit ihren drängenden Problemen.

Egal, ob es um die Neuordnung der Finanzbeziehungen in Deutschland, um Garantien für Europa, um Deutschland-Bonds oder Entflechtungsmittel, um Eingliederungshilfe für Behinderte oder Steuergesetze geht: Es geht darum, wie ernst CDU und CSU die umfassende Konsolidierung der Staatsfinanzen – und zwar auf allen Ebenen – und die Aufgabenerfüllung der öffentlichen Hände nehmen. Das muss sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die von SPD und Bündnis 90/Die Grünen regierten Länder werden auch in der neuen Legislaturperiode im Bund darauf achten, dass das, was auf Gesetzesvorlagen draufsteht, auch wirklich drin ist und dass die Finanzierung nicht durch Verschieben von Lasten auf Länder, Gemeinden und Sozialversicherungskassen erfolgt, sondern solide und auf die dauerhafte Gesundung der Staatsfinanzen insgesamt ausgelegt ist.

In den vergangenen Jahren haben wir da keine guten Erfahrungen gemacht. Falschetikettierungen und auch Klientelpolitik waren an der Tagesordnung. Dafür gibt es viele Belege. Ich nenne nur die Erbschaftsteuer-Vermeidungsgesellschaft, die verkürzte Aufbewahrungsfrist von Steuerunterlagen und die Einnahmen, für die der Bund sorgen wollte, die am Ende dem Bundeshaushalt zugeflossen wären und durch Absetzbarkeit von anderen Steuern für Verluste und Einnahmenminderungen für die Länder und Kommunen geführt hätten. Mit wirklicher Konsolidierung des Gesamthaushaltes hatte das alles nichts zu tun.

Im Bundesrat haben wir einiges korrigieren können. Ob dessen Arbeit künftig leichter wird, das wird man sehen. Es wird dabei auch darum gehen, Fortschritte da zu erzielen, wo der derzeitige Bundesfinanzminister – jedenfalls in Worten – Schritte angekündigt hat, die unsere Zustimmung finden, etwa bei der Bekämpfung von Steuerbetrug und aggressiver Steuergestaltung. Die Erinnerung an das inakzeptable Abkommen mit der Schweiz ist allerdings noch frisch. Und es ist auch nicht die einzige Erinnerung an die Arbeit des Bundesrates und des Vermittlungsausschusses in den letzten Jahren.

Von einem großen Vertrauen, dass CDU und CSU ihren Worten auch zielorientierte, zum Ziel führende Taten folgen lassen und nicht weiter stiekum neue Schlupflöcher auftun wollen, kann augenblicklich keine Rede sein. Die damit verbundenen Steuerausfälle treffen übrigens auch den Bund, vor allem aber die Länder, die Kommunen – uns alle, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die ehrlich ihre Steuern zahlen.

Da, wo wir in NRW selbst etwas an unseren Einnahmen verbessern können, tun wir das. Wir werden auch weiterhin nicht zusehen, wie sich spezielle Kreise vor einer fairen Steuerzahlung drücken. Nach Schätzungen in Deutschland gehen 30 Milliarden € durch direkten Betrug und noch einmal 130 Milliarden € durch eine aggressive Steuerplanung verloren. Wenn wenigstens die zu einem erheblichen Teil in die öffentlichen Kassen fließen würden, dann hätten wir eine andere Möglichkeit, die Aufgaben zu finanzieren, denen wir uns zu stellen haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ein handlungsfähiges Land, meine Damen und Herren, das in Bildung und Betreuung investiert, das seine Kommunen lebensfähig erhält, das gute Verkehrswege gewährleistet und trotzdem 2020 einen Haushalt ohne zusätzliche Kredite schafft, wird weitere Anstrengungen brauchen – darauf habe ich am Anfang schon hingewiesen –, um dieses Ziel zu erreichen. Wir werden aber auch darauf achten, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land ihre Zukunftschancen nicht durch Kaputtsparen verbauen.

Ich lade alle ein, in den Ausschüssen über die Zukunft unseres Landes, über die Zukunft seiner Menschen zu diskutieren, zu streiten. Nur so können wir dafür sorgen, dass die uns nachfolgenden Generationen nicht die Lasten tragen müssen, über deren Finanzierung wir heute keine Verständigung finden. Der vorliegende Haushaltsentwurf ist unser Beitrag dazu. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister, für die Einbringung. – Ich eröffne die Beratung zu Tagesordnungspunkt 2. Für die CDU-Fraktion spricht deren Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Laumann.

Karl-Josef Laumann (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister, alle Haushaltsreden, die ich von Ihnen bis jetzt gehört habe, hatten immer einen Teil, in dem Sie über den Bund geschimpft haben. Das war auch heute so. Sie müssen einfach mal feststellen, dass die Menschen am Sonntag entschieden haben, dass die Bundesrepublik Deutschland weiterhin von Angela Merkel in eine gute Zukunft geführt wird.

(Beifall von der CDU)

Die Menschen waren nicht der Meinung, dass in Zeiten von höchsten Steuereinnahmen die Steuer-sätze weiter erhöht werden müssen.

(Beifall von der CDU)

Die Menschen waren auch nicht der Meinung, dass wir in Deutschland eine Partei brauchen, die den Menschen bis in die kleinsten Lebensbereiche hinein vorschreibt, was ein gutes und was ein nicht so gutes Leben ist.

(Beifall von der CDU)

Aber es geht heute hier im Landtag nicht darum, wie der Bund künftig regiert wird. Das ist im Grundsatz entschieden.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Oh! – Weitere Zurufe)

Sie können sich auch nicht jeder Verantwortung entziehen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Warten wir erst einmal in Ruhe ab.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Heute reden wir über den Landeshaushalt 2014 für Nordrhein-Westfalen. Wir reden hier über den Haushaltsentwurf, den die rot-grüne Landesregierung dem Landtag von Nordrhein-Westfalen vorgelegt hat.

Wenn ich diesen Entwurf lese, dann finde ich nicht die Anfinanzierung von neuen Ideen, nicht die Anfinanzierung von wichtigen Fragen, etwa wie wir in diesem Land Inklusion gestalten. Das wird ein Haushalt ohne neue Ansprüche, ein Haushalt, der verwaltet statt gestaltet, der vorschreibt, der nach meiner Meinung zu wenig in die Zukunft investiert.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Oh!)

Im Wahlkampf hat Rot-Grün mal geschrieben: „Schön, wenn Frauen wieder den Haushalt machen.“ Ich hätte mir gewünscht, dass die Frauen etwas mehr Visionen für das Land Nordrhein-Westfalen haben, als es in diesem Haushalt zum Ausdruck kommt.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Man kann in diesem Haushalt auch nachvollziehen, dass es zwischen Rot und Grün schon ein Jahr nach der Landtagswahl zu wenige Gemeinsamkeiten für neue Projekte gibt. Dabei sind wir in Nordrhein-Westfalen in einer Situation, in der wir uns auch Sorgen machen müssen. Wir sind in Nordrhein-Westfalen in einer Situation, in der wir dringend neue Impulse brauchen.

Ich will aus der „Rheinischen Post“ von heute zitieren: „Für die NRW-Wirtschaft kommt es derzeit knüppeldick. RWE, Bayer, Lanxess und erst vorgestern Evonik – fast täglich kündigt ein Konzern Stellenabbau an.“

Also: Bei uns im Land ist nicht alles rosarot. Deswegen braucht man eine Regierung, die gemeinsame Projekte gerade in der Industrie- und Wirtschaftspolitik aufstellen kann.

Die Medienberichte der letzten Wochen zeigen, dass in Nordrhein-Westfalen keine Auseinandersetzung darüber stattfand, wie wir – auch in Zeiten der Energiewende – ein starkes Industrieland werden können. Vielmehr wurde zwischen Rot und Grün darüber gestritten, ob der Neuwarenverkauf auf Trödelmärkten nun geregelt werden muss oder nicht. Das sind aber nicht die Probleme, die unser Land wirklich bewegen.

(Beifall von der CDU)

Wenn man nachliest, was über die Energiepolitik dieser Landesregierung veröffentlicht wird, dann sieht man zwar, dass die SPD eine Energiepolitik für die Industrie will, dass sie auch für das Kohlekraftwerk in Datteln steht, aber dass das mit den Grünen letzten Endes nicht hinzukriegen ist und es deswegen Stillstand auf der ganzen Linie gibt.

(Beifall von der CDU)

Bei der Lektüre der Kommunalseiten unserer Zeitungen merkt jeder von uns, dass es um die kommunale Selbstverwaltung aufgrund der Kommunalfinanzierung nicht gut bestellt ist. In 60 Kommunen gibt es verzweifelte Reaktionen auf das, was wir Kommunal-Soli nennen.

In den letzten Wochen konnte man in den Zeitungen lesen, wie diese Landesregierung zum Thema „Inklusion“ steht. Da sagt zum Beispiel Frau Löhrmann, sie lehne die Konnexität ab.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Die SPD sagt, es müsse eine Lösung gefunden werden. In diesem Haushaltsentwurf ist aber nichts dazu zu lesen, wie das Ganze letzten Endes finanziert werden soll.

(Beifall von der CDU)

Was die Landesplanung anbelangt, wurde letzten Endes auf Druck der Grünen die Landesbürgschaft für den newPark verhindert.

Da gibt es eine SPD, die sich für die Chemie in der Region Nordrhein-Westfalen einsetzt; und es gibt einen grünen Koalitionspartner, der im Bundestagswahlkampf behauptet, dass Plastiktüten verboten werden müssen. Das ist Ihr Beitrag zur Chemiepolitik!

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Wahrheit ist: Sie haben natürlich auf einen Wechsel in Berlin gesetzt, um die Steuern zu erhöhen, um damit Ihre unverantwortlichen Wahlgeschenke aus der Zeit der Minderheitsregierung bezahlen zu können. Aber diese Rechnung ist nicht aufgegangen.

(Beifall von der CDU)

Rot-Grün betreibt mit diesem Haushalt eine Politik des „Weiter so!“. Ich sage noch einmal: Es gibt keine neuen Ideen und erst recht keine Visionen, wohin dieses Land gehen soll.

Aber wenn wir einfach so weitermachen, dann werden wir an unserer Situation eben nichts verändern. Und die Situation ist nicht überall in Nordrhein-Westfalen rosig. Wir haben hier nach wie vor eine unterdurchschnittliche wirtschaftliche Entwicklung gegenüber der Entwicklung in anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland. Damit kann man nicht zufrieden sein.

Wir haben – und das wissen wir alle, die wir in unseren Reihen Kommunalpolitiker sitzen haben – eine schwierige Situation in den Kommunen. Die kommunale Selbstverwaltung ist, wenn man nichts mehr selber gestalten kann, letztlich ein totgerittenes Pferd. Ich finde, kommunale Selbstverwaltung ist gerade in einem subsidiär aufgestellten Land wie Nordrhein-Westfalen eine ganz wichtige Sache für die Weiterentwicklung unseres Landes.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Ich kann in Ihrer Haushaltspolitik auch nicht die Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Schuldenbremse erkennen.

Ihr „Weiter so!“ heißt auch – und das war die Nachricht, die mich in der Sommerpause persönlich am meisten nachdenklich und auch traurig gestimmt hat –, dass Nordrhein-Westfalen das einzige Flächenland in Deutschland ist, in dem die Langzeitarbeitslosigkeit nicht abgenommen hat. Nur so viel zu Ihrem Slogan: „Wir nehmen jeden mit“. Wenn wir die Langzeitarbeitslosigkeit bei uns nicht abgebaut bekommen, haben wir ein großes Problem, was das Mitnehmen von Bürgerinnen und Bürgern angeht.

Ein „Weiter so!“ heißt auch, dass wir nicht die entscheidenden Akzente setzen können, um dem Verfall unserer Infrastruktur zu begegnen.

Ein „Weiter so!“ heißt auch, dass eine Inklusion ohne Qualität durchgesetzt werden soll.

(Beifall von der CDU)

Ich persönlich finde daher, dass ein bloßes „Weiter so!“ in diesem Haushalt keine gute Politik ist.

Trotzdem werden in Nordrhein-Westfalen neue Schulden gemacht. Unser Schuldenberg wird bis Ende 2014 um 2,4 Milliarden € auf fast 140 Milliarden € anwachsen. Dabei steigen die Steuereinnahmen: Wir reden von fast 5 % mehr Steuereinnahmen als im Vorjahr. Trotzdem kommt Rot-Grün mit dem Geld nicht aus.

Ich sehe es ja, und man erkennt es auch in diesem Haushalt: Nordrhein-Westfalen hat keine Handlungsspielräume mehr. Denn wenn es Handlungsspielräume gäbe – da bin ich sicher –, würden Sie das Anliegen der Inklusion mit mehr Geld ausstatten, als Sie es in diesem Haushalt tun.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Wie viel denn?)

Wenn es Handlungsspielräume gäbe, dann hätten Sie nicht eine so brutale „Basta!“-Politik bei der Beamtenbesoldung betrieben. Ohne mit den Betroffenen zu sprechen, haben Sie einfach gesagt: Wir entscheiden alleine darüber, wer Einkommenszuwächse bekommt und wer nicht.

(Beifall von der CDU)

Das ist ein Verhalten, das Sie bei jedem Unternehmen geißeln würden; bei der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist es jedoch Regierungsstil.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Ich glaube auch, dass wir Handlungsspielräume in unserem Haushalt nur erlangen können, wenn es eine gute wirtschaftliche Entwicklung gibt. Gegen wirtschaftlichen Abschwung kann man nicht ansparen. Ich habe es als Mitglied einer Landesregierung während der Finanzkrise im Jahre 2009 selbst erlebt, dass gegen das Wegbrechen der Steuerkraft in jenem Jahr ein Ansparen, ein Gegensparen vollkommen unmöglich war.

Es ist notwendig, dass man eigene Anstrengungen unternimmt, dass man Strukturen Schritt für Schritt verändert, um neue Gestaltungsspielräume zu gewinnen.

Herr Finanzminister, Sie haben es im Zusammenhang mit den Ausgaben für Personal – etwa 43 % – angesprochen: Wir werden unsere Handlungsspielräume nicht erreichen können, wenn wir nicht in diesen Bereichen Schritt für Schritt zu Strukturveränderungen kommen. Ich sehe jedenfalls keine andere Möglichkeit. Die einzige Möglichkeit besteht darin, Strukturen zu verändern.

Deswegen, finde ich, sollte man nicht jeden Vorschlag – ob Schulverwaltungsassistenten, Polizeiverwaltungsassistenten oder Veränderungen beim Arbeitsschutz – von vornherein mit den Worten ablehnen: Das geht alles nicht. Vielmehr sollte man sich darüber unterhalten, wie man diese Veränderungen verantwortungsbewusst angehen kann, um auch für neue Aufgaben im eigenen Haushalt zusätzliche Ressourcen zu erarbeiten.

Jeder von uns weiß auch, dass es auf Dauer in Nordrhein-Westfalen nicht möglich sein wird, Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten, Staatsanwälte und Richter von der wirtschaftlichen Entwicklung abzukoppeln.

(Beifall von der CDU)

Deswegen habe ich schon zu Beginn der Haushaltsberatungen für das Jahr 2014 die Bitte, dass auch Vorschläge der Oppositionsfraktionen, wie man Strukturen verändern kann, zumindest in den Fachausschüssen ernsthaft miteinander beraten werden und man vielleicht auch einmal zu gemeinsamen Überzeugungen kommen kann. Nur weil ein Antrag den Briefkopf meiner Fraktion trägt, ist es nicht von vornherein ein schlechter Vorschlag –

(Zuruf von der SPD: Doch!)

genauso wie auch Ihr Briefkopf nicht darüber entscheidet. Ich finde, wir sind in einer Situation, in der wir, wenn wir uns Handlungsspielräume erarbeiten wollen, aus diesem Mechanismus zwischen Regierung und Opposition ein Stück weit herauskommen müssen.

(Beifall von der CDU)

Die Länder in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2013 einen Überschuss von 1,2 Milliarden € erzielt. Unser Land Nordrhein-Westfalen hatte zum 30. Juni 2013 einen negativen Finanzierungssaldo von 1,7 Milliarden €. Auch daran sehen Sie, dass Nordrhein-Westfalen mehr Probleme hat als andere Flächenländer.

Eine aktuelle PwC-Studie zur Entwicklung der Landeshaushalte besagt – ich zitiere –:

„Nordrhein-Westfalen gehört zu jenen westdeutschen Flächenländern, deren relative Finanzposition sich bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu den anderen westdeutschen Flächenländern weiter zu verschlechtern droht.“

Und:

„Insgesamt wird es für Nordrhein-Westfalen nicht einfach werden, die Schuldenbremse einzuhalten.“

Auch das wissen wir alle: dass wir wahrscheinlich das Flächenland sind, wo es am schwersten für jeden sein wird, die Schuldenbremse einzuhalten. Trotzdem wird die Frage, ob wir die Schuldenbremse einhalten, damit wir in Deutschland endlich aus der Teufelsspirale herauskommen, ständig mehr auszugeben, als wir einnehmen, vor allem in Nordrhein-Westfalen entschieden. Denn wenn dabei ein so großes Flächenland wie wir letzten Endes versagt, scheitert die ganze Idee der Schuldenbremse. Diese Idee halte ich aber nach wie vor für eine der wichtigsten politischen Entscheidungen nach der deutschen Wiedervereinigung.

(Beifall von der CDU)

Der Ausgabenanstieg beim Bund – so ist das zumindest dem vorgelegten Bundeshaushalt zu entnehmen – beträgt von 2013 bis 2017 lediglich 1,5 %. In Nordrhein-Westfalen plant die Landesregierung bis 2017 aber mit über 23 %. Bei diesen Steigerungsraten werden wir das Ziel der Einhaltung der Schuldenbremse nie erreichen können. Deswegen macht schon dieser Haushaltsplan deutlich, dass Sie dieses Ziel nicht ernst genug verfolgen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die politische Generation, die jetzt hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen sitzt, ihre wichtigste Aufgabe darin hat, diesen jetzt über 40-jährigen Kreislauf, mehr Geld auszugeben, als man einnimmt, zu durchbrechen.

Ich will Ihnen auch sagen, warum ich glaube, dass das Zeitfenster für diese wichtige politische Frage nicht ewig offen steht. Das hängt auch mit der Demografie unseres Landes zusammen. Das hängt damit zusammen, dass die Babyboomer-Gene-ration, die Menschen, die zwischen 1955 und 1965 geboren sind, noch im Erwerbsleben steht. Ich gehöre selber dieser Generation an. Wir werden in 15 bis 20 Jahren aber die Seniorenboomer sein. Wir werden dann ersetzt von einer Generation, die jetzt zwischen 5 und 15 Jahren alt ist. Die können wir auch zählen. Diese Generation ist halb so groß wie unsere Generation. Deswegen glaube ich, dass es nur noch in dem Zeitfenster, in dem die Babyboomer-Generation zu den Einkommensteuerzahlern gehört, möglich ist, die Haushalte in Deutschland auszugleichen. Danach wird es sagenhaft schwer. Deswegen ist es sehr wichtig, dass man dieses Ziel erreicht.

Ich will für meine Fraktion sagen: Vielleicht muss man, um ein solches Ziel in einem Land wie Nordrhein-Westfalen zu erreichen, auch gemeinsam denken, zwischen Kommunen und Land und über Fraktionsgrenzen hinweg. Wir würden damit das Beste tun, damit die Menschen auch in 20 Jahren in Nordrhein-Westfalen sowohl auf der Kommunalebene wie auf der Landesebene noch Gestaltungsmöglichkeiten haben.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Erreichung dieses Zieles wird uns deswegen schwerfallen – ich habe das eben schon gesagt –, weil sich Nordrhein-Westfalen im Vergleich zur Wirtschaftskraft der anderen Bundesländer langsamer nach vorne entwickelt. Darin liegt unser Problem.

Das wird auch in diesem Haushaltsentwurf deutlich, wenn man sich die erwarteten Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich anschaut. Auch in der mittelfristigen Finanzplanung geht die rot-grüne Landesregierung davon aus, dass Nordrhein-Westfalen seinen Status als Empfängerland im Finanzausgleichssystem beibehalten wird. Ab 2015 rechnet sie jährlich mit 800 Millionen € Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und aus den Bundesergänzungszuweisungen.

Aber wenn man eine solche Situation hat, dann muss man doch alles, was man an Stellhebeln hat, bewegen, um die Situation zu verbessern. Deswegen muss die Landesplanung in Nordrhein-Westfalen von der Stelle kommen, und die Blockade zwischen Umweltschutz auf der einen Seite und Landesplanung auf der anderen Seite muss in der Landesregierung durchbrochen werden und darf nicht einfach vor sich her wabern.

Ich glaube, dass wir einen Konsens zwischen Rot und Grün, aber auch in unserer Gesellschaft über Industrie- und Gewerbegebiete brauchen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die kleinkarierte Klimaschutzpolitik der Grünen der wirtschaftlichen Dynamik in Nordrhein-Westfalen nicht guttut, sondern eher ein Hemmschuh ist, den wir besser nie angezogen hätten und den wir schnell wieder ausziehen sollten.

(Beifall von der CDU)

Wir müssen alles tun, um den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen zu beschleunigen. Dass wir auf diesem Gebiet hinter dem Bundestrend liegen, ist wahrscheinlich das sozialpolitisch größte Problem, das wir in Nordrhein-Westfalen haben. Die Wahrheit ist: Inwiefern man Menschen mitnimmt und Teilhabe für Menschen organisiert, entscheidet sich in allererster Linie an ihrer Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt.

Da ich weiß, wo wir besonders große Sorgen haben, was die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit angeht, habe ich im Sommer die Entscheidung, dass Sie keine Verantwortung für den newPark in der Emscher-Lippe-Region übernehmen wollen, einfach nicht verstanden. Denn da sind die Probleme am größten.

Meine Damen und Herren, ich hatte eben in meiner Rede schon etwas zur kommunalen Selbstverwaltung gesagt. Wir haben nun 60 Gemeinden, die herangezogen werden, um den sogenannten Kommunalsoli zu finanzieren. Sicherlich ist in diesen Gemeinden die Situation nicht überall gleich. Aber ich war jetzt einmal im Kreis Siegen-Wittgenstein, wo insgesamt fast 15 Millionen € bei den Kommunen abgeschöpft werden.

Eine Kommune davon ist die Gemeinde Wilnsdorf. Mit deren Zahlen habe ich mich mal etwas mehr beschäftigt. Diese Gemeinde soll nächstes Jahr 650.000 € zahlen. Dabei ist Wilnsdorf gerade dem Nothaushalt entronnen durch ein dort im Gemeinderat verabschiedetes hartes Sparprogramm. Wilnsdorf hat 3.400 € Schulden pro Einwohner. Das ist im Übrigen ein Drittel mehr als in Bottrop oder Leverkusen, denen der Kommunalsoli zugutekommt. Das ist doch erst einmal verrückt, oder?

Das Zweite ist: Im Haushaltssicherungskonzept der Gemeinde Wilnsdorf, wie es heute vorliegt, steht, die Anzahl der Ratsmandate soll reduziert werden, ebenso die Anzahl der Ausschüsse, die Anzahl der Ausschussmitglieder und der sachkundigen Bürger. Das macht 30.000 € Einsparung im Jahr aus. Die Reduzierung von Ausgaben bei Jubiläen macht 29.000 € im Jahr aus. Die Reduzierung des Aufwands für Schulen aufgrund von Demografiegewinnen macht insgesamt 200.000 € für die nächsten Jahre aus. Dazu kommen weitere Maßnahmen in dieser kleinen Gemeinde wie die Pflege von Grünflächen durch Ehrenamtler, die Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer, der Hundesteuer und der Vergnügungssteuer.

Wo sollen weitere Einsparungen für den Kommunalsoli herkommen? Wilnsdorf spart, dass es quietscht, und die rote Landesregierung setzt mit dem Kommunalsoli noch eine Art Strafsteuer obendrauf.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie, wie ich es getan habe, mit Ratsmitgliedern aus dieser Gemeinde reden, dann finden Sie dort die Stimmung vor, dass die erst einmal sagen, sie wollen gar nicht mehr für den nächsten Gemeinderat kandidieren. Sollen die doch von Düsseldorf hier einen Kommissar einsetzen.

Ich hatte nicht den Eindruck, dass das nur die Leute mit meinem Parteibuch so sahen. Die Leute sind wütend, weil sie sich um das, was sie sich erspart haben, was sie sich durch mutige Entscheidungen an Handlungsspielräumen erarbeitet haben, betrogen fühlen. So können wir keine Kommunalsanierung in Nordrhein-Westfalen machen.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will das hier nur sagen. Die Milliardenschulden, die manche Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben, sind ja nicht an einem Tag entstanden. Die sind alle irgendwie von einer Kommunalaufsicht in den Jahren irgendwann einmal genehmigt worden.

(Minister Ralf Jäger: Verdopplung zwischen 2005 und 2010! – Zurufe von der SPD)

Ich kann Ihnen nur sagen: In der Zeit von Innenminister Wolf hatten wir die strengste Kommunalaufsicht in Nordrhein-Westfalen. Darüber haben Sie in ganz Nordrhein-Westfalen damals geschimpft.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Minister Ralf Jäger)

Aber sei es, wie es sei. Diese Schulden, Herr Jäger, sind nicht nur in den fünf Jahren entstanden.

(Minister Ralf Jäger: Verdopplung in fünf Jahren!)

Ich sage Ihnen: Die sind nicht nur in den fünf Jahren entstanden.

(Minister Ralf Jäger: Verdoppelt!)

Bei einer Regelung, bei der man sogenannte Kassenkredite nicht von der Kommunalaufsicht genehmigen lassen muss, muss man sich nicht wundern, dass das dann der Ausweg ist – den Nordrhein-Westfalen als einziges Land hat – und wir mittlerweile die Kassenkreditführerschaft in ganz Deutschland errungen haben.

(Beifall von der CDU)

Ich glaube nach sieben Jahren Mitgliedschaft in diesem Landtag, dass wir in Nordrhein-Westfalen in Wahrheit dringend das Gemeindefinanzierungsgesetz, das GFG, neu denken müssen. Das GFG wird von niemandem mehr verstanden –

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

mit seinen fiktiven Hebesätzen, mit seinen komplizierten Analysen, mit seiner Einwohnerveredelung usw.

(Zuruf von der SPD: Das hätten Sie doch alles ändern können, wenn Sie es gewollt hätten!)

– Lassen Sie uns doch erst einmal darüber reden, was wird jetzt tun, bevor wir solchen Gemeinden wie Wilnsdorf die Pistole auf die Brust setzen.

(Beifall von der CDU)

Denken Sie doch einmal in einer Sache daran, nicht nur weiter so zu machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie mit diesem Gemeindefinanzierungsgesetz in Nordrhein-Westfalen die Probleme nicht gelöst bekommen. Meine politische Erfahrung, die ja nun auch ein paar Tage alt ist, sagt mir eines: Ein Solidarsystem, das so kompliziert ist, dass es keiner nachvollziehen kann, ist nie ein Solidarsystem, das Akzeptanz erfährt.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Es ist nun mal so: Transparenz ist die Mutter des Vertrauens und der Akzeptanz.

(Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Deswegen ist das mit diesem GFG nicht zu machen. Wenn die Kommunalaufsicht unter wem auch immer das alles hat laufen lassen, dann muss man zugeben, egal, welche Landesregierung es war, dass Landesregierungen dabei Schmiere gestanden haben. Deswegen hat das Land auch eine Mitverantwortung für das, was über Jahrzehnte in Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle passiert ist.

(Beifall von der CDU)

Es sind nicht nur diese 60 Kommunen, die man jetzt teilweise um die Früchte ihrer mutigen politischen Entscheidungen bringt.

(Minister Ralf Jäger: Völliger Quatsch, Herr Laumann!)

Ich will Ihnen einen weiteren Punkt nennen:

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

Ich bin sehr dafür, dass wir Solidarität haben. Da brauche ich von niemandem hier im Landtag Nachhilfeunterricht. Vollkommen klar ist, dass Gemeinden, die eine gute Entwicklung haben, auch einen Beitrag leisten müssen für Gemeinden, in denen es schwieriger ist.

Aber der Ausgleich heißt „Gemeindefinanzierungsgesetz“. Wenn wir hier eine Regelung haben, dass 23 % der Einkommensteuer erst einmal jeder Gemeinde zur Erledigung ihrer Aufgaben im Grundsatz zustehen, dann kann man da ja umverteilen.

Wenn aber die Regelung so aussieht, dass man von diesen 23 % keinen Euro mehr bekommt und noch zusätzlich Leistungen erbringen muss, dann wird Solidarität zu Sozialismus, und das verstehen die Menschen nicht.

(Beifall von der CDU)

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen – den sollte man gar nicht denken müssen –: Wie geht eigentlich die Energiewende in Nordrhein-Westfalen voran?

Darüber, dass wir aufgrund unserer bisherigen Bedeutung bei der Energiegewinnung sehr stark auch die Interessen von großen Energieversorgern, die hier viele Arbeitsplätze organisieren, im Auge haben müssen, gibt es zumindest zwischen der einen oder anderen Fraktion hier im Landtag eine Gemeinsamkeit, und dass bei dieser Energiewende auch der Ausbau der regenerativen Energien notwendig ist, ist auch keine Frage.

Ich sage Ihnen jetzt aber einmal Folgendes: Im Jahre 2012 sind in Nordrhein-Westfalen ganze 59 Windkraftanlagen genehmigt worden. Wenn in diesem Schneckentempo weitergemacht wird, weil man es im Hause des Umweltministers nicht schafft, mit den Umweltverbänden eine Übereinkunft in Bezug auf die Nutzungen zu erzielen, dann bedeutet das, dass Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen die Energiewende verhindert – zumindest im Hinblick auf den Ausbau der Windenergie.

(Beifall von der CDU)

Es gibt kein Bundesland, in dem es so wenige Genehmigungen für Windkraftanlagen gibt und wo es so schwierig ist wie in Nordrhein-Westfalen, und all die Leute, die jetzt in Nordrhein-Westfalen Bürgerwindparks organisieren, können ein Lied davon singen. Wenn Sie zu diesen Leuten Kontakt hätten, dann wüssten Sie das auch.

(Beifall von der CDU)

Zum Schluss will ich einen letzten Punkt ansprechen, den manche möglicherweise als eine Banalität ansehen. Ich sage Ihnen aber: Das wird eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Lebensmöglichkeiten der Menschen in Nordrhein-Westfalen spielen.

Wir führen hier im Landtag viele Diskussionen darüber, wie die medizinische Versorgung und die pflegerische Versorgung in einer älterwerdenden Gesellschaft aussehen werden. Dabei werden viele gute Modelle angedacht – auch im Pflegeministerium. Ich nenne die Stichworte „stadtteilorientiert“ usw. Das alles finde ich gut.

Wir werden aber ein Riesenproblem mit der ärztlichen Versorgung in Nordrhein-Westfalen haben, wenn wir so weitermachen wie bisher. Wir bilden in Nordrhein-Westfalen zurzeit nämlich zu wenige Ärzte aus. 1992 gab es in Nordrhein-Westfalen noch 20.900 Medizinstudenten, jetzt sind es noch 16.460. Es gibt in Nordrhein-Westfalen ganze Regionen, in denen die Hausärzte deutlich über 50 Jahre alt sind. Vor allen Dingen in den ländlichen Regionen merkt man das jetzt zuerst. Aufgrund dessen, dass die Anzahl älterer Menschen größer wird, werden wir eher mehr als weniger Hausarztpraxen brauchen.

Ich habe einfach nur die Bitte, dass man auch in den Haushaltsberatungen darüber nachdenkt, mehr Ärzte in Nordrhein-Westfalen auszubilden, und wir sollten uns insbesondere zusammen mit den Universitäten bemühen, diejenigen auszubilden, die später als Mediziner auch bereit sind, eine Hausarztpraxis zu betreiben.

(Beifall von der CDU)

Im Übrigen läuft uns hier deswegen die Zeit weg, weil es rund zehn Jahre dauert, bis jemand eine Hausarztpraxis übernehmen kann, wenn er heute anfängt, Medizin zu studieren. Deswegen muss jetzt gehandelt werden, wenn wir hier nicht sehenden Auges in die Probleme laufen wollen.

Ich wohne in einer Gemeinde, in der jetzt eine große Arztpraxis wegen des Erreichens des Renteneintrittsalters geschlossen hat.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Der Rösler!)

Wenn Sie erleben, dass 70-Jährige zu Ihnen kommen und sagen: „Ich war jetzt schon bei zwei anderen Hausärzten, aber keiner will mich mehr als Patient haben“, dann wissen Sie, was dahintersteht. Das ist nicht nur ein Problem des Münsterlandes oder der Sauerlandgemeinden, sondern das wird auch zunehmend ein Problem der städtischen Regionen.

Für die Hochschulpolitik sind die Länder verantwortlich, und deswegen liegt die Verantwortung hier auch bei der Landesregierung und nirgendwo anders.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, bei mir stirbt die Hoffnung immer zuletzt. Deswegen hoffe ich sehr, dass wir bei den Haushaltsberatungen in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr trotz all der Erfahrungen, die ich in meinem 23-jährigen Abgeordnetenleben gemacht habe, von dem „Einfach-weiter-So“ an dem einen oder anderen Punkt ein bisschen abweichen, dass vielleicht auch die Ideen, die andere haben, nicht von vornherein deswegen abgelehnt werden, weil der Antragsteller einen bestimmten Briefkopf verwendet hat,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: So war das zumindest 2005 bis 2010!)

und dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass Akzente für eine gute Zukunft in Nordrhein-Westfalen gesetzt werden. Dieser Haushalt setzt keine Akzente, und deswegen ist er ein anspruchsloser Haushalt. – Schönen Dank.

(Anhaltender Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Laumann. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Römer.

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Laumann, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Sie haben damit eingeleitet, dass Sie in diesem Haushalt und in der Haushalts- und Finanzplanung dieser Landesregierung zu wenige Zukunftsinvestitionen sehen und Impulse vermissen.

Ich hatte eine Erwartung an Ihre Rede. Ich habe nämlich geglaubt, dass Sie uns, ein bisschen beflügelt durch den unbestreitbaren Wahlerfolg durch Frau Merkel, einen Gegenentwurf präsentieren und sagen würden, wie Sie denn die Zukunft dieses Landes sehen und wohin Sie denn Zukunftsinvestitionen leiten würden. Fehlanzeige! Das war ein Wirrwarr. Ich habe den roten Faden in Ihrer Rede verzweifelt gesucht und hatte den Eindruck, Ihre Fraktion war ebenso verzweifelt. Das war beim besten Willen kein Gegenentwurf, Herr Kollege Laumann.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Es ist völlig klar: Unter der Führung von Frau Merkel – durch sie war Ihr Wahlergebnis ja fast so gut wie das Bundeswahlergebnis Ihrer Partei; sie hat Sie mitgezogen – haben Sie, Herr Laschet, ein gutes Wahlergebnis erreicht. Ich gratuliere Ihnen dazu und mache noch einmal deutlich, Herr Kollege Laumann: Davon hätte ich mir allerdings in Ihrer Rede etwas versprochen.

Jetzt liegt selbstverständlich auch die Verantwortung bei CDU/CSU, bei Frau Merkel, eine Regierung zu bilden und vor allem, Herr Kollege Laumann, zu sagen, wohin denn die Reise auch steuer-, haushalts- und finanzpolitisch in diesem Land insgesamt gehen soll, damit wir noch mehr in die Zukunft investieren können, in die Herzen und Köpfe der Kinder, Herr Kollege Laumann,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

damit wir auch in Nordrhein-Westfalen in eine gute Zukunft kommen. Das habe ich bei Ihnen vermisst.

Ich werde gleich auf einige Punkte eingehen, die Sie angesprochen haben, und versuche dann, einen roten Faden auch für Sie zu entwickeln.

(Zurufe von der CDU: Oho! – Lutz Lienenkämper [CDU]: Das ist aber gefährlich!)

Ich gehe davon aus, dass Sie mit mir der festen Überzeugung sind, dass wir hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen ein gemeinsames Interesse daran haben müssen, die Interessen der Menschen in Nordrhein-Westfalen, deren Wohlergehen und das Wohlergehen des Landes zum Zielpunkt unseres Handelns zu machen. Und daraus entwickelt sich auch, Herr Kollege Laumann, ein Anspruch aus diesem Landtag heraus gegenüber der Politik im Bund. Das wollen wir hier gemeinsam festhalten.

(Beifall von der SPD – Lutz Lienenkämper [CDU]: Nicht gegen die Politik im Bund! Arroganz bis zum Geht-nicht-Mehr!)

Ich nehme den Bereich der Haushalts- und Finanzpolitik hier in Nordrhein-Westfalen und ihre Entwicklung heraus. Wir haben – der Finanzminister hat es gerade noch einmal eindrucksvoll bestätigt – seit der Regierungsübernahme im Jahre 2010 durch SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit jedem einzelnen Haushalt bewiesen, dass wir auf dem Weg zu einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung Schritt für Schritt nach vorne gehen, ohne die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu vernachlässigen.

Herr Kollege Laumann, selbstverständlich dann, wenn alles stimmt, haben wir sowohl auf der Ausgabenseite bei den Zukunftsinvestitionen als auch bei der Übernahme der Gesamtverantwortung für eine auskömmliche Finanzausstattung aller staatlichen Ebenen gesorgt, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, sodass wir selbstverständlich auch das Ziel der Schuldenbremse erreichen werden. Das ist nachhaltige Haushaltskonsolidierung und nachhaltige Finanzpolitik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind auf dem Weg, mehr in die Förderung von Familien und Kindern zu investieren, mehr dafür zu sorgen, dass wir kein Kind zurücklassen, mehr dafür zu sorgen, dass wir zukünftig Kinder nicht mehr ohne Schulabschluss aus den Schulen entlassen müssen, mehr dafür zu sorgen, dass alle eine Berufsausbildung bekommen, Schritt für Schritt nach vorne gekommen.

Diese Zukunftsinvestition ist nicht nur im Interesse der Kinder und Familien und nicht nur im Interesse unserer gesamten Gesellschaft, sondern sie ist auch, Herr Kollege Laumann, im Interesse unserer Unternehmen und Betriebe, weil es darauf ankommt, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen dafür sorgen, dass alle diejenigen, die hier im Land leben und groß werden, auch eine Chance haben, in den Betrieben, in den Ausbildungsstellen Fuß zu fassen. Das ist auch unser Beitrag zum drohenden Fachkräftemangel. Wir werden das konsequent weiterführen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und wir nehmen dafür, meine Damen und Herren, viel Geld in die Hand. 1,984 Milliarden € – in diesem Haushalt kann man das nachlesen, Herr Kollege Laumann – werden wir für die frühkindliche Betreuung und Bildung ausgeben. Herr Kollege Laschet, 1,984 Milliarden €, fast doppelt so viel wie damals unter Ihrer Verantwortung! Und das ist eine vernünftige Investition in die Zukunft. Und wir brauchen mehr davon. Das sagen wir jedes Mal. Deshalb brauchen wir auch eine vernünftige Finanzausstattung insgesamt für den gesamten Haushalt, Bund, Länder und Kommunen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will den Faden an das anknüpfen, was Sie vorhin angemerkt haben, Herr Kollege Laumann. Sie haben auf die Schwierigkeiten bei großen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen hingewiesen – bei RWE, E.ON, Evonik, ThyssenKrupp; wir könnten das weiterführen. Auch in mittelständisch geführten Unternehmen gibt es Schwierigkeiten. Ja, die haben deshalb Schwierigkeiten, weil vier Jahre lang in Berlin bei der sogenannten Gestaltung der Energiewende nichts, aber auch gar nichts gemacht worden ist. Das schadet dem Industriestandort Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sich jetzt hier hinzustellen, Herr Kollege Laumann, und so zu tun, als seien dafür andere verantwortlich, das schlägt dem Fass den Boden aus. Sie haben in Berlin nicht ein einziges Mal mit Ihren Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen dafür gesorgt, dass es im Sinne dieses Landes, im Sinne der Unternehmen bei der Energiepolitik, bei der Gestaltung der Energiewende endlich weitergegangen wäre. Nein, Sie haben zugeguckt, wie sich vor allen Dingen Wirtschaftsminister und Umweltminister – später Herr Rösler und Herr Altmaier – gegenseitig zulasten dieses Landes blockiert haben. Herr Kollege Laumann, die Politik von Frau Merkel in den letzten


vier Jahren hat uns in Nordrhein-Westfalen erheblich geschadet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden auf dem Weg der Haushaltskonsolidierung konsequent weitergehen. Wir werden selbstverständlich, Herr Kollege Laumann, auch den großen dicken Brocken Personalkosten im Landeshaushalt nicht aus dem Blick verlieren: 43 % sind großer Brocken. Deshalb füge ich hinzu: Auch angesichts der dramatischen Entwicklung, was die Arbeitsplätze in einigen nordrhein-westfälischen Unternehmen angeht – ich habe das hier mit allem Freimut gesagt –, haben wir die sozial gestaffelte Übernahme des Tarifergebnisses für die Beamtinnen und Beamten mit einer klaren Zusage verbunden, nämlich mit der Zusage, dass wir während der Laufzeit dieses Tarifvertrages, also zwei Jahre lang, keinen Personalabbau betreiben würden.

(Zurufe von der CDU)

Beschäftigungssicherung – habe ich damals gesagt – ist ein hohes Gut, auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Angesichts dessen, was sich um uns herum abspielt, füge ich noch einmal hinzu: Ja, es war vernünftig,

(Armin Laschet [CDU]: Nein!)

es war vor allen Dingen verantwortungsvoll, wie wir uns verhalten haben.

(Armin Laschet [CDU]: Das sehen die Beamten anders!)

Ich bleibe trotz Ihrer populistischen Klage zuversichtlich: Wir werden damit auch erfolgreich einer gerichtlichen Überprüfung standhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Armin Laschet [CDU]: Tosender Beifall!)

– Dafür braucht man keinen Beifall; dafür wollen wir keinen Beifall bekommen.

Wir wissen, dass wir den Betroffenen einiges zumuten – ohne Frage.

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

Aber wir glauben und sind davon überzeugt, dass die Betroffenen mehr und mehr Einsicht zeigen, dass wir einen vernünftigen Weg gehen, Herr Kollege Laschet.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Das erlebe ich überall, vor allen Dingen in den vielen Gesprächen mit den Betroffenen.

Also: Wir gehen diesen Konsolidierungsweg weiter nach vorn und werden dabei selbstverständlich die Zukunftsinvestitionen nach wie vor im Blick behalten. Über eine bestimmte habe ich geredet, nämlich über die Investition in die Köpfe und Herzen der Kinder vor der Schule.

Wir haben selbstverständlich bei der Frage, wie wir die Förderung in der Schule weiter nach vorn bringen können, weder am Geld noch am Personal gespart. Auch dabei gibt es die klare Zusicherung: Bis zum Jahr 2015 bleibt alles, was aufgrund sogenannter Demografieeffekte, insbesondere wegen rückläufiger Schülerzahlen, beim Personal einzusparen wäre, in den Schulen, Herr Kollege Laschet, damit wir mehr individuelle Förderung machen können.

Ich bin froh, dass Sie beim Schulkonsens dabei waren. Wir erleben jetzt gemeinsam, wie gut es gewesen ist, dafür zu sorgen, dass vor allen Dingen die kommunale Familie entscheiden kann, ein wohnortnahes Schulangebot so zu organisieren, dass es besonders für die Kinder gut ist und dass sie Bildungsabschlüsse bis zur Klasse 10 auch integriert, wenn das gewollt ist, bekommen können.

Ich merke, die Schullandschaft in Nordrhein-Westfalen und vor allen Dingen in CDU-dominierten Städten und Gemeinden ist in Bewegung geraten. Das macht deutlich: Es war richtig, dass wir das so entschieden haben, und das ist eine gute Investition in die Zukunft unseres Landes, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der dritte Punkt berührt uns alle miteinander selbstverständlich nach wie vor und betrifft das, was mit der kommunalen Familie zusammenhängt. Herr Kollege Laumann, wenn Sie hier beklagen, dass es der kommunalen Familie vor allen Dingen unter der Kommunalaufsicht von Herrn Wolf so schlecht gegangen sei, müssten Sie sich bitte an die eigene Verantwortung erinnern.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Oh!)

Ich will Sie daran erinnern, dass deshalb damals mehr als 100 Städte und Gemeinden in die Nothaushalte getrieben worden sind, weil Sie in der gesamten Zeit Ihrer Regierungsverantwortung – vier Jahre Rüttgers – den Kommunen mehr als 3 Milliarden € aus den Kassen genommen haben. Darunter leiden sie heute noch. Das kann man nicht innerhalb weniger Jahre reparieren.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von Prof. Dr. Tho-mas Sternberg [CDU])

Deshalb bleiben wir bei unserem Kurs. Wir gehen bis an die Grenzen dessen, was der Landeshaushalt verkraften kann, um den Städten und Gemeinden zu helfen, dass sie nicht unter die Wasserlinie gedrückt werden. Das ist im Interesse aller 396 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Deswegen ist der Stärkungspakt sowohl in seiner ersten als auch in der zweiten Ausgestaltung unter Zuhilfenahme der Solidarität der kommunalen Familie ein vernünftiger Weg, der für alle Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gut ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden ihn gehen. Wir werden darüber zu reden haben.

Aber wenn Sie, Herr Kollege Laumann, in diesem Zusammenhang sagen: „Sie müssen dort mehr investieren“, frage ich Sie allen Ernstes: Wo ist denn da der rote Faden in Ihrer Argumentation? Wie wollen Sie das denn zusammenbekommen: auf der einen Seite Mehrausgaben in Nordrhein-Westfalen zu verlangen, auf der anderen Seite sich gegen Mehreinnahmen vom Bund auszusprechen und auf der dritten Seite nicht zu sagen, wo Sie die Ausgaben reduzieren, denn das sei Ihre Sache? – Das kann doch nicht zusammengehen, Herr Kollege Lau-mann. Das ist keine verantwortungsvolle Politik in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und Reiner Priggen [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss auf einen Punkt zu sprechen kommen, von dem ich glaube, dass der Landtag in Nordrhein-Westfalen seiner Verantwortung für das Land – „gemeinsam“ im Übrigen, Herr Kollege Laumann – nachkommen muss.

Ich will daran erinnern: Wir waren uns im Oktober 2010 schon einmal – nicht mit der FDP, die damals noch beiseite gestanden hat – mit Ihnen einig, dass zur Ausgestaltung der kommunalen Finanzen trotz aller Anstrengungen in den Städten und Gemeinden sowie im Land der Bund mehr Verantwortung übernehmen muss.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: War der Bund dabei?)

Wir waren uns damals alle einig. Ich habe nicht erlebt, dass Sie viel dazu beigetragen hätten, dass der Bund in der vergangenen Legislaturperiode dieser Verantwortung nachgekommen wäre.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Was ist denn mit der Grundsicherung?)

– Was dem Bund abgetrotzt worden ist – Stichwort: Grundsicherung –, ist über den Bundesrat abgetrotzt worden, nachdem wir aus Nordrhein-Westfalen begonnen haben und dann diese Mehrheit über immer mehr von SPD und Bündnis 90/Die Grünen regierten Länder im Bundesrat zustande gekommen ist. Freiwillig hat der Bund das nicht gemacht; Sie sollten sich da nicht mit fremden Federn schmücken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb wird es sehr darauf ankommen, dass wir auch mit Blick auf die Bundesregierung – in den nächsten Tagen wird sich herausstellen, wie sie von Ihnen gebildet werden wird – diesen gemeinsamen Anspruch deutlich machen. Der, Herr Kollege Laumann, wird nicht erfüllt werden können, wenn es nicht auch gelingt, im Bund dafür zu sorgen, dass wir für alle Ebenen der staatlichen Verantwortung strukturelle Mehreinnahmen bekommen, damit die Aufgaben erfüllt werden können.

Das ist unsere gemeinsame Verantwortung, meine Damen und Herren. Daran wird sich auch die CDU in Nordrhein-Westfalen messen lassen müssen. – Glück auf und vielen Dank fürs Zuhören!

(Langanhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Römer. – Für die FDP-Landtags-fraktion spricht nun der Abgeordnete Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Vorredner haben mit einer Bewertung der Bundestagswahl vom vergangenen Wochenende begonnen; so will auch ich das tun.

Für meine Partei war die Bundestagswahl eine schmerzhafte Niederlage. Es ist nur ein schwacher Trost, dass wir in Nordrhein-Westfalen oberhalb der Fünfprozenthürde abgeschnitten haben, wenn die liberale Partei nicht mehr im Deutschen Bundestag vertreten ist. Was das bedeutet, kennt die grüne Partei, die zwischen 1990 und 1994 nicht in unserem Bundesparlament vertreten war.

(Nicken von Reiner Priggen [GRÜNE])

Wir werden jetzt Konsequenzen zu ziehen haben, aber ab morgen auch wieder am Neuanfang der FDP im Bund arbeiten.

(Beifall von der FDP)

Ein Blick auf die Bundestagswahl über meine Partei hinaus zeigt aber auch anderes, für diese Haushaltsberatung Relevantes. Sozialdemokraten und Grüne im Bund sind beide der politischen Philosophie von Hannelore Kraft gefolgt, nämlich angeblich oder tatsächlich vorsorgende soziale Politik zu formulieren und dafür eine höhere Nettokreditaufnahme respektive breitflächige Steuererhöhungen in Kauf zu nehmen. Das ist die politische Philosophie von Hannelore Kraft. Mehr oder weniger spiegelt sie sich in den Wahlprogrammen von Sozialdemokraten und Grünen wider. Beide Parteien hatten in der Summe über 70 Milliarden € Mehrausgaben im Wahlkampf versprochen und dazu auch Steuererhöhungen in einer Größenordnung von immerhin 45 Milliarden € angekündigt.

Auch dieses Modell stand zur Abstimmung: im Bund und im Land Nordrhein-Westfalen. Der Blick auf die Ergebnisse zeigt: Weder im Bund, Frau Ministerpräsidentin, noch mit Blick auf die Zweitstimmenergebnisse in Ihrem Bundesland und trotz eines Ihrer Vorgänger in Nordrhein-Westfalen als Kanzlerkandidaten der SPD hätten Sozialdemokraten und Grüne keine Mehrheit für diese Politik gehabt.

Wir ziehen unsere Konsequenzen aus unserer Niederlage. Was machen Sie?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir werden unsere Konsequenzen ziehen und uns Fragen neu stellen. Aber was tun Sie, Frau Ministerpräsidentin?

Wenn ich mir den vorgelegten Haushalt ansehe, kann ich nicht erkennen, dass – auch nicht in der Einbringungsrede des Finanzministers –, dass hier auch nur ein Jota Nachdenklichkeit gewesen wäre. Die Finanzen im Gesamtstaat sind in diesem Jahr ausgeglichen. Der Bundeshaushalt wird im nächsten Jahr den strukturellen Ausgleich erreichen.

Das wunderbare Bundesland Nordrhein-Westfalen wird im nächsten Jahr nach diesem Haushaltsentwurf immer noch 2,4 Milliarden € neue Schulden aufnehmen – trotz Rekordeinnahmen beim Staat.

Bei der Zinssteuerquote ist Nordrhein-Westfalen inzwischen mit – wenn ich es richtig sehe – Bremen, dem Saarland und Berlin trotz Niedrigzinsen in einer Gruppe. Bei der Zinssteuerquote liegen wir inzwischen so, dass jeder siebte Euro an Steuereinnahmen für die Tilgung von Altlasten eingesetzt wird, Herr Finanzminister. Wir befinden uns in Nordrhein-Westfalen finanzpolitisch auf einem der Abstiegsplätze und sehen von Ihnen keine Bemühungen, das zu verändern, meine Damen und Herren der Koalition.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie setzen auf den Versuch, die Einnahmesituation des Landes Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Sie bekämpfen dafür die Steuerhinterziehung und die Steuerflucht. Es ist im Prinzip aller Ehren wert, gegen Steuerhinterziehung zu arbeiten, wenngleich ich Ihnen sagen muss, dass ich mir gewünscht hätte, dass die Landesregierung ihre Energie und ihr Engagement gegen Steuerbetrug in gleicher Weise beim Sozialbetrug zeigen würde. Sie haben viel zu lange ein Mitglied Ihrer Landesregierung gedeckt, Frau Kraft,

(Widerspruch von den GRÜNEN)

und deshalb auch Zweifel an der moralischen Motivation in dieser Frage aufgeworfen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nun zu den Steuererhöhungen. Die mittelfristige Finanzplanung dieses Landes basiert auf der Annahme und der Forderung, es möge in Deutschland breitflächige Steuererhöhungen geben. Wenn ich es richtig sehe, Herr Finanzminister, haben Sie bereits in diesem Landeshaushaltsentwurf 300 Millionen € globale Mehreinnahmen eingeplant, weil Sie auf Steuererhöhungen im Bund setzen. Die gesamte mittelfristige Finanzplanung und Ihr Ziel, die Schuldenbremse des Grundgesetzes zum Ende des Jahrzehnts einzuhalten, basieren auf der Forderung, dass der Bund zu einer deutlich höheren Einnahmebasis kommt; das ist auch gerade in der Rede von Herrn Römer zum Ausdruck gebracht worden.

Man kann nur sagen, Frau Ministerpräsidentin: Möglicherweise geht diese Finanzspekulation auf, wenn ich lese, dass der Bundesfinanzminister jetzt schon Denkmodelle anstellt, wiederum die Mehrwertsteuer zu erhöhen, wie das die letzte Große Koalition gemacht hat. Er denkt darüber nach, die ermäßigten Mehrwertsteuersätze zu erhöhen, also auch jene auf Grundnahrungsmittel. Das sind 23 Milliarden €.

Die Bundestagswahl ist noch keine zwei Tage vorbei, die FDP ist gerade ausgeschieden, schon denken auch die Kollegen von CDU und CSU wieder darüber nach, an welcher Steuerschraube gedreht werden kann. Wiederum kommt die Mehrwertsteuer ins Blickfeld – eine Steuer, die nicht vor allen Dingen die Millionäre träfe, sondern die Millionen in unserem Land.

Meine herzliche Bitte an diejenigen, die jetzt in Berlin Verantwortung tragen: Sehen Sie ab von solchen Plänen. Sie wären nicht nur finanzpolitisch unwirksam, sondern in hohem Maße auch unfair.

(Beifall von der FDP)

Stattdessen erforderlich ist eine Prüfung der Ausgabenseite auch dieses Landeshaushalts Nordrhein-Westfalen. Die rot-grüne Koalition hat dazu ein Effizienzteam eingesetzt, das sehr hochrangig besetzt ist. Wir erwarten immer wieder neue Ergebnisse.

Im Haushalt 2013 haben Sie immerhin strukturelle Ausgaben in Höhe von 152 Millionen € identifiziert. Zusätzliche Ergebnisse des Effizienzteams in diesem Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2014 sind aber nicht zu finden.

Haben sie nicht mehr getagt? Haben sie die Aufgabe nicht hinreichend ernst genommen? Oder handelt es sich möglicherweise auch um ein taktisches Manöver, um nach der Bundestagswahl im Lichte Ihres Ergebnisses zu bewerten, ob nicht vielleicht die Sparbemühungen gänzlich eingestellt werden können, weil ein Geldsegen aus Berlin kommt?

Wir halten es unverändert für erforderlich, dass auch die strukturelle Ausgabenseite des Landes Nordrhein-Westfalen auf den Prüfstand gestellt wird.

(Beifall von der FDP)

Dazu gehört auch der – wie ihn Kollege Römer bezeichnet – „dicke Brocken der Personalausgaben“. Den können Sie nicht nur nicht aus dem Blick verlieren, Herr Römer, sondern er steht mitten im Zentrum. Jede Anstrengung, den Haushalt in den Griff zu bekommen, wird, ohne den Personalaushalt in den Blick zu nehmen, keinen Erfolg haben.

Kollege Römer, Sie haben hier und heute etwas Bemerkenswertes gesagt. Wenn ich es richtig wahrgenommen habe – Sie mögen mich mit Literaturstellen korrigieren –, haben Sie erstmals laut und vernehmlich in der Öffentlichkeit gesagt, dass Personalabbau in der Landesverwaltung zunächst nur für die Laufzeit des jetzt gültigen Tarifvertrags ausgeschlossen ist. Das hatte ich bisher in dieser Akzentuierung vor der Wahl nicht gehört, Herr Römer. Sie und die Ministerpräsidentin mögen das vielleicht bei späterer Gelegenheit am heutigen Tage richtig einordnen: War das lediglich mein Versäumnis? Habe ich in meinem jugendlichen Alter möglicherweise nicht mehr alles so präsent? Oder wird diese Formulierung erst jetzt, nach der Bundestagswahl mit dieser Prominenz im Landtag von Nordrhein-Westfalen vorgetragen?

(Beifall von der FDP)

Ich bin an der Stelle ganz offen und nehme in der Frage jede Korrektur an. Aber ich habe den Eindruck, dass sich in Ihrem Duktus in dem Zusammenhang etwas verändert hat.

In der Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich nicht sicher, Kollege Römer, ob dieses Dogma – wie immer die Laufzeit aussieht – Personalabbau auszuschließen und dafür den Tarifabschluss gestaffelt auf die Landesbeamtinnen und -beamten zu übertragen, tatsächlich im Sinne der Beschäftigten ist. Sie geben hier ja immer vor, dass Sie mit diesem Beitrag zum Beschäftigungserhalt im öffentlichen Bereich in Wahrheit die Interessen der Landesbeamtinnen und -beamten verträten.

Ich stelle mir die Frage, ob die Ministerpräsidentin und ihr Finanzminister bei offenen Gesprächen mit Beschäftigten dieses Landes tatsächlich eine solche Rückmeldung erfahren würden.

Im Saarland hat es nämlich andere Ergebnisse gegeben: Dort wird der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst auch nicht eins zu eins, aber immerhin gestaffelt auf alle Landesbeamten übertragen. Die Landesregierung dort hat sich nach intensiven Gesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Beschäftigten darauf verständigt, dass es nur fair und ein Gebot der Leistungsgerechtigkeit ist, alle Tarifgruppen am Aufschwung und zumindest teilweise am Tarifabschluss zu beteiligen, keine Minusrunde bei Studienräten zu verordnen, die noch nicht einmal einen Inflationsausgleich erhalten.

Im Gegenzug haben sich die Beschäftigten selbst bereiterklärt, aktiv bei einem für nordrhein-westfälische Verhältnisse deutlichen und außerordentlich spürbaren Personalabbau durch Effizienzgewinn in der Landesverwaltung mitzuwirken.

Warum haben Sie solche Gespräche nicht geführt? Möglicherweise wären die Ergebnisse ganz anders ausgefallen, als Sie selbst vorgeben. Nur wenn man Gespräche mit den Beschäftigten führt und solche Vorschläge auf den Tisch kommen, kann man tatsächlich zu einer soliden Politik gelangen, die im Interesse der Beschäftigten liegt und von ihnen mitgetragen wird.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die kommunalen Finanzen hat Kollege Laumann bereits über die Zwangsabgabe gesprochen. Meine Fraktion hat in der vergangenen Legislaturperiode den Stärkungspakt Stadtfinanzen mitgetragen. Selbstverständlich gibt es in Nordrhein-Westfalen Städte und Gemeinden, die in der Vergeblichkeitsfalle gefangen sind, also trotz intensiver Bemühungen um einen Haushaltsausgleich aufgrund von Fehlern in der Vergangenheit oder sozialen und strukturellen Problemen keine Perspektive haben, wieder auf stabile Füße zu kommen. Wir haben unsere Unterstützung signalisiert, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen kommunal engagiert.

Aber schon seinerzeit haben wir die von Ihnen jetzt geplante und umzusetzende Zwangsabgabe abgelehnt. Dafür gab es zwei Gründe:

Zum einen ist diese Zwangsabgabe ökonomisch nicht wirksam. Es ist doch auch bei Ihren sozialdemokratischen und grünen Fraktionen in den Kommunen bereits deutlicher Widerstand zu erkennen. Diese Abgabe ist deshalb ökonomisch nicht wirksam, weil wir es teilweise mit Kommunen zu tun haben, die diese Abundanzumlage – übersetzt man das, bedeutet das übrigens „Überflussabgabe“; wer schon eine gute Einnahmebasis hat, lebt damit schon im Überfluss, wenn man dieser Terminologie folgt – nur erbringen können, indem sie höhere Schulden aufnehmen. Es gibt dort ja keinen Geldspeicher, aus dem einfach in diesen Topf abgebucht wird, sondern auch Kommunen in Haushaltssicherung und teilweise sogar im Nothaushalt werden zu dieser Zwangsmaßnahme verpflichtet. Damit werden die Bedürftigen von morgen bereits heute programmiert.

Wir wissen aus einer Perspektive der ökonomischen Vernunft heraus: Man kann die kranken Kommunen nicht dadurch gesund machen, dass man die verbliebenen gesunden Kommunen krank macht. Deshalb empfehlen wir Ihnen dringend, darauf zu verzichten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zum anderen, meine Damen und Herren, ist das, was die rot-grüne Koalition jetzt plant, auch aus dem Gerechtigkeitsverständnis heraus nicht sinnvoll. Man nehme zum Beispiel die Landeshauptstadt Düsseldorf, in der unser Parlament seinen Sitz hat. Düsseldorf hat im vergangenen Jahrzehnt erhebliche Anstrengungen unternommen. Das kann man aus einer ideologischen Perspektive heraus alles kritisieren. Aber diese Landeshauptstadt Düsseldorf hat Ende des vorletzten Jahrzehnts, in den Jahren 1999/2000, kommunales Eigentum privatisiert.

(Martin Börschel [SPD]: Die Bürger waren dagegen!)

– Heute würden die Bürger das anders sehen, Herr Börschel.

(Martin Börschel [SPD]: Das behaupten Sie!)

– Ich habe dafür einen Beleg. Sie kommen aus Köln, wo die genau gegenteilige Politik gemacht wurde. Heute kann man sehen: Zehn Jahre in Düsseldorf eine liberal-konservative Mehrheit mit dem Ergebnis, dass die Stadt, jetzt schuldenfrei, aus ihren Überschüssen den Kindergartenbeitrag erlassen kann, ohne dafür Schulden aufzunehmen.

In Köln leisten Sie sich eine peinliche Posse nach der anderen – angefangen von Kürzungen im Sozialbereich bis zu der Peinlichkeit bei der Besetzung der Opernintendanz, obwohl Sie andererseits auf einer Ebene mit Metropolen wie Berlin, Hamburg, Frankfurt und München stehen wollen. Dieser Vergleich zeigt das doch.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Martin Börschel [SPD])

– Ich will ja auf etwas anderes hinaus, Herr Börschel. Lassen Sie mich doch weiter ausführen. Sie können diesen Punkt gleich noch ansprechen. Sie merken doch, dass ich auf die Frage der Anreizwirkung hinauswill.

Düsseldorf ist eine Kommune, die hier gehandelt hat. Man kann jede einzelne Maßnahme auch in Zweifel ziehen, wie Sie das gerade getan haben. Geschenkt! Jedenfalls hat es in Düsseldorf eine entschlossene Politik gegeben. Deren Ergebnis ist: Die Kommune ist schuldenfrei, wirtschaftlich stark und hat jetzt auch Möglichkeiten, in kulturelle und soziale Aufgaben zu investieren – was Sie ebenfalls wollen. Die Düsseldorfer verstehen unter vorsorgender Sozialpolitik und Kulturpolitik aber, dass man erst einmal das erwirtschaftet, was danach verteilt werden soll, während Sie erst verteilen und sich danach vielleicht sorgen, woher das Geld kommt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Düsseldorfer haben es anders gemacht und müssen jetzt in einem erheblichen Umfang in den Zwangsabgabetopf einzahlen.

Aus diesem Topf erhält das hochdefizitäre Essen zweistellige Millionenbeträge, um sich an einem Stadtwerke-Konzern zu beteiligen, der auch Auslandsgeschäft macht – teilweise fragwürdig, wenn man den Medienberichten Glauben schenken darf –, und um dem Viertligafußballklub ein neues Stadion zu finanzieren.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was macht die FDP denn da?)

Herr Börschel, jetzt bin ich wieder bei Ihnen. Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ hat eine Onlineumfrage unter den Essenern, die von diesem Zwangsabgabetopf eigentlich profitieren, durchgeführt. Wissen Sie, was das Überraschende ist? – Eine beachtlich große Zahl der Essenerinnen und Essener selbst empfindet es als ungerecht, dass andere sich über Jahre anstrengen müssen, während sie jetzt automatisch aus einem solchen Topf Geld bekommen, womit die eigenen Anstrengungen auch reduziert werden. Das sagen die Menschen Ihnen. Das ist deren Gefühl zum Thema „Leistungsgerechtigkeit“.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen, meine Herren, ich will an dieser Stelle nicht weiter auf die strukturellen Fragen der Ausgabenseite des Haushalts eingehen, sondern noch zwei andere Punkte ansprechen.

Zum einen möchte ich eine Erinnerung aus dem Sommer mit Ihnen teilen. Ich konnte mich nämlich mit großer Freude über die Urlaubsbeschäftigung unseres Finanzministers informieren – auch mit einem beeindruckenden Foto. Darauf sah man, wie er in der Toskana einen groben Klotz bearbeitet hat. Da habe ich gedacht: Mensch, der kann es ja! Er kann mit gezielten und präzisen Schlägen das Überflüssige aus einem Block entfernen, damit danach die wahre Form in Erscheinung tritt.

Herr Finanzminister, von Ihrer künstlerischen Ader im Nebenberuf bzw. beim Hobby wünschen wir uns mehr im Hauptberuf des Finanzministers. Nehmen Sie aus dem Haushalt das Überflüssige weg, damit dann ein wirksamerer Staat für die Menschen dienend tätig sein kann!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Eigentlich können Sie es ja. Also wollen oder dürfen Sie nicht.

Damit komme ich zu dem zweiten Thema, das ich ansprechen will. Man darf natürlich nicht das Falsche wegnehmen. Das ist ja die große Schwierigkeit bei der Bildhauerei, Herr Finanzminister. Ein falsch gesetzter Schlag, und es entsteht Schaden, den man schwerlich wieder begradigen kann! Klebstoff sieht da nicht gut aus. Dann muss man wieder von vorne anfangen.

Mir geht es jetzt darum, was in diesem Landeshaushalt, bei dem wir das Überflüssige wegnehmen wollen, um bei diesem Bild der Kunst zu bleiben, auf keinen Fall unter die Hammerschläge des Finanzministers geraten darf.

Das Erste sind unsere öffentlichen Infrastrukturen. Sie werden nicht müde, vom Bund zusätzliche Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur zu fordern. Einer von Ihnen beiden, SPD und Grünen, wird bald seinen Redebaustein verändern müssen, weil er in Berlin mit Verantwortung tragen wird. Da sind wir sehr gespannt. Jedenfalls wird das Lamento dann nicht mehr in dieser Weise vorgetragen werden können.

Erst recht kann man nicht vom Bund fordern und im Land beim armen Michael Groschek kürzen. Er sieht zwar immer ganz vergnügt aus, muss aber in diesem Landeshaushalt schon wieder auf 42 Millionen € verzichten und hat damit 40 % weniger als zur letzten Zeit der schwarz-gelben Verantwortung. Der Verkehrsminister ist also eigentlich jemand, der die Stoppschilder und Durchfahrt-verboten-Schilder verwaltet, und nicht jemand, der investiert.

(Beifall von der FDP)

Eine Ausnahme ist vielleicht die Radwegeautobahn, auf die sich insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der Grünen-Fraktion so freuen und konzentrieren. Für 110 km zwischen Duisburg und Hamm sind nach Schätzungen über 100 Millionen € erforderlich. Nichts gegen das Fahrrad! Wir haben in unserem Land Gott sei Dank große Freiheiten. Jeder darf sein Verkehrsmittel selber wählen. Bei uns darf man sich sowohl den Speiseplan als auch den Fahrplan selber aussuchen. Also nichts gegen das Fahrrad! Die große Herausforderung in Nordrhein-Westfalen liegt aber doch im massiv steigenden Straßengüterverkehr, Herr Minister. Da mag die Radwegeautobahn 4 m breit und beleuchtet sein – an diesem Problem ändert sie überhaupt nichts. Ihre Mittel sind falsch eingesetzt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Hier also bitte keine Hammerschläge mehr, Herr Finanzminister!

Der zweite Bereich, den wir verschont sehen wollen, ist die Bildung. Da sollten wir alle in diesem Haus im Prinzip einer Meinung sein. Dennoch zeigt der Blick auf den Haushalt sowie die ihn begleitenden Debatten, dass auch wesentliche Herausforderungen der Bildungspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen finanzpolitisch nicht in der Weise verantwortlich hinterlegt sind, wie wir das dringend empfehlen.

Ich nenne das Beispiel der Inklusion. Kollege Römer hat vor der Bundestagswahl – vor der Bundestagswahl; ich will es noch einmal unterstreichen, damit man möglicherweise in ein paar Monaten die Motive noch einmal genau durchleuchten kann – den Vorstoß gemacht, in Bezug auf die Inklusion einen späteren Beschlusszeitpunkt vorzuschlagen sowie neue Gespräche mit den Kommunen anzukündigen. Interessant ist, dass er am 11. September 2013 in einem Interview von WDR 5 zu der dahinter stehenden Absicht gesagt hat: Um uns mehr Zeit zu erkaufen. Um mehr Zeit zu erkaufen, hat er den Fahrplan vor der Bundestagswahl geändert.

Jetzt sind wir gespannt, was passiert, wenn er schon einen Dissens mit der Schulministerin in Kauf nimmt, die bisher jede Form der Konnexität bestritten hat. Als ich eine Forsa-Umfrage zu diesem Thema vorgelegt habe, nach der die Menschen wollen, dass die Qualität das Tempo bestimmt und nicht das Tempo die Qualität, hat Frau Löhrmann eine mehrseitige Pressemitteilung an die geschätzten Damen und Herren auf der Pressetribüne verteilen lassen, in der sie umfänglich dargestellt hat, es gebe keine Konnexitätsprobleme. Und dann kommt Kollege Römer und sagt: Wir müssen doch noch mal vor der Bundestagswahl mit der Perspektive nach der Bundestagswahl darüber sprechen, weil es möglicherweise doch ein Problem mit der Qualität gibt.

Ich unterstütze die Haltung von Norbert Römer sehr. Das ist ein konstruktiver Beitrag, Herr Römer, dass Sie Frau Löhrmann in der Weise Grenzen aufgezeigt und klare Prioritäten gesetzt haben.

(Beifall von der FDP)

Denn sonst droht Schaden, wenn sich, Frau Beer, die Haltung durchsetzt, die Sie vor einiger Zeit, am 11. September, im Schulausschuss zeitgleich – Sie kannten die Meldungen von Herrn Römer noch nicht – dargelegt haben. Sie haben, nicht synchronisiert mit der SPD, mit Blick auf fehlende Mittel, Konnexität und Qualität und parallel zu Römer, der das ganze Verfahren aufhält, an diesem Tag gesagt: Da ist die notwendige Kreativität und Fantasie von Kooperation gefragt. – Kein Geld, sondern Fantasie, wenn es um die Fördermöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit Handicap geht. – Gehen Sie diesen Weg nicht weiter, sondern kehren Sie um!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich nenne einen zweiten Aspekt, bei dem wir uns Hammerschläge bei der Ausgabenkürzung nicht wünschen, nämlich bei der geplanten Kürzung des Vertretungsunterrichts. Frau Löhrmann, ich spreche bewusst nicht von Halbierung, weil ich wahrgenommen habe, dass Sie die Mittel nachträglich aufgestockt haben: 9,5 Millionen € sind wieder freigegeben. Allerdings sagt Udo Beckmann vom VBE, den Sie und Ihre Fraktion zu Ihrer Oppositionszeit sehr gerne als Kronzeugen bemüht haben:

„Wir erwarten jedoch weiterhin, dass das ursprüngliche Budget für Vertretungsmittel den Schulen bald wieder im vollen Umfang zur Verfügung gestellt wird.“

Andernfalls sei trotz der Freigabe der Mittel erhöhter Unterrichtsausfall vorprogrammiert. Denn schon mit den jetzigen Mitteln, wenn sie voll ausgeschöpft werden würden, sei dies nicht in jedem Fall zu verhindern.

Da hören Sie, was Praktiker sagen. Ich bitte Sie, diesen Ruf aus der Praxis anzunehmen.

Denn wer leidet denn unter Unterrichtsausfall, verehrte Anwesende? – Darunter leiden doch nicht diejenigen, die über ein gutes Einkommen verfügen und den Unterrichtsausfall mit bezahlter Nachhilfe kompensieren können. Herr Priggen – weil Sie so abweisend dasitzen –: Darunter leiden auch nicht diejenigen aus einem bildungsnahen Elternhaus.

Darunter leiden diejenigen, um die wir uns ohnehin schon sorgen, nämlich die Kinder und Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Bis dato verlassen immer noch 6 bis 7 % die Schule ohne Abschluss. Sie leiden darunter, dass es keine hinreichende Förderung gibt. Sie leiden unter Unterrichtsausfall.

Verehrte Damen und Herren der Koalition, das passt nicht zusammen, einerseits die angeblich
oder tatsächlich größer werdenden Unterschiede in unserer Gesellschaft zu beklagen und andererseits ausgerechnet bei der Bildung und den Bildungschancen der Schwächsten zu kürzen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich will einen dritten Punkt nennen, bei dem ein Hammerschlag angesetzt wird, den wir für falsch halten: die Qualität an unseren Hochschulen. In Nordrhein-Westfalen haben im kommenden Semester 27 von 31 Hochschulen, die im Jahr 2009 Studienbeiträge erhoben haben, weniger Geld für die individuelle Förderung der Studierenden zur Verfügung. Frau Schulze, die Mittel sind pro Kopf von 604 € auf nunmehr 487 € pro Studierenden zurückgegangen, weil Sie die Ausgleichsmittel nicht an die steigende Studierendenzahl anpassen wollen. Da können Sie lächeln und grinsen; aber die Hochschuldirektoren sagen Ihnen anderes.

Wer in die Praxis schaut, erkennt auch, dass beispielsweise die RWTH Aachen oder auch die Robert-Schumann Musikhochschule an wesentlichen Stellen Veränderungen des Programms vornehmen müssen. Dort werden Tutorien gestrichen. Wer profitiert von den Tutorien? Das sind doch diejenigen, die möglicherweise über einen Umweg die allgemeine Hochschulreife und nicht den geraden Weg „Gymnasium – Abitur“ gegangen sind. Jetzt werden die Tutorien gestrichen.

Die Öffnungszeiten der Bibliothek werden eingeschränkt. Zu wessen Lasten geht das? Das geht zulasten derjenigen, die vielleicht, um das Studium zu finanzieren, etwas dazuverdienen müssen und deshalb einen anderen Tagesablauf haben.

Das wird Ihnen doch aus der Praxis berichtet. Das zeigt auch in der Hochschulpolitik eines: Das, was hier gelegentlich als große sozialpolitische Heldentat vertreten wird, entpuppt sich in der Praxis als nicht geeignet, um Menschen bessere Startchancen ins Leben zu geben.

(Beifall von der FDP)

Ich will einen letzten Komplex ansprechen, nämlich die Frage, wie man die Einnahmesituation des Landes aus unserer Sicht verbessern könnte: durch eine Wirtschaftspolitik, die die Distanz zur Entwicklung im Bund wieder verkürzt. Kollege Laumann hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Entwicklung Nordrhein-Westfalens

(Lachen von Martin Börschel [SPD])

zwar nach vorne gerichtet ist, aber nicht die gleiche Dynamik aufweist wie im Bund. Dieses Wachstumsdefizit von 0,3 Prozentpunkten kostet Kaufkraft und Arbeitsplätze. Das sagt nicht allein die Freie Demokratische Partei, Herr Duin, sondern auch der DGB-Landesvorsitzende.

Herr Meyer-Lauber, der Obergewerkschaftler Nordrhein-Westfalens, hat am 29. August – das ist gar nicht lange her – zum Anstieg der Arbeitslosigkeit in NRW gesagt:

„Mit 8,4 % liegt Nordrhein-Westfalen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Im Vergleich mit den anderen westlichen Bundesländern liegt die Arbeitslosigkeit bei uns sogar rund 2 Prozentpunkte höher. Das war vor einigen Jahren noch anders. Wir müssen aufpassen, dass NRW nicht weiter abgehängt wird.“

Schauen wir uns die wesentlichen wirtschaftspolitischen Debatten der letzten Monate an und erinnern uns an die scharf geführte Auseinandersetzung zwischen Garrelt Duin und Reiner Priggen über das Marktgesetz Nordrhein-Westfalen. Man muss den anwesenden Zuschauerinnen und Zuschauern sagen: Dabei handelt es sich nicht um die Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft oder die Position Nordrhein-Westfalens auf den Weltmärkten, sondern die in den Medien intensiv geführte Debatte betraf die Trödelmärkte in Nordrhein-Westfalen. – Herr Duin, ich bitte Sie: Kümmern Sie sich weniger um die Trödel?, sondern mehr um die Weltmärkte, wenn Sie etwas für Arbeitsplätze tun wollen!

(Beifall von der FDP)

Wir brauchen insbesondere – Kollege Laumann hat es angesprochen – neue Möglichkeiten und Impulse. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, in der strukturschwachen Emscher-Lippe-Region ein neues ökologisches zukunftsweisendes Industriegebiet zu entwickeln. Die Landesregierung aber hat newPark eine Bürgschaft verweigert. Dazu sagt wiederum der DGB-Chef vor Ort – nicht dass Sie daraus jetzt eine Strategie ableiten, dass ich heute zufällig so oft den DGB zitiere,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

aber wenn sie etwas Richtiges sagen, dann darf auch ich als FDP-Fraktionsvorsitzender den DGB anführen –:

„Für den DGB … ist das Aus dieses zentralen industriepolitischen Vorhabens … eine industriepolitische Katastrophe.“

Und:

„Es wäre fatal, wenn wir durch ausbleibende industrielle Investitionen zum Armenhaus Nordrhein-Westfalens werden.“

9.000 Arbeitsplätze in einem ökologischen Industriegebiet standen in Rede. Nach dieser Entscheidung beklagen sich Sozialdemokraten – übrigens auch Mitglieder der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, die die Situation vor Ort kennen. Einzig und allein der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag Recklinghausen sagt parallel zur Kritik des DGB und der örtlichen Sozialdemokraten: „Wir erwarten, dass newPark jetzt endgültig beerdigt wird“.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])

Daran sieht man, dass es sich offensichtlich nicht allein um eine zutiefst fachliche Entscheidung handelt, sondern sie ist zumindest anteilig politisch getroffen worden.

Bei Opel, Frau Ministerpräsidentin, gab es keine großen Wirtschaftsprüfergutachten, und trotzdem saß der „Colt“ bei Ihnen ganz locker, dreistellige Millionenbeträge zur Verfügung zu stellen.

Bei newPark geht es im Vergleich dazu um wesentlich kleinere Beträge, um Brosamen.

(Lachen von Britta Altenkamp [SPD])

Die verweigern Sie einem solch zukunftsweisenden Projekt, das in der Region getragen wird. Das ist schon begründungspflichtig.

(Beifall von der FDP – Karl-Josef Laumann [CDU]: Herzlichen Glückwunsch!)

Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten erleben, wie über Datteln 4 von Ihnen in der Staatskanzlei – Sie haben hier immer völlig nüchtern und rein rechtlich vorgetragen – entschieden wird. Ich bin jetzt optimistischer, dass die völlig unparteiische Prüfung in Ihrer Fachabteilung zu einem positiven Ergebnis kommt, seit ich weiß, dass newPark nicht kommt. Aber ich bin dann auf die Argumentation gespannt.

Ich muss Ihnen sagen: Für das Land Nordrhein-Westfalen, aber auch für die Industriepartei SPD ist es bedauerlich, dass es zu einem solchen Deal kommen könnte, dass newPark nicht unterstützt wird, damit Datteln 4 möglich wird. Das ist eines Industrielandes wie Nordrhein-Westfalen eigentlich nicht würdig.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Damit tritt der Wirtschaftsminister, der das verantworten muss, auf die letzten Funken einer unabhängigen industriepolitischen Kompetenz der Sozialdemokraten, die sich in immer mehr Fragen – zum Schaden der Wachstumsmöglichkeiten unseres Landes – von ihrem grünen Koalitionspartner bestimmen lassen.

Ich komme zum Schluss: Die vorsorgende Sozialpolitik dieser Landesregierung wird ausweislich des Haushaltsplanentwurfs 2014 einmal mehr als ein Stück Symbolpolitik entlarvt. – Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete Priggen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Schönen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe marxistische Schwarmintelligenz! Ich habe jetzt gelernt, dass Sie sich anders einsortieren.

(Beifall von den PIRATEN)

Die heutige Debatte findet vor dem Hintergrund – das kommt immer wieder durch – der Bundestagswahl am letzten Sonntag statt. Viele von uns sind von dem Ergebnis geprägt und stark beeinflusst. Wir haben in ganz unterschiedlicher Form Hausaufgaben aufbekommen. Man kann mit allem Respekt sagen: Die Wahl war für die Bundeskanzlerin ein Erfolg. Es fällt niemandem ein Zacken aus der Krone, das anzuerkennen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Alle anderen haben in unterschiedlicher Weise Hausaufgaben zu erledigen. Wir machen unsere – das ist nicht immer ganz einfach – und arbeiten weiter da, wo wir hingestellt worden sind. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Laumann, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört und war völlig verdutzt, als Sie damit angefangen haben, dass der Haushalt ohne neue Ideen und ohne neue Projekte sei.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Das ist er doch!)

Ich habe die herzliche Bitte an Sie: Machen Sie unsere beiden Regierungsfraktionen nicht wuschig. Wir bemühen uns, mit den Fraktionen darum zu ringen, den alten Ungeist, neue Projekte durchzuführen, die viel Geld kosten, zugunsten einer sparsamen und vernünftigen Haushaltslinie einzudämmen. Und Sie tun hier einfach so, als ob man in den Pott packen und neues Geld auf den Markt werfen könnte. Das geht nicht, und das wissen Sie ganz genau.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


Die ganze Rede war ein ziemlicher Trödelmarkt, das will ich Ihnen sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Als der Kollege Römer nach dem roten Faden gefragt hat, haben Sie dazwischengerufen: Den werden Sie bei mir nicht finden. – Das war auch richtig so.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Wir haben schwarze Fäden! – Heike Gebhard [SPD]: Einsicht ist der beste Weg zur Besserung!)

Ich will aber auf die vor uns liegenden Aufgaben schauen. Wir stehen vor der Situation, dass im Bund eine neue Regierung gebildet werden muss. Möglicherweise gibt es jetzt – Sie haben ja immer eine Vorliebe für Fegefeuerbilder –

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Ja!)

ein Fegefeuer. Entweder wird dann mit Biomasse befeuert oder mit Steinkohle, aber es gibt eins.

(Heiterkeit von Karl-Josef Laumann [CDU])

– Sie können noch Spaß haben, denn der Laschet liegt, so wie es aussieht, oben auf dem Fegefeuer – und nicht Sie.

(Heiterkeit – Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: Der braucht auch nicht so viel Feuer!)

– Es braucht weniger Glut, das ist richtig.

(Heiterkeit – Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Da ist weniger zu grillen!)

– Ja, das ist weniger zu grillen.

(Allgemeine Heiterkeit)

– Aber jetzt mal zum Thema. Lassen Sie mich auf die vor uns liegenden Aufgaben kommen, die in Teilen angesprochen worden sind und die diese Bundesregierung lösen muss. Bei allem, was man an Arbeit in seiner eigenen Partei hat, haben wir eines geschafft: Der Kurs, den die vorherige Bundesregierung – sehr oft zum Schaden dieses Landes, weil Probleme nicht oder zu unseren Ungunsten gelöst worden sind – gefahren ist, geht auf keinen Fall so weiter. Das sind wichtige Punkte, an denen Sie mitarbeiten müssen; denn Sie kommen da auf gar keinen Fall heraus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will sechs Punkte ansprechen, als Erstes die Frage der Infrastruktur. Wir wissen, dass wir einen Sanierungsstau bei Brücken haben. Das sind Brücken, die in den 70ern gebaut worden sind. Da wog ein durchschnittlicher Lkw 26 t. Jetzt wiegen die Lkws 46 t. Wir haben eine Infrastruktur, die sehr gut ist und die wir brauchen. Wenn wir Pressemeldungen verfolgen, wonach eine Firma mit Schwerkranen nur noch zwei Brücken über den Rhein nutzen kann, dann wissen wir auch, dass es absolut dringend notwendig ist, dass der Bund ein Brückensanierungsprogramm für Bundesautobahnen und Bundesstraßen durchführt. Das Volumen für Nordrhein-Westfalen liegt in den nächsten zehn Jahren bei rund 4,5 Milliarden €.

Wir sagen: Finanziert es über eine Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Lkws ab 3 t. Das soll von uns aus in einem Fonds nur für die Sanierung der Maßnahmen gebunden sein, damit diese Infrastruktur nicht verludert, sondern erhalten werden kann; denn wir brauchen sie dringend. Das ist eine Aufgabe, die auf jeden Fall gelöst werden muss. Ich kenne keinen Vorschlag der Bundesregierung dazu.

Ich will ganz klar sagen, was an der Stelle nicht geht: eine Pkw-Maut, so wie sie der Kollege Seehofer aus Bayern möchte. Nur für Ausländer wollen wir sie nicht. Wir wissen alle, wie das EU-Recht ist. Ich halte aber auch eine Pkw-Maut für Binnenländer für unvernünftig. Sie ist gerade für die nordrhein-westfälischen Pendler schädlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine der ganz großen Hausausgaben ist also die Infrastruktur. Dieses Problem muss gelöst werden. Wir reden über 4,5 Milliarden € für NRW.

Als Zweites will ich die Kommunen ansprechen. In der Rede, die Sie, Herr Kollege Laumann, gehalten haben, ist ein Punkt aufgetaucht, zu dem wir hier in der Zeit der Minderheitsregierung schon einmal mit drei Fraktionen einen gemeinsamen Antrag gestellt haben. Damals haben wir gesagt: Die Kommunen gehen in die Knie, weil sie die Soziallasten in der Höhe nicht tragen können.

Es ist richtig, dass wir über den Bundesrat dafür gesorgt haben, dass ein Teil passiert ist. Wir wissen aber auch, dass die Eingliederungshilfe gezahlt werden muss, aber alle unsere Kommunen dabei in die Knie gehen. Es ist nicht die Schuld irgendeiner Kommune, die schlecht gewirtschaftet hat, sondern es handelt sich um eine Leistung, bei der wir aus meiner Sicht damals einen Konsens hatten, den man auch weitertragen müsste, damit das an der Stelle passiert. Das betrifft vor allem die Eingliederungshilfe und aus meiner Sicht auch die Kosten der Unterbringung.

Die dritte Baustelle, auf der gearbeitet werden muss, ist komplex und schwierig. Wir alle sind in jedem Fall beteiligt. Wir wissen nicht, wie die Regierungsbildungen in Hessen und im Bund ausgehen, aber wir sind über die Mehrheitsbildung im Bundesrat dort alle beteiligt. Ich meine die Frage des Finanzausgleichs zwischen den Ländern und um die Frage, wie die Entwicklung des „Soli Ost“ weitergeht. Ich weiß auch, dass Verträge einzuhalten sind. Es gibt aber den Zustand, dass unsere Kommunen mit Millionenbeträgen einen Aufbau Ost finanzieren. Er war bitter nötig, aber wenn man jetzt manchmal genau hinsieht, denkt man, dass er etwas abgeschmolzen werden und es anders laufen könnte. Die Frage des Ausgleichs zwischen den Ländern, die Ende 2019 ansteht, muss vorbereitet und vernünftig beantwortet werden. Das ist die dritte Aufgabe an der Stelle.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die vierte Aufgabe betrifft das Kooperationsverbot. Das Kooperationsverbot für Schulen muss aus unserer Sicht fallen. Dieses Problem sollte jetzt auch im Bund auf der Tagesordnung stehen und dort gelöst werden, weil es vernünftig ist, wenn sich der Bund da anders beteiligt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der fünfte Bereich ist aus meiner Sicht der gesamte Bereich der Energiepolitik. Er ist mehrfach angesprochen worden. Was aber ist im Bund passiert? Im Oktober 2010 ist der Atomausstieg rückgängig gemacht worden, um ihn dann nach dem Unglück im März 2012 in Fukushima zu beschließen. Das ist aber die einzige vernünftige energiepolitische Entscheidung in den letzten vier Jahren gewesen. Ansonsten gab es Agonie und Stillstand. Die jetzige Diskussion führt zu einer maximalen Verunsicherung für alle Investoren. Diejenigen, die Kraftwerke bauen wollen – neue, moderne und effiziente Gaskraftwerke oder Pumpspeicherwerke –, sagen uns: Wir können es nicht, weil im Bund nichts entschieden worden ist.

Wir wissen, dass der Bund keine Strategie hat. Ein „Masterplan Energiewende“ fehlt. Er müsste erstellt werden; das ist dringend notwendig. Das betrifft den Bereich Gebäudesanierung und den Ausbau erneuerbarer Energien.

Hinsichtlich der Erneuerbaren ist manchmal von einem „ungezügelten Ausbau“ schwadroniert worden. Wir sind bei 25 %. Das Ziel der Bundesregierung Merkel lag bei 35 % für 2020. Das ist in sechs Jahren. Ich habe einmal nachgesehen: Im Wahlprogramm der Sozialdemokraten lag das Ziel für 2020 bei 45 %. Das heißt, es geht um einen kontinuierlichen weiteren Ausbau.

Ich verkenne überhaupt nicht, dass in der Novellierung des EEG Sachen neu, vernünftig und anders geregelt werden müssen. Wir haben das diskutiert: Es gibt Teilelemente bei den Zahlungen im Bereich der Erneuerbaren – wie die Marktprämie und anderes –, die erst mit Schwarz-Gelb hineingekommen sind, aber herausgehören, weil sie überhaupt nichts bewirken. Allein die Marktprämie im Bereich „Wind“ macht über 200 Millionen € jährlich aus. Die gehört da nicht hinein.

Ich komme zu dem Wildwuchs bei der Befreiung von den Umlagen und sage Ja zur Befreiung für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen – aber doch nicht in einer solchen Kraut-und-Rüben-Operation, wie das von Herrn Rösler gemacht worden ist.

(Christian Lindner [FDP]: Herr Altmaier!)

– Ja, das Stichwort „Altmaier“ ist sehr hilfreich. Sie haben immer Spaß daran, den Wirtschaftsminister wahlweise gegen Herrn Remmel oder mich zu stellen. Ich habe in den letzten Jahren in der Energiepolitik Folgendes erlebt: Wenn Herr Altmaier einen vernünftigen Vorschlag machte – zum Beispiel Beteiligung der Bürger an der Finanzierung des Netzausbaus –, hat es keine drei Minuten gebraucht, bis der Bundeswirtschaftsminister das dementierte. Das geschah jedes Mal wieder. Es gab eine komplette Bremse, einen kompletten Stillstand. Das betraf zwei Bundeswirtschaftsminister aus der FDP. Unabhängig von allem anderen, was mit dem Wahlergebnis zu tun hat, muss ich sagen: Dass das aufhört, ist allein ein Fortschritt und war den Wahlabend wert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt in der Frage eine ganz wichtige Debatte. Wir diskutieren mit vielen, die Kraftwerke betreiben und herstellen. Die Situation ist sehr unterschiedlich. Wir müssen die Frage der Kapazitätsmärkte diskutieren. Das ist ein Teil der Aufgabe. Versorgungssicherheit hat einen Preis; es ist eine Leistung. Doch wie man das genau macht, dazu gibt es keinen Vorschlag der Bundesregierung. Es gibt einen Vorschlag vom VKU, es gibt einen Vorschlag der Grünen, es gab intensive Diskussionen. Das transparent durch Ausschreibungen zu gestalten und moderne und hoch effiziente Kraftwerke zu bauen, das ist die Zielsetzung, und dazu ist von der Bundesregierung nichts vorgelegt worden.

Zum letzten Punkt im Energiebereich: Wir haben vier kommunale Projektvorhaben für Pumpspeicher in Nordrhein-Westfalen. Sie werden geplant, was wir auch unterstützen. Aber von allen vier Projektvorhaben hört man, dass über die Investitionen erst 2017 entschieden wird, weil sich unter den Bedingungen, die uns diese Bundesregierung hinterlassen hat, an der Stelle keine Investitionsentscheidungen treffen lassen. Insofern ist es dringend notwendig, sich dieser Aufgabe zuzuwenden.

Lassen Sie mich einen sechsten Punkt der Hausaufgaben ansprechen. Der Punkt ist nicht dramatisch, aber es gibt jetzt eine Chance, ihn zu lösen. Das ist die Frage der Konversion. Wir in Nordrhein-Westfalen haben in den nächsten Jahren den Verlust von 10.000 Dienstplätzen bei der Bundeswehr. Es ist friedenspolitisch eigentlich ein schöner Prozess, dass wir die Bundeswehr immer wieder deutlich reduzieren können, aber es ist für die Standorte – ich denke gerade an den Standort Rheine im Wahlkreis von Herrn Laumann – eine schwierige Situation. Wenn 1.600 Arbeitsplätze wegfallen, ist das schon eine Betriebsschließung. Wir haben dazu in Nordrhein-Westfalen den kompletten Rückzug der britischen Streitkräfte mit 20.000 Plätzen, auch innerhalb dieser Spanne, manche ein bisschen eher.

Genau jetzt gibt es die Chance – es werden große Flächen frei –, in den Innenstädten dafür zu sorgen, dass der Bund einen Schritt macht und nicht die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – die BImA – an der Stelle die Grundstücke maximal verwertet, sondern dass es sozialen Wohnungsbau und andere Investitionsmöglichkeiten geben kann.

Ich kann mich erinnern, dass es 2007 eine Regelung gegeben hat, bei der den Ländern vom Bund 100.000 ha aus militärischen Flächen für Naturschutz zur Verfügung gestellt worden sind. Also wäre es lohnend, jetzt aus den Flächen, die die britischen Streitkräfte und die Bundeswehr räumen, einen Impuls in den Städten in Richtung sozialer Wohnungsbau und im ländlichen Raum für Gewerbe, Wohnungsbau und für Freizeit und Naturschutz zu geben. Hier ist genau die Stelle, an der die Hausarbeit erledigt werden kann. Wenn es jetzt nicht passiert, wird es das nicht geben.

Das heißt, es gibt eine Reihe von Hausaufgaben, die zu lösen sind, und darum muss man sich kümmern.

Unsere Arbeit ist es, diesen Haushalt, der heute eingebracht worden ist, zu diskutieren. Ich habe mir in der Vorbereitung die Haushaltsreden der Jahre 2011, 2012, 2013 noch einmal durchgelesen. Denn es kommt einem immer so schnell vor. Wir haben in der Minderheitsregierung die Haushalte gemacht; es ist schon der zweite Haushalt, den wir dieses Jahr diskutieren. Man sieht dann, dass sich manche Aufgeregtheiten der Debatte ein bisschen relativieren.

Es hat immer die Klage gegeben, dass wir mit den Haushalten nicht schnell genug seien. Im Mai war Landtagswahl, und wir mussten den Haushalt erst einmal neu aufstellen, sodass es ihn erst im Herbst gab. Wie sollte es handwerklich anders gehen? Es gab immer einen Vorwurf, doch die Luft ist raus. Wir sind jetzt in der normalen Taktung. Dieser Haushalt wird jetzt eingebracht, wird dieses Jahr noch verabschiedet und ist damit pünktlich für das nächste Jahr da. Das alles ist ein Stück weit eine ganz normale Arbeitsentwicklung.

Was ich sehr bemerkenswert finde: Wenn man sich die Linie der Neuverschuldung ansieht, dann ist es natürlich ein ganz anstrengender Prozess, aber die Neuverschuldung geht sukzessive herunter. Ich vergleiche einmal die Zahlen. Der letzte Haushalt, den CDU und FDP eingebracht haben, sah Neuverschuldungen vor, und zwar für 2010 6,7 Milliarden €, 2011 6,7 Milliarden €, 2012 6,6 Milliarden €, 2013 6,5 Milliarden €, vor dem Hintergrund der Annahme von steigenden Mehreinnahmen von 4,7 Milliarden €, die darin enthalten waren.

Wir haben jetzt folgende Strecke: 2011 4,8 Milliarden €, 2012 3,6 Milliarden € – ehrlicherweise plus 1 Milliarde € WestLB –, 2013 3,4 Milliarden € und 2014 2,4 Milliarden € mit der mittelfristigen Planung von 1,4 Milliarden € für 2017. Das ist die Strecke; es geht sukzessive runter. Das heißt, man kann nicht beliebig viele neue Projekte aufs Gleis schieben, obwohl es viele sinnvolle Projekte gäbe, die man gerne machen würde. Doch es geht nicht. Man braucht an der Stelle Disziplin und Sparsamkeit in den Fraktionen. Ich bin den Fraktionen dankbar, dass es bisher konsensual so gemacht werden konnte und man an der Stelle die schwierige Haushaltslage eingesehen hat. Ich wünsche mir, dass es weiterhin so geht.

Wir hätten dann innerhalb dieser Jahre bis 2017 von dem Punkt an, an dem wir mit der Regierung in der Minderheit angefangen haben, die Neuverschuldung um rund 5 Milliarden € abgesenkt. Das ist aus meiner Sicht eine vernünftige Bilanz.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es gibt immer wieder die Klage der christdemokratischen Kollegen, dass die Haushalte trotz höchster Steuereinnahmen steigen würden. Wenn die Steuereinnahmen so steigen, fragt man sich: Wo sind denn die Punkte in den Haushalten, um die Neuverschuldung noch weiter zu senken? Das ist die Frage, die sich stellt.

Wenn ich dann sehe, dass der Haushalt 2014 gegenüber 2013 1,8 Milliarden € Mehrausgaben hat, und danach frage, woran es liegt, dann ist der größte Brocken 722 Millionen € für unsere NRW-Kommunen. Das ist eine Ausgabe, aber es ist deren Anteil an den gestiegenen Steuereinnahmen. Insofern müssen wir es uns als Ausgabe vorhalten lassen, aber wir geben nur das weiter, was den Kommunen zusteht, was ihnen in den fünf Jahren zuvor an vielen Stellen weggenommen und vorenthalten wurde. Insofern sind wir da korrekt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es sind dann die 450 Millionen € Grundsicherung im Alter, die vom Bund kommen, weil wir im Bundesrat eine starke Rolle spielten. Sie kommen vom Bund, aber sie zählen für NRW als Mehrausgabe. Insofern muss man fairerweise sagen: Wir sind schon deutlich bei über 1 Milliarde € Mehrausgaben, die wir gar nicht reduzieren können.

Obendrauf kommen noch 210 Millionen € aus dem Hochschulpakt. Glauben sie mir, es gab nicht nur ungeteilte Freude, als die Bundesforschungsministerin gesagt hat, sie legt 2 Milliarden € obendrauf. Ich selbst habe ein Kind, das studiert; das nächste wird vielleicht irgendwann damit anfangen. Dann weiß man, wie es an den Hochschulen ist, und weiß auch, dass es nötig ist. Doch wenn die Bundesministerin 2,2 Milliarden € draufpackt, dann sind wir sofort mit 1 Milliarde € dabei.

Ich gönne es der Wissenschaftsministerin und unseren hochschulpolitischen Kolleginnen, doch ich denke auch immer: Wir wollen doch die fallende Linie hinbekommen. Wir machen es natürlich, weil wir den doppelten Abiturjahrgang haben. Doch die 210 Millionen € Mehrbelastungen kann man uns nicht negativ anrechnen, sondern es ist die Kofinanzierung zu dem, was der Bund macht. Dafür müssen wir das Geld aufbringen; das gehört auch dazu.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir haben 126 Millionen € Unterhaltskosten für die U3-Plätze. Auch das ist eine hervorragende Bilanz. Es geht gar nicht anders. Man muss sich immer wieder vorstellen, was wir schaffen. Wir schaffen ein zusätzliches komplettes System. Ich kann mich erinnern, dass wir, als meine Kinder in den Kindergarten kamen, durch die Gegend gegangen sind und nach einem Kindergarten gesucht haben, der sie aufnahm.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wir mussten uns „bewerben“. Das ist jetzt gut 20 Jahre her. Heute fügen wir diesem System ein komplettes System hinzu. Das ist eine unglaubliche Leistung, und die kostet Geld. Das sind enorme Anstrengungen; ich habe das neulich schon in einem Debattenbeitrag gesagt. Wir haben die Vorgabe erfüllt, wir haben die 157.000 Plätze geschaffen, und zwar zum Schluss durch eine titanenhafte Anstrengung seitens Ministerin Schäfer sowie der Mitarbeiterinnen und Fachkolleginnen, die daran gearbeitet haben.

Das Ganze kostet etwas; aber das ist auch in Ordnung, denn wir alle haben gelernt, dass das Geld, das wir in sinnvoller Weise in alle Bereiche der Bildung stecken, uns hilft und eine gute Zukunftsinvestition bedeutet.

(Beifall von den GRÜNEN)

246 Millionen € werden an Mehrausgaben für Personal, für Pensionen, für Beihilfen und für Tariferhöhungen angesetzt. Wer will bestreiten, dass dies das Minimum dessen ist, was wir machen müssen?

Da bleibt nur ein ganz kleiner Rest – 7 %, das hat der Finanzminister vorhin gesagt – für gestaltende Politik. Für das KiBiz haben wir uns auf 110 Millionen € verständigt. Dort soll eine Personalverstärkung in sozialen Brennpunkten erfolgen, weil das dort bitter notwendig ist. Wenn das aber der ganze Luxus ist, den die beiden Fraktionen sich gönnen, dann kann man durchaus dazu stehen. Das ist jedenfalls eine vernünftige Maßnahme im Interesse der Kinder.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir bleiben also dabei: Wir sind fair zu den Kommunen. Das umfasst auch die Solidaritätsumlage, über die wir jetzt streiten, so hart wie sie ist. Wir haben viele Kommunen aus der Nothaushaltssituation herausgeholt. Das Land kann jedoch nicht alles alleine machen. So ist nun einmal die Situation. Wir sind aber fair mit den Kommunen umgegangen.

Ich will gar nicht weiter daran erinnern, dass wir ihnen den Grunderwerbsteueranteil wiedergegeben haben, der ihnen weggenommen worden war, und den Anteil an der Erhöhung. Das sind ja Gestaltungsräume und Einsparmöglichkeiten, die abgegeben worden waren. Wir haben es anderes gemacht.

Im gesamten Bildungsbereich haben wir den Schwerpunkt „Kein Kind zurücklassen“ durchgehalten. Diese Leitlinie wird von uns umgesetzt, soweit wir es irgendwie können. Ich habe bereits die 157.000 U3-Plätze angesprochen. Wir belassen die Demografiegewinne in der Schule. Wir haben mit der CDU einen Pakt geschlossen, gemeinsam das Schulgesetz geändert und dabei versprochen, die Klassen in den Eingangsbereichen kleiner zu machen. Wir halten uns an diese Absprachen. Wenn wir sie erfolgreich umsetzen wollen, dann können wir nicht zugleich Tausende oder Zehntausende von Stellen abbauen.

Wenn man sich unsere Bilanz anschaut, dann kann man stolz darauf sein. Zum neuen Schuljahr werden 42 neue Sekundarschulen und 30 neue Gesamtschulen in Betrieb gehen. Die Gesamtbilanz aus den zwei Jahren, in denen wir dieses Gesetz zum Wirken gebracht haben, zeigt: In Nordrhein-Westfalen sind 84 neue Sekundarschulen und 58 neue Gesamtschulen entstanden, und zwar überwiegend im ländlichen Bereich. Ich schaue ja immer auf den Kollegen Laumann – gerade auch in seinem Bezirk, im Kreis Steinfurt, sind, glaube ich, drei neue Gesamtschulen im ländlichen Bereich entstanden. Das spricht für Akzeptanz. Wir haben gemeinsam gesagt: An dieser Stelle entscheiden die Kommunen. Sie machen das in Kenntnis der Schülerentwicklungszahlen, und sie machen es vernünftig.

Den Hochschulbereich habe ich bereits angesprochen: 210 Millionen € zusätzlich im Hochschulpakt. Das ist eine notwendige Anstrengung; immerhin haben wir den doppelten Abiturjahrgang, der alle herausfordert. Das beschreibt am allerbesten den Weg, den wir hier gehen.

So machen wir das jetzt also. Es ist der vierte Haushalt, den wir hier einbringen. Er wird in den Fachausschüssen sicherlich sehr intensiv diskutiert werden. Wir werden sehen, was an Änderungsvorschlägen von der Opposition kommt.

Es gibt kein Dogma, dass ein Antrag, auf dem oben „CDU“ oder ein anderer Stempel steht, nur deswegen abgelehnt wird. Das haben wir in der Minderheitsregierung nicht gemacht, wir machen es auch jetzt nicht. Das erleben wir an jedem Plenartag. Es müssen nur Vorschläge sein, mit denen man wirklich umgehen kann und die etwas Substanzielles beinhalten. Die Vorschläge, die beim letzten Mal in Richtung „Schulassistenzen“ gekommen sind, konnte man im Hinblick auf die Einsparzahlen vorne und hinten nicht gegenrechnen.

Insofern: Wir sind in der Debatte offen. Wir werden gründlich vorgehen und die Haushaltsdebatte in diesem Sinne führen. Alle anderen Hausaufgaben, die ich eingangs angesprochen habe, müssen jetzt in Berlin gemacht werden. Wir begleiten das von hier aus sicherlich kritisch und konstruktiv. – Danke schön.

(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Kollege Priggen. – Nun spricht für die Piratenfraktion deren Vorsitzender Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Ich möchte mich gleich Herrn Priggen anschließen und noch einmal sagen: Das Ergebnis der Bundestagswahl ist zu akzeptieren. Daher auch von meiner Fraktion herzliche Glückwünsche und in einigen anderen Fällen auch Beileid!

(Vereinzelt Heiterkeit)

Das Wichtigste, das man über diese Bundestagswahl sagen kann, ist: Die Piraten sind nicht drin. Wir wären sicherlich eine Bereicherung für den Bundestag gewesen, gerade was unsere Unkonventionalität oder – wie Herr Priggen gerade sagte – unsere „marxistische Schwarmintelligenz“ anbelangt.

Demokratie ist aber mehr als nur der Gang zur Wahlurne. Als außerparlamentarische Kraft im Bund werden wir weiter mithelfen, die auch im Wahlkampf unter den Teppich gekehrten zentralen Probleme zu thematisieren: der zunehmende Verlust von Privatheit und Diskretion durch staatliche Schnüffeleien – eigentlich ein Selbstverrat der westlichen Demokratien –, die fehlenden Konsequenzen aus der zur Staatsschuldenkrise umgewidmeten Finanzmarktkrise, die drohenden Elendsökonomien durch die Sparpolitik, das Auseinanderbrechen des Euro-Raums, die drohende Altersarmut durch eine falsche Rentenpolitik und die weitere ökonomische Spaltung unserer Gesellschaft.

Zahlreiche unserer Politikkonzepte sind bislang öffentlich nicht ausreichend diskutiert worden. Wir Piraten sind nach wie vor die Einzigen, die das neue Handlungsfeld „Politik und Technologie“ überhaupt auf dem Schirm haben. Hier trifft uns leider vielleicht die Umkehr des Gorbatschow-Wortes: „Wer zu früh kommt, den bestrafen die Ahnungslosen“.

Wir sind angetreten als ein politisches Langfristprojekt und müssen jetzt die Erfahrung machen, dass wir uns auch einmal an die eigene Nase zu fassen haben. Das Wahlergebnis bestätigt zudem: Es gibt keine politische Wechselstimmung in Deutschland; es gibt keine glaubhafte Alternative durch Rot-Grün. Schwarz, Rot oder Grün – die Krise wird ausgesessen. Es offenbart sich ein erstaunliches Ausmaß politischer Reserven des Aussitzens in krisenhaften Zeiten.

Dürfen wir aktuell Hoffnungen auf die SPD setzen? Eines steht fest: Ihrer Glaubwürdigkeit ist die SPD etwas schuldig.

Es müssen endlich Einnahmeverbesserungen zur vernünftigen Durchfinanzierung der Länder- und Kommunalhaushalte umgesetzt werden. Für diesen Fall sind wir ganz auf Ihrer Seite, meine Damen und Herren von der SPD.

In diesem Jahr stieg die Wahlbeteiligung zwar geringfügig, dies darf aber keineswegs als Ende der Legitimationskrise dieser parlamentarischen Demokratie betrachtet werden. Auch an diesem Sonntag ist eine große Zahl von wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern nicht zur Wahl gegangen.

Über die Motive dafür brauchen wir gar nicht zu spekulieren. In einer ganzen Reihe von Studien wird sehr deutlich festgestellt: Die Menschen fühlen sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten. Echte Unterschiede werden nicht mehr gesehen, weil es sie nicht mehr gibt. Es werden Marken verkauft, keine Inhalte. Wundern wir uns also nicht, wenn uns dieses System irgendwann um die Ohren fliegt.

Die CDU hat es wieder geschafft. Sie stellt die größte Fraktion und wird wahrscheinlich die Regierung bilden. Man darf gespannt sein, wer sich ihr diesmal zum Fraß vorwirft. Manche Kröten sind vielleicht auch zu groß. Herr Laschet hat es im „Handelsblatt“ ja schon gesagt: Steuererhöhungen werden prinzipiell nicht mehr ausgeschlossen.

Die CDU hat diesen Wahlerfolg mit einer Kampagne geschafft, die so tut, als ob es in diesem Land keine Probleme gibt und die Kanzlerin alles im Griff hat. Beides ist falsch und wird schon bald wieder die Tagesordnung bestimmen. Denn die sogenannte Eurokrise ist noch längst nicht überwunden. Die schon jetzt aufgelaufenen Kosten werden uns künftig für staatliches Handeln fehlen, und es wird noch einiges auf uns zukommen. Die Wahl bedeutet: Auch in Zukunft werden die Vermögenenden und die Krisenverursacher an den Kosten nicht beteiligt.

Immerhin aber wird die CDU jetzt nicht mehr von einer nur ihrer Klientel verpflichteten FDP gedrängt. In vier Jahren kann man sich also nicht mehr damit hinausreden.

Ich fürchte, wir müssen uns auf weitere vier Jahre wachsende Ungleichheit einstellen. Das Armutsrisiko ist gestiegen, die Privatvermögen auch. Ursula von der Leyen verteidigt sich damit, dass in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung die Ungleichheit noch stärker angewachsen sei. Da kann man nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, Frau von der Leyen! Nach aktuellen Zahlen der Bundesregierung ist das Armutsrisiko seit 2005 auf 15,2 % gestiegen. Das heißt, dass fast jeder sechste Mensch in dieser Republik davon bedroht ist. Das sind 12,5 Millionen Menschen, 12,5 Millionen Schicksale. Ich finde, wir sollten uns was schämen.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Umstand, dass in der Zeit von 1998 bis 2004 das Armutsrisiko deutlich stärker gestiegen ist, entschuldigt das Versagen der letzten Bundesregierungen überhaupt nicht, ist aber vielleicht eine wichtige Erklärung für das individuelle Ergebnis der SPD.

Eurokrise und Armut sind nur zwei Themen von vielen, die uns weiterhin beschäftigen werden. Wir werden auch morgen sehen, dass die Kanzlerin diese Probleme nicht im Griff hat. Schon gar nicht hat die Bundeskanzlerin das Problem der Finanzierung der Bundesländer im Griff. Das sieht man schon, wenn man den Entwurf unseres NRW-Haushalts aufschlägt.

Den einzelnen Ressorts Finanzmittel für ihren Haushalt und dessen einzelne Titel zur Verfügung zu stellen, das ist die Hauptaufgabe eines Abgeordneten in unserem Land. Auf dieser Budgethoheit beruht die Würde des Hohen Hauses, dem wir angehören.

Umso mulmiger wird mir, wenn ich die neueren Veränderungen und die tatsächlichen Kompetenzen betrachte. Ich fühle mich da so ein bisschen wie auf einem zugefrorenen See, in dem nach allen Seiten Sprünge klaffen. Was können wir Abgeordneten eigentlich noch entscheiden, wenn in einem vorher nie dagewesenen Ausmaß staatliche Mittel als Bürgschaft und Rettungsschirm eingesetzt werden, die jede politische Entscheidung über einen kleinen Betrag ad absurdum führt?

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang auch eine kleine systemische Betrachtung. Die Betonung liegt auf „systemisch“, nicht auf „marxistisch“; das ist nämlich etwas völlig anderes.

Aktuell zeichnet sich ab, dass die Politik der sogenannten Rettung Griechenlands gescheitert ist. Sie hat der dortigen Bevölkerung großes Elend beschert und die Hoffnung, aus eigener Kraft die Forderungen der Banken zu bewältigen, zunichte gemacht. Der Schuldenschnitt wird kommen und damit die Einlösung der zugesagten 310 Milliarden € laut Bundesfinanzministerium bzw. der 770 Milliarden € laut ifo-Institut. Keiner weiß, wie der Bund das bezahlen soll. Glaubt hier jemand, dass die Bundesländer dabei ungeschoren davonkommen? – Ich nicht.

Dazu kommt, dass die Bundesbank im Verrechnungssystem TARGET2 bereits 550 Milliarden € für zahlreiche Banken finanziert hat, die auf dem Geldmarkt nichts mehr bekommen. Hier stehen wir wirklich nicht an einem ruhigen Punkt, sondern wir sitzen auf einem Pulverfass. Wir befinden uns in einem dynamischen Prozess: Die Banken haben ihre Gewinne gesichert, ihre Boni ausgezahlt, über die Politik gelästert, ihre Verluste der Bevölkerung aufgebrummt. Das generiert starke Anreize, es weiter so zu treiben und Staaten und Parlamente noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen. Es gibt keine Lösung, bevor nicht endlich die Politik wieder das politische Primat erkämpft und einen deutlichen Schlussstrich unter die Machenschaften der Banken zieht. Ich sage bewusst „Machenschaften“, weil ich dieses Verhalten – obwohl weitgehend legal – für prinzipiell kriminell halte.

In einem solchen dramatischen Zeitgeschehen Business as usual zu machen und darüber zu sprechen, ob wir für Kopiergeräte im Innenministerium – Einzelplan 3, Seite 21 – 84.000 € ausgeben wollen, mag beruhigend für unsere Psyche sein, ist aber im Grunde völlig absurd.

Aber ich will meine Aufgabe als Abgeordneter ernst nehmen und mir den von der Landesregierung vorgelegten Haushaltsentwurf ansehen.

Die Unterfinanzierung wichtiger Staatsausgaben, zum Beispiel der Hochschulen, tut weh. Aber wie kann man im Land noch gute Politik machen, wenn im Bund die Einnahmenseite so weit hinuntergefahren wird? Aufgrund der Steuersenkungen der letzten zwölf Jahre fehlen Milliardenbeträge – allein in den letzten drei Jahren 150 Milliarden €; die Hälfte davon für die Länderhaushalte.

Steuersenkungen kamen im Wesentlichen den großen Unternehmen und Vermögen zugute. Das Geldvermögen privater Haushalte hat sich in den letzten zwanzig Jahren fast verdoppelt. Von den Steuersenkungen erwarteten die rot-grünen und schwarz-gelben Regierungen unter anderem Investitionen in Arbeitsplätze. Aber was ist passiert? Schlechte, unterbezahlte Arbeitsplätze wurden geschaffen. Ansonsten versteht man heute unter Investition den Kauf riskanter Wertpapiere.

Mit dem Geld, das dem Staat fehlt, hätte man viele ordentlich bezahlte Arbeitsplätze für Erzieherinnen, Pflegekräfte, Lehrerinnen und Sozialarbeiterinnen schaffen können – wenn es denn irgendjemandem tatsächlich um Arbeitsplätze gegangen wäre. Stattdessen werden dicke Keile in die Bevölkerung getrieben.

Die Schere geht immer weiter auseinander. Die reichsten 10 % besitzen inzwischen teuflische 66,6 % des gesamten Nettovermögens in Deutschland, die vermögendsten 0,1 % immerhin noch 22,5 % des Gesamtvermögens. Immer mehr Arbeitnehmer leben unter prekären Bedingungen, während Vermögende immer vermögender werden.

Wohlstand wandert nach oben. Unten macht sich Frust breit, der sich auch gegen die parlamentarische Demokratie richtet, also im Grunde gegen uns alle hier.

Steuererleichterungen für die Vermögenden brächten weitaus mehr Schaden als Nutzen. Deshalb sollten wir gemeinsam darum kämpfen, dass auf Bundesebene eine Politik gemacht wird, die uns ermöglicht, unseren Pflichten gegenüber den Bürgern nachzukommen: Infrastruktur sanieren, allen Kindern Chancen geben, Zukunft sichern.

Uns mit den Einnahmen zu bescheiden, die man uns von der Bundesebene zugedenkt, das ist mir ein wenig zu passiv und vielleicht sogar zu masochistisch. Wir müssen Forderungen aufstellen und für das Land NRW kämpfen.

Ich musste mich gerade wirklich wundern, denn ich bin mit Herrn Lindner völlig einer Meinung: Die Mehrwertsteuer ist da der falsche Weg, absolut der falsche Weg, weil es genau diejenigen trifft, die es eigentlich nicht treffen sollte.

Die wirkungsvollste Maßnahme wäre die Wiedereinführung einer moderaten Vermögensteuer. Bei nur einem halben Prozent für Körperschaften und 1 % für Private sowie einem Freibetrag von 1 Million € Geldvermögen könnte man bundesweit 20 Milliarden € jährlich einnehmen. Für Nordrhein-Westfalen wären das etwa 4,3 Milliarden €. Das würde uns doch schon mal weiterhelfen für den Haushalt hier. Es würde im Grunde sogar die strukturelle Unterfinanzierung unseres schönen Bundeslandes beseitigen. Weniger als 1 % der Bevölkerung wäre betroffen. Wir müssten uns auch keine Sorgen mehr wegen der Schuldenbremse machen.

Nicht nur die Zahl der Armen oder von Armut bedrohten Menschen ist gestiegen, sondern auch die Zahl der sehr Vermögenden und Superreichen. Allein die Zahl der Millionäre wuchs in den letzten acht Jahren von 742.000 auf 892.000. Das ist eine Steigerung um ein Fünftel. Und: Nicht nur die Zahl der Millionäre ist dramatisch gestiegen. Auch deren Vermögen wächst nach der kleinen Krisendelle wieder ungebremst und sogar beschleunigt. Inzwischen beträgt es sagenhafte 2,4 mal 10 hoch 12. Das sind 12 Nullen, also 2.400 Milliarden oder 2,4 Billionen €.

Genau hinter dieser doppelten Entwicklung, dem gleichzeitigen starken Ansteigen von Armut und Reichtum über einen längeren Zeitraum, steckt der gesellschaftliche Skandal. Denn Deutschland ist beileibe kein armes Land. Deutschland ist ein reiches Land, in mehrfacher Hinsicht. Bloß ist der Reichtum immer ungleicher verteilt.

Um es ganz klar zu sagen: Wir wollen Reichtum nicht abschaffen. Im Gegenteil! Wir wollen Armut abschaffen. Die ökonomische Ungleichheit fügt der Volkswirtschaft großen Schaden zu.

Erstens finden Investitionen nicht statt, weil zum Beispiel junge Erfinderinnen den Banken keine Sicherheiten bieten können, wenn sie nicht aus wohlhabenden Elternhäusern kommen.

Zweitens bietet der Arbeitsmarkt keine Sicherheit. Befristete oder schlecht bezahlte Tätigkeiten werden nicht mit voller Kreativität und vollem Engagement geleistet, wenn die Arbeitnehmer nicht über Vermögen verfügen, sondern durch Sich-Umsehen ihre Zukunft absichern müssen. Zeitverträge und schlechte Anfangsgehälter nehmen dem Arbeitsprozess viel Energie, viel Kreativität und schädigen damit unsere Innovationskraft.

(Beifall von den PIRATEN)

Drittens nimmt ein großes Vermögen den Antrieb, etwas aufzubauen und zu unternehmen. Stattdessen wird „Aus Geld mehr Geld machen“ delegiert, an Fonds beispielsweise, und nur noch auf kurzfristige Rendite gesehen – bis hin zur Zerstörung gewinnbringender Unternehmen mitsamt ihrer Arbeitsplätze. Aufbauen dauert lange und erfordert Antrieb und zielgerichtetes Handeln. Zerstört ist schnell, und die Fonds wenden sich neuen Spielzeugen zu.

Viertens generieren große Vermögen besondere Einflussmöglichkeiten. Gegenüber Arbeitnehmern führen sie zu Ausbeutung, gegenüber Kunden zu schlechter Qualität, gegenüber Anlegern zu riskantem Verhalten, das die Anleger ihr Vermögen kostet. Ein demokratieverträglicher Markt sieht völlig anders aus.

Die Ungleichverteilung ist nicht nur ungerecht. Es werden auch die beiden wichtigen Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft systemisch untergraben, nämlich dass sich Leistung lohnen muss und dass die starken Schultern die schwachen mittragen sollen.

Selbst nach den sehr vorsichtigen Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, des DIW, kann bei einer Wiedereinführung der Vermögensteuer mit erheblichen zusätzlichen Einnahmen gerechnet werden.

Vier Bundesländer – Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen – bereiten eine Bundesratsinitiative vor und haben deshalb das DIW beauftragt, die Aufkommens- und Verteilungswirkungen zu untersuchen. Danach ist selbst bei einem außerordentlich hohen Freibetrag von 2 Millionen € Barvermögen und einer so erfolgenden Beschränkung auf weniger als 150.000 natürliche und gut 160.000 juristische Personen und unter Einbeziehung sowohl von Steuervermeidungsstrategien als auch der entstehenden Erhebungskosten – Steuerfahndung – mit einem jährlichen zusätzlichen Steueraufkommen in Höhe von annähernd 12 Milliarden € zu rechnen. Auf Nordrhein-Westfalen entfielen davon möglicherweise mehr als 3 Milliarden € – ein Betrag, der jede Debatte über knappe Kassen und Schuldenbremse nahezu überflüssig macht.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, wir Piraten unterstützen diese Initiative und hoffen, dass sie erfolgreich ist. Eine gerechte Gesellschaft braucht eine faire Teilhabe aller.

(Beifall von den PIRATEN)

Trotzdem gibt es viele in unserem Saal, die nicht gerne Vermögen besteuern wollen. Für die möchte ich noch anfügen, was mit den Arbeitseinkommen passiert; denn das ist ja eigentlich viel schlimmer.

Es gibt einen Grundfreibetrag von 6.681 € im Jahr. Das heißt, wenn jemand pro Monat 560 € brutto verdient, muss er Steuern zahlen. Ist das nicht absurd? Wer zum Beispiel 900 € im Monat verdient, zahlt überschlägig gerechnet etwa 79 € Steuern. Dazu kommen dann noch die Sozialabgaben. Ein Mensch mit so niedrigem Einkommen kann sich keine richtige Wohnung leisten – schon gar nicht mit Kindern; da nützt auch das Kindergeld nichts. Er oder viel, viel öfter sie ist vom kulturellen Leben weitgehend abgeschnitten. Biolebensmittel stehen nicht auf dem Tisch. Solchen Menschen Geld aus der Tasche zu ziehen, das finde ich schäbig.

Aber auch auf die Art und Weise kommen hohe Beträge an Lohnsteuer zusammen, fünfmal so viel wie bei der Einkommensteuer auf alle anderen Einkommensarten wie Gewinne, Mieteinnahmen, Zinsen, usw. Davon finanziert sich der Staat zum großen Teil. Und dann werden die Vermögenden geschont. Eigentlich müsste die Vermögensteuer schon deswegen eingeführt werden, damit die Niedrigeinkommen nicht mehr besteuert werden müssen.

Tatsächlich kann überhaupt nicht die Rede davon sein, dass die Mehrheit der Menschen in diesem Land über ihre Verhältnisse gelebt hat – es sei denn, wir reden über die ökologischen Grenzen dieses Planeten. Aber genau das tun wir eben nicht.

Hier wird unterschlagen, was diese Gesellschaft ausmacht, nämlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde ist seit 1991 von knapp 30 € auf rund 40 € – in den Preisen von 2000 – enorm gewachsen. Von einem Zwang, den Gürtel enger zu schnallen, kann in dieser Hinsicht also wirklich nicht die Rede sein.

Auch das bereits diskutierte private Geldvermögen gibt hierzu keinen Anlass. Es liegt heute mit 5 Billionen, also 5.000 Milliarden €, mehr als doppelt so hoch wie 1990. Das Bundesfinanzministerium schätzt das gesamte Nettovermögen in Deutschland auf schier fantastische 8,6 Billionen €. Allein die vermögendsten 10 % besitzen fast 5,2 Bil-lionen € netto Geld- und Immobilienvermögen. Der größere Teil davon wurde geerbt. Allein das private Geldvermögen ist mehr als doppelt so groß wie die gesamten Schulden des Staates.

Das Gegenteil dessen, was uns diese Regierung predigt, ist also wahr: Die finanziellen Gesamtspielräume sind im Prinzip größer geworden.

Während also einerseits die Einkommens- und Vermögenskonzentration wächst, steht andererseits der geschaffene Reichtum nicht mehr zur Verfügung, um notwendige Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen.

Finanzminister Walter-Borjans hat das heute mit sehr moderaten Worten gesagt: Die Einnahmenseite ist auch zu beleuchten. – Von daher könnte man sich auf seine Linie stellen. Aber im Prinzip erfolgt auch mit dem neuen Haushalt eine Form von Mängelverwaltung.

Bereits im Jahr 2008 hat das Deutsche Institut für Urbanistik in Berlin, das Difu, den notwendigen kommunalen Investitionsbedarf mit mehr als 704 Milliarden € beziffert. Die tatsächliche kommunale Investitionstätigkeit bleibt nicht nur weit hinter diesem Wert zurück, sondern ist sogar kontinuierlich rückläufig. Allein im Bildungsbereich besteht ein jährlicher Mehrinvestitionsbedarf von 45 Milliarden €, zum Beispiel für Ganztagsbetreuung, Schul-infrastruktur oder die hier dauernd Thema seiende Inklusion.

Im April dieses Jahres konstatierte die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW:

„Nach Schätzungen der Kommunen beträgt der Investitionsrückstau inzwischen 128 Mrd. Euro und damit etwa 20 Mrd. Euro mehr als im Vorjahr.“

Der Sanierungsstau baut sich also sogar auf. Jeden Tag gehen so gesellschaftliche Werte in Millionenhöhe verloren.

Verfallende Infrastrukturen – also kaputte Straßen, marode Brücken, bröckelnde Schulen –, nicht gewartete Züge und Gleise, baufällige Hochschulen, ungepflegte Grünanlagen usw. können überall – auch bei uns in Nordrhein-Westfalen – besichtigt werden.

Von diesem Erbe, das wir an unsere Kinder weitergeben, wird aber nicht erzählt, wenn wir über Schuldenbremsen sprechen. Wenn aber dem Staat systematisch die Mittel entzogen werden, die erforderlich sind, um die öffentliche Infrastruktur wenigstens zu erhalten, dann übergeben wir unseren Kindern ein Land, in dem selbst zentrale Einrichtungen einer modernen, leistungs- und wettbewerbsfähigen sowie lebenswerten Gesellschaft nicht mehr funktionieren. Leidtragende der öffentlichen Sparmaßnahmen sind die Menschen, die auf die Leistungen des Staates eher angewiesen sind als Vermögende; das ist klar. Allein die Steuerreformen seit 1998 haben bis heute hochgerechnet zu Steuerausfällen von unglaublichen 470 Milliarden € geführt – Geld, das heute fehlt.

Es gibt in der Bevölkerung einen breiten Konsens darüber, dass es in unserer Gesellschaft wieder gerechter zugehen muss und dass dazu unabdingbar die Beteiligung aller leistungsfähigen Menschen, Organisationen und Unternehmen zählt.

Neben der Wiedereinführung der Vermögensteuer müssen wir auch über eine sachte und verantwortungsvolle Anhebung des Spitzensteuersatzes reden. Wie hoch ist wohl die Bereitschaft, höhere Grenzsteuern zu zahlen, wenn davon nur die Vermögenden und Reichen profitieren, wenn davon Banken saniert werden, die ihren Managern millionenschwere Abfindungen zahlen? Wie hoch mag andersherum die Bereitschaft sein, wenn davon Schulen saniert werden, der öffentliche Nahverkehr ausgebaut wird und Kinderbetreuungsplätze statt Betreuungsgeld angeboten werden?

Darüber hinaus müssen wir dringend – ich weiß, das ist ein heißes Thema – auch mal über die Erbschaftsteuer wenigstens sprechen.

Last, but not least: Wer über Einnahmen spricht, darf über die Finanztransaktionsteuer nicht schweigen. Momentan sieht es damit ja nicht gut aus. Aber wir wissen, dass die Bankenrettungen den Staat, das heißt die Bürgerinnen und Bürger, Unsummen gekostet haben und noch lange kosten werden. Allein die Rettung der Hypo Real Estate schlägt mit 150 Milliarden € zu Buche. 150 Milliarden €, die ausschließlich über die Steuern ganz normal verdienender Menschen finanziert wurden und werden, nur für eine Bank!

Zur Erinnerung: Das strukturelle Haushaltsdefizit in Nordrhein-Westfalen liegt bei etwa 4 Milliarden €. Verglichen mit den Summen, die für die Rettung systemrelevanter Banken aufgebracht wurden, ein Witz, eine Fußnote! Um mit Hilmar Kopper zu reden: Peanuts!

Die Liberalisierung und die Deregulierung der internationalen Finanzmärkte, woran nicht zuletzt auch die rot-grüne Bundesregierung beteiligt war, haben zur Bildung großer Spekulationsblasen geführt, die wesentlich und ursächlich für die große Krise waren. Die Besteuerung, wenn nicht gar Verhinderung spekulativer Geschäfte ist nicht nur ein Beitrag zur Finanzierung der staatlichen Ausgaben, sondern auch ein Weg zurück in eine gesellschaftlich sinnvolle Wirtschaftstätigkeit. Wir können damit zu hohe Schulden verhindern.

Last, but not least: Schulden findet niemand gut. Niemand ist der Meinung, Schulden seien unproblematisch. Natürlich muss es das Bestreben eines seriös und nachhaltig wirtschaftenden Haushälters sein, Schulden, die momentan unvermeidlich sind, mittel- und langfristig auszugleichen. So weit sind wir uns alle einig. Aber diese Feststellung darf nicht als Verständigung über die pauschale Ablehnung von Schulden missverstanden werden.

Entscheidend für die Finanzpolitik des Landes muss das Verantwortungsgefühl für die Bürgerinnen und Bürger sein, das Verantwortungsgefühl für die wichtigsten Aufgaben des Staates, für die zivilisatorische Qualität unseres Zusammenlebens, für das Alltagsleben in den Kommunen, für die Infrastruktur usw. Ich plädiere dafür, für eine gerechte Verbesserung der Einnahmenseite zu kämpfen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden; denn sonst gilt das Wort, dass die Demokratie, deren Aufgabe es ist, ein selbstbestimmtes Leben aller zu gewährleisten, ihrer Leistungspflicht nicht nachkommt. Und das möchten wir gerne verhindern. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Nun spricht für die Landesregierung die Ministerpräsidentin, Frau Kraft.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben heute eine andere Haushaltsdebatte, eine andere Einbringung erlebt als in den Jahren, die ich bisher hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen miterleben durfte. Sicherlich ist ein Grund dafür, dass wir gerade eine Bundestagswahl hinter uns haben mit Ergebnissen, die die einen freuen und die anderen weniger freuen. Auch von mir einen herzlichen Glückwunsch an die Wahlgewinner.

Ich habe moderate Töne, ruhige Töne, aber auch vieles Negatives über unser Land gehört. Das mag an der einen oder anderen Stelle richtig sein; denn wir haben Herausforderungen, die wir gemeinsam angehen müssen. Aber wir haben auch positive Daten und Fakten, die man nicht unter den Tisch kehren sollte.

Wir sind ein Land, in dem die Erwerbstätigenzahl steigt,

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Weniger als vorher!)

in dem es mehr sozialversicherungspflichtige Jobs gibt als jemals zuvor, in dem die Erwerbstätigen überdurchschnittlich produktiv sind, in dem das Pro-Kopf-Einkommen überdurchschnittlich ist, ein Land, das als Standort attraktiv für ausländische Investoren ist.

Die Zahl darf man in einer solchen Debatte auch einmal nennen: Mit 27,1 % – das sind über 200 Milliarden € – verzeichnete das Land Ende 2011 – das ist der letzte verfügbare Wert; er wird weiter steigen – den mit Abstand höchsten Anteil aller 16 Bundesländer am Bestand der Direktinvestitionen in Deutschland. 27,1 %! Es folgt Bayern mit 16,8 % – um einmal deutlich Hausnummern zu vergeben. Darüber dürfen wir uns auch heute freuen.

Wir sind die Nummer eins bei den unternehmensnahen Dienstleistungen.

Wir sind ein Land, das beim Ausbau der Ganztagsschulen besser dasteht als viele andere Bundesländer. Auch dazu haben wir neulich neue Studien und Zahlen bekommen.

Nicht zuletzt: Wir sind von allen Flächenländern das Land, das die schlankeste Verwaltung hat, nämlich pro 1.000 Einwohner 16,34 Stellen im öffentlichen Dienst. Im Durchschnitt aller Flächenländer sind es 19,47.

Zu einer Gesamtbetrachtung unseres Landes Nordrhein-Westfalen gehören auch positive Dinge. Auch darum geht es in einer solchen Debatte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe in dieser Debatte heute – bei den im Wesentlichen ruhigen Tönen – auch viel darüber gehört, was alles zu tun ist, vor welchen Herausforderungen wir stehen – da sind wir in weiten Teilen einer Meinung –: von der Demografie über die kommunale Finanzlage bis zur Infrastruktur. Wir alle wissen, woran es mangelt.

Es gibt auch viele Vorschläge, was zu tun ist. Es gibt allerdings genauso wenige Vorschläge, an welchen Stellen denn zu kürzen ist. Ich jedenfalls habe hier heute keinen gehört, keinen einzigen.

Es ist schon hoch erstaunlich, dass in diesem Landtag von der Opposition keine solchen Vorschläge benannt worden sind. Selbst die FDP hat heute nur gesagt, wo denn der Stein nicht behauen werden sollte. Aber wie er denn behauen werden sollte, auch da sind Sie heute wieder alle Antworten schuldig geblieben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, Sie haben uns vorgeworfen, es gebe keine neuen Ideen, erst recht keine Visionen – so war, glaube ich, das Zitat aus Ihrer Rede vorhin, Herr Laumann.

Ich sage Ihnen: Wir haben eine Vision. Wir haben eine Idee, und der gehen wir kontinuierlich nach. Wir werden dieses Land gerechter machen. Wir werden dafür sorgen, dass kein Kind zurückgelassen wird. Und wir werden dafür sorgen, dass in diesem Land endlich eine vorbeugende Politik dafür sorgt, dass Haushalte nachhaltig saniert werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das werden wir tun, auch weiterhin.

Dabei bleiben wir – auch das hat der Finanzminister heute deutlich gemacht – bei unserem Kurs: einem Dreiklang aus Einsparungen, aus notwendigen Investitionen und aus Einnahmensteigerungen. Das haben wir immer gesagt, das werden wir weiter sagen. Und das werden wir auch tun.

Im Haushalt 2014, über dessen Entwurf wir heute reden, sind strukturelle Einsparungen von 950 Millionen € enthalten. Das ist kein Pappenstiel.

Es sind auch Investitionen im Bildungsbereich darin.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])

Wir müssen heute die Grundlagen für morgen legen; da sind wir uns einig. Darum investieren wir in Bildung und Betreuung, in Kommunen und in Infrastruktur.

Nehmen wir den U3-Ausbau: Vom Sommer 2010 bis zum Ende dieses Jahres werden wir 712 Millionen € bereitgestellt haben. Wir werden den Ausbau bis 2018 vorantreiben. Dann werden es 1,4 Milliarden € sein, die wir für U3 ausgegeben haben werden.

Wir holen das auf, was liegen geblieben ist, meine Damen und Herren. Das war unsere Aufgabe, und das ist unsere Aufgabe.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und das deckt sich mit unserer Vision und unserer Zielsetzung. Denn gerade die Investitionen in die frühkindliche Förderung lohnen sich langfristig. Sie sind Basis zusätzlicher Einnahmen für morgen und weniger Reparaturkosten. Eine Präventionsrendite ist kein politisches Wunschdenken, sondern Tatsache.

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat das im Auftrag – man höre und staune! – der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft – ich sage in Klammern: wahrlich keine rot-grüne Untergliederung – untersucht. Ich zitiere:

„Geringere Transferleistungen, höhere Sozialversicherungsbeiträge und zusätzliche Steuerzahlungen im späteren Erwerbsleben führen dazu, dass der Staat die im Vorschulbereich investierten Gelder fast dreifach zurückbekommt. Investitionen in die frühkindliche Förderung erzielen damit langfristig eine Verzinsung von jährlich über sieben Prozent.“

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und weiter:

„Je früher in die Bildung eines Kindes investiert wird, desto höher sind die Erträge.“

Meine Damen und Herren, dem ist nichts hinzufügen. Wir haben es getan, wir werden es auch weiterhin tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Oder nehmen wir das Feld Schule und Hochschule – es ist ja spannend, worüber heute nicht geredet wurde –: Wir investieren in den Ganztag. Wir setzen den Schulkonsens um. Wir haben 155 neue Schulen des gemeinsamen Lernens seit 2010. Wir sind dabei, die individuelle Förderung zu verbessern. Wir stellen zusätzliche Lehrerstellen zur Unterstützung der Inklusion zur Verfügung. Bis 2017/2018 werden das rund 3.200 Lehrerstellen sein, die im System bleiben, obwohl wir weniger Schülerinnen und Schüler haben – damit wir Inklusion unterstützen können. Das ist eine gute Politik für die Kinder und für die Familien in diesem Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im Schuljahr 2010/2011 waren es rund 500. Insgesamt ist das eine Investition von rund 134 Millionen €.

Aus dem Hochschulpakt erhalten die Hochschulen für zusätzliche Studienanfänger auch zusätzliches Geld. Mit der Kofinanzierung des Landes stehen den Hochschulen damit 2 Milliarden € mehr zur Verfügung.

Und wir unterstützen die Kommunen – so stark wie keine Landesregierung vorher. Städte und Gemeinden erhalten 2014 aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz Rekordzuweisungen von 9,4 Milliarden €. Das sind 722 Millionen € mehr als 2013.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])

Hinzu kommt der Stärkungspakt Stadtfinanzen zur Unterstützung besonders verschuldeter Kommunen. Dafür werden wir bis 2020 5,76 Milliarden € ausgeben, davon sind allein 3,5 Milliarden € zusätzliche Landesmittel.

Ja, meine Damen und Herren, wir stellen uns den Herausforderungen. Wir gehen sie an, auch bei der Infrastruktur. Endlich gibt es wichtige Weichenstellungen, auf die wir lange gewartet haben.

Der Ausbau der Betuwe-Linie ist mit der Finanzierungsvereinbarung, die ich am 24. Juli für das Land unterzeichnet habe, unter Dach und Fach. Mein Dank geht an den Verkehrsminister, der das hervorragend verhandelt hat. Es ist gut, dass wir hier weiterkommen, auch bei der Infrastruktur.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt auch bedeutende Fortschritte beim Rhein-Ruhr-Express. Der Bund hat sich endlich verbindlich bereit erklärt, die Planungen voranzutreiben.

Über all das muss man auch reden, wenn man über die Situation in Nordrhein-Westfalen redet. Wir gehen das an – Schritt für Schritt und mit einer soliden Politik.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Auf der anderen Seite habe ich mich die ganze Zeit gefragt: Wo ist eigentlich Ihr Oppositionskurs? Wo ist eigentlich Ihr Haushaltskurs für dieses Land?

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Ja, das ist doch klar!)

Zum Teil reden Sie das Land schlecht, zum Teil haben Sie – ich blicke auf die letzten Wochen vor der Bundestagswahl zurück – ganze Horrorgemälde gezeichnet, zum Beispiel zu U3. Ich kann gern die Zitate heraussuchen. Sie haben ein Chaos und eine Klagewelle prognostiziert. Die Realität ist: Wir haben die stärkste Aufholjagd bis zum 1. August hingelegt. Mit 144.883 U3-Plätzen haben wir den Rechtsanspruch erfüllt.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dazu gab es kein Wort von Ihnen in der heutigen Debatte.

Beim doppelten Abiturjahrgang ging doch gleich diese empörungspolitische Windmaschine los. Was ist herausgekommen? Ein laues Lüftchen. Stattdessen hätten Sie heute einmal Rückgrat beweisen und sich bei den Hochschulen für die Vorbereitung und die große Kraftanstrengung, die wir gemeinsam hingelegt haben, bedanken können. Das haben Sie nicht getan; dafür wäre heute Gelegenheit gewesen.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Schlechtreden ohne eigene Konzepte ist keine gute Oppositionsstrategie. Wenn Sie seriöse Vorschläge machen, werden wir sie prüfen.

(Zuruf von der CDU: Wie großzügig!)

Das gilt für alle Bereiche, die uns gemeinsam bewegen. Ich möchte Ihnen drei Beispiele nennen, bei denen Sie von uns immer mehr verlangen.

Was ist das für eine Politik, die nicht sagt, woher die Einnahmesteigerungen kommen sollen? Sie haben sie sogar ausgeschlossen; ich habe Ihnen vorhin deutlich zugehört. Ich möchte Ihnen sagen: Sie müssen aufpassen, dass Sie wieder rechtzeitig auf den Zug aufspringen, denn Herr Schäuble erscheint gerade mit seinen Äußerungen in den Medien, er schließe Steuererhöhungen nicht grundsätzlich aus.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Norbert Römer [SPD]: Laschet auch nicht! – Weitere Zurufe)

Also Vorsicht an der Bahnsteigkante; es sind turbulente Zeiten.

Ich möchte Ihnen mit drei Beispielen sagen, wohin uns Ihre Forderungen führen würden.

Erstes Beispiel: Inklusion – gemeinsamer Unterricht von behinderten mit nichtbehinderten Kindern. Sie fordern eine obligatorische Doppelbesetzung in Klassen mit Schülern, die sonderpädagogischen Bedarf haben. Sie wissen – Sie waren in der Regierung –: Sie reden über 5.000 Stellen mehr im nächsten Jahr. Dann sagen Sie in diesen Haushaltsverhandlungen, woher die kommen, oder sagen Sie, woher wir das Geld dafür nehmen sollen. Sagen Sie es, wenn Sie der Welt glaubhaft machen wollen, dass Sie das alles besser können. Dann müssen Sie dazu auch stehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir bleiben dabei auf Kurs. Wir schaffen erstens einen klaren rechtlichen Rahmen für den weiteren Ausbau der inklusiven Schule. Große Fortschritte konnten wir schon erzielen. Im Schuljahr 2012/2013 betrug die Inklusionsquote in der Primarstufe schon 33,6 % und in der Sekundarstufe 18,4 %.

Wir organisieren zweitens den Prozess Schritt für Schritt. So wachsen zum Beispiel die Lehrerstellen zur Unterstützung der Inklusion von 2010 bis 2017 um ca. 2.700 auf – ausgehend von den 500 Stellen, die ich vorhin schon genannt habe.

Drittens ist ganz wichtig, dass wir den Prozess gemeinsam mit den Kommunen und Eltern gestalten. Anders geht das nicht; anders wollen wir das nicht. Wir bemühen uns um einen Kompromiss. Ich hoffe sehr, dass er uns gelingt.

Aber klar ist auch: Inklusion ist nicht nur Aufgabe des Landes, sondern sie ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Auch das ist und bleibt wahr.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann reden wir über das zweite Beispiel, den Stärkungspakt. Wie immer legen Sie noch eine Schüppe drauf. Aber wo ist denn der solide finanzierte Gegenvorschlag? Ich habe ihn heute jedenfalls nicht gehört. Stattdessen wird wieder schwarzgemalt. Allen würde es schlechter gehen. Der Solidarbeitrag sei eine rot-grüne Strafaktion für solide wirtschaftende Kommunen. Dann zeigen Sie das hier am Beispiel einer Kommune. Wir wissen alle, insbesondere diejenigen, die aus Städten mit langjährigen Haushaltsproblemen kommen, wie die Situation in den Räten dort vor Ort ist.

Aber zur Wahrheit und Klarheit gehört auch – Herr Laumann, haben Sie doch das Rückgrat und stehen dazu –, dass sich in Ihrer Regierungszeit zwischen 2005 und 2010 die Kassenkredite in diesem Land verdoppelt haben. Stehen Sie dazu, dass Sie da Fehler gemacht haben. Das stünde Ihnen gut zu Gesicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will Ihnen nicht noch einmal vorhalten, wie Sie das Gemeindefinanzierungsgesetz zusätzlich befrachtet haben, um den Landeshaushalt zu sanieren, und wie Sie den Kommunen ihren Anteil an der Grunderwerbsteuer vorenthalten haben. Das hat doch niemand in dieser Region vergessen. Bis heute haben sie kein ernstzunehmendes eigenes Konzept auf den Tisch gelegt, wie Sie den notwendigen Kommunalsoli in Höhe von 182 Millionen € aus dem Landeshaushalt gegenfinanzieren wollen. Wir sind in diesen Haushaltsverhandlungen sehr gespannt, ob da noch etwas auf uns zukommt.

Als drittes Beispiel nehmen wir die Besoldungsanpassung. Wir alle haben uns unserer Verantwortung gestellt. Das ist ein schwieriger Prozess gewesen. Wie und in welcher Form wir abgewogen haben, haben Sie alle dem Prozess entnehmen können. Wir hätten nichts lieber getan, als allen Beamtinnen und Beamten diese Erhöhung zu geben; das können Sie uns glauben.

(Beifall von Bernhard von Grünberg [SPD])

Das hätte uns das Geschäft für die Bundestagswahl wahrscheinlich auch einfacher gemacht. Aber wir haben uns der Verantwortung auch zur Erreichung der Null-Schulden-Bremse in diesem Land gestellt. Sie können nicht immer nur sagen: „Das darf man nicht machen“, denn dann müssen Sie auch sagen, woher Sie das Geld für die Finanzierung holen wollen. Dann sagen Sie das in dieser Diskussion!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sagen Sie entweder, woher Sie die zusätzlichen 700 Millionen € holen, oder sagen Sie, wie Sie die Stellen finanzieren wollen, die nicht gekürzt werden sollen – es sei denn, Sie wollen sie kürzen. Aber sagen Sie dann auch, wo sie kürzen wollen und wie das funktionieren soll.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Ich habe nur diese drei Beispiele gebracht, könnte aber noch eine lange Kette von Beispielen anhängen. Sie legen immer noch etwas drauf und sagen, Sie könnten alles besser, weil Sie nie sagen, woher die Finanzierung kommen soll.

Ich habe gerade drei Vorschläge genannt. Wenn ich sie zusammenzähle, komme ich schon auf 1,2 Milliarden € Mehrausgaben für 2014.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])

Stellen Sie sich einer ernsthaften Oppositionspolitik! Stehen Sie zu Wahrheit und Klarheit! Schlagen Sie sich nicht in die Büsche! – Das sind meine Bitten für diese Haushaltsdebatte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie das nicht tun, kann ich Ihnen nur sagen: Die Politik, die Sie in Ihren Anträgen und den Debatten im Landtag vorführen, führt nicht zu einer Schuldenbremse. Da verwechseln Sie gerade Bremse und Gaspedal. Das wäre das Schuldengaspedal. Das wollen wir nicht.

Wir machen weiter mit einer soliden Politik für dieses Land, die die Herausforderungen in den Blick nimmt und darauf achtet, dass es in diesem Land nach vorne geht und dass die Menschen hier das bekommen, was sie brauchen: Sicherheit, klare Perspektive und den Realitätssinn, um den Herausforderungen zu begegnen. – Das ist Markenzeichen dieser Regierung. – Vielen Dank.

(Langanhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Kollegen Laumann, das Wort.

Karl-Josef Laumann (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, ich habe in meiner Rede natürlich Schwachpunkte in Nordrhein-Westfalen aufgezeigt. Ich habe auch vieles nicht kritisiert.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Nehmen wir doch mal den ersten Punkt, wenn wir über eine Haushaltssanierung in Nordrhein-Westfalen reden. Sie ist bei dem hohen Anteil an Kosten für das Personal ohne Veränderungen im Beschäftigungsbereich unseres Landes nicht möglich. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sagen Sie, wo!)

Sie haben in Ihrer Erwiderung gesagt, Sie hätten mit Ihrer Entscheidung über die Besoldungserhöhung deswegen diesen schmerzlichen Punkt gesetzt. Aber gerade Sie als Vorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, also der Partei – darum beneide ich Sie auch ein bisschen –, die ohne Frage mit Sicherheit die meisten Betriebsräte hat, müssten doch wissen, dass man nachhaltige Veränderungen in einem so schwierigen Bereich nur mit den Leuten und nicht ohne die Leute machen kann, und das Klima erst recht durch eine Bastapolitik vergiftet, wie Sie sie gemacht haben.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Diesen Vorwurf machen wir Ihnen: Es gibt eben kein Gesamtkonzept wie in anderen Bundesländern. Sie werden kein Zitat von Karl-Josef Laumann, kein Zitat von Armin Laschet und kein Zitat aus der CDU-Fraktion finden, in dem wir sagen: Wir wollen eins zu eins übertragen.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Wir prangern an, dass es kein Gesamtkonzept gibt, dass Sie dieses Gesamtkonzept verweigert haben.

(Beifall von der CDU – Marc Herter [SPD]: Hätten Sie das den Richtern und Staatsanwälten auch gesagt!)

Sie wissen, dass wir in Nordrhein-Westfalen beim Umbau der öffentlichen Hand in den Jahren der schwarz-gelben Regierung vorangekommen sind. Sie haben damals alles, was wir gemacht haben, auch schlecht gefunden, wenn ich an PEM und vieles andere denke. Aber die Wahrheit ist damals gewesen, dass wir über 7.000 Lehrer mehr eingestellt haben, als in Rente gegangen sind. Am Ende hatten wir aber nicht mehr öffentliches Personal als an dem Tage, als wir die Regierung übernommen hatten. So macht man Verwaltungsumbau und nicht wie bei Ihnen: Einfach Personal für die Umweltverwaltung draufsetzen, weil man es in der normalen Verwaltung nicht organisieren will.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Minister Ralf Jäger: Sie haben die Verwaltung kommunalisiert!)

Wenn Sie diesen Landeshaushalt so ausrichten wollen, dass mehr Geld für Investitionen vorhanden ist, führt an einem Konzept für Effizienzsteigerung und Modernisierung der Landesverwaltung kein Weg vorbei. Das weiß doch jeder, der hier sitzt und die Dinge realistisch sieht.

(Beifall von der CDU)

Dann möchte ich gerne einen weiteren Punkt ansprechen,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Schon wieder kein Vorschlag!)

weil er mir wichtig ist, nämlich den U3-Ausbau. Ich will nur noch einmal daran erinnern, dass Sie im Kabinett von Herrn Steinbrück waren. Das war vor 2005 kein Thema für euch.

(Ingrid Hack [SPD]: Für euch noch viel weniger!)

Es war überhaupt kein Thema. Wir haben wie viele andere auch in einem riesigen Tempo in den Jahren 2005 bis 2010 mit diesem Thema begonnen.

(Beifall von der CDU)

Ohne Frage ist das fortgesetzt worden. Wir wollen aber doch ehrlich sein:

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Es ist eine gemeinsame Leistung von Bund, Land und Kommunen, dass wir das erreicht haben. Denn auch der Bund hat in dieser Frage den Ländern und Kommunen erheblich geholfen, sodass wir diese gesellschaftspolitische Aufgabe in den Griff bekommen haben.

(Beifall von der CDU)

Darüber, dass diese Einrichtungen wichtig für das Land, für die Entwicklung der Kinder und damit für die Zukunft unserer Gesellschaft sind, besteht doch nicht der kleinste Dissens. Man kann sich höchstens die Frage stellen: Warum haben wir so spät mit diesem Ausbau angefangen?

(Ingrid Hack [SPD]: Das fragen wir uns auch!)

– Dass muss sich hier manch einer fragen, der damals schon Politik gemacht hat. Jedenfalls war das zwischen 2000 und 2005 bei der damaligen rot-grünen Landesregierung überhaupt kein politisches Thema. Das sollten Sie auch einmal zugeben.

(Beifall von der CDU)

Jetzt kommen wir zu einem wichtigen Punkt, wie ich finde, bei dem es um eine zentrale Frage der nordrhein-westfälischen Gesellschaft und um eine zentrale Frage der Bürgergesellschaft geht. In den letzten Jahren – das ist keine Entwicklung von fünf Jahren gewesen – war die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen sehr stark so, dass die Aufgaben, die die Kommunen übernehmen müssen, proportional viel stärker gestiegen sind als ihre finanziellen Möglichkeiten.

(Bernhard von Grünberg [SPD]: Ganz neue Erkenntnis!)

Wir sind jetzt aber an einem Punkt, an dem es um die kommunale Selbstverwaltung geht. Denn wenn die Kommunen nur noch gesetzliche Aufgaben wahrnehmen können, stellt sich die Frage der kommunalen Selbstverwaltung.

(Zuruf)

Ich glaube immer noch, dass die kommunale Selbstverwaltung ein Ausdruck der Bürgergesellschaft ist.

(Beifall von der CDU)

Deswegen müssen wir gemeinsam die kommunale Selbstverwaltung und die Handlungsspielräume der Kommunen erhöhen.

(Zuruf von der SPD: Habt ihr aber nicht!)

Es hätte Ihnen überhaupt keinen Zacken aus der Krone gebrochen zuzugeben: Die gewaltigste Leistung, die für die Kommunen in den letzten fünf Jahren erbracht worden ist, war die Übernahme der Grundsicherung durch den Bund, die Rot-Grün vorher den Gemeinden aufgedrückt hatte.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Denn die Wahrheit ist: Bei Einführung der Grundsicherung in diesem Land hat Rot-Grün regiert. Rot-Grün hat sie zu einer kommunalen Aufgabe gemacht und im Bundestag beschlossen. Erst wir haben sie zu einer Bundesaufgabe gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD und den GRÜNEN)

Dass das natürlich im Bundesrat verhandelt worden ist, ist wohl das Normalste der Welt.

(Zuruf von Marc Herter [SPD] – Hans-Willi Körfges [SPD]: Pinocchio! – Weitere Zurufe)

Jeder weiß: Im Bundesrat, der ist, wie er ist, hat man auch die Dinge zu verhandeln. Dafür gibt es diese Institution.

(Zurufe)

– Wissen Sie, wenn Rot-Grün die Grundsicherung einführt, sie zu einer kommunalen Aufgabe macht und sie unter Schwarz-Gelb zu einer vom Bund finanzierten Bundesaufgabe wird, weiß ich, wer kommunalfreundlich und wer kommunalfeindlich ist.

(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD)

Sie können es im Wahlprogramm der CDU nachlesen und es ist klar: Natürlich sind wir der Meinung, dass bei der Eingliederungshilfe in dieser Wahlperiode etwas ansteht.

(Zuruf von der SPD: Nur wann?)

Wenn der Bund in die Finanzierung einsteigt oder sich dann noch stärker beteiligt, wird das in Nordrhein-Westfalen die Kommunen direkt entlasten, weil – wie wir alle wissen – die Eingliederungshilfe eine kommunale Aufgabe ist. In anderen Bundesländern ist das eine Landesaufgabe. Bei uns ist das immer eine kommunale Aufgabe über die Landschaftsverbände gewesen, die das meiner Meinung nach auch ganz gut machen.

Es ist klar, dass das eines der Themen ist, die man aus nordrhein-westfälischer Sicht ohne Frage in den nächsten Wochen sehr im Kopf haben muss. Aber der CDU-Landesverband hat schon beim Regierungsprogramm daran gedacht, das ausdrücklich ins Wahlprogramm hineinzuschreiben, weil wir wissen, wie wichtig das für dieses Land ist.

Wenn sich unser Land wirtschaftlich langsamer als der Rest der Republik entwickelt, darf man das noch sagen. Wenn unser Land unter den Flächenländern das einzige ist, in dem die Zahl der Hartz-IV-Empfänger nicht abnimmt, ist das ein Thema, um das wir uns kümmern müssen.

(Beifall von der CDU)

Man kümmert sich dann um dieses Thema, wenn man eine entschiedene Wirtschaftspolitik macht. Sie wissen es und es bekommt jeder mit, dass es zwischen Ihrem Wirtschaftsminister und Herrn Remmel sehr viel Stillstand gibt, was die Projekte aufhält. Schlagen Sie doch den Knoten durch, was Datteln angeht. Die Entscheidung, in der Emscher-Lippe-Region, in der wir die größten wirtschaftlichen Probleme des gesamten Ruhrgebiets haben, den Hoffnungsschimmer newPark wegzunehmen, ist eine gigantische politische Fehlentscheidung.

(Beifall von der CDU)

Ich verstehe einfach nicht, warum Sie diese Entscheidung so getroffen haben.

Wir alle wissen doch, wie es war: Das Industriegebiet für Opel in Bochum musste in der Regierung laufen. Aber die Grünen haben gesagt: Den Flächenverbrauch bei newPark machen wir nicht mehr mit. – So ist es doch gelaufen. Und dann wurde so lange herumgerechnet, bis man es anders begründen konnte. Selbst die SPD-Leute in der Emscher-Lippe-Region stehen verzweifelt vor dem, was landespolitisch entschieden worden ist.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dazu muss man dann auch stehen, statt es so hinzustellen, als sei alles Gold, was glänzt.

Zum Schluss noch etwas zur Inklusion: Worin besteht in der Inklusion eigentlich der Unterschied zwischen dem, wie wir in unserer Fraktion und wie Grün und Rot darüber denken – insbesondere Grün? Wir alle in diesem Parlament sind, glaube ich, der Meinung, dass Inklusion richtig ist. Aber wir haben auch wegen der Finanzierbarkeit unterschiedliche Auffassungen zum Tempo der Umsetzung. Wir sollten das Tempo nicht höher setzen, als wir Geld zur Verfügung stellen können,

(Beifall von der CDU)

damit das verantwortungsbewusst läuft.

Ich habe mir in den letzten Wochen oft die Frage gestellt: Wir sind jetzt in dem seit Menschengedenken größten Umbruch in der Schullandschaft, weil unser bisheriges Halbtagsschulsystem in einem riesigen Tempo zu einem Ganztagsschulsystem wird.

In der Frage der frühkindlichen Betreuung hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als in den 50 Jahren davor verändert.

Bei diesem Tempo, in dem uns das System Schule beansprucht, auch noch in einem riesigen Tempo die Inklusion zu stemmen, wirft bei uns die Frage auf: Würde nicht ein langsameres und bedächtigeres Vorgehen, ein längeres Überlegen, ob es nicht auch gute Gründe für die Fördersysteme gibt, die wir bislang hatten – zumindest für einen Teil der Kinder, die betroffen sind –, die Lage sehr entspannen? Das würde mir sehr gefallen.

Wer mit Lehrerinnen, Lehrern und Eltern spricht – so mein Eindruck –, dem vermittelt sich der Eindruck: Wir müssen aufpassen, dass wir mit dem Tempo der Inklusion und durch eine mangelnde Qualität der Inklusion nicht die gute Stimmung für Inklusion zerstören, die es im Grunde genommen in der Gesellschaft gibt.

(Beifall von der CDU)

Das darf man, denke ich, auch einmal sagen. Ich würde Sie im Übrigen in dieser Frage nie kritisieren, würden wir uns in dieser Frage einmal etwas vorsichtiger bewegen.

Ich darf für mich in Anspruch nehmen, dass ich mich immer sehr um die Belange der Behindertenpolitik gekümmert habe, aber die letzte Weisheit noch nicht gefunden habe, ob nur Inklusion das allein selig machende Mittel ist. Ich glaube, dass es auch gute Gründe für Förderschulen gibt und ein gutes Nebeneinander von Förderschulen und Inklusion mehr dem entspricht, was ich mir unter Inklusion vorstelle.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das hat doch keiner in Zweifel gezogen!)

Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Laumann. – Für die SPD-Fraktion erteile ich noch einmal Herrn Kollegen Römer das Wort.

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Laumann, Sie haben gerade noch einmal einen sehr grandiosen Auftritt hingelegt.

(Beifall und Zustimmung von der CDU)

– Klar! Herr Laschet, erzählen Sie Herrn Laumann einmal, dass Sie in der Frage der Steuererhöhungen schon sehr viel weiter sind als er heute Morgen.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Laumann, ich möchte einige Punkte, die Sie aufgegriffen haben, ein bisschen beleuchten:

Ich nehme einmal den grandiosen Personalabbau während Ihrer Verantwortungszeit. Von 2005 bis 2010 hat die Regierung Rüttgers 14.305 Stellen gestrichen.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Seien Sie doch froh darüber!)

Aufgebaut hat die Regierung Rüttgers im selben Zeitraum 11.889 Stellen. Das heißt also: Im Saldo haben Sie 2.416 Stellen im Landesdienst abgebaut. Das haben Sie vor allen Dingen durch Frühverrentung

(Minister Ralf Jäger: Und Kommunalisierung!)

und durch Frühpensionierung gemacht. Und Sie haben den Kommunen einige Aufgaben zugeschoben. So viel zu der tollen Bilanz, von der Sie gerade gesprochen haben!

Herr Kollege Laumann, Sie haben sich zu der Frage verbreitet, wie diese Landesregierung eigentlich mit der Mitbestimmung umgeht.

Da will ich den CDA-Bundesvorsitzenden und ehemaligen Landesminister Laumann daran erinnern, dass in seiner Verantwortungszeit das Landespersonalvertretungsgesetz Nordrhein-Westfalen in einer Weise geschliffen worden ist, dass man nicht mehr von Mitbestimmung sprechen konnte.

(Beifall von der SPD – Karl-Josef Laumann [CDU]: Nein!)

Herr Kollege Laumann, wir haben das sofort nach Regierungsübernahme repariert. Wir haben dafür gesorgt, dass das Landespersonalvertretungsgesetz Nordrhein-Westfalen wieder das modernste Mitbestimmungsgesetz im öffentlichen Dienst in ganz Deutschland ist – eine gemeinsame Leistung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. So viel zu Ihrem Umgang mit denjenigen, die auf der Personalseite Verantwortung haben, und unserem Umgang mit denjenigen, die auf der Personalseite Verantwortung haben!

Drittes Stichwort: Zerschlagung der Versorgungsverwaltung und Zerschlagung der Umweltverwaltung. Ich will Sie einmal daran erinnern, dass damals ein Parlamentarischer Staatssekretär Ihrer Regierung zum Umgang mit denjenigen, die in den Personalräten Verantwortung gehabt haben und die Sie gar nicht erst angehört haben, als Erklärung gesagt hat – ich zitiere Herrn Palmen –: Wer einen Tümpel trockenlegen will, der darf die Frösche nicht fragen. – Und Sie blasen sich jetzt hier als jemand auf, der Mitbestimmung hochhalten will? Herr Kollege Laumann, Sie sollten sich schämen! Eine solche Geschichte lohnt überhaupt nicht.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Nun will ich Ihnen etwas zu der Frage sagen, die auch weiterverfolgt worden ist, wie es Ihnen denn gelungen ist, die Zerschlagung der Versorgungsverwaltung und der staatlichen Umweltverwaltung zugunsten des Landeshaushalts – wir leiden aber heute unter den Folgekosten – vorzunehmen. Sie haben das Ganze den Kommunen einfach als kommunale Aufgabe zugeschoben, ohne ihnen die damit verbundenen Kosten zu erstatten. Sie haben, wenn man so will, aus Personalkosten Sachkosten gemacht. Wir müssen jetzt – das tun wir auch – diese Kostenerstattung an die Kommunen vornehmen. Herr Kollege Laumann, das war Ihre Operation. Gerichtlich ist Ihnen noch bescheinigt worden, dass Sie diese Operation in einer Weise gemacht haben, die den Kommunen geschadet hat. Wir reparieren das. Lassen Sie es sein, zu behaupten, Sie seien eine kommunalfreundliche Regierung gewesen, Herr Kollege Laumann.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Römer, entschuldigen Sie bitte. Der von Ihnen angesprochene Kollege Laumann würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Norbert Römer (SPD): Ich würde jetzt gerne zu Ende reden.

(Lachen von der CDU)

Der Kollege Laumann kann sich selbstverständlich immer noch einmal zu Wort melden. Ich nehme an, er hat noch Redezeit zur Verfügung.

(Klaus Kaiser [CDU]: Ja, so ist er, der Herr Römer!)

Herr Kollege Laumann, dann will ich Ihnen einmal etwas zur Beamtenbesoldung sagen, weil Sie sich heute in die Furche schlagen wollen. Sie haben gerade noch einmal darauf hingewiesen, dass Sie nicht dafür eingetreten seien, eine 1:1-Übernahme des Tarifergebnisses für die Angestellten auf die Beamtinnen und Beamten vorzunehmen. In Ihrer Pressemitteilung vom 15. Mai 2013 haben Sie aber genau das gefordert, Herr Kollege Laumann. Sie kennen wohl Ihre eigenen Pressemitteilungen nicht. Es kann ja sein, dass ein anderer sie schreibt. Gucken Sie da noch einmal nach. Damals haben Sie in diesem Zusammenhang auch gesagt, die 1:1-Übernahme könne ja deshalb erfolgen, weil genügend Geld im Landeshaushalt dafür vorhanden sei. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen. Heute merken Sie offensichtlich, dass das eine Falschaussage war und überhaupt nicht stimmt, und trennen Sie sich jetzt davon, Herr Kollege Laumann. Auch das ist kein redlicher Umgang vor allen Dingen mit den Beamtinnen und Beamten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann will ich einen letzten Punkt aufgreifen. Sie wollten Ihre Kommunalfreundlichkeit am Beispiel der Entscheidungen über den Bundesrat deutlich machen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass in der Frage der Grundsicherung im Bundesrat so entschieden wurde, weil die Länder verlangt haben: Wir stimmen einer neuen Hartz?IV-Regelung nur unter der Bedingung zu, dass der Bund zukünftig die Kosten für die Grundsicherung trägt. Nur unter dieser Bedingung!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Laumann, Sie können uns nicht erzählen, das sei eine freiwillige Entscheidung dieser Bundesregierung gewesen.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Ihr habt das gefordert, was wir euch sowieso gegeben hätten!)

Jetzt nenne ich Ihnen den nächsten Punkt. Er betrifft die Übernahme der Kosten für die Integrationshilfe. Das war wiederum eine Bundesratsentscheidung. Im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt haben die Länder, vorneweg die von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geführten Länder, gesagt: Wir stimmen dem Fiskalpakt nur zu, wenn der Bund die Kosten für die Integrationshilfe übernimmt. – Das ist Ihnen also ebenfalls abgepresst worden. Es war keine freiwillige Leistung des Bundes.

Herr Kollege Laumann, lassen Sie es doch sein, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Das kriegen Sie beim besten Willen nicht gebacken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich füge unter dem Strich dazu: Ja, es war gut für die Menschen in Nordrhein-Westfalen und für die Menschen in Deutschland, dass hier in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2010 die Regierungsverantwortung auf SPD und Bündnis 90/Die Grünen übertragen worden ist. Damit ist vieles in Bewegung gekommen – auch über den Bundesrat.

Nun will ich Ihnen ein letztes Beispiel nennen, Herr Kollege Laumann, auf das diese rot-grüne Koalition auch ein bisschen stolz sein darf. Wir haben gegen Ihren erbitterten Widerstand – auch gegen den Widerstand der FDP; die zählt aber nicht mehr so viel – dafür gesorgt, dass die Studierenden in Nordrhein-Westfalen keine Gebühren mehr bezahlen müssen. Schauen Sie sich heute einmal in Deutschland um! Es gibt kein einziges Bundesland mehr mit Studiengebühren. Rot-Grün hat also dafür gesorgt, dass es hier in Nordrhein-Westfalen eine vernünftige Situation gegeben hat, die dann auf alle anderen übergeschwappt ist. Selbst Bayern ist uns gefolgt, Herr Kollege Laumann. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht der Fraktionsvorsitzende, Herr Kollege Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, Sie haben heute zu Beginn Ihrer Rede hier eine ganze Reihe von Daten und Fakten genannt, die nicht unter den Tisch fallen dürften. In der Tat ist Ihnen zuzustimmen, wenn Sie beispielsweise die sehr positive Arbeitsmarktentwicklung hier in Nordrhein-Westfalen herausstellen und die zahlreichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse nennen, die in Nordrhein-Westfalen neu geschaffen worden sind.

Frau Kraft, das, was die Ministerpräsidentin hier heute gesagt hat, steht aber in einem auffälligen Kontrast zu der Rhetorik der SPD-Wahlkämpferin Hannelore Kraft der letzten Wochen. Da sind Sie nämlich gerade in Sachen Arbeitsmarktpolitik durch die ganze Republik und auch durch das Land Nordrhein-Westfalen gezogen, Frau Kraft, und haben nicht von dem in der Tat beachtlichen Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gesprochen, sondern sich darauf konzentriert, ausschließlich den Zuwachs an angeblich nur prekärer Beschäftigung hervorzuheben.

(Beifall von der FDP)

Frau Kraft, wenn Sie sagen, die Opposition rede das Land schlecht, fällt dieser Vorwurf also auf Sie selbst zurück.

(Beifall von der FDP – Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist im Gespräch mit Mitgliedern und Mitarbeitern der Landesregierung.)

Im Übrigen, Frau Kraft, dass Sie krampfhaft versuchen, mich zu ignorieren,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Och!)

ist auch nicht ganz so souverän.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es ist einfach zu auffällig. Deshalb erlaube ich mir auch, das anzusprechen.

Der zweite Punkt, den ich aufgreifen will, betrifft die Haushaltspolitik in Nordrhein-Westfalen, Herr Römer. Auch Frau Kraft hat gesagt, die Opposition habe keinerlei Vorschläge gemacht.

Als Erstes wollen wir festhalten, dass die Regierung Kraft nach 2010 den eingeschlagenen Konsolidierungspfad der Vorgängerregierung verlassen hat. Hätte man die Vorstellungen von CDU und FDP bis heute weiterverfolgt, hätte das Land Nordrhein-Westfalen nach den damaligen Plänen im Jahre 2014 einen nahezu ausgeglichenen Haushalt erreichen können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn man die zusätzlichen Einnahmeentwicklungen betrachtet, beruft sich der Finanzminister auf die alten Zahlen, was das Land angeht, und auf die neuen Zahlen, was den Bund angeht. Legt man jedoch bei der damaligen schwarz-gelben mittelfristigen Finanzplanung die aktualisierten Einnahmezahlen zugrunde, könnte das Land viel weiter sein.

Insbesondere betreffend das Personal hatten wir seinerzeit eine pauschale Stellenabsetzung, und zwar mit dem Instrument „Personaleinsatzmanagement“. Der Saldo allein ist nicht interessant, weil beispielsweise 8.000 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen worden sind.

Beides haben Sie abgesetzt. Auch im aktuellen Haushaltsentwurf 2014 werden wiederum kw-Vermerke gestrichen. Jeder Praktiker weiß – Sie auch, Herr Finanzminister –: Zieht man einmal künftig-wegfallend-Vermerke aus dem Haushalt heraus, ist es umso schwerer, sie wieder hineinzubringen, weil die Stellen sofort neu besetzt werden, sodass notwendige Strukturveränderungen nicht erreicht werden.

Mit Blick auf die Tarifanpassung hatte ich eben ausgeführt: Wir haben schon in der damaligen Debatte nicht von Eins-zu-eins-Übertragung, aber von einer Verabredung mit den Beschäftigten gesprochen. Das wäre auch möglich gewesen. Ich sage für uns ganz offen: Mir ist ein schlankerer öffentlicher Bereich, eine schlankere Landesverwaltung, ein schlankerer Personalhaushalt, bei dem aber die Beschäftigten angemessen bezahlt werden, lieber als keinerlei Personalabbau mit frustrierten Landesbeamtinnen und ?beamten,

(Beifall von der FDP und der CDU)

weil sie sich zurückgesetzt fühlen. – Das wollen wir nicht.

Ein letzter Punkt: Es darf auch nicht vernachlässigt werden – das kann ich ganz kurz machen –, dass wir bei der Einnahmeentwicklung als Instrument nicht nur darauf zurückgreifen können, Steuern und Abgaben zu erhöhen, sondern wir haben auch wirtschaftliche Dynamik in Nordrhein-Westfalen zu entfachen. Die Landesregierung – insbesondere die Grünen – unternimmt alles, um neue Beschäftigungswirkung zu unterbinden. Ich hatte eben schon über newPark gesprochen. Das Klimaschutzgesetz, das, wie wir wissen, ökologisch unwirksam ist, ist nichts anderes als ein Fesselungsgesetz für Mittelstand und Industrie in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Lachen von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sie unternehmen alles, um positive Beschäftigungsdynamik zu reduzieren.

Herr Mostofizadeh, das, was ich gerade zum Klimaschutzgesetz gesagt habe, war nicht allein Haltung der FDP, sondern ist auch unverändert eine Position der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie. Sie einfach aus einem polemischen Impuls heraus vom Tisch zu wischen, würde der Sache nicht gerecht werden. Denn für die Ökologie, den Klimaschutz, wird nichts erreicht, weil jede Tonne zusätzlich eingespartes CO2 in Nordrhein-Westfalen anderswo ausgestoßen wird. Notwendige Entwicklungen und zusätzliche Flächen stehen nicht zur Verfügung, um in Nordrhein-Westfalen Arbeitsplätze und innovative Industrien anzusiedeln.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Also: Wenn Sie den Haushalt sanieren wollen, werden Sie nicht um eine wachstumsbetonte Wirtschaftspolitik umhinkommen. Wir als Liberale vertreten bis heute unverändert die Auffassung, dass nur das verteilt werden kann, was vorher erwirtschaftet wird. Das ist keine exklusive Erkenntnis der FDP, sondern schon Adam Riese würde uns empfehlen, so Politik zu machen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Herr Lindner eben um Aufmerksamkeit gebettelt hat, hat schon fast an Stalking gegrenzt. Sonst wäre ich auf Ihre Rede gar nicht eingegangen; aber das konnte ich mir nicht verkneifen.

Ich habe bei „Entfesselung“ nur deswegen so gelacht, Herr Kollege Lindner, weil in einem Ihrer Haushaltsanträge zu lesen war: Nur weil Kollege Lindner Mitglied des Landtags ist, wird die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens 5 Millionen € Steuereinnahmen mehr erbringen. – So viel zu Ihrer Kompetenz.

(Lachen von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Ich möchte auf das, was die Ministerpräsidentin vorgetragen hat, eingehen. Denn aus meiner Sicht hat sie absolut den Kern getroffen.

Sie haben 1,2 Milliarden € Mehrausgaben aufgelistet, und ich könnte noch reihenweise Positionen hinzufügen: 730 Millionen € beim Personal, 150 Mil-lionen € bei den Förderprogrammen, die Sie auch nicht gekürzt haben wollen, 300 Millionen € im Bereich Steuerpolitik des Bundes, die hinzukommen würden, 450 Millionen € durch Erhöhung der Grunderwerbsteuer, die wir eingeführt haben und wobei Sie nicht mitmachen wollen. Wenn wir dann noch Frau Merkel ernst nehmen – das wird man bei den Koalitionsverhandlungen, wenn es denn welche gibt, sehen –, würden die Wahlversprechen Nordrhein-Westfalen 2,8 Milliarden € kosten.

Ich komme zum Thema „Kommunalpolitik“, zu dem Kollege Laumann sehr ausführlich vorgetragen hat. Die Stadt Düsseldorf, die er als Beispiel genommen hat, wird durch das Einheitslastenabrechnungsgesetz allein in diesem Jahr um 79 Millionen € und bei den Kosten der Grundsicherung wohl um 40 Millionen € entlastet.

(Minister Ralf Jäger: 60 Millionen €!)

– 60 Millionen €. Danke schön, Herr Innenminister. – Bei der Solidaritätsumlage hat sie Kosten von ca. 30 Millionen €.

Wenn wir uns ansehen, was im Bereich der Kommunalfinanzierung passiert ist – ich will die Zahlen nicht wiederholen; sie sind eben vorgetragen worden –, dann geht es um einen ganz wichtigen Faktor: Von 144 Nothaushaltskommunen sind wir jetzt auf 29 heruntergekommen.

Weil der Kollege Laumann so viel von Solidarität spricht, möchte ich ein konkretes Beispiel anführen – vorhin wurde schon die Stadt Essen genannt –: In der Stadt Essen, die ja so „unheimlich reich“ ist und keine Finanzprobleme haben soll, schickt sich eine Gruppierung, die von CDU und FDP angeführt wird, an – in der CDU ist es Thomas Kufen, dort Fraktionsvorsitzender und Landtagskollege, in der FDP ist es Ralf Witzel, Landtagsabgeordneter und Parteivorsitzender in Essen –, dafür zu sorgen, dass die Messe Essen für 123 Millionen € ausgebaut wird. Wenn ich CDU und FDP heute allerdings richtig verstanden habe,

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

dann rufen der Kollege Witzel und der Kollege Kuper offensichtlich dazu auf, das Bürgerbegehren, das unter anderem die Grünen in Essen initiiert


haben, um den Messeausbau in der Größenordnung zu verhindern, zu unterstützen.

(Ralf Witzel [FDP]: Das Geld des Stärkungspakts ist doch da!)

– Herr Kollege Witzel, ich würde mich freuen, wenn wir beide heute Abend zusammen Unterschriften sammeln würden, um das hinzubekommen. In der Frage der Solidarität sind Sie nämlich doppelzüngig wie sonst etwas.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Was der Kollege Laumann zur Arbeitslosigkeit und zu den Langzeitarbeitslosen gesagt hat, möchte ich auch nicht unwidersprochen lassen. Sie beklagen die strukturelle Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen. Das ist ein Punkt, an dem wir tatsächlich arbeiten müssen; das würde niemand bestreiten. Wenn aber gleichzeitig die Bundesregierung die Mittel für Eingliederungsmaßnahmen um 41 % kürzt, von 6,6 Milliarden € in 2010 auf 3,9 Milliarden € in 2013, dann können Sie sehen, welche Verantwortung die CDU-geführte Bundesregierung für diesen Zustand hat. – Herr Laumann, da sollten Sie nacharbeiten.

Das Wichtigste hat die Ministerpräsidentin schon angesprochen: Sie haben die Haushaltszahlen genannt und was alles zu finanzieren ist, aber nicht einen einzigen Vorschlag unterbreitet – ich habe es mir extra herausgesucht –, wie man all das finanzieren soll. Wenn ich einen Strich darunter ziehe, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass die CDU, legt man den jetzigen Haushalt zugrunde, ein Finanzierungsproblem in einer Größenordnung von mindestens 2 Milliarden € hat. Die Neuverschuldung würde von 2,4 auf 4,4 Milliarden € ansteigen, setzte sich die CDU-Politik durch.

Jetzt komme ich – die kommunalpolitischen Sprecher werden gleich auch noch die Gelegenheit dazu haben – zum Thema „Solidaritätsumlage“, denn in der Debatte vorhin ist doch einiges massiv durcheinandergegangen.

Das Gemeindefinanzierungsgesetz ist in seiner Struktur und Herleitung seit Jahrzehnten, wenn man sich zwar nicht die Stellschrauben, aber die Logik dahinter ansieht, nahezu unverändert. Wenn dann der Fraktionsvorsitzende der CDU sagt: „Das GFG versteht niemand mehr, es kann keiner herleiten“, frage ich mich: Wo war Herr Laumann zwischen 2005 und 2010? Warum haben Sie es denn nicht geändert?

Ich kann Ihnen die Antwort geben: Weil diejenigen, die sich damit auskennen, in einer Kommission zusammengesessen und intensiv darüber beraten haben. Sie sind zu dem Ergebnis gelangt: Die Struktur ist vernünftig. Man kann sich über einzelne Stellschrauben unterhalten, aber das GFG ist alles andere als intransparent. Es ist ein vernünftiges Instrument, um zumindest ansatzweise die unterschiedlichen Lebensbedingungen in Nordrhein-Westfalen, und das sehr erfolgreich, auszugleichen. – Das ist nicht Sozialismus, sondern das ist seit Jahrzehnten gelebte Solidarität in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Die Systematik der Solidaritätsumlage – der Bürgermeister von Monheim hat es vorgetragen – funktioniert nach dem gleichen Modell. Natürlich wird ein fiktiver Bedarf angenommen, der sich aus sehr konkreten Regressionsmodellen ableitet. Es wird auch eine fiktive Einnahme angenommen. Denn eine Stadt wie Monheim mit 300 Punkten Gewerbesteuer ist eine Steueroase, wenn man gleichzeitig sieht, dass Kommunen in der Emscher-Lippe-Region, wie es Herr Laumann eben beklagt hat, 600 und mehr Punkte – bei der Grundsteuer bis zu 800 Punkte – ansetzen müssen. Natürlich ist es dann Aufgabe des Landes, ein Mittel dazwischenzuziehen, weil sonst die einen auf Kosten der anderen Steuerpolitik betreiben. Das wollen Grüne und Rote in diesem Land ausdrücklich nicht.

Ein Letztes, damit Sie es verstehen und zur Kenntnis nehmen: Die Solidarumlage bezieht erstmalig auch die stärkeren, also die sogenannten abundanten Kommunen, ein, und zwar nur die nachhaltig abundanten Kommunen. Wenn wir das nicht machen würden, wäre es ungefähr so, als wenn wir die Länder Bayern, Hessen, zeitweise Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Baden-Württemberg nicht in den Länderfinanzausgleich einbeziehen würden. Das tun wir nicht, sondern wir beziehen sie erstmalig ein und sagen: Wenn eine so große Aufgabe wie die Reparatur der notleidenden Kommunen, was unter anderem Schwarz-Gelb hinterlassen hat, mit einem Finanzvolumen von mehr als 6 Milliarden € in zehn Jahren ansteht, dann ist es nur recht und billig, wenn einige Kommunen das mitfinanzieren müssen. – Das zum einen.

Zum anderen will ich darauf hinweisen: Die Solidarpaktkommunen, die davon profitieren, müssen derzeit durch eine Befrachtung des GFG 115 Mi-lionen € mittragen. Wenn wir aus Landesmitteln Gelder umschichten würden, dann erkläre ich für die grüne Fraktion, dass wir zunächst bei denen anfangen, die es besonders nötig haben, und nicht bei jenen, deren Gewerbesteuereinnahmen sich gegenüber dem letzten Haushaltsjahr verzehnfacht haben. Dann würden wir zunächst die entlasten, die in den Stärkungspakt selbst fallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU-Fraktion hat überhaupt kein Bild gezeichnet, wie es haushaltspolitisch weitergehen soll. Sie hat rumgemäkelt, aber keine Vorschläge gemacht. Deswegen freue ich mich auf die Beratungen in den Ausschüssen; denn da muss noch eine ganze Menge kommen, um das zu hinterlegen, was Herr Laumann vorgetragen hat, um von den Milliarden herunterzukommen, die er vorgerechnet hat. Es geht um Haushaltsvorschläge in der Größenordnung von 2 Milliarden €. Wenn das nicht kommt, was ich leider befürchte, werden wir unsere Anträge zur zweiten Lesung vorschlagen.

Herr Finanzminister, wir können Ihnen und der gesamten Landesregierung bescheinigen: Der Haushalt hat sehr wohl Visionen. Er setzt das in Politik um, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Die Schwerpunkte sind Bildung, Kommunen, eine ökologische Entwicklung des Landes, soziale Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit mit der klaren Perspektive des Haushaltsausgleichs im Jahre 2020. Dafür werden wir uns in den Haushaltsberatungen einsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Schulz das Wort.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Raum und zu Hause am Stream! Die Frau Ministerpräsidentin ist gerade nicht anwesend, aber sie hat …

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nähert sich ihrem Platz.)

– Ach doch! Entschuldigung!

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Vielleicht nachher! Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sie übersehen zu haben.

(Zuruf)

– Nein, nein, soweit wollen wir nicht gehen.

Frau Ministerpräsidentin, Sie hatten eben am Anfang Ihrer Rede ausgeführt, dass Sie viel Negatives gehört hätten und es nur wenige Stellen gegeben habe, an denen zu hören gewesen sei, wo denn gekürzt werden müsse oder könne. Der Kollege Römer von der SPD hat die CDU gleichermaßen insofern getadelt …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Da war eigentlich keine Zeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Bitte?

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Keine Intervention in Ihre Rede, Herr Kollege. Es gab eine Rückfrage vonseiten der Landesregierung. Die habe ich beantwortet. Fühlen Sie sich bitte nicht gestört. Wenn Sie das so empfunden haben, täte es mir leid.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Okay, alles klar. Ich war etwas irritiert. Kein Problem, ich habe ja 20 Minuten Zeit. – Gleichzeitig hatte Kollege Römer die Opposition, die CDU, insofern getadelt, als er feststellte, dass kein Gegenentwurf zu dem uns vorgelegten Haushalt erstellt worden sei.

Ich bin der Auffassung, dass sich verantwortungsvolle Regierungspolitik in erster Linie dadurch auszeichnet, dass ein sauberer Entwurf vorgelegt wird, der natürlich in den Beratungen diskutiert werden muss, in denen dann die Opposition ihre Vorstellungen mit einbringt.

(Beifall von den PIRATEN)

Fakt ist jedenfalls, dass das Land Nordrhein-Westfalen in 2014 neue Schulden macht. Geplant sind 2,4 Milliarden €.

Gespart wird auch. Zum ersten Mal seit Amtsantritt plant der Finanzminister einen nennenswerten Stellenabbau, auf den ich noch zurückkommen werde.

Der Haushalt bietet aus Sicht der Landesregierung – so hört man – die besten Argumente dafür, dass bei den Beamten gespart werden muss. Oppositionspolitiker sind sich einig, dass dem nicht so sein muss. Allerdings ist der Personalanteil am Haushalt mit über 40 % mal wieder so groß, dass ohne Einsparungen an dieser Stelle wahrscheinlich niemals ein ausgeglichener Etat erreicht werden kann. Der Herr Finanzminister wird auch nicht müde, das zu wiederholen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Sie machen die CDU noch mit!)

– Ich mache nicht die CDU mit, ich mache die Opposition mit, lieber Kollege Körfges. Das werden Sie aber noch merken, wenn wir nämlich zu den Punkten kommen, die für uns von der Piraten-Partei ganz wesentlich sind.

Von einem ausgeglichenen Haushalt kann also wie auch immer trotz Personalabbau in NRW nicht die Rede sein. Das ist auch nicht absehbar.

Anders als zunächst geplant – da beziehe ich mich zum Beispiel auf einen Aspekt, warum mir der Haushalt, ehrlich gesagt, ein bisschen spanisch erscheint –, kommen nicht einmal die 900 Millionen € für die WestLB-Altlastenbeseitigung dazu. Abschreibungen für faule Wertpapiere werden laut Finanzminister erst in späteren Jahren fällig. Nur deshalb kann überhaupt von einem Schuldenabbau in der mittelfristigen Finanzplanung ausgegangen werden, wobei man ganz klar erkennen muss: Schuldenabbau ist das auch nicht; es ist eine Reduzierung der Neuverschuldung. Denn während die 900 Millionen € in der Finanzplanung, über die wir beim letzten Haushalt mitdebattiert haben, noch enthalten waren, sind sie jetzt draußen.

Der Landeshaushalt 2013 wies eine Neuverschuldung von 3,3 Milliarden € aus. Jetzt liegen wir um genau diese 900 Millionen € darunter.

Allerdings nimmt das Land auch deutlich mehr Geld ein. Das wurde hier schon mehrfach festgestellt. Es gibt Steuereinnahmen in Höhe von 47 Milliarden €, wie es auch in der mittelfristigen Finanzplanung ausgewiesen ist. Das sind 2,2 Milliarden € mehr als in 2013. Letztendlich ist das immer noch zu wenig, um die Lasten, die auf dem Land Nordrhein-Westfalen ruhen, auszugleichen.

Der Haushalt umfasst Ausgaben in Rekordhöhe von 62,3 Milliarden €. Das wird sich laut Planung auch in den nächsten Jahren nicht wesentlich verändern, aber jedenfalls nach oben. Gleichwohl wissen wir noch gar nicht, wie sich die Einnahmenseite und vor allen Dingen auch die Zinslast entwickeln. Derzeit sind die Zinsen niedrig, möglicherweise – das ist auch so prognostiziert – steigen sie aber. Auch da – das habe ich schon in anderen Reden betont – sehen wir ein wenig in die Glaskugel und hoffen, dass nichts passiert. Das ist einfach so.

Manche Dinge kann man gar nicht berücksichtigen. Das haben wir in den letzten Jahren – insbesondere seit 2008 – bemerkt. Sie haben dazu geführt, dass weltweit finanzielle Schieflagen von Staaten und Banken zu verspüren sind. Wir sehen in Griechenland eine enorme Verschuldung des Staates, die mittlerweile auf die kleinsten Teile der Bevölkerung durchschlägt. Wir sehen, dass Rettungsschirme gespannt werden, von denen 87 % in Kapital und Vermögen fließen und weniger denen zugutekommen, für die sie eigentlich gedacht sind. Das alles geschieht unter dem Gesichtspunkt, dass wir, was den Euro angeht, einigermaßen ruhig leben können. Soweit, so gut.

Mehr Geld muss das Land natürlich auch ausgeben, unter anderem für Studienplätze. Doppelte Abiturjahrgänge sind zu bewältigen. Wir haben bereits jetzt höhere Zuwendungen an die Kommunen im Gemeindefinanzierungsgesetz verbucht. Die rot-grünen Politikprojekte – U3-Ausbau, Stärkungspakt Stadtfinanzen und Kinderbildungsgesetz – machen ein Übriges aus.

1,3 Milliarden € an Investitionen sind durchaus auch in die Zukunft gedacht. Das sehen wir als Piraten-Fraktion durchaus. Allerdings müssen wir jede Zukunftsinvestition auch unter dem Blickwinkel sehen, dass damit eine Verschuldung verbunden ist, sodass im Prinzip – ungeachtet der Tatsache, dass in diese investiert wird – das Problem der Schulden auf spätere Generationen verlagert wird. Die Schulden machen wir jetzt, und irgendwann sollen sie die anderen – nämlich die, in die investiert wird – zurückzahlen. Das kann man tun. Wir halten es nicht für besonders sinnvoll – vor allen Dingen nicht unter Berücksichtigung sozialstaatlicher Aspekte.

Es wurde gesagt, die Opposition mache keine Vorschläge zu Einsparungen. Sie selbst, Herr Finanzminister, haben im Haushaltsentwurf auch Einsparungen auf alle Ressorts verteilt vorgesehen. Wir sprechen da von globalen Minderausgaben, von denen noch nicht so ganz klar ist, welche Ressorts in welcher Höhe zur Ader gelassen werden sollen. Gespart wird – zumindest aus meiner Sicht – nach einer Art Opportunitätsprinzip in der Weise, dass die Einsparungen dem Zweck dienen, mittelfristig, was die mittelfristige Finanzplanung des Haushalts angeht, schöngefärbt reden zu können.

Unklar ist zudem, wie viel Geld strukturell – das ist das eigentliche Kernproblem –, also dauerhaft, aus dem Etat gestrichen werden kann. Strukturelle Einsparungen sehen wir jedenfalls im aktuell vorliegenden Haushaltsplan für 2014, wenn überhaupt, nur marginal.

Genau das ist das Problem, weshalb die Landesregierung schon im Wahlkampf letztes Jahr verkündet hat: Wir setzen ein Effizienzteam ein, welches durch exorbitant gute Expertise dafür sorgen und uns die Beratung an die Hand geben wird, wie wir strukturell sparen können. Bisher sind davon, und zwar im letzten Haushalt, 150 Millionen € geschafft. Bis 2017 soll 1 Milliarde € zusammenkommen.

Ich frage mich ernsthaft – angesichts des Haushalts 2014; und ausgehend von diesem Punkt reden wir von drei weiteren Jahren –: Wo soll unter Berücksichtigung der bisherigen Einsparungen die strukturelle Einsparung von bis zu 1 Milliarde € bis 2017 herkommen? Wir wissen es nicht.

Vielleicht wissen es diejenigen, die am Effizienzteam beteiligt sind oder die vonseiten der Regierungskoalition im Effizienzteam sitzen. Leider Gottes gehören viele Dinge – wie Sie selbst ausgeführt hatten – zum Kernbereich des Regierungshandelns, und daran haben die übrigen Parteien nicht teilzunehmen. Das bedauern wir sehr, auch unter Berücksichtigung von Transparenzgedanken. Denn immerhin fließen in dieses Effizienzteam auch – wenn auch nicht in irrwitzig hoher Summe – Steuergelder.

Beteiligen Sie alle Parteien an den Fragestellungen, wie im Land Nordrhein-Westfalen effizient strukturelle Veränderungen so vorgenommen werden können, dass sie letztendlich dazu führen, dass auch – das ist Ihr Diktum – die Schuldenbremse bis 2020 eingehalten werden kann. Wir sehen das momentan nicht. Wir sehen jedoch auch die Verpflichtung, die nun einmal im Grundgesetz steht, die wir nicht wegdiskutieren können. Hier haben wir ein ernsthaftes Problem.

Stellenstreichungen als Sparmaßnahme – das wurde hier schon mehrfach erwähnt. Es wurden auch verschiedene Zahlen genannt; ein Stellenminus von 305 wurde angesprochen. In Wahrheit ist das jedoch keine Einsparung. Denn – das muss man wissen – dieselbe Landesregierung hat seit 2010 2.000 neue Stellen geschaffen. Diese Stellen werden jetzt wieder teilweise abgebaut, und unterm Strich ergibt sich daraus ein Nullsummenspiel. Einsparungen negativ.

Und der Demografiegewinn wird auch nicht gehoben. Frau Ministerpräsidentin hatte vorhin angesprochen, dass Lehrer im System bleiben, um die Inklusion zu bewerkstelligen, obwohl sie aufgrund verringerter Schülerzahlen nicht mehr benötigt würden. Auf diesen Punkt gehe ich später noch ein.

570 zusätzliche Stellen in der Landesverwaltung entstehen: unter anderem bei den Finanzämtern – das wird sicherlich gut sein, wenn sie der Prüfung zugutekommen –, der Justiz, der Atomaufsicht und beim Materialprüfungsamt. Herr Finanzminister nennt seinen Haushalt ausgewogen und sagt, es werde nicht nur gespart, sondern auch – das ist richtig – in Bildung, Kommunen und Betreuung investiert. Investitionen – das haben wir gehört – gehen jedoch auch da oftmals in Bereiche von Beihilfe und Versorgung von Beamten.

Damit ist der Haushalt verfassungskonform, so heißt es. Wir von der Opposition sagen zwar: Na ja, wenn es auf Kosten der Beamten geht, muss man überprüfen, ob es überhaupt verfassungskonform ist, und zwar unabhängig von der Frage, wie gegebenenfalls eine Anpassung an den Tarif des öffentlichen Dienstes durchgeführt werden soll. Das ist eine Debatte, die hier bereits geführt wurde. Sie wird sicherlich auch in Zukunft noch einmal Thema im Landtag werden, falls der Verfassungsgerichtshof in Münster zu der Auffassung gelangt, dass die Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Anpassung der Beamtenbesoldung verfassungswidrig war.

Herr Finanzminister, Sie behaupten, auf einem guten Weg zu sein, im Jahr 2020 die Schuldenbremse einzuhalten. Ich darf Sie an dieser Stelle mit Erlaubnis des Präsidiums zitieren:

„Mit unserem klaren Kurs werden wir das Ziel der Schuldenbremse bis 2020 erreichen und gleichzeitig weiterhin in Bildung, Betreuung, Infrastruktur und die Handlungsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden investieren.“

Das Zitat, Herr Minister, behauptet zweierlei, nämlich einmal, dass die Landesregierung weiterhin in bestimmte Bereiche investiert, und zum Zweiten, dass 2020 die Schuldenbremse eingehalten wird.

Beides suggeriert aus unserer Sicht die Unwahrheit. Das sagen zum Beispiel auch Minister Groschek und nicht zuletzt der Landesrechnungshof.

Zunächst einmal zu der Behauptung, dass das Land in bestimmte Bereiche investiert. Ich stelle vorab fest: Sie haben Ihre Worte sehr genau gewählt, Herr Finanzminister. Natürlich wird vom Land weiterhin investiert. Die Ausgaben für Bildung, Infrastruktur, Kommunales sind nicht null. Insofern wird tatsächlich weiterhin investiert. Ihre Behauptung erzeugt jedoch den Eindruck, als würde damit das Land nach vorn gebracht. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die Investitionen des Landes in Infrastruktur sind zu gering, um allein die bestehende Infrastruktur in ihrer bestehenden Qualität auch nur zu erhalten – von den Mankos, von denen wir heute auch schon gehört haben, einmal ganz zu schweigen.

Allein Verkehrsminister Groschek, immerhin ein Mitglied Ihres Kabinetts, beruft sich keine 14 Tage nach Anfang September anlässlich einer Pressemitteilung auf die von ihm eingesetzte ÖPNV-Zukunftskommission, die festgestellt hat – insofern zitiere ich den Herrn Minister –,

„dass allein für den Erhalt der Infrastruktur der nordrhein-westfälischen U- und Straßenbahnsysteme ein zusätzlicher Bedarf in Höhe von 1,1 Milliarden Euro bis 2016 (…) besteht.“

Entweder wird das von der Landesregierung einfach ignoriert oder aber die mittelfristige Finanzplanung ist schon heute allein aufgrund dieses Umstands und aufgrund dessen, was wir heute gehört haben, dass in Infrastruktur investiert werde, falsch und in Schieflage.

Auch im Bildungsbereich sieht es nicht gut aus. In den Bildungsbereich gehört vor allen Dingen Inklusion von Schülern mit besonderem Förderbedarf in den Unterricht an den Regelschulen. Der zurzeit vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung sieht keinerlei Beteiligung des Landes an den dadurch verursachten Kosten vor, sieht man einmal davon ab, dass Lehrerstellen weiterhin bestehen bleiben, das heißt: bezahlt werden. Auch hier gilt: Es wird vom Land nicht investiert.

Insgesamt sieht die Piratenfraktion die Gefahr, dass durch zu geringe Investitionen in diesem Bereich das Vermögen des Landes sinkt. Frau Ministerpräsidentin sprach eben auch davon, dass solche Investitionen als Investitionen in die Renditefähigkeit unseres Landes, unserer Bevölkerung für die Zukunft gedacht sind. – Sie wird zunächst nicht erfolgen; die entsprechenden Investitionen fallen aus.

Damit gerät ein wesentliches Ziel der Schuldenbremse in Gefahr, nämlich weniger Lasten auf künftige Generationen zu verschieben. Denn wir brauchen weiterhin eine höhere Verschuldung des Landes, um all diese Investitionen, die angekündigt sind, überhaupt umzusetzen.

Und ganz ehrlich: Wenn ich mir anschaue, was im Rahmen des Bundestagswahlkampfes von der SPD und den Grünen so verkündet worden ist, dann stelle ich fest, dass ich von der Umsetzung dessen, was auf Bundesebene gefordert worden ist – heruntergebrochen auf das Land Nordrhein-Westfalen –, heute an keiner Stelle etwas gehört habe.

Ist denn niemand mutig genug, zu sagen: „So und so muss es laufen“? Das gilt auch in Anbetracht der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen, mit wem auch immer. Aber nichts dergleichen! Von einer Verbreiterung der Einnahmensituation ist heute überhaupt nicht die Rede gewesen; und das wundert mich doch sehr.

Ich möchte noch einmal auf das Thema „Schuldenbremse“ eingehen. Die Schuldenbremse ist so etwas wie das Damoklesschwert über den Investitionen in die Zukunft. Sie spielt eine große Rolle bei der Ausgeglichenheit des Haushalts in der Verschuldungssituation des Landes Nordrhein-Westfalen. Entsprechend hat sich der Landesrechnungshof kürzlich geäußert. In seinem jüngsten Jahresbericht – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidiums – heißt es auf Seite 193:

„Dem von der Landesregierung aufgezeigten Verlauf der Nettoneuverschuldung im Finanzplanungszeitraum ist eine zielorientierte Rückführung der Nettoneuverschuldung bis auf null im Jahre 2020 nicht zu entnehmen.“

Ich glaube, mehr braucht man dazu gar nicht zu sagen. Dieses Zeugnis über die mittelfristige Finanzplanung – nicht nur der letzten Haushaltsberatung, sondern auch der aktuellen, die ja immer um ein Jahr fortgeschrieben wird – deutet wirklich nicht darauf hin, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen auf einen grünen Zweig kommen.

Wir werden im Rahmen der Einzelberatungen in den Ausschüssen sicherlich noch sehr viele und intensive Diskussionen darüber führen, wie man es schaffen kann, den Spagat zwischen Investitionen in die Zukunft und der Schuldenbremse einzuhalten.

Dabei habe ich noch gar nicht berücksichtigt, dass das Land Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu anderen Bundesländern noch weit davon entfernt ist, überhaupt an Schuldentilgung zu denken. Auch davon hat noch keiner gesprochen. Auch das ist offenbar ein Problem, das in die zukünftigen Generationen – jedenfalls deutlich in die Zeit nach der laufenden Legislaturperiode – verlagert werden soll, in der Hoffnung, dass die Einnahmen steigen.

Steigen werden die Einnahmen aber sicherlich nicht. Konjunkturell sieht es da eher schlecht aus; denn die Prognosen im Hinblick auf die Konjunktur werden nicht so gut bleiben. Das gilt aus unserer Sicht auch für die Steuereinnahmen, so wie sie in der mittelfristigen Finanzplanung ausgewiesen sind, vor allen Dingen wenn man das Verhältnis der Schulden auf der einen Seite und der Zinsbelastung und der Steuereinnahmen auf der anderen Seite betrachtet. Wenn im Bund – da bin ich wieder beim Bund – nichts passiert, wird daraus ganz einfach auch nichts.

Die Bereiche Bildungs- und Schulpolitik sowie Inklusion sind bereits angesprochen worden.

Zum Bereich Hochschule, Wissenschaft und Forschung hat sich mein Fraktionsvorsitzender Dr. Paul bereits geäußert. Das Problem der Unterfinanzierung der Hochschulen – nach dem Expertenvotum in Höhe von 800 Millionen € – ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Wenn wir also von Investitionen in die Zukunft reden wollen, müssen wir uns auch diesem Thema zuwenden. Hierzu habe ich heute auch nichts gehört.

Der Bereich Busse und Bahnen wurde ebenfalls bereits angesprochen. Ja, die Verkehrsinfrastruktur benötigt auch wesentliche Investitionen in die Zukunft; unter Berücksichtigung knapper bzw. sich vermindernder Ressourcen müssen wir selbstverständlich auch daran denken. Betrachten wir in diesem Zusammenhang einmal die Qualität und die Preise: Selbst der Kraftstoff E10 kostet mittlerweile 1,50 € pro Liter. Ein VRR-Einzelticket durch das gesamte Ruhrgebiet kostet 12,50 €.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Wenn man dieses Verhältnis betrachtet, dann muss man sagen: Wenn der Pendler weiterhin bei Verringerung des Ausbaus der Infrastruktur im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs lieber eine Portion Stau hinnimmt – insofern, als es an der Investition in die Infrastruktur der Straßen und der Brücken fehlt –, dann steuern wir ganz sicher auf einen Verkehrsinfarkt in Nordrhein-Westfalen hin. Das erleben wir jetzt schon fast täglich, wenn wir durch das Ruhrgebiet fahren. Dass der Personennahverkehr auch auf der Schiene nun einmal ganz deutlich leidet, bleibt dabei nicht außen vor.

Wir werden in den Haushaltsberatungen im Detail verdeutlichen, wo aus den bestehenden Einnahmen sinnvolle Investitionen getätigt werden können oder wie aus möglichen Umverteilungen in bestimmten Bereichen des Haushaltes auch vernünftige Dinge gemacht werden können.

Wir denken da zum Beispiel an den Klimaschutz und die damit verbundene Konnexität. Auch hierzu habe ich heute, ehrlich gesagt, wenig gehört. Die Landesregierung hat immerhin jüngst ein Klimaschutzgesetz mit gesetzlichen Klimaschutzzielen beschlossen. Dafür liegt keine Kostenfolgeabschätzung vor. Das muss man sich einmal vorstellen! Es werden Projekte geschaffen, die letztlich keine Finanzierungsidee als Grundlage haben. Es sind Pilotprojekte, die schön aussehen und sich gut anhören, aber letztlich nichts bringen.

Stichwort „Transparenz“: Wir brauchen nur einen Blick nach Hamm-Uentrop zu werfen: Auch hier sind wir noch dran. Da heißt es in der Koalitionsvereinbarung: Wir wollen dafür Sorge tragen, dass diese Kosten den Betreibern angelastet werden. – Auch davon sehen wir momentan nichts. Eine dritte Ergänzungsvereinbarung hängt in der Luft. Wir wissen nicht, welche Kosten auf das Land Nordrhein-Westfalen zukommen. Auch da gibt es sehr viele Unwägbarkeiten.

Bevor ich zu einem Fazit komme, muss ich noch den Bereich des sozialen Wohnungsbaus ansprechen. Da liegen wir deutlich unter dem, was möglich und vor allem nötig ist. Dieses Thema wird das Land Nordrhein-Westfalen in Zukunft auch noch beschäftigen müssen. Das heißt: Wir brauchen jede Anstrengung, guten, gesunden und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das bildet der Haushaltsentwurf 2014 ebenfalls nicht ab.

Ich fasse zusammen: Die Investitionen, die das Land tätigt, reichen nicht einmal zum Erhalt der bestehenden Infrastruktur aus. Dennoch ist eine zielorientierte Rückführung der Nettoneuverschuldung im Jahre 2020 nicht zu erkennen. Dabei werden Unwägbarkeiten nicht berücksichtigt.

In der mittelfristigen Finanzplanung werden große Ausgabenpositionen nicht oder nicht mehr beziffert, allein weil der Zeitpunkt der Ausgabe nicht sicher ist, wodurch die Landesfinanzplanung weiterhin ein Wagnis bleibt. Die Landesregierung ist weit davon entfernt …

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Schulz, die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ich bin fertig. Wir sind bei null.

Vizepräsident Daniel Düngel: Ja, eben.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Noch fünf Sekunden.

Die Landesregierung ist weit davon entfernt, den von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, zu Beginn der Legislaturperiode ausgerufenen Dreiklang zu verwirklichen. Wir stehen bereit, diesen Missklang, der nach wie vor existiert, zu einem – ich sage mal – Gleichklang oder Dreiklang zu machen. Dafür bieten wir uns als Piratenfraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen an. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Schulz. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal der Finanzminister, Herr Dr. Walter-Borjans, zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über einen Debattenverlauf bei der Einbringung des Landeshaushaltes, der sich im Wesentlichen darauf beschränkt, dass dem Finanzminister vorgeworfen wird, nicht genügend Ausgaben im Haushalt zu haben, muss man sich nicht wirklich grämen. Deswegen nur ein paar Anmerkungen zu einigen Aussagen, die richtiggestellt werden müssen und die vor allen Dingen hier von Herrn Laumann ausgesprochen worden sind.

Zum Thema Grundsicherung im Alter: eine wunderschöne Leistung der Bundesregierung. Ich war einer von vier Landesministern – zwei schwarzen, zwei roten –, die dem Bundesfinanzminister eben diese Zusage abgerungen haben. Wir haben nicht etwa ein Geschenk der Bundesregierung entgegengenommen. Bezahlt hat es der Bundesfinanzminister mit einen halben Mehrwertsteuerpunkt, den er der Bundesagentur für Arbeit abgenommen hat. Jeder weiß, dass Mehrwertsteuereinnahmen halb dem Bund und halb den Ländern gehören.

Zweiter Punkt: Eingliederungshilfe. Schön, dass Sie das in Ihrem Regierungsprogramm stehen haben. Nur, das war schon im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt verabredet, aber die Bundesregierung hat es nicht umgesetzt. Hoffen wir jetzt einmal darauf, dass mit dem Regierungsprogramm alles anders wird und man sich auf einmal an Versprechen und Zusagen hält. Wenn es so ist, dass Sie einen so großen Einfluss auf die CDU und CSU im Bund haben, dann sorgen Sie dafür, dass die Schulsozialarbeit bezahlt wird, und kommen Sie wenigstens bei diesem Thema ein Stück weiter!

Zum Schluss noch zu newPark: Wer hier konstruieren will, dass das eine politische Auseinandersetzung gewesen sei, der muss sich zuerst einmal fragen, wo denn die Großansiedlung ist, die jetzt nicht stattfinden kann. – Unter anderen bin ich dazwischen gegrätscht, und zwar deshalb, weil es hier um eine hundertprozentige Bürgschaft gehen sollte. Es ging nicht darum, ein Industrieprojekt zu verhindern – aber es kann nicht sein, dass von der Landesregierung verlangt wird, dass nur sie und sonst niemand Verantwortung trägt. Wenn eine solche hundertprozentige Bürgschaft schiefginge – die Untersuchungen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist –, würde ich Sie erleben mögen, was Sie dann zu einem solchen Ausfall sagen würden, wenn wir zu 100 % bürgen müssten. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Weitere Zurufe)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Walter-Borjans. – Ich teile formell mit, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 50 Sekunden überzogen hat. Die Piraten haben davor ihre Redezeit auch schon überzogen. Die restlichen Fraktionen hätten jetzt noch einmal Gelegenheit zu einer kurzen Stellungnahme. Ich sehe aber niemanden losstürmen. Deshalb schließe ich an dieser Stelle die Beratung.

Wir kommen dann zur Vorstellung des GFG-Gesetzentwurfs. Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort. Bitte schön.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum sollte man das Erdgeschoss eines Hauses verkommen lassen, nur um das Obergeschoss neu herzurichten? Man muss kein Architekt sein, um festzustellen, dass es dafür keinerlei Gründe gibt. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Trotzdem hat es die schwarz-gelbe Landesregierung fünf Jahre lang so getan. Sie hat es sich in der Spitze gemütlich gemacht, sich schön eingerichtet, und die aufwendigen Sanierungen durften die Kommunen bezahlen.

Was die damalige Regierung anscheinend nicht bedacht, vielleicht sogar ignoriert hat, ist die Tatsache, dass das schönste Haus nichts nutzt, wenn das Fundament spröde wird, wenn es Risse bekommt. Ohne Fundament fällt jedes Haus in sich zusammen.

Diese Risse, die sich in den fünf Jahren gebildet haben, waren sehr tief und traten an vielen Stellen auf. Ich will nur zitieren: unfaire Befrachtungen, rechtswidrige Einheitslasten, Streichung der Beteiligung der Kommunen an der Grunderwerbsteuer, zusätzliche Aufgaben ohne auskömmliche Gegenfinanzierung – Stichwort: Umwelt- und Versorgungsverwaltung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben die Notwendigkeit erkannt, diese Risse zu reparieren. Wir haben das angepackt. Wir haben mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen viel Geld in die Hand genommen, um unsere Kommunen schnell zu entlasten und ihnen die notwendige Luft zum Atmen zu geben. Gleichzeitig haben wir dafür gesorgt, dass sie sich langfristig erholen können, und das vor dem Hintergrund, dass das Land Nordrhein-Westfalen selbst haushaltstechnisch nicht auf Rosen gebettet ist. Wir haben das aber getan, weil wir wissen, wie wichtig die Kommunen und eine gesunde kommunale Finanzstruktur für das Wohl unseres Landes sind.

Wir haben den Finanzausgleich mit einem Etikett versehen. Dieses Etikett lautet „Fair geht vor“. Das haben wir auch umgesetzt, meine Damen und Herren.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie waren noch nie fair!)

Herr Hovenjürgen, wir haben 2,5 Milliarden € an zusätzlichen strukturellen Mittel gegeben. Wir haben den Kommunen ihren Anteil an der Grunderwerbsteuer zurückgegeben. Wir haben die Steuereinnahmen fair in der kommunalen Familie verteilt. An dieser Richtung wird sich auch zukünftig nichts ändern.

Im Übrigen: Das GFG 2014 wird vermutlich schätzungsweise eine Ausgleichsmasse von insgesamt 9,3 Milliarden € haben. Das ist ein neuer Rekord für dieses Land und die höchste Ausgleichsmasse aller Zeiten.

Da, wo die schwarz-gelbe Landesregierung fünf Jahre lang weggeschaut hat, haben wir hingeschaut und gehandelt. Wir haben die Grunddaten auf einen aktuellen und verlässlichen Stand gebracht. Wegschauen – das war Ihr Motto. Hinschauen und Handeln – das ist unser Leitmotiv. Das tun wir übrigens auch beim Zensus. Wir werden diesen in den Demografiefaktor einbauen und annehmbar und verträglich entwickeln. Die erste Modellrechnung dazu kennen Sie bereits, meine Damen und Herren. Die zweite werden wir vermutlich im Oktober veröffentlichen können. Das ist wichtig, damit die Kommunen die Chance haben, frühzeitig und verlässlich zu planen.

Mir ist noch eines wichtig: Diese Landesregierung sucht den Dialog, und zwar nicht nur mit den Fraktionen des Landtages, sondern vor allem auch mit den Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden. Ich glaube, seit 2010 hat sich insoweit ein Verhältnis des Vertrauens aufbauen können. Wir binden die Kommunen früh in unsere Überlegungen ein. Das wird auch – das können Sie den Stellungnahmen zum GFG 2014 entnehmen – von den kommunalen Spitzenverbänden außerordentlich begrüßt.

Das gemeinsame Vorgehen mit den Kommunen gilt auch bei der Umsetzung des sogenannten FiFo-Gutachtens. So, wie wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden die Fragen an das FiFo-Institut entwickelt haben, so werden wir auch die Antworten aus diesem Gutachten gemeinsam erörtern und umsetzen. Ich denke, die Chance ist da, vieles von diesem FiFo-Gutachten im Konsens mit den Kommunen umzusetzen. Dabei war es eine Entscheidung der Vernunft, uns die notwendige Zeit zu lassen, um diesen Prozess der Erörterung für das GFG 2015 vorzusehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist noch ein weiterer wichtiger Kompromiss gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden gelungen. Wir haben eine Regelung zu den Einheitslasten, die nicht nur fair ist, sondern auch verfassungsgemäß ist. Beides ist der alten schwarz-gelben Regierung nicht gelungen, sodass wir hier handeln mussten.

Ich glaube, wir haben eine Lösung gefunden, die die Kommunen schnell entlastet. Für den Zeitraum 2007 bis 2011 erhalten die Kommunen in Nordrhein-Westfalen 275 Millionen € zurück. Es bleibt bei unserer Zusage, dass bereits gewährte Zahlungen der Jahre 2007 und 2008 von uns nicht zurückgefordert werden. Ich glaube, diese Einigung, dieser Konsens mit den kommunalen Spitzenverbänden bringt allen ein Stück Rechtssicherheit. Das jetzige Modell ist gerecht. Mit dem können die Kommunen auch in Zukunft solide planen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um auf das Eingangsbild zurückzukommen: Ich glaube, dass das Land Nordrhein-Westfalen mit seinen Kommunen ein großes, ein modernes, ein schönes Haus darstellt. Damit das so bleibt, brauchen wir ein stabiles Fundament. Dieses stabile Fundament ist eine auskömmliche Ausstattung mit Finanzmitteln für die 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Diesem Anspruch genügen wir mit dem Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2014. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Für die CDU-Fraktion spricht die Kollegin Scharrenbach.

Ina Scharrenbach (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Jäger, wenn Sie ein stabiles Fundament bauen wollen, dann müssen Sie natürlich auch den Betonmischer anwerfen. Das haben Sie aber mit diesem GFG nicht getan. Denn das, was Sie hier abfeiern, ist ein Ergebnis einer bundesdeutschen Wirtschaftsleistung der Menschen in Deutschland. Nordrhein-Westfalen bleibt dahinter deutlich zurück. Das haben wir ja nun im Laufe des Morgens zur Genüge gehört.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wenn Sie schon den Blick zurückwerfen, dann sollten Sie auch noch ein bisschen weiter in die Historie zurückgehen. Denn eigentlich haben die finanziellen Strukturprobleme der Kommunen angefangen mit dem Absenken der Verbundquote im Jahr 1984/85. Das ist etwas, was Sie sich auf die Fahnen schreiben müssen. Sie haben es bis jetzt nicht geschafft, diese Verbundquote zu erhöhen.

(Zuruf von Minister Ralf Jäger – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Das GFG, über das wir hier heute sprechen, mit knapp 9,4 Milliarden € im Kommunalwahljahr, 722 Millionen € mehr als im GFG 2013, vermag dieses stabile Fundament auf die Dauer eben nicht zu schaffen, weil absehbar ist, dass es auf die Dauer nicht trägt.

Die NRW-Kommunen sind als Patienten inzwischen auf der Intensivstation gelandet. Wir haben ein multiprofessionelles Team aus einem Minister, aus SPD und Grünen, das einen Medikamentencocktail angerührt hat. Den muss man sich schon einmal zu Gemüte führen. Wir haben ein Stärkungspaktgesetz, das dem Grunde nach nur temporär wirken wird, weil Sie eben auf der Aufgabenseite der Kommunen nicht ansetzen. Sie werden eine Soli-darumlage einführen, die die kommunale Familie spaltet. Wir diskutieren immer noch über die Anerkennung der Konnexität im Rahmen des 5. Schul-rechtsänderungsgesetzes. Auch da ist auf Ihrer Seite keine Bewegung zu verspüren. Die Umsetzung der schulischen Inklusion steht und fällt mit der finanziellen Beteiligung des Landes. Auch da ist wenig Bewegung zu sehen, auch nicht im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes.

Jetzt setzen Sie mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 noch eine vermeintliche Beruhigungspille drauf. Bei diesem ganzen Medikamentencocktail gilt: Der Beipackzettel ist genau zu lesen. Denn dort finden wir die Risiken und Nebenwirkungen dieses Gemeindefinanzierungsgesetzes.

Sie schreiben selbst im Zusammenhang mit den Gewerbesteuern, dass die Einzahlungen aus den Gewerbesteuern 2012 kaum gestiegen sind in Nordrhein-Westfalen, das heißt bei den nordrhein-westfälischen Gemeinden, und das trotz einer flächendeckenden Gewerbesteuererhöhungspolitik, die wir hier seit Jahren erleben und die eine direkte Folge Ihrer Gemeindefinanzpolitik ist, Herr Minister Jäger.

Selbst das FiFo-Gutachten, das Sie ja selbst in Auftrag gegeben haben, schreibt Ihnen in das Stammbuch: NRW ist ein Hochsteuerland. – Weiter können wir dort lesen: „Hier setzen die hohen Hebesätze bei der Gewerbesteuer die Städte und Gemeinden deutlich ins Hintertreffen gegenüber Standorten in anderen Bundesländern.“

Das ist das Ergebnis dieser Steuererhöhungspolitik, die Sie ja nun auf anderen Ebenen auch fordern. Steuererhöhungen sind immer, Herr Minister Jäger, liebe Kollegen der SPD und der Grünen, ein süßes Gift. Sie sind süß, weil Sie schnelles Geld versprechen, aber Gift – das wiederhole ich gerne noch einmal, auch weil das FiFo Ihnen das schreibt –, weil diese Steuererhöhungen zu Standortnachteilen unserer Kommunen im Bundesländervergleich führen und damit letztlich auch den Wirtschafts- und Energiestandort Nordrhein-Westfalen in seiner Entwicklungsmöglichkeit belasten.

Aber was ist das mögliche Gegengift? Das versucht uns heute zumindest die FDP zu präsentieren: eine Absenkung der fiktiven Hebesätze, so wie das FiFo es vorschlägt.

(Zuruf von der SPD: Wo steht das denn?)

– Im letzten Punkt in dem Antrag. Doch!

Aus unserer Sicht – hätten Sie jetzt abgewartet, hätten Sie das besser einordnen können – führt eine sofortige Absenkung der fiktiven Hebesätze zu viel zu großen Verwerfungen, sodass man das eins zu eins umsetzen kann, was in diesem Gutachten steht. Deshalb würde es Sinn machen, durchaus prüfen zu lassen, ob man zu einer stufenweisen Absenkung der fiktiven Hebesätze kommen kann, um letztendlich diese Steuererhöhungspolitik bei den Kommunen zu begrenzen.

Im GFG – das stellen Sie dar – soll es eine Grunddatenanpassung geben. Dabei rechnen Sie unverändert doppische Zahlen in kamerale um. Das hat schon beim Stärkungspakt Stadtfinanzen zu deutlichen Verwerfungen geführt und war mehrfach Gegenstand der Sitzungen des Kommunalausschusses.

Sie haben es aber immer noch nicht hinbekommen, die grundsätzliche Systemproblematik des NKF abzuschaffen. Die Annahmen, die im NKF gesetzt sind, können so überhaupt nicht von den Kommunen erfüllt werden. Denn Kommunen sind dem Grunde nach nicht in der Lage, Abschreibungen und Pensionsrückstellungen eins zu eins zu erwirtschaften. Diesen Systemfehler beheben Sie nach wie vor nicht. Und die Probleme, die aus diesem NKF resultieren, lösen Sie mit diesem Gemeindefinanzierungsgesetz eben auch nicht.

Das FiFo-Gutachten enthält ja durchaus noch weitere Lösungsansätze. Sie schreiben in der Gesetzesbegründung:

„Hier bedarf es einer weiteren eingehenden Kommunikation der Gutachtenergebnisse.“

Wer hat denn die Diskussion über die Gutachtenergebnisse bisher verhindert? Wo ist denn hier Ihr Dialog zum FiFo-Gutachten gewesen? Wir als CDU-Fraktion hätten das schon sehr viel früher diskutiert und haben es mehrfach angefragt. Das ist eindeutig ausgeblieben.

In diesem Gemeindefinanzierungsgesetz fehlt erneut eine transparentere Herleitung der Ansätze. In der Hauptansatzstaffel sehen Sie sogar einen doppelten Effekt vor: Sie erhöhen auf der einen Seite die Einwohnerwerte in den Staffelklassen, und gleichzeitig wollen Sie den Hauptansatz absenken.

Während das FiFo noch vorschlug, beim maximalen Spreizungsfaktor auf 154 % zu gehen und damit drei Punkte unter dem Spreizungsfaktor von 2013 zu bleiben, finden wir in Ihrem Gesetzentwurf nun, dass der Spreizungsfaktor um neun Prozentpunkte unterhalb des Ansatzes des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2013 liegen soll.

Daneben ändern Sie den Schüleransatz. Dabei wurde Ihnen durch das FiFo-Gutachten dargelegt, dass aufgrund der schlechten Datenlage eine verlässliche Berechnung des Schüleransatzes überhaupt nicht möglich ist.

Mit all diesen Änderungen werden wir uns in der Anhörung intensiv auseinandersetzen.

Herr Minister, ein Punkt, den Sie erledigt haben und den wir als CDU-Landtagsfraktion im Kommunalausschuss eingefordert haben, ist die Umsetzung des Zensus 2011. Das ist aus unserer Sicht ein richtiger Schritt; denn das Zensus-Ergebnis wird letztendlich durch den eingebauten Demografiefaktor abgemildert. Der Demografiefaktor bedarf in Zukunft allerdings noch einer intensiveren Betrachtung – insbesondere hinsichtlich der Remanenzkosten für Städte und Gemeinden aus der Anpassung ihrer Infrastruktur an eine deutliche Abnahme der Bevölkerungszahlen.

Kurzum: Das Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 setzt erneut dringende Anpassungen infolge des NKF nicht um. Auch beim NKF erkennen wir keine Bewegung aufseiten des Ministeriums und der regierungstragenden Fraktionen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das Gemeindefinanzierungsgesetz berücksichtigt erneut keine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kommunen,

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

obwohl wir gerade in Nordrhein-Westfalen den höchsten Kommunalisierungsgrad aller Bundesländer haben. Insofern: Beim Gemeindefinanzierungsgesetz bleibt viel zu tun. Packen wir es an! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Scharrenbach. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Hübner.

Michael Hübner (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Saal ist nicht mehr ganz so voll. Vielleicht hat das etwas damit zu tun, dass heute Morgen so gut wie jeder Fraktionsvorsitzende und natürlich auch die Ministerpräsidentin ein Thema deutlich nach vorne gestellt haben, das bis 2010 in diesem Haus eine nicht ganz so große Rolle gespielt hat, nämlich die Situation der Kommunalfinanzen. Das fand ich heute Morgen in der Plenardebatte sehr gut.

Ich beglückwünsche insbesondere auch die Oppositionsfraktionen dazu, dass sie das nun auch für sich erkannt haben und erkennen,

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

dass das, was bisher geschehen ist, außerordentlich schlecht war – zumindest bis zum Jahre 2010 – und Handlungsbedarf auslöst. Hier brauchen wir natürlich insbesondere auch eine CDU-Fraktion, Frau Scharrenbach und Kollege Hovenjürgen, die in Berlin mit ihrem Regierungsauftrag dafür sorgt, dass es nun zur Lösung eines der grundsätzlichen Probleme kommt. Eines der grundsätzlichen Probleme ist nämlich das der hohen Soziallasten in den nordrhein-westfälischen Kommunen. Dass wir das Problem nicht allein in Nordrhein-Westfalen lösen können, haben wir hier schon in vielen Debattenbeiträgen deutlich gemacht.

Natürlich gab es in den Jahren 2010/2011 den großen Konsens dazu, dass Sie sich einsetzen wollen. Was bis heute dazu gekommen ist, ist aber mager und nur auf Druck der rot-grünen Landesregierung gegenüber der Bundesregierung zustande gekommen. Das Thema spielte ja heute Morgen in der Sitzung schon eine Rolle.

(Kai Abruszat [FDP]: Da müsst ihr eine Große Koalition machen! Dann könnt ihr das regeln!)

Frau Scharrenbach, ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich für Ihren Versuch, zum FiFo-Gutachten und zu dem, was da niedergelegt ist, Stellung zu nehmen. Das ist aber ausdrücklich nicht Kern der heutigen Debatte.

Wir haben ja im Kommunalausschuss genau darüber auch schon beraten und gesagt, dass wir es begrüßen würden, wenn wir das FiFo-Gutachten und die Empfehlungen des FiFo in einem längeren Diskussionsprozess mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutieren würden. Dieser Kommunikationsprozess ist auch im Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 entsprechend dargelegt.

Warum wollen wir das? Es ist eben nicht so, wie es auch in Ihrem Antrag, auf den ich gleich noch eingehen möchte, steht, Herr Kollege Abruszat, dass die kommunalen Spitzenverbände die Ergebnisse des FiFo-Gutachtens sehr einmütig zu Kenntnis genommen haben. Im Gegenteil: Wir haben hier noch Dissens; zwischen dem Städtetag, dem Städte- und Gemeindebund und dem Landkreistag gibt es kein Einvernehmen. Der Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag stehen auf der einen und der Städtetag auf der anderen Seite.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Hübner, ich darf kurz unterbrechen. – Die Kollegin Scharrenbach würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen wir sie zu?

Michael Hübner (SPD): Die lassen wir zu.

Vizepräsident Daniel Düngel: Dann machen wir das. – Bitte schön.

Ina Scharrenbach (CDU): Vielen Dank. – Ich möchte von Ihnen gerne wissen, warum Sie den Kommunikationsprozess zum FiFo-Gutachten nicht schon eingeleitet haben, wo doch das Gutachten schon so lange vorliegt.

Michael Hübner (SPD): Liebe Kollegin Scharrenbach, ich habe mit den kommunalen Spitzenverbänden schon darüber gesprochen. Dass wir uns ein Jahr Zeit dafür nehmen werden, ist bei den kommunalen Spitzenverbänden angekommen.

Eine der Begründungen ist im Übrigen – wenn Sie sich intensiver damit auseinandergesetzt hätten, dann wüssten Sie das –, dass wir eine deutliche Trennung zwischen einer Grunddatenanpassung, die jetzt im Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 vorgenommen wird, und den Ergebnissen des FiFo-Gutachtens vorsehen. Die Grunddatenanpassung wurde während der schwarz-gelben Regierungszeit übrigens mehrfach eingeklagt. Es ging so weit, dass das Landesverfassungsgericht der Regierung gesagt hat, es seien Grunddatenanpassungen vorzunehmen. Sie und die Ergebnisse des FiFo-Gutachtens sind auseinanderzuhalten. Um dort zu einem Konsens zu kommen, nehmen wir uns die Zeit für den Kommunikationsprozess, wie das übrigens auch Minister Jäger gerade angeregt hat.

Von daher habe ich nicht ganz verstanden, dass sie uns die Ergebnisse aus Ihrer Sicht hier noch einmal vorgetragen haben, weil Sie das aus der Kommunikation im Ausschuss für Kommunalpolitik oder auch durch die kommunalen Spitzenverbände ja wissen.

Richtig ist – da möchte ich Ralf Jäger als Minister ausdrücklich zustimmen –: Wir haben das größte Gemeindefinanzierungsgesetz aller Zeiten mit knapp 9,4 Milliarden € auf den Weg gebracht; ich sage bewusst: knapp 9,4 Milliarden €. Das ist die konsequente Fortsetzung der Politik, die wir seit 2010 auf den Weg gebracht haben: mit der Rücknahme der Befrachtung im Gemeindefinanzierungsgesetz, die Sie früher gemacht haben, um zu einer Konsolidierung des Landeshaushaltes zu kommen, mit den entsprechenden Änderungen in § 76 der Gemeindeordnung, um zu realistischen Konsolidierungszeiträumen für die Kommunen zu kommen.

Sie wissen, es waren früher drei, eigentlich vier Jahre, die Sie über Minister Wolf den Kommunen vorgeschrieben haben. Wir sind mittlerweile bei zehn Jahren. Bei sehr vielen Maßnahmen, bei denen man Kosten im späteren Verlauf prophylaktisch vermeiden möchte, ist es einfach sinnvoll, dass man den Kommunen längere Konsolidierungszeiträume zugesteht. Daraus sind die Haushaltssanierungspläne und die Haushaltssicherungskonzepte in den Städten und Gemeinden abgeleitet.

Dass damit einhergeht, dass wir nicht mehr wie früher über 140 der 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen in Haushaltsnotlage haben, sondern dass sie in einer vernünftigen Haushaltssituation sind, in der sie über ihre Investitionen und Kosten selbstständig entscheiden können, das dürfen wir auch zur Kenntnis nehmen. Ich bin froh, dass wir das auch über formale Gesichtspunkte auf den Weg gebracht haben.

Die Grunderwerbsteuer, den Vier-Siebtel-Anteil muss ich ausdrücklich hervorheben; das hat mit dem Thema „Stärkungspakt“ im späteren Verlauf der Debatte zu tun. Darüber wurde gewährleistet, dass den Kommunen der Vier-Siebtel-Anteil an der Grunderwerbsteuer wieder voll und ganz zur Verfügung gestellt wird.

Dass es richtig war, die Systematik des Gemeindefinanzierungsgesetzes zunächst einmal weitestgehend zu belassen und nur eine Datenanpassung vorzunehmen, erkennt man im Übrigen auch an dem Antrag der FDP. Kollege Abruszat, da bin ich Besseres von der FDP gewohnt.

(Zuruf von Kai Abruszat [FDP] – Hans-Willi Körfges [SPD]: Ich traue denen alles zu!)

Beim Thema „Kommunalfinanzen“ bin ich da in der Tat Besseres gewohnt. Ich glaube, dass das auch ein Ausdruck dafür ist, dass Sie sich der Verantwortung gegenüber unseren Kommunen nicht mehr so richtig stellen wollen, weil Sie jetzt in Schwierigkeiten kommen, in Ihren kommunalen Fraktionen die kommunale Solidaritätsabgabe zu erklären.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Das war damals schon sichtbar, und das ist für mich auch in Ihrem Antrag deutlich erkennbar. Ich möchte Ihnen dazu zwei Beispiele nennen.

Sie verwechseln im zweiten und dritten Absatz der Ausgangslage die Systematik des Stärkungspaktes mit der Systematik des Gemeindefinanzierungsgesetzes. Sie sagen, dass ein derartiges methodisches Vorgehen mehr als fragwürdig sei.

Herr Kollege Abruszat, wir haben das Vorgehen beim Stärkungspaktgesetz damals mit Ihrem Vorgänger verabredet. Wir hätten gerne NKF-Jahresabschlüsse, geprüfte Jahresabschlüsse gehabt. Das war aber nicht möglich, daher der Rückgriff auf die strukturelle Lücke. Diese Abschlüsse gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht, sie sind heute im Übrigen zu kleineren Teilen immer noch nicht vorhanden, deshalb der Rückgriff auf die strukturelle Lücke. Das mit dem Gemeindefinanzierungs­gesetz zu vermischen, finde ich schon ärgerlich.

Auch – das geht auch in Richtung Frau Scharrenbach – hätte es genügend Zeit gegeben, um das FiFo-Gutachten auszuwerten. Ich will Sie daran erinnern, dass das Gutachten endgültig erst seit Anfang April vorliegt und dass die ersten Berechnungen seitens des Ministeriums naturgemäß zu dem Zeitpunkt hätten losgehen müssen, um zu vernünftigen Ergebnissen des Gemeindefinanzierungsgesetzes zu kommen. Das war aber nicht möglich, weil wir in einer sehr kurzen Zeit die Grunddatenanpassung, die der Verfassungsgesetzgeber uns richtigerweise aufgegeben hat, auf den Weg gebracht haben.

Den Hinweis mit den fiktiven Hebesätzen hat Ihnen Frau Scharrenbach gerade selber gegeben. Mir ist nicht bekannt, dass der FiFo-Gutachter dafür eine Empfehlung abgegeben hat. Im Gegenteil: Er hat sich massiv gegen gestaffelte fiktive Hebesätze ausgesprochen, um Präzision hineinzubekommen.

Der letzte Punkt, wo Sie unsauber argumentieren – die Debatte hatten wir schon im kommunalpolitischen Ausschuss –, sind die fiktiven Hebesätze. Da antwortet der Gutachter auf Fragen, die gar nicht gestellt worden sind. Aber das machen wir Politiker ja häufiger mal: auf Fragen antworten, die gar nicht gestellt worden sind. Das macht der Gutachter in dem Fall auch.

(Kai Abruszat [FDP]: Auch gut!)

Er meint, dass die fiktiven Hebesätze zu hoch sind. Genau darüber hatten wir schon eine Debatte im kommunalpolitischen Ausschuss. Da haben wir für unsere Fraktion und da hat auch die Grünen-Fraktion erklärt, dass wir in einen Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern nicht eintreten wollen. Auch der Hinweis, dass in Mecklenburg-Vorpommern besonders niedrige Steuersätze vorhanden sind, ist wenig zielführend.

Eine letzte Bemerkung geht in Richtung in FDP. Kollege Lindner wird sich ja gerade um bundespolitische Themen kümmern wollen.

(Kai Abruszat [FDP]: Herr Römer auch!)

– Ja, Kollege Römer steht aber im Moment nicht in der Gefahr, Bundesvorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu werden. Der Fall liegt bei Ihnen ja anders.

Eine Bemerkung noch zu der Frage der Solidarität und der Schuldensituation von Düsseldorf: Man kann sich in diesem Hohen Haus viel anhören, aber die Fantasie, dass eine Veräußerung von Anlagevermögen, das durch Liquidität getauscht wird, dazu führt, dass eine Stadt weniger verschuldet ist als vorher, kann ich beileibe nicht aufbringen. Da hilft ein Grundkurs in Bilanzrecht. Den würde ich dem Kollegen Lindner auch gerne ans Herz legen.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Was passiert ist, ist ein Bilanztausch, der vorgenommen worden ist. Die Stadt Düsseldorf – das beweist Ihnen auch der Bund der Steuerzahler – ist heute genauso verschuldet wie zu dem Zeitpunkt, als die Stadtwerke veräußert wurden. Allenfalls hat die Stadt Düsseldorf auf eines nicht gesetzt, nämlich die zu erwartenden Erträge für ihre Haushalts­konsolidierungsmaßnahmen einzusetzen. Darauf hat die Stadt Düsseldorf verzichtet. Das ist richtig. Aber die Stadt Düsseldorf ist heute bilanziell genauso reich oder arm, wie sie es früher war. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Der nächste Redner ist der Kollege Abruszat für die FDP-Fraktion.

Kai Abruszat (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Immer wenn wir das Gemeindefinanzierungsgesetz im Rahmen der Haushaltsdebatte hier im Landtag beraten, diskutieren SPD und Grüne über die Vergangenheit und sagen: Alles, was vor 2010 war, war schlecht, und alles, was danach kam, war gut.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Wenn Sie diese Debatte haben wollen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, können wir das gerne machen.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Sie drehen das nur um!)

Wir hätten heute nicht das Problem mit den kommunalen Finanzen, wenn Sie nicht seinerzeit den Verbundsatz von über 28 % auf 23 % abgesenkt hätten. Das gehört zur Wahrheit. Also lassen Sie bitte diese Vergangenheitsbetrachtungen. Sie führen zu nichts.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nehmen Sie lieber, Herr Kollege Hübner, einen ganz aktuellen Bezug wie die Inklusion, die in dieser Plenarwoche nicht auf der Tagesordnung steht. Da wird sich erweisen, wie kommunalfreundlich diese Regierung ist.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: So ist es!)

Da wird sich erweisen, ob das, was Sie hier ständig vortragen, dass Sie die kommunalfreundlichste Regierung unter dieser Sonne sind,

(Beifall von der SPD)

bei Lichte betrachtet standhält.

(Minister Ralf Jäger: Auf jeden Fall!)

Ich möchte mir gerne vorstellen, was gewesen wäre, hätten CDU und FDP in ihrer Regierungszeit die Inklusion übers Knie gebrochen eingeführt, sie den Kommunen aufs Auge gedrückt und das Thema „Konnexität“ völlig negiert.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie hätten jeden Tag Lichterprozessionen vor dem Landtag veranstaltet – im Übrigen zu Recht. Bei genau diesem Thema, meine Damen und Herren, werden wir Sie auch weiter stellen.

(Lachen von der SPD und den PIRATEN – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So klerikal?)

– Herr Kollege Mostofizadeh, ich bin evangelischer Protestant.

(Zuruf von der SPD: Evangelischer Protestant? So, so!)

– Ja, evangelischer Protestant. Ich sage Ihnen: „Protestant“ kommt von „protestieren“. Manchmal kann man gegen bestimmte Gesetzesvorhaben Ihrerseits nur protestieren.

Lassen Sie mich – ich glaube, dass die GFG-Debatte dazu geeignet ist – etwas Allgemeines zur Lage der kommunalen Finanzen sagen. Ich finde es sehr schön, dass wir das sehr sachlich machen. Ich bin dem Kollegen Hübner auch sehr dankbar, dass wir hier die verbalen Spitzen herauslassen.

Heute Morgen haben sich die Fraktionsvorsitzenden – das ist angeklungen – zur Lage der Kommunalfinanzen geäußert. Es ist aber nicht richtig, lieber Kollege Michael Hübner, wenn Sie jetzt den statistischen Trick mit der Anzahl der Kommunen in Nordrhein-Westfalen – die, die im Nothaushalt sind, und die, die es früher waren – als Beleg Ihrer Leistung und Ihrer Regierungspolitik werten. Das ist nichts anderes als ein Verschieben der Probleme.

Sie haben den Kommunen mit der Veränderung der Gemeindeordnung die Möglichkeit gegeben, die Herbeiführung des strukturellen Haushaltsausgleichs auf zehn Jahre zu verschieben. Wir haben das nicht für den richtigen Weg gehalten. Man kann darüber streiten, ob man das richtig findet. Aber sich hierhin zu stellen und zu sagen, statistisch sei alles halbwegs im Lot, das bildet die Wahrheit der kommunalen Finanzen nicht ab.

Ich nenne Ihnen nur zwei Zahlen, die Sie auch kennen, weil wir darüber im Kommunalausschuss ständig reden. Wir haben aktuell in den Kernhaushalten rund 46 Milliarden € Schulden, und wir haben über 23 Milliarden € Kassenkredite. Da kann ich nicht davon reden, dass sich die Finanzsituation der kommunalen Familie verändert hat. Im Übrigen trotz der guten Konjunkturlage!

Ich male mir gerade aus, wie es denn wäre, wenn die wirtschaftliche Situation einmal eine andere Dynamik nimmt, wenn wir bei den Sozialausgaben eine weitere Dynamik in eine bestimmte Richtung haben. Ich male mir gerade aus, was passiert, wenn wir ein Zinsänderungsrisiko im Hinblick auf die Finanzierungssalden berücksichtigen, die sich aufgetürmt haben.

Also noch einmal: Ich weiß, dass Sie das sehen und wissen. Stellen Sie sich bitte nicht hierhin und sagen, die Lage der kommunalen Finanzen habe sich verbessert.

(Michael Hübner [SPD]: Hat sie! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Hat sie doch auch!)

Wenn doch, sagen Sie bitte, sie habe sich statistisch bereinigt, weil Sie den Kommunen an der Stelle bilanziell etwas ermöglicht haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will zum GFG noch ein paar Anmerkungen machen. Wir werden ja die Fachdebatte im Ausschuss führen und auch hier im Plenum noch einmal darüber sprechen.

Frau Kollegin Scharrenbach hat zu Recht angesprochen, woran es beim GFG 2014 mangelt. Wir haben seitens der Freien Demokraten nicht erwartet, Herr Minister, dass die Landesregierung bereits für 2014 ein Gemeindefinanzierungsgesetz vorlegt, das eine Mittelverteilung auf Basis tatsächlicher kommunaler Bedarfe vorsieht. Wir haben hierzu im Landtag in der vorvergangenen Woche eine entsprechende Anhörung gehabt. Das kann man auch anders sehen. Es ist eine interessante Debatte. Wie wir letztlich damit umgehen, werden wir sehen.

Wir haben aber zumindest erwartet, Herr Minister, dass Sie ein Gemeindefinanzierungsgesetz für die Kommunen auf den Tisch legen, das die Mindestanforderungen im Hinblick auf die bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse erfüllt. Das, meine Damen und Herren, kann man Ihnen, Herr Minister, nicht durchgehen lassen: Sie haben schlichtweg die wesentlichen Erkenntnisse aus dem FiFo-Gutachten unterschlagen, nicht umgesetzt. Das ist die Wahrheit!

(Beifall von der FDP)

Das erstaunt umso mehr, als Sie dieses Gutachten selbst in Auftrag gegeben haben. Wenn man noch nicht einmal Erkenntnisse grundlegender Art aus einem selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten wenigstens ansatzweise in das Gemeindefinanzierungsgesetz einspeist, dann macht mich das zumindest nachdenklich. Dann frage ich mich: Warum machen Sie das nicht?

Wie sieht es aus mit der sogenannten Grunddatenaktualisierung? Frau Kollegin Scharrenbach hat dazu schon einiges ausgeführt; ich will meine Ausführungen dazu deshalb kurzhalten. Sie haben neue Daten genommen, und Sie haben diese Daten so lange gebeugt, bis sie in ein überkommenes, 25 Jahre altes System hineinpassten.

(Zuruf von der SPD: Stimmt doch gar nicht! – Gegenruf von Ina Scharrenbach [CDU]: Doch!)

Wir wissen heute, spätestens seit bestimmten Fehlleitungen und Fehlentwicklungen auch im Stärkungspakt, dass die kommunale Finanzstatistik in Nordrhein-Westfalen – höflich formuliert – nicht ganz die Treffsicherheit hat, die sie braucht. Trotzdem ignorieren Sie wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse und Methoden.

Meine Damen und Herren, das ist keine sorgfältige Gesetzesarbeit. Das können wir Ihnen so nicht durchgehen lassen.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Bemerkungen zu den Realsteuern auf kommunaler Ebene machen, weil der Kollege Hübner genauso wie die Kollegin Scharrenbach dieses Thema angesprochen hat.

Sie wissen, dass wir gestaffelte fiktive Hebesätze vertreten und für richtig halten.

(Michael Hübner [SPD]: Was sagt das FiFo dazu?)

Anders als Sie sage ich: Wir sind bereit, zur Kenntnis zu nehmen – das steht auch so in unserem Begleitantrag –, dass der Gutachter nicht bestätigt hat, was wir sagen. Aber der Gutachter hat im Hinblick auf die Kommunalfinanzierung bei den Realsteuern im Hinblick auf die Höhe der Hebesätze in Nordrhein-Westfalen ganz klare Aussagen getroffen. Das ignorieren Sie aus politischen Gründen natürlich.

Die Gewerbesteuerhebesätze und die Grundsteuerhebesätze sind in Nordrhein-Westfalen auf Rekordniveau. Wir haben eine ständig aufsteigende Spirale, die die Menschen und die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen belastet.

Schauen Sie bitte einmal in die Städte und Gemeinden im angrenzenden niedersächsischen Umfeld, in dem man innerhalb von zwei bis drei Kilometern Wettbewerbsverzerrungen von über 100 Punkten bei der Gewerbesteuer hat.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sprechen Sie mal mit Ihren Bürgermeistern und Fraktionen, die an dieser Stelle genau diese Probleme sehen. Das ignorieren Sie. Der Gutachter spricht von Zahlen, die bei 360 und nicht bei 411 oder 412 liegen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das alles zeigt, meine Damen und Herren: Der Entwurf ist unzulänglich. Der Entwurf ist diskussionsbedürftig. Er muss dringend überarbeitet und an wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden. Sie müssen von Ihrer vorgetäuschten Grunddatenanpassung abrücken. Sie müssen nacharbeiten. Sie müssen die fiktiven Hebesätze deutlich nach unten korrigieren. Nur dann werden wir mehr Gerechtigkeit und mehr Fairness im kommunalen Finanzausgleich haben. Wir freuen uns auf die Debatten im Ausschuss. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Schönen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Für die grüne Landtagsfraktion erteile ich nun dem Kollegen Krüger das Wort.

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Das war schon starker Tobak, Herr Abruszat, was Sie hier vorgetragen haben. Sie sollten einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir mit rund 9,3 Milliarden € die höchste Summe an Finanzmitteln für die Gemeindefinanzierung bereitstellen, die jemals in diesem Zusammenhang eingestellt worden ist. Das ist ein erheblicher Mittelzuwachs gegenüber dem Spitzenwert aus dem Jahr 2013. Ich empfehle Ihnen, sich einmal die Zahlen Ihrer Regierungszeit anzusehen, beispielsweise die Zahlen aus dem 2006. Sie werden feststellen, dass der Mittelzuwachs im Jahr 2013 gegenüber dem Jahr 2006 rund 61 % beträgt.

Frau Scharrenbach, ich will gerne zugestehen, dass das einerseits auf die gestiegenen – und ich betone – weitergeleiteten – Steuermehreinnahmen des Landes zurückzuführen ist, aber auch auf unser Festhalten am kommunalfreundlichen Kurs, unter anderem durch eine weitere Einbeziehung der Grunderwerbsteuer, die Sie seinerzeit abgeschafft haben. Wir haben auch an der Herausnahme der früheren Befrachtung festgehalten, die Sie in diesem Zusammenhang vorgenommen haben. Wir stehen – ganz im Gegensatz zu Ihnen in Ihrer Regierungszeit – zu unserem kommunalfreundlichen Kurs. Wenn Sie sagen, Herr Abruszat, dass bis 2010 alles schlecht war und danach alles besser geworden ist, kann man dem nur zustimmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Damit komme ich auf Ihren Antrag zurück, den Sie in der vorletzten Woche in einer Anhörung haben behandeln lassen. Er trägt den Titel: „Kommunen fair behandeln – NRW braucht eine verlässliche und transparente Informationsgrundlage zum kommunalen Finanzbedarf!“ Das war ein durchsichtiger Versuch, Herr Abruszat, sich als Anwalt der Kommunen zu präsentieren.

Wenn man sich in diesem Zusammenhang Ihre Herangehensweisen zu Gemüte führt, ist zum Beispiel die Verdopplung der Krankenhausumlage von 20 auf 40 % zu nennen. Das alleine hat zu einer Mehrbelastung der kommunalen Haushalte in Höhe von 110 Millionen € geführt. Allein der Wegfall des Elternbeitragsausgleichsverfahrens bei den Kindertagesstätten hat 85 Millionen € gekostet. Der Minister hat eben schon die Kürzung bei der Schülerbeförderung, aber auch die Aufgabenverlagerung zulasten der Kommunen bei der Versorgungs- und Umweltverwaltung angesprochen. Man könnte noch weitere Baustellen nennen, zum Beispiel die Weiterbildungsmittel, die Sie ebenfalls gekürzt haben.

Das werden wir Ihnen jedes Mal vorhalten, Herr Abruszat, wenn Sie sich hier entsprechend aufstellen – das gilt auch für Frau Scharrenbach –: Das war die frühere CDU-FDP-Landesregierung. Ein Raubzug durch die kommunalen Kassen! Warum? Um den Landeshaushalt schönzurechnen!

Selbstverständlich ist eine Anhebung der Verbundquote zu begrüßen. Das sage ich gerade in meiner Funktion als kommunalpolitischer Sprecher. Zurzeit liegt sie bei 23 %. Von Ihnen ist ja die Situation aus den 80er-Jahren vorgetragen worden, als wir 28 % hatten. Dann müssen Sie aber auch eine Antwort darauf geben – das tun Sie jedoch nicht, Frau Scharrenbach –, wie Sie das finanzieren wollen. Denn Sie wissen auch: Die Erhöhung um einen Punkt macht Mehrkosten von 410 Millionen € aus. Die Antwort, wie das finanziert werden soll, bleiben Sie schuldig.

Damit komme ich zum zweiten Themenkomplex, der Grunddaten­anpassung auf Basis des Jahres 2009. Auch das ist ein Vorwurf, den ich Ihnen, Herr Abruszat und Frau Scharrenbach, für die FDP- bzw. die CDU-Fraktion machen muss. Wir halten daran fest, die Verteilung der Schlüsselzuweisungen auf Grundlage der jeweils aktuellsten Grunddaten vorzunehmen – so geschehen bei den Gemeindefinanzierungsgesetzen 2011, 2012, 2013 und auch 2014. Damit sorgen wir dafür, dass weder der ländliche Raum noch die großen kreisfreien Städte bevorzugt oder benachteiligt werden – ganz im Gegensatz zur früheren schwarz-gelben Landesregierung.

Sie haben doch durch die Anwendung überalterter Bemessungs­grundlagen – beispielsweise zur Bemessung der sozialen Lasten – den ländlichen Raum einseitig bevorzugt und damit die strukturschwachen und kreisfreien Städte mit erheblichen sozialen Aufwendungen benachteiligt und letztlich die Finanzkrise der Kommunen im Ruhrgebiet bzw. im Bergischen Land verschärft. Das muss an diesem Punkt festgestellt werden.

Wir haben das korrigiert. Wir haben im Jahr 2011 die Anpassungen vorgenommen. Wir haben aber gleichzeitig gesehen – das sollte auch gesagt werden –, dass es Verwerfungen im ländlichen Raum gibt, mit denen man nur schwer umgehen kann.

Insofern ist die Anpassung beim Soziallastenansatz nicht in voller Höhe vorgenommen worden, sondern wir haben das Ganze in zwei Schritten gemacht, und zwar zunächst auf 9,6 in 2011 und 15,3 in 2012. Normalerweise hätte man gleich auf 17,76 anheben müssen. Darüber hinaus haben wir in 2012 aus dem Landeshaushalt eine zusätzliche Abmilderungshilfe in Höhe von 60 Millionen € insbesondere für den ländlichen Raum zur Verfügung gestellt.

In gleicher Weise werden wir beim Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 verfahren. Im GFG 2013 lag der Soziallastenansatz bei 15,3. Die Regressionsanalyse auf Basis der Grunddatenanpassung 2009 ermittelte einen Wert von 12,4. Wir wollen diese Umverteilungswirkungen abmildern. Daher werden wir in zwei Schritten zu jeweils 50 % diesen Gewichtungsfaktor absenken, für das GFG 2014 auf 13,85. Klar ist, dass davon die strukturschwachen kreisfreien Städte profitieren.

Gleichzeitig haben wir aber auch den Zentralitätsansatz von 0,65 auf 0,46 abgesenkt. Die Spreizung der Hauptansatzstaffel haben wir um fünf Punkte zurückgenommen. Und das Verhältnis des Schüleransatzes für Halb- und Ganztagsschüler haben wir von ursprünglich 4,76 auf nunmehr 3,26 reduziert. Das bringt Vorteile für den ländlichen Raum.

Wer sich die Verteilung der Schlüsselzuweisungen zwischen dem ländlichen Raum und den kreisfreien Städten ansieht, der wird sehr schnell erkennen können, dass insbesondere der ländliche Raum von den gestiegenen Schlüsselzuweisungen profitiert. Das sage ich auch ganz ausdrücklich im Zusammenhang mit den immer wieder vorgetragenen falschen Behauptungen, Rot-Grün würde den ländlichen Raum benachteiligen.

Kommen wir zum dritten Themenkomplex: der Umsetzung des FiFo-Gutachtens in 2014 oder in 2015. Frau Scharrenbach, Sie wissen ganz genau: Das FiFo-Gutachten wurde Mittel April vorgelegt. Es ist unverzüglich an die kommunalen Spitzenverbände weitergegeben worden. Die haben ihre Stellungnahmen Mitte/Ende Mai dieses Jahres eingereicht. Die wurden ausgewertet.

Dann stand die Landesregierung vor der Frage: Wie geht man angesichts der gegenteiligen Auffassungen innerhalb der kommunalen Familie damit um? Wollen wir das Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 – wie in früheren Jahren – im September einbringen, brauchen wir zwingend eine Kabinettsvorlage, die vor der Sommerpause erstellt wird. Warum? Weil unter anderem ein Anhörungsverfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden durchzuführen ist.

Insofern war es naheliegend, dass es angesichts der gegenteiligen Auffassungen in der kommunalen Familie keinen Sinn macht, die Diskussion über das Knie zu brechen. Das ist auch Ihnen gegenüber signalisiert worden. Insofern werden wir die entsprechenden Empfehlungen des FiFo-Gutachtens für das GFG 2015 anpacken.

Alles andere, Frau Scharrenbach, sind Schnellschüsse. Es mag sein, dass Sie für Schnellschüsse bekannt sind; wir jedenfalls nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir werden Veränderungen vornehmen. Zum Beispiel durch die Umstellung des Zuschussbedarfs auf Auszahlung aaD, Thema „NKF, Kameralistik“; das ist klar. Ob wir als Referenzzeitraum für die Ermittlung der Steuerkraft den Mehrjahres- oder den Einjahreszeitraum zugrunde legen, muss diskutiert werden.

Zum Thema „Fiktive Hebesätze“ hat der Gutachter eindeutig gesagt: Ihr Vorschlag, in Klassen abhängig von der Einwohnerzahl zu unterscheiden, macht keinen Sinn. – Die Herangehensweise, den fiktiven mittleren Hebesatz auf Ebene des Bundesniveaus heranzuziehen, wird von der kommunalen Familie auch nicht begrüßt. So lautet zumindest die Einschätzung, die wir in diesem Zusammenhang gehört haben.

Alle anderen Kriterien, zum Beispiel die Regressionsanalyse, der Soziallastenansatz, der Schüleransatz, die Hauptansatzstaffel, der Flächenansatz und der Zentralitätsansatz, die sie in der Vergangenheit immer kritisiert haben, sind vom Gutachter ausdrücklich begrüßt worden.

Kommen wir zum letzten Teil – das steht ja auch an –: der Einbringung des Einheitslastenabrechnungsgesetzes. Damit räumen wir ebenfalls eine Erblast von CDU und FDP ab. Ich möchte hier noch einmal feststellen: Im Mai letzten Jahres hat der Landesverfassungsgerichtshof eindrucksvoll festgestellt, in welchem Umfang die Kommunen zu ihrem Nachteil zur Finanzierung der Einheitslasten herangezogen worden sind. Das war eine schallende Ohrfeige. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Das korrigieren wir heute.

Wer hat in diesem Zusammenhang die Verhandlungen geführt? – Rot-Grün! Das Ergebnis ist gut für die Kommunen: Es gibt eine Rückerstattung in Höhe von 275 Millionen € für die Jahre 2009, 2010 und 2011, die in 2013 zahlungswirksam wird. Für die nächsten Jahre erwarten wir Minderbelastungen in Höhe von jährlich etwa 145 Millionen €.

Gleichzeitig, Frau Scharrenbach, Herr Abruszat, verzichtet das Land auf Rückforderungen, die man hätte verrechnen können, in einer Größenordnung von etwa 240 Millionen € für die Rechnungsjahre 2007 und 2008. Das ist ein kommunalfreundlicher Kurs.

Zum Thema „Inklusion – Konnexität ja oder nein?“ werden noch Gespräche geführt. Ich gehe davon aus, dass wir dabei ein ähnliches Verfahren finden werden wie seinerzeit bezogen auf den Verwaltungsaufwand, das Bildungs- und Teilhabegesetz oder aber das jetzt neu eingeführte Betreuungsgeld, zu dem wir auch schon eine Menge gesagt haben. Das werden wir diskutieren, nachdem die Gespräche zu Ende geführt worden sind.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Krüger, die Redezeit.

Mario Krüger (GRÜNE): Ich bin fertig.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Vizepräsident Daniel Düngel: Wunderbar! Dann habe ich viel zu früh dazwischengequatscht. – Vielen Dank, Herr Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Eben! – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Als nächsten Redner haben wir den Kollegen Schulz für die Piratenfraktion.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Die Landesregierung bringt heute den Entwurf zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 ein. Der große Wurf – so wurde es Anfang dieses Jahres bei den Beratungen zum GFG 2013 noch verlautbart – sollte es werden.

Dann aber kam das FiFo-Gutachten. Anscheinend fiel es nicht so gut wie geplant aus. Es musste natürlich ausgiebig geprüft werden. Gleichzeitig klagt jedes Jahr – fast ritualisiert – eine immer größere Anzahl an Kommunen gegen das GFG.

Herr Minister Jäger sieht aber keine Spielräume zur Sanierung der Haushalte in NRW – außer durch Steuererhöhungen auf kommunaler Ebene. Der Stärkungspakt, über den wir später noch sprechen werden, zeigt eindeutig, dass der Zenit des Handlungsspielraums auf der Ebene der Kommunen längst erreicht und in manchen Bereichen bereits weit überschritten ist.

Dieses Jahr konnten wir zum ersten Mal miterleben, wie der Herr Minister die in der Verfassung festgeschriebene kommunale Selbstverwaltung durch einen Sparkommissar aushebeln ließ. Allerdings suggeriert der Begriff „Sparkommissar“ auch einen falschen Eindruck. Bisher fehlt nämlich der Beweis, dass in Nideggen ernsthaftes Sparpotenzial gefunden werden konnte. Das Gegenteil ist der Fall. Nur die Steuern wurden kurzerhand angehoben.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Im FiFo-Gutachten wurden einige Änderungen an der bestehenden Praxis vorgeschlagen. Wir Piraten haben bei den Beratungen des GFG 2012 auch einmal die Alternative einer Verbundquotenerhöhung vorgeschlagen. Aber fast alle Änderungen, egal aus welcher Richtung sie kamen, sind von Herrn Minister Jäger und der Landesregierung sträflich ignoriert worden – im Übrigen auch von den die Regierung tragenden Fraktionen.

Eines könnte dem Land Nordrhein-Westfalen und damit auch den Kommunen hier im Lande wirklich helfen: Handeln. Die Mittel der Kommunen sind weitestgehend ausgeschöpft. Die Gesetzgebungskompetenzen liegen im Land und im Bund. Hier muss in einem vertikalen Prozess etwas umgesetzt werden, was wir in NRW nicht nur durch einen horizontalen Ausgleich erreichen können. Der horizontale Ausgleichskampf wirkt an dieser Stelle eher kontraproduktiv.

Da hilft auch keine Beschönigung, wie sie in einer Pressemitteilung von Herrn Kollegen Hübner zu lesen ist, der erklären will, dass es bei der Abundanzumlage nicht ans Eingemachte der vielleicht etwas besser gestellten Kommunen in Nordrhein-Westfalen gehe. Natürlich reicht die gleich zu behandelnde Gesetzesvorlage nicht an bestehendes Vermögen der Kommunen heran. Dieses Vermögen, sofern es überhaupt vorhanden sein sollte, schmilzt aber dadurch, dass diesen Kommunen in Zukunft einfach weniger Geld zur Verfügung steht.

Die Auswirkung dieser Gesetzgebung ist, dass Kommunen sich ernsthaft überlegen müssen, Steuersätze zu erhöhen – gerade wenn sie wissen, dass die Mehreinnahmen anschließend ohnehin abgeführt werden sollen. Denken wir nur an den Kommunalsoli, über den gleich auch noch zu reden sein wird.

Wir von der Piratenfraktion werden diesen Prozess auf jeden Fall sehr kritisch begleiten. Herr Minister Jäger und Herr Hübner müssen zu diesem Thema noch sehr viel erklären; denn da gibt es noch etliche Fragen.

Nun zum Antrag der FDP-Fraktion: Sehr geehrter Herr Kollege Abruszat, wissenschaftliche Erkenntnisse sollten auch meiner Meinung nach umgesetzt werden. Ich hatte mich ja bereits zu der Umsetzung des FiFo-Gutachtens geäußert. Sie müssen mir aber bei Gelegenheit auch einiges erklären. Das können wir dann bei den Beratungen im Ausschuss machen.

Wir würden uns hier sicherlich nicht streiten, wenn folgende Punkte aus dem Koalitionsvertrag der letzten Legislaturperiode des Bundes besser umgesetzt worden wären. Ich zitiere einmal aus diesem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP:

„Wir werden eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung einsetzen. Diese soll auch den Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatz prüfen.“

Wie ist diese Prüfung eigentlich ausgegangen? Was haben Ihre lieben Parteikollegen dort denn erarbeitet? Hier in Nordrhein-Westfalen ist auf jeden Fall bisher sehr wenig bis nichts zu spüren.

Im weiteren Verlauf kann man in demselben Koalitionsvertrag noch lesen:

„Die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise haben die Leistungsfähigkeit vieler Kommunen strapaziert und Fragen nach der Güte kommunaler Leistungsfähigkeit aufgeworfen. Wir beabsichtigen, den Ländern vorzuschlagen, eine gemeinsame Bestandsaufnahme zu erarbeiten und Handlungsempfehlungen zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vorzulegen. Dabei sind auch Fragen der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Konnexitätsprinzip) und der Beteiligung der Kommunen an der Gesetzgebung des Bundes einzubeziehen, ebenso der Anschluss des ländlichen Raums an die Breitbandversorgung.“

Es sind größere Entlastungen für die Kommunen verabschiedet worden – aber nicht in dem Sinne, dass wir ein tragfähiges Konzept in Nordrhein-Westfalen erhalten hätten. Hier müssen die regierungstragenden Fraktionen im Land, aber auch die neue Regierung im Bund noch ordentlich nachbessern. Aber vor allem müssen wir handeln und die kommunale Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen sichern und dementsprechend die ausreichende Finanzierung der Kommunen hier in Nordrhein-Westfalen sicherstellen.

Am Ende meines Beitrags sollen die Kommunen auch noch ihre Erwähnung finden. Konnexität wird bei fast jeder neuen Gesetzgebung seitens der drei kommunalen Spitzenverbände eingefordert. Dazu stehen wir Piraten auch grundsätzlich und sehen natürlich diesen berechtigten Anspruch. Allerdings stehen wir auch für Transparenz. Wer Konnexität einfordert, muss auch transparent darlegen, wo Kosten wirklich entstehen und wo nur politischer Wille dahintersteht.

Bei der Umsetzung des NKF läuft man noch immer weit dem Zeitplan hinterher. Die maschinenlesbare Veröffentlichung von Haushalten würde wirklich Licht ins Dunkel mancher hier oft angeführter Argumentationen bringen. Trotz all unserer Bemühungen sehen wir leider nicht, dass sich da irgendetwas tut. Ich hoffe, wir sind uns darin einig, dass die Statistik der Kommunalfinanzen ein sehr komplexes Thema darstellt. Hier sollten wir parteiübergreifend tätig werden.

Ein erster Fortschritt wäre die Veröffentlichung der Statistik über die öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, kurz FEU. Diese Bundesstatistik könnte uns größeren Aufschluss darüber geben, in welchen Regionen wirklicher Handlungsbedarf besteht und wo Kommunen das Mittel der Ausgründung nur deshalb betreiben, um die eigentliche finanzielle Lage zu vernebeln.

Wir Piraten hoffen ernsthaft, dass sowohl Rot-Grün als auch CDU und FDP in Bezug auf das GFG 2014 ihre Schützengräben verlassen – dass diese Gräben wirklich existieren, haben wir hier im Verlauf der Debatte gesehen – und dieses Mal wirklich über eine größere Lösung nachdenken, als lediglich den Soziallastenansatz etwas zu verschieben.

Die aktuelle Situation lässt sogar zu, dass alle, egal, ob CDU, SPD, Grüne oder FDP, ohnehin die Gräben verlassen müssen. Hier in NRW können wir für starke und solide Kommunalfinanzierung ein Zeichen setzen. Wir müssen es angehen. Tun wir es in den Beratungen im Ausschuss, und dann wird auch etwas daraus. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Herr Minister Jäger. Ihnen ist schon mitgeteilt worden, dass wir ein technisches Problem haben. Sie haben etwas mehr als vier Minuten Redezeit, die wir Ihnen aber nicht anzeigen können. Deshalb bitte ich Sie, selbst ein wenig darauf zu achten.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Gerne, Frau Präsidentin. Ich versuche, mich an der großen Uhr im Saal zu orientieren. Ich glaube, ich brauche die vier Minuten gar nicht.

Ich möchte nur drei Dinge ansprechen: Herr Abruszat, auf ein Wort zur Ihrer Legendenbildung von der Nichtumsetzung des FiFo-Gutachtens und den wesentlichen wissenschaftlichen Ergebnissen, die dabei verlorengehen: Tatsache ist, wir haben das FiFo-Institut beauftragt, das nordrhein-westfälische System des kommunalen Finanzausgleichs zu begutachten, und Fragen gestellt. Diese Fragen, Herr Abruszat, haben wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet. Die Antworten dazu lagen Ende März vor. Ende März haben wir Ihnen und den kommunalen Spitzenverbänden das Gutachten zur Verfügung gestellt. Bis Ende Mai haben die kommunalen Spitzenverbände sich Zeit genommen, Stellungnahmen abzugeben.

Herr Abruszat, es ist ein bunter Strauß von unterschiedlichen Positionen zwischen den drei Verbänden zu verzeichnen – mit einer Ausnahme: Die kommunalen Spitzenverbände lehnen die Absenkung des fiktiven Hebesatzes bei der Gewerbesteuer unisono rundweg ab. – Und Sie verlangen ausgerechnet von mir, dass ich über die Köpfe der Kommunen hinweg genau das im GFG 2014 innerhalb weniger Wochen umsetze. Es war fünf Jahre lang Ihre Politik, über die Köpfe der Kommunen hinweg zu entscheiden. Das ist nicht mein Weg. Wir werden mit den Kommunen zusammen eine Lösung erarbeiten.

Herr Abruszat, mal ganz ehrlich und nur unter uns beiden: Eigentlich finden Sie doch zu diesem GFG kein vernünftiges Gegenargument, weil es so gut ist. Geben Sie es einfach zu!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen von der FDP)

Frau Scharrenbach, Sie gehen 29 Jahre zurück und sagen, im Jahr 1984 sei ein schwerer Systemfehler begangen worden, indem man den Verbundsatz seinerzeit von 28 auf 23 % abgesenkt habe. Tatsache ist, dass er in Verbindung mit einer Neuordnung der Aufgaben zwischen Land und Kommunen abgesenkt worden ist. Wenn Sie meinen, Frau Scharrenbach, das sollte jetzt wieder rückgängig gemacht werden, sagen Sie uns, wie Sie im Rahmen der Haushaltsberatungen 2014 diese zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 2 Milliarden € darstellen wollen. Als Kommunalminister würde ich mich darüber freuen, wenn die Verbundmasse von 9,3 auf 11,3 Milliarden steigen würde. Ich hoffe, Frau Scharrenbach, dass Sie das nicht auf Kosten der Nettokreditaufnahme machen wollen.

Letzter Punkt: Die Gewerbesteuer ist die einzige mit eigenem kommunalem Hebesatz ausgestattete Steuer mit Verfassungsrang. Während Sie, Frau Scharrenbach, darüber philosophieren, ob man Staffelsätze einführen, fiktive Hebesätze erhöhen oder absenken kann, vergessen Sie eines: Ihre eigene Partei in Berlin sabbelt wieder darüber, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Machen Sie mal in diese Richtung Ihre Hausaufgaben! Damit wäre dem Land und den Kommunen sehr viel mehr geholfen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Große Koalition!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Insgesamt haben wir fünf Abstimmungen durchzuführen.

Wir stimmen erstens über das Haushaltsgesetz 2014 ab. Nach dem Vorschlag des Ältestenrats soll die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/3800 sowie der Finanzplanung 2013 bis 2017 mit Finanzbericht 2014 des Landes Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/3801 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie mitberatend an die zuständigen Fachausschüsse mit der Maßgabe erfolgen, dass die Beratung des Personalhaushalts einschließlich aller personalrelevanten Ansätze im Haushalts- und Finanzausschuss unter Beteiligung seines Unterausschusses „Personal“ erfolgt. Möchte jemand gegen den Überweisungsvorschlag stimmen? – Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit haben wir der Überweisung zugestimmt.

Wir stimmen zweitens über das Nachtragshaushaltsgesetz 2013 ab. Der Ältestenrat empfiehlt uns die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/4000 an den Haushalts- und Finanzausschuss federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Möchte dem jemand widersprechen? – Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung angenommen.

Wir kommen drittens zur Abstimmung über das Gemeindefinanzierungsgesetz. Hier empfiehlt uns der Ältestenrat die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/3802 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Möchte sich jemand dagegen aussprechen? – Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit haben wir auch diese Überweisungsempfehlung angenommen.

Wir kommen viertens zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion FDP Drucksache 16/4024. Der Ältestenrat empfiehlt dem Landtag die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte dem jemand widersprechen? – Möchte sich jemand enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Damit haben wir der Überweisung zugestimmt.

Wir stimmen fünftens über den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Einheitslastenabrechnungsgesetzes NRW Drucksache 16/3966 ab. Der Ältestenrat empfiehlt uns die Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Kommunalpolitik – federführend – und zur Mitberatung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Möchte dem jemand widersprechen? – Möchte sich jemand enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir auch diese Überweisungsempfehlung angenommen.

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 2 und rufe auf:

3   Zweites Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3968

erste Lesung

In Verbindung mit:

Zwangsabgabe verhindern, Stärkungspakt nachbessern – Vermeintlich starke Kommunen dürfen nicht durch rot-grüne Umverteilungspolitik unter die Wasserlinie gezogen werden

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/3964

Ich eröffne die Beratung und erteile als Erstem Herrn Minister Jäger für die Landesregierung das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Solidaritätsumlage beruht auf einem ganz simplen Prinzip: Wer besonders leistungsfähig ist, hilft denen, die es nicht sind. – Das ist sozial, gerecht und auch fair.

Nach diesem Grundsatz haben wir bereits im Jahre 2011 den Stärkungspakt Stadtfinanzen beschlossen. Damals war das klare Ziel – so ist es heute noch –, den besonders von Überschuldung bedrohten Kommunen nachhaltig zu helfen. Mit „wir“ – daran möchte ich erinnern –, meine ich die Landesregierung, die Fraktionen von SPD, Grünen und, Herr Abruszat, von der FDP.

Wesentlicher Teil des Stärkungspaktes war die Solidaritätsumlage. Insgesamt hat der Stärkungspakt ein Volumen von 5,5 Milliarden € über einen Zeitraum von 2011 bis 2020, also über zehn Jahre. Von dieser Summe schultert das Land ca. 3,5 Mil-liarden €, also den Löwenanteil. Der Beitrag der kommunalen Familie untereinander beträgt pro Jahr 182 Millionen €, aber nicht über zehn, sondern nur über sieben Jahre. Diese Summe müssen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen aufbringen, die besonders leistungsfähig sind und waren. Für 2014 werden es ca. 60 Kommunen sein.

Herr Abruszat, diese Regelung war schon 2011 als eine Möglichkeit im Änderungsantrag enthalten, den SPD, Grüne und – ich erinnere – FDP gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

(Kai Abruszat [FDP]: Die Möglichkeit!)

– Die Möglichkeit. Ich danke Ihnen so sehr für diesen Zwischenruf, Herr Abruszat. Denn es geht nicht nur um die Möglichkeit, die in dem Antrag steht, sondern im Gesetzestext heißt es sogar – da haben Sie Ihre Hand gehoben –: „Schließlich erbringen die finanzstarken Gemeinden ab dem Jahr 2014 eine Solidaritätsumlage …“

(Kai Abruszat [FDP]: Nach Maßgabe des Gemeindefinanzierungsgesetzes!)

– Jetzt schlagen Sie sich billig in die Büsche.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Damals hatten Sie den Mut, mitzustimmen, weil es darum ging, Geld im Land zu verteilen. Wenn es jetzt darum geht, die Solidarität der Kommunen untereinander einzufordern, sind Sie nicht mehr mit an Bord. Das ist nicht gut, um es deutlich zu sagen. Das ist auch nicht fair gegenüber den Kommunen in Nordrhein-Westfalen, weil Sie damit suggerieren, es gebe eine Alternative. Das ist vor dem Hintergrund des Zustands des Landeshaushalts nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Frage, wer an der Solidaritätsumlage teilnimmt, ist nicht ein Blick in die Glaskugel, sondern es sind objektivierbare Kriterien. Das machen wir in drei Schritten. Wir gucken einmal: Welche Kommune ist überhaupt – ich finde das Wort furchtbar – abundant? Aus dem Lateinischen übersetzt heißt das: im Überfluss lebend. Im Überfluss lebt keine Kommune in Nordrhein-Westfalen mehr, aber es ist ein gesetzter Fachbegriff.

Dann versuchen wir zu erkennen: Wie ist deren Steuerkraft und deren Bedarf? Um es deutlich zu sagen: Dabei unterstellen wir Durchschnittsbedarfe. Kommt eine Kommune mit weniger Geld aus als andere Kommunen, verbleibt der zusätzliche Sparbeitrag in der eigenen Kasse. Wenn eine Kommune also besonders wirtschaftlich arbeitet, hat sie nach wie vor den Vorteil dadurch. Alle anderen Argumente sind mathematisch und auch politisch falsch und suggerieren etwas anderes als das, was wir in diesem Landtag 2010 gemeinsam anders beschlossen haben, dass nämlich die Finanzausstattung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich zu gering ist und dass es eben nicht die eigene Schuld von Kommunen ist, wenn die eine sparsamer sein kann als die andere. Ich bitte die Fraktionen hier im Haus, ein solches Argument nicht länger vorzutragen, weil es der kommunalen Landschaft selbst schadet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Betrachtung, wer abundant ist, beziehen wir nicht Kommunen ein, deren Steuerkraft möglicherweise durch Einmaleffekte einmal größer ist als der fiktive Bedarf, sondern nur solche, wo dieses Verhältnis in den letzten fünf Jahren dreimal vorgekommen, also eine nachhaltige Abundanz gegeben ist. Wir schöpfen 23,5 % der überschießenden Steuerkraft ab. Drei Viertel der überschießenden Steuerkraft verbleiben demnach in der Kommune, und ein Viertel fließt in die Solidaritätsumlage, mit der denen geholfen werden soll, die von besonderer Überschuldung bedroht sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist, wie ich finde, ein faires und gerechtes Modell. Ich habe es mit jedem einzelnen Bürgermeister diskutiert, sage aber ganz deutlich – das hat die Landesregierung verkündet, das haben auch die regierungstragenden Fraktionen bereits gesagt –: Wir sind nach wie vor gesprächsbereit. Wenn jemand einen besseren Weg vorschlägt, ein vernünftiges Argument bringt, wollen wir dem Pfad gerne folgen. Das bessere Argument kann aber nicht sein, dass das Land auch noch diesen Anteil im Stärkungspakt aus eigenen Mitteln finanziert. Die Leistungsfähigkeit und die Leistungskraft des Landes sind erschöpft. Wir brauchen einen Beitrag zur Rettung der Kommunen, auch einen Beitrag der Kommunen untereinander. Wenn es einen besseren Weg gibt, den wir heute hoffentlich hören werden, sind wir dafür aufgeschlossen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Minister Jäger hat die Redezeit um knapp eine Minute überzogen, sodass die Fraktionen denselben Anteil dazubekommen. Herr Kollege Abruszat hat für die FDP das Wort.

Kai Abruszat (FDP): Ganz herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Realitäten, und das sind folgende:

Erstens zitiere ich aus der „Westfalenpost“ vom 19. September:

„Wir haben real nicht genug Geld, um unsere Ausgaben decken zu können, sind für das Land aber reich genug an fiktiver Steuerkraft, um Geld abzugeben.“

Das sagt der Kämmerer der Stadt Olsberg.

Zweitens zitiere ich aus der „Rheinischen Post“ vom 16. September:

„Mit dieser Zwangsumlage spaltet das Land die kommunale Familie.“

Das sagt der Düsseldorfer Oberbürgermeister Dirk Elbers.

Im Übrigen haben Sie vorhin in der Debatte gesagt, Herr Kollege Hübner, die Stadt Düsseldorf sei jetzt genauso arm oder genauso reich wie vor der bilanziellen oder privatisierten Veränderung. Dann frage ich mich, warum Sie eine Solidarumlage von der Stadt Düsseldorf einfordern, wenn sie doch angeblich so arm ist.

(Beifall von der FDP – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nein, das ist falsch!)

Was jetzt den dritten Baustein angeht, Herr Minister Jäger, müssen Sie in Ihre eigene Landtagsfraktion schauen. Es muss Ihnen doch zu denken geben, dass Ihre eigene Landtagsfraktion offensichtlich nicht komplett hinter Ihnen steht. Da sagt der Kollege Landtagsabgeordnete Jens Geyer – so lässt er sich in der „Westdeutschen Zeitung“ am 30. August zitieren: „Ich meine das ernst.“ Vorher heißt es:

„Jens Geyer stellt sich gegen seine Landes-SPD. Der Landtagsabgeordnete will die geplanten Soli-Zahlungen so nicht hinnehmen. Es gibt noch ein Gespräch mit dem Bürgermeister von Hilden. Dann will Geyer das Thema in der Landtagsfraktion neu diskutieren und den Innenminister zum Umdenken bewegen.“

(Beifall von der FDP)

Also herzlich willkommen, lieber Herr Kollege Geyer, bei den Kritikern der Zwangsabgabe.

Die Krone, Herr Minister Jäger, haben Sie dem selbst aufgesetzt. Ich nehme es Ihnen ab, dass Sie mit den vielen betroffenen Kommunen diskutiert haben. Ich weiß, dass Sie eine Tour d’Horizon gemacht haben. Wenn Sie dann aber in der „Westdeutschen Zeitung“ am 21. August damit zitiert werden, dass Sie die Kritik der Solidarumlage zahlenden Kommunen mit dem Wort „Kokolores“ abtun – es sei alles Kokolores, was die Städte und Gemeinden da vortragen –, haben Sie, Herr Minister Jäger, die Ernsthaftigkeit der Sorgen der Kommunen vor Ort bei diesem Thema nicht erkannt.

(Beifall von der FDP)

Soweit zur Realität!

Jetzt noch etwas zur Entstehung des Stärkungspaktes, damit auch das klargestellt wird. Mit dem Stärkungspaktgesetz haben wir – Herr Minister, Sie haben es ausgeführt – zu Recht gemeinsam ein bedeutendes Selbsthilfeprogramm für die kommunale Familie ins Leben gerufen. Wir haben – das war das Ziel – gesagt: Sparen soll sich lohnen, soll motivieren und durch entsprechende zusätzliche Zahlungen aus dem Stärkungspakt belohnt werden.

Herr Minister, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf daran erinnern, dass wir in 2011 eine Situation hatten, wo das Thema der Kreditwürdigkeit von Kommunen in Rede stand. Auch deshalb war es richtig und wichtig, dieses Stärkungspaktgesetz auf den Weg zu bringen. Herr Minister, verehrte Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen, wir haben aber in das Stärkungspaktgesetz auch aufgenommen, dass wir seine Treffsicherheit und Zielgenauigkeit unter die Lupe nehmen wollen. Rund zwei Jahre nach Beschlussfassung des Stärkungspaktgesetzes ist es, glaube ich, ein Gebot der Klugheit, das einmal genau zu hinterfragen.

Meine Damen und Herren, es ist schon viel über das Stadion eines Viertligisten der Großstadt Essen gesprochen worden. Ich will jetzt nicht das Beispiel bemühen. Wenn aber Städte wie Monheim, Espelkamp und Erwitte dafür bezahlen sollen, dass die Stadt Essen in südeuropäische Kraftwerke und russische Atom-U-Boot-Lagerung investiert und gleichzeitig aus dem Stärkungspakt entsprechende Gelder bekommt, dann ist das, meine Damen und Herren, nicht mehr solidarisch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deswegen sage ich Ihnen: Die Zwangsabgabe gehört eingemottet. Lassen Sie uns – ich biete Ihnen diesen Dialog an; auch wenn Sie seit 2012 allein die Mehrheit haben – das Stärkungspaktgesetz grundlegend evaluieren! Lassen Sie uns schauen, dass wir nicht nur die strukturelle Lücke der Kernhaushalte, sondern auch der gesamten Beteiligungen der Kommunen in den Blick nehmen! Dann bekommen wir nämlich ein ehrliches und kein verzerrtes Bild von der kommunalen Lage. Dann können, meine Damen und Herren, die Hilfsgelder des Stärkungspaktes auch zielgerichtet fließen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Hübner.

Michael Hübner (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wenn mich der Kollege Abruszat schon so anspricht, dann bekommt er natürlich auch eine Antwort auf die Rolle Düsseldorfs. Schon heute Morgen spielte sie eingangs bei seinem Fraktionsvorsitzenden eine Rolle. In meinem letzten Beitrag konnte ich nachweisen, dass der Herr Kollege Lindner sich in seiner Einschätzung dabei definitiv geirrt hat. Das wird jetzt auch eine Rolle spielen.

Ich möchte aber eigentlich die Redezeit dazu verwenden, noch einmal klarzumachen, warum der Solidarbeitrag – der Stärkungspakt hat ja viel eher angefangen – im Jahr 2014 eine Rolle spielen wird. Bei der Diskussion damals – in den Jahren 2010 und 2011 – war uns allen klar – das haben wir auch durch einen Beschluss, an dem nahezu alle Fraktionen beteiligt waren, deutlich gemacht –, dass die Soziallasten in Bezug auf die strukturelle Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen das Problem sind. Das war das Kernproblem. Dem haben wir nicht nur die Erhöhung der gemeindlichen Verbundmasse im Gemeindefinanzierungsgesetz, sondern auch direkte Zuwendungen über das Stärkungspaktgesetz gegenübergestellt.

Wir haben damals eingefordert, dass es zu einer nachhaltigen Entlastung seitens des Bundes kommen muss. Dieser Einforderung ist auch stattgegeben worden. Sie hat heute Morgen in der Debatte auch eine Rolle gespielt. Es geht nämlich um die Grundsicherung im Alter. Die Entlastung ist aber nicht im Jahr 2012 zur vollen Wirksamkeit gekommen, sondern sie wird im Jahr 2014 zur vollen Wirksamkeit kommen. Das macht für alle Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen eine halbe Milliarde Euro an Entlastungswirkung aus.

Daher der Gedanke: Eine Solidaritätsabgabe ist von den leistungsfähigen Städten abforderbar, wenn es eine Bundesentlastung gibt. Die wird es im Jahr 2014 bei der Grundsicherung im Alter geben. Aufwachsend gab es die auch in den beiden letzten entsprechenden Jahren. Im Übrigen fußt das auch auf einer Überlegung, die Junkernheinrich und Lenk auf den Weg gebracht haben. Diese Überlegung war, dass das dann vertretbar ist. Daraus leitet sich die Solidaritätsabgabe ab.

Wie wirkt sich eine solche Entlastung aus? Der Kollege Abruszat hat als Beispiel die Stadt Düsseldorf angeführt. Ich habe noch einmal nachgeschaut: Im Jahr 2014 erhält die Stadt Düsseldorf eine Entlastung von 60 Millionen € bei der Grundsicherung im Alter. Diese rot-grüne Landesregierung hat dafür gekämpft. Die Zahllast, die bei der Solidaritätsabgabe für die Stadt Düsseldorf dem gegenübersteht, ist nach letzten Erkenntnissen etwa 27 Millionen €.

Ich glaube, das Geschäft, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte jede der 396 Kommunen gern gemacht, wenn das dabei herauskommt, was sozialdemokratische und grüne Politik für Nordrhein-Westfalen für die Kommunen gemacht hat. Das Geschäft hätte wirklich jeder gern gemacht.

(Beifall von der SPD)

Ich will betonen, dass sich das im kreisangehörigen Raum nicht eins zu eins darstellt, weil die Kreise die Kostenträger der Grundsicherung sind, und es sich nicht eins zu eins auf jede der Kommunen auswirken kann und die Belastungen durch Soziallasten in dem Bereich unterschiedlich sind. Letztlich ist es jedoch eine Entlastung, und daher das Jahr 2014.

Ich versuche, das ganz sachlich zu formulieren und will noch einmal unterstreichen, was Kommunal- und Innenminister Ralf Jäger gerade angeboten hat. Vielleicht haben wir nicht das „glücklichste“ Modell, es ist jedoch ein Modell, das wir damals mit der FDP – Ihr Vorgänger, Herr Kollege Horst Engel, war im Übrigen sehr engagiert dafür – diskutiert haben.

Horst Engel hat damals aber auch deutlich gemacht, dass es nicht eine wie auch immer geartete zufällige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sein kann. Wenn Sie neben dem Antrag, der geschildert worden ist, in die Begründung zum Gesetzentwurf hineinschauen, dann werden Sie dort finden, dass es eine nachhaltige Abundanz in Form einer Solidaritätsabgabe sein muss.

Es ist nicht völlig überraschend, was jetzt passiert ist, sondern es war seit dem Jahr 2011 zu erwarten und war in den Grundzügen schon angelegt. Von daher will ich noch einmal dazu aufrufen: Unterbreiten Sie Vorschläge, wie man zu einer besseren Finanzierung kommen kann. – Das tun Sie von der Opposition aktuell jedoch nicht. Sie kritisieren es ausdrücklich, aus Ihrer Sicht vielleicht berechtigt. Von daher noch einmal: Kehren Sie auf den Weg der konstruktiven Arbeit zurück – das gilt auch in Richtung CDU –, machen Sie Vorschläge. Dann sind wir auch bereit, zu besseren Verfahren zu kommen. Letztlich gilt das Struck’sche Gesetz: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.“ – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Für die CDU spricht Herr Kollege Kuper.

André Kuper (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf bringen Sie heute ein ungerechtes Gesetz ein. Als Opposition ist es unsere Aufgabe, den Finger in die Wunde zu legen. Dieser Kommunalsoli wird im Ergebnis eine offene Bestrafung für solides Wirtschaften in der Vergangenheit sein. Die Signalwirkung wird umso negativer ausfallen, als es solides Wirtschaften bestraft und nicht mehr belohnt.

Der Kommunalsoli wird Sie als Landesregierung sowie uns alle noch länger beschäftigen, denn die 60 Zahlerkommunen haben bereits Klage angedroht.

Sie werden mit diesem Gesetzentwurf sämtliche Leistungsanreize für eine solide Haushaltswirtschaft nehmen, und damit ist die Wirkung fatal.

(Dietmar Bell [SPD]: Völlig dummes Zeug!)

Übrigens diskutieren wir hier nicht grundsätzlich die Notwendigkeit der Hilfe für die kommunale Familie.

(Dietmar Bell [SPD]: Doch! Das tun Sie damit!)

– Nein. – Ich bin mir sicher, dass Sie spätestens im Jahr 2016 merken, dass auch auf der Empfängerseite eine Menge an Fehlern gemacht worden ist und von daher ein Scherbenhaufen offenkundig wird.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf regelt die Kehrseite der Medaille, nämlich die Zahlerseite, die Zwangsumlage, den Kommunalsoli. Mit diesem Gesetzentwurf planen Sie den Griff in die Stadtkassen der steuerstärkeren Kommunen. Sie ziehen damit jedoch in letzter Konsequenz unseren Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft in den 60 Solizahlerstädten das Geld aus der Tasche.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, seit Wochen versuchen Sie mit Begriffen wie „reiche Kommunen“, „leistungsfähige Kommunen“, „Solidarität“ Ihr falsches Handeln zu rechtfertigen und den Menschen in unserem Land Sand in die Augen zu streuen. Trotz hohem Aufwand und jeder Menge Sand gelingt Ihnen das nicht.

Schauen wir uns einige Fakten an. Dann wird deutlich: Dieser Gesetzentwurf ist durch und durch ungerecht. Sie setzen „steuerstark“ automatisch gleich mit „reich und leistungsfähig“, was so aber nicht stimmt. Meinen Sie mit „reich“ etwa die 18 der 60 Solizahlerstädte, die sich selbst schon in der Haushaltssicherung und im Nothaushaltsrecht befinden? Sind das reiche Kommunen? Oder sind es reiche Kommunen, wenn 53 ihren Haushaltsausgleich Jahr für Jahr nicht einmal bringen können? – Ich verstehe unter „reich“ etwas anderes.

Meinen Sie mit „reich“ auch die Schulden der Zahlerkommunen? Ja, die sind reich an Schulden. Die 60 Solizahlerstädte haben heute schon eine Verschuldung von 2,8 Milliarden €. Und das soll „reich“ im Sinne von vermögend und zahlungskräftig sein? Zum Teil sind Empfängerkommunen sogar geringer verschuldet als die jetzt zum Kommunalsoli anstehenden und ausgewählten Zahlerkommunen.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Wenn Sie dann noch mit einem Argument notwendige Solidarität einfordern – toll! Jedes Kind in der Schule lernt: Den Euro kann ich nur einmal ausgeben. Mit Ihrem Kommunalsoli sollen die Städte ihr Geld gleich zweifach und dreifach an das Land bezahlen.

Die Kommunen leisten schon Solidarität, und zwar zunächst – wir haben es heute mehrfach gehört – über das Gemeindefinanzierungsgesetz. Schlüsselzuweisungen von 6 Milliarden € erhalten nur die Steuerschwachen und nicht die Steuerstarken. Das ist bereits gelebte Solidarität. Nennen wir es: reich gibt arm.

Doch dann wird die Solidarität ein zweites Mal strapaziert, nämlich wenn es darum geht, eine Kreisumlage und eine Landschaftsverbandsumlage zu zahlen. Auch da müssen die Steuerstarken wieder richtig ran, also zum zweiten Mal Solidarität leben.

Wenn Sie dann mit dieser Zwangsumlage die Solidarität ein weiteres Mal einfordern, überlasten Sie damit die Kommunen. Das ist nicht zu leisten. Wenn Sie dabei für die Zahlerseite Maßstäbe von der Verteilungsseite nehmen und mit fiktiven Zahlen rechnen, dann führt es dazu, dass Sie 30 der 60 Zahlerstädte künstlich reichrechnen und sie damit komplett überfordern.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das haben Sie doch auch immer gemacht! Das ist doch überhaupt nichts Neues!)

– Wir reden nicht von der Gemeindefinanzierung, bei der Sie verteilen, sondern Sie fordern von den Städten Geld.

Im Ergebnis führt diese Zwangsabgabe de facto zur Einschränkung der verfassungsrechtlich zugesicherten Finanzhoheit.

Wir sprachen eben schon das Hebesatzrecht an.

(Zurufe von der SPD)

Ihr Vorgehen wird an dieser Stelle auch zu einer weiteren Entmachtung der Stadträte führen. Was glauben Sie, welche Bürgerinnen und Bürger sich wohl unter diesen Gesichtspunkten noch in die kommunale Ratsarbeit einbringen wollen?

Die kommunale Selbstverwaltung wird mit diesem Gesetzentwurf im Kern angegriffen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Von daher ist der Soli ungerecht, undurchdacht und unverantwortlich.

(Beifall von der CDU)

Wir fordern Sie deshalb im Interesse der Betroffenen auf: Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück!

(Norbert Römer [SPD]: Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Kuper, Ihr Beitrag hat mich nicht überrascht. Etwas anderes war nicht zu erwarten. Schön wäre es gewesen, wenn Sie in diesem Zusammenhang einmal Ihre Vorstellungen geäußert hätten. Doch da kam gar nichts.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ihr Beitrag hat mich auch angesichts der Aussage Ihres Fraktionsvorsitzenden Herrn Laumann vom Januar dieses Jahres anlässlich der Vorstellung der Haushaltsanträge der CDU-Fraktion für den Haushalt 2013 nicht überrascht. Er sagte: Eigentlich hat das Land für den Stärkungspakt gar kein Geld. Oder anders formuliert: Wir lassen die überschuldeten Gemeinden alleine. – Das ist die Position der CDU-Fraktion.

(Zuruf von der CDU: Das ist nicht unsere Position!)

Was mich allerdings auch nicht überrascht, Herr Kuper – da will ich Ihnen gerne entgegenkommen –, ist die Tatsache, dass sich die betroffenen Kommunen mit Händen und Füßen gegen die Einführung einer Solidarumlage wehren. Auch wir haben Gespräche geführt. Ich will auch glauben, dass Umlagen in Höhe von 46,5 Millionen € für Monheim oder rund 8 Millionen € für Straelen nur schwer verdauliche Kost für die Beteiligten sind. Das steht außer Zweifel.

Wir wissen auch, dass eine ganze Reihe von abundanten Kommunen keine ausgeglichenen Haushalte ausweist.

Aber: Sie sollten auch anerkennen – das ist gerade noch einmal vom Minister vorgestellt worden –, dass das Land unter erheblichen Kraftanstrengungen einen Großteil der Mittel zur Finanzierung des Stärkungspaktes bereitstellt. Ihr Fraktionsvorsitzender sagt dazu: Dies brauchen wir eigentlich nicht; dafür haben wir kein Geld. – Die Rede ist von rund 3,5 Milliarden €.

Herr Abruszat, es gab ein Einvernehmen mit Ihrer Fraktion, dass die zweite Stufe des Stärkungspaktes über die Kommunen zu finanzieren ist. Ich habe mir noch einmal den alten Gesetzentwurf aus 2011 angesehen. Da ist gesagt worden: In einem ersten Schritt werden entsprechende Befrachtungen vorgenommen – 50 Millionen € in 2012, 65 Millionen € in 2013 und dann eben 115 Millionen € in 2014.

Wir sind uns, glaube ich, einig, dass dies zulasten der Kommunen geht, die aufgrund ihrer Finanzkraft und ihrer unbestrittenen Aufwendungen auf ergänzende Schlüsselzuweisungen zwingend angewiesen sind. Es war auch klar, dass die damals in der Diskussion befindlichen 195 Millionen € zur Finanzierung der Stufe 2 – heute sprechen wir von 182 Millionen € – über eine Solidarumlage zulasten der wirtschaftlich starken bzw. abundanten Kommunen finanziert werden sollten.

Mit Blick auf die FDP-Fraktion noch eine Anmerkung: Sie haben damals die Verabschiedung des Stärkungspaktes – sprich Ihre Zustimmung – davon abhängig gemacht, dass die Solidarumlage nicht weiter konkret ausgestaltet wird. Minister Jäger hat das gerade mit den Worten formuliert: „in ein Gebüsch abgetaucht“. Ich sage dazu: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Diese unangenehme Aufgabe überlassen Sie den Fraktionen von SPD und Grünen. So viel zu Ihrer Verantwortung bzw. wie Sie sich hier davonstehlen wollen.

Wir wollen den finanziell schwächsten Kommunen einen Weg aus der Schuldenfalle aufzeigen. Der Stärkungspakt setzt auf Solidarität. Ohne eine solidarische Hilfe steuerstarker Kommunen gibt es keine schnelle Verbesserung der Finanzlage der überschuldeten Kommunen. Das ist keine Einbahnstraße, vielmehr ist ein Beitrag von jedem Einzelnen erforderlich.

Das gilt auch für die Stärkungspaktkommunen, über die Sie so gerne herziehen. Rund 70 % des Konsolidierungsbedarfs müssen von den betroffenen Kommunen selbst geschultert werden. Die Zahl der Gesamtmaßnahmen, die in den Haushaltssanierungsplänen aufgezeigt worden sind, beläuft sich mittlerweile auf 4.000, mit Einsparvolumina von etwa 5 Milliarden €. Das Verhältnis beträgt 35 % Einnahmeverbesserungen und 65 % Aufgabenabbau der kommunalen Infrastruktur, Personalabbau etc. – Das sind schmerzhafte Maßnahmen, wie wir aus dem Kreis der überschuldeten Kommunen wissen.

Solidarität heißt auch – zumindest ist das unser Credo –, dass die steuerstarken Kommunen mit ihren breiten Schultern ihre Verantwortung wahrnehmen müssen. Denn eines sollte allen Beteiligten klar sein: Wenn eine einzige überschuldete Kommune in Nordrhein-Westfalen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, dann wird das erhebliche Auswirkungen auf alle NRW-Kommunen haben, und zwar mit einem Risikoaufschlag der Banken auf die Zinsen für Kommunalkredite. Und das wird alle treffen. Insofern ist auch eine Einbeziehung der Steuerkraft der steuerstarken Kommunen gerechtfertigt.

Herr Abruszat, Herr Kuper, das Thema „Solidarumlage“ ist keine Erfindung von Rot-Grün, ganz im Gegenteil. In vielen Bundesländern existiert seit Jahren eine solche Umlage, wenn auch unter anderem Namen, das will ich gerne zugestehen. Man nennt sie dort „Finanzkraftumlage“, so in Baden-Württemberg, in Sachsen, in Sachsen-Anhalt, in Mecklenburg-Vorpommern, in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und auch in Rheinland-Pfalz. Wie gesagt: Das existiert schon seit Jahren, jeweils zur Anfüllung des Gemeindefinanzierungsgesetzes. In Baden-Württemberg gibt es noch die besondere Situation, dass ein Teil der Gelder im Landeshaushalt vereinnahmt wird. Das waren Beschlüsse der damaligen CDU-Landesregierung, so zu verfahren. So viel zu Ihrem Plädoyer zum Thema „abundante Kommunen“.

Wir werden nur die leistungsstarken, nachhaltig abundanten Kommunen nach dem Modell „drei aus fünf“ heranziehen. Das heißt: Nur wer in den letzten vier Jahren mindestens in zwei Jahren abundant war und im kommenden Haushaltsjahr abundant ist, wird in den Kreis der Zahlerkommunen einbezogen. Wir werden in 2014 lediglich 23 % der überschießenden Steuerkraft von den abundanten Kommunen abschöpfen. Das heißt: 77 % der überschießenden Steuereinnahmen verbleiben im Kreis der Geberkommune.

Dieses Geld wird, wie gesagt, nicht dem Landeshaushalt zugeführt, sondern es geht eins zu eins als Konsolidierungshilfe an die überschuldeten Gemeinden.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit, Herr Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Ja. – Ich würde gerne auf das Thema „Klagen auf hohem Niveau“ eingehen. Monheim erwartet …

Präsidentin Carina Gödecke: Aber das ist schwierig mit der Redezeit. Schon mit Zugabe sind Sie über der Zeit. Deshalb will ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Mario Krüger (GRÜNE): Lassen Sie mich noch drei Sätze zum Thema „Stadion RWE/Essen“ sagen.

(Heiterkeit)

Herr Kuper, ich möchte Sie daran erinnern, dass sowohl CDU als auch FDP dieses Investitionsvorhaben mit beschlossen haben.

(Zurufe von der CDU – Zuruf von Kai Abruszat [FDP])

Das alles, Herr Abruszat, unter den Augen Ihres finanzpolitischen Sprechers, Herrn Witzel, und zwar in seiner Funktion als Kreisvorsitzender der Essener FDP.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Mich wundert immer wieder, dass Sie solche Beispiele in dem Zusammenhang vortragen, aber mit keiner Silbe erwähnen, wie Ihr Agieren vor Ort aussieht. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Krüger, wenn Sie sich jetzt auf ein Zwiegespräch einlassen, ist das schwierig. Deshalb sage ich jetzt vielen Dank für Ihren Redebeitrag. Sie müssen sehen, ob Sie im weiteren Verlauf der Debatte Ihre Argumente noch einmal anbringen können.

Der nächste Redner für die Piraten ist der Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Raum und zu Hause! Ich werde jetzt von Herrn Krüger zu lernen haben. Das habe selbst ich noch nicht hinbekommen.

Wir haben heute Vormittag die Einbringung des Haushaltes 2014 erlebt, bei der Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans betont hat, dass die Landesregierung den Kommunen in diesem Haushalt 20 Milliarden € zur Verfügung stellt, darunter auch der jetzt diskutierte Stärkungspakt.

In der Rede des Finanzministers klang durch, dass er dies für bemerkenswert und ausreichend hält. Jetzt wundert mich allerdings schon, wenn wir hier über einen Kommunalsoli sprechen, obwohl es noch vor wenigen Stunden hieß, dass die bemühte Metapher der zu knappen Finanzdecke aufzeigt, dass nur Gerede über eine Umverteilung auf kommunaler Ebene nicht ausreicht. Also nun kommt das Handeln über den Finanzsoli.

Wenn wir uns das im Detail einmal ansehen, stellen wir fest, dass 20 Milliarden € über das Land – teilweise Bundes- und EU-Mittel – an die Kommunen gegeben werden. Jetzt soll innerhalb der kommunalen Familie ein Betrag von 181,6 Millionen € durch den vorliegenden Entwurf für einen Kommunalsoli umverteilt werden – Geld, welches der einen Gemeinde genommen und der anderen Gemeinde gegeben wird. Das ist weniger als 1 % der Summe, die über das Land zugewiesen wird, also verschwindend wenig. Weiterhin soll es nur 60 Kommunen betreffen, es können aber auch noch ein paar mehr sein.

Ich empfehle jedem Bürger, sich einmal die Verteilung dieser Lasten genauer anzusehen. Monheim und Düsseldorf, die hier schon erwähnt worden sind, sollen nach der ersten Modellrechnung über 72 Millionen € von diesen 181,6 Millionen € tragen. Nur einmal am Rande: Monheim mit der höchsten Zahllast. Wir hörten, Düsseldorf soll mit 27 Millionen € zur Kasse gebeten werden, den Rest von diesen 72 Millionen € zahlt dann Monheim, eine Gemeinde mit 40.000 Einwohnern. Das im nächsten Kommunalwahlkampf in den Gemeinden zu verklickern, wird hochinteressant werden.

Natürlich – das sollte auch jedem hier bewusst sein – müssen wir eine Lösung finden, wie wir flächendeckend die Kommunen stärken. Der Kollege Krüger sagte ja, wir wollen einen Weg aus der Schuldenfalle aufzeigen. Okay.

Natürlich ist es den Sozialdemokraten ein Dorn im Auge, wenn ein junger engagierter Bürgermeister seine Möglichkeiten der Selbstverwaltung nutzt und das Beste für seine Kommune herausholt. Das ist sein Job. Natürlich sind wir uns aber auch darin einig, dass dieses Verhalten in Bezug auf die Steuermodelle kein zukunftsweisendes Modell für ganz NRW darstellen kann. Den Wettbewerb, der dann unter den Kommunen entsteht, werden wir alle hier im Land Nordrhein-Westfalen zu tragen haben.

Dass Herr Minister Jäger sagte, Solidarität spiele eine wichtige Rolle, finden wir gut. Einzig: Den Schritt Stärkungspakt wie auch umgekehrt diesen Kommunalsoli, der dazu führt, dass die kommunale Selbstverwaltung immer weiter beschnitten wird, können wir nicht gutheißen. Das entspricht nicht der Haltung der Piratenfraktion. Daran müssen wir arbeiten.

Wenn sich Nideggen und Monheim mit komplett anderen Voraussetzungen gegenüberstehen und sich beide beschweren, dann müssen wir das ernst nehmen und dann sollten wir darüber reden.

Der Stärkungspakt zwingt Kommunen zu einer drastischen Erhöhung der Grundsteuer B. Ich denke, das wird niemand bestreiten. Natürlich kann es dann nicht anders sein, dass sich Monheim damit rühmt, einen besonders niedrigen Gewerbesteuerhebesatz anzubieten. Aber es steht nun einmal nach der Verfassung jeder Kommune frei, wie sie die Geschicke zum Wohle des Bürgers einsetzt.

Der Stärkungspakt stellt den Versuch an, bestimmten stark betroffenen Gemeinden wieder in die Selbstverwaltung zu verhelfen – aber wie im Kommunalsoli auch durch Zwang, per Gesetz aus Düsseldorf.

Wir müssen oder sollten zumindest stärker in die Richtung gehen, dass wir die Kommunen dabei mitnehmen und damit vor allen Dingen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und die Kommunen befähigen, aus sich heraus und aus ihrer eigenen Kraft diese Stärke zu gewinnen, die hier durch eine Umverteilung und ein Gegeneinander-Aufbringen von Städten und Gemeinden erfolgt.

Wenn Sie, Herr Minister, sagen, finanzschwache Kommunen sollen und müssen gerettet werden, dann sorgen Sie dafür, dass die Kommunen – in dem Fall bin ich ganz bei Herrn Abruszat – die Hosen herunterlassen und so etwas wie eine Vermögensoffenbarung auf den Tisch legen, die transparent macht, welche Vermögenswerte wo versteckt sind und wo Schätze gehoben werden können, sodass wir einen Kommunalsoli nach Möglichkeit nicht brauchen, sondern am Prinzip der Selbstverwaltung der Gemeinden auch in wirtschaftlicher Hinsicht festhalten und diese weiter stärken. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Damit sind wir am Ende der Beratung. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/3968 an den Ausschuss für Kommunalpolitik federführend – sowie zur Mitberatung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Möchte sich jemand dagegen aussprechen? Enthält sich jemand? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir den Gesetzentwurf so überwiesen.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP. Hier empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Antrags Drucksache 16/3964 an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Dort soll er dann auch abschließend beraten und in öffentlicher Sitzung abgestimmt werden. Möchte sich jemand dagegen aussprechen oder enthalten? – Das ist beides nicht der Fall. Dann ist auch dieser Antrag überwiesen.

Ich rufe auf:

4   Fragestunde

Drucksache 16/4035

Mit der Drucksache 16/4035 liegen Ihnen zwei Mündliche Anfragen vor, nämlich zum einen die Mündliche Anfrage 26 aus der letzten Fragestunde, die am 10. Juli stattgefunden hat, sowie die Mündliche Anfrage 27.

Ich rufe zuerst auf die

Mündliche Anfrage 26

des Herrn Abgeordneten Ralf Witzel von der Fraktion der FDP:

Aktueller Sachstand im Trägerstreit über Eigentumsfragen und Rechtsformwahl – Scheitert die Provinzial-Fusion von Rheinprovinz und Westfalen an einer unüberwindbaren Interessenskollision ihrer Protagonisten?

Der Wirtschaftsdienst „Platow-Brief“ meldet am 8. Juli 2013 mit seinem Beitrag „Provinzial-Fusion droht angeblich das Aus“, dass die unterschiedlichen Träger nach jetzigem Stand der Fusionsgespräche kaum noch mit einer Einigung rechnen würden. Damit wäre wie auch schon in früheren Jahren das Fusionsvorhaben der öffentlichen Assekuranz in Nordrhein-Westfalen gescheitert.

Als zentraler Grund wird die stark divergierende Interessenlage bei der Rechtsformwahl für eine denkbare gemeinsame Holding seitens der Träger benannt (AöR oder AG-Lösung).

Der SVWL-Vizepräsident hat hingegen noch am 25. Juni 2013 in einer Landtagsanhörung betont, sich in die Rechtsformfrage nicht einmischen zu wollen. Diese Frage sei von den beiden Vorständen der Provinzialen zu bewerten und zu entscheiden. (Wortprotokoll HFA, APr 16/279, S. ).

Im Zusammenhang mit Entscheidungen zur Rechtsformwahl stellen sich auch ökonomisch relevante Eigentumsfragen. Hierbei ist auch der bundesweit einmalige Vorgang der aktuellen Ausschüttungsklage von Relevanz. Bereits am 24. Juni 2013 haben drei Aufsichtsratsmitglieder der Provinzial NordWest Holding AG beim Landgericht Münster Klage eingereicht, um die Unwirksamkeit des Beschlusses der letzten Provinzial-Hauptversammlung vom 28. Mai 2013 über die Gewinnverwendung für das Geschäftsjahr 2012 gerichtlich feststellen zu lassen. Der Hauptversammlungsbeschluss sieht vor, dass mehr als 70 Millionen € an die Eigentümer ausgeschüttet werden sollen. Das entspricht über 85 % des gesamten Jahresüberschusses und einer Verzinsung des Nenngrundkapitals von fast 44 %. Die Kläger halten diese Ausschüttungspolitik für ein zwar mittlerweile in privater Rechtsform befindliches, aber bezüglich seines Auftrags weiter öffentlichen Zwecken verpflichtetes Unternehmen für unangemessen und rechtswidrig.

Materiell-rechtlich sind die Rechtsverhältnisse öffentlich-rechtlicher Versicherungsanstalten in Nordrhein-Westfalen geregelt worden durch das Preußische Sozietätengesetz, dessen Fortgeltung als Landesrecht auch seitens des Landesgesetzgebers seinerzeit ausdrücklich anerkannt worden ist. Ein öffentlicher Versicherer hat nach diesem Auftrag „nur im Interesse des gemeinen Nutzens“ zu arbeiten.

§ 19 hat ursprünglich sogar ausdrücklich in Abgrenzung zu privaten Aktiengesellschaften ein Ausschüttungsverbot vorgesehen, damit „Vermögen und Einnahmen der Anstalt nur im Interesse der Anstalt oder der Versicherten verwendet werden dürfen“. Diese grundsätzliche Ausrichtung ist jedenfalls für die westfälische Provinzial durch das „Gesetz über die Rechts-verhältnisse der Westfälischen Provinzial-Ver­sicherungsanstalten und über die Aufhebung des Gesetzes betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten“ vom 16. November 2001 tiefgreifend geändert worden. Seitdem haben die Gewährträger beispielsweise auch das Recht, das Stammkapital aus dem Jahresüberschuss zu verzinsen.

Unlängst haben die Unternehmensleitungen der rheinischen und westfälischen Provinzial noch betont, dass für die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Assekuranz in Nordrhein-Westfalen vor dem Hintergrund extrem niedriger Zinsen und deren Auswirkungen auf die Ertragsmöglichkeiten dringend Einsparungen notwendig seien. So sollen signifikante Synergiepotenziale durch eine Fusion der rheinischen und westfälischen Provinzial realisiert werden, indem rund 10 % der Stellen im Innendienst der Hauptverwaltungen gestrichen würden. Das entspräche einem Personalabbau von rund 500 Stellen. Konkret gehen die Vorstände in ihrem Memorandum davon aus, dass im Fusionsfall durch Synergieeffekte mit einer Ergebnisverbesserung von 80 bis 100 Millionen € zu rechnen ist. Details und Ausgestaltungsfragen einer denkbaren Fusion der öffentlichen Assekuranzen wollten die Beteiligten eigentlich in der Folgezeit klären.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans favorisieren nach bisherigen Bekundungen die Fusion der rheinischen und westfälischen Provinzial-Versi­cherungen.

Das Parlament hat daher ein Anrecht darauf, die Einschätzung der Landesregierung zum aktuellen Sachstand der Fusionsgespräche sowie Details zu den Hintergründen der streitigen Eigentums- und Rechtsformfragen zu erfahren. Dazu gehört auch der transparente Umgang mit den der Landesregierung vorliegenden Fakten.

Scheitert die Provinzial-Fusion von Rheinprovinz und Westfalen an einer unüberwindbaren Interessenskollision ihrer Protagonisten?

Ich bitte Herrn Minister Dr. Walter-Borjans um Beantwortung.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – In der Presse sind im November 2012 erstmalig Überlegungen laut geworden, dass sich die Eigentümer der Provinzial NordWest Holding AG von dieser Beteiligung trennen und dass sie an die Allianz veräußern wollen.

Die Ministerpräsidentin hat daraufhin mit den Eigentümern der Provinzial Versicherungsgesellschaften NordWest, aber eben auch Rheinland gesprochen. Dabei ist vereinbart worden, bis Ende März 2013 über eine mögliche engere Zusammenarbeit bis hin zu einer möglichen Fusion zu verhandeln.

Die Vorstände der beiden Provinzialen haben inzwischen einen ersten positiven Abschlussbericht vorgelegt, der ein Regiomodell favorisiert. Danach ist eine Beibehaltung der regionalen Auftritte vorgesehen, während allgemeine Funktionen wie Kapitalanlage, IT, allgemeine Verwaltung usw. zentralisiert werden sollen. Die Gewährträger bzw. die Eigentümer haben sich auf dieser Basis für weitere Verhandlungen ausgesprochen. Nähere Ergebnisse haben wir zurzeit allerdings noch nicht.

Die Rechtsgrundlage für die Provinzial Rheinland Holding ist der Staatsvertrag zwischen den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen über die Provinzial-Feuerversicherungsanstalt der Rheinprovinz und die Provinzial-Lebensversicherungsanstalt der Rheinprovinz aus dem Jahr 1995.

Die Provinzial NordWest Holding AG unterliegt als AG allein der Versicherungsaufsicht der BaFin. Als AG unterliegt sie weder der Rechts- noch der Versicherungsaufsicht des Landes. Die geplante Fusion und insbesondere die Wahl der Rechtsform Anstalt des öffentlichen Rechts oder Aktiengesellschaft sind deshalb zunächst einmal Sache der Eigentümer bzw. der Gewährträger der Provinzialversicherungen. Ob hierfür eine Änderung des Staatsvertrages erforderlich ist, muss zu gegebener Zeit geprüft und entschieden werden.

Das Finanzministerium hat die Rechtsaufsicht über die Provinzial Rheinland Holding und kann darüber hinaus allenfalls moderierend eingreifen.

Die Landesregierung begrüßt weiterhin die laufenden Verhandlungen. Ob sie letztendlich zu einem Erfolg führen, ist noch nicht abzusehen.

Ich kann also vor diesem Hintergrund zurzeit nur sagen: Die auch von Herrn Witzel angesprochene Vermutung, die im Platow-Brief geäußert worden ist, ist nicht zu bestätigen. Es gibt die Gespräche. Es gibt aber noch keine Ergebnisse.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Witzel stellt seine erste Nachfrage. Bitte.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie mir die Gelegenheit zu einer ersten Nachfrage geben. – Herr Finanzminister, in Landtagsdrucksache 16/4071 betont die Landesregierung, dass neue Rechtsverhältnisse für die Provinzial ab 1. Januar 1997 die Verzinsung von Stammkapital und dessen Erhöhung aus Anstaltsmitteln zugelassen haben.

Was die Landesregierung dabei leider verschweigt, ist der Umstand, dass diese Gültigkeit auf einer höchst unüblichen fünfjährigen Rückwirkungsfrist der 2001er-Gesetzgebung beruht, also bis Ende 2001 noch nicht der seinerzeit gültigen Rechtslage entsprochen hat.

Meine Frage ist deshalb: Auf welcher Rechtsgrundlage konnte die Aufsicht des Landes in Ermangelung entsprechender Befugnisse bis zur Rechtsänderung Ende 2001 die erfolgten Kapitalumschichtungen und ?entnahmen für zulässig befinden, für die es offenbar bis zum Änderungszeitpunkt 2001 ausdrücklich keine Ermächtigungsnorm gegeben hat?

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Damals ist diese Regelung zusammen mit Rheinland-Pfalz gefunden worden. Die Regelungen, die für beide, sowohl für die Provinzial der Rheinprovinz als auch für die NordWest, galten, sind von den jeweiligen Gremien, die dafür zuständig waren und die Aufsicht hatten, nicht bemängelt worden.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Wedel möchte Ihnen die nächste Frage stellen.

Dirk Wedel (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, die Fusion der rheinischen und westfälischen Provinzialversicherungen ist ein wichtiges Ziel dieser Landesregierung. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung für die Aufstellung der öffentlichen Assekuranz in NRW, falls sich die beteiligten Unternehmen bzw. ihre Träger nicht auf eine Fusion einigen können?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Es ist nicht richtig, dass die Fusion das vorrangige Ziel ist, sondern Ausgangspunkt ist es gewesen, dass wir im November des vergangenen Jahres erfahren haben, dass die Eigentümer der Provinzial NordWest AG ihre AG auf privatwirtschaftlicher Basis veräußern wollten. Uns ging es darum, dass wir insgesamt die drei Säulen unseres Kredit- und Finanzwesens, nämlich die Geschäftsbanken auf der einen Seite, die Sparkassenorganisationen auf der anderen und auf der dritten die Genossenschaftsbanken, in ihrer gesamten Leistungspalette und Leistungsfähigkeit erhalten.

Die Frage war jetzt: Was passiert, wenn man erfährt, dass ein Teil veräußert werden soll? Sie können sich das vorstellen. Das ist ja nicht nur eine Verunsicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es ist eine Verunsicherung von Kunden. Es ist auch eine Verunsicherung des Marktes, weil man hinterher im Kleid der Provinzial auf der einen Seite ein privatwirtschaftliches Unternehmen hat und auf der anderen Seite eines, das in bestimmten Regionen zum öffentlich-rechtlichen Sparkassensektor gehört.

Das war die Ausgangslage dafür, dass wir gesagt haben: Wir erkennen ja an, dass es in der Lebensversicherungsbranche insgesamt Probleme gibt, die durch die lange Niedrigzinsphase ausgelöst worden sind. Das ist ja nicht nur im öffentlich-rechtlichen Bereich der Fall. Das ist bei anderen auch so. Das ist auch nicht nur in Nordrhein-Westfalen so.

Eine Landesregierung wird sicher nicht die Eigentümer im öffentlich-rechtlichen Bereich zwingen, etwas zu tun, was anschließend wirtschaftlich völlig unvernünftig ist.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Uns geht es nur darum: Wir haben Zweifel daran, dass die Stärkung und der Erhalt dieses öffentlich-rechtlichen Sektors gewährleistet werden können, wenn man so vorgeht, wie es anklang, dass man nämlich einen Teil an die Allianz – so hieß es jedenfalls – veräußert. Deswegen haben wir gesagt: Wenn ihr nicht alleine existieren könnt – es gibt eine Menge Stimmen, die sagen, das geht –, dann überlegt bitte, wie ihr innerhalb der Familie zu Formen der Zusammenarbeit kommen könnt, die sicherstellen, dass diese öffentlich-rechtliche Architektur erhalten bleibt.

Diesen Auftrag haben die Beteiligten mitgenommen; an dem arbeiten sie. Es gibt im Moment überhaupt kein Anzeichen dafür, dass sie nicht zu einer Lösung kommen, die den Sektor am Ende praktisch stabilisiert. Wir haben also nicht gesagt: Ihr müsst auf jeden Fall zu einer Fusion kommen.

Weder die Ministerpräsidentin noch ich können die Geschäftslage so einschätzen, dass wir sagen könnten, die Fusion sei am Ende genau der richtige Weg. Es scheint ja so zu sein, dass sich beide Beteiligten auf dieses Regio-Modell geeinigt haben und an dieser Stelle weiterarbeiten.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächstes hat sich der Herr Kollege Nückel zu einer Frage gemeldet.

Thomas Nückel (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, ich habe eine Frage im Zusammenhang mit Ihrer Antwort gerade. Ich meine, Sie haben vor dem Plenum unlängst erklärt, im Falle eines Unterbleibens einer Fusion der beiden Provinzial-Versicherer in NRW drohe sogar eine Gefährdung dieses Teils des öffentlichen Finanzsektors. Sind aus Sicht der Landesregierung die beiden öffentlichen Provinzial-Versicherungen in Nordrhein-Westfalen denn auch ohne eine Fusion weiterhin – ich sage das einmal so – stabil und lebensfähig?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das kann ich aus Sicht der Regierung nicht beantworten. Ich habe nur immer die Position vertreten, dass die Veräußerung eines Teils, wodurch die Marke Provinzial völlig auseinanderfällt, nach meinem Dafürhalten nicht zu guten Ergebnissen führen kann. Man sollte also auf jeden Fall alles daransetzen, diese Familie Provinzial innerhalb des öffentlich-rechtlichen Sparkassen- und Finanzsektors zusammenzuhalten – nicht mehr und nicht weniger.

Aus der Begleitung von Gesprächen – ich bin ja nicht Teil einer Verhandlungskommission; wir sind ja auch nicht unmittelbar Eigentümer, sondern das ist eine AG, die unter der Rechtsaufsicht der BaFin steht – höre ich immer wieder, dass das Problem der Provinzial – auch das Problem der Provinzial NordWest – nicht darin besteht, das sie für sich allein genommen zu klein ist, sondern darin, dass es insgesamt Veränderungsbedarf gibt. Man muss sehen, ob man diesen Veränderungsbedarf getrennt oder in Kooperation befriedigen kann oder ob man hierfür sogar eine Fusion ins Auge fassen muss.

Ich glaube, man sollte zumindest eine Kooperation eingehen. Aber auch das ist nur eine Einschätzung auf der Grundlage der Teile von Gesprächen, von denen ich unmittelbar erfahre.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächstes hat sich Herr Kollege Alda gemeldet.

Ulrich Alda (FDP): Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister Walter-Borjans, Rechtsgrundlage für die heutigen Fusionsüberlegungen bei der Provinzial sind die umfangreichen Gesetzesveränderungen des Jahres 2001, bei denen gravierende Veränderungen, aber auch ein klarer Auftrag für die Träger formuliert wurden.

Herr Minister, fühlt sich die heutige Landesregierung noch in vollem Umfang an die fixierten Grundsätze und Verpflichtungen der letzten Gesetzgebung des Jahres 2001 gebunden?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Natürlich gilt die Gesetzgebung. Es ist damals ja auch die Möglichkeit eines Rechtsformwechsels in Richtung AG eröffnet worden. Davon ist auch Gebrauch gemacht worden. Ich kann mich jetzt nicht hinstellen und sagen: Das ist rückgängig zu machen.

Dass die beiden verschiedenen Rechtsformen heute die Gespräche nicht einfacher machen – das eine ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, das andere ist eine AG –, ist überhaupt keine Frage. Das ist damals aber eben nicht auf der Grundlage geschaffen worden, dass man die beiden Teile fusioniert, sondern es ging damals unter den gegebenen Umständen auch um Stabilisierung. Auf dieser Grundlage werden jetzt Gespräche geführt.

Diese Gespräche führen natürlich dazu, dass Pro und Kontra abgewogen wird, ob eine Zusammenarbeit oder eine Fusion am Ende dazu führt, dass sich entweder eine Anstalt des öffentlichen Rechts in Richtung einer AG entwickeln oder eine AG umgekehrt wieder in eine Anstalt des öffentlichen Rechts zurückentwickeln muss. Dabei geht es auch um die jeweiligen Vor- und Nachteile. Diese werden von den Gewährträgern, von den Eigentümern, mit Sicherheit auf alle positiven und negativen Aspekte hin abgewogen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun hat sich Frau Kollegin Schneider von der FDP-Fraktion gemeldet.

Susanne Schneider (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, die Fusion der beiden Provinzial-Versicherer in NRW ist als Alternative zu einer Veräußerung der westfälischen Provinzial an eine große private Versicherungs-AG ins Spiel gebracht worden. Werden Verkaufsoptionen für die Provinzial im Falle eines Scheiterns der Fusion wieder aktuell und von der Landesregierung zugelassen, oder hat die Landesregierung diese im Dialog mit den Trägern dauerhaft ausgeschlossen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Wie gesagt: Es geht jetzt nicht nur um die Frage, ob die Fusion allein ausschlaggebend dafür ist, was geht und was nicht geht. Aus den Gesprächen, über die mich Teile der Verhandlungsseiten – seien es die Eigentümer, sei es Verdi – bisher immer wieder informiert haben, weiß ich, dass die Gespräche auf einem guten Weg sind.

Sollte es nicht zu einem Erfolg kommen, dann ist die Frage der Veräußerung – das wäre auch ohne Verhandlungen so gewesen – nicht in erster Linie durch das Land Nordrhein-Westfalen zu beantworten, sondern durch die Eigentümer. Zu den Eigentümern der Provinzial NordWest gehören neben dem Sparkassenverband Westfalen-Lippe der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, aber eben auch der Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein und zum Teil, bezogen auf Mecklenburg-Vorpommern, der Ostdeutsche Sparkassenverband. In diesen Ländern wäre für eine Veräußerung sogar ein Beschluss des jeweiligen Landtags notwendig, der, soweit wir informiert sind, zumindest in Bezug auf einige Teile definitiv nicht zu erreichen wäre.

Wir hatten eine ähnliche Diskussion ja auch in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe. Diese Frage stellt sich bezogen auf die Landesregierung und den Landtag zurzeit nicht.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Nun hat sich Frau Kollegin Freimuth gemeldet.

Angela Freimuth (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, im Vorfeld der angedachten Fusion hat es auch eine Klage von Aufsichtsratsmitgliedern der Provinzial NordWest hinsichtlich des Unternehmenswerts und der Angemessenheit von Ausschüttungen gegeben.

Mich würde interessieren, wie die Landesregierung für die beiden Provinzial-Versicherer in Nordrhein-Westfalen die jeweilige Entwicklung der Ausschüttungshöhe bewertet.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Dazu kann ich nur sagen, dass es sich hier um die Ausschüttung erstens einer AG handelt, die zweitens unter der Rechtsaufsicht der BaFin steht, und dass die BaFin entschieden hat, dass die Ausschüttung in dieser Höhe nicht zu beanstanden war. Ich habe darüber selbst auch einmal mit der BaFin reden können. Mir ist noch einmal bestätigt worden: Die BaFin überprüft und verfolgt die Aktivitäten auf dieser Ebene. Sie ist nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass das, was geschehen ist, nicht zulässig gewesen wäre.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Frau Kollegin Gebauer, bitte schön.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Minister Dr. Walter-Borjans, Sie haben schon gesagt, dass die Gespräche, die in Bezug auf die Provinzial-Fusion geführt werden, auf einem guten Weg seien. Sie haben auch schon die gemeinsame Rechtsform angesprochen. Hier gibt es neue Handlungsspielräume, nachdem beide Sparkassenverbände versichert haben, der Gründung einer landesweiten Anstalt öffentlichen Rechts nicht mehr im Wege zu stehen. Sie haben auch gesagt, dass Sie nicht Verhandlungsführer sind. Gleichwohl meine Frage an Sie: Mit welchem Erfolg setzt sich die Landesregierung an dieser Stelle bislang für die von ihr favorisierte Rechtsformwahl ein?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich sage noch einmal: Diese Gespräche basieren nicht auf einer Vorgabe des Landes, das sich anmaßt zu sagen: Wir wissen, wie, in welcher Rechtsform und mit welchem Ziel die beiden Unternehmen zu führen sind.

Die Position der Landesregierung ist zum einen, zu akzeptieren und anzuerkennen, dass der Lebensversicherungssektor im Augenblick Probleme hat – nicht nur da, wo er öffentlich-rechtlich organisiert ist, sondern auch in anderen Bereichen. Insofern wäre es nach meinem Dafürhalten auch völlig falsch, wenn wir in einer solchen Situation Vorgaben machen würden, die möglicherweise dann sogar erst zu Problemen in dem Bereich der öffentlichen Lebensversicherungen führen würden.

Deswegen ist unsere Position, anzuerkennen: Es gibt hier einen Bedarf, sich richtig für die Zukunft aufzustellen. Das ist mit unserem Ziel verbunden, den öffentlich-rechtlichen Sektor nicht zu schwächen. Daraus kann man ableiten, dass es nach meinem und nach unserem Dafürhalten nicht gut wäre, wenn die Probleme, die nun einmal da sind, durch den Verkauf an ein privatwirtschaftliches Unternehmen gelöst würden.

Deswegen haben jetzt die eigentlichen Beteiligten, die Protagonisten, wie Sie sie auch genannt haben, die Aufgabe, vor diesem Hintergrund zu diesen Rahmenbedingungen nach der bestmöglichen Aufstellung zu suchen. Sie besteht mit Sicherheit – das haben wir in anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Sparkassenverbänden, auch gesehen – in einer besseren Kooperation in vielen Bereichen. Es gibt bei den Provinzialen bis heute nicht das, was die Sparkassen erreicht haben, nämlich die IT zu vereinheitlichen und zusammenzufassen. Es gibt noch unterschiedlichste Formen auch der Bezahlung, der Übernahme von Sozialversicherungslasten usw. Es gibt also eine ganze Reihe von Dingen, die sicher zwischen den Beteiligten anzusprechen sind.

Meine Aufgabe ist es nicht, jetzt im Einzelnen zu sagen, was da zu vereinbaren ist, sondern unser Ziel ist: Wir wollen nicht nur den Bereich der Sparkassen, sondern auch der in den Sparkassen angebotenen Dienstleistungen so sichern, dass dieser Teil der öffentlich-rechtlichen Säule auf Dauer erhalten werden kann. Daran mögen bitte jetzt die arbeiten, die dafür auch zuständig sind.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Zu einer Frage hat sich Kollegin Schmitz von der FDP-Fraktion gemeldet.

Ingola Schmitz (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, teilweise wird die Auffassung vertreten, eine einzige öffentliche Versicherungsgesellschaft für ganz Deutschland sei ausreichend. Die traditionelle regionale Verankerung der Assekuranz-Gesellschaften entfiele dann. Soll aus Sicht der Landesregierung der aktuelle Fusionsprozess der Provinzial im Rheinland und in Westfalen nur der erste Schritt zu einem einzigen einheitlichen öffentlichen Versicherer deutschlandweit sein?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Auch da will ich nicht in die Hoheit derer eingreifen, die die richtigen Strukturen finden sollen, um das Ziel, das ich gern hätte, zu erreichen, nämlich das öffentlich-rechtliche Dienstleistungsangebot im Finanzbereich aufrechtzuerhalten.

Wir wissen, dass es vielfältige Überlegungen bei den Provinzial-Versicherungen gibt, wie man sich organisieren könnte. Da ist die mögliche Zusammenarbeit oder sogar Fusion zwischen Rheinland und NordWest nur ein Teil. Wir wissen, dass natürlich auch Gespräche im Bereich dieser Versicherungen bis hin nach Bayern und in andere Regionen geführt werden. Wenn sich daraus gewollte und sinnvolle Kooperationen ergeben, ist das sicher nichts, wogegen ich mich wehren würde. Das würde nach meiner Auffassung diese öffentlich-rechtliche Säule stärken.

Wenn man aber sieht, wie viel hier in dem Bereich zwischen Rheinland und Westfalen bzw. Rheinland und NordWest schon zu diskutieren ist, dann hielte ich es im Augenblick jedenfalls nicht für besonders zielführend, wenn man diese Gespräche durch weiteres Ausdehnen noch weiter befrachten würde. Ich finde, man sollte jetzt an dieser Stelle, an der man ist und über die man redet, erst einmal zu einem Ergebnis kommen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Nun hat sich der Kollege Bombis von der FDP-Fraktion gemeldet.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben dargestellt, dass intensive Gespräche geführt worden sind und über die Modalitäten einer Provinzial-Fusion in den letzten Wochen zwischen den unterschiedlichen Beteiligungen hart verhandelt und gerungen worden ist. Können Sie mir sagen, welche konkreten Bedingungen oder Erwartungen oder Auflagen für diesen Fusionsprozess zu einer Provinzial Nordrhein-Westfalen die Landesregierung möglicherweise formuliert hat?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Wir haben keine konkreten Auflagen formuliert. Ich habe die Zielsetzung eben beschrieben. Unter dieser Zielsetzung arbeiten die Versicherungsunternehmen an einer wirtschaftlich guten Lösung, die im Rahmen dieser Zielsetzung der Stärkung und Erhaltung des öffentlich-rechtlichen Teils erreicht werden kann. Es ist jetzt Aufgabe für die beiden, dazu einen Weg vorzuschlagen.

Ich kann nicht erkennen, dass beide Seiten jetzt unter einem Druck stehen, der mit der Geschwindigkeit, in der sie arbeiten, nicht in Übereinstimmung stünde. Ich bekomme immer die Informationen, dass das nicht einfach ist, dass man miteinander verhandelt, dass man auf einem guten Weg ist und dass man sich innerhalb des Rahmens, auch des Zeitrahmens, befindet, der dafür notwendig ist.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun hat sich zu einer Zusatzfrage Kollege Nückel gemeldet.

Thomas Nückel (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, die Westfälische Provinzial NordWest ist bereits das Ergebnis einer Fusion mit Schleswig-Holstein und Ostdeutschland. Hat sich nach Ihrer Einschätzung dieser erste stattgefundene Fusionsprozess mit der nördlichen Assekuranz vor dem Hintergrund der ursprünglichen Zielsetzung im Nachhinein bewährt?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das kann ich im Einzelnen nicht beurteilen. Jedenfalls ist in den Gesprächen, die ich bis jetzt geführt habe, dieser Schritt nicht als ein Hinderungsgrund oder eine Erschwernis dargestellt worden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Zu einer Zusatzfrage hat sich der Kollege Wedel gemeldet.

Dirk Wedel (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, durch eine Übertragung von Vermögenspositionen und die Schaffung eines übertragbaren zivilrechtlichen Eigentums, für die keine adäquate finanzielle Gegenleistung bei im Marktwettbewerb teilnehmenden Unternehmen erfolgt, wären Fragestellungen des EU-Beihilferechts betroffen. Wie sehen die Ergebnisse einer EU-beihilferechtlichen Prüfung der Landesregierung für die Übertragungsvorgänge der Provinzial-Anteile und die Schaffung fungiblen Eigentums auf dem Wege der Rechtsformänderung für bisher erfolgte und zukünftig angedachte Transaktionen aus?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Dafür gibt es im Augenblick keine Prüfungen und kein Prüfungsergebnis, weil sich diese Frage momentan noch nicht stellt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Zu einer Zusatzfrage hat sich der Kollege Stamp gemeldet. Bitte schön.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Finanzminister, Sie haben zu Gesprächen im Jahr 2012 ausgeführt. Ich würde gern wissen: Welche Gespräche haben Sie, Herr Finanzminister, oder andere Mitglieder der Landesregierung im laufenden Jahr 2013 mit den Trägern der Provinzial geführt?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich halte mich bewusst zurück, um das ganz klar zu sagen. Trotzdem hat man immer wieder Gelegenheiten oder auch Bitten vonseiten der Provinzial. Das reicht sowohl von der Vertretung der Beschäftigten über den Vorstand bis hin zu Vertretern der Gewährträger wie den Sparkassenverbänden oder den Landschaftsverbänden. Daraus bekommt man bisher eine atmosphärische Berichterstattung.

Ich habe Wert darauf gelegt, dass ich zunächst einmal von den Beteiligten, die Eigentümer und Management sind, eine Darstellung bekomme, wie man die Sache einschätzt.

Alles dazwischen sind Zwischenmeldungen. Sie sind interessant. Sie geben einem auch Hinweise darauf, ob das Ziel, das wir vertreten, diesen öffentlich-rechtlichen Teil zu erhalten, erreichbar ist oder nicht. Da kann ich nur sagen: Daran habe ich jedenfalls zurzeit keine Zweifel. Aber wie im Einzelnen die Formen der Zusammenarbeit aussehen sollen, müssen die Beteiligten selbst entscheiden.

Ich werde beispielsweise darüber informiert, indem mir zum Beispiel von der Gewerkschaftsseite gesagt wird, dass man durch eine Klage überprüfen lassen will, ob die Ausschüttungen rechtens sind oder nicht. Natürlich spreche ich in diesem Zusammenhang auch mit der BaFin und anderen. Daher kommen auch die Informationen, die ich Ihnen hier heute gebe.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Für eine Zusatzfrage hat sich Frau Kollegin Schneider gemeldet.

Susanne Schneider (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Walter-Borjans, die Interessenslagen der rheinischen und der westfälischen Träger der Provinzial-Versicherungen sind derzeit recht unterschiedlich. Mich interessiert: Wer profitiert aus Sicht der Landesregierung mehr von einer Fusion – die rheinische oder die westfälische Provinzial?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Die Detaildaten der beiden Teile kann ich natürlich nicht bewerten. Ich sehe nur, dass sich beide der besonderen Herausforderungen an die Lebensversicherungsbranche in Zeiten einer vermutlich noch andauernden Niedrigzinsphase bewusst sind. Beide überlegen sich: Reicht da unsere Art der Organisation und der Aufstellung aus? Gibt es möglicherweise Schritte, die man unternehmen kann – ich habe das eben gesagt – zur Hebung möglicher Synergien?

Noch einmal: Allein wenn man sich den IT-Bereich bei den öffentlich-rechtlichen Versicherungen anschaut und wenn man sieht, was in der Vergangenheit von den Sparkassen selbst schon unternommen worden ist, dann erkennt man, dass es Unterschiede und auch Möglichkeiten gibt. Ob am Ende eine Nichtfusion einen der beiden Teile vor ein größeres Problem stellen würde als den anderen, kann ich nicht beurteilen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Zu einer Zusatzfrage hat sich der Kollege Alda gemeldet.

Ulrich Alda (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister Walter-Borjans, bekanntlich gibt es zwei große Standorte des Unternehmens. Über die Zukunft der beiden heutigen Unternehmenssitze in Münster und Düsseldorf wird intensiv debattiert. Herr Minister, welche Lösung für die Standortfrage favorisiert die Landesregierung?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Auch das ist natürlich erst einmal eine Angelegenheit derer, die Eigentümer der beiden Provinzialen sind. An den Entscheidungen, die wir bisher getroffen haben, mögen Sie erkennen, dass uns eine ausgeglichene Berücksichtigung der beiden Landesteile wichtig ist. Sie sehen das bei den Oberfinanzdirektionen. In anderen Diskussionen haben wir das ähnlich geregelt.

Natürlich wünsche ich mir, dass man die bestehenden Standorte berücksichtigt. Aber ich habe jetzt nicht wieder neue Bedingungen zu stellen, die anschließend von den Eigentümern als Einflussnahme gewertet werden könnten, die die Wirtschaftlichkeit dessen, was man vorhat, infrage stellt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Kollegin Freimuth gemeldet.

Angela Freimuth (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie hatten gerade bezogen auf die Zeit nach der Übernahme der Aufsicht durch die BaFin gesagt, dass die Angemessenheit der Ausschüttungen nicht zu beanstanden sei. Angesichts der Vorbereitung der angedachten Fusion wird natürlich auch der Zeitraum davor geprüft, als noch das Land die Aufsicht hatte. Insofern stellt sich mir die Anschlussfrage, wie die Landesregierung die Angemessenheit der Ausschüttungen zu dieser Zeit bewertet.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Auch da habe ich sowohl auf Grundlage des Gesetzes als auch der Satzung keinerlei Einwände zu erheben. Mir sind auch keine Einwände für die Zeit davor mitgeteilt worden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Kollegin Schmitz gemeldet.

Ingola Schmitz (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, je nach dem Ergebnis der Fusionsverhandlungen sehen die Gewerkschaften eine Gefährdung der Zukunftsfähigkeit der Provinzial-Gesellschaften und Risiken für den Beschäftigungserhalt der Unternehmen und der 850 Agenturen im Vertrieb. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung aus ihrem bisherigen Dialog mit den Gewerkschaften zur Provinzial-Fusion gewonnen, und teilt sie diese?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich nehme die Sorgen, die die Gewerkschaften in mehreren Gesprächen an mich herangetragen haben, absolut ernst. Ich kann aber auch an dieser Stelle nicht die Aufgabe derer übernehmen, die miteinander verhandeln müssen, weil zu der Frage einer zukunftssicheren Aufstellung der beiden oder der beiden gemeinsamen Provinzial-Versicherungen auch Debatten und vermutlich auch Kontroversen darüber gehören werden, welche Bedingungen es gibt, wie es mit Personal und mit Stellen aussieht. Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann auch keine Vorgabe machen.

Es ist mir aber sicher wichtig, dass die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angemessen vertreten werden und dass wir auch über die Präsenz der Versicherungen in der Fläche eine gewisse Gewährleistung bekommen, dass sich die Provinzial nicht herauszieht. Denn das ist eines ihrer ganz starken Merkmale; das ist klar.

Ich habe eben schon gesagt: Es gibt eine ganze Reihe durchaus auch unterschiedlicher Konditionen für die Mitarbeit bei der Provinzial Rheinland oder bei der Provinzial NordWest, sodass mit Sicherheit im Falle eines Zusammengehens oder der Kooperation solche Dinge miteinander zu besprechen sind.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Eine Zusatzfrage kommt von Frau Kollegin Gebauer.

Yvonne Gebauer (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Dr. Walter-Borjans, eine Veränderung bei der Provinzial Rheinprovinz betrifft durch die zugrunde liegende Staatsvertragskonstruktion auch das Land Rheinland-Pfalz. Welchen Gesprächsstand hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Dialog mit der Landesregierung in Rheinland-Pfalz bisher als gemeinsame Verständigung in diesem Zusammenhang erreichen können?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Es hat unmittelbar nach dem Bekanntwerden damals in der Runde mit der Ministerpräsidentin auch Gespräche mit Rheinland-Pfalz gegeben. Derzeit warten wir beide ab, welche Vorschläge von den Unternehmen kommen, um sie gemeinsam bewerten zu können. An diesem Punkt sind wir aber noch nicht.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Nun hat sich Kollege Witzel zu einer Zusatzfrage gemeldet.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, für die erneute Gelegenheit zur Nachfrage. – Herr Finanzminister, wir beide wissen, dass die Klärung von Eigentumsfragen eine zentrale Voraussetzung für eine bevorstehende Fusion beider Provinzialen ist. Sie haben für die Landesregierung zuletzt betont, zu den Anschaffungskosten der Provinzial-Beteiligungen seitens des Sparkassenverbandes bzw. dem Verkaufserlös eines Beteiligungsanteils der früheren WestLB dem Parlament gegenüber keine Auskunft geben zu können, da die Sparkassenverbände dies nicht wünschten.

Wie inzwischen durch eine bestätigte dpa-Meldung vom 24. August 2002 bekannt geworden ist, hat der Sparkassenpräsident selbst öffentlich den Verkaufspreis seinerzeit mit 330 Millionen € gegenüber der Nachrichtenagentur beziffert. Ich frage Sie daher: Aus welchem Grunde darf seitens der Landesregierung heute eine Kaufpreisinformation nicht bekannt werden, die wie selbstverständlich vor zehn Jahren von Sparkassenseite aus problemlos öffentliches Allgemeingut sein durfte?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das ist einfach zu beantworten. Aus der Nennung dieser Zahlen können natürlich Rückschlüsse auf Unternehmensbewertungen gezogen werden. Sie wissen auch, dass sich in den letzten Jahren in diesem Bereich – auch, was den Umgang mit sensiblen Daten angeht – einiges verändert hat. Ich kann nicht ausschließen, dass Beteiligte an diesem Diskussionsprozess heute oder aber vor zehn Jahren Daten preisgegeben haben.

Ich sage: Jetzt Zahlen in die Welt zu setzen, die für Interessenten von außerhalb, aber auch für die beiden – wenn man so will – Kontrahenten in diesem Diskussionsprozess Rückschlüsse ermöglichen, die auf meine Äußerungen zurückzuführen sind – das will ich nicht tun.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Herr Kollege Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Finanzminister, sind Ihnen Unterschiede in der Unternehmensbewertung von rheinischer und westfälischer Provinzial bekannt? Und wenn ja, welche?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Nein, die sind mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt über das hinaus, was ich angesprochen habe, dass man natürlich auf Grundlage unterschiedlicher Rahmenbedingungen, unter denen man arbeitet, Vermutungen anstellen kann, nicht bekannt. Es ist mir auch nicht bekannt, dass eines der beiden Unternehmen akute Probleme hätte. Vielmehr geht es wirklich darum, sich jetzt für die Zukunft richtig aufzustellen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Zu einer dritten Frage hat sich der Fragesteller gemeldet. Herr Witzel, bitte schön.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, für die letzte Nachfragemöglichkeit. – Herr Finanzminister, Sie haben eingangs über Rechtsformwahlentscheidungen gesprochen. Ihnen ist auch bekannt, dass eigentlich bei der Mehrzahl der Träger in Westfalen andere Anliegen vorliegen als im Rheinland. Deshalb möchte ich Sie fragen: Für den Fall, dass sich dieser Interessenskonflikt zwischen der erkennbaren Priorität für eine AG-Lösung von westfälischer Seite und umgekehrt einer großen Präferenz des Festhaltens an der Konstruktion einer AöR im Rheinland nicht trägerübergreifend auflösen lässt, würden Sie vonseiten des Landes einer Lösung zustimmen – denn es ist auch der Staatsvertrag mit Rheinland-Pfalz betroffen –, dass es trotzdem zu einer Fusion kommt?

Oder würden Sie – auch mit den Möglichkeiten des Staatsvertrags, die Sie haben – sagen, dass es dann, wenn diese Kernfrage nicht aufzulösen ist, die Aspekte zivilrechtlichen Eigentums und damit auch Vermögensinteressen der Versicherten betrifft, zum jetzigen Zeitpunkt so nicht realistisch ist, und nehmen Sie dann von dem Fusionsvorhaben Abstand?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich kann mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer vorstellen, eine Fusion mit unterschiedlichen Rechtsformen zu betreiben. Am Ende muss sich das Unternehmen ja auf eine Rechtsform einigen.

Nicht beurteilen kann ich, ob es unterhalb der Fusion Formen der Kooperation gibt, die all das, was man erzielen sollte, ebenfalls möglich machen und diese Frage ausklammern können. Das weiß ich nicht, das muss man sich angucken.

Tatsache ist: Wir haben zwar keine unmittelbare Eingriffsbefugnis, stehen aber natürlich zur Verfügung, moderierend einzugreifen, wenn dazu Bedarf besteht und man miteinander reden will, möglicherweise auch unter Hinzuziehung anderer Länder oder anderer Stakeholder. Das ist überhaupt keine Frage.

Ich weiß aus den Gesprächen, die ich führe, dass es jedenfalls auf keiner Seite eine unverrückbare Position gibt. So wird zum Beispiel im westfälischen Bereich eine Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts nicht völlig ausgeschlossen. Ansonsten würde ich nicht mit Fragen und Zweifeln konfrontiert, dass das für bestimmte Eigentümer möglicherweise Nachteile mit sich bringen könnte. Man diskutiert das also schon sehr offen. Die Frage ist nur, zu welchem Ergebnis man kommt. Darüber können wir uns unterhalten, wenn wir von den Eigentümern und Unternehmen dazu Informationen bekommen haben.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. Mir liegen keine weiteren Fragen mehr vor. Ich bedanke mich bei Herrn Minister Dr. Walter-Borjans für die Beantwortung der Fragen.

Ich rufe nun die

Mündliche Anfrage 27

des Herrn Abgeordneten Josef Hovenjürgen von der Fraktion der CDU auf:

Wie lief die Versetzung des ehemaligen Staatssekretärs Paschedag nach Niedersachsen ab?

In der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 19. September 2013 nahm das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz zur Versetzung des früheren Staatssekretärs Paschedag nach Niedersachsen Stellung und trug die folgende Chronologie vor:

Am 14. Februar 2013 wurde das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz von Herrn Paschedag über seinen Versetzungswunsch nach Niedersachsen informiert.

Am 18. Februar 2013 hat das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung um die Versetzung von Herrn Paschedag per Mail gebeten.

Am 19. Februar 2013 erfolgte die Befassung mit der Personalie im Kabinett und der Beschluss über die Versetzung von Herrn Paschedag mit dem folgenden Wortlaut:

„Die Landesregierung erklärt ihr Einverständnis zu der beabsichtigten Versetzung von Herrn Staatssekretär Udo Paschedag vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur-und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen an das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung zum nächstmöglichen Zeitpunkt.“

Die Bestätigung der Versetzung mit Übersendung des Versetzungsschreibens erfolgte per Mail an Niedersachsen ebenfalls am 19. Februar 2013.

Auf Nachfrage erklärte das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, dass die Versetzung aus dienstlichen Gründen erfolgt sei, da dem Ministerium keine anderen Erkenntnisse vorlagen. Weder das Versetzungsgesuch aus Niedersachsen noch im Verfahren habe es Hinweise zu möglichen persönlichen Gründen für die Versetzung von Herrn Paschedag gegeben.

Demgegenüber soll die Niedersächsische Landesregierung ebenfalls am 19. Februar 2013 eine Versetzung von Herrn Paschedag aus ausdrücklich persönlichen Gründen beschlossen haben. Damit soll der damalige Staatssekretär auch einverstanden gewesen sein. Nach der erfolgten Versetzung erhielt Herr Paschedag in Niedersachsen eine Ausgleichszulage für die Differenz zwischen den niedrigeren Bezügen als Niedersächsischer Staatssekretär nach B9 im Vergleich zu seinen vorherigen Bezügen nach B10 in Nordrhein-Westfalen. Voraussetzung für diese Ausgleichszulage ist, dass der ehemalige Staatssekretär aus dienstlichen Gründen versetzt wurde.

Warum hat das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz den damaligen Staatssekretär Paschedag aus dienstlichen Gründen nach Niedersachsen versetzt, obwohl die Niedersächsische Landesregierung eine Versetzung aus persönlichen Gründen beschlossen hatte?

Ich bitte Herrn Minister Remmel um Beantwortung.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerne informiere ich Sie über den Ablauf der Versetzung des damaligen Staatssekretärs Udo Paschedag.

Zum zeitlichen Ablauf:

Der ehemalige Staatssekretär Udo Paschedag hat mich zeitnah nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen in Niedersachen informiert. Ich kann mich sehr gut an die Woche erinnern: Das war die Woche des rheinischen Frohsinns. Aber an den Tag kann ich mich nicht mehr genau erinnern: ob das der Mittwoch oder der Donnerstag dieser Woche war. Es war – so meine ich – der 13. oder 14. An diesem Tag hat er mich darüber informiert, dass der designierte niedersächsische Minister Meyer Interesse an Herrn Paschedag als Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung bekundet hat.

Die Zentralabteilung meines Hauses wurde von Herrn Paschedag am 14. Februar über seinen möglichen kurzfristigen Wechsel in den Dienst des Landes Niedersachsen informiert. Am Montag, den 18. Februar, übersandte das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung per Mail das Versetzungsgesuch, Herrn Paschedag zum 19. Februar, also dem folgenden Tag, zu versetzen.

Da die Ernennung zum Staatssekretär in Niedersachen ebenfalls für den 19. Februar vorgesehen war – vor der Versetzung durch mein Haus –, musste noch das Einverständnis mit der beabsichtigten Versetzung durch die Landesregierung, also das Kabinett, erteilt werden. Dies konnte ebenfalls am 19. Februar erreicht werden.

Herr Paschedag wurde am 19. Februar versetzt und noch am gleichen Tage zum Staatssekretär in Niedersachsen ernannt. Der Versetzungsvorgang war damit abgeschlossen.

Ich möchte betonen: Dem Land Nordrhein-Westfalen sind durch die Entscheidung keine Mehrkosten entstanden.

Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den versorgungsrechtlichen Aspekten sagen:

Bei einer Versetzung wird das bestehende Beamtenverhältnis beim neuen Dienstherrn – hier also dem Land Niedersachen – fortgeführt. Versorgungsansprüche bestehen nur noch gegenüber dem neuen Dienstherrn. Der neue Dienstherr hat die Festsetzung nach den bei ihm geltenden Vorschriften durchzuführen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine Frage von Herrn Abgeordneten Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Vielen Dank, Herr Minister, für Ihre Ausführungen, denen wir entnehmen konnten, dass die erste Information Ihnen gegenüber, dass es diesen Begehren gab, durch Herrn Paschedag selbst erfolgte. Wie wir den verschiedenen Auskünften aus dem Hause entnehmen dürfen, gab es anschließend die Anfrage aus dem Ministerium in Niedersachsen an Ihr Haus über Möglichkeiten der Versetzung, der Sie dann entsprochen haben.

Der Status der Versetzung war als „dienstlich bedingt“ deklariert. Da besteht eine Diskrepanz zu den persönlichen Auskünften, in denen von „privaten Gründen“ für die Versetzung die Rede war. Haben Sie seitens des Hauses eine Bewertung abgegeben, ob die Gründe dienstlich oder privat sind? Beziehungsweise: Haben Sie eine Erklärung für diese Diskrepanz?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Jedenfalls mit den formalen Gründen der Versetzung aufgrund der Anfrage aus Niedersachen und des Handelns der Zentralabteilung meines Hauses war ich nicht befasst.

In dem persönlichen Gespräch, das Herr Paschedag mit mir geführt hat, hat er auf verschiedene Gründe hingewiesen, warum der zukünftige Kollege in Niedersachsen ihn angefordert hat und gerne mit ihm zusammenarbeiten möchte. Diese Gründe habe ich alle nachvollzogen: dass er beispielsweise schon einmal in einem niedersächsischen Ministerium gearbeitet hat, dass er ausgewiesener Verwaltungsexperte und -jurist ist, dass er in Nordrhein-Westfalen weitläufige Erfahrungen auch im Zusammenhang mit dem Agrarbereich gesammelt hat und dass insbesondere der zukünftige Minister in Niedersachsen, der in der Wahlauseinandersetzung „Umsteuern im Agrarbereich“ sehr stark zu seinem Thema gemacht hatte, einen erfahrenen Staatsse-kretär in seinem Ministerium haben möchte.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine Frage des Herrn Abgeordneten Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Es geht materiell ja um die Frage, ob der öffentlichen Hand unnötig hohe Kosten und aus Sicht des Steuerzahlers unnötige finanzielle Vorteile zugunsten des Umweltstaatssekretärs entstanden sind, weil der Umstand der privaten Vorteilhaftigkeit seines Wechsels zurück nach Niedersachsen möglicherweise bewusst außer Acht gelassen worden ist.

Um die Plausibilitäten seiner Interessenlage einzuschätzen, frage ich Sie, Herr Minister Remmel: Ist Ihnen bekannt, ob es während der Dienstzeit Ihres Umweltstaatssekretärs hier in Nordrhein-Westfalen zumindest Teile der Zeit seiner Tätigkeit gegeben hat, wo der polizeiliche Erstwohnsitz nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern aus privaten Gründen in Niedersachsen gelegen hat?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Herr Minister, bitte schön.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich habe keine Informationen darüber, wo Erst- oder Zweitwohnsitz gewesen sind. Ich weiß, dass der ehemalige Staatssekretär Paschedag nach einer gewissen Suche einen Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen genommen hat. Was da wo wie angemeldet worden ist, entzieht sich aber meiner Kenntnis.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Es gibt eine Frage der Frau Kollegin Schulze Föcking. Bitte schön.

Christina Schulze Föcking (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, hat es im Zuge dieser Versetzung außer im Schriftverkehr zusätzlich per Telefon oder in Gesprächen einen Austausch zu den Modalitäten gegeben?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich habe eben auf das eine Gespräch hingewiesen. Wie gesagt: Ich kann mich nicht erinnern, ob es am 13. oder 14. war. Ich habe meinen Terminkalender noch mal durchgeschaut. Ich bin am Mittag des 13. nach Berlin gefahren und am 14. wiedergekommen. Ob das Gespräch mit dem Staatssekretär jetzt an dem 14. nachmittags oder an dem 13. morgens war, das weiß ich nicht mehr. Ich weiß noch, wo das Gespräch stattgefunden hat. Herr Staatssekretär Paschedag hat um einen Termin gebeten. Das hat in meinem Ministerbüro stattgefunden. Das war der einzige Kontakt, den ich mit Herrn Paschedag bis zu dem Zeitpunkt gehabt habe, an dem er sich dann im Haus verabschiedet hat. Und danach war er in Niedersachsen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun hat sich der Kollege Wirtz gemeldet.

Josef Wirtz (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben uns ja eben geschildert, wie Sie in dieses Versetzungsersuchen miteinbezogen gewesen sind. Sie haben darüber berichtet, dass Sie ein Gespräch mit Herrn Paschedag geführt haben. Jetzt frage ich Sie: Inwieweit war die Staatskanzlei denn in diesen Vorgang miteinbezogen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Herr Minister, bitte.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Die Staatskanzlei hat an dem Gespräch, das ein Vieraugengespräch war, nicht teilgenommen. Beim weiteren Fortgang der Dinge, insbesondere bei der Kabinettsbefassung, ist die Staatskanzlei automatisch miteinbezogen. Insofern sind das die normalen Verwaltungsabläufe. Bei dem Vieraugengespräch war die Staatskanzlei aber in keiner Form anwesend.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Herr Kollege Jung, bitte schön.

Volker Jung (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie sprachen eben die Mail – Sie haben das ja schriftlich mitgeteilt – mit dem elektronisch übersandten Versetzungsgesuch an. Da geht es ja im Wesentlichen um den Inhalt. Was ist denn konkret der Inhalt dieses Versetzungsgesuchs? Sind da Gründe angeführt worden? Das ist ja nun ein wesentlicher Part. Ist der transparent? Kann der einem zur Verfügung gestellt werden?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich habe kein Problem damit, das zur Verfügung zu stellen. Das ist eine sehr knappe Mail. Ich kann sie auch vorlesen. Sie ist vom 18. Februar, 15:03 Uhr.

Sehr geehrte Frau Reiserer

– das ist die Mitarbeiterin bei uns in der Zentralabteilung –,

es ist geplant, Herrn Udo Paschedag an dem morgigen Tag als Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung einzusetzen. Bitte versetzen Sie Herrn


Paschedag zum 19.02. an mein Haus. Ich bitte Sie … die entsprechende Versetzungsverfügung …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Herr Kollege Ortgies.

Friedhelm Ortgies (CDU): Herr Minister Remmel, durch die Versetzung von Herrn Staatssekretär Paschedag in den einstweiligen Ruhestand durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil – ich kann auch sagen: Rausschmiss – entstehen dem Steuerzahler nun erhebliche Kosten. Sie haben auf die Frage des Kollegen Dr. Optendrenk gesagt, dass der neue Dienstherr diese Kosten zum Teil mit einer einmalig zu zahlenden Abfindung ersetzt bekommt. Können Sie mir erklären, wie hoch diese Abfindung ist?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: In Ihrer Frage geht ein bisschen was durcheinander. Das Land Nordrhein-Westfalen ist in keiner Weise an der Finanzierung des jetzigen Pensionsanspruchs, der durch die Entlassung in Niedersachsen möglicherweise entstanden ist, beteiligt oder dafür verantwortlich. Es ist aber ein völlig normaler Vorgang, dass dann, wenn ein Beamter oder eine Beamtin in ein anderes Bundesland wechselt, hinsichtlich der Versorgungsansprüche eine Ausgleichszahlung stattfindet. Die ist in diesem Fall auch erfolgt. Insofern ist der Fall für Nordrhein-Westfalen abgeschlossen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Eine zweite Frage von Herrn Kollegen Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Remmel, den Normalfall unterstellt, dass man in dieser Vertrauensstellung aus Sicht des Ministers einen fleißigen, kompetenten Staatssekretär hat, der einen loyal unterstützt, ist man ja zunächst mal daran interessiert, diesen auch zu halten, zumal Sie hier ja noch am Beginn der Legislaturperiode sind, der Landtag nicht unmittelbar vor Ende der Wahlperiode steht.

Deshalb meine Frage: Mit welchen Argumenten haben Sie versucht, den Verbleib des Umweltstaatssekretärs hier in Nordrhein-Westfalen zu organisieren? Oder war es Ihnen recht, dass es zu diesem Veränderungsprozess gekommen ist, bzw. waren seine persönlichen Gründe dafür für Sie so klar, dass Sie erst gar nicht versucht haben, ihn hierzuhalten?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Auch in Ihrer Fragestellung entdecke ich Unterstellungen. Das Gespräch war sehr eindeutig. Der Wunsch des seinerzeit noch zukünftigen Kollegen in Niedersachsen, des heutigen Ministers Meyer, mit Staatssekretär Paschedag zu arbeiten, ist sehr unmissverständlich vorgetragen worden – genauso der Wunsch von Herrn Paschedag, diesem Begehren nachzukommen.

Im Übrigen habe ich eben schon dargelegt, dass ich die Gründe durchaus verstehen konnte. Da kommt jemand in ein Ministerium in einem Bundesland, das sehr bedeutend ist, was die Agrarpolitik angeht, und in dem es politische Auseinandersetzungen gegeben hat. Dann sucht sich ein zukünftiger Minister selbstverständlich jemanden, der ihm in einem solchen Haus als Staatssekretär auch gut zur Seite stehen kann. Insofern habe ich die dienstlichen Gründe voll nachvollzogen und hatte keine Veranlassung, da noch groß zu diskutieren.

Gleichwohl habe ich es sehr bedauert. Wir haben zweieinhalb Jahre zusammengearbeitet. Es war eine gemeinsame Erfahrung. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn wir es hätten fortsetzen können. Hier gab es aber eine eindeutige Anforderung.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Herr Kollege Deppe.

Rainer Deppe (CDU): Herr Minister, Sie haben eben gesagt, der ehemalige Staatssekretär Paschedag habe Sie am 13. oder 14. angesprochen, und es sei da um die Modalitäten des Wechsels gegangen. Können Sie dem Hohen Haus vielleicht erklären, um welche Modalitäten es in diesen Gesprächen gegangen ist?

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Da müssen Sie mich missverstanden haben. Wir haben nicht über die Modalitäten gesprochen, sondern nur über den Umstand, dass … Herr Staatssekretär hat mich informiert über den Wunsch aus Niedersachsen und dass er diesem Wunsch gerne folgen möchte. Alles Weitere ist über die entsprechenden Stellen meines Hauses, über das Kabinett, wie ich das dargestellt habe, abgelaufen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke. – Kollege Wirtz hat sich gemeldet.

Josef Wirtz (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Remmel, Sie haben jetzt schon mehrfach erwähnt, dass sich das Kabinett damit befasst hätte und so auch die Staatskanzlei Kenntnis von dem Versetzungsersuchen des Herrn Paschedag erlangt hätte. Hat die Ministerpräsidentin als Chefin des Kabinetts diesem Versetzungsersuchen des Herrn Paschedag auch zugestimmt?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Üblicherweise arbeitet man im Kabinett mit schriftlichen Vorlagen. Die Ministerpräsidentin sitzt dem Kabinett vor und verfügt über sämtliche Unterlagen, selbstverständlich auch über diese Kabinettsunterlage. Dieser Tagesordnungspunkt ist ordnungsgemäß aufgerufen worden, und der Beschlussvorschlag ist angenommen worden. Insofern gehe ich davon aus, dass die Ministerpräsidentin voll informiert war. Daran habe ich keinen Zweifel.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Nun kommt der Kollege Schick zu Wort. Bitte schön.

Thorsten Schick (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben gerade ausgeführt, es hätten dienstliche Gründe vorgelegen. Ihr Ministerium legt dar, dass keine Erkenntnisse für andere Gründe – sprich: persönliche Gründe – vorgelegen haben. Wenn ich aber Interviews des Staatssekretärs lese, dass der Landkreis Stade seit 30 Jahren seine Heimat ist, dort das Lebenszentrum der Familie liegt, ständige Pendeleien gerade vor dem Hintergrund eines 14- bis 16-Stundentages eine Belastung für die Familie sind, frage ich mich natürlich schon, ob Ihnen bzw. dem Ministerium all das, insbesondere die besondere Belastung, nicht bekannt gewesen ist, sodass man keine Anzeichen dafür gesehen hat, dass auch persönliche Gründe ausschlaggebend für den Gang nach Niedersachsen gewesen sind.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass jeder Beamte und jede Beamtin zum Wohle des Dienstherrn arbeitet und arbeiten will. Das habe ich bei Herrn Paschedag nie anders wahrgenommen. Insofern habe ich als Erstes das dienstliche Interesse an seiner Tätigkeit sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Niedersachsen gesehen.

Wenn dann noch die Veränderung einer persönlichen Situation hinzukommt, so ist das ein persönlicher Gewinn. Aber in dem Gespräch, das er mit mir geführt hat, hat nicht das im Mittelpunkt gestanden, war nicht das Gegenstand, sondern ausschließlich die Anforderung aus Niedersachsen und der Wunsch des zukünftigen Ministers, mit ihm zusammenzuarbeiten, um dieses Ministerium zu führen und seine Erfahrungen, die er im Agrarbereich gesammelt hat, dort an entscheidender Stelle miteinzubringen.

Im Übrigen ist es auch von der rechtlichen Situation her so – das ist Ihnen auch schon im Ausschuss erläutert worden –, dass, auch wenn persönliche Gründe vorliegen, am Ende in der Zusammenschau immer die dienstlichen Gründe überwiegen. Dazu gibt es auch einen einschlägigen Paragrafen, den ich Ihnen aber im Moment nicht nennen kann.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Eine Zusatzfrage des Kollegen Jung.

Volker Jung (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie führen ausschließlich dienstliche Gründe an. Jetzt ist Ihr Kollege in Niedersachsen allerdings an die Öffentlichkeit gegangen und hat von einer Kommunikationspanne gesprochen, was die Bewertung „dienstlich“ und „privat“ angeht. Wie bewerten Sie denn diese Kommunikationspanne? Wie sehen Sie das?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich habe das auch gelesen. Das war allerdings nicht mein Kollege, wenn ich mich recht erinnere, sondern eine Kommunikation, die zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der Staatskanzlei in Niedersachsen gekommen ist. Nach meinem Kenntnisstand ist das sowohl im Parlament als auch von der Staatskanzlei korrigiert worden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Eine Zusatzfrage des Kollegen Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Minister, um die Ereignisse um Herrn Paschedag herum gab es ja auch die Diskussion um seinen Dienstwagen, einen A8 mit einer gewissen Rückensituation, die einem Rückenleiden entsprechen sollte und Linderung schaffen sollte.

Meine Frage: Gab es hier ein Ersuchen von Herrn Paschedag, ein ähnliches Fahrzeug zu erhalten, oder hatte er eine ähnliche Sonderbehandlung, wie er sie da beantragt hat?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Nein, der Dienstwagen, den Herr Paschedag in Nordrhein-Westfalen gefahren hat, entsprach der Dienstwagenrichtlinie. Es gab keine Ausnahme.

Allerdings – das muss ich dazusagen –: Er hat am Anfang den Dienstwagen von Herrn Staatssekretär a. D. Schink übernommen, einen 7er BMW – das ist so üblich, wenn Regierungen wechseln –, ist dann aber auf einen 5er BMW umgestiegen. Das entspricht unserer Dienstwagenrichtlinie – die wir geändert haben; denn auch der Minister fährt einen 5er BMW.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Es gibt eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Ortgies.

Friedhelm Ortgies (CDU): Herr Minister, auf meine erste Frage nach dem Abfindungsbetrag an das Land Niedersachsen haben Sie mir gesagt, ich würde einiges durcheinanderbringen. Ich kenne mich beamten­rechtlich nicht so gut aus. Trotzdem hätte ich gerne die Höhe dieser Abfindungsleistung gewusst. Damit zusammenhängend frage ich Sie: Hätte man diese Abfindungsleistung auch zahlen müssen, wäre Herr Paschedag nicht aus dienstlichen, sondern aus persönlichen Gründen nach Niedersachsen gegangen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich will noch mal unterstreichen: Die „Ablösesumme“, die an der Stelle zu zahlen ist, entspricht dem seit dem 1. Januar 2011 geltenden Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag. Dieser Staatsvertrag regelt die Beteiligung des bisherigen Dienstherrn an der Versorgungslast des neuen Dienstherrn jeweils in Form einer Abfindung. Die Höhe der Abfindung bestimmt sich nach den bei dem bisherigen Dienstherrn zurückgelegten Beamtendienstzeiten und den zuletzt bezogenen ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen. Die Gründe für die Versetzung spielen bei dieser Berechnung überhaupt keine Rolle.

Wenn Sie die genaue Höhe wissen wollen: Es handelt sich um eine einmalige Abfindung von 88.587,69 € an das Land Niedersachsen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun gibt es eine Frage des Herrn Kollegen Nettelstroth.

Ralf Nettelstroth (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Remmel, ich habe noch eine Frage zu dem Verfahren. Ich bin ein bisschen überrascht, dass das Ganze hier auf Zuruf läuft. Sie haben eben dargestellt, dass Sie am 14. Februar auf den Wechsel angesprochen worden sind und dann das Kabinett die Versetzung am 19. Februar vorgesehen hat.

Deshalb meine Frage dazu: Ist es nicht üblich, dass von dem abrufenden Ministerium eine konkrete Anfrage erfolgt, in der die dienstlichen Gründe benannt werden? Oder ist es in der Tat üblich, dass man per E-Mail, wie Sie sie eben vorgelegt haben, einfach sagt: „Den hätten wir gern“, und dann kommt man dem nach? In dem Zusammenhang auch die Frage: Werden die Gründe, warum ein Wechsel stattfindet, nicht im Kabinett erörtert?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Was üblich ist und was nicht, das weiß ich nicht; denn ich habe bisher nur diesen einen Staatssekretärswechsel erlebt. Ich hatte – das müssen Sie bitte nachvollziehen – bei dem Wechsel ein Interesse daran, schnell einen neuen Staatssekretär oder eine Staatssekretärin zu ernennen, weil der? oder diejenige wesentlich für das Funktionieren eines Ministeriums ist. Deshalb war es mein Interesse, das in der gleichen Kabinettssitzung zum Ziel zu führen. Insofern war eine enge Abstimmung mit Niedersachsen erforderlich, die durch die Mail und die Anforderung auch zum Ausdruck gebracht worden ist. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Ministerien miteinander telefoniert haben, wie das Verfahren abzuwickeln ist.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt noch eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Deppe.

Rainer Deppe (CDU): Herr Minister, Sie haben in der Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Dr. Optendrenk geschrieben und auch hier noch mal erläutert, die Versetzung sei aus dienstlichen Gründen erfolgt. Eine Versetzung aus dienstlichen Gründen zu einem ganz anderen Dienstherrn, in ein anderes Bundesland kann nur dann erfolgen, wenn das im dienstlichen Interesse des abgebenden Landes, des abgebenden Dienstherrn ist. Welche dienstlichen Gründe lagen denn beim Land Nordrhein-Westfalen vor, Herrn Paschedag nach Niedersachsen zu versetzen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ihre Frage enthält eine Unterstellung. Die muss ich zurückweisen, sie ist nicht richtig. Versetzungen finden üblicherweise aus dienstlichen Gründen statt. Es gab überhaupt keinen Hinweis, dass diese Versetzung nicht aus dienstlichen Gründen, und zwar des aufnehmenden Dienstherrn, erfolgt ist. Die von Ihnen geäußerte Unterstellung, dass dienstliche Gründe nur von der abgebenden Stelle zu reklamieren sind, ist nicht richtig, sondern auch die anfordernde Dienststelle kann dienstliche Gründe haben. Die sind in diesem Fall offensichtlich. Ich jedenfalls kann nicht erkennen, warum hier keine dienstlichen Gründe vorliegen sollen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Ende der Beantwortung der Mündlichen Anfrage 27.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

5   Polizei-Boykott für Spiele der Fußball-Bundesliga wäre unverantwortlich

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/4013

In Verbindung mit:

Kein Maulkorb für Kritiker – Öffentliche Kritik an Polizeieinsätzen muss weiter möglich sein

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/4022

Ich eröffne die Beratung und erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Kollegen Kruse das Wort.

Theo Kruse (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als drei Jahren trägt die rot-grüne Landesregierung mit dem federführenden Innenminister, Herrn Ralf Jäger, die Verantwortung für die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen. Sie werden dieser Verantwortung nicht gerecht. Denn bis heute gibt es weder ein Gesamtkonzept zur Verbesserung der Sicherheitslage und der Kriminalitätsbekämpfung in unserem schönen Bundesland, noch ist ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt im Umfeld von Fußballspielen zu erkennen.

Sie haben Ihre Popularität ganz ohne Frage gesteigert, Herr Minister Jäger. Sicher hat auch Ihr Bekanntheitsgrad in den letzten Jahren zugenommen. Eine Zeitung bezeichnet Sie als provokanten und karrierebewussten Innenminister. In den letzten etwas mehr als drei Jahren haben Sie mit Ihren showträchtigen Aktionen aber nicht dazu beigetragen, dass die Sicherheit in unserem Land in der Substanz zugenommen hat.

(Beifall von der CDU)

Nordrhein-Westfalen ist mit einer Aufklärungsquote von nur 49,1 % nach wie vor das schlechteste Flächenland in Deutschland. Dafür trägt diese Landesregierung, dafür tragen Sie, Herr Minister, in besonderer Weise Verantwortung.

Ihre Vorgehensweise, Ihre inzwischen zurückgenommene Ankündigung, bei Heimspielen des FC Schalke 04 keine Polizeikräfte mehr im Stadion einzusetzen, war nicht nur völlig unverhältnismäßig, sie war eine Trotzreaktion und eines verantwortungsbewussten Dienstherrn nicht würdig.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Weder ist die Polizei in Nordrhein-Westfalen die Privatarmee des Innenministers, noch kann man sie nach Gutsherrenart führen.

Natürlich begrüßen wir es, dass Sie, Herr Minister Jäger, nur 48 Stunden gebraucht haben, um Ihren Polizeiboykott aufzuheben. Völlig inakzeptabel ist und bleibt gleichwohl die Art und Weise Ihres Vorgehens. In der Kooperationsvereinbarung, die Sie, Herr Minister, und Schalker Verantwortliche unterzeichnet haben, um den Boykott aufzuheben, heißt es wörtlich – mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich zitieren –:

„Kritik und unterschiedliche Bewertung von Sicherheitsfragen bei Fußballspielen werden künftig zwischen den Partnern Schalke 04 und der Polizei erörtert, nicht aber öffentlich.“

Wie weit sind wir eigentlich in Nordrhein-Westfalen gekommen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn ein Polizeieinsatz mit über 80 Verletzten künftig nicht mehr öffentlich diskutiert werden darf?

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Die „taz“ hat diesen Vorgang am 16.09.2013 zu Recht als ministerielle Nötigung beschrieben. Wenn Sie, Herr Minister Jäger, an Schalke 04 das Exempel eines polizeifreien Stadions statuieren wollten, haben Sie jedenfalls im wahrsten Sinne des Wortes ein klassisches Eigentor geschossen.

(Beifall von der CDU)

Sie neigen, Herr Minister, zu popularitätssteigernden Maßnahmen und zerstören damit Vertrauen und Absprachen.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die Innenministerkonferenz vor ca. einem Jahr – übrigens nach langen und auch außerordentlich schwierigen Diskussionen mit dem DFB und der DFL – einvernehmlich das „Nationale Konzept Sport und Sicherheit“ überarbeitet hat.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Dieses Konzept baut und setzt ausdrücklich auf die Zusammenarbeit mit der Polizei und deren Unterstützung. Dieser Konsens wäre zerstört, wenn ein Innenminister – Sie, Herr Jäger – demnächst einzelnen Fußballvereinen in Nordrhein-Westfalen kurzerhand die Unterstützung durch die Polizei entzögen.

Damit wir uns richtig verstehen: Für die CDU-Landtagsfraktion ist es selbstverständlich, dass in einem vollbesetzten Stadion keine rechtsfreien Räume geduldet werden dürfen.

(Beifall von der CDU)

Ebenso klar ist, dass Polizeieinsätze verhältnismäßig sein müssen. Sie haben jedoch, Herr Minister, mit Ihrem Alleingang und Ihrem populistischen Vorstoß von der eigentlichen Fragestellung abgelenkt, ob nämlich der Polizeieinsatz verhältnismäßig war. Hier sind viele Fragen offen geblieben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir werden voraussichtlich noch häufiger die alte Diskussion führen, ob die Polizei einen großen Teil ihrer Kräfte für den Schutz von Bundesligaspielen einsetzen soll, deren Klubs in der Tat Millionen und Milliarden umsetzen, während es in Problemstädten in unserem Land insgesamt kaum ausreichend Beamte gibt, um der Alltagskriminalität Herr zu werden.

In diesem Zusammenhang sei die Frage an Sie, Her Minister, erlaubt, warum zum Beispiel die Millionenstadt München laut einer Polizeistudie fast 900 Beamte mehr auf die Straße bringt als die größte Stadt bei uns im Land, nämlich Köln. Im Übrigen melden NRW-Polizisten jährlich zwei Millionen Stunden über den regulären Dienst hinaus.

Wie gesagt, diese Diskussion wird insgesamt zu führen sein. Hierzu brauchen wir aber seitens der Landesregierung bzw. des federführenden Fachministers – sprich von Ihnen, Herr Minister Jäger – eine Vorgabe, ein Konzept, eine auf viele Jahre ausgerichtete Gesamtstrategie und keine Schnellschüsse und populistische Vorgehensweisen. Diese Gesamtstrategie ist aus unserer Sicht, aus Sicht der CDU-Fraktion, bis heute nicht zu erkennen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kollege Kruse. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben ein paar Inhalten habe ich Ihnen zwei Sachen mitgebracht. Die eine Sache kennt der Minister vielleicht: Das eine ist ein „Maulkorb“, klassischerweise zum Beispiel für wilde Hunde.

Ich habe Ihnen aber noch etwas mitgebracht.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Ja, genau; dazu komme ich gleich noch, Herr Hovenjürgen. – Ich habe die Vereinbarung zwischen dem FC Schalke 04 und dem Minister für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen mitgebracht. Warum spreche ich über beides? Beides ist ein Maulkorb, Herr Minister Jäger. Ich werde im Weiteren darauf eingehen, warum gerade die Vereinbarung, die Sie mit dem FC Schalke 04 getroffen haben, ebenfalls katastrophal ist.

Ich möchte eines vorwegnehmen – das werden Sie sicherlich gleich noch erwähnen und zumindest aus meiner Sicht zu Recht –: Die Polizei in Nordrhein-Westfalen macht gute Arbeit. Das sollten wir voranstellen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich sage das deswegen vorweg, weil es an der Stelle darum geht. Es geht um konkrete Vorfälle, die im Rahmen des Champions-League-Spiels Schalke 04 gegen PAOK Saloniki stattgefunden haben.

Was ist passiert? Schauen wir noch einmal auf dieses Spiel von Schalke zurück! Ich mache es ganz kurz: Es gab eine Fahne, die im Block der Schalker Fans zu sehen war. Offenbar gab es Gewaltandrohungen vonseiten der griechischen Fans, die vor Ort waren. Die Polizei vor Ort entschied, in den Block der Schalker zu gehen. Für mich ist das – sagen wir mal – merkwürdig. Es wäre nicht unbedingt meine Reaktion gewesen. Eigentlich würde ich versuchen, gegen diejenigen vorzugehen, die irgendwie mit Gewalt drohen. Aber okay.

(Beifall von den PIRATEN)

Jetzt müssen wir uns nicht wundern, wenn solch ein Fanblock in einem Stadion darauf irgendwie schwierig reagiert. Sie haben im Innenausschuss selber gesagt: Eigentlich ist es nicht üblich, dass die Polizei in einen Fanblock geht. Ich hoffe, dass wir zu diesem Status auch wieder zurückkommen. Es hat mich gewundert, dass in dem Bericht, den Sie dem Innenausschuss vorgelegt haben, in Anführungszeichen steht: Die Schalker Ultras sprechen oder sprachen vor Ort von „ihrem Block“. – Ich weiß nicht, was die Anführungszeichen da zu suchen haben. Das ist – nicht besitzrechtlich, das ist überhaupt keine Frage – deren Block.

(Minister Ralf Jäger: Das ist kein rechtsfreier Raum!)

– Es ist – darauf will ich eingehen, Herr Minister – selbstverständlich kein rechtsfreier Raum. Der Herr Kollege Kruse hat es gerade schon gesagt: Kein Mensch spricht eigentlich von rechtsfreien Räumen. Auch Fans wollen keinen rechtsfreien Raum im Fußballstadion. Sie wollen unter bestimmten Voraussetzungen ein vernünftiges Fußballerlebnis haben, und zwar unterschiedlicher Natur. Es gibt eben Ultras, die vielleicht ein bisschen mehr wollen als der Familienvater, der mit seinen Kindern ins Stadion geht. Ich glaube, im Stadion ist genug Platz für beide Interessen.

Was ist danach passiert? Wir saßen im Innenausschuss. Da kam es dann zu dieser plötzlichen Ankündigung, dass Sie die Polizei auf Schalke zurückziehen wollen.

Ich bin ein bisschen überrascht, dass Sie Ihre Ankündigungen aus der letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause so schnell umgesetzt haben. Ich zitiere Herrn Minister Jäger:

Ich bin der Erste, der eine Reduktion dieser Einsatzzahlen befürworten würde, aber sie sind erforderlich, weil sich Straftäter im Kontext des Fußballs tummeln und Straftaten begehen.

In der Folge sagt er noch: Ohne die Präsenz der Polizei würden Spiele in der Tat eskalieren.

Eigentlich sind wir fertig an der Stelle. Denn an der Stelle ist die Bewertung, die Sie im Innenausschuss vorgenommen haben, Herr Minister Jäger, völlig unverantwortlich und völlig überzogen genau wie der Polizeieinsatz in Gelsenkirchen selbst.

(Beifall von den PIRATEN und von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie sprechen im Innenausschuss von Kommunikationsproblemen, die es vor Ort gegeben hat. Was machen Sie? Ihre Handlung ist: Sie brechen die Kommunikation an der Stelle vollkommen ab.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie treffen eine Entscheidung – mehr oder weniger spontan – im Ausschuss und stellen die Leute vor vollendete Tatsachen. Das geht so nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Was passiert dann 48 Stunden später? Auch das hat Herr Kollege Kruse gerade gesagt. Quasi auf dem Weg nach Mainz treffen Sie sich mit den Schalker Vertretern – nicht Sie auf dem Weg nach Mainz, sondern der Kollege Peters – und machen noch schnell diese unsägliche Vereinbarung, die dann entstanden ist. Sie geben den Vereinen in Nordrhein-Westfalen einen Maulkorb. Jeder Bundesliga-, jeder Fußballverein weiß an der Stelle, er darf die Polizei nicht öffentlich kritisieren, sonst kommt der Innenminister nachher daher und sagt: Die Polizei in deinem Stadion – nein, das geht nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Redezeit rennt davon; ich komme zum Schluss. Ich will noch zwei Sätze zum CDU-Antrag sagen. Wir Piraten werden uns bei dem Antrag enthalten. In dem Antrag sind ein einige richtige Punkte. Sie wissen das. Mir persönlich setzt er die Konzentration zu stark auf ein Gewaltproblem. Die Problematik im Fußballstadion in der Form wie es in Ihrem Antrag implizit steht, haben wir nicht.

Herr Minister Jäger, ich fordere Sie auf: Kommen Sie zurück zum Dialog! Das sind die Forderungen, die auch in unserem Antrag stehen. Sprechen Sie mit den Vereinen, sprechen Sie mit den Fans! Ich lade Sie sehr herzlich ein – wir als Piratenfraktion machen es in Kürze schon zum sechsten Mal –: Kommen Sie zu unseren Fan-Hearings. Vielleicht ist das der Beginn eines richtigen Dialogs mit den Fans, mit den Vereinen. Dann können wir wirklich ein vernünftiges Konzept erstellen, wie mit Fans, wie mit Fußballspielen sicherheitspolitisch umzugehen ist. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Düngel. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Kossiski.

Andreas Kossiski (SPD): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich komme gleich zu meinem sachlichen Beitrag. Aber wenn man hier einen Maulkorb mitbringt, sage ich: Draußen steht ein kleines Dreirad. Das hätte ich für für Teile der Rede Piraten, die Sie gehalten haben, mitbringen können. Das ist Kindergarten. Entschuldigung!

(Michele Marsching [PIRATEN]: Sehr sachlich! Aber er kommt ja jetzt zum Sachlichen!)

Jetzt möchte ich wirklich sachlich werden.

(Zuruf von den PIRATEN: Tätä tätä!)

Ich möchte jetzt sachlich werden.

(Zuruf von den PIRATEN: Hahaha!)

Wenn ich mir die bisherige Diskussionen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz zu dem besagten Spiel zwischen Schalke und PAOK Saloniki vor Augen führe, dann kann man feststellen, dass häufig ein großes Maß an Emotionalität, das Sie bei mir auch gerade ausgelöst haben, die öffentliche Debatte bestimmt.

Nun mögen Fußball und Emotionen untrennbar miteinander verbunden sein, aber in der Diskussion um den hier in Rede stehenden Polizeieinsatz, um seine Ursachen und Folgen sind nicht Emotionen gefragt, sondern nüchterne Betrachtungsweisen. Das gilt insbesondere für die beiden hier vorgelegten Anträge der CDU und der Piraten.

Auch da überlagern Emotionen eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Das beginnt schon bei den Überschriften beider Anträge und setzt sich in weiteren Formulierungen fort. Wenn die CDU ihren Antrag mit der Überschrift einleitet „Polizei-Boykott für Spiele der Bundesliga wäre unverantwortlich“, dann muss ich schon fragen, wie Sie auf Boykott kommen. Von einem Boykott war noch nie die Rede.

Ich darf an dieser Stelle mit Erlaubnis des Präsidenten den entscheidenden Satz des Innenministers zitieren:

„Klar ist aber auch, dass die Polizei ins Stadion kommt, wenn die Ordnungskräfte überfordert sind und um Hilfe bitten. Auch Straftaten werden weiterhin konsequent verfolgt.“

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dieser Satz stammt vom 12. September. Da sollten Sie fünf Tage später in Ihrem Antrag nicht von Boykott schreiben. Das, was Sie hier betreiben, ist – mit Verlaub gesagt – aus meiner Sicht pure Stimmungsmache. Stimmungsmache ist es auch, wenn die CDU in ihrem Antrag schreibt – ich zitiere –:

„Nur 48 Stunden nach Herrn Jägers vollmundiger Ankündigung musste der Minister im Streit mit dem Bundesligisten schließlich klein beigeben.“

Ich kann nachvollziehen, dass sich die Opposition schwertut, einen erfolgreichen Innenminister zu loben. Aber statt hier von „klein beigeben“ zu schwadronieren, sollten Sie doch einfach einmal nachvollziehen, was Minister Jäger in Wirklichkeit gelungen ist, nämlich die Verantwortlichen von Schalke 04 zu vernünftigen Gesprächen an einen Tisch zu bringen.

(Beifall von der SPD – Lachen von den PIRATEN – Daniel Düngel [PIRATEN]: Das war Kollege Rauball! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es kann Ihnen auch nicht entgangen sein, dass Schalke 04 am 21. August unmittelbar nach Spielende Behauptungen in die Welt setzte, die schlicht und ergreifend nicht der Wahrheit entsprachen. Damit meine ich die von der Vereinsführung gemachte Darstellung – Zitat –

„Der Einsatz der Polizei war weder mit den Verantwortlichen des Clubs abgestimmt, noch wäre er von diesen auch nur ansatzweise gefordert oder gutgeheißen worden.“

Wie wir inzwischen wissen, hat Schalke später eingestehen müssen, dass diese Darstellung nicht den Tatsachen entsprach. Wenn Sie die gemeinsame Erklärung von Minister Ralf Jäger und dem Schalke-Vorstand Peters vom 14. September, also drei Tage vor Ihrem Antrag, durchgelesen hätten, dann könnten Sie doch nicht ernsthaft davon sprechen, dass Minister Jäger klein beigegeben habe.

Weiter schreiben Sie, dass der Minister auch im dritten Jahr seiner Amtszeit kein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt im Umfeld von Fußballspielen besitzt.

Meine Damen und Herren von der CDU, ist Ihnen entgangen, dass das Innenministerium NRW die Initiative ergriffen hat, das „Nationale Konzept Sport und Sicherheit“ grundlegend zu überarbeiten und fortzuschreiben? Haben Sie schon einmal vom Netzwerk „Sport und Sicherheit“ oder von den örtlichen Ausschüssen „Sport und Sicherheit“ gehört? Kennen Sie die vom Minister gestartete Initiative „Mehr Sicherheit bei Fußballspielen in NRW“ mit ihrem Zehnpunkteplan, der bundesweit viel Anerkennung gefunden hat?

Vielleicht beschäftigen Sie sich einmal mit der Gesamtthematik, bevor Sie hier von Konzeptlosigkeit sprechen und unausgegorene Anträge stellen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hegemann?

Andreas Kossiski (SPD): Ja bitte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist sehr nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Kollege Hegemann.

Lothar Hegemann (CDU): Herr Kollege, da Sie aus einem Sprechzettel des Ministers zitieren, gehe ich davon aus, dass Sie das Protokoll des Innenausschusses haben. Vielleicht hat Ihnen der Minister aber auch noch andere Teile seiner Rede zur Verfügung gestellt.

Würden Sie bitte die Freundlichkeit haben, einmal den Inhalt der Diskussionen wiedergeben, die am Tag vorher unter Federführung des Kollegen Töns in Ihrer Fraktion in Richtung Minister geführt worden sind. Darin liest man, dass das ganz etwas anderes war.

Und würden Sie auch den Inhalt eines Briefes wiedergeben, den der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Baranowski – der frühere Kollege – dem Herrn Innenminister geschrieben hat, und wie der frühere SPD-Minister und jetzige Chef der Deutschen Fußball Liga Herr Rauball da interveniert hat? Können Sie mir da irgendwie auf die Sprünge helfen, was da so unter Parteigenossen geredet worden ist?

Andreas Kossiski (SPD): Herr Hegemann, zunächst einmal: Ich habe keinen Sprechzettel vom Minister; ich habe noch einmal Zitate in Erinnerung gerufen, die öffentlich sind.

Zu den Diskussionen in den Fraktionen bzw. zu den unterschiedlichen Meinungen: Ich habe am Anfang bereits gesagt: Es gibt einen emotionalen Kern in dieser Geschichte; das Ganze ist sehr von Emotionen getrieben. Ich versuche, eine gewisse Sachlichkeit in die Thematik zu bringen und die Kernprobleme nach vorne zu ziehen. Diese Kernprobleme sind vom Minister sehr frühzeitig aufgenommen


worden. Ich beziehe mich auf Ihren Antrag, und nicht auf Stellungnahmen von Kollegen.

(Zuruf von der CDU: Die interessieren Sie nicht?)

– Die interessieren mich schon, und die beziehe ich auch mit ein. Aber befragen Sie die Kollegen bitte selbst zu ihren eigenen Positionen. Ich habe sie so nicht wahrgenommen; ich habe auch diese Diskussionen so nicht wahrgenommen. Ich weiß nicht, ob sie bei uns in der Fraktion so geführt worden ist.

(Zuruf von den PIRATEN: Demnächst besser vorbereiten!)

Kommen wir beim Stichwort „Konzeptionslosigkeit“ zum Antrag der Piratenfraktion: „Kein Maulkorb für Kritiker – Öffentliche Kritik an Polizeieinsätzen muss weiter möglich sein“. Schon diese Überschrift zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, worum es am 21. August 2013 und in den Folgetagen gegangen ist. Das erklärt für mich auch, warum Sie Ihren Versuch einer Sachverhaltsdarstellung mit „Aufklärung statt Erpressung“ überschreiben. Auch hier kann ich Ihnen nur empfehlen, sich genau mit dem auseinanderzusetzen, was am 12. September 2013 von Minister Jäger gesagt worden ist. Ich kann diesen Passus gerne noch einmal vortragen:

„Wer nicht in der Lage ist, für die Sicherheit der eigenen Fans zu sorgen, dann die Polizei um Hilfe bittet und anschließend den Einsatz öffentlich kritisiert, ist kein Partner für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.“

Meine Damen und Herren, das ist weder ein Maulkorb noch eine Erpressung, und schon deshalb läuft Ihr Antrag hier ins Leere.

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas Wichtiges anmerken. Meine Fraktion hat in ihrer Gesamtheit von Anfang an gesagt, dass sie sich für eine rückhaltlose Aufklärung der Vorkommnisse im Schalker Stadion einsetzt. Dabei steht die Verantwortung des Vereins Schalke 04 als Veranstalter des Spiels ebenso im Mittelpunkt des Interesses wie das Verhalten einzelner Fans, Fangruppierungen sowie das der Polizei.

Ich füge hinzu, dass Herr Minister Jäger bereits in der schriftlichen Vorlage zur Sitzung des Innenausschusses am 12. September 2013 auch nichts anderes gesagt hat. Ich zitiere:

„Die Staatsanwaltschaft Essen prüft derzeit, inwieweit das Verhalten der Fans von Schalke 04 und PAOK Saloniki sowie der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten strafrechtlich relevant ist. Hierzu sind alle Unterlagen und sämtliches Bild- und Videomaterial der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt worden.“

Weiter heißt es:

„Die Klärung und abschließende Bewertung von Abläufen, Entscheidungen, Detailfragen und bestehenden Widersprüchen in den Darstellungen der Beteiligten werden erst dann möglich sein, wenn alle notwendigen Informationen erhoben, geprüft und abgeglichen sind.“

Lassen Sie uns gemeinsam diese Klärung und vor allem die Arbeit der Staatsanwaltschaft abwarten, statt hier mit Emotionen zu agieren und im Nebel herumzuirren. Beide Anträge sind deshalb aus Sicht meiner Fraktion abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kossiski. – Damit kommen wir zur nächsten Rednerin. Für die grüne Fraktion spricht Frau Kollegin Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bilder vom Spiel Schalke 04 gegen PAOK Saloniki sind uns allen sicherlich noch im Gedächtnis. Auch ich habe das Spiel im Fernsehen gesehen, und ich finde es sehr verständlich, dass da zunächst ein gewisser fader Beigeschmack bleibt und dass es auf den ersten Blick gegen das Gerechtigkeitsempfinden verstößt, wenn man sieht, dass die Fans im griechischen Block randalieren, den halben Block auseinandernehmen und Pyrotechnik zünden, dann aber anschließend die Polizei vor dem Schalker Fanblock aufmarschiert.

(Zuruf von den PIRATEN: Eben!)

Das entspricht auch nicht unbedingt meinem Gerechtigkeitsempfinden. Wir haben uns im Innenausschuss schon ausführlich mit dem Thema beschäftigt und uns die Hintergründe erläutern lassen. Auf die etwas wenig ergiebige Debatte um diese Fahne und die Aufschrift auf dieser Fahne möchte ich gar nicht mehr eingehen; denn wir sind uns ja, glaube ich, mittlerweile alle einig darüber, dass es gar nicht um diese Fahne ging und dass sie nicht unbedingt der Kern der Aufarbeitung sein sollte.

Was auch an dieser Stelle erwähnt werden muss, ist: Natürlich bedauern wir es, dass Unbeteiligte und Helfer des Roten Kreuzes bei diesem Einsatz zu Schaden gekommen sind. Ja, darin sind wir uns wohl auch alle einig: Der Einsatz muss aufgearbeitet werden, und der Einsatz wird aufgearbeitet. Ja, es gibt staatsanwaltliche Ermittlungen. Aber: War es denn bislang nicht bewährter Stil, dass man eben diese Auswertungen und Ergebnisse der Ermittlungen abgewartet hat, anstatt schon vorher voreilige Schlüsse zu ziehen und sich sein Urteil zu bilden?

(Lothar Hegemann [CDU]: Wie in Duisburg!)

Das gilt übrigens für alle Richtungen – man sollte weder voreilige Schlüsse ziehen zum Fanverhalten noch zum Polizeieinsatz.

(Zurufe von der CDU)

Noch eine Bemerkung in Richtung der Piraten: Selbstverständlich muss es bei der Polizei eine Fehlerkultur geben. Aber die Einsatznachbereitung ist doch keine Sache der öffentlichen Medien und keine Frage dessen, wer als Erster irgendetwas in die Kameras erzählt. Das Ganze hat doch selbstverständlich unter Beteiligung der Fans sowie aller anderen Beteiligten im Dialog stattzufinden. An dieser Stelle von einem „Maulkorb“ zu sprechen und sogar noch einen Maulkorb hierherzubringen, das hat doch eher etwas mit dem Werfen von Nebelkerzen zu tun als mit sachlicher Auseinandersetzung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die CDU zitiert in ihrem Antrag den von mir durchaus sehr geschätzten Prof. Dr. Thomas Feltes von der Ruhr-Universität in Bochum. Er sagt laut Ihrem Antrag:

„Dadurch wird im Stadion ein rechtsfreier Raum geschaffen, der von der Politik sonst so oft als Schreckensszenario beim Fußball beklagt wurde.“

Ich unterstütze durchaus einen Teil dieser Anmerkungen, aber etwas anderes muss ich auch kritisieren. Denn richtig ist: Viel zu häufig wird – übrigens auch von Ihrer Partei – das Stadion, werden Fanblöcke als Schreckens- und Horrorszenarien gebrandmarkt und ist die Rede von all den chaotischen Fans und den fast schon bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Auf der anderen Seite muss man aber dem Kollegen Feltes entgegenhalten: Hier von rechtsfreien Räumen zu sprechen, ist überzogen. Das ist kein sachdienlicher Beitrag in dieser Debatte. Wir sind uns doch alle einig in diesem Hause – jetzt hat es schon jede Fraktion einmal gesagt; und ich bin sicher, die FDP wird es gleich auch noch einmal sagen –, dass es im Stadion keine rechtsfreien Räume geben darf. Dort gibt es auch keine rechtsfreien Räume.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

In einem sollten wir uns doch einig sein: Es muss um die Reduzierung der Einsatzzeiten der Polizei gehen. Ein Drittel der Einsatzzeiten der Polizei wird auf Einsätze im Kontext mit Fußballspielen verwendet. Im Interesse aller Beteiligten – auch der Fans, der Polizei, der Vereine und allgemein der Zuschauerinnen und Zuschauer – muss es uns doch darum gehen, dass wir diese Einsatzzeiten reduzieren.

Hierzu findet sich in Ihrem Antrag jedoch kein Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Kein Wort rekurriert auf die Verantwortung der Vereine. Und da muss man doch sagen:

Ihre letzten Ihnen noch verbliebenen Innenminister waren doch dabei, als die Innenministerkonferenz folgende Punkte begrüßt hat, wie mit dieser Thematik umzugehen sei: Verstärkung des Fandialogs, Entwicklung eines zertifizierten Konzepts für das Sicherheitsmanagement der Vereine. Darum geht es doch. Die Vereine – darauf hat der Innenminister zu Recht hingewiesen – sind doch für die Durchsetzung ihrer Hausordnung selbst verantwortlich. Das kann doch nicht die Polizei machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dafür braucht es eine anständige Zertifizierung. Das ist der richtige Weg.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage – Sie sprechen so schnell, so dass ich kaum dazu komme, nach der Zulassung von Zwischenfragen zu fragen – des Kollegen Düngel?

Josefine Paul (GRÜNE): Ja, sehr gern.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das belebt das parlamentarische Geschehen.

(Heiterkeit)

Bitte schön. Herr Kollege Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Ob das zur Belebung beiträgt, weiß ich nicht. Frau Paul ist gerade so in Rage. Ich wollte Ihnen Gelegenheit geben, ein Glas Wasser zu trinken.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Danke, Herr Kollege.)

Nein, vielmehr möchte ich Sie fragen, ob Sie das mit dem Drittel der Einsatzzeiten der Polizei klarstellen könnten. Sprechen wir da von der Polizei oder von Polizeihundertschaften?

Josefine Paul (GRÜNE): Wir sprechen in erster Linie von Polizeihundertschaften. Natürlich sprechen wir in diesem Zusammenhang nicht nur davon, dass die alle im Stadion eingesetzt werden, sondern ein Großteil der Polizeieinsatzzeiten – das ist auch richtig – findet auf den An- und Abreisewegen statt, also im öffentlichen Raum. Wir müssen da ganz genau hinschauen. Diese Unterscheidung ist wichtig. Darauf müssen wir uns verständigen können. Für die Sicherheit im Stadion ist in erster Linie der Verein zuständig. Dafür brauchen wir vernünftige, zertifizierte Sicherheitsdienste. Das steht in der Verantwortung der Vereine.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich die Zuständigkeit und Verantwortung der Polizei, und zwar in erster Linie im öffentlichen Raum, aber zur Gefahrenabwehr natürlich auch weiterhin im Stadion – daran hat der Minister nie einen Zweifel gelassen – und zur Strafverfolgung auch im Stadion.

Dazu gehört – das haben Ihre Innenminister begrüßt – die Installation aktueller Videotechnik. Nun kann man zur Videotechnik stehen wie man will – das lassen wir einmal im Raum stehen –, aber das wichtige daran ist, dass diese Videotechnologie insbesondere der Strafverfolgung im Nachhinein dient. Wir müssen uns überlegen, ob wir möchten, dass die Polizei wieder wie beim Spiel Schalke gegen Saloniki vor dem Fanblock aufmarschiert und sie zur Strafverfolgung wegen einer Fahne hineinmarschiert, oder ob wir über die Videoüberwachung anschließend die Strafverfolgung mit weniger großen Auseinandersetzungen ermöglichen wollen. Darum muss es doch gehen.

Ziel muss es sein – darin sollten wir uns doch einig sein –, dass wir gemeinsam mit allen Beteiligten, also Politik, Polizei, Fans, Vereine, Verbände usw., Wege finden, um diese Aufteilung zwischen Polizei und Verein, aber auch die Stärkung der Eigenverantwortung der Fans durchzusetzen. Deshalb ist die Debatte, die wir hier führen, richtig. Nicht richtig ist aber der Populismus, der in dem einen oder anderen Teil der Anträge durchscheint. Das ist kein Beitrag zu einer sachdienlichen Debatte. Dahin sollten wir aber zurückkehren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Paul. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Kollegen! Wir beschäftigen uns mit zwei Anträgen von zwei Fraktionen. Es geht um eine an sich richtige Zielsetzung. Wir teilen zwar den grundsätzlichen Tenor der beiden Anträge, können ihnen aber letztlich nicht hundertprozentig zustimmen.

Lassen Sie mich das kurz erläutern: Der Antrag der Union hat zwar die durchaus richtige Zielrichtung, schießt aber dann doch deutlich über das Ziel hinaus. Notwendig ist keine permanente Präsenz der Polizei im Stadion, sondern lediglich deren jederzeitige Einsatzbereitschaft. Die Polizei wird dann, aber auch nur dann, gebraucht, wenn sie zur Gefahrenabwehr tätig werden muss.

(Beifall von der FDP)

Das lässt sich aber bereits durch das Vorhalten von Polizeikräften auf dem Stadiongelände, aber außerhalb des Innenraums, gewährleisten. Auch bei anderen Bundesligaspielen in Nordrhein-Westfalen ist diese Vorgehensweise bisher übliche Praxis und durchaus bewährt.

Jeder Einsatz muss zudem den verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Es stehen also Deeskalationsstrategien im Vordergrund. Die Polizei muss auf dem Gelände sein. Falls es Probleme gibt, steht sie dann jederzeit zur Gefahrenabwehr bereit.

Aber jetzt einmal grundsätzlich: Angesichts der kaum zu leugnenden Belastungssituation unserer Polizeibeamtinnen und -beamten kann man unserer Meinung nach durchaus darüber diskutieren, welche Aufgaben die Polizei wahrnehmen muss und welche nicht und welche Aufgaben eher in der Verantwortung der Vereine stehen und welche nicht. Aber das Ganze sollte sachlich und konstruktiv passieren und in Ruhe und schon gar nicht in einer solch aufgeladenen Stimmung im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz auf Schalke im Hintergrund. Das hätte man in Ruhe, ganz sachlich und konstruktiv mit dem Verein diskutieren sollen.

(Beifall von der FDP)

Mit seiner trotzigen Reaktion, ob das simples Muskelspiel oder ein leicht durchschaubares Ablenkungsmanöver war, sei einmal dahingestellt, hat der Minister die Diskussion völlig konterkariert. Das ist geschehen frei nach der Methode: Einfach mal eben Fakten schaffen und dann ein Exempel bei nur einem Verein statuieren. – Herr Jäger, so wird man seiner Verantwortung als Innenminister in dieser Frage leider nicht gerecht.

(Beifall von der FDP)

Auch der Antrag der Piraten verfolgt zwar eine richtige Zielsetzung, bleibt aber in seiner Kritik leider viel zu punktuell. Im Antrag geht es leider mehr oder minder um die Frage, ob Kritik an Polizeieinsätzen öffentlich oder nicht öffentlich geübt wird oder werden darf. Meine Damen und Herren, eine öffentliche Debatte über Polizeieinsätze ist für die FDP selbstverständlich und bedarf eigentlich keines besonderen Antrages.

Auch die von den Piraten vorgeschlagenen runden Tische stellen keine Pauschallösung für sämtliche Probleme dar. Zum einen ist es nichts Neues, und zum anderen ist erst einmal weitere Ursachenforschung gefordert.

Werte Kolleginnen und Kollegen, da müssen wir ansetzen. Für uns steht im Schalke-Fall die Frage im Vordergrund, auf wessen Veranlassung der Polizeieinsatz geschah. Das ist der Kernpunkt. Also der Fan-Beauftragte von Schalke 04 war offenbar involviert, ebenfalls der Sicherheitsbeauftragte. Aber hat der Verein die Polizei zur Durchsetzung des Hausrechts gebeten oder geschah das auf eigene Initiative der Polizei? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? Dazu wissen wir auch nach dem Bericht des Innenministers im Innenausschuss vom 12. September leider noch nichts. Gerade auf diese Punkte kommt es aber ganz entscheidend an, um eine falsche Einschätzung des Vorfalls zu vermeiden. An dieser Stelle – das verspreche ich Ihnen – müssen und werden wir dran bleiben, damit sich solche Vorfälle künftig nicht wiederholen.

Das dazu auch ein Gesamtkonzept Prävention erforderlich ist, steht außer Frage. Das Konzept darf aber auch in diesem Zusammenhang kein Schnellschuss sein. Das ist klar. Andernfalls werden wir im Verhältnis von Fans und Polizei keinerlei Verbesserung erreichen.

Ich möchte zusammenfassend den Innenminister noch einmal dringend auffordern, endlich Klarheit über die Abläufe vom 21. August zu schaffen. Sie haben direkt im Anschluss die Chance dazu. Nachvollziehbar sind diese bis heute für uns nicht.

Das gilt erst recht, wenn man die Fahne berücksichtigt, dieses Banner, um das es geht. Frau Paul, ich will das gar nicht wieder aufwärmen, denn ich glaube, grundsätzlich sind wir uns einig. Ich will nur einen Aspekt hinzufügen. Dieses Banner hing offenbar auch letztes Jahr beim Champions-League-Spiel Schalke gegen Piräus im Schalker Fanblock, ohne dass es vonseiten der griechischen Fans zu irgendwelchen Gewaltandrohungen kam. Das ist noch einmal eine ganz spannende Frage. Hier ist uns der Minister noch zahlreiche Antworten schuldig. Wir sind sehr gespannt. – Vielen Dank an dieser Stelle.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lürbke. – Nun spricht der Innenminister und Kommunalminister, Herr Jäger. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident, herzlichen Dank. Herr Kruse, dass ich das noch erleben darf, dass Sie aus der „taz“ zitieren!

(Heiterkeit von der SPD)

Das ist ja geradezu so, als würde ein Pfarrer aus dem Kommunistischen Manifest zitieren.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Ich glaube, dann ist die Argumentationslage schon ziemlich dünn, wenn Sie zu diesem Stilmittel greifen müssen.

Meine Damen und Herren von CDU und Piraten, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen erst einmal zwei Dinge unterscheiden.

Das Erste ist der Einsatz der Polizei in Gelsenkirchen beim Spiel Schalke gegen Saloniki. Zum einen ist die Frage, warum es zu diesem Einsatz gekommen ist. Zum Zweiten geht es um meine Äußerungen zu zukünftigen Einsätzen der Polizei im Schalker Stadion.

Was den Einsatz und seine Verhältnismäßigkeit angeht, habe ich im Innenausschuss bereits, wie ich glaube, nach heutigem Stand sehr ausführlich und umfassend über den Stand der Dinge berichtet.

Meine Zusage, Herr Düngel, gilt fort. Wenn wir neue, wenn wir weitere ergänzende Erkenntnisse haben, werden wir dies auch dem Parlament mitteilen. Das gilt übrigens auch für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Das gilt übrigens auch für die Nachbereitung dieses Einsatzes durch die Polizei in Gelsenkirchen.

Übrigens: Dass die Polizei diese Einsätze selbstkritisch nachbereitet, ist keine Ausnahme. Das ist bei der NRW-Polizei die Regel.

Herr Düngel, ich will aber trotzdem auf eines aufmerksam machen. Sie haben nach langen Überlegungen offensichtlich zu dem Urteil gefunden – das haben Sie zumindest heute gesagt –, dass dieser Polizeieinsatz überzogen gewesen sei.

Ich maße mir ein solches Urteil, Herr Düngel, nicht an, weil ich glaube, dass dafür alle Details bekannt sein müssen.

Was ich weiß – das ist auch die Darstellung der eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten –, ist, dass die Polizeibeamtinnen und ?beamten beim Betreten der Schalker Kurve massiv angegangen worden sind: mit einer Krücke, mit Fahnenstangen und mit Fäusten.

Unabhängig davon, ob man einer solchen Darstellung Glauben schenkt – sie ist inzwischen durch Fernsehbilder belegt –, sollten wir die objektiven und neutralen Untersuchungen der Staatsanwaltschaft abwarten, bevor wir zu so eindeutigen Positionierungen kommen, wie Sie es gerade getan haben. Denn am Ende, Herr Düngel – mit dieser Möglichkeit sollten Sie sich auseinandersetzen –, könnte es sein, dass Sie sich heute mit dieser Aussage vor Straftäter gestellt haben. Das sollte ein Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtages nicht tun, meine Damen und Herren.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Düngel?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank, dass ich die Zwischenfrage stellen darf, Herr Minister Jäger.

Ich habe vorhin gesagt, dass der Einsatz der Polizei dort vor Ort unverhältnismäßig war – um das klarzustellen. Damit stellt man sich, egal, zu welchem Ergebnis die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führen, keinesfalls vor Straftäter, weil im Zuge dieses Eingriffs sozusagen im Block etwas passiert.

Die konkrete Frage ist: Würden Sie mir zustimmen, dass es unverhältnismäßig ist, in einem vollbesetzten Fanblock zum Beispiel mit Pfefferspray zu sprühen?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Über die Verhältnismäßigkeit, Herr Düngel, wird die Staatsanwaltschaft entscheiden. Ich werde zu diesem konkreten Fall schon allein aus diesem Grunde nichts sagen.

Aber klar ist auch, dass Polizeivollzugsbeamte, wenn Straftäter Widerstandshandlungen gegen diese Polizei verüben, selbstverständlich berechtigt sind, auch Pfefferspray als Distanzmittel einzusetzen.

Das entspricht übrigens der Einsatztaktik der nordrhein-westfälischen Polizei und ist auch gut so, weil in anderen Polizeien da eher zum sogenannten Schlagstock, der eigentlich Mehrzweckeinsatzstock heißt, gegriffen wird. Mir ist es allemal lieber, dass Polizei und Straftäter auf Distanz bleiben, als dass es zu unmittelbaren körperlichen Auseinandersetzungen kommt. Das ist die Einsatzstrategie der Polizei, die, wie ich finde, äußerst deeskalierend ist.

Deshalb wird auch die NRW-Polizei nicht nur gelobt, sondern permanent aus anderen Bundesländern angefordert, weil sie genau diese Einsatztaktik an den Tag legt.

Ich würde gerne noch einmal auf die gerade angesprochene Sicherheit im Stadion eingehen. Wenn ich samstags nachmittags mit meinem Sohn ins Stadion gehe – das tue ich sehr häufig, und ich bin selbst auch Fußballfan –, dann kann ich in dem sicheren Gefühl dort hingehen, mich in einem sicheren Raum zu bewegen.

Diese Sicherheit erlangen wir in einer Fußballkultur, die einmalig in Europa ist, nur durch eine große Zusammenarbeit; einmalig in Europa deshalb, weil diese Art von großen Stadien, die Stimmung, die Euphorie, die Choreografien, die wir in deutschen Stadien haben, nicht vergleichbar sind beispielsweise mit Italien, beispielsweise mit England, wo genau diese Stimmung durch erhebliche Sicherheitsmaßnahmen heruntergedämpft worden ist.

Ich trete dafür ein, dass wir genau diese Fankultur in Deutschland aufrechterhalten können. Das geht aber nur, wenn Fans, wenn vor allem Vereine und wenn Polizei in einem Boot sitzen und gemeinsam arbeiten.

Das ist übrigens eine Fankultur, die zurzeit die am dynamischsten wachsende Jugendkulturbewegung in Deutschland ist. Sie ist sehr heterogen. Darunter verbirgt sich auch eine geringe Zahl von Straftätern, die genau das nutzen, nämlich neben Nichtstraftätern zu stehen und Widerstandshandlungen zu begehen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Herrmann von der Piratenfraktion?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön. – Herr Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Frage zulassen. Ich habe zu der Verhältnismäßigkeit, zu der Sicherheit, die Sie eben nannten, noch eine Frage, und zwar wie Sie die Verhältnismäßigkeit beurteilen, wenn Sie die Polizei in einen völlig ruhigen, sicheren Fanblock schicken und auf der gegenüberliegenden Seite die Fans randalieren. Ist das Verhältnismäßigkeit, wenn man nachher Straftäter in dem Block sucht, in dem sich vielleicht nach deren Gefühl die Fans nur verteidigt haben und vorher ganz friedlich waren?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Herrmann, diese Frage ist wahrscheinlich nur rhetorischer Natur, weil sie im Innenausschuss ausführlichst beantwortet worden ist.

Erstens schreibt die Stadionordnung von Schalke 04 vor, alles zu unterlassen, was gegnerische Fangruppen provozieren könnte.

Zweitens. Das Provozierungspotenzial haben sowohl der Fanbeauftragte als auch der Sicherheitsbeauftragte in dieser Situation erkannt. Sie haben dreimal diese Ultragruppe, die dort stand, aufgesucht und sie dreimal aufgefordert, diese Fahne abzunehmen.

Beim dritten Mal hat der Sicherheitsbeauftragte von Schalke 04 mit einem Polizeieinsatz gedroht.

Der polizeiliche Einsatzleiter hat eine Abwägung treffen müssen – das wissen Sie auch, Herr Herrmann; ich stelle nur das da, was die Polizei Gelsenkirchen berichtet, die endgültige Bewertung muss die Staatsanwaltschaft vornehmen –: Es ging entweder darum, eine mögliche Überwindung von Zäunen durch 2.200 Griechen unterbinden zu müssen, oder darum, das Abnehmen einer Fahne zu erwirken.

Dass Sie jetzt gerade gesagt haben, dass sich die Schalke-Fans möglicherweise nur verteidigt haben, gibt mir wirklich zu denken, Herr Herrmann. Um eines klar und deutlich zu sagen, Herr Herrmann: In diesem Rechtsstaat sind Widerstandhandlungen und Gewaltanwendungen gegen Polizeibeamte in keiner Weise gestattet und zu Recht unter Strafe gestellt.

(Beifall von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe gerade von Gemeinsamkeiten gesprochen. Wir bekommen diesen Profifußball auch unter hohem Ressourceneinsatz der Polizeien aller Länder und der Bundespolizei nur dann gut organisiert, wenn es diese Gemeinsamkeit gibt. Wenn Sie mich vor dem 21. August 2013 gefragt hätten, ob es diese Gemeinsamkeit gibt, dann hätte ich bedingungslos Ja gesagt. In den Wochen nach dem 21. August 2013 hat sich in Bezug auf Schalke 04 aber einiges verändert.

Das lag nicht daran, dass Kritik geäußert wurde – das darf man –, sondern daran, in welcher Form, mit welcher Vehemenz und vor allem wie lange – über Wochen – von diesem Verein und Vereinsverantwortlichen kontinuierlich Dinge falsch dargestellt und falsch verbreitet worden sind. Ich finde, das gehört sich bei einer kooperativen Zusammenarbeit nicht. Dafür darf es unter den Beteiligten keinen Platz geben.

Das hat aber nichts damit zu tun, dass Kritik nicht geübt werden darf. Ganz im Gegenteil! Diese Zusammenarbeit setzt aber Vertrauen voraus. Vertrauen ist eine zwingende Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit. Ich sage Ihnen ganz offen: Es geht dabei nicht um persönliche Befindlichkeiten von dem einen oder anderen, sondern es geht um die Sicherheit der Zuschauerinnen und Zuschauer in diesem Stadion.

Meine Äußerung, dass Schalke 04 vorübergehend nicht mehr auf die Polizei zurückgreifen kann, um Ordnertätigkeiten durchzuführen – das war übrigens meine Äußerung im Innenausschuss –, war die Voraussetzung dafür, dass Schalke 04 überhaupt noch bereit war, sich mit uns an einen Tisch zu setzen.

So. Jetzt sage ich ganz offen: Das Kapitel haben wir beide – sowohl Schalke 04 als auch dieser Innenminister – abgehakt. Ich persönlich habe das abgehakt, nachdem erstens eine Entschuldigung erklärt worden ist, nachdem zweitens erklärt wurde, dass man Kritik vernünftig aufarbeitet, und nachdem drittens gesagt wurde, dass man gemeinsam dafür sorgt, dass diese Polizeipräsenz auf Schalke zukünftig nicht mehr erforderlich sein wird, wofür innerhalb eines halben Jahres ein entsprechendes eigenen Konzept für Schalke 04 erarbeitet wird.

Ich glaube, damit ist eine Voraussetzung dafür geschaffen, auch wieder vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und dem steuerzahlenden Bürger zu erklären, dass 30 % unserer Einsatzhundertschaften mit Fußball zu tun haben. Das tun wir auch gerne, weil wir sichere Spiele wollen. Das setzt aber auch Vertrauen und Zusammenarbeit mit den Vereinen voraus. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. Seien Sie bitte so nett und bleiben Sie am Rednerpult. Es gibt zwei angemeldete Kurzinterventionen. – Zunächst hat Herr Kollege Lürbke für die FDP-Fraktion das Wort für eine Kurzintervention von 90 Sekunden.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Dann habe ich 180 Sekunden.

Vizepräsident Oliver Keymis: Ja klar, jeweils 90 Sekunden, natürlich. Gut gerechnet, Herr Minister! Sie haben insgesamt 180 Sekunden Zeit, aber Sie antworten ja jeweils einzeln. – Bitte zunächst Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Herr Minister, in die Diskussion mit Ihnen darüber, was die Aufgaben der Polizei im Stadion sind und was nicht, treten wir sehr gerne ein. Ich habe aber trotzdem ein wenig das Gefühl, dass wir uns bei dieser Diskussion insgesamt ein wenig im Kreise drehen.

Für mich ist der Kernpunkt weiterhin die Frage nach dem Hausrecht, die noch immer im Raume steht und die eigentlich nicht der Knackpunkt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung ist. Sie haben das Hausrecht eben angesprochen und auch von den Sicherheits- und Fanbeauftragten gesprochen, aber Sie haben diese Frage, die ich sowohl im Innenausschuss als auch heute gestellt habe, nicht beantwortet. Darüber bin ich ein wenig enttäuscht.

Es stehen weiterhin die Fragen im Raum: Wer hat die Polizei mit dem Einsatz beauftragt? Kam die aktive Anfrage vom Verein, oder ist das auf eigene Initiative der Polizei geschehen? Wenn es auf eigene Initiative geschehen ist: Auf welcher gesetzlichen Grundlage ist dann agiert worden?

Dass diese Fragen weiterhin im Raume stehen, ist für die Diskussion insgesamt sicherlich nicht zielführend.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, Sie haben 90 Sekunden Zeit. Bitte schön.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Kollege Lürbke, diese Fragen sind im Innenausschuss mehrfach beantwortet worden. Aber ich will das gern noch einmal tun.

(Marc Lürbke [FDP]: Wir haben ja ein Wortprotokoll! Da steht das ja drin!)

– Ja, genau. Lesen Sie es nach, Herr Lürbke. Es ist ganz einfach.

Die Rechtsgrundlage ist klar: Wenn Gefahr für Leib und Leben besteht, hat die Polizei nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, einzugreifen. Das ist die Rechtsgrundlage in unserer Verfassung. Das Entscheidende ist aber – das wollen Sie ja wissen ?, ob es sozusagen eine Billigung dieses Polizeieinsatzes oder eine Anforderung des Vereins gegeben.

Ich habe es vorhin noch einmal deutlich gemacht: Es hat drei Versuche des Vereins gegenüber dieser Ultragruppe gegeben, die Provozierung zu unterlassen – sowohl durch den Fanbeauftragten als auch zweimal durch den Sicherheitsbeauftragten, der nach eigenem Bekunden beim dritten Mal gegenüber dieser Ultragruppe mit einem Polizeieinsatz gedroht hat. Das hat er übrigens deshalb getan, weil er nicht über eigene Ordner verfügt, die ein solches Aufsuchen der Kurve bewerkstelligen können.

Das ist der Hintergrund. Die Rechtsgrundlage habe ich erklärt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Die zweite Kurzintervention von 90 Sekunden kommt vom Kollegen Schatz von der Piratenfraktion. Bitte schön.

Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie sagten gerade auf die Anmerkung vom Kollegen Herrmann, dass Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte unter Strafe gestellt ist. Das ist auch zu Recht so, keine Frage, und es ist auch gut so, dass es so ist.

Ich bin Ihren Ausführungen gefolgt. Wenn man das einmal konsequent weiterverfolgt, dann haben Sie aber gerade im Prinzip inhaltlich gesagt, dass jegliches Zur-Wehr-Setzen unzulässig und immer strafbar ist.

Glauben Sie also tatsächlich, dass eine Person, die wegen einer Widerstandshandlung vor Gericht steht und bei der sich im Laufe des Strafverfahrens herausstellt, dass die Grundmaßnahme des Polizeibeamten vorher rechtswidrig war, wegen dieser Widerstandshandlung verurteilt wird?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Schatz, Ihre Frage führt bei mir zu tiefem Nachdenken darüber, ob im Rahmen der Polizeiausbildung in Nordrhein-Westfalen Polizeirecht in ausreichendem Maße unterrichtet wird.

(Heiterkeit von der SPD und der FDP)

Um es deutlich zu sagen, Herr Schatz: Ja, es gibt keinerlei Recht auf Widerstandshandlung gegen Polizeivollzugsbeamte aus dem Glauben heraus, es handelte sich um einen unrechtmäßigen Einsatz. Um es klar zu sagen: Gewalt gegen Polizeibeamte und Gewalt gegen jegliche Menschen ist in diesem Land unzulässig. Und das ist auch gut so.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Nun kommen wir zur Abstimmung. Die beiden Antragsteller haben direkte Abstimmung beantragt.

Zunächst stimmen wir über den Inhalt des Antrags der Fraktion der CDU Drucksache 16/4013 ab. Wer stimmt dem Antrag zu? – Die CDU-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Stein.

(Zurufe: Aha! – Jochen Ott [SPD]: Da wächst zusammen, was zusammengehört!)

– Wenn die Beitrittsfrage geklärt ist,

(Heiterkeit und allgemeiner Beifall)

kommen wir zum zweiten Teil der Abstimmung. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Die SPD-Fraktion, die grüne Fraktion. Wer enthält sich? – Die FDP-Fraktion und die Piratenfraktion, und zwar beide geschlossen. Damit ist der Antrag mit Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags der Fraktion der Piraten Drucksache 16/4022. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Die Fraktion der Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Stein. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Gleichwohl ist der Antrag mit der Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt. Wir sind am Ende der Beratung dieses Tagesordnungspunktes.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

6   Versprochen – Gebrochen: Landtag wehrt sich gegen rot-grünen Wortbruch bei der Dichtheitsprüfung und Wiedereinführung des Generalverdachts durch die Hintertür

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/4030

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Höne das Wort.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist die letzte Chance für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion,

(Erhebliche Unruhe – Glocke)

sich vor Ihren Wählerinnen und Wählern zu rechtfertigen und dafür zu sorgen, dass Sie keinen Wortbruch begehen. Denn diese Verordnung, die uns vorgelegt wurde, ist beim Thema Dichtheitsprüfung leider der wiederholte Wortbruch. Es war Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die im Wahlkampf versprochen hat, sie würde eine bürgerfreundliche Lösung präsentieren. Sie sagte wörtlich: Omas klein Häuschen würde ich davon ausnehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, schon in meiner letzten Rede zu diesem Thema habe ich deutlich gemacht, dass Sie alle Großmütter, Großväter, die im Wasserschutzgebiet wohnen, eben doch unter einen Generalverdacht stellen. Bis heute habe ich nicht gehört, wie die Landesregierung, wie Frau Ministerpräsidentin diesen Wortbruch begründet oder gar entschuldigt. Die SPD gibt sich so, als gäbe sie in dieser Regierung den Ton an. Sie tut es aber insbesondere bei diesem Thema offenkundig nicht.

Herr Kollege Meesters, in einer Pressemitteilung vom 28. Februar 2013 haben Sie betont – ich zitiere –: In Zukunft entfallen für private Abwasserleitungen außerhalb von Wasserschutzgebieten jegliche Fristen. – Schön wäre es gewesen.

Der Verordnungsentwurf sieht das jedoch so nicht vor. Er sieht eher das Gegenteil von dem, Herr Meesters, vor, was Sie unter der Überschrift „Funktionsprüfung privater Abwasserkanäle endlich bürgerfreundlich geregelt“ den Bürgern vormachen.

(Beifall von der FDP)

Sie führen die Prüfpflicht durch die Hintertür eben doch wieder ein. Sie verordnen, dass nach einer Erstprüfung alle 30 Jahre eine Folgeprüfung stattfinden muss. Sie tun das erneut, ohne dass ein begründeter Verdacht vorliegen müsste, wie es FDP und CDU gemeinsam immer wieder deutlich gemacht und immer wieder gefordert haben.

Warum wählen Sie 30 Jahre, warum wählen Sie nicht 20, 24 oder 25 oder 35 Jahre? Diese Willkür können Sie überhaupt nicht erklären.

Sie können auch Ihren Wortbruch nicht erklären. Ich zitiere noch einmal Hannelore Kraft auf dem SPD-Landesparteitag am 29.09.2012. Da sagte sie, sie wolle Vorgaben flexibel und ohne starre Überprüfungspflichten umsetzen. – Vor dem Hintergrund der gerade genannten starren Übergangsfristen müssen wir festhalten: versprochen – gebrochen.

In der Sache ist es nichts anderes als der alte § 61a Landeswassergesetz. Es bleibt eben doch bei starren Fristen. Dafür – das haben insbesondere die zahlreichen Bürgerinitiativen gezeigt – haben die Menschen in diesem Land kein Verständnis.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch wenn neue Wasserschutzgebiete festgesetzt werden, muss laut Ihrer Verordnung spätestens nach sieben Jahren eine Erstprüfung durchgeführt werden – übrigens unabhängig davon, ob möglicherweise vier Wochen vor der Ausweisung eine Prüfung stattgefunden hat.

Herr Meesters, da sind – anders als von Ihnen noch im Februar angekündigt – sogar noch neue Fristen, von denen vorher nie die Rede war, zu erkennen. Wie erklären Sie das? Ich glaube, Sie können das nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben die Chance, diese an der Sache vorbeizielende Verordnung noch zurückzuziehen und dann doch eine komplett durchdachte bürgerfreundliche Verordnung ohne die hier gerade aufgezeigten Fehler wie bei der 7-Jahres-Frist zu präsentieren. Ansonsten begehen Sie Wortbruch gegenüber allen Hauseigentümern in NRW, während die Grünen zu Recht sagen können, dass sie der SPD ein weiteres Mal gezeigt haben, dass vor allem das grün angemalte „Wir“ entscheidet, was in NRW gemacht wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, Sie haben heute die letzte Chance zu zeigen, dass es Ihnen Ernst mit einer bürgerfreundlichen Lösung bei der Dichtheitsprüfung ist, indem Sie diesen Entwurf zurückziehen. Sie sollten diese Chance nutzen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Höne. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Meesters.

Norbert Meesters (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne! Sehr geehrter Herr Höne!

(Hans Christian Markert [GRÜNE]: Und am Stream!)

– Und am Stream, genau. – Die Pressemitteilungen und Parteitagsreden der SPD haben Sie offensichtlich sehr gut gelesen, allerdings die Verordnung nicht, habe ich den Eindruck.

Sie haben mit Ihrem Antrag unter dem Motto „ versprochen – gebrochen“ eine neue Antragsserie geschaffen. Ich darf Ihnen sagen: Schon mit Ihrem ersten Antrag haben Sie diese Serie in den Teich gesetzt. Denn der von Ihnen vorgelegte Antrag ist etwas wirr und geht völlig ins Leere. Die Vorwürfe und Feststellungen, die Sie gerade wiederholt haben, sind sachlich überhaupt nicht haltbar. Das kann jedermann erkennen, der den Entwurf der Verordnung ordentlich liest, was Sie offensichtlich nicht getan haben.

Interessant ist bei Ihrem Antrag allerdings, dass Sie einführend herausstellen, dass der damalige § 61a Landeswassergesetz, den Sie selbst in der Koalition mit der CDU eingeführt haben, nicht alltagstauglich war. – Das ist richtig; das kann man nur unterstreichen.

Deswegen haben wir von SPD und Grünen gemeinsam eine Verbesserung der Situation erarbeitet. Eine Zeit lang war sogar die CDU konstruktiv dabei. Ziel war und ist es, eine bürgerfreundliche Lösung zu finden und die von Ihnen damals beschlossenen verschärfenden Regelungen im Sinne des Bürgers zu verbessern.

Das genau haben wir getan. Am 27. Februar dieses Jahres haben wir die Änderung des Landeswassergesetzes im Plenum beschlossen. Wir haben das Ministerium beauftragt, die materiellen Anforderungen in einer Verordnung zu regeln. Diese Verordnung, auf die Sie sich in Ihrem Antrag beziehen, liegt nun vor.

Die Anforderungen beschreiben Sie sehr gut und sehr korrekt auf Seite 2 Ihres Antrags. Das ist der einzige sachlich richtige Punkt, den ich dort feststellen konnte.

Sie erwecken allerdings mit Ihrem Antragstext den Eindruck – das hat mich ein bisschen verwirrt –, dass Sie die Verhältnismäßigkeit und Bürgerfreundlichkeit unserer Regelungen nun wohl auch anerkennen. Das ist löblich, aber wahrscheinlich ist das mehr auf Ihre Argumentationsschwäche zurückzuführen. Denn auf Seite 2 Ihres Antrags kritisieren Sie, dass die Selbstüberwachungsverordnung den Vorgaben des Landtags nicht entsprechen würde und daher keine bürgerfreundliche Regelung vorliege. Weil diese den Vorgaben unseres Beschlusses nicht entspreche, sei sie nicht bürgerfreundlich.

Im Umkehrschluss heißt das für mich, dass die Einhaltung des Beschlusses eine bürgerfreundliche und verhältnismäßige Lösung ist. So wäre es logisch; so ist es auch. Die Verordnung entspricht diesem Beschluss selbstverständlich. Das ist logisch, denn eine Verordnung kann nicht etwas völlig anderes als das feststellen, was im Gesetz schon beschlossen worden ist.

Weil diese Erkenntnis nicht in Ihr politisches Szenario passt, wird es im Kern Ihres Antrages dann sehr unlogisch und faktenfalsch. Sie sprechen zum Beispiel von anlassunabhängigen flächendeckenden Wiederholungsprüfungen nach 30 Jahren, mit denen wir angeblich den berühmten Generalverdacht – wenn es ihn gäbe, hätten Sie ihn selbst mit beschlossen – wieder einführen würden. Das ist eine ziemlich gewagte und falsche Interpretation.

Sie sprechen weiterhin von verpflichtenden Prüfungen nach sieben Jahren in den neuen Wasserschutzgebieten – Sie haben es gerade erwähnt – ohne Anrechnung einer vorangegangenen Prüfung. – Das ist falsch. Die Faktenlage sieht so aus: Wenn ein neues Wasserschutzgebiet gebildet wird – das kann immer wieder einmal vorkommen; das ist richtig und wichtig –, gibt es erst nach sieben Jahren die Pflicht zur Erstprüfung. Wir haben das gemacht, weil es von 2013 bis 2020 sieben Jahre sind und also bis 2020 die Erstprüfung erfolgt sein muss. Wir übertragen das gerechtigkeitshalber auf die Bürgerinnen und Bürger, die später einmal in einem Wasserschutzgebiet wohnen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Norbert Meesters (SPD): Nein, ich möchte im Ganzen vortragen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Gut.

Norbert Meesters (SPD): Eine Wiederholungsprüfung ist erst 30 Jahre nach dieser gesetzten Erstprüfung möglich und nötig. Für Wiederholungsprüfungen gelten generell Normen, die von 20 Jahren ausgehen. Deswegen ist mit dieser Verordnung und einer Frist von 30 Jahren eine bürgerfreundliche Lösung gefunden. Das ist eine sehr lange Zeit. Ich wäre nach 30 Jahren 86 Jahre alt. Damit könnte ich sehr gut leben.

Nur in Wasserschutzgebieten – das wollen wir noch einmal festhalten – gibt es, wie ich gesagt habe, landesrechtliche Fristen für Erstprüfungen – nirgendwo sonst.

Es gibt also keinen Generalverdacht; das ist nur ein politischer Propagandabegriff Ihrer FDP-Fraktion.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP)

Mein Fazit zu diesem Antrag: Die FDP hat am Sonntag ihre Dichtheitsprüfung nicht bestanden.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Kanalsanierung unterteilt sich bekanntermaßen in Reparatur, Renovierung und Erneuerung. Sie haben ein katastrophales Stimmenleck bekommen. Da helfen nur die Totalsanierung und die Erneuerung. Das hat Herr Lindner sehr richtig ausgeführt.

(Zurufe von der FDP)

Mit solchen Anträgen wie heute schaffen Sie diese Erneuerung nicht.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Herr Höne, noch eine Frage an Sie persönlich: Warum tun Sie sich eigentlich diesen Antrag an? Ich schätze Sie eigentlich als sehr vernünftigen Menschen in der politischen Diskussion.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Es wäre besser gewesen, wenn Sie diesen Punkt dem Herrn der Dichtungsringe, Herrn Abruszat, überlassen hätten.

(Zuruf von Hans Christian Markert [GRÜNE])

Denn der hat Ihnen schließlich diese dünne Suppe eingebrockt, die Sie auslöffeln müssen. Wir werden nicht mitlöffeln, und wir werden diesen Antrag ver-dientermaßen ablehnen.

(Beifall von der SPD und Dr. Birgit Beisheim [GRÜNE])

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Meesters. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Meesters, mit Blick auf den Sonntag und auf Lecks glaube ich, dass Ihr Leck in Bezug auf Ihre Wählerschaft allenfalls teilweise abgedichtet worden ist. Insofern würde ich mich mit Bewertungen anderer sehr zurückhalten.

(Beifall von der CDU – Norbert Meesters [SPD]: Wir stellen vernünftige Anträge!)

Im Übrigen gebe ich dem Kollegen Höne ausdrücklich recht: Was hier passiert, ist keine Klarheit, sondern weiterer Bürokratismus und weiterer Aufbau von Rechtsunsicherheiten. Die Kommunen werden ausbaden müssen, was Sie sich weigern, klar und deutlich zu regeln: Trinkwasserschutzzonen – ja oder nein? Wo gilt die Trinkwasserschutzzone? Gilt sie auch da, wo Staatssekretäre Wahlkreise haben?

(Jochen Ott [SPD]: Aber selbstverständlich!)

Gilt sie dort nicht?

(Jochen Ott [SPD]: Überall! Außer bei Ihnen zu Hause!)

Diese Fragen muss man klären.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Norbert Meesters [SPD])

Insofern sage ich – da mögen Sie laut rufen, denn ich weiß, dass es wehtut, wenn man getroffen wird –,

(Norbert Meesters [SPD]: Leise rufen kann man nicht!)

dass Sie den Bürgern ein undurchsichtiges Werk vorgelegt haben, aus dem sie nicht entnehmen können, ob sie betroffen sind oder nicht. Straßenzüge – nicht Grundwasserstöcke oder Grundwassereinzugsgebiete – werden darüber entscheiden, ob die Dichtheitsprüfung durchgeführt werden muss oder nicht. Wo oberirdisch die Grenzen der Trinkwasserzone gezogen worden sind, gilt die Trinkwasserschutzzone. Aber kann wirklich Trinkwasser geschützt werden, wenn die von Ihnen angenommene Theorie der riesigen Gefährdung besteht? Das umfasst Ihre Lösung mit der Rechtsverordnung nicht.

Es bleibt dabei: Die von Ihnen dargestellte Trinkwassergefährdung ist in der Realität nicht vorhanden. Es gibt keine Belege dafür. Sie betreiben eine Überregulierung und ein Übermaß.

(Inge Howe [SPD]: Wer hat denn den Schaden angerichtet? Das waren Sie doch!)

Sie hätten auf das zurückkommen sollen, was FDP und CDU Ihnen angeboten haben, nämlich auf unseren gemeinsamen Gesetzentwurf, der bei begründetem Verdacht ein Handeln hervorgerufen hätte. Das wäre eine sinnvolle und für die Bürger nachvollziehbare Lösung gewesen.

(Zuruf von der SPD: Heuchelei!)

Dieser haben Sie sich verweigert. Die Menschen werden Ihnen Ihre Lösungen nicht abnehmen, weil sie keine Lösungen sind, sondern weil sie letztlich nur eine Verneigung an den grünen Koalitionspartner sind, um den Frieden zu halten. Das ist das Ergebnis. Die Rechtsverordnung untermalt das Ganze in einer besonders eindrucksvollen Weise.

Wir werden dem Vorschlag der FDP-Fraktion zustimmen. Sie werden das vor dem Bürger verantworten müssen. Der Bürger wird Ihnen auch im Mai nächsten Jahres dafür die Quittung geben.

(Norbert Meesters [SPD]: Sprechen Sie eigentlich ab und zu mit Herrn Grünberg?)

– Herr Meesters, für Ihr Geschichtsbewusstsein: Nicht die Union hat die Dichtheitsprüfung eingeführt, es war die SPD.

(Inge Howe [SPD]: Das stimmt doch nicht! – Weitere Zurufe)

– Liebe Kollegen, Sie können laut rufen. Schauen Sie in die Unterlagen!

(Jochen Ott [SPD]: Ja, eben!)

1995 hat die SPD das in die Landesbauordnung geschrieben. Die Fristsetzungen sind durch Rot-Grün erfolgt.

(Jochen Ott [SPD]: Ihr hättet es doch verändern können!)

Die FDP und die CDU haben es in das Wassergesetz gebracht. Das ist richtig. Aber die Erfinder der Dichtheitsprüfung sind Rot-Grün.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben die Elternschaft anzuerkennen. Verweigern Sie nicht ständig Ihren Kindern das Recht, dass sie Eltern haben.

(Norbert Meesters [SPD]: Das sind doch Nebelkerzen!)

Die Dichtheitsprüfung ist Ihr Kind. So bleibt es. Bitte schön.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Sie sind ein ganz schlechter Historiker! – Weitere Zurufe – Gegenruf von Christof Rasche [FDP]: Vielleicht sollte man zu Hause wenigstens nicht lügen!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hovenjürgen. – Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Kollege Markert.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die abendlichen Gemüter haben sich schon wieder ein bisschen beruhigt; das ist beruhigend. Ich dachte eigentlich, dass die inhaltlichen Messen bei diesem Thema gelesen wären. Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren wahrlich genug Zeit gehabt, uns in alle Tiefen des Kanalwesens einzuarbeiten –

(Jochen Ott [SPD]: Wir waren in jedem Kanal!)

mehr als manchem von uns vielleicht lieb gewesen wäre, vielleicht auch mehr, als manchem Bürger und mancher Bürgerin lieb gewesen wäre. Es ist sicherlich auf allen politischen Seiten nicht alles in dieser Debatte ein Ruhmesblatt gewesen. Aber der Wahlkampf ist hier wie dort inzwischen beendet.

Geschätzter Kollege Höne: Versprochen, gebrochen – das klingt ein bisschen wie ein Nachklapp auf den Wahlkampf. Ich würde Ihnen empfehlen, selbst in den Spiegel zu gucken und beispielsweise die letzten Jahre im Bund zu betrachten. Die Wählerinnen und Wähler haben selbst gelegentlich die Möglichkeit zu entscheiden, wer welche Versprechen wo gebrochen hat. Offensichtlich hat Ihnen jedenfalls dieser Antrag keine neuen Wählerschichten zugetrieben, die Herr Lindner erschließen will, wovon er ja gerne spricht.

Sie verfallen, ohne diese Verordnung tatsächlich zu durchdringen, in der Tat wieder in einen Skandalisierungsreflex und beachten dabei nicht, dass vor Ort Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Stadtwerken usw. darauf warten, dass dieses Gesetz – nachdem es nun einmal verabschiedet worden ist; das können Sie bedauern – auch vollziehbar wird. Übrigens warten die Kolleginnen und Kollegen in den Kommunalparlamenten auch darauf, dass es vollziehbar wird. Nichts anderes will diese Verordnung: Es geht darum, das verabschiedete Gesetz vollziehbar zu machen.

Um den Vorwurf des gebrochenen Versprechens zu untermauern, greifen Sie sich justament eine untaugliche Stelle heraus. Sie reden davon, dass dort von den 30 Jahren die Rede ist, nach denen letztlich noch einmal nachgeschaut werden soll. Das kann man vielleicht, wenn man es nur oberflächlich liest, so interpretieren. Steigen Sie hingegen etwas intensiver in die Thematik ein, werden Sie feststellen: Würde man in der Verordnung gar nichts dazu sagen, würde eine DIN-Vorgabe gelten, die 20 Jahre vorsieht. Die Wasserrechtsexpertinnen und -experten vor Ort, die ein solches Gesetz umsetzen müssen und dann mit einer Verordnung arbeiten müssten, die das nicht regelt, würden nach DIN vorgehen.

Sie könnten sagen: Am besten schreiben Sie trotzdem gar nichts hinein. – Dann ergibt sich aber noch ein zweites Problem: In diesem Fall gilt das Wasserhaushaltsgesetz – das ist übrigens ein Bundesgesetz –, das in § 60 davon spricht, dass die Kanalselbstüberwachung durch die Bürgerinnen und Bürger nach den Regeln der Technik zu erfolgen hat. Die Regeln der Technik sind eben diese DIN-Vorschriften, die dann auch wieder die 20 Jahre vorsehen.

Ich frage Sie, Herr Höne: Wenn wir jetzt also nichts regeln würden, würden die 20 Jahre gelten. Dann regeln wir es doch besser auf 30 Jahre. Ich glaube, damit ist den Bürgerinnen und Bürgern in der Tat mehr gedient – und vor allen Dingen auch den Menschen, die ein Gesetz vollziehen müssen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Nichts hineinzuschreiben, wofür Herr Hovenjürgen eben noch einmal plädiert hat, führt dazu, dass die bundesgesetzliche Regelung zu 20 Jahren führt. Nichts hineinzuschreiben führt dazu, dass die DIN-Vorschrift auch im Land Anwendung finden würde. Deswegen hat der Minister den richtigen Vorschlag bei der Verordnung gemacht, 30 Jahre hineinzuschreiben, weil das in jedem Fall besser ist als das, was kommen würde, wenn man Ihnen folgen würde. Insofern nehmen Sie bitte den doch etwas sehr harten Vorwurf, dass ein Versprechen gebrochen worden sei, zurück.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das können die nicht!)

Wir jedenfalls werden Ihrem Antrag nicht folgen und Ihnen damit die Gelegenheit geben, zurückzurudern. Wir werden Sie davor bewahren, selbst gegenüber den Bürgerinitiativen wortbrüchig zu werden. Denn wenn wir Ihnen das durchgehen lassen würden, hätten wir eine Folge, die Sie gar nicht beabsichtigt haben. Dann wären nämlich 20 Jahre nach der DIN-Vorschrift die Folge. Wir sind dann eher für 30 Jahre. Das ist unterm Strich besser.

Ich hoffe jedenfalls inständig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass wir dieses Thema jetzt endgültig abschließend im Ausschuss beraten können und dass wir uns dann vielleicht wieder wichtigen Themen in der Umweltpolitik zuwenden können. Damit ist den Bürgern geholfen und diesem Parlament in diesem Punkt die Würde zurückgegeben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Rohwedder das Wort.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Danke. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und draußen, außerhalb des Landtags! Wir haben zuletzt im Februar auch über die Anforderungen einer Verordnung zur Dichtheitsprüfung debattiert. Die damaligen leisen Befürchtungen, die Regierung wolle das etwas entschärfte Gesetz durch die kommende Rechtsverordnung, die Selbstüberwachungsverordnung Abwasser, erneut verschärfen, bewahrheiten sich jetzt.

Das ist nichts Neues oder Ungewöhnliches: Dinge, die man in Gesetze nicht so gerne direkt hineinschreiben möchte, schreibt man in die Ausführungsverordnung. Diese Vorgehensweise ist im Grunde altbekannt und unbegabt.

Es gibt dazu auch nach wie vor gar keinen Grund. Nach wie vor geht von den undichten privaten Anschlussleitungen, die Tag und Nacht, tagein, tagaus, überwiegend trocken liegen, keine Gefahr für Boden und Grundwasser aus. Die Aussagen im Trinkwasserbericht Nordrhein-Westfalen 2009 sind nach wie vor unwidersprochen. Es gibt keine Hinweise auf ein Gefahrenpotenzial.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ein Generalverdacht lässt sich weiterhin nicht rechtfertigen.

Vielleicht geht es aber auch gar nicht um Boden- und Wasserschutz, wie es immer vorgegeben wird. Hinter vorgehaltener Hand hört man von Experten und kommunalen Vertreten ganz andere Begründungen. Die Betreffenden wollen dann nicht namentlich genannt und zitiert werden. Aber zumindest zum Teil geht es um Fremdwassereinleitungen, die den Kommunen Kosten bei der Klärung verursachen, die sie schlecht auf die Bürger abwälzen können. Sollte das so sein, gilt auch hier, dass ein Großteil des Fremdwassers aus maroden Sammlern aus Kaisers Zeiten stammt, die sich in kommunaler Hand befinden, während die privaten Leitungen auch bei diesem Problem kaum eine Rolle spielen.

Die geplante Verordnung wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit also immer noch nicht, noch weniger als das Gesetz selber, dem wir auch schon nicht zustimmen konnten.

Seit Februar hat sich anscheinend nichts geändert. Ich wiederhole mich: In dieser Landesregierung scheint sich niemand zu fragen, warum andere Bundesländer – auch solche mit ähnlicher Regierungskonstellation – sich und ihren Bürgern Vergleichbares nicht antun mögen.

Ich empfehle dem Landtag, den Fraktionen hier im Landtag und damit auch meiner Fraktion sowie dem fraktionslosen Abgeordneten Stein,

(Lachen von den PIRATEN)

diesem Antrag der FDP-Fraktion insgesamt zuzustimmen. Auch im zweiten Halbjahr 2013 können Sie mit den Piraten keinen Generalverdacht aussprechen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Remmel das Wort.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat eignet sich das Thema der Dichtheit von privaten Abwasserkanälen eigentlich nicht dazu, politische Suppen zu kochen. Aber genau das erleben wir heute wieder: Der politische Mut und das eine oder andere sollen am Köcheln gehalten werden.

Ich finde, es gehört zu den Pflichten eines Abgeordneten oder einer Abgeordneten auch, aufklärerisch tätig zu werden und nicht zu vernebeln. Das, was heute sowohl Herr Höne als auch Herr Hovenjürgen gemacht haben, ist nichts anderes, als Nebelkerzen zu werfen, statt auf die wahren Beweggründe und die Verantwortung aus der Vergangenheit hinzuweisen. Ich will das zum wiederholten Male tun. Insofern geht es überhaupt nicht um eine politische Frage, die in der Farbenlehre dieses Hauses einmal mehr und einmal weniger abzubilden wäre.

Beim Wasserhaushaltsgesetz haben wir es mit einem Bundesgesetz zu tun. Dieses Wasserhaushaltsgesetz sieht eine Pflicht des Eigentümers/der Eigentümerin vor, die Anlagen dicht zu halten, sodass von ihnen keine Gefährdung für Boden, Wasser und Umwelt ausgeht.

Es ist doch nicht die Aufgabe des Landes und Ursache landesgesetzlicher Regelungen, sondern es geht um bundesgesetzliche Regelungen. Insofern haben Sie die Verantwortung, weil Sie es während Ihrer Zeit in der Bundesregierung nicht geschafft haben, die nach dem Wasserhaushaltsgesetz vorgesehene Ermächtigung einer Rechtsverordnung tatsächlich auszufüllen. Dort liegt die eigentliche Ursache der Unklarheit im Lande und in der Bundesrepublik, dass es keine Rechtsverordnung des Bundes gibt und insofern unterschiedliche Interpretationen bestehen. Es gehört zur Wahrheit dazu, das an so einer Stelle noch einmal zu sagen.

Zum Zweiten haben Sie auch die Rechtsetzung in Nordrhein-Westfalen nicht erwähnt, die zugegebenermaßen seit 1995 mit allen Farben des Hauses in unterschiedlichen Konstellationen verbunden ist. Insofern gibt es eine Verantwortung aller Fraktionen, gewachsenes Recht einerseits und Bundesrecht anderseits entsprechend umzusetzen. Diese Diskussion kennen Sie.

Der Gesetzgeber hat entschieden. Die Landesregierung hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt. Dazu hätte ich mir gewünscht, dass sie den normalen Weg der Beratung einer Verordnung eingehalten hätten, statt aufgeregt zu gackern und direkt den Landtag insgesamt damit zu beschäftigen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der normale Weg einer Verordnung ist die Fachausschussberatung und anschließend die Beratung im Plenum. Die eine oder andere Frage, die Sie haben, hätte so geklärt werden können, und wir hätten das nicht vor dem großen Publikum aller Abgeordneten des Landes Nordrhein-Westfalen verhandeln müssen. Das wäre vielleicht der etwas einfachere Weg gewesen. Nun haben Sie es vielleicht auch aus niederen Motiven getan, um durch den Antrag die eine oder andere Botschaft vor einem Ereignis, das am letzten Sonntag stattgefunden hat, zu setzen, was ich nachvollziehen kann.

Trotzdem sollten wir in der Sache aufklärerisch tätig werden. Diese Verordnung setzt zum einen das Gesetz um und klärt zum anderen Unklarheiten, die entstehen könnten. Die Vorredner haben es schon dargestellt: Für den Fall, dass Kommunen außerhalb von Wasserschutzgebieten in einer Satzung regeln, dass es eine Prüfpflicht gibt – das können sie aufgrund des Bundesgesetzes –, wird klargestellt, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger nicht schlechter gestellt sind als die Bürgerinnen und Bürger in Wasserschutzgebieten. Diese Formulierung ist nichts anderes als ein solcher Hinweis. Ich bitte Sie, das der Klarheit halber zu betonen, um bei den Bürgerinnen und Bürger nicht für weitere Verunsicherung zu sorgen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind damit am Schluss unserer Beratung angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der FDP hat direkte Abstimmung beantragt. Ich stelle somit den Inhalt des Antrags Drucksache 16/4030 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Wer ist gegen diesen Antrag? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/4030 mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU, FDP und eines großen Teils der Piratenfraktion und des fraktionsunabhängigen Kollegen Stein bei Enthaltung eines Kollegen aus den Reihen der Piratenfraktion abgelehnt.

Wir treten ein in den Tagesordnungspunkt

7   Sechstes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3335


Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/4001

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/4065

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Körfges das Wort. Bitte.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das jetzt zur Entscheidung anstehende Gesetz ist aus Sicht unserer Fraktion logisch nachvollziehbar und entspricht der Erkenntnis, dass Normen, die sich bewährt haben und unverzichtbar sind, von einer prinzipiell sinnvollen Befristung befreit werden können und müssen. Das gilt, um ein paar Beispiele aufzuzählen, sowohl für das Landesorganisationsgesetz als auch für das Verwaltungsverfahrensgesetz und einige weitere Gesetze. Dort, wo noch Überprüfungen aus- bzw. anstehen oder noch nicht abgeschlossen sind, hat die Verlängerung der Befristung ihre Berechtigung – ähnlich wie auch in anderen Fällen.

Insoweit beschränken sich aus meiner Sicht die im Fachausschuss geäußerten Bedenken der Oppositionsfraktionen, vor allem der FDP, auf einen eher formalen Aspekt. Das gilt insbesondere für den Bereich des Korruptionsbekämpfungsgesetzes. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe zumindest, dass sich Ihre Bedenken auf den formalen Aspekt beziehen und nicht auf den darin geregelten Sachverhalt; denn ich glaube, dass wir uns insgesamt beim Thema „Korruptionsbekämpfungsgesetz“ zumindest von der Zielrichtung her einig sind.

Der Grund, weshalb wir hier jetzt womöglich ein wenig länger reden, als es sonst erforderlich gewesen wäre, ist unser Änderungsantrag. Liebe Kolleginnen und Kollegen, darin geht es um einen Bereich, den wir grundsätzlich neu regeln wollen – ich verbessere mich: den wir wieder in Ordnung bringen müssen. Es handelt sich hierbei um das Widerspruchsverfahren. Unter Schwarz-Gelb ist das Widerspruchsverfahren als kostengünstiges und einfach zu handhabendes Rechtsmittel für alle Bürgerinnen und Bürger weitestgehend abgeschafft worden. Das hat sich als Fehler herausgestellt. Das haben wir damals schon so beurteilt. Wir werden gemeinsam an vielen Stellen überlegen müssen, wie wir das wieder ins Lot bringen.

Lassen Sie mich als Beispiel auf den bewährten Dialog zwischen den Betroffenen und den Verwaltungen bei örtlichen Verwaltungsentscheidungen hinweisen. Dieser Dialog wird erheblich dadurch belastet, dass nunmehr statt eines Widerspruchs verbindlich in das Klageverfahren eingetreten werden muss. Ein unechtes Widerspruchsverfahren, das jetzt in einigen kommunalen Bereichen durchgeführt wird, zu etablieren, ersetzt nicht generell das, was wir mit dem Widerspruchsverfahren verbinden. Insbesondere wollen wir nicht, dass Bürgerinnen und Bürger dadurch, dass sie Prozesskostenrisiken zu tragen haben, davon abgehalten werden, ihr gutes Recht in einem geregelten Widerspruchsverfahren zu hinterfragen.

Das Fehlen von Widerspruchsmöglichkeiten hat darüber hinaus weitere negative Wirkungen. Die Frage, wie Kommunen kurz und unbürokratisch in sogenannten Massenbescheidungssachen eigene Fehler beheben können, auch zugunsten der kommunalen Kassen, ist ebenfalls von großer Bedeutung. Aus unserer Sicht spielt auch die Tatsache eine wichtige Rolle, dass Verwaltungsgerichte dann zum Teil mit Verfahren überzogen werden, die nur ganz wenig erheblich sind, sodass für einen kleinen Anlass viel Aufwand betrieben wird. Wir müssen darüber nachdenken, ob wir an dieser Stelle nicht die Verwaltungsgerichtsbarkeit an der Stelle von zusätzlichen Belastungen befreien müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt die alte Weisheit – damit komme ich auch zum Schluss –, dass es viel leichter ist, eine funktionierende Sache kaputtzumachen, als sie nachher wieder zu reparieren. Insoweit haben wir uns vorgenommen, und zwar schon im Koalitionsvertrag, genau hinzuschauen, in welchen Fällen es Sinn macht und in welchen Fällen sich es sich heutzutage auch unter Kostengesichtspunkten als wenig sinnvoll erweist, das Widerspruchsverfahren wieder einzuführen.

Ich will ein Beispiel deutlich hervorheben. Überall dort, wo es um soziale Besitzstände von Menschen geht, wo es um soziale Errungenschaften geht, halten wir das Widerspruchsverfahren für unverzichtbar, weil dort gerade diejenigen betroffen sind, die sich ein verwaltungsgerichtliches Verfahren am wenigsten erlauben können.

Ich bitte deswegen darum, unserem Änderungsantrag zu folgen. Wir sagen ausdrücklich zu, dass wir dieses Thema rechtzeitig vor Ablauf der beantragten Fristverlängerung hier wieder zum Aufruf bringen werden, damit sich zum Beispiel auch die Kommunen vor Ort auf die geänderte Rechtspraxis einstellen können. Wir bitten darum, dass Sie mit uns gemeinsam daran mitwirken, das Widerspruchsverfahren wieder in Ordnung zu bringen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Korte das Wort.

Kirstin Korte (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Körfges, ich mache es kurz. Angesichts der Kürze des vorliegenden Gesetzentwurfs will ich dazu nur wenige Anmerkungen machen.

Hinter der sperrigen Überschrift „Sechstes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales“ verbirgt sich ein Artikelgesetz, mit dem die Befristungsregelungen in insgesamt sieben Einzelgesetzen – auf eins davon haben Sie hingewiesen – entweder verlängert oder aufgehoben werden sollen. In der Sache sind diese Änderungen weitgehend unproblematisch – bis auf eine Ausnahme.

Die angestrebte Verlängerung der Befristungsregelung im Korruptionsbekämpfungsgesetz ist nicht notwendig. Zwar sieht das geltende Korruptionsbekämpfungsgesetz in § 23 vor, dass das Gesetz am 31. Dezember 2013 außer Kraft tritt. Um das zu verhindern, bedarf es jedoch keiner Änderung dieses Paragrafen; denn die Landesregierung hat vor der Sommerpause den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes und weiterer Gesetze mit der Drucksachennummer 16/3334 in den Landtag eingebracht.

In diesem Gesetzentwurf ist eine dauerhafte Entfristung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vorgesehen.

Die Fraktionen haben sich im Innenausschuss darauf verständigt, am 7. September 2013 zu diesem Gesetzentwurf ein Expertengespräch durchzuführen, sodass das neue Korruptionsbekämpfungsgesetz auf jeden Fall rechtzeitig vor dem Jahresende verabschiedet werden kann.

Eine Verlängerung der Befristung des alten Korruptionsbekämpfungsgesetzes ist damit nicht erforderlich. Aus diesem Grund hat die CDU-Fraktion den vorliegenden Gesetzentwurf bereits im federführenden Innenausschuss abgelehnt und wird das auch heute im Plenum tun. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Schäffer das Wort.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Korte, das finde ich kleinlich, dass Sie dem Gesetzentwurf wegen des Korruptionsbekämpfungsgesetzes nicht zustimmen. Es stimmt, der Gesetzentwurf zur Novellierung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes ist eingebracht. Wir werden die Diskussion ausführlich im Innenausschuss haben. Aber jetzt zu sagen, Sie stimmen nur nicht zu, weil das parallel läuft – auf der einen Seite verlängern wir das Gesetz noch mal um ein Jahr, auf der anderen Seite haben wir den Termin für die Anhörung im Ausschuss schon festgesetzt –, finde ich kleinlich.

Aus Sicht der Opposition sollten Sie dafür sein, noch etwas mehr Zeit für eine ausführliche Diskussion einzuräumen, um die Möglichkeit zu haben, entsprechende Änderungsanträge zu formulieren. In der Regel haben wir, wenn es um Gesetze geht, auch von der CDU nicht so viele inhaltliche Beiträge. Ich bin sehr gespannt, vielleicht kommt etwas von Ihnen. Auf jeden Fall sollten wir uns als Parlament, als Abgeordnete die Zeit nehmen, so wichtige Gesetze wie das Korruptionsbekämpfungsgesetz ausführlich zu diskutieren.

Zum Thema „Widerspruchsverfahren“ hat Herr Kollege Hans-Willi Körfges gerade schon ausführlich Stellung bezogen und die gesamte Bandbreite der Diskussion dargestellt. Wir wollen die entsprechende Regelung im Gesetz noch einmal verlängern, aber nicht, weil wir sie so toll finden. Auch die Grünen haben damals unter Schwarz-Gelb abgelehnt, das Widerspruchsverfahren abzuschaffen. Wir wussten, dass es durch die Abschaffung zu einer Belastung der Gerichte kommt, was tatsächlich eingetreten ist, und sind der Meinung, dass dadurch die Rechtschutzmöglichkeiten eingeschränkt werden.

Nichtsdestotrotz wollen wir nicht alles wieder eins zu eins einführen, sondern wir wollen uns durchaus die Zeit nehmen, zu evaluieren, wie die Regelungen umgesetzt wurden und welche Auswirkungen sie haben. Eine Hauruckpolitik, die alles wieder umwirft, macht keinen Sinn. Man sollte sich vielmehr Zeit nehmen, ausführlich zu diskutieren. Insofern würde ich mich freuen, wenn auch die Oppositionsfraktionen diesem Gesetzentwurf zustimmen könnten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Befristungsgesetze sind normalerweise kein Thema, über das im Plenum eine Debatte geführt werden müsste. Das ist aber heute schon ein wenig anders. Da ist Kritik einfach unvermeidlich.

Mit dem Gesetz soll unter anderem das geltende Korruptionsbekämpfungsgesetz um ein Jahr verlängert werden, obgleich mit Drucksache 16/3334 bereits seit dem 25. Juni ein Änderungsgesetz zum Korruptionsbekämpfungsgesetz Gegenstand der parlamentarischen Beratung ist. In der Sitzung des Innenausschusses am 11. Juli 2013 haben sich zudem, wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht trügt, alle Fraktionen dieses Hauses verständigt, die Verabschiedung des Änderungsgesetzes ausdrücklich noch für das laufende Jahr vorzusehen.

Meine Damen und Herren, wozu bedarf es der Verlängerung eines Gesetzes, das wir ändern möchten und für das konkrete Änderungsvorschläge in Gestalt eines Gesetzentwurfs auf dem Tisch liegen? Eine neue Befristung nimmt uns den Reform-, den Handlungsdruck, noch in diesem Jahr das neue Korruptionsbekämpfungsgesetz zu verabschieden. Die Tatsache, dass wir hierfür schon eine eigene Drucksache haben, zeigt, dass Änderungsbedarf besteht.

Ich finde, wir verhalten uns hier widersprüchlich: Auf der einen Seite beraten wir ein Änderungsgesetz, das inhaltliche Neuerungen in der Korruptionsbekämpfung bringen soll, und auf der anderen Seite verlängern wir ein Gesetz, von dessen inhaltlicher Tauglichkeit wir nicht überzeugt sind.

Meine Damen und Herren, das Verschleppen von gesetzgeberischem Handlungsbedarf ist nicht zielführend und wirft ein schlechtes Licht auf das gesamte Parlament. Deshalb appelliere ich heute noch einmal an alle Fraktionen, den Gesetzentwurf abzulehnen und stattdessen die Arbeit am neuen Korruptionsbekämpfungsgesetz zu forcieren. Lassen Sie uns Inhalte in den Vordergrund stellen! Wie vermeiden wir in diesem Land erfolgreich Korruption und Bestechung?

Vorratsgesetze helfen uns auf diesem Wege nicht weiter. Meine Fraktion wird daher den Gesetzentwurf zur Fristverlängerung ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schatz.

Dirk Schatz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich persönlich finde den Weg, den diese Landesregierung einschlägt, alle in den Jahren 2004 bis 2005 eingeführten Befristungen der Landesgesetzgebung wieder rückgängig zu machen, nicht so gut. Ich möchte mich aber der von CDU und FDP konkret geäußerten Kritik nicht unbedingt anschließen. Denn es kommt halt vor, dass sich ein Gesetzgebungsverfahren verzögern kann. Deswegen halte ich diese Kritik, die am Antikorruptionsgesetz geäußert wird, nicht zwingend für tragfähig.

Meine Kritik ist eher grundsätzlicher Natur. Dass diese Befristungen seinerzeit eingeführt wurden, hat einen Sinn, der auch etwas mit Entbürokratisierung zu tun hatte. Ziel war, die Landesgesetzgebung zu verschlanken und die Normenflut zu reduzieren. Wir als Gesetzgeber sollten gezwungen werden, regelmäßig zu überprüfen, ob diese Gesetze überhaupt noch Sinn machen und fortbestehen müssen.

Um dies noch weitergehend zu unterstützen, wurden in nicht wenigen Gesetzen nicht nur Befristungen, sondern auch sogenannte Berichtspflichten eingesetzt, die die Landesregierung verpflichteten, dem Landtag zu berichten, welche Erfahrungen sie mit dem jeweiligen Gesetz gemacht hat. Dieses Vorgehen würde damals übrigens einstimmig beschlossen.

Umso erstaunter bin ich, dass die jetzige Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen den gegenteiligen Weg einschlagen und die Befristungen und Berichtspflichten, wie beispielsweise zuletzt auch im Fünften Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Bereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales im Sommer letzten Jahres, offenkundig flächendeckend wieder abschaffen wollen – und das mit der immer noch etwas vagen Formulierung: „hat sich bewährt“.

Ich streite gar nicht ab, dass sich die Gesetze bewährt haben. Die Frage ist aber, ob das in fünf oder in zehn Jahren immer noch der Fall ist. Die Befristung sollte genau diese Überprüfung sicherstellen.

Wenigstens sind im vorliegenden Entwurf keine Berichtspflichten gestrichen worden, sondern lediglich die Befristung.

Den Ausführungen von Herr Körfges zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens stimme ich zu. Ich hielt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens schon damals für falsch. Das hat auch etwas mit sozialen Errungenschaften zu tun, so wie Sie es gerade gesagt haben.

Aus den eben dargelegten Gründen und weil hier keine Berichtspflichten gestrichen werden, halte ich die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, für nicht so schlimm, als dass man den ursprünglichen Antrag ablehnen müsste. Der Änderungsantrag geht aus meiner Sicht in Ordnung. Daher habe ich meiner Fraktion empfohlen, diesem zuzustimmen, sich aber bei dem ursprünglichen Antrag zu enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schatz. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Lürbke, das wäre eine Gelegenheit gewesen, außerhalb des normalen Oppositionsreflexes einem technischen Vorgang, wie er bei diesem Gesetz ansteht, zuzustimmen.

Zur Erläuterung: Das Korruptionsbekämpfungsgesetz ist auf den Weg gebracht, muss aber noch evaluiert werden. Die Verlängerung dient nur vorsorglich einer möglichen Verzögerung, weil ich glaube, dass keine Fraktion in diesem Haus eine Phase haben möchte, in der kein Korruptionsbekämpfungsgesetz Rechtskraft besitzt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine Fraktion will.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Eine antikorruptionsfreie Phase!)

Zum Widerspruchsverfahren: Wir haben nach Durchforsten aller Vorgänge und Behörden feststellen müssen, dass es organisatorisch sehr umfangreich ist und eines langen Kommunikationsprozesses mit den Interessenvertretungen, mit den Kommunen bedarf. Das ist deshalb nur in einem Zeitrahmen zu leisten, der länger dauert als die jetzige Befristung.

Daher bitte ich darum, dass das Parlament dem Antrag der regierungstragenden Fraktionen zustimmt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind somit am Schluss der Beratung angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung.

Erstens stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/4065 ab. Wer diesem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? – Gibt es Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/4065 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenfraktion gegen die Stimmen von CDU?Fraktion und FDP-Fraktion bei Enthaltung des fraktionslosen Abgeordneten Stein angenommen.

Wir stimmen zweitens über den Gesetzentwurf Drucksache 16/3335 ab. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/4001, den Gesetzentwurf Drucksache 16/3335 anzunehmen. Wir stimmen nun über den zuvor geänderten Gesetzentwurf ab. Wer dem geänderten Gesetzentwurf zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Wer ist gegen den geänderten Gesetzentwurf? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist der geänderte Gesetzentwurf Drucksache 16/3335 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU?Fraktion und FDP-Fraktion bei Enthaltung der Piratenfraktion und des fraktionslosen Abgeordneten Stein in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir treten ein in Tagesordnungspunkt


8   Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3387

Beschlussempfehlung
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/3993

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Steinmann das Wort.

Lisa Steinmann (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Liebe Zuschauer im Hause und Zuhörer, die auch jetzt vielleicht noch den Monitor dem Abendfernsehen vorziehen! Seit Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Demokratie durch die Zusammenlegung von Wahlen haben sich die Landesregierung und der Ausschuss für Kommunalpolitik verschiedentlich mit Änderungswünschen aus den kommunalen Spitzenverbänden und den kommunalpolitischen Vereinigungen auseinandergesetzt. Wir haben deutliche Hinweise erhalten, die sich insbesondere auf die Stichwahl und die Dauer der Wahlperioden für Bürgermeister und Landräte beziehen.

Aus diesen Stellungnahmen und einem ergänzenden Änderungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen resultiert der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und zur Änderung der kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften, der bestehende Regelungen optimiert und in wesentlichen Punkten rechtlich definiert.

Im Kommunalwahlgesetz wird nun klärend geregelt, dass eine im gesamten Wahlgebiet erforderliche Wiederholungswahl binnen eines Jahres nach der ursprünglichen Wahl durchgeführt werden muss, sonst erfolgt sie als Neuwahl, bei der dann auch neue Wählergruppen und Parteien antreten können. Auch im Fall einer für ungültig erklärten Bürgermeister? oder Landratswahl soll immer eine Neuwahl erfolgen.

In das Kommunalwahlgesetz wird aufgenommen, um wie viele Vertreter eine Vertretung verkleinert werden kann, ab welchem Zeitpunkt der Erwerb der Mitgliedschaft in einer Vertretung frühestens möglich ist und wann Ersatzbewerber ihr Mandat antreten können. Diese Regelungen waren vorher Bestandteil der Kommunalwahlordnung.

Zudem erfolgt eine Anpassung an die aktuelle Rechtsprechung hinsichtlich der Klagebefugnis bei Ungültigkeitserklärung einer Wahl.

Ein weiterer wesentlicher Punkt des Gesetzentwurfes ist der Umgang mit Wählernachbefragungen am Wahltag. Wer diese vor Ablauf der Wahlzeit veröffentlicht, begeht eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld belangt werden.

Von den Anregungen aus dem kommunalen Raum greifen wir im Folgendem zwei weitere Punkte auf: Hauptverwaltungsbeamte, die bis zum 30. Novem-ber das freiwillige Rücktrittsrecht in Anspruch nehmen, treten nach Ablauf des 22. Tages des auf das Ende der Wahlperiode folgenden Monats in den Ruhestand, wobei die Zeit bis zum regulären Ende ihrer Amtszeit auf die Wartezeit angerechnet wird und sich die ruhegehaltsfähige Dienstzeit erhöht.

Im Weiteren wird die Frist für konstituierende Sitzungen von vier auf sechs Wochen verlängert. Diesen Artikel passen wir in der Gemeindeordnung und in der Kreisordnung an. Das verschafft den Kommunen mehr Flexibilität bei der Terminfindung und erleichtert auch den ehrenamtlich aufgestellten Kommunalvertretungen den Einstieg, wenn sie ihre konstituierende Sitzung bereits unter dem Vorsitz eines gegebenenfalls neu gewählten Hauptverwaltungsbeamten durchführen können.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geben wir den Kommunen und ihren Handlungsträgern noch etwas mehr Beinfreiheit und vor allem Rechtssicherheit. Das ist eine wesentliche Grundlage für ihre politische Arbeit. Daher bitte ich um breite Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Biesenbach das Wort.

Peter Biesenbach (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei Ihnen, Frau Kollegin Steinmann, klang es so, als ob Sie mit dem heutigen Entwurf einen verbesserten oder größeren Wurf ankündigen wollten. Bei näherem Hinsehen kann ich nur sagen, dass das weiß Gott nicht der Fall ist; denn das ist schlicht und einfach ein Reparaturgesetz. Am 10. April 2013 ist das zugrundeliegende Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie in Kraft getreten – und wenige Wochen später müssen Sie umfangreich Änderungen vorschlagen.

Herr Kollege Körfges schmunzelt. Wir sind uns sicher einig – ich will die Zustimmung gar nicht erfragen –, dass das nur daran lag, dass Sie weder die Auswertung noch die Anhörung ernst genommen haben. Im Nachhinein zeigte sich ganz simpel, dass Sie das vielleicht doch besser getan hätten, denn dann müssten wir heute nicht nachbessern.

Es ist der Ausgleich von Fehlern und Oberflächlichkeiten. Ich kann mir weitere Ausführungen ersparen. Wir haben das zugrundeliegende Gesetz abgelehnt. Hier werden nur Reparaturen vorgenommen. Von daher ist es konsequent, dass wir auch dazu Nein sagen. Aber noch einmal: Es ist nichts anderes als das, was Sie erreicht hätten, wenn Sie seinerzeit sauber und sorgfältig gearbeitet hätten.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen, meine Herren! Herr Präsident! Frau Steinmann hat im Wesentlichen ausgeführt, was Inhalt des Gesetzes ist. Es sollen noch einmal diverse Regelungen getroffen werden.

Man kann sicherlich überlegen, inwieweit die Einschätzung, die Sie vorgenommen haben, Herr Biesenbach, dies sei ein Reparaturgesetz zur Vorlage vom April letzten Jahres, zutreffend ist. Ich weiß nur, dass in diesem Zusammenhang noch eine ganze Reihe von Änderungswünschen aus dem Bereich der kommunalen Familie vorgetragen worden sind. Diese haben wir aufgegriffen. Sie sind auch Gegenstand der Beschlussempfehlung in diesem Hause.

Ich will es kurz machen, einfach weil ich in diesem Zusammenhang keine Kontroversen bezogen auf die Frage sehe, wie man da herangeht, wenn man nicht – wie Sie, Herr Biesenbach, vorgetragen haben – von Vornherein dem ganzen Vorhaben negativ gegenübersteht. Dabei geht es um die Zusammenlegung der Wahlen 2020 und die Fragen, inwieweit Oberbürgermeister- und Ratswahlen gemeinsam durchgeführt werden, wie die Übergangsregelungen aussehen, inwieweit man in diesem Zusammenhang den jetzigen Amtsinhabern gestattet, bei Beibehaltung der Pensionsansprüche vorzeitig zurückzutreten etc. Wenn man das Ganze nicht will, dann ist klar, dass man auch diese Veränderungen nicht will. Das kann ich nachvollziehen. Diese Diskussion haben wir aber schon im April geführt.

Hier wird jetzt nachgebessert – um Ihre Worte aufzugreifen –, bzw. es werden Anregungen der kommunalen Familie aufgegriffen. Das werden wir tun und auch so beschließen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Abruszat das Wort.

Kai Abruszat (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es kurz machen. Wir haben schon Ihren Ursprungsgesetzentwurf abgelehnt. Schon der war schlecht. Jetzt müssen Sie Ihren eigenen Gesetzentwurf nachbessern, weil er nämlich fehlerhaft ist und Sie das Gesetzeshandwerk an der Stelle nicht richtig angewandt haben. Dennoch bleibt das Gesetz aus den seinerzeit dargelegten Gründen schlecht. Wir lehnen es ab. Es ist kein Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie. Es ist ein Gesetz, welches die Räte eher schwächt.

Beim Thema der Verantwortungsgemeinschaft – das wird von Ihnen immer sehr überstrapaziert – zwischen Hauptverwaltungsbeamten einerseits und Ehrenamtlern andererseits werden Sie der Sache nicht gerecht. Sie werden an dieser Stelle insbesondere dem kommunal­verfassungsrechtlich besonders hervorgehobenen Amt der Hauptverwaltungsbeamten nicht gerecht.

Wir lehnen dieses Gesetz ab. Es gibt für uns auch verfassungsrechtlich an der einen oder anderen Stelle durchaus Bedenken. Aus einem schlechten Gesetz wird durch eine hektische Nachbesserung kein gutes. Wir lehnen es ab. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Piratenfraktion hat Herr Kollege Herrmann das Wort.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Stream! Auch ich möchte es kurz machen, denn über diese Regelsammlung haben wir schon häufiger diskutiert. Kollegin Steinmann hat die einzelnen Punkte eben noch mal explizit aufgeführt.

Ein Element möchte ich trotzdem noch herausgreifen und damit auf den Sommer des letzten Jahres zurückkommen. Sie haben es vielleicht schon erwartet. Wir Piraten haben damals unseren ersten Gesetzentwurf in diesem Hause eingebracht. Der Titel lautete damals: „Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes“. Unser Entwurf wurde abgelehnt, vor allem mit den Stimmen der regierungstragenden Fraktionen von SPD und Grünen.

Der Titel des Gesetzentwurfes, den wir heute behandeln, heißt: „Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes …“. Nicht nur der Titel ist gleich, auch der Inhalt. Es geht darum, eine Frist zu definieren, ab wann eine kommunale Wiederholungswahl als Neuwahl durchzuführen ist.

Diese Regelung hätte konsequenter und schneller mit unserem Gesetzentwurf kommen können. Das war aber nicht gewünscht, vielleicht auch deshalb, weil man es den Piraten nicht zugetraut oder nicht gegönnt hat. Ich weiß es nicht. Heute trägt der Gesetzentwurf den Stempel der Landesregierung. Damit ist sichergestellt, dass positiv abgestimmt wird.

Das ist uns wichtig. Denn die Regelung ist notwendig, wie die über drei Jahre verschleppte Wiederholungswahl in Dortmund gezeigt hat.

Dass das aktive und passive Wahlrecht bisher völlig unterschiedlich behandelt wurde, war ein unhaltbarer Zustand. Nun kommen wir wenigstens zu einer annähernden Gleichbehandlung. Warum aktives und passives Wahlrecht nicht vollkommen gleichgestellt sind, bleibt das Geheimnis der Regierung. Schließlich sind in sieben anderen Bundesländern auch Neuwahlen nach sechs Monaten vorgeschrieben statt erst nach zwölf Monaten.

Wenn wir diesen Unterschied akzeptieren, gehen wir also einen Kompromiss ein und zeigen damit, dass wir zu einer konstruktiven Politik der ausgestreckten Hand bereit sind. Wir würden uns nur wünschen, dass auch die Landesregierung ihr Versprechen der ausgestreckten Hand endlich in die Tat umsetzt. Bisher war davon nur wenig zu spüren.

Nachtragend sind wir aber nicht, sondern wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen, weshalb ich meiner Fraktion empfehle, unserem Gesetzentwurf auch in der neuen Verpackung zuzustimmen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht der Minister für Inneres und Kommunales, Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Es ist in der Tat ein Reparaturgesetz. Das muss man offen zugeben. Es repariert das, was Schwarz-Gelb 2005 und 2010 am Wahlrecht verbrochen hat – um das deutlich zu sagen.

(Beifall von der SPD)

Wir beweisen hier, dass man Dinge, die gut sind, immer noch besser machen kann. Das sind Anregungen der kommunalen Spitzenverbände und der kommunalen Vertreter gewesen, und die arbeiten wir gerne in ein solches Gesetz ein. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind somit am Schluss der Beratung angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in Drucksache 16/3993, den Gesetzentwurf Drucksache 16/3387 mit den von ihm beschlossenen Änderungen anzunehmen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Wer stimmt gegen diese Beschlussempfehlung? – Gibt es Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/3939 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenfraktion gegen die Stimmen von CDU-Fraktion und FDP-Fraktion angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/3387 in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir treten ein in den Tagesordnungspunkt

9   Gesetz zur Änderung des Hundegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen     

Gesetzentwurf
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/3439

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Klimaschutz, Umwelt,
Naturschutz, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz
Drucksache 16/4033

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile zunächst für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Börner das Wort.

Frank Börner (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute erneut den Gesetzentwurf der Piratenfraktion, welcher das Landeshundegesetz aus dem Jahre 2002 modifizieren soll. Nach intensiven Beratungen und Diskussionen im Ausschuss haben wir uns mehrheitlich entschieden, das Gesetz nicht zu verändern. Es hat sich in seiner bestehenden Form bewährt. Es gibt hierzu keine öffentliche Diskussion bzw. keinen Änderungsbedarf.

Das Landeshundegesetz sieht nach einer Laufzeit von fünf Jahren eine Evaluation vor. Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung musste Ende 2008 eingestehen, dass sich das jetzige Landeshundegesetz, das aus der rot-grünen Feder stammt und das sie damals engagiert bekämpft hat, bewährt hat und dass eine Änderung nicht angebracht ist.

Insgesamt ist die Zahl der Beißunfälle deutlich zurückgegangen und die Unfallquote bei Pitbull Terriern bei annähernd gleichem Bestand im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 um mehr als 70 % gesunken. Auch die Beißstatistik aus dem Jahre 2012 zeigt deutlich, dass dieser Trend weiterhin anhält.

Mit dem Landeshundegesetz wurden den Hundebesitzern Auflagen zur Haltung von gefährlichen Hunden auferlegt. Hunde ab einer Größe von 40 cm oder einem Gewicht über 20 kg sollten unter besonderer Kontrolle gehalten werden. Zusätzlich wurde eine Liste von gefährlichen Hunderassen beschlossen.

Die Erfahrung zeigt uns, dass im Grundsatz keine Hunderasse als gefährlich eingestuft werden kann. Es sind immer einzelne Hunde, die aufgrund ihrer Erlebnisse oder ihrer Abrichtung durch den Hundehalter zu gefährlichen Werkzeugen oder gar Waffen werden. Bei gefährlichen Hunden, die neben einer Belästigung von Passanten im Zweifel zur tödlichen Gefahr für Kinder und Erwachsene werden können, fordern die Menschen im Land zu Recht einen gesetzlich verankerten Schutz. Ein Abrichten von Tieren zu Kampfmaschinen ist mit einem artgerechten, tierlieben Umgang mit Hunden nicht zu vereinbaren und findet unsere Missbilligung.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Wir haben uns mit dem Antrag der Piraten, diese Liste in Nordrhein-Westfalen abzuschaffen, eingehend auseinandergesetzt. Sicherlich gibt es für jeden Standpunkt viele gute Argumente. Aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass sich die derzeit praktizierten Regelungen bewährt haben. Es gibt keinen aktuellen Anlass oder die Notwendigkeit, diesen Gesetzentwurf zu ändern.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Louis Armstrong hat einmal gesagt:

„Mit einem kurzen Schweifwedeln kann ein Hund mehr Gefühl ausdrücken als mancher Mensch mit stundenlangem Gerede.“

So komme ich zum Ende und wünsche Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Börner. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Hovenjürgen das Wort.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten! Wir haben uns schon des Öfteren zu diesem Thema ausgetauscht. Auch an dieser Stelle werden wir unsere Haltung nicht ändern.

Herr Börner hat es schon zu Recht beschrieben: Wir haben damals als CDU-FDP-Landesregierung diese Rasseliste durchaus nicht unkritisch gesehen. Nichtsdestotrotz haben wir nach eingehender Prüfung in der eigenen Verantwortung an ihr festgehalten. Dazu gab es gute Gründe.

Die von Ihnen angeführten Veränderungen bzw. Nichtbelegbarkeiten von Beißverhalten usw. sind wissenschaftlich nicht untermauert. Insofern ist uns das Risiko, hier eine Lockerung zu beschließen, zu groß. Denn im Vordergrund sollte stehen, dass wir Beißattacken verhindern wollen, dass wir Menschen, insbesondere Kinder, schützen wollen, wissend, dass die Tiere selbst nicht automatisch Beißer sind, sondern zu Beißern gemacht werden. Das ist auch die Wahrheit.

Ich darf hier den Kollegen Markert zitieren, der zu Recht sagt: Am anderen Ende der Leine ist in der Regel der Auslöser. – Ja, das stimmt zwar; nichtsdestotrotz glauben wir, dass es Hunderassen gibt, die natürlich leichter in diese Richtung zu bringen sind als andere. Insofern hat die Rasseliste ihre Berechtigung. Auch wenn man dafür böse Schreiben von Hundehaltern bekommt, glauben wir, dass hier der Vorsorgegrundsatz Vorrang vor einer Lockerung der Vorschriften hat.

Wie gesagt, wir möchten Beißattacken verhindern. Wir wissen, dass in der Regel Menschen die Auslöser für diese Attacken sind. Dennoch hat die Rasseliste aus heutiger Sicht nach wie vor ihre Berechtigung. Deswegen können und werden wir Ihrem Gesetzentwurf heute nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Abel.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich in wesentlichen Teilen den Ausführungen des Kollegen Hovenjürgen anschließen. Sie haben völlig recht: Ob und wann ein Hund gefährlich wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Dazu gehört eben auch die Tatsache – das ist uns auch in der Ausschussdiskussion begegnet –, dass das Problem ganz oft am anderen Ende der Leine zu finden ist.

Nichtsdestotrotz ist die Gefahr, die von einem Hund ausgeht, nach physischen Merkmalen zu bewerten. Es ist eben ein Unterschied, ob ein Dackel zubeißt oder ein großer, bulliger Rottweiler.

(Zuruf von Simone Brand [PIRATEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl haben Sie versucht, kurz vor der anstehenden Evaluation des Landeshundegesetzes eine Wählergruppe für sich zu erschließen. Diese Wählergruppe hat sich dann auch an andere Fraktionen gewandt. Das haben wir vorhin in einem Gespräch am Rande des Plenums herausgefunden.

Es ist schon bemerkenswert, wenn alle Fraktionen eine Mail bekommen, die im Wesentlichen besagt: Ich hätte ja Sie gewählt, aber weil Sie sich im Ausschuss heute so und so entschieden haben, habe ich Sie dann doch nicht gewählt. – Wenn das jetzt drei Fraktionen betrifft, dann kann man sich schon fragen, um was für eine Person es sich handelt, die uns das geschrieben hat.

(Zuruf von den PIRATEN: Das ist Demokratie!)

Nichtsdestotrotz bleibt festzustellen: 2003 hat dieses Hundegesetz Gültigkeit erlangt. Seitdem haben über 14 Bundesländer eine Regelung getroffen, die in irgendeiner Art und Weise an die Rasselisten anknüpft. Wir wissen, dass es eine Empfehlung der Bundesinnenminister gab, denen die Länder im Wesentlichen gefolgt sind, so wie jüngst das Land Thüringen.

Die Evaluation im Jahr 2009 unter dem damaligen Umweltminister Uhlenberg hat eindeutig ergeben, dass wir bei den bisherigen Regelungen bleiben sollten. Dem sind die Fraktionen damals auch gefolgt.

Lassen Sie uns bei der anstehenden Evaluation in Ruhe über mögliche Verbesserungen und weitere Wege diskutieren. Das ist ist eine Diskussion, die sich keineswegs für den Wahlkampf eignet. Das war ja Ihr Versuch.

(Simone Brand [PIRATEN]: Das ist eine Unverschämtheit!)

Lassen Sie uns bei der Evaluation des Landeshundegesetzes sachgerecht diskutieren, auch im Lichte der Erfahrungen der anderen Bundesländer. Wir werden Ihrem Antrag heute nicht folgen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Abel. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Höne das Wort.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann mich an dieser Stelle in weiten Teilen den Vorrednern anschließen. Wir haben im Ausschuss ja auch darüber diskutiert. Die Frage lautet vereinfacht und anschaulich: An welchem Ende der Leine gibt es eigentlich ein Problem oder entsteht vielleicht auch ein Problem?

Dazu hat der Kollege Abel schon einiges ausgeführt. Darüber hinaus muss man gerade in Bezug auf diese Rasseliste über mögliche Gefahren im Zusammenhang mit einem Bissvorfall nachdenken. Das ist eine Frage, die es differenziert zu betrachten gilt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig – so wurde bisher ja verfahren –, gerade auch auf Erfahrungen aus den Nachbarländern zurückzugreifen.

Bei der letzten Evaluierung gab es hier große Einigkeit. Meines Wissens nach haben alle damals im Hause vertretenen Fraktionen zugestimmt. Jetzt aber – auch das hat der Kollege Abel schon gesagt –, kurz vor einer anstehenden Evaluierung reinzugrätschen und Dinge vorwegzunehmen, ist nicht sachdienlich und wird der Sache gerade ob der damit verbunden Gefahren nicht gerecht. Denn am Ende des Tages muss doch klar sein, dass es hier um zwei Dinge geht, die es gleichermaßen zu beachten gilt: zum einen natürlich um die Sicherheit der Menschen und zum anderen auch um die Frage einer artgerechten Haltung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir glauben, dass wir gerade in Bezug auf Modifikationen von Regelungen noch von Erfahrungen der Nachbarländer lernen müssen. Wir meinen, die Initiative der Piraten ist an dieser Stelle verfrüht. Es fehlt eine umfassende, sachlich fundierte Auseinandersetzung mit anderen Erfahrungen. Erst danach ist der richtige Zeitpunkt gekommen, sich mit diesem Thema noch einmal genauer zu beschäftigen, möglicherweise auch Änderungen vorzunehmen und die bisherige Kritik aufzugreifen. Im Sinne der Halter allerdings, meine ich, sollte dies möglichst bundeseinheitlich geschehen.

Aus diesen Gründen lehnt die FDP-Landtagsfraktion den hier vorliegenden Antrag der Piraten ab.

(Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Piratenfraktion erteile ich Frau Kollegin Brand das Wort.

Simone Brand (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Wir machen das heute einmal mit den Dingen.

Als wir letzte Woche Mittwoch im Ausschuss beieinander saßen und über den Gesetzentwurf gesprochen haben, waren auch viele Tierschützer und Hundefreunde im Ausschuss, um sich anzuhören, wie dort debattiert wird. Als dann gegen stichhaltige Argumente mit fadenscheinigen und populistischen Argumenten der anderen Fraktionen letztendlich gegen diesen Entwurf gestimmt wurde, sind diese Tierfreunde wütend und enttäuscht aus dem Raum gelaufen. Eine Dame hat sich zu einem Satz hinreißen lassen, den ich an der Stelle jetzt nicht wiederholen möchte. Ich möchte aber gerne meinen Berliner Kollegen Christopher Lauer mit einem fast wortgleichen Satz zitieren:

Wenn man von etwas keine Ahnung hat, einfach mal die Kresse halten.

(Die Rednerin hält ein Gefäß mit Kresse hoch. – Beifall von den PIRATEN)

Wie gesagt, alle Aspekte aus allen Richtungen sprechen gegen diese Hunderasseliste. Herr Börner, es ist einfach falsch, wenn Sie sagen, sie habe sich bewährt. Nein, sie hat sich nicht bewährt. Wer die Statistiken richtig lesen kann, sieht, dass sich die Zahl der Beißunfälle nicht reduziert hat. Wer die Statistik dahin gehend interpretiert, hat sie entweder nicht verstanden oder kann sie nicht lesen. Ich weiß es nicht.

Herr Hovenjürgen, wissenschaftlich ist dazu nichts untermauert. Ich hatte schon im Ausschuss – ich wiederhole das gerne – gesagt, dass es zig wissenschaftliche Untersuchungen gibt, die besagen, erhöhte Aggressivität und Gefährlichkeit haben keine genetischen Ursachen. Dazu gibt es eine aktuelle amerikanische Studie, vorgelegt vom CDC. Das ist das Center for Disease Control and Prevention, das dem amerikanischen Gesundheitsministerium unmittelbar unterstellt ist. In dieser Studie wird das auch noch einmal belegt. Es liegt am Halter, es liegt an der Sozialisation des Hundes, es liegt nicht an einer genetischen Ursache.

Wir haben auch Experten gehört – zwar nicht hier, sondern 2009 in Niedersachsen. Von den 20 Experten haben sich 19 ausdrücklich gegen eine Hunderasseliste ausgesprochen. Der zwanzigste Experte war der Kinderschutzbund. Da fragt man sich natürlich, inwieweit das Hundeexperten sind. Wie ich gerade schon angesprochen habe, sagt die Statistik dazu nichts aus.

Wenn Herr Abel sagt, natürlich seien größere oder stärkere Hunde gefährlich, bejahe ich dies. Deshalb wollen wir die 20/40-Regelung auch beibehalten. Darunter fallen aber dann auch Schäferhunde, Labradore und andere, die nicht in der Hunderasseliste aufgeführt sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Das Allerletzte ist, wenn Sie mir Wählerfängerei unterstellen. Es ist doch gerade so, dass dieses Populistische, ob keiner an die Kinder denkt und dass die alle sterben würden, von den anderen Fraktionen kommt. Wir beschreiten doch eher einen unpopulären Weg, wenn wir hier an die Tiere denken.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Wer hat das denn gesagt?)

Das war, glaube ich, in der ersten Lesung jemand aus der FDP.

Ich habe mit sehr vielen Leuten gesprochen, die unmittelbar mit dem Thema befasst sind: Tierheimleiter, Tierschutzvereine usw. Viele Beißunfälle kommen gar nicht in die Statistik, weil sie nicht gemeldet werden. Das sind eben nicht diese sogenannten Kampfhunde, das sind unzählige Schäferhunde, Mischlinge, das sind häufig überzüchtete Tiere, weil diese gerade Modehunde geworden sind.

Meine Damen und Herren, auch wenn der Ausschuss gegen den Gesetzentwurf entschieden hat, Sie haben ein freies Mandat. Einige von uns haben im Moment ein besonders freies Mandat. Deshalb bitte ich Sie, noch einmal in sich zu gehen, den sachhaltigen Argumenten zu folgen und für diesen Gesetzentwurf zu stimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Remmel das Wort.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht verlängern. Weder in der ersten Lesung noch in der Ausschussberatung hat es aus meiner Sicht und für die Landesregierung neue Argumente gegeben, die in irgendeiner Weise die Debatten bestimmt oder verändert hätten. Die Argumente sind ausgetauscht. Wir können das noch zehn Mal miteinander machen. In der Tat handelt es sich um eine Abwägungsentscheidung, die seinerzeit getroffen und die aufgrund einer ordentlichen Evaluierung bestätigt worden ist. Das ist ein richtiger Weg, weil statistisch die Zahl der Beißunfälle abgenommen hat. Ob es in jeder Weise wissenschaftlich abgeleitet und begründet ist, will ich hier gar nicht erörtern. Vom Ergebnis jedenfalls war es die richtige Entscheidung.

Im Übrigen haben sich bis auf Niedersachsen alle anderen 15 Bundesländer für diesen Weg entschieden. Die Tendenz ist dort nicht rückläufig, sondern geht eher in die andere Richtung. Zuletzt ist Thüringen dem Weg gefolgt. Da mag ich auch nicht von Nordrhein-Westfalen aus entscheiden, dass das der falsche Weg ist. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn kein besserer Weg benannt wird, dann sollte man bei dieser bewährten Lösung bleiben. Das heißt aber nicht, dass es nicht besser werden könnte. Insofern ist die Debatte dann, wenn ein weiterer Bericht vorliegt, an dem gearbeitet wird, erneut möglich, und dann können wir entscheiden.

Ich bitte herzlich, dieses doch sehr emotionale Thema so zu behandeln, dass es verantwortungsvoll von allen wahrgenommen wird. Ich habe das Gefühl, dass diese Verantwortung der Landtag, egal von welcher Farbenlehre, nicht nur heute wahrnimmt, sondern auch in der Vergangenheit wahrgenommen hat. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in Drucksache 16/4033, den Gesetzentwurf Drucksache 16/3439 abzulehnen. Wer möchte dieser Abstimmungsempfehlung Folge leisten? – Das sind die Fraktionen von FDP, CDU, Grünen und SPD. Wer stimmt gegen diese Abstimmungsempfehlung – Das ist die Piratenfraktion. Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/4033 angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/3439 in zweiter Lesung abgelehnt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

10       Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung im Elementar- und Primarbereich sowie im Übergang zu weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen

Große Anfrage 3
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/2138

Antwort
der Landesregierung
Drucksache 16/3328 – Neudruck

Ich eröffne die Beratung. Für die CDU-Fraktion spricht die Kollegin Scharrenbach.

Ina Scharrenbach (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte vorab für die CDU-Fraktion den 5.379 Einrichtungen danken, die sich die Mühe gemacht haben, die Große Anfrage zu beantworten. Wir wissen, dass das im Zuge ganzer Statistiken, die ja über das Kita-Jahr auszufüllen sind, sicherlich keine einfache Aufgabenstellung war. Aber sie wurde zumindest entsprechend angenommen.

Wir haben diese Große Anfrage gestellt, weil es inzwischen eine Fülle von Sprachförderprogrammen im Elementarbereich gibt und es letztendlich nach unserer Wahrnehmung an Wissen fehlt, ob denn diese Sprachförderprogramme überhaupt die erwünschte Wirkung erzeugen und den entsprechenden Beitrag zu dem Ziel leisten, Kinder nämlich bereits vor der Grundschule in der Sprache zu fördern.

Da liefert die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage sicherlich ein paar grundlegende Erkenntnisse, die es in den weiteren Beratungen gilt, zu vertiefen und miteinander auszutauschen.

Sicherlich ist es so, dass über das Land betrachtet ca. 25 % aller Vierjährigen einen zusätzlichen Sprachförderbedarf aufweisen. Das gestaltet sich aber regional durchaus sehr unterschiedlich. Während wir im Regierungsbezirk Düsseldorf eine kontinuierliche Steigerung der Sprachförderbedarfe haben – der Bedarf liegt da ungefähr bei 28 % und im Regierungsbezirk Arnsberg bei 29 % –, verhalten sich die anderen Regierungsbezirke wesentlich anders.

Eine weitere Erkenntnis, die sich aus der Antwort auf die Große Anfrage schließen lässt, ist, dass bei zurückgehenden Kinderzahlen der Sprachförderbedarf steigt. Das sollte, meine ich, ein Alarmsignal für alle die sein, die sich nicht nur mit dem Elementarbereich beschäftigen, sondern auch fortführend mit dem Bildungsbereich im Grundschul- und weiterführenden Bereich.

Die Sprachdiagnostik und die sich anschließenden Sprachfördermaßnahmen sind aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion so aufeinander abzustimmen und aufzubauen, dass Bildungsbrüche zwischen Elementar- und Primarbereich und zwischen Primarbereich und weiterführenden Schulen künftig vermieden werden. Dadurch kann es zu einer Stärkung der Bildungssprache Deutsch kommen. Aus unserer Sicht ist es dabei dringend erforderlich, auch das Elternhaus konsequent mit einzubeziehen und gegebenenfalls auch zu befähigen.

Ein Aspekt, der uns in der nächsten Zeit nach Ankündigung der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen intensiver beschäftigen wird, ist die Frage: Wie stellen wir denn das Sprachstandsfeststellungsverfahren überhaupt auf? Bleibt es bei einem punktuellen Verfahren mit Delfin 4? Oder stellt man das System insgesamt um?

Aus unserer Sicht ist die Frage nicht ein Entweder-Oder, entweder alltagsintegrierte Sprachförderung oder Zusatzsprachförderung, sondern die Antwort kann nur heißen ein Sowohl-als-Auch. Wir brauchen sowohl eine alltagsorientierte Sprachförderung als auch, wenn ein Kind es benötigt, eine zusätzliche Förderung, um die entsprechenden Ergebnisse zu erzielen.

Wir haben, als wir damals Delfin 4 eingeführt haben und das Sprachstandsfeststellungsverfahren 2007 verankert haben, als erstes Bundesland solch ein Verfahren auf den Weg gebracht. Wir haben damals immer formuliert, dass es zu gegebener Zeit auch evaluiert wird. Diese Verpflichtung, die Evaluation vorzunehmen, hat nun die Landesregierung übernommen. Leider ist sie bis heute nicht vorgelegt worden.

Deshalb kann man sich natürlich vorstellen, dass man im Zuge der Erfahrungen mit Delfin 4 möglicherweise auch dazu kommt, die Erzieherinnen in ihrer Kompetenz stärker einzubeziehen in die Frage der Förderung und der Feststellung von Förderbedarfen von Kindern.

Es gibt dort mehrere Verfahren. Andere Bundesländer haben sich da auf den Weg gemacht und haben zum Beispiel in das zuständige Schulgesetz hineingeschrieben, dass Erzieherinnen das Verfahren durchführen können, wenn sie eine Zusatzausbildung nachweisen. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Die Bundesländer haben sich da durchaus unterschiedlich aufgestellt.

Nichtsdestotrotz: In der letzten Zeit habe ich etliche Einrichtungen besucht, die nicht nur Delfin 4 anwenden, weil sie es anwenden müssen, sondern auch in dem Pilotprojekt des Bundes „Schwerpunkt-Kitas Sprache und Integration“ sind. Eine Erkenntnis der Erzieherinnen ist, sie kriegen das mit Delfin 4 eigentlich inzwischen sehr gut hin. Ein positiver Aspekt dabei ist, dass sich durch die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften das Verständnis für die jeweilige andere Profession deutlich verändert und verbessert hat. Insofern darf man das bei einer Überarbeitung der Grundsätze nicht aus dem Blick verlieren.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei Aspekte ansprechen.

Aus der Antwort auf die Große Anfrage wird deutlich, dass im Schnitt bei ca. 4,4 % der Kinder erst mit der schulärztlichen Eingangsuntersuchung für die Grundschule Sprach- oder Sprechstörungen festgestellt werden und zwischen 2007 und 2011 ungefähr ein Anstieg der Behandlungsdiagnosen um 5 % zu beobachten ist. Insofern wird es keine einfache Antwort auf die Frage geben, wie man das Verfahren künftig aufstellt.

Aber eines muss klar sein: Wir müssen ein durchgängiges Verständnis entwickeln, wie wir die Bildungssprache Deutsch implementieren, und zwar im Elementarbereich über den Schulbereich hinweg. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Stotz.

Marlies Stotz (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst danke ich der Landesregierung für die Beantwortung der Großen Anfrage der CDU zum gesamten Komplex der Sprachstandsfeststellung und der Sprachförderung.

Ich danke auch wie meine Vorrednerin den Einrichtungen, die sich über fünftausendfach an der Befragung beteiligt haben und Rückmeldungen gegeben haben. Ich glaube, das ist auch deshalb geschehen, weil die Einrichtungen Druck haben, dass sich an dieser Stelle etwas ändert.

Mit der Beantwortung der Großen Anfrage liegen uns nun Informationen über den Stand der Sprachförderung in unserem Land vor. Daneben zeigen die einzelnen Antworten aber auch die Herausforderungen auf, die es in Zukunft noch stärker in den Blick zu nehmen gilt.

Das Thema „Sprachförderung von Kindern“ ist beileibe kein neues Thema in der fachlichen und politischen Diskussion, auch nicht bei uns in Nordrhein-Westfalen. Sprachförderung ist bereits seit den 80er-Jahren fester Bestandteil der pädagogischen Arbeit in Kita und Schule. Denn Sprache – das wissen wir – ist die wichtigste Grundlage der Kommunikation, durch die Gedanken und Gefühle mitgeteilt, Bedeutungen vermittelt werden, Erlebnisse verarbeitet, Erfahrungen ausgetauscht, Wünsche formuliert und Zusammenhänge verstanden werden. Kurzum: Sprache ist zwingende Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe.

Den Spracherwerb kleiner Kinder zu begleiten und zu fördern ist zunächst die Aufgabe des Elternhauses, aber genauso auch eine wesentliche und permanente Aufgabe im Elementarbereich wie in der Grundschule und natürlich auch in den weiterführenden Schulen.

Die Vorvorgängerregierung hat im Jahre 2007 die flächendeckende Sprachstandsfeststellung eingeführt und hält dieses Instrument – so verstehe ich die Einlassungen in der Vorbemerkung der Großen Anfrage der CDU – offensichtlich nach wie vor für einen entscheidenden Qualitätsfortschritt.

(Beifall von der CDU)

Die Diskussionen über dieses schwarz-gelbe Instrument waren in den vergangenen Jahren ebenso zahlreich wie kontrovers.

Mehrfach wurde in Anhörungen und Expertengesprächen über den Sinn und Zweck einer systematischen und flächendeckenden Sprachstandsermittlung gestritten. Dabei ging es immer auch um die Frage: Muss man wirklich alle Kinder mit einem gewaltigen organisatorischen Aufwand durchtesten, um mögliche Sprachförderbedarfe überhaupt erst feststellen zu können und daraus abgeleitet dann kindbezogene Pauschalen zur Sprachförderung an die Einrichtungen bzw. an die Träger zu geben, oder ist es nicht sinnvoller, die Beobachtungen der Erzieherinnen und Erzieher in engem Zusammenspiel mit den Eltern stärker als bisher zur Grundlage von Förderentscheidungen zu machen und nur in Grenzfällen externen Sachverstand hinzuzuziehen?

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ist es außerdem nicht sinnvoller, die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel so einzusetzen, dass die Sprachförderung im Alltag der Kinder in der Kita situationsbezogen erfolgt und nicht generell als herausgezogene punktuelle Fördereinheit?

(Beifall von Ingrid Hack [SPD])

Genau das hat der Verband Bildung und Erziehung heute noch einmal zu unserer Debatte hier und heute ausgesagt. Der VBE wird an dieser Stelle sehr deutlich. Udo Beckmann, Vorsitzender des VBE, schreibt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:

„Delfin 4 stellt nur eine Momentaufnahme in der Sprachbildung der Kinder dar. Ein kontinuierlicher Sprachentwicklungsprozess wird dabei nicht berücksichtigt.“

Weiter schreibt er, dass Aufwand und Ergebnis in keinem Zusammenhang stehen würden, und er kommt zu dem Fazit: „Gut gemeint ist in diesem Fall nicht gut gemacht.“ Dem kann ich mich nur anschließen.

Ich freue mich aber, dass Frau Kollegin Scharrenbach hier gerade die Tür ein bisschen aufgemacht hat, um an dieser Stelle noch einmal tiefer in die Diskussion einzusteigen.

In der Antwort der Landesregierung wird auch auf den Missstand hingewiesen, dass Diagnose und Förderung bisher nicht in einer Hand liegen. Meine Fraktion hat von Anfang an immer wieder deutlich gemacht, dass wir dies als einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler ansehen.

Wir wollen weg von dem Verfahren, bei dem völlig fremde Lehrer in die Kita kommen, um jedes einzelne Kind in einer prüfungsähnlichen Situation zu testen. Wir wollen das gesamte Verfahren vom Kopf auf die Füße stellen. Das alles wollen wir ändern. Entsprechende Formulierungen dazu finden sich auch in unserem Koalitionsvertrag.

Ich begrüße zudem, dass sich Nordrhein-Westfalen auch an der Bund-Länder-Initiative im Bereich der Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung beteiligt; denn auch aus den Ausführungen der Landesregierung wissen wir, dass wir kein klares Bild von der Wirksamkeit der verschiedenen, vielzähligen Sprachförderangebote haben.

Es gäbe noch viele Punkte, die ich ansprechen könnte; die Ausführungen sind sehr umfangreich. Allein die Zeit reicht nicht. Ich denke aber, das werden wir in den Fachausschüssen dann noch gründlich tun.

Ich freue mich auf eine vertiefende Diskussion in den Fachausschüssen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Kollegin Stotz. – Für die FDP-Fraktion erteile ich jetzt der Frau Kollegin Gebauer das Wort.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich zuerst einmal dem Dank von Frau Stotz und Frau Scharrenbach für die Beantwortung dieser Großen Anfrage nur anschließen.

Wir als FDP sind stolz darauf, dass Nordrhein-Westfalen diesen wichtigen Schritt der verpflichtenden Sprachstandsfeststellung als erstes Bundesland gegangen ist. Ich denke, dass mittlerweile auch fraktionsübergreifend die Ansicht herrscht, dass eine frühzeitige und kontinuierliche Förderung der Sprachkenntnisse von herausragender Bedeutung ist.

Ich habe mich damals in Köln gefreut, als Frau Ministerin Löhrmann im Rathaus die Einführung der Sprachstandsfeststellung und anschließende Sprachförderung durch die Vorgängerregierung explizit gelobt hat. Zum Glück sind ja auch die Zeiten vorbei, in denen die SPD in diesem Zusammenhang noch von einem „Kinderabitur“ gesprochen hat.

Die Sprachstandsfeststellung und die anschließende pädagogische Förderung können einen Beitrag dafür leisten, die soziale Herkunft vom Bildungserfolg zu entkoppeln und entsprechende Potenziale zu entfalten. Um die Pädagogen bei dieser Potenzialentfaltung zu unterstützen, war es daher auch wichtig, ein verpflichtendes Modul, nämlich „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ in die Lehrerausbildung aufzunehmen.

Meine Damen und Herren, die Zahl der Kinder mit festgestelltem Förderbedarf liegt alljährlich konstant bei rund einem Viertel. Es ist sehr erfreulich, dass nun 93 % der erfassten Kindertageseinrichtungen angeben, dass die Wirksamkeit der Sprachförderprogramme nachgewiesen wird, und zum Beispiel 59 % positive Rückmeldungen aus den Grundschulen anführen.

Aber allein die Vielzahl der Sprachförderprogramme und die entsprechenden abweichenden Bewertungen machen deutlich, dass man an dieser Stelle über die Effektivität sprechen muss. Die Landesregierung erklärt, wissenschaftliche Einschätzungen über die Nachhaltigkeit der Sprachförderprogramme gingen hier sehr weit auseinander.

Es ist an dieser Stelle grundsätzlich positiv zu bewerten, dass ein Bund-Länder-Forschungsvorhaben die Diagnoseinstrumente und Förderansätze ab 2013 fünf Jahre lang wissenschaftlich prüft, aber es stellt sich die Frage: Was will Rot-Grün? Was wollen Sie in der Zwischenzeit tun? Diese Frage stellt sich besonders nach der vorliegenden Antwort.

Wo sind die Konzepte von Rot-Grün an dieser Stelle? Sie verweisen auf die Leitgedanken in der Vorbemerkung. Dort findet sich die Kritik ihrerseits, aber leider keine Auskunft darüber, welche Verbesserungen Sie vornehmen.

Sie kritisieren – das hat Frau Stotz noch einmal erwähnt –, dass Sprachstandsfeststellung und ?för-derung nicht in einer Hand liegen. Die rechtliche Anbindung an die Schulpflicht und das Schulgesetz erfolgte in diesem Zusammenhang aber, um alle Kinder zu erreichen und eben nicht die Kinder durchs Raster fallen zu lassen, die wir durch den Kindergarten nicht erreichen.

Ich sage aber auch ganz klar: Wir sind gerne bereit, uns hier Ihre Verbesserungsvorschläge anzuschauen und uns mit diesen an entsprechender Stelle auseinanderzusetzen. Aber noch einmal: Dazu müssen Sie die Konzepte auf den Tisch legen.

Wir haben gehört – und gerade war das in den Ausführungen von Frau Stotz auch noch einmal zu vernehmen –, dass Delfin 4 ab dem kommenden Jahr modifiziert bzw. abgeschafft werden soll.

Wir schreiben jetzt September 2013. Bisher haben wir auf die Alternativen an dieser Stelle vergeblich gewartet. Die Antworten in der Großen Anfrage im Schulbereich beschränken sich vielfach auf die Aussage: Sprachförderung ist generell Aufgabe der Schulen. – Genaue Zahlen sind hier nicht bekannt. Es liegen keine wissenschaftlichen Daten vor. Wie man hier eine durchgängige Sprachbildung sichern möchte, erschließt sich nicht.

Sie haben bei der damaligen Einführung der Sprachstandserhebung und ?förderung heftig Kritik geübt und Eltern an dieser Stelle gezielt verunsichert. Wir warten nun auf Ihre eigenen Vorstellungen, auf Ihre Verbesserungsvorschläge und sagen noch einmal ganz deutlich: Sinnvollen Verbesserungsvorschlägen stehen wir im Sinne der Sprachförderung der Kinder selbstverständlich offen gegenüber. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Für die grüne Landtagsfraktion spricht Frau Kollegin Velte.

Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Dank in dreierlei Hinsicht auszusprechen, einmal für die Antwort auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion, die uns Aufklärung darüber verschafft hat, wie vielfältig die Landschaft beim Thema Sprachförderung ist, zum anderen der Landesregierung, die sich die Mühe gemacht hat, diese Fragen auch zu beantworten und damit eine Grundlage für weitere Diskussionen geschaffen hat, und natürlich den vielen Einrichtungen vor Ort, die sich die Mühe gemacht haben, die Fragen zu beantworten.

Es ist schon eine beeindruckende Vielfalt, die vor allem eines aussagt, dass nämlich das Thema Sprachförderung, Sprachstandserhebung vor Ort in den Einrichtungen, in den Schulen intensiv angekommen ist, und zwar intensiver, als Sie das hier zunächst einmal angesprochen haben.

Denn es wird deutlich, dass sich die befragten Einrichtungen sehr viele Gedanken gemacht haben und das Instrument gewählt haben, von dem sie glauben, dass es für ihre Kinder, für die Kinder in ihrer Einrichtung besonders hilfreich und besonders gut sei.

Ein paar überraschende Punkte aus dieser Antwort möchte ich gerne noch ansprechen. Zu erwarten ist natürlich, dass bei Kindern aus bildungsfernen Milieus und Kindern mit Zuwanderungsgeschichte eine zusätzliche Sprachförderung oder eine Sprachtherapie häufiger vorkommt als bei anderen. Überraschend ist aber, dass dieser Bedarf zum Teil erst bei den schulärztlichen Eingangsuntersuchungen aufgedeckt wird. Denn sowohl in den Vorsorgeuntersuchungen sowie auch bei der Sprachstandserhebung nach Delfin 4 oder 5 hätten zwei Jahre vor der Einschulung diese Probleme bereits auftauchen können.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf das Thema Delfin 4 eingehen. Delfin 4 misst bestimmte Defizite nicht. Delfin 4 kümmert sich um die Frage der Kenntnis der deutschen Sprache und nicht um die Frage der Mehrsprachigkeit. An dieser Stelle haben wir das Problem, dass die Kinder, insbesondere die Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, dann nicht so gefördert und wertgeschätzt werden, wie es sein sollte, neben der Problematik, dass es sich um eine punktuelle Untersuchung handelt.

Die Daten, die hier vorgelegt worden sind, zeigen deutlich, dass Delfin 4 und das dazugehörige Förderprogramm keine Akzeptanz in den Einrichtungen finden, und es bestehen erhebliche Zweifel an der Validität der dort erzielten Ergebnisse. Daher gehört nach meiner Auffassung Delfin 4 abgeschafft.

Vielmehr muss in den Kitas von Beginn mit geeigneten und in den pädagogischen Alltag integrierbaren Instrumenten eine durchgängige Beobachtung und Dokumentation der Entwicklung und die Sprachbildung in einem ganzheitlichen Konzept erfolgen. Das betrifft auch die Zusammenarbeit mit den Grundschulen und die Übergänge zwischen dem Elementarbereich und dem Primarbereich sowie zwischen dem Primarbereich und den weiterführenden Schulen.

Als Sprecherin für Migrationspolitik habe ich ein besonderes Augenmerk auf die Passagen gerichtet, die den Spracherwerb von Kindern mit Migrationshintergrund betreffen. Zu dem Thema hätte ich mir tatsächlich etwas mehr Fragen seitens der CDU-Fraktion gewünscht. Deswegen fand ich es gut, dass die Landesregierung bei der Beantwortung auch ungefragt noch einmal auf die Vorzüge einer wertschätzenden Einbeziehung der Herkunftssprachen eingegangen ist. Das hat auch ganz viel mit der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern zu tun.

(Dietmar Brockes [FDP] ist gestürzt.)

– Alles gut? So schlimm war das doch nicht, was ich jetzt gesagt habe. Ich war etwas überrascht.

Die Frage der Herkunftssprache, der Familiensprache gehört auch zur Identität und zur Persönlichkeitsentwicklung von Kindern. Deswegen ist es wichtig, dass diese Mehrsprachigkeit, dieses


Potenzial wertgeschätzt wird und nicht durch irgendwelche Tests abgewertet wird.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Deswegen ist es bei aller Freude an der Förderung der Bildungssprache Deutsch auch wichtig, sich auch um die Frage der Mehrsprachigkeit weiter zu bemühen und sie in den Alltag der Kinder, in den Alltag der Einrichtungen, in den Alltag der Schulen stärker zu integrieren. Schon allein aus dem Grunde freue ich mich auf die Diskussion in den Ausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Kollegin Velte. – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Frau Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch von uns geht ein herzlicher Dank an alle, die sich mit dieser Anfrage beschäftigt haben, die Landesregierung und die vielen Einrichtungen.

Frau Scharrenbach, betrachten wir einmal die von Ihnen geforderte Evaluation. Lassen Sie uns diese Antwort als einen Anfang nehmen. Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass das Beherrschen der deutschen Sprache in unserem Bildungssystem eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, um überhaupt den Zugang zur Bildung zu finden.

Weder die soziokulturelle Herkunft noch die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Elternhauses dürfen einen Einfluss auf den individuellen Zugang zur Bildung haben.

(Beifall von Marc Olejak [PIRATEN])

Sprachentwicklungsauffälligkeiten bei Kindern noch vor der Einschulung festzustellen und bei diesen Kindern mit individuellen Maßnahmen Sprachförderung zu betreiben, sind wichtige Aufgaben im Elementarbereich.

Seit 2007 testet man vierjährige Kinder mit dem Spiel „Delfin“, und ebenfalls seit 2007 gibt es massive Kritik an diesem Test. Logopäden verziehen mittlerweile das Gesicht, wenn sie das Wort „Delfin“ nur hören. Der Test ist realitätsfern; er berücksichtigt weder kulturelle Voraussetzungen noch die Fähigkeiten von mehrsprachigen Kindern – das erwähnte Frau Velte eben –, noch erfasst er, ob für das Kind eine allgemeine Sprachförderung ausreichend ist oder ob es vielleicht eine Sprachtherapie benötigt. Das liegt daran, dass dieser Test starr und unsinnig ist. Die Kinder werden in Rot und Grün eingeteilt: „kann er“, „kann er nicht“, „kann sie“ oder „kann sie nicht“. Die vielfältigen individuellen Ursachen für Sprachentwicklungsauffälligkeiten werden nicht berücksichtigt.

Hinzu kommt – das wurde gerade auch schon gesagt –, dass dieser Test in einer prüfungsähnlichen Situation stattfindet, die für die Kinder völlig ungewohnt ist. Ein fremder Mensch kommt in die Kindertageseinrichtung. Viele Kinder verweigern sich dieser Situation – zu Recht.

Eine Sprachstandsfeststellung ist meiner Ansicht nach ein Prozess und kein punktuelles Verfahren. Das heißt, die Erzieherinnen und Erzieher können wochen- und monatelang feststellen und beobachten, wo Defizite sind und wo Förderbedarf besteht. Ich glaube, dass ein beobachtendes Verfahren sehr viel mehr als ein punktuelles Prüfen bringt.

Leider haben viele Kindertagesstätten gar nicht die Ressourcen, damit sich Erzieherinnen darum ausgiebig kümmern könnten. Ich schaue mir an, wie groß einige Gruppen und wie überlastet Erzieherinnen sind. Daher muss ich mich nicht wundern, wenn einige Kinder auch durch dieses Raster fallen.

Ähnlich stellt sich das in der Schule dar. In den ersten Klassen werden zum Teil bis zu 30 Kinder unterrichtet. Dort ist es unmöglich, bei jedem Kind festzustellen, wie der Sprachstand ist, dementsprechende Förderprogramme aufzustellen und diese durchzuführen. Auf dem Papier liest es sich ganz gut, was Lehrer und Erzieherinnen alles tun und leisten sollen. Leider ist die Situation vor Ort anders.

Zusammenfassend ergibt die Beantwortung dieser Großen Anfrage für mich das Bild, dass in NRW seit 2007 eine Sprachstandsfeststellung ohne Sinn und Verstand durchgeführt wird. Das aktuelle Verfahren wird der Rolle der Erzieherinnen und Erzieher nicht gerecht. Es vernachlässigt die Einbeziehung der Eltern, und die Leidtragenden sind die Kinder, die tatsächlich eine individuelle Sprachförderung benötigen.

Ich appelliere an die Landesregierung, endlich dort vernünftig zu unterstützen, wo das Kind im Mittelpunkt steht und individuelle Sprachförderung geleistet wird, nämlich bei den Erzieherinnen und Erziehern. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pieper. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Löhrmann das Wort.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den kollektiven Dank haben sicherlich alle Beteiligten mit Freude gehört. Manche Fragen in der Großen Anfrage verwundern. Eigentlich müssten Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, doch aus eigener Erfahrung und Verantwortung wissen, welche Antworten das von Ihnen 2007 so angelegte Sprachstandsfeststellungsverfahren liefern kann und welche nicht.

Wir sind uns alle einig: Sprache und sprachliche Bildung sind von zentraler Bedeutung. Mündliche und schriftliche Verständigung sowie ausreichende Lese- und Schreibkompetenz sind elementare Voraussetzungen für einen qualifizierten Schulabschluss, eine zukunftsfähige Berufsausbildung und das Zurechtkommen im Alltag.

Ihr Ziel, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, war absolut richtig. Aber nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht. Insofern haben Ute Schäfer und ich mit Freude Ihre selbstkritischen Anmerkungen gehört. Als Sie damals möglichst schnell ein Sprachstandsfeststellungsverfahren eingeführt haben, haben Sie wesentliche Aspekte außer Acht gelassen. Dadurch sind Ihnen Fehler unterlaufen.

So haben Sie leider bei der Einführung des Verfahrens die Expertise und die Erfahrung der Erzieherinnen und Erzieher weitgehend außen vor gelassen. Dafür waren zwar vor allem rechtliche Gründe ausschlaggebend, doch ist das aus Sicht der jetzigen Landesregierung falsch. Diagnose und Förderung gehören in eine Hand.

Darauf sind Sie von der damaligen Opposition, von den Jugendhilfeträgern und von Frau Prof. Fried hingewiesen worden, also ausdrücklich auch von der Wissenschaftlerin, die Sie selbst mit der Entwicklung des Verfahrens beauftragt haben. Nur durch eine kriteriengestützte Langzeitbeobachtung, gegebenenfalls in Verbindung mit einem punktuellen Testverfahren kann ein verlässliches und umfassendes Bild vom Sprachvermögen des einzelnen Kindes gewonnen werden.

Bei allen Konstruktionsfehlern hat die Sprachstandsfeststellung aber auch ihr Gutes gehabt. Sie hat die Kooperation zwischen Kitas und Grundschulen gefördert. Das ist vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher pädagogischer Kulturen wichtig.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Insbesondere an Übergängen und Schnittstellen müssen sich Pädagoginnen und Pädagogen über ihre professionelle Arbeit austauschen.

Die Art der Abfragen wurde aus der Zeit Ihres Regierungshandelns unverändert übernommen, nicht zuletzt um den Verwaltungsaufwand in den Schulämtern zu begrenzen. Außer der Quote können keine weiteren Erkenntnisse aus den Rückmeldungen gezogen werden. Diese liegt im Schnitt knapp unter 25 %. Es verwundert nicht, dass sie in den Städten Duisburg, Remscheid oder Gelsenkirchen mit rund 40 % regelmäßig am höchsten ist, während sie zum Beispiel in den Kreisen Coesfeld, Höxter oder im Rheinisch-Bergischen Kreis bei 15 % liegt.

Meine Damen und Herren, einen Königsweg gibt es weder bei der Gestaltung der Sprachstandsfeststellung noch bei der institutionellen Förderung. Das zeigt ein Blick über unsere Landesgrenzen. Noch gibt es nur wenige wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse über den Spracherwerb.

Deshalb beteiligt sich Nordrhein-Westfalen aktiv an der Bund-Länder-Initiative zur Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung, in der Maßnahmen und Programme auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Die Ergebnisse werden allerdings frühestens in einigen Jahren vorliegen. Wir haben darauf gedrängt, dass der Elementarbereich in dieses Vorhaben einbezogen wird.

Die Landesregierung, die Häuser von Ministerin Schäfer und mir, werden deshalb in bewährter Kooperation wie angekündigt in der Zwischenzeit die Sprachförderung, die Verfahren und Instrumente gemeinsam mit den Trägern der Jugendhilfe und der Wissenschaft weiterentwickeln, damit alle Kinder eine wirksame und am individuellen Bedarf ausgerichtete Sprachförderung in Kitas und Schulen erhalten.

Das ist das erklärte Ziel. Das werden wir mit der nötigen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse der Kinder und Jugendlichen anlegen und vorbereiten. Insbesondere das Haus von Ute Schäfer ist durch den U3-Ausbau kampferprobt und wird das im Sinne der Kinder sehr gut und sehr vernünftig anlegen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich schließe die Beratung und erkläre die Große Anfrage 3 der CDU-Fraktion hiermit für erledigt.

Wir kommen zu

11       Bergschäden durch den Braunkohlebergbau

Große Anfrage 2
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1567

Antwort
der Landesregierung
Drucksache 16/3340

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPD-Fraktion dem Kollegen Sundermann das Wort.

Frank Sundermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen mit einem Dank an die Landesregierung, an die beteiligten Ministerien, an die nachgelagerten Fachbehörden und an das Unternehmen, die alle viel gearbeitet haben, beginnen. Wir wissen ja, dass gerade Große Anfragen nicht unbedingt Euphorie in den Ministerien auslösen.

Ich denke aber trotzdem, dass es gut war, dass wir diese Anfrage gestellt haben. Wir haben jetzt einen sehr umfangreichen Überblick über die Problematiken rund um Bergschäden bei der Braunkohle. Anders als bei der Steinkohle war das bisher so nicht der Fall. Wir haben einen guten Überblick über die Fragen der Fraktionen bekommen. Diese Fragen sind sicherlich auch die Fragen gewesen, die die Bevölkerung dort bewegen.

Als Vorsitzender des Unterausschusses kann ich auch sagen: Viele Mitglieder werden zukünftig bei ihrer Arbeit gewiss durch die Beantwortung der Fragen unterstützt.

Thematisch hat sich diese Große Anfrage am rot-grünen Koalitionsvertrag orientiert. Ein wichtiger Punkt war die Information, die Transparenz: Wie bekommen die Betroffenen Informationen über das, was sich dort rund um den Bergbau bewegt? Es ist ausgeführt worden, dass ein Informationssystem in Arbeit ist, dass das Bergschadensmonitoring Antworten geben wird. Wir werden sicherlich zukünftig im Fachausschuss darüber diskutieren, wie diese Informationen gebündelt werden können. Es ist deutlich geworden, dass zwar eigentlich alle Informationen vorhanden sind, dass der Zugriff aber sehr schwierig ist. Das muss bürgerfreundlicher und offener gestaltet werden.

Wichtig ist an dieser Stelle auch, dass die bergschadensrelevanten Informationen wie Risswerke – unterstützt durch kontinuierliche Messungen – zusammengetragen werden, um festzustellen, was Bergschäden sind. So können die Betroffenen ihre Bergschäden anmelden.

Wichtig ist ferner, dass analog zur Steinkohle festgestellt wird, wo denn die Einwirkungsbereiche sind.

Der Grundwasseranstieg ist schon im Koalitionsvertrag erwähnt worden. Dieser Frage haben wir in dieser Großen Anfrage sehr viel Raum gegeben. Hier wird das Grundwasser über Jahrzehnte hinweg abgesenkt; es wird gesümpft. Im weiteren Verlauf, wiederum über Jahrzehnte hinweg, werden dort Seen angelegt. Das muss natürlich begleitet werden, weil das Auswirkungen hat.

Wir entnehmen den Antworten auf die Fragen auch: Alle Informationen sind vorhanden. Aber die eine oder andere Kommune denkt dennoch: Wir können vielleicht schon heute ein Baugebiet ausweisen; mal schauen, was in 40 Jahren passiert. – Dass das kontinuierlich begleitet wird und die Informationen fließen, ist sehr wichtig.

Meine Damen und Herren, ich kann für meine Fraktion feststellen, dass wir mit dieser Großen Anfrage Verantwortung für die Region übernommen haben. Wir haben Verantwortung für die 26.000 direkten Arbeitsplätze übernommen. Wir haben Verantwortung für die nachhaltige Energieversorgung übernommen. Wir haben nämlich die Sorgen und Gedanken, die in der Region vorhanden sind, ernstgenommen. Ich selbst komme eher von der Steinkohle. Wenn man dort das erste Mal in den Braunkohlegebieten gewesen ist und sieht, wie groß und tief die Tagebaue sind, kann man sich schon vorstellen, dass Ängste vorhanden sind, wenn vielleicht manchmal auch nicht nachvollziehbare. Deswegen war es sehr wichtig, dass wir diese emotionalen Sorgen und Ängste ernstgenommen und ihnen rationale Argumente und Antworten entgegengestellt haben.

Meine Damen und Herren, eine der wichtigen Quintessenzen dieser großen Anfrage ist – gestatten Sie mir an dieser Stelle diese Phrase –: Transparenz schafft Akzeptanz. Es ist ganz wichtig, dass wir bei allem, was wir dort machen, nachhaltig Transparenz schaffen – und zwar für alle, die Sorgen und Nöte haben.

Wichtig ist aber auch – das ist an sich eine Erfahrung, die ich von der Steinkohle habe – eine ordentliche und faire Bergschadensregulierung. Denn sie sorgt auch für Akzeptanz. Auch diesbezüglich haben wir durch diese Große Anfrage und die Antworten darauf wichtige Informationen bekommen.

Eine Antwort, die sich an verschiedenen Stellen wiederfindet, lautet, dass wir – so wie die Landesregierung es sieht – bei der Braunkohle im Gegensatz zur Steinkohle nicht unbedingt von Ewigkeitslasten sprechen müssen. Das ist sicherlich beruhigend.

Meine Damen und Herren, wie geht es jetzt weiter? Das ist eine wichtige Frage, die beantwortet werden muss.

Ein wichtiger Handlungsstrang ist – das ist auch schon im Koalitionsvertrag festgehalten – die Anpassung der Markscheider-Bergverordnung.

Deutlich wird auch, dass viele Dinge, nach denen wir jetzt gefragt haben, beantwortet werden könnten, wenn das Bergschadensmonitoring endlich richtig auf den Weg gebracht werden kann. Wir werden uns sicherlich auch mit den Fragen im Rahmen der Akzeptanzinitiative auseinandersetzen müssen.

Meine Damen und Herren, ich kann zusammenfassend feststellen: Es gibt weiterhin viel Arbeit für den Unterausschuss Bergbausicherheit. Ich freue mich schon darauf, diese Arbeit zu erledigen. – Vielen Dank. Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Zentis.

Gudrun Elisabeth Zentis*) (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich allen danken, die sich bemüht haben, unsere Fragen umfassend zu beantworten: allen voran unserer Ministerpräsidentin, den Ministern für Wirtschaft, für Klimaschutz und Umwelt, für Finanzen, für Inneres und Kommunales sowie für Bauen und Verkehr und natürlich auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dies spiegelt wider, wie viele und welche Bereiche der Bergbau tangiert und wer sich mit den Auswirkungen und Folgen des Bergbaus auf die Bevölkerung, auf die Region und auf die Wirtschaft befasst.

Einige Antworten waren wissenserhellend, bei anderen besteht jedoch weiterer Aufklärungsbedarf. Auch Befürchtungen in Bezug auf noch offene Fragen haben sich bestätigt. Aber eines ist der Antwort dieser Landesregierung auch zu entnehmen: Sie arbeitet an den aufkommenden Problemstellungen.

Die Antwort ist insofern ehrlich, als Aussagen getroffen werden, dass bestimmte Aspekte überprüft oder aktuelle erarbeitet werden, dass es eine Vielzahl von Informationen und Stellen gibt, an die sich Betroffene wenden können, dass die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Aufgaben umgesetzt werden, aber auch, dass noch nicht alles abschließend bewertet werden kann, dass einige Informationen nur den Bergbautreibenden vorliegen und manche Daten nicht öffentlich zugänglich sind.

Zutreffend werden in der Antwort der Landesregierung die Senkung des Grundwasserspiegels und die jetzt bereits festgestellten beziehungsweise erwarteten Auswirkungen auf Gesteinsschichten beziehungsweise Geländeveränderungen beschrieben.

Aber die Antwort darauf, was geschieht, wenn die Sümpfungsmaßnahmen eingestellt werden, ist etwas, worüber man nur wissenschaftlich begründete Prognosen und Simulationsrechnungen nach derzeitigem Kenntnisstand erstellen kann. Es stellt sich die Frage: Lassen wir zu, dass abgewartet wird, was passiert? Oder treffen wir Vorsorge für den Tag x?

Viele von uns, die wir heute hier versammelt sind, werden sich mit den Auswirkungen vor Ort nicht mehr beschäftigen müssen oder können. Jedoch sind wir verantwortlich dafür, dass das Rheinische Revier zur Erfüllung unserer Ansprüche und Bedürfnisse, unseres Wohlstandes ausgekohlt wird.

In Korschenbroich beklagen sich Bürgerinnen und Bürger bereits heute über nasse Keller und Häuser aufgrund des Wiederanstiegs von Grundwasser. Mit Unterstützung des Erftverbandes tragen ein Teil der Bürgerinnen und Bürger Kosten für das großflächige Abpumpen des Grundwassers.

Betonen möchte ich ausdrücklich, dass ich den Bergbautreibenden für diese Situation nicht verantwortlich mache. Aber dennoch muss die Frage gestellt werden: Wären diese Schäden bei vorausschauender Planung nicht vermeidbar gewesen?

Bestürzt habe ich der Presse der letzten Woche entnommen, dass ein Mitarbeiter des Bergbauunternehmens die Aussage getroffen hat, in Bergheim werde es beim Wiederanstieg des Grundwassers zu Vernässungen kommen. Dort braucht die Bevölkerung unseres Landes unsere Unterstützung. Vorsorge muss getroffen werden, um Schäden zu verhindern. Auch muss geklärt werden, wie mögliche Ewigkeitslasten finanziert werden können.

Die Antwort auf die Große Anfrage hat gezeigt, welche Auswirkungen die Grundwasserabsenkung im Rheinischen Revier schon heute hat. Besonders zu sehen ist dies an der Zitadelle Jülich, einer mittelalterlichen Festung, die viele kriegerische Angriffe überstanden hat und nun in ihren Grundfesten bröckelt. Das alte dicke Mauerwerk der Bastionen und Gräben zeigt teilweise große Rissbildungen. Allerdings liegt der Landesregierung leider keine schriftliche Anerkennung eines Bergschadens vor.

Traurig ist, dass die Landesregierung dem Amtsgericht Bergheim nicht antworten konnte, da von RWE Power noch keine Rückmeldung vorlag. Hier ist zu wünschen, dass das Unternehmen transparenter und offener wird.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Landesregierung die Fragen und Sorgen der Schadensbetroffenen im Rheinischen Revier ernst nimmt, und unterstützen sie darin, die im Interesse der Betroffenen liegende leichtere Durchsetzbarkeit von berechtigten Bergschadensansprüchen sowie weitere Verbesserungen hinsichtlich des Zugangs zu den dafür relevanten Informationen als auch eine gleiche Rechtsstellung der Schadensbetroffenen im Rheinischen Revier zu erreichen.

Auch die baldige Umsetzung des seit geraumer Zeit mehrheitlich beschlossenen Bergschadensmonitoring für das Rheinische Revier wird die Situation der Betroffenen in der Region verbessern. Die Notwendigkeit eines solchen Monitorings scheint nach Auswertung der Antworten begründeter als zuvor zu sein.

Lassen Sie uns daher das Monitoring bald umsetzen und gemeinsam an den Antworten auf die noch offenen Fragen arbeiten, damit sich die Situation für die Betroffenen verbessert und wir vorausschauend bereits jetzt die Zukunft mitbedenken. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Kollegin Zentis. – Für die FDP-Fraktion hören wir


jetzt den Kollegen Brockes.

(Zuruf)

– Sorry, mein Fehler. – Herr Brockes hat es gemerkt und war auch noch gar nicht ganz bereit. Natürlich haben wir zunächst den Kollegen Josef Wirtz als Redner für die CDU-Fraktion. Wir halten im Protokoll fest, dass Herr Brockes immer bereit ist!

Bitte entschuldigen Sie vielmals, Herr Kollege Wirtz!

Josef Wirtz (CDU): Herr Präsident, kein Problem! Herr Kollege Brockes wartet gerne die paar Minuten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wunsch, Betroffene von Bergschäden besserzustellen, findet nach wie vor auch unsere Unterstützung.

Die CDU-Landtagsfraktion hat in den letzten Jahren wiederholt gefordert, dass Bergbaugeschädigte besseren Zugang zu notwendigen Informationen bekommen müssen.

Auch die Umkehr der Beweislast im Braunkohlenrevier war und ist eines unserer Anliegen. In diesen Punkten, meine Damen und Herren, sind wir uns also alle einig.

Mich wundert allerdings, warum Sie von Landesregierung und Koalition nicht endlich tätig werden. Wieso lassen Sie Ihren ständigen Ankündigungen und Absichtserklärungen denn keine Taten folgen?

Der Antwort auf Ihre Anfrage ist aber auch gar nichts zu entnehmen, was wir nicht sowieso schon wussten. Sie spielen also auf Zeit, meine Damen und Herren. Sei es die Frage nach der Anzahl von Bergschadensfällen oder die Frage nach den Aufgaben der Monitoringstelle bei der Bezirksregierung Köln: Die Informationen hierzu sind alle längst bekannt; dafür hätte es also keiner Großen Anfrage bedurft.

Was die Menschen im Land brauchen, das sind konkrete Ergebnisse statt weiteres Gerede über Forderungen, die schon längst Konsens sind.

Zu unserer Regierungszeit haben wir die Schlichtungsstelle Bergschaden NRW und die Anrufungsstelle Bergschaden Braunkohle NRW auf den Weg gebracht.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU], Dr. Stefan Berger [CDU] und Christof Rasche [FDP])

Wir sind damit einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Die nächsten notwendigen Schritte wären, diese funktionierenden Strukturen weiterzuentwickeln.

Insbesondere muss die Öffentlichkeitsarbeit deutlich verbessert werden.

Schon in Ihrem rot-grünen Koalitionsvertrag von 2010 stand die Vereinbarung – diese Vereinbarung ist auch in Ihrem aktuellen Koalitionsvertrag enthalten –, die Beweislast umzukehren. Passiert ist seitdem nichts. Das Zauberwort heißt nach wie vor: Bundesratsinitiativen.

Immer wieder erwähnen Sie das Thema in den Debatten im Unterausschuss und auch im Plenum. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Eindruck ist, dass wir dieses Thema recht schnell abhandeln könnten, wenn Sie endlich ernst machen würden.

(Beifall von der CDU)

Genauso unglücklich agieren Sie bei der Steigerung der Akzeptanz des Bergbaus in Nordrhein-Westfalen. Seit über einem Jahr warten wir auf das Akzeptanzpapier der Landesregierung. Geliefert haben Sie bis zum heutigen Tag noch nichts. Auch hier ist über Ankündigungen hinaus nichts passiert.

(Beifall von der CDU)

Bitte bedenken Sie auch, dass es durchaus relevante Punkte gibt, die schon ohne eine Änderung des Bundesberggesetzes durch die Landesregierung umgesetzt werden können.

Mir ist es wichtig, hier und heute nochmals darauf hinzuweisen, dass die nordrhein-westfälischen Behörden den betroffenen Kommunen zeitnah und umfassend alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellen müssen. Hier ist mehr Transparenz gefragt. Dafür muss die Landesregierung schnellstens Sorge tragen.

Meine Damen und Herren, es muss uns gelingen, dass am Ende eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit zwischen Landesbehörden und Kommunen erkennbar ist, die den betroffenen Menschen unkomplizierte Hilfe ermöglicht.

Zur Transparenz gehört aber auch, dass bei allen Vorgängen nur unabhängige Sachverständige hinzugezogen werden. Was die Betroffenen brauchen, sind nämlich neutrale Ergebnisse, die objektiv und für die Menschen auch nachvollziehbar sind.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielleicht würde es Ihnen helfen, wenn Sie sich noch einmal mit den Anträgen der CDU-Fraktion vom vergangenen Dezember und Januar auseinandersetzten. Darin haben wir Ihnen aufgeführt, was nötig wäre, um endlich nennenswerte Fortschritte zu erzielen. Sie müssen das Rad nicht neu erfinden, meine Damen und Herren von der SPD und den Grünen.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns endlich Fakten schaffen und den Betroffenen von Bergschäden nachhaltig helfen. Mit Reden sowie weiteren Ankündigungen und Absichtserklärungen kommen wir nämlich nicht weiter. Tun Sie endlich etwas! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Wirtz. – Jetzt hat aber der Kollege Brockes für die FDP-Fraktion das Wort.

Dietmar Brockes*) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schön, dass Sie es gar nicht abwarten konnten, dass ich hier zu meinem Beitrag komme. – Meine Damen und Herren, auch ich möchte mit dem Dank an alle beginnen, die zur Beantwortung der Großen Anfrage beigetragen haben – in den Ministerien, in den nachgelagerten Behörden, bei den Bergbautreibenden und bei allen, die sonst noch daran beteiligt waren.

Ich möchte auch den Koalitionsfraktionen dafür danken, dass sie diese Große Anfrage gestellt haben – schon allein deshalb, weil die Landesregierung auf diesem Wege mit einigen gerade auch bei den Fragestellern verbreiteten Vorurteilen in Bezug auf Braunkohlebergbau aufräumen konnte,

(Beifall von der FDP)

aber in erster Linie natürlich deshalb, weil wir, das Parlament und der Unterausschuss „Bergbausicherheit“, mit der Antwort auf die Große Anfrage die gegenwärtige Situation der vom Braunkohlebergbau Betroffenen besser einschätzen können.

Meine Damen und Herren, für die FDP ist klar: Wir benötigen den Braunkohlebergbau in Deutschland. Ohne ihn und die Braunkohleverstromung ist die Energiewende nicht machbar. Die Grünen machen den Menschen landauf, landab weis, der Kohleausstieg sei bis zum Jahre 2030 machbar. Fragen Sie doch einmal Ihren Wirtschaftsminister. Er wird Ihnen bestätigen, dass auch im Jahr 2050 konventionelle Kraftwerke, hochmoderne Braunkohlekraftwerke, noch mehr als die Hälfte der gesicherten Leistungen bereitstellen müssen.

Wir wollen, dass der Braunkohleabbau in Deutschland mit den Menschen stattfindet. Deswegen teilen wir das Anliegen einer Akzeptanzinitiative Bergbau, um das verloren gegangene Vertrauen in die Notwendigkeit des Braunkohlenbergbaus wieder zurückzugewinnen. Aber auch da kann ich mich dem Kollegen Wirtz anschließen. Es wird jetzt Zeit, dass dieses Papier endlich auf den Tisch kommt.

Einer der aus meiner Sicht hierfür wesentlichen Schritte wird es sein, die Rechtsstellung der Bergbaubetroffenen zu verbessern. Konkrete mögliche Schritte werden wir morgen in Verbindung mit dem Antrag von SPD und Grünen diskutieren. Das werden wir aber erst morgen machen.

Heute möchte ich allgemein auf die zentralen Aufgabenfelder hinweisen, die wir demnächst im Unterausschuss „Bergbausicherheit“ beraten sollten.

Zum Beispiel ist das der Grundwasserwiederanstieg bis zum Jahr 2100. Die Landesregierung hat deutlich gemacht, dass sämtliche vorhandenen bergschadensrelevanten Informationen auch bei der öffentlichen Hand vorliegen. Es wird also nichts verheimlicht. Allerdings sind diese Informationen bei einer Vielzahl von öffentlichen Stellen über das Land verteilt abrufbar.

Meine Damen und Herren, nach unserer Auffassung sollen Bergbaubetroffene nicht von Pontius zu Pilatus gehen müssen. Deshalb ist es richtig, diese Informationen zu bündeln und unter Wahrung des Datenschutzes abrufbar zu machen. Hierfür benötigen wir eine Art einheitlicher Ansprechpartner. Wenn darüber hinaus weitere Informationen oder Beratungsangebote bei den Kommunen vorgehalten werden könnten, wäre dies noch besser; denn für die Bürgerinnen und Bürger sind die Kommunen der erste Ansprechpartner.

Wenn wir über Bergbau reden, muss zum Schluss auch ein Wort zum Steinkohlebergbau in Nordrhein-Westfalen erlaubt sein. Auffällig ist nämlich, dass die Landesregierung den Braunkohlebergbautreibenden seitens der Bezirksregierung Köln umfangreiche Berichts- und Dokumentationspflichten auferlegt. Zum Beispiel werden beim Tagebau Garzweiler I und II die Bodenbewegungsprognosen der RWE Power AG regelmäßig von der Bezirksregierung überprüft. Außerdem werden bergbaulich bedingte Ereignisse wie Tagebrüche und Erdfälle über die Vorgaben der Markscheider-Bergverordnung dokumentiert.

Ich würde mir wünschen, die Bezirksregierung Arnsberg hätte es der Bezirksregierung Köln gleich getan oder würde es zumindest in Zukunft bei der Nulllinienüberschreitung bei Prosper Haniel oder bei der Risswerkführung tun. Stattdessen musste der Unterausschuss die Arbeitsgruppe Risswerkführung initiieren, damit in mühevoller Kleinarbeit geklärt wird, welche Minimalstandards die bergbautreibende RAG einzuhalten hat. Von Kontrolle seitens der Behörde ist bisher nichts erkennbar.

Meine Damen und Herren, das ist zu wenig. Wir wünschen uns auch beim Steinkohlenbergbau mehr. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Piratenfraktion spricht der Abgeordnete Schmalenbach.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich für das Stellen der Großen Anfrage und für ihre Beantwortung bedanken. Da dieses Gebiet für mich relativ neu ist, kann ich die Große Anfrage als Standardwerk zurücklegen, in dem ich immer wieder Informationen finde. Das ist großartig; das finde ich toll.

Herr Sundermann, Sie sagten gerade, Braunkohle sei eine nachhaltige Energieversorgung. Auch Herr Brockes kommt an der Stelle gleich noch dran. Lassen Sie sich mal von Herrn Markert Nachhaltigkeit erklären. Ich denke, Herr Markert wird das deutlich anders sehen.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Wir sehen das ebenfalls anders. Wir sehen in der Braunkohle keine nachhaltige Energieversorgung.

Herr Sundermann, Sie haben einen schönen Satz gesagt: Transparenz schafft Akzeptanz. – Bravo, eine gute Erkenntnis.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Transparenznummer ist das, was uns hier antreibt – darauf werde ich noch zu sprechen kommen –, weil aus meiner Sicht relativ unklar ist, warum der Bergbautreibende einige Informationen nicht herausgibt. Ich würde mir wünschen, wenn wir über Akzeptanzinitiativen reden, den Bergbautreibenden auch dazu zu verpflichten, alle für den Bürger relevanten Informationen zu veröffentlichen und für den Politiker auch die Zahlen zur Verfügung zu stellen, die dazugehören. Es fehlen an so vielen Stellen Zahlen und Fakten. Das finde ich schade, weil es das Gesamtwerk etwas schmälert.

Sie sagten zudem, Herr Sundermann, es gebe keine Ewigkeitslasten. In Korschenbroich sieht man das wohl mittlerweile anders. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob wir in Sachen Umwelt nicht doch von Ewigkeitslasten reden können. Ich finde die Aussage ein bisschen voreilig.

Freu Zentis ist das Thema sehr sachlich angegangen und hat einen schönen Rundumbericht geliefert. Man könne zum Sümpfungsende nur Prognosen abliefern. – Das ist sehr schade. Wir kommen gerade in eine Phase, in der die ersten Probleme nach dem Wiederanstieg auftauchen. Ich nehme an, die Grünen bekommen die Netzwerknachrichten auch.

Ich habe jetzt das Spannungsfeld gesehen. Ich war Freitag bei RWE und habe mich darüber informieren lassen, wie das mit Korschenbroich gelaufen ist. Das war ein Thema. Es wurde darüber geredet, dass alle Informationen herausgegeben wurden. Sie haben auch gesagt, an dem jetzigen Desaster sei der Betreiber nicht schuld. Aber ich muss nachdrücklich fragen: Wie kann das entstehen? Warum wird da gebaut, wenn die Informationen vorhanden sind? Das verstehe ich wirklich nicht.

Herr Wirtz, ich sagte es gerade schon. Ein besserer Zugang zu Informationen ist wichtig; dabei ist Transparenz das Schlagwort.

Die Regierung soll tätig werden. – Das finde ich auch schön ausgedrückt. „Macht mal!“ ist eine gute Aussage. Sie haben die Schlichtungsstelle gemacht. Das ist auch schön. Über die Schlichtungsstelle und über die Harmonisierung werden wir morgen reden.

Ich würde mir im Zuge dessen, was Herr Brockes sagte, wünschen, beide Bergbautreibenden tatsächlich sehr ähnlich zu stellen und die Regeln, die wir für die einen haben, auch für die anderen anzuwenden. Denn ihnen geht es um die Akzeptanz des Bergbaus. Sie planen noch sehr lange damit. Wir, ehrlich gesagt, nicht. Wir sind aber der Meinung, dass wir auf dem Weg dahin, den Bergbau zu beenden, tatsächlich alles mitnehmen sollten, was dem Bürger guttut. Wenn es für Akzeptanz sorgt, tut es dem Bürger halt auch gut.

Herr Brockes sagte, dass er sich darin bestätigt sehe, dass 2050 noch Braunkohle gebraucht wird. Ich sage einmal: Wenn wir 2050 noch Braunkohle zur Verstromung brauchen – nicht zum chemischen Prozess; wir können vielleicht noch darüber reden, ob wir chemische Prozesse haben, für die wir die Braunkohle brauchen –, haben wir in Sachen Energiewende definitiv etwas falsch gemacht.

(Beifall von den PIRATEN)

Noch etwas zu den Daten: Nach unserer Auffassung sollten alle Daten, die vom Bergbautreibenden erhoben werden, öffentlich sein, soweit es keine datenrechtlichen Probleme mit Eigentümern gibt. Es sollte für jeden möglich sein, nachzuvollziehen: Was ist im Untergrund los? Was steht an? Wo sollten wir vielleicht besser vom Baugrund die Finger lassen? – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schmalenbach. – Ich sage: Punktlandung! Damit meine ich nicht den Kollegen Schmalenbach, sondern Herrn Minister Duin.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Prima! )

– Ja, perfekt getimt. – Herr Minister Duin für die Landesregierung, bitte schön.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Ganz herzlichen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich bei den Rednern dieser Debatte entschuldigen, dass ich nicht rechtzeitig im Hause sein konnte. Da wir 20 Uhr geplant hatten, war ich auf die Minute da. Aber das war für die Debatte ein bisschen verspätet. Trotzdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen meine Gedanken zu diesem Tagesordnungspunkt nicht durch den Kollegen Jäger, der das sonst gerne übernommen hätte, vortragen zu lassen oder zu Protokoll zu geben, sondern sie Ihnen selbst zu schildern.

Sie haben vor dem Hintergrund dessen diskutiert, was die Koalitionspartner in der Großen Anfrage zu den Bergschäden durch den Braunkohlenbergbau an Antworten bekommen haben. Wie wir alle wissen, treten im Vergleich zum Einwirkungsbereich des Steinkohlenbergbaus im weiträumigen Bereich der Grundwasserabsenkung vergleichsweise wenige Bergschäden auf.

Während es im Steinkohlenbergbau regelmäßig ca. 35.000 Schadensmeldungen pro Jahr sind, beläuft sich die Zahl der jährlichen Schadensmeldungen im rheinischen Braunkohlenrevier auf ca. 900. Dennoch nimmt die Landesregierung die Sorgen der Schadensbetroffenen sehr ernst, dass sie eventuell entstehende Schadenersatzansprüche gegen das Bergbauunternehmen nicht hinreichend durchsetzen können.

Die Landesregierung möchte daher im Interesse der Geschädigten weitere Verbesserungen erreichen. Deshalb soll zur Durchsetzung berechtigter Bergschadenersatzansprüche der Zugang zu den dafür relevanten Informationen verbessert werden. Darüber hinaus ist beabsichtigt, die Rechtsstellung der Schadensbetroffenen an die von der Steinkohle Betroffenen anzugleichen.

Die Beantwortung der Großen Anfrage hat gezeigt, dass das Unternehmen, die RWE Power AG, im Dialog mit den betroffenen Kommunen steht. Sie informiert diese in regelmäßigen Gesprächen über die Bergschadensituation in ihrem Gebiet, sodass die Kommunen von einer eventuellen Betroffenheit unmittelbar Kenntnis haben.

Bei der Geltendmachung und Abgeltung von Bergschäden handelt es sich um eine, wie wir wissen, privatrechtliche Angelegenheit, die zwischen dem Geschädigten und dem Verursacher zu regeln ist. Zur Beweiserleichterung für die Betroffenen hat der Bergbautreibende auch Regelungen zur Bearbeitung geschaffen, wonach jede Schadensmeldung durch den Bergbautreibenden innerhalb festgelegter Fristen überprüft wird. Er übernimmt dabei alle notwendigen Untersuchungen, bis feststeht, ob ein Bergschaden vorliegt oder nicht. Dies geschieht für die Betroffenen kostenlos.

Bergschadensbetroffene können daneben über die Gesamtmitgliedschaft für braunkohlebetroffene Gebietskörperschaften im Verband bergbaugeschädigter Haus? und Grundeigentümer eine technische Vorprüfung und eine Ersteinschätzung anfordern. Für die Grundeigentümer aus zurzeit 22 rheinischen Kommunen führen die Sachverständigen des Verbandes dann eine für Grundeigentümer wiederum kostenlose Erst? und Vorprüfung des gemeldeten Gebäudeschadens durch. Nach den langjährigen Erfahrungen sind danach in rund 85 % aller Fälle bereits weit gehende Aussagen zur Ursachenwahrscheinlichkeit und zum Grad eines Sümpfungseinflusses möglich.

Bereits heute sind viele für die Beurteilung einer Schadensursache benötigten Daten öffentlich zugänglich. Es ist jedoch anzuerkennen, dass es für den einzelnen Schadensbetroffenen derzeit schwierig ist, sich einen Überblick über die bei verschiedenen Stellen vorliegenden Informationen zu verschaffen. Die Landesregierung setzt sich daher für den Aufbau eines Informationsdienstes ein, der möglichst alle relevanten Daten der verschiedenen Stellen unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zusammenführt und den Grundstückseigentümern, den Kommunen und sonstigen Interessenten zugänglich macht. Der Informationsdienst soll zudem über die erwartete zukünftige Entwicklung von Grundwasserständen und Bodenbewegungen in den sümpfungsbeeinflussten Gebieten informieren.

Das Wirtschaftsministerium hat bereits im Jahre 2010 die Einrichtung einer Anrufungsstelle Bergschaden Braunkohle NRW organisiert, um die Position der Schadensbetroffenen zu verbessern. Geschädigte, die mit dem Bergbauunternehmen keine Einigung erzielen, können sich an diese Anrufungsstelle wenden. Sie bemüht sich, gegebenenfalls unter Hinzuziehung öffentlich bestellter Sachverständiger, um eine Klärung.

Gleichwohl sieht die Landesregierung die Besorgnis der Bergschadensbetroffenen im rheinischen Braunkohlenrevier bezüglich einer möglichen Benachteiligung bei der Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche im Vergleich zur Rechtslage bei untertägigen Bergbaubetrieben. Daher will die Landesregierung im Zuge einer Bundesratsinitiative über eine Novellierung des Bundesberggesetzes eine Umkehr der Beweislast auch für Bergschäden im rheinischen Revier erreichen.

Zur verbesserten Dokumentation von schadensrelevanten Tatbeständen wird die Landesregierung zudem eine Änderung der hierfür maßgebenden Verordnung – Herr Hovenjürgen, Herr Wirtz, wir haben an verschiedenen Stellen schon darüber gesprochen – über markscheiderische Arbeiten und Beobachtungen der Oberfläche, also das, was die Markscheider-Bergverordnung angeht, anstoßen. – In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Britta Altenkamp [SPD]: Glück auf!)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Ich teile mit, dass die Landesregierung die Redezeit um etwa eine Minute überzogen hat. – Ich sehe allerdings keine Wortmeldungen mehr und schließe damit die Beratung. Dann stelle ich fest, dass die Große Anfrage 2 der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen erledigt ist.

Wir kommen zu:


12       Staatliche Subventionen für Private Universität Witten/Herdecke beenden

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/4018

Ich eröffne die Beratung. Für die antragstellende Fraktion spricht der Fraktionsvorsitzende, Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr geehrter, lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Um es gleich ganz klar und unmissverständlich zu sagen: Wir bekennen uns zur Universität Witten/Herdecke.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Dann ziehen Sie den Antrag zurück!)

Sie stellt eine Bereicherung unserer universitären Landschaft in Nordrhein-Westfalen dar. Privates Engagement für Bildung, Ausbildung und gar Forschung ist gut und begrüßenswert und wird vor allem von Piraten immer begrüßt, wenn es dann auch privat bleibt. Wir sind der Auffassung, dass die staatliche Subventionierung der privaten Universität Witten/Herdecke nicht mehr zielführend ist. Immer und immer wieder waren die Finanzen von Her-decke Thema hier im Landtag. Bei unseren Recherchen sind wir bis weit in die zwölfte Wahlperiode des Hauses zurückgegangen. Selbst dort wurde die heutige Frage kontrovers diskutiert.

Es ist für uns beispielsweise unerklärlich, warum die private Universität so etwas wie eine Sonderbehandlung erfährt – ich will die Leistungen der Universität gar nicht in Abrede stellen –, dies für andere private Initiativen aber nicht gilt. Wir als Partei haben eine klare Positionierung zum Thema „staatliche Subventionierung“.

Selbst der Gründungspräsident Konrad Schily hat 1993 gesagt – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –: „Das verfassungsmäßige Recht auf Freiheit von Forschung und Lehre würde erst bei einer Entstaatlichung verwirklicht sein.“

Dem können wir in den Fragen der Subventionierung im Prinzip Rechnung tragen. Es geht uns – darum bitten wir; das fordern wir von der Landesregierung – um eine für beide Partner, sowohl für das Land Nordrhein-Westfalen als auch für die Bildungseinrichtung, moderat fortzuführende Exit-Strategie aus den verstetigt fließenden Subventionen dieses Landes.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Ich habe es eben schon erwähnt: Die Leistung der Universität soll gar nicht in Abrede gestellt werden. Im Gegenteil, sie hat seit Mitte der 90er-Jahre die Abgängerzahl speziell in den wichtigen Bereichen Medizin und Zahnmedizin von damals 50 auf heute 124 pro Jahr gesteigert. Das ist uns klar.

Wir möchten auch eine Offenlegung der Förderverträge mit der Universität Witten/Herdecke. Ich denke, es ist ein legitimes Interesse des Steuerzahlers zu erfahren, wofür genau und in welcher Weise seine Gelder verwendet werden.

(Beifall von den PIRATEN)

In dem Zusammenhang kann die Landesregierung einmal proaktiv die Verträge veröffentlichen. Wir verstehen nicht so ganz, warum das schwierig sein soll. Das wäre auch einmal eine Form von modernem Open Government, von dem so gern geredet wird. Es gibt keinen Grund, dass diese Verträge unter Verschluss bleiben.

Was die Leistungssteigerung angeht, darf man allerdings Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Das haben unter der Randbedingung knapper Kassen die staatlichen Universitäten auch getan.

Wir freuen uns, diese Diskussion wieder aufmachen zu können. Ich wünsche uns allen – auch zum Wohle der Universität – konstruktive Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Bell.

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Vorbereitung der heutigen Debatte habe ich mich, weil das mit den Doktortiteln immer so eine Sache ist, auch einmal mit der Promotion von Herrn Dr. Paul befasst. Ich habe in dem offiziell veröffentlichten Lebenslauf feststellen können, dass er berufsbegleitend und extern an der medizinischen Fakultät der Universität Witten/Herdecke promoviert hat.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ich habe die Uni sogar mit aufgebaut!)

Ich unterstelle – das will ich so deutlich sagen –, dass ein Alumni natürlich ein besonderes Augenmerk auf seine Universität richtet und ein Stück weit auch über Entwicklungen dieser Universität im Detail informiert ist. Deshalb, sehr geehrter Herr Dr. Paul, frage ich mich schon: Wie kann es dann zu einem solchen Antrag kommen?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben jetzt hier ein Bekenntnis zur Universität Witten/Herdecke abgegeben: Na, da spricht der Antrag aber ganz andere Bände. Die wesentlichen


Argumentationsstränge – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – sind relativ knapp zusammengefasst:

„Allerdings zeigt sich, dass die Universität Witten/Herdecke als Versuch der Etablierung einer privaten Universität vor dem Scheitern steht.“

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Sie ist ja nicht privat!)

„Die schleichende Verstetigung der Landeszuschüsse zeigt, dass die Universität Witten/Herdecke nicht in der Lage ist, ihre Hausaufgaben in der Akquisition privater Geldgeber zu erledigen.

Gerade der private Hochschul- und Weiterbildungssektor zeigt höchste Expansionszahlen, ein Grund hierfür liegt in der chronischen Unterfinanzierung der NRW-Hochschulen.“

Ich fange einmal mit dem letzten Argument an und mache es ganz kurz. Sehr geehrte Damen und Herren von den Piraten, damit blasen Sie in dasselbe Horn wie die FDP. Morgen um 18:40 Uhr steht hier ein inhaltsgleicher Antrag auf der Tagesordnung. Von daher spare ich mir zum jetzigen Zeitpunkt die detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung. Aber so viel: Diese Behauptung ist schlicht grober Unfug. Das will ich hier sehr deutlich sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie sprechen vom Scheitern der Universität – einer Universität, die 31 Jahre in gemeinnütziger Trägerschaft besteht. Sie kann zurzeit 500 direkte und ca. 300 indirekte Arbeitsplätze am Standort der Universität vorweisen. Sie ist durch den Wissenschaftsrat bis zum Jahre 2018 akkreditiert. Es gibt in ihr ca. 1.600 Studierende in insgesamt 22 Studiengängen der Fakultäten Gesundheit, Wirtschaft und Kultur. Sie hat bis zum Jahreswechsel 2015/2016 ein Ausbauprogramm vor, das ein Anwachsen auf 2.000 Studierende vorsieht. Wenn hier von einem Scheitern der Universität gesprochen wird, ist das schlichtweg abenteuerlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu dem zweiten Punkt, den Sie ansprechen: Die Hochschule sei nicht in der Lage, ihre Hausaufgaben bei der Akquisition privater Geldgeber zu erledigen. – Aktuell sind 50 % der Einnahmen der Hochschulen Spenden, 40 % sind Eigenleistungen, und die Landesförderung beläuft sich aktuell auf 10 % des Haushaltsvolumens. Sie wissen, Herr Dr. Paul, dass gerade die Universität Witten/Herdecke aktuell 500 Studierende in den sehr teuren Studiengängen Arzt- und Zahnarztausbildung vorhält.

Eines müssen Sie natürlich auch sagen: Wenn diese Ausbildungsplätze wegfallen würden, weil die Universität durch den Entzug auch staatlicher Leistungen möglicherweise nicht mehr handlungsfähig wäre, müsste das Land diese Kapazitäten staatlich aufbauen. Zurzeit befinden wir uns – gerade im Hinblick auf Kapazitäten für Westfalen – eigentlich in der Diskussion, Studienplätze im Medizinbereich auszubauen und nicht rückzubauen. Insoweit geht Ihre ganze Rechnung nicht auf.

2009 hatten wir in diesem Haus einen parteiübergreifenden Konsens, wie wir in schwierigen Zeiten mit der Universität verfahren wollen. Wir streben eine Weiterführung dieses parteiübergreifenden Konsenses an und warten deshalb auf das Verhandlungsergebnis des Ministeriums mit der Universität. Ich würde mir wünschen, dass die Piraten sich nicht durch Schnellschüsse dieser parteiübergreifenden Gemeinsamkeit entziehen.

Zum Schluss hoffe ich natürlich, dass Sie als Alumni das Verhältnis zur ehemaligen Hochschule noch klären; denn mit dem Alter sollte man vielleicht doch ein wenig milder werden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bell. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Berger.

Dr. Stefan Berger (CDU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es muss schon einiges passieren, damit ich Herrn Bell uneingeschränkt recht gebe.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich gebe aber, Herr Dr. Paul, Herrn Bell uneingeschränkt recht.

Wenn man Ihren Antrag liest, wollen Sie jetzt der Universität Witten/Herdecke die staatlichen Subventionen entziehen. Ich habe mich bei der Lektüre des Antrags zunächst einmal gefragt: Warum eigentlich? So richtig ist Ihr Grundargument gar nicht durchgekommen. Dann habe ich irgendwann gemerkt, weil der Antrag auch einen bestimmten Duktus und Ton hat, dass Sie offensichtlich vermuten: Das ist eine private Hochschule, sie ist selektiv, schlecht, fast marktwirtschaftlich und deswegen in Ihrer Gedankenwelt nicht geeignet, öffentliches Geld zu erhalten.

(Beifall von der CDU)

Sie verkennen, wenn Sie so argumentieren, dass die Universität Witten/Herdecke dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Sie hat keine gewinnorientierte Einstellung zur Elitenbildung, sondern sie unterstützt – Sie haben es selbst gesagt – zum Beispiel die Ärzteausbildung des Landes, und sie entlastet durch ihre Existenz logischerweise den Landeshaushalt.

Das ist genau dasselbe wie bei den privaten Schulen. Dort werden auch 95 % durch den Landeshaushalt übernommen. Doch die verbleibenden 5 % werden von den privaten Trägern übernommen, und die entlasten damit den Landeshaushalt.

Das Land gibt 4,5 Millionen €. Es sind 1.500 Studierende, es gibt auch eine hohe Absolventenquote, und die Absolventen suchen durchschnittlich nur 1,5 Monate nach einem Job. Das ist nur halb so lange wie Absolventen von anderen Hochschulen. Von daher kann ich Ihren Antrag in der Logik am Ende nicht verstehen.

Aber, Herr Dr. Paul, vielleicht sind auch Sie persönlich das Problem. Ich habe im Ausschuss – ich kann das hier einmal sagen; wir sind ja hier unter uns –

(Heiterkeit von Ministerin Svenja Schulze)

oft erlebt, dass Sie Stellungnahmen und Positionen einnehmen, von denen ich mir persönlich gar nicht sicher bin, ob die Mehrzahl der Mitglieder der Piraten sie teilt

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Oh!)

und überhaupt weiß, was Sie in diesem Haus im Bereich der Wissenschaftspolitik so vortragen. Sie haben schon ein Mitglied Ihrer Fraktion verloren. Dieser Abgeordnete hat gesagt: „Die freiheitliche Ausrichtung der Piraten geht immer mehr verloren.“ Es würden überwiegend gesellschaftliche Randgruppen mit linken Extrempositionen bedient. Die bürgerliche Mitte werde außer Acht gelassen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Lachen von Dr. Joachim Paul [PIRATEN] und Monika Pieper [PIRATEN])

– Sie können jetzt darüber lachen. Ich finde jedoch, man muss, wenn jemand aus Ihrer Mitte das vorträgt, es schon ernst nehmen. Sie persönlich sollten es auch ernst nehmen. Denn im Wissenschaftsausschuss sind Sie – vielleicht nicht grundsätzlich Ihre Gruppe, aber Sie persönlich – sicher derjenige, der immer die Positionen am linken Rand einnimmt.

Jetzt sage ich zum Schluss: Wir haben auch recherchiert. Der Bundestagskandidat der Piraten, Listenplatz 3, ein Herr Thomas Weijers, ist Student an der Uni Witten/Herdecke. Ich hoffe, dass Sie mit ihm auch abgestimmt haben, dass Sie ihm jetzt seinen Studienplatz wegkürzen wollen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Haben wir!)

– Dann ist es ja okay.

Der letzte Punkt. Ich habe gar nicht gewusst, dass Sie an der Universität Witten/Herdecke promoviert haben. Das ist natürlich ein Vorgang, den Sie persönlich für sich klären müssen. Doch ich habe immer gedacht, dass man seiner Alma Mater, seiner Heimuniversität, die einem auch den Weg in die Wissenschaft ermöglicht und ebnet, mit einer gewissen Dankbarkeit und mit wohlwollender Unterstützung entgegentritt

(Beifall von der CDU)

und sich, wenn man politisch in Düsseldorf angekommen ist, nicht noch hier hinstellt und nachtritt.

Es gibt Kritik. Wir haben uns mit Witten/Herdecke auch schon kritisch befasst. Das ist richtig.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Nein. – Aber ich muss sagen: Ich finde, es ist nicht in Ordnung, wenn Sie sich hier hinstellen und dieser Uni pauschal die öffentlichen Gelder entziehen wollen. Ich meine, Sie sollten noch einmal in sich gehen und überlegen, ob Sie diesen Antrag so aufrechterhalten wollen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Abel.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Piratenfraktion! Sie scheinen von Ihren Bürovorgängern das eine oder andere Inventar übernommen zu haben. Heute Morgen bei der Haushaltsdebatte hatte man gelegentlich den Eindruck, Sie hätten einen Kasten mit alten Reden von Herrn Michalowsky gefunden. Jedenfalls erinnerte mancher Inhalt und auch Gestus sehr stark daran. Umso erstaunlicher ist es – das hat Herr Kollege Dr. Berger schon ausgeführt –, wohin sich einige Kollegen orientieren. Für Unterhaltung bleibt jedenfalls gesorgt.

Jetzt zu etwas weniger Unterhaltsamen, zu Ihrem Antrag. Sie scheinen als Fraktion jetzt offensichtlich auch ideologische Ansätze der Linken zu übernehmen. Sie versuchen, eine Neiddebatte zwischen den privaten und den öffentlich finanzierten Hochschulen anzuzetteln! Sie wollen die vermeintlich reine Lehre durchsetzen ohne Rücksicht auf die Situation in Witten/Herdecke. Sie reden davon, dass die Hochschule gescheitert sei. Sie reden von Subventionen zum Erhalt der Uni. Das ist ein Zerrbild, das mit der Realität nichts zu tun hat, meine Damen und Herren.

Wir sprechen vielmehr über eine herausragende Universität, die sich zu 90 % aus nichtöffentlichen Mitteln finanziert, insbesondere in der Medizinausbildung große Erfolge aufweist, was die Qualität der Lehre, die Studiendauer und die Zahl der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen anbetrifft. Wir reden bei der Medizin über einen einzigartigen, mehrfach prämierten Ausbildungsgang, der einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und zum Beispiel komplett tierfrei ist, das heißt ohne sogenannten Tierverbrauch auskommt.

Aber auch die Kulturwissenschaften sollten nicht unerwähnt bleiben. Auch sie verfolgen innovative Ansätze. Es gibt zum Beispiel den einzigartigen Studiengang, den neuen Master „Doing Culture“, der allein von der Beschreibung her neugierig macht. Die Verknüpfung von Philosophie, Ökonomie und Politik in einem grundständigen Studiengang ist ebenso anregend. Man möchte eigentlich dem einen oder anderen Mitglied des Hauses diesen Studiengang empfehlen.

Die Uni Witten/Herdecke ist fester Bestandteil unserer Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen geworden, und sie soll es auch bleiben.

Apropos Hochschullandschaft – das wurde schon vom Kollegen Bell angesprochen –, auch da zeichnen Sie ein absolutes Zerrbild. Lassen Sie uns noch einmal vergewissern, was diese Landesregierung trotz Haushaltskonsolidierung alles unternimmt: 2011 bis 2018 Hochschulpakt, zusätzlich 2,2 Milliarden €, zusätzlich 249 Millionen € jedes Jahr trotz angespannter Haushaltssituation für die Verbesserung der Lehre. Noch nie wurden so viele Mittel in unsere Hochschulen investiert wie mit diesem Haushalt.

Das können Sie nicht wegdiskutieren. Hören Sie auf, hier schwarzzumalen, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN und Josef Hovenjürgen [CDU])

Zum Schluss bleibt zu sagen: Die Uni Witten/Herdecke ist eine private Universität. Ja, das ist eine Ausnahme. Das Ganze hat eine Historie. Daraus erwächst uns Verantwortung. Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Uni Witten/Herdecke, insbesondere gegenüber den Studentinnen und Studenten.

(Zuruf von den PIRATEN: Das bestreitet ja niemand!)

Ich würde Ihnen am Schluss meiner Rede vorschlagen – Sie haben in Ihrer Rede ja deutlich abgerüstet gegenüber Ihrem Antrag und den Begrifflichkeiten, die Sie darin aufgegriffen haben –: Lassen Sie uns diesen Antrag nicht in den Ausschuss überweisen. Seien Sie konsequent, nehmen Sie Ihre Rede ernst, und ziehen Sie Ihren Antrag zurück! – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Abel. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Paul, nach dem Antrag, den Sie hier gerade eingebracht und begründet haben, möchte ich niemals in die Verlegenheit kommen, von Ihnen irgendeine Unterstützungsbotschaft zu erfahren.

Meine Damen und Herren, die Idee einer privaten und unabhängigen Hochschule in Deutschland, den drei Leitsätzen folgend: zur Freiheit ermutigen, nach Wahrheit streben und soziale Verantwortung fördern – besser kann man den Bildungsauftrag unserer Hochschulen eigentlich kaum zusammenfassen.

Die Universität erhält zurzeit 4,5 Millionen € per anno. Wir Liberalen befürworten im Sinne der Pluralität der Hochschullandschaft in unserem Land, dass das Land auch private Initiativen fair begleitet. Haben sie sich doch nicht in einer Gewinnmaximierungsabsicht gegründet, sondern um Innovationen in einer als verstaubt empfundenen und vielleicht auch tatsächlich verstaubten Hochschulszene erfahrbar zu machen. So war das auch in Witten/Herdecke.

Es scheint insoweit zwischen den Parteien Gott sei Dank ein Konsens zu herrschen – offensichtlich mit Ausnahme der Piraten –; denn sowohl unter rot-grünen Landesregierungen als auch unter der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen wurde die Universität Witten/Herdecke in der Zeit von 1996 bis 2005 mit über 41 Millionen € und zuletzt, wie schon gesagt, jährlich mit 4,5 Millionen € unterstützt.

Die Universität lockt mit ihrem sehr eigenen Profil, mit vom Menschen aus denkenden Ansätzen in Medizin, Wirtschaft und Kultur tolle junge Menschen in unser Bundesland. Sie hat zu Recht einen guten Ruf.

Die Universität hat zweifelsohne harte Jahre durchlitten, insbesondere in den Jahren 2006 bis 2010, in denen auch die Existenz der Universität auf dem Spiel stand. Es war richtig, dass das Land die Hochschule finanziell unterstützte – im Gegenzug zur Erfüllung der Auflagen des Wissenschaftsrates.

Wenn in dem Antrag kritisiert wird, dass sich die Hochschule die Studierenden selbst aussucht, dann erlaube ich mir den Hinweis, dass das beispielsweise die staatlichen Kunst- und Musikhochschulen ebenfalls tun. Ich finde es auch richtig, dass sich Studierende und Hochschulen bewusst füreinander entscheiden und sie die Vereinbarung gemeinsamer Entwicklung auf der Grundlage eines Werteprofils treffen.

Die dadurch entstehende Verantwortlichkeit füreinander würde vielleicht auch anderen Hochschulen ganz guttun. Die Vorstellung, dass die Platzvergabe beispielsweise über das Ministerbüro erfolgt, finde ich nahezu grotesk.

Seit der erfolgreichen Reakkreditierung für sieben Jahre durch den Wissenschaftsrat im Jahr 2011 hat sich die Situation der Universität Witten/Herdecke erheblich verbessert. Auch wenn die Auflagen des Wissenschaftsrates seinerzeit für die Universität zunächst kaum erfüllbar erschienen, hat der Druck doch geholfen, notwendige Veränderungen in Angriff zu nehmen. Es wurde umstrukturiert, die Hochschule stellte sich breiter auf und bietet seitdem auch mehr Fächer an.

Dadurch konnten die Studierendenzahl und auch die Einnahmen erhöht werden. Erstmals seit Bestehen der Universität wurden im Geschäftsjahr 2011 keine Verluste geschrieben. Der Turnaround könnte in der Tat geschafft sein.

Die Auflagen zur Themenerweiterung sind noch nicht erfüllt. Die Fakultät für Kulturreflexion – Studium fundamentale sollte entweder ausgebaut oder geschlossen werden; wir erinnern uns. Die Universität ist nach eigenen Angaben dabei, den Ausbau fortzusetzen. Und wer beim diesjährigen Geburtstag der Universität dabei war oder ansonsten die Gelegenheit hatte, die jungen Leute dort kennenlernen zu dürfen, kann auch verstehen, warum diese Entscheidung der Universität aus dem Selbstverständnis und den Leitsätzen zwingend abgeleitet wird.

Es wäre nicht nur nicht zielführend, die Landeszuschüsse von heute auf morgen zu streichen und diese Entwicklung zu zerstören, sondern es würde auch die bisherigen Zuschüsse sinnentleeren. Damit will ich in keiner Weise zum Ausdruck bringen, dass ich nicht damit einverstanden wäre, regelmäßig eine Überprüfung der Landeszuschüsse vorzunehmen. Aber wenn man doch eine Verabredung für sieben Jahre getroffen hat, dann halte ich es für unverantwortlich, mitten im laufenden erfolgversprechenden Prozess darüber nachzudenken, daraus auszusteigen.

An der Universität studieren 1.500 junge Menschen. Sie tun der Region im Strukturwandel sehr gut. Die Kollegen aus der Region können das bestätigen.

Ich würde mich freuen, wenn wir im Grundsatz über die Entwicklung von Kriterien einer leistungsorientierten Förderung von Hochschulen in nichtstaatlicher Trägerschaft diskutieren und dabei auch dem Umstand Rechnung tragen würden, dass staatliche Hochschulen für diese Studierenden bislang nicht ausreichend Kapazitäten freihalten. Vielleicht können wir im Fachausschuss noch einmal tiefer in diese Thematik einsteigen. In diesem Zusammenhang könnte man dann auch einmal die Forderung nach einer Förderung analog zur Ersatzschulförderung beraten und diskutieren.

In der letzten Legislaturperiode hat der Ausschuss die Universität Witten/Herdecke besucht und sich über den aktuellen Sachstand informiert. Das scheint mir ein zu wiederholender und äußerst lohnenswerter Ansatz. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Freimuth, bitte seien Sie so nett und bleiben am Redepult stehen. Herr Dr. Paul hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. – Bitte schön.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Auf die Ad-hominem-Anwürfe von den Kollegen der anderen Fraktionen möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Frau Freimuth, ich möchte nur zwei Punkte ganz klarmachen: Sie haben zum einen von Streichungen im laufenden Betrieb und zum anderen von der Sinnentleerung der bisher geflossenen Gelder gesprochen.

Es ist doch allgemein üblich, dass die öffentliche Hand gute Projekte anschubfinanziert, so lange, bis sie auf eigenen Beinen stehen können. Wir reden hier über 10 %. Warum sollte das nicht möglich sein?

(Zuruf von den GRÜNEN: Sie haben den Kontakt zur Hochschule verloren!)

Angela Freimuth (FDP): Herr Kollege, ich frage mich in der Tat, wann Sie das letzte Mal dort im Gespräch gewesen sind; denn es hat nämlich gerade im Rahmen dieses Reakkreditierungsverfahrens eine Verabredung zwischen Land, Hochschule und Wissenschaftsrat gegeben. Es ist schon so, dass zumindest wir auf der Grundlage handeln: Verträge sind einzuhalten.

(Beifall von der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Hier eine solche Unruhe hineinzubringen, ist völlig kontraproduktiv. Sie stellen sich hierhin und sagen, Sie sind für die Universität Witten/Herdecke und wollen etwas für die Region und für die Hochschule in Anerkennung tun. Doch das, was Sie mit diesem Antrag vorgelegt haben, ist das krasse Gegenteil. Das zeigt einmal mehr, welches Verständnis jedenfalls Ihnen von einer pluralen Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Nordrhein-Westfalen fehlt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Bemerkung vorweg machen: Die Hochschulen sind nicht unterfinanziert. Wir haben 4,4 Milliarden € im aktuellen Haushalt für die Hochschulen stehen. Das sind 13,5 % mehr als in den Vorjahren, und das unter schwierigen Haushaltsbedingungen.

Sehen Sie sich einmal die Entwicklung seit 2005 an. Wir haben seitdem ein Plus von 45 % für Lehre, für Forschung, für Bildung. Ich denke, das ist eine ganze Menge, und das kann man hier nicht einfach wegdiskutieren. Aber diese Diskussion werden wir morgen noch in aller Ausführlichkeit führen.

Heute geht es um die Universität Witten/Herdecke. Sie wissen, dass sie jetzt 30 Jahre alt geworden ist. Sie hat unbestrittene Leistungen. Diese sollten wir auch hier im Parlament noch einmal würdigen. Sie hat in der Medizinerausbildung völlig neue Wege beschritten. Sie ist diejenige, die wirklich neuartige, unkonventionelle Lehrformen auch in den Approbationsordnungen mit verankert hat. Sie ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass wir in den Jahren 2002 und 2012 die Approbationsordnungen verändert haben. Heute sind praxisnah ausgebildete Medizinabsolventinnen und -absolventen ein Wesensmerkmal des Studiums, das in Witten/Herdecke geleistet wird. Fast 500 Studierende sind dort eingeschrieben.

2011 hat der Wissenschaftsrat die Arbeit der Universität Witten/Herdecke noch einmal gewürdigt und sie ausdrücklich für sieben weitere Jahre akkreditiert.

Ja, die Hochschule hatte große Schwierigkeiten und ist über viele Jahre vom Land unterstützt worden. Aber 2009 hat sich die damalige Landesregierung entschieden, den Sanierungskurs, den die Hochschule eingeschlagen hat, zu unterstützen. Das ist parteiübergreifend in diesem Parlament unterstützt worden. 2011 hat die Akkreditierung bekräftigt, dass Restrukturierungsmaßnahmen auf den Weg gebracht werden. Aus Sicht der Landesregierung besteht ein Vertrauensschutz für die Hochschule, aber vor allen Dingen für die Studierenden, die einen Anspruch haben, ihr Studium dort weiterzuführen. An diesen Vertrauensschutz fühlen wir uns gebunden.

Allerdings ist es selbstverständlich, dass alle Zuwendungen und Zuschüsse regelmäßig überprüft werden. Wir sind daher mit der Hochschule in intensiven Gesprächen über die Weiterentwicklung. Natürlich werden wir auch mit dem Parlament zusammen abwägen müssen, unter welchen Voraussetzungen und wie das Land auch in Zukunft bereit ist, diese Hochschule zu unterstützen. Momentan sind 90 % der Ausgaben der Hochschulen schon aus eigenen Mitteln gedeckt.

Ich denke, niemand in diesem Parlament sollte den Bedarf an Studienplätzen zum Beispiel im Fach Medizin infrage stellen. Auch da bietet die Universität Witten/Herdecke eine ganz Menge an. Das brauchen wir als Land. Deswegen werden wir mit der Hochschule in aller Ruhe diskutieren. Wir werden darüber reden, ob und wie eine Unterstützung weitergehen kann. Erst einmal gibt es aber Vertrauensschutz. An das, was hier mit breiter politischer Mehrheit zugesagt wurde, werden wir uns natürlich halten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Das bleibt auch so. Ich schließe damit die Beratung zu Tagesordnungspunkt 12.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktionen haben sich inzwischen darauf verständigt, den Antrag Drucksache 16/4018 nicht direkt abzustimmen. Sie schlagen vor, diesen Antrag an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Stimmt jemand gegen die Überweisung? – Enthält sich jemand? – Beides ist nicht der Fall. Dann ist das so geschehen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

13       Gesetz zur Aufhebung der gesetzlichen Befristung des Landespressegesetzes NRW

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3526

erste Lesung

Die Einbringungsrede wird zu Protokoll (s. Anlage 1) gegeben.

Der Ältestenrat empfiehlt, den Gesetzentwurf Drucksache 16/3526 an den Ausschuss für Kultur und Medien zu überweisen. Ist jemand dagegen? Gibt es Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Dann ist das so geschehen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

14       Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsche Zentralbibliothek Medizin“

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3527

erste Lesung

Auch hierzu gibt die Landesregierung die Einbringungsrede zu Protokoll (s. Anlage 2).

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/3527 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Dann ist das so geschehen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt


15       Gesetz zu dem Vierten Änderungsvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Nordrhein – Körperschaft des öffentlichen Rechts –, dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe – Körperschaft des öffentliches Rechts – und der Synagogen-Gemeinde Köln – Körperschaft des öffentlichen Rechts –

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3625

erste Lesung

Auch diese Einbringungsrede wird zu Protokoll (s. Anlage 3) gegeben.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/3625 an den Hauptausschuss zur weiteren Beratung. Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so geschehen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

16       Gesetz zur Änderung des Landesreisekostengesetzes und des Landesumzugskostengesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3965

erste Lesung

Auch zu diesem Gesetzentwurf gibt die Landesregierung die Einbringungsrede zu Protokoll (s. Anlage 4).

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/3965 an den Haushalts- und Finanzausschuss. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Beides ist nicht der Fall. Dann hat diese Überweisungsempfehlung die Zustimmung gefunden.

Tagesordnungspunkt

17       Gesetz zur Weiterentwicklung der politischen Partizipation in den Gemeinden und zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3967

erste Lesung

Auch hier gibt die Landesregierung die Einbringungsrede zu Protokoll (s. Anlage 5).

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/3967 an den Ausschuss für Kommunalpolitikfederführend – sowie mitberatend an den Integrationsausschuss. Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Tagesordnungspunkt

18       Gesetz zur Neuordnung im Bereich der Schul- und Studienfonds

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3969

erste Lesung

Auch hier gibt die Landesregierung die Einbringungsrede zu Protokoll (s. Anlage 6).

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/3969 an den Haushalts- und Finanzausschuss. Gibt es jemanden, der widersprechen oder sich enthalten möchte? – Nein. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

19       Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Bereich der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/3970

erste Lesung

Auch hier wird die Einbringungsrede der Landesregierung zu Protokoll (s. Anlage 7) gegeben.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/3970 an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur weiteren Beratung. Niemand dagegen? – Niemand enthält sich? – Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt


20       Haushaltsrechnung des Landes Nordrhein-Westfalen für das Rechnungsjahr 2011

Unterrichtung
durch die Präsidentin
des Landtags
Erteilung der Entlastung
nach § 114 LHO
Drucksache 16/2060

In Verbindung mit:

Jahresbericht 2013 des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen über das Ergebnis der Prüfungen im Geschäftsjahr 2012

Unterrichtung
durch den Landesrechnungshof
Drucksache 16/3510

Eine Debatte ist heute nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der beiden Unterrichtungen an den Ausschuss für Haushaltskontrolle. Niemand dagegen? – Niemand enthält sich? – Dann haben wir so überwiesen.

Tagesordnungspunkt

21       Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Stadt Aachen sowie weiterer 13 Städte und Kreise, die Beibehaltung der Zuständigkeit der Träger der Jugendhilfe verstoße gegen Art. 78 Abs. 3 LV NRW, weil der Landesgesetzgeber nicht gleichzeitig eine Regelung zum Ausgleich der durch das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 29. Juni 2011 (BGBI. I S. 1306) hervorgerufenen Mehrbelastungen erlassen habe

VerfGH 11/13
Vorlage 16/1044

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/4007

Eine Debatte ist hier ebenfalls nicht vorgesehen, sodass wir auch hier sofort zur Abstimmung über die Empfehlung des Rechtsausschusses kommen.

Der Rechtsausschuss empfiehlt uns, in dem Verfahren keine Stellungnahme abzugeben. Möchte jemand dieser Empfehlung widersprechen? – Möchte sich jemand enthalten? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist diese Beschlussempfehlung Drucksache 16/4007 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

22       Normenkontrollverfahren zu §§ 6 bis 11, 12 Abs. 1 bis 4 und 6 S. 1 Maßstäbegesetz und § 6 Abs. 2 S. 2 2. Halbs., § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 3, § 9 Abs. 2 und 3, § 10, § 11 Abs. 2 und 4 Finanzausgleichsgesetz

2 BvF 1/13
Vorlage 16/1079

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/4008

Eine Debatte ist hier ebenfalls nicht vorgesehen, sodass ich über die Empfehlung des Rechtsausschusses abstimmen lasse, auch in diesem Verfahren keine Stellungnahme abzugeben. Ist jemand dagegen? – Möchte sich jemand enthalten? – Das ist beides nicht der Fall. Dann haben wir einstimmig die Beschlussempfehlung Drucksache 16/4008 angenommen und damit entschieden, in dem Verfahren keine Stellungnahme abzugeben.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

23       In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 11
gemäß § 79 Abs. 2 GeschO
Drucksache 16/4034

Die Übersicht 11 enthält vier Anträge, die vom Plenum nach § 79 Abs. 2 Buchstabe c an die Ausschüsse zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden, sowie einen Entschließungsantrag. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun abstimmen über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den Ausschüssen entsprechend der Übersicht 11. Möchte jemand dagegen stimmen? – Nein. Möchte sich jemand enthalten? – Ebenfalls nicht. Dann haben wir das einstimmig positiv beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

24       Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/13

Mit dieser Übersicht liegen Ihnen Beschlüsse zu Petitionen vor. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ist jemand mit den Beschlüssen nicht einverstanden? – Das ist ebenfalls nicht der Fall. Dann stelle ich gemäß § 91 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass diese Beschlüsse zu Petitionen in der Übersicht 16/13 bestätigt sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende unserer heutigen Sitzung. Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den


26. September, 10 Uhr. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend bzw. ein angenehmes Verweilen bei den Parlamentarischen Abenden, die stattfinden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 20:50 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 96 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage 1

Zu TOP 13 – „Gesetz zur Aufhebung der gesetzlichen Befristung des Landespressegesetzes NRW“ – zu Protokoll gegebene Rede

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien:

Das Landespressegesetz ist zum 31.12.2013 befristet. Mit Ablauf dieses Tages entfällt es demnach, wenn die Entfristung nicht aufgehoben wird.

Die Regelungen des Landespressegesetzes NRW sind nach wie vor erforderlich. Sowohl die Normen zum Schutz der Presse- und Informationsfreiheit als auch die Normen zu den an die Presse und ihre Beschäftigten zu stellenden Anforderungen sind unentbehrlich. Ich denke, da sind wir alle einer Meinung, die wir eine unabhängige und funktionsfähige Presse zu schätzen wissen.

Inhaltliche Änderungen des Gesetzes wird die Landesregierung nach Abschluss der Novellierung des Landesmediengesetzes und des WDR-Gesetzes angehen. Dabei wird es unter anderem darum gehen, den unabhängigen Pressevertrieb in unserem Land abzusichern. Auch wird die Landesregierung dann auch die Vorgaben des Koalitionsvertrages zu mehr Transparenz bei den Medienhäusern umsetzen.

Wie Sie wissen, hat die Landesregierung der Novellierung des Landesmediengesetzes Priorität eingeräumt, da wir dort mehr Handlungsbedarf sehen. Danach wollen wir das WDR-Gesetz novellieren. Wir werden aber die Entwicklungen im Bereich der Presse und des Pressevertriebs weiter im Auge halten. Dass wir zunächst das Landespressegesetz nur entfristen wollen, bedeutet also nicht, dass wir auf die Prüfung und Evaluierung dieses wichtigen Gesetzes verzichten wollen.


Anlage 2

Zu TOP 14 – „Gesetz zur Errichtung einer Stiftung ‚Deutsche Zentralbibliothek Medizin‘“ – zu Protokoll gegebene Rede

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung:

Die Landesregierung hat im Februar dieses Jahres beschlossen, die Landeseinrichtung ZB MED in eine Stiftung öffentlichen Rechts umzuwandeln. Entsprechende Voten des Senats der Leibniz-Gesellschaft und der GWK gingen dem voraus. Die Beteiligten an der ZB MED, an den Hochschulen und die Beschäftigten sind informiert.

Der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin ist ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Infrastruktur des Landes NRW. Mit der Umwandlung von einer Landeseinrichtung in eine rechtlich selbstständige Einrichtung zum 01.01.2014 wird die ZB MED dem Wissenschaftsstandort NRW als Teil der Leibniz-Gesellschaft erhalten bleiben.

Die ZB MED verfügt über einzigartige Bestände und ist Dienstleister für universitäre Bibliotheken. Sie ist deshalb ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur in Deutschland. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft wird sie gemeinsam von Bund und Ländern finanziert.

Die Verselbstständigung ist nötig, damit die Einrichtung in der Leibniz-Gemeinschaft bleiben und die gemeinsame Finanzierung durch den Bund und die Länder gesichert werden kann. Die ZB MED erhält im Gegenzug die notwendige Autonomie und Gestaltungsfreiheit für ihre Weiterentwicklung.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf folgen wir der Empfehlung der Leibniz-Gesellschaft. Sie werden sich erinnern: Für das Museum Koenig in Bonn – ebenfalls eine Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft – haben wir diesen Schritt bereits zum 1. Januar 2013 vollzogen. Mit der ZB MED haben dann alle nordrhein-westfälischen Leibniz-Einrichtungen eine unabhängige Rechtsform, so wie es üblich ist.

Dabei orientieren wir uns an dem im vergangenen Jahr einstimmig verabschiedeten Gesetzentwurf zur Verselbstständigung des Museums Koenig. Dabei ist wichtig: Auch bei der Errichtung der Stiftung „Deutsche Zentralbibliothek für Medizin“ ist die größtmögliche Besitzstandswahrung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesichert.

Sehr geehrte Damen und Herren, unser Ziel ist es, die ZB MED als bundesweit einzigartige wissenschaftliche Infrastruktureinrichtung in der Leibniz-Familie zu stärken:

Die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin ist die zentrale Bibliothek und Informationseinrichtung für die Fächer Medizin, Gesundheitswesen, Ernährungs-, Umwelt- und Agrarwissenschaften für die gesamte Bundesrepublik. Damit ist sie auch ein herausragender Baustein unserer nordrhein-westfälischen Wissenschaftslandschaft.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf tragen wir dazu bei, dass das auch zukünftig so bleibt.


Anlage 3

Zu TOP 15 – „Gesetz zu dem Vierten Änderungsvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Nordrhein – Körperschaft des öffentlichen Rechts –, dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe – Körperschaft des öffentliches Rechts – und der Synagogen-Gemeinde Köln – Körperschaft des öffentlichen Rechts“ – zu Protokoll gegebene Rede

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin:

Ihnen liegt der Vierte Änderungsvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den jüdischen Landesverbänden in Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie der Synagogen-Gemeinde Köln vor. Dieser Änderungsvertrag ist von großer Bedeutung. Er passt den Vertrag des Landes mit den jüdischen Gemeinden, der 1992 geschlossen wurde, an aktuelle Entwicklungen an.

Rund 28.000 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger leben bei uns in Nordrhein-Westfalen. Wir sind damit das Land mit der größten jüdischen Gemeinde in der Bundesrepublik. Und ich bin sehr froh darüber, dass Nordrhein-Westfalen heute selbstverständliche Heimat für viele Menschen jüdischen Glaubens ist und ihnen hier ein aktives und sicheres Gemeindeleben möglich ist.

Unser Land und die Landesregierung nehmen seit jeher ihre besondere geschichtliche Verantwortung für das jüdische Leben in Deutschland sehr ernst. Deshalb ist der Änderungsvertrag so wichtig. Die Landesregierung verpflichtet sich in diesem Vertrag, die jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen.

Mit dem Änderungsvertrag kommen wir einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2009 nach: Die Gemeinden, die bisher keine Vertragspartner sind, erhalten die Landesmittel nicht mehr über die Jüdischen Landesverbände, sondern direkt vom Land. Damit ist der neue Vertrag in diesem Punkt nun verfassungskonform. Betroffen sind davon die liberalen jüdischen Gemeinden, die sich nicht den drei Landesverbänden angeschlossen haben, die unsere Vertragspartner sind. Die liberalen Gemeinden erhalten zudem künftig 1 % der Landesleistungen.

Zudem wurde der Schlüssel zur Aufteilung der Landesleistungen auf die drei jüdischen Vertragspartner an aktuelle Mitgliederentwicklungen angepasst.

Die Verhandlungen über den Änderungsvertrag waren nicht einfach. Es ist ein großer Erfolg, dass letztlich über alle Punkte eine einvernehmliche Einigung zwischen den Vertragspartnern erzielt werden konnte.

Das Land wird – ungeachtet der erheblichen Sparzwänge, vor denen wir stehen – weiterhin jährlich etwa 8 Millionen € für die jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stellen.

Außerdem wurden die Fördermöglichkeiten im Sicherheitsbereich ausgeweitet. Künftig erhalten die jüdischen Gemeinden bis zu 2 Millionen € jährlich für Sicherheitsmaßnahmen, die mit Wartungsarbeiten und der Ersatzbeschaffung bei Sicherheitstechnik im Zusammenhang stehen. Denn die jüdischen Gemeinden haben ein besonderes Sicherheitsbedürfnis, und das erkennen wir als Landesregierung an. Die 2 Millionen € müssen nicht neu in den Haushalt eingestellt werden. Es handelt ich hier um Mittel, die schon im Haushalt für Sicherheitsmaßnahmen bereitstehen, die in den vergangenen Jahren aber nur für die Erstbeschaffung verwendet und daher nie gänzlich verausgabt wurden.

Der Änderungsvertrag wurde am 17. Juli in einer Feierstunde in der Staatskanzlei von allen Vertragspartnern unterzeichnet.

Ich glaube, dass wir mit dem Änderungsvertrag eine solide Basis des Miteinanders geschaffen haben – eine Basis, die den Dialog zwischen dem Land und den jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen stärkt und die Tradition fortschreibt, in der unser Land parteiübergreifend seit Jahrzehnten steht.  


Anlage 4

Zu TOP 16 – „Gesetz zur Änderung des Landesreisekostengesetzes und des Landesumzugskostengesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister:

Die Änderung des Landesreisekostengesetzes ist Folge einer Änderung des Einkommensteuergesetzes durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts, die am 01.01.2014 in Kraft treten wird. Bislang verweisen wir bei den reisekostenrechtlichen Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwand auf das Steuerrecht. Bei einer Dienstreise zahlen wir unseren Bediensteten derzeit daher ab 8 Stunden Abwesenheit 6 €, ab 14 Stunden Abwesenheit 12 € und ab 24 Stunden Abwesenheit 24 €.

Auch künftig sollen steuerliche und landesreisekostenrechtliche Vorschriften aus Gründen der Verwaltungsökonomie weitgehend deckungsgleich bleiben. Wir bleiben daher im System.

Allerdings werden wir ab 2014 das erhöhte Tagegeld von 12 € nicht bereits – wie dann steuerrechtlich vorgesehen – ab 8 Stunden, sondern erst ab 11 Stunden Abwesenheit zahlen. Die Verdoppelung des Tagesgeldsatzes für Abwesenheiten von 8 bis 11 Stunden würde zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der Beschäftigten im Außendienst gegenüber dem Innendienst führen. Denn eine Arbeitszeit von mehr als 8 Stunden ist im öffentlichen Dienst die Regel, und ein in den letzten Jahren gestiegener Mehrbedarf für den Außendienst ist nicht erkennbar.

Hintergrund der steuerlichen Änderung waren Steuervereinfachungsgründe. Eine vollständige Übernahme der steuerlichen Regelung würde dem reisekostenrechtlichen Grundsatz widersprechen, dass dem Bediensteten nur die aus der dienstlichen Veranlassung entstandenen notwendigen Mehrauslagen zu erstatten sind. Daher soll es bei dem bisherigen Tagegeld von 6 € verbleiben.

Abgesehen davon, dass eine vollständige Übernahme der steuerlichen Regelungen im Hinblick auf das Mehrbedarfserstattungsprinzip nicht gerechtfertigt ist, würde eine vollständige Anpassung an das Steuerrecht zudem zu Mehrausgaben im Landeshaushalt von bis zu 10 Millionen € führen.

Des Weiteren werden mit dem Gesetzentwurf die bisherigen Befristungen für das Landesreisekostengesetz und das Landesumzugskostengesetz aufgehoben. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Gesetze als Ausgestaltung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn notwendige Rechtsvorschriften sind.


Anlage 5

Zu TOP 17 – „Gesetz zur Weiterentwicklung der politischen Partizipation in den Gemeinden und zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

„Integration ist ein forderndes Wort“, hat der bekannte Journalist und Autor Heribert Prantl mal gesagt.

Sie fordert Toleranz, und zwar von zwei Seiten: vom Kreis derer, in die Integration erfolgen soll, aber auch von denen, die sich integrieren.

Das hört sich einfach an, fast wie ein gegenseitiges „Ich will!“ vor dem Traualtar.

Und dieser Vergleich ist vielleicht passender, als es auf den ersten Blick scheint.

Denn gegenseitige Toleranz im Alltag kommt erstens nicht von selbst, und zweitens kann Toleranz auch falsch verstanden werden.

Das führt, bezogen auf die Integration von Migranten, zu Problemen im täglichen Leben – was nicht heißt, dass diese Probleme nicht gelöst werden können.

Um diese Probleme vor Ort zu lösen, aber auch, um den vielen Migrantinnen und Migranten eine starke Stimme zu verleihen, gibt es seit 1994 hier in NRW ein gewähltes Gremium.

Eingeführt wurde es als „Ausländerbeirat“, damals noch von Johannes Rau.

Heute, 19 Jahre später, sind die Integrationsräte und -ausschüsse aus unseren Kommunen nicht mehr wegzudenken.

Im Großteil der Gemeinden funktioniert die Verzahnung von Rat und Integrationsrat sehr gut.

Aber es gibt immer noch Orte, in denen das Verhältnis noch nicht so gut ist, wie wir es uns wünschen. Das haben wir in Gesprächen mit dem Landesintegrationsrat festgestellt.

Das wollen wir ändern. Mit diesem Gesetz geben wir den Integrationsräten nicht nur eine starke, sondern auch eine einheitliche Stimme.

Im Gegensatz zu den Integrationsausschüssen sind die Räte das Modell, das sich klar durchgesetzt hat – weil es so strukturiert ist, dass die Interessen der Migrantinnen und Migranten mehr Gehör finden.

Das ist aber noch nicht alles. Mit diesem Gesetz werten wir auch die Wahlen zu den Integrationsräten deutlich auf. Denn sie sollen zukünftig am Tag der Kommunalwahl stattfinden.

Davon erhoffen wir uns eine höhere Wahlbeteiligung, aber vor allem auch eine größere Signalwirkung.

Auch den Kreis der aktiv Wahlberechtigten wollen wir größer ziehen.

Zum Beispiel sollen Deutsche, die weitere Staatsangehörigkeiten besitzen, wahlberechtigt sein. Genauso wie eingebürgerte Deutsche oder deutsche Kinder ausländischer Eltern.

Meine Damen und Herren, ein Gesetz kann logischerweise nicht für Integration sorgen. Das können nur die Menschen vor Ort.

Aber dieses Gesetz erleichtert die Arbeit dieser Menschen, und aus diesem Grund ist es ein wichtiges Gesetz.    


Anlage 6

Zu TOP 18 – „Gesetz zur Neuordnung im Bereich der Schul- und Studienfonds“ – zu Protokoll gegebene Rede

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen vier von sechs Schul- und Studienfonds in Nordrhein-Westfalen aufgelöst werden. Es handelt sich um den Bergischen Schulfonds, den Gymnasialfonds Münstereifel, den Münster’scher Studienfonds und den Beckum-Ahlen’schen Klosterfonds.

Eine Auflösung des Haus Büren’schen Fonds sowie des Paderborner Studienfonds kommt derzeit nicht in Betracht, da noch grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit Belastungen aus dem Grundvermögen zu lösen sind.

Ursprünglich dienten die Schul- und Studienfonds der Finanzierung des Schulwesens sowie der Ausbildung katholischer Geistlicher. Heute ist das Bildungswesen ganz überwiegend eine staatliche Aufgabe, die aus den öffentlichen Haushalten finanziert wird.

Deswegen und weil die Verwaltung aufgrund der bisherigen Vermögensstruktur unwirtschaftlich ist, sollen die Schul- und Studienfonds aufgelöst und die bisher geltenden Zweckbestimmungen im Einvernehmen mit der Katholischen Kirche aufgehoben werden. Die Auflösung ist in Art. 1 beschrieben.

Das Einvernehmen mit der Katholischen Kirche wird in zwei Vereinbarungen hergestellt, die dem Gesetz als Anlage beiliegen. Es ist vorgesehen, 60 % der Fondsvermögen in den allgemeinen Landeshaushalt zu übernehmen und 40 % dem kirchlichen Bereich zuzuordnen. Die Vereinbarungen bedürfen der Bestätigung durch das Landesgesetz in Art. 2.

Das Bistum Münster und das Erzbistum Köln werden insgesamt drei gemeinnützige Rechtsträger errichten, um mit den zugeordneten Vermögensteilen das katholische Bildungswesen zu fördern. Zwei der Rechtsträger sind Stiftungen. Mit dem Gesetzesartikel 3 wird dem dritten die Rechtsstellung einer Anstalt des öffentlichen Rechts verliehen. Die drei Satzungen liegen dem Gesetz ebenfalls bei.   


Anlage 7

Zu TOP 19 – „Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Bereich der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz“ – zu Protokoll gegebene Rede

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz:

Mit dem Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Bereich der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz schlägt die Landesregierung dem Landtag die Entfristung von zwei Gesetzen und zwei Rechtsverordnungen vor.

Im Einzelnen enthält das Artikelgesetz Regelungen zu den folgenden Gesetzen und Rechtsverordnungen:

·   Gesetz über die Errichtung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

·   Gesetz über eine Umlage der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

·   Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Errichtung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LK-Wahlordnung)

·   Verordnung über die Bestimmung der Sitze und Bezirke der Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer der Kreisstellen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragte im Kreise.

Die Landwirtschaftskammer hat die Aufgabe, die Landwirtschaft und die in ihr Berufstätigen zu fördern und zu betreuen und im Rahmen ihrer Aufgaben den ländlichen Raum zu stärken. Sie ist eine Selbstverwaltungskörperschaft der Landwirtschaft. Gleichzeitig nimmt sie Aufgaben der staatlichen Agrarverwaltung wahr und ist als solche Landesoberbehörde im Geschäftsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Die Geschäftsführungen der Kreisstellen der Landwirtschaftskammer als Landesbeauftragte im Kreise sind untere Landesbehörden.

Im Rahmen der Fusion der Landwirtschaftskammern zum 1. Januar 2004 als Rechtsnachfolgerin der bis dahin selbstständigen Landwirtschaftskammern Rheinland und Westfalen-Lippe wurden alle die Landwirtschaftskammer betreffenden Gesetze und Verordnungen geändert.

Im Jahre 2008 wurden die genannten Normen mit positivem Ergebnis evaluiert und – wie zum damaligen Zeitpunkt üblich – für weitere fünf Jahre befristet. Die Vorschriften treten nun mit Ablauf des 31.12.2013 außer Kraft. Diese haben sich in ihrer Geltungszeit bewährt und sollen deshalb entfristet werden.

Die Gesetze zur Landwirtschaftskammer und die dazugehörigen Rechtsverordnungen sind erforderlich, um die Existenz der Landwirtschaftskammer, die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung und die Finanzierung über eine Umlage sicherzustellen.

Die Gesetze und Rechtsverordnungen sind Stammgesetze und Stammrechtsverordnungen.

Die Landesregierung hat den Befristungsmaßstab für solche Gesetze und Rechtsverordnungen modifiziert. Bei Stammgesetzen handelt es sich um Normen, die erforderlich sind, um die ordnungsgemäße Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben durch den zuständigen Verwaltungsträger in der gewählten Organisationsform, das heißt in mittelbarer oder unmittelbarer Staatsverwaltung, zu gewährleisten und sicherzustellen. Die beständige Regelung der Rechtsmaterie ist für immerwährende Aufgabenbereiche zwingend notwendig.

Der Landwirtschaftskammer wurde im Rahmen der Anhörung die Möglichkeit gegeben, sich zu dem Gesetzentwurf zu äußern. Dies fiel positiv aus und steht daher einer Entfristung nicht im Wege.