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Landtag

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Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/135

16. Wahlperiode

27.01.2017

 

135. Sitzung

Düsseldorf, Freitag, 27. Januar 2017

Mitteilungen der Präsidentin. 14137

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 14137

Ansprache der Präsidentin zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. 14137

1   Schulen ohne Anschluss – Wie will die Landesregierung die dramatische Unterversorgung der Schulen in Nordrhein-Westfalen bei Breitbandanschlüssen beenden?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/14069. 14138

Klaus Kaiser (CDU) 14138

Eva Voigt-Küppers (SPD) 14140

Yvonne Gebauer (FDP) 14141

Matthi Bolte (GRÜNE) 14142

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 14144

Minister Garrelt Duin. 14145

Petra Vogt (CDU) 14147

Michael Hübner (SPD) 14148

Karin Schmitt-Promny (GRÜNE) 14150

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 14151

Klaus Kaiser (CDU) 14152

Michael Hübner (SPD) 14152

Minister Garrelt Duin. 14153

2   Landesregierung muss endlich entschlossen gegen die Ausbreitung von „No-Go-Areas“ und kriminellen Familienclans in Nordrhein-Westfalen vorgehen!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/14015. 14154

Gregor Golland (CDU) 14154

Andreas Kossiski (SPD) 14155

Monika Düker (GRÜNE) 14157

Marc Lürbke (FDP) 14158

Dirk Schatz (PIRATEN) 14159

Minister Ralf Jäger 14160

Ergebnis. 14161

3   Landesregierung muss Digitale Modellstadt nach Nordrhein-Westfalen holen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/14010 – Neudruck

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/14081

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/14094. 14161

Marcel Hafke (FDP) 14161

Robert Stein (CDU) 14163

Alexander Vogt (SPD) 14163

Matthi Bolte (GRÜNE) 14164

Oliver Bayer (PIRATEN) 14165

Minister Garrelt Duin. 14166

Ergebnis. 14167

4   Vielfalt im Sport stärken – EuroGames in NRW unterstützen

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13996 – Neudruck. 14167

Markus Herbert Weske (SPD) 14167

Josefine Paul (GRÜNE) 14168

Dr. Björn Kerbein (FDP) 14169

Lukas Lamla (PIRATEN) 14170

Regina van Dinther (CDU) 14170

Ministerin Christina Kampmann. 14170

Ergebnis. 14171

5   Halbjahresbericht des Petitionsausschusses. 14171

Inge Howe (SPD) 14171

6   Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/14017

erste Lesung. 14176

Rainer Deppe (CDU) 14176

Frank Börner (SPD) 14177

Norwich Rüße (GRÜNE) 14178

Karlheinz Busen (FDP) 14180

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 14181

Minister Johannes Remmel 14182

Ergebnis. 14183

7   Trauerspiel um die JVA Münster beenden: Überfälligen Neubau endlich realisieren, denkmalgeschützten Altbau erhalten!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/12832

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/14041. 14183

Thomas Marquardt (SPD) 14183

Jens Kamieth (CDU) 14184

Dagmar Hanses (GRÜNE) 14185

Dirk Wedel (FDP) 14186

Nicolaus Kern (PIRATEN) 14187

Minister Thomas Kutschaty. 14188

Ergebnis. 14189

8   Das Land NRW muss die Freigabe von Cannabis in lizenzierten kommunalen Abgabestellen unterstützen!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/14003

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/14099. 14189

Lukas Lamla (PIRATEN) 14189

Michael Scheffler (SPD) 14190

Walter Kern (CDU) 14192

Arif Ünal (GRÜNE) 14192

Susanne Schneider (FDP) 14194

Minister Thomas Kutschaty. 14195

Lukas Lamla (PIRATEN) 14196

Ergebnis. 14197

Namentliche Abstimmung
siehe Anlage

9   Einführung einer bedarfsgerechten Befeuerung von Windkraftanlagen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/12830

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Wirtschaft, Energie, Industrie,
Mittelstand und Handwerk
Drucksache 16/14043. 14198

Inge Blask (SPD) 14198

Josef Hovenjürgen (CDU) 14199

Wibke Brems (GRÜNE) 14199

Dietmar Brockes (FDP) 14200

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 14200

Minister Johannes Remmel 14200

Ergebnis. 14201

10 Gesetz zum Erlass eines Landesbibliotheksgesetzes und zur Änderung weiterer Rechtsvorschriften

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/11436

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kultur und Medien
Drucksache 16/14044

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/14111

zweite Lesung. 14201

Karl Schultheis (SPD) 14201

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 14202

Oliver Keymis (GRÜNE) 14203

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke
Rüge des Abgeordneten Lukas Lamla (PIRATEN) 14203

Thomas Nückel (FDP) 14204

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 14204

Ministerin Christina Kampmann. 14205

Ergebnis. 14206

Anlage  14207

Namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PIRATEN – Drucksache 16/14003 – TOP 8 (Das Land NRW muss die Freigabe von Cannabis in lizenzierten kommunalen Abgabestellen unterstützen!)

Entschuldigt waren:

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Ministerin Sylvia Löhrmann

Ministerin Svenja Schulze

Ministerin Barbara Steffens      
(ab 11:30 Uhr)

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans      
(bis 11:30 Uhr)

Andreas Bialas (SPD)

Brigitte Dmoch-Schweren (SPD)

Ernst-Wilhelm Rahe (SPD)       
(ab 14:15 Uhr)

Ina Spanier-Oppermann (SPD) 
(ab 14 Uhr)

André Stinka (SPD)

Tanja Wagener (SPD)

Dr. Stefan Berger (CDU)

Peter Biesenbach (CDU)

Ilka von Boeselager (CDU)

Wilfried Grunendahl (CDU)

Werner Jostmeier (CDU)

Kirstin Korte (CDU)

Theo Kruse (CDU)

Werner Lohn (CDU)

Claudia Middendorf (CDU)       
(ab 14 Uhr)

Andrea Milz (CDU)

Holger Müller (CDU)

Ralf Nettelstroth (CDU)

Friedhelm Ortgies (CDU)

Ina Scharrenbach (CDU)          
(ab 14:30 Uhr)

Bernhard Schemmer (CDU)

Hendrik Schmitz (CDU)

Rolf Seel (CDU)           
(ab 14 Uhr)

Michael-Ezzo Solf (CDU)          
(ab 13:30 Uhr)

Axel Wirtz (CDU)         
(ab 12 Uhr)

Verena Schäffer (GRÜNE)       
(ab 14 Uhr)

Ulrich Alda (FDP)

Holger Ellerbrock (FDP)

Angela Freimuth (FDP)
(ab 14 Uhr)

Christian Lindner (FDP)
(ab 14 Uhr)

Marc Lürbke (FDP)      
(ab 13 Uhr)

Ingola Schmitz (FDP)

Simone Brand (PIRATEN)

Frank Herrmann (PIRATEN)

Monika Pieper (PIRATEN)

Birgit Rydlewski (PIRATEN)      

Daniel Schwerd (fraktionslos)

 

 

Beginn: 10:02 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 135. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 24 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

(Präsidentin Carina Gödecke begibt sich zum Redepult.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als am 27. Januar 1945 sowjetische Truppen das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau erreichten, fanden sie nur noch wenige Überlebende, doch Millionen von Habseligkeiten als Spuren der Opfer. Zehntausende waren kurz zuvor – krank und ausgehungert – von der SS auf den Marsch in den Tod getrieben worden.

Aber das Leiden der Menschen war auch nach der Befreiung nicht beendet. Viele starben an Entkräftung. Die, die überlebten, waren schwer traumatisiert – ohne Familie, ohne Heimat.

Wir hatten das Gefühl – so beschrieb es die ehemalige Präsidentin des Europaparlaments Simone Veil als Überlebende von Auschwitz –, jede Menschlichkeit und jeden Lebensmut verloren zu haben. Wir waren allein, und dies umso mehr, als keiner wissen und hören wollte, was wir erlebt hatten.

Heute, am 27. Januar im Jahr 2017, gedenken wir der Opfer des Nationalsozialismus – aller Opfer des Nationalsozialismus: 6 Millionen Juden, engagierte Christen, Sinti und Roma, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, Gewerkschafter, politisch Andersdenkende. Wir gedenken auch der Opfer der Militärgerichte, wie die aktuelle Ausstellung in der Wandelhalle unseres Landtags eindrucksvoll zeigt.

War die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts die Zeit der Aufarbeitung, der Scham und der Anerkennung einer Schuld, aus der Verantwortung gewachsen ist, so wird unser 21. Jahrhundert die Zeit des Bewahrens und Erinnerns werden. Erinnerung lebt am stärksten von der Unmittelbarkeit des Erlebten, also durch die Erzählungen der Zeitzeugen, deren Zahl aber immer kleiner wird.

Der im letzten Jahr verstorbene Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, selbst Überlebender von Buchenwald und Vorbild im Kampf gegen Gewalt, Unterdrückung und Rassismus, war bis zuletzt zuversichtlich und beschrieb in seiner Gedenkrede zum 27. Januar im Deutschen Bundestag den richtigen Weg des Erinnerns für die Zukunft: Wer einem Zeugen zuhört, wird selber Zeuge.

Wir sind dabei, eine Generation von Zeugen, von Zeugen, von Zeugen zu bilden. So werden die Geschehnisse auch an junge Menschen weitergereicht, wie auch wir es hier im Landtag Nordrhein-Westfalen sehr häufig im Rahmen von Ausstellungen und Workshops mit Schülergruppen praktizieren.

Damit nehmen wir die Verantwortung wahr, die der kürzlich verstorbene Altbundespräsident Roman Herzog in seiner Ansprache zum ersten Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus 1996 beschrieben hat.

Er sagte, dass es darum gehe, aus der Erinnerung immer wieder lebendige Zukunft werden zu lassen. Und er fährt fort: „Wir wollen nicht unser Entsetzen konservieren. Wir wollen Lehren ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung sind.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie und Freiheit brauchen daher Erinnerung. Unsere heutige weiterentwickelte Erinnerungskultur ist genau deshalb wertvoll und unverzichtbar, gerade bei uns in Nordrhein-Westfalen, und sie bedarf ganz im Gegensatz zu dem, was in der letzten Woche in dieser unsäglichen Rede in Dresden behauptet wurde und Gott sei Dank zu großen öffentlichen Protesten geführt hat, keinesfalls einer grundlegenden Korrektur oder gar einer 180-Grad-Wende.

(Anhaltender allgemeiner Beifall)

Wer das fordert, hat etwas völlig anderes im Sinn.

Demokratie und Freiheit brauchen darüber hinaus Engagement, Zivilcourage, Haltung und Mut. Gerade in der heutigen Zeit brauchen wir das lautstarke, mutige, unüberhörbare „Nie wieder!“, damit Fremdenhass und Intoleranz keinen Platz bekommen. Das gilt heute und an allen anderen 364 Tagen des Jahres. Und unser „Nie wieder!“ ist heute wie morgen vielstimmig und unüberhörbar.

(Anhaltender allgemeiner Beifall)

Alles, was das Böse benötigt, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit, so fasste Kofi Annan das klägliche Versagen der deutschen Gesellschaft zusammen.

Wir aber werden nicht schweigen. Auch deshalb gedenken wir heute der Opfer. Wir halten die Erinnerung wach. Ich sage ganz bewusst, „we remember“, um an die eindrucksvolle Bekenntnisaktion des Jüdischen Weltkongresses anzuknüpfen.

Wir alle stellen uns unserer Vergangenheit, weil wir die Verantwortung für unsere Gegenwart und unsere Zukunft tragen. Und wir wissen um unsere Verantwortung. – Vielen Dank.

(Langanhaltender allgemeiner Beifall)

Der Übergang ist immer etwas schwierig. Nichtsdestotrotz treten wir jetzt, weil wir unsere Verantwortung kennen, in die Bearbeitung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1  Schulen ohne Anschluss – Wie will die Landesregierung die dramatische Unterversorgung der Schulen in Nordrhein-Westfalen bei Breitbandanschlüssen beenden?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/14069

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 23. Januar dieses Jahres gem. § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer Aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der CDU erhält Herr Kollege Kaiser jetzt das Wort.

Klaus Kaiser (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schulen ohne Anschluss – das ist das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde, und es ist sehr richtig. Denn der Bericht der „Rheinischen Post“ bezieht sich auf eine Veranstaltung, die Erschreckendes zutage gefördert hat: Nicht einmal jede fünfte Schule in Nordrhein-Westfalen verfügt über schnelles Internet.

Das ist eine desaströse Zahl, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich diese Landesregierung das Thema „Digitalisierung“ auf die Fahne geschrieben hat. Aber offensichtlich bleiben die Taten weit hinter den Ankündigungen zurück.

Das Programm „Gute Schule 2020“, das sicherlich gleich als Lösung vorgeschlagen wird, wird auf Dauer nicht oder nur unzureichend helfen. Denn was ist das Problem? Im Merkblatt NRW.BANK. Gute Schule 2020 steht in Frage 18 Folgendes – ich zitiere:

„Wie bzw. ab welcher Grenze wird der Breitbandzugang für Schulen gefördert?“

Dazu die folgende Antwort im Merkblatt – ich zitiere erneut –:

„Ausgaben für den Breitbandzugang können von der Grundstücksgrenze zum Gebäude und für die Vernetzung innerhalb der Schule gefördert werden.“

Wenn wir uns fragen, wo unsere Schulen liegen, kommen wir zu dem Schluss, dass die Schulen eben nicht in den Zentren sind, wo ohnehin im urbanen Bereich bereits eine Verkabelung vorhanden ist, sondern häufig haben sie keine zentrale Lage. Im ländlichen Raum haben wir die Situation, dass in einigen Ortsteilen überhaupt kein Breitband liegt, sodass sie nicht angeschlossen werden können.

Deshalb ist es wichtig, dass innerhalb des Grundstückes gefördert wird. Das Dilemma dieser Förderung ist aber, dass der Weg zum Glasfaserkabel, um die schnelle Verbindung anschließen zu können, nicht gefördert wird, was Problematiken hervorruft, dass man dem nicht folgen kann.

Wenn kein Breitbandzugang vorhanden ist, wird der ländliche Bereich wieder abgehängt. Damit ist man insbesondere in Kommunen unterwegs, in denen kein Anschluss vor der Grundstücksgrenze liegt. Das ist ungefähr so, als kaufe man sich ein Elektroauto, aber man hat keinen Zugang zur Elektrotankstelle. Dann geht gar nichts trotz neuester Technik.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Hier wird wieder deutlich, dass die Förderszenarien des Landes zu kurz springen und wir keine wirkliche Hilfestellung für die Schulträger haben.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Unglaublich!)

Es wird deutlich, dass das Programm „Gute Schule 2020“ als Wahlkampfszenario geplant war und nicht als nachhaltige Strategie zur Verbesserung der Qualität der Bildung in unserem Land.

(Beifall von der CDU – Michael Hübner [SPD]: Können Sie mir eine Kommune nennen, wo das der Fall sein soll?)

Denn nur der Zugang aller Schülerinnen und Schüler zum schnellen Internet und die Möglichkeit, dass notfalls mehrere hundert Schüler zeitgleich auf das Internet zugreifen können, schaffen die Infrastruktur, mit der die Digitalisierung in der Schule zum selbstverständlichen Alltag in allen Fächern und in allen Klassen wird.

Diese Anstrengungen, die es im Moment gibt, laufen ins Leere. Da muss eine neue Priorität gesetzt werden. Es ist auch eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, für die die Sozialdemokratie in den letzten Tagen wieder besonders viel Interesse wecken will. Es kann nicht sein, dass Kommunen, die in Haushaltssicherung oder im Stärkungspakt sind, die Mittel nicht haben, um die Kosten für den Anschluss an das Breitband selbst zu tragen. Das ist das Problem.

(Michael Hübner [SPD]: Nennen Sie doch eine Kommune! – Weitere Zurufe von der SPD: Beispiele! – Nennen Sie ein Beispiel!)

– Wir brauchen im Moment gar nicht herumzufragen.

(Michael Hübner [SPD]: Ach, wir brauchen keine Beispiele!)

– Herr Hübner, es ist eben das Problem der Sozialdemokratie, dass ihr Antworten wisst, ehe man überhaupt eine Frage gestellt hat.

(Beifall von der CDU – Michael Hübner [SPD]: Nennen Sie doch mal ein Beispiel! Sagen Sie doch mal eins!)

Ich sage Ihnen: Sie haben ja eine Schulträgertagung gemacht.

(Michael Hübner [SPD]: Aha!)

Aufgrund dieser Schulträgertagung sind bei uns E-Mails gelandet, in denen uns die Kommunen das konkret beschrieben haben.

(Michael Hübner [SPD]: Aber welche denn? – Ibrahim Yetim [SPD]: Sagen Sie doch mal eine! – Norbert Meesters [SPD]: Haben die anonym geschrieben?)

Sie sagen: Genau da sind die Punkte.

(Marc Herter [SPD]: Welche Punkte?)

Deshalb ist der Text, wie Sie ihn geschrieben haben …

(Weitere Zurufe)

Bekomme ich die Zeit gutgeschrieben, Frau Präsidentin?

(Weitere Zurufe – Unruhe – Glocke)

Fragen Sie mal Ihren Minister Duin! Der kann Ihnen vielleicht sagen, was er Neues gehört hat.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Wir fragen Sie, Herr Kaiser! – Michael Hübner [SPD]: Sie machen den staatlichen Betrieb kaputt und Ihre Kommunen! Das ist doch peinlich!)

Ihre Antwort kann nicht sein: Wir sind auf einem guten Weg, und wir sind der Meinung, dass die Digitalisierung unbedingt Einzug im Schulalltag halten muss.

Erinnern wir uns an die Initiative „Schulen ans Netz“ von 1996! Da waren 800 von 35.000 Schulen in Deutschland am Netz. Interessant wäre vielleicht, einmal nachzulesen, was damals die Begründung war, dass man ans Netz kam. Wir brauchen jetzt eine ähnliche Gewaltanstrengung, dass wir in den nächsten Jahren alle Schulen ans Netz bekommen.

(Michael Hübner [SPD]: Wer ist denn da angeschlossen?)

Das werden wir durch die Szenarien, wie Sie sie in „Gute Schule 2020“ machen, nicht erreichen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir brauchen wieder eine ähnliche Kraftanstrengung, ein Programm „Schulen ans schnelle Netz“, um dem den nötigen Nachdruck zu verleihen. Denn die Digitalisierung und die digitalen Anforderungen in den Schulen werden in den nächsten Jahren exorbitant zunehmen, sodass unmittelbar und schnell geantwortet werden muss. Eine Versorgungsquote von 20 % ist desaströs.

(Beifall von der CDU)

Wir brauchen schnelles Internet in jedem Klassenraum. Wir brauchen eher 200 MBit/s als 50 MBit/s. Davon sind wir in Nordrhein-Westfalen weit entfernt.

(Beifall von der CDU – Michael Hübner [SPD]: Genau! Das meinen wir auch! Wow! – Ibrahim Yetim [SPD]: Eine Kommune nennen!)

Deshalb brauchen wir folgende Handlungsweisen:

Erstens. Wir müssen das Programm „Gute Schule 2020“ den Realitäten anpassen, Fördermöglichkeiten der Breitbandanbindung auch über die Grundstücksgrenze hinaus. Wenn Sie sagen, das passiere schon, dann schreiben Sie es in die Richtlinie,

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

damit die kommunalen Träger, die Antragsteller, wissen, dass das geht. Bisher ist das nicht der Fall.

(Michael Hübner [SPD]: Welche Kommune weiß das denn, Herr Kaiser? – Sigrid Beer [GRÜNE]: Meine Güte!)

Zweitens. Ich empfehle dringend das Auflegen eines Programms „Schulen ans schnelle Internet“ mit der Erarbeitung einer Strategie und eines Zeitplans,

(Beifall von der CDU)

um allen Schulen in Nordrhein-Westfalen den schnellen Zugang zum Internet mit mindestens 50 MBit/s, besser 200 MBit/s zu ermöglichen.

(Michael Hübner [SPD]: Besser 300! 300 ist besser!)

Drittens. Wir brauchen die Ausweitung der Beratung der Schulen und Schulträger zur Erarbeitung eines Digitalisierungskonzepts in den Schulen. Auch da muss es mehr Nachdruck geben; da muss gehandelt werden.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Klaus Kaiser (CDU): Da ist die Zahl von 20 % Versorgung für diese Landesregierung ein Armutszeugnis. Schönen Dank.

(Beifall von der CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das braucht eine bessere Leistung der CDU! Das wäre besser! – Weitere Zurufe – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Richtig schlechte Rede!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Voigt-Küppers.

Eva Voigt-Küppers (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Kaiser! Sie haben eine Aktuelle Stunde beantragt, die sich mit der Anschlussfähigkeit der Schulen in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Schnell ist alles das, was Sie hier an Erkenntnis zu dem Thema vorgetragen haben, auf keinen Fall, Herr Kaiser.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Aktualität des Themas kann ich in besonderen Maße, ohne das Präsidium kritisieren zu wollen, auch nicht feststellen. Das Einzige, was an diesem Thema für Sie aktuell ist, ist der Zeitungsartikel in der „Rheinischen Post“, der berichtet, dass es einen Zwischenbericht gibt, der feststellt, dass nicht genügend Schulen in Nordrhein-Westfalen am schnellen Netz sind.

Das aber ist eine Erkenntnis, Herr Kaiser, die wir – zumindest in unserer Fraktion – schon seit geraumer Zeit haben. Und seit geraumer Zeit beschäftigen wir uns mit dem Thema.

(Klaus Kaiser [CDU]: Warum macht ihr dann nichts?)

– Herr Kaiser, ich habe den Eindruck, dass Sie einfach nicht feststellen wollen, dass wir etwas machen, weil es Ihnen nämlich gar nicht um die Schulen geht. Es geht Ihnen um skandalisierende Nachrichten,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

die Sie aufgreifen, um das, was wir machen, schlechtzureden.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Dass das eine Strategie ist, die Sie in jedem Punkt hier in Nordrhein-Westfalen fahren, das verheimlichen Sie in keinem Fall. Mindestens einen Plenartagesordnungspunkt haben wir in jeder Plenarwoche, wo Sie feststellen, wie schlecht Nordrhein-Westfalen ist.

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Bürger werden diese Strategie nicht belohnen.

(Lachen von Lutz Lienenkämper [CDU] – Klaus Kaiser [CDU]: Es geht nicht um Wahlkampf, es geht einfach um die Schüler!)

– Herr Kaiser, ich werde Ihnen gleich nachweisen, dass es in der Tat um Wahlkampf geht und um nichts anderes. Denn wenn es Ihnen nicht um Wahlkampf ginge, dann würden Sie hier berichten, dass wir uns seit mindestens zwei Jahren mit dem Thema „Schulen ans Netz“ beschäftigen. Seit zwei Jahren ist dieser Schulausschuss dabei, dieses Thema in allen Facetten zu beleuchten und zu bearbeiten.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Nun zu Ihrem Bericht!

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Dieser Bericht stellt fest, dass es eine Vereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Ministerium für Schule und Weiterbildung, gibt. Genau in dieser Vereinbarung stellen die Kommunen fest – Herr Kaiser, es wäre jetzt sehr wichtig, dass Sie zuhören –, dass wir vor einer Mammutaufgabe stehen, Schulen und Bildungseinrichtungen – es geht übrigens um Bildungseinrichtungen – ans Netz zu bringen.

Diese Mammutaufgabe liegt in der Verantwortung aller Beteiligten. Darin wird auch genau gesagt, wer die Beteiligten sind. Das sind der Bund, die Länder und die Kommunen. Sie wollen hier den Eindruck erwecken, als ob das Land seine Aufgabe nicht erkannt hätte, schlafen und Verantwortung nicht annehmen würde. In Wirklichkeit gibt es eben diese Vereinbarung, in der die Kommunalen sehr deutlich sagen:

Wir haben einen Teil der Verantwortung, und den übernehmen wir auch. Das unterschreiben wir.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden als Schulträger Medienentwicklungspläne machen. Bei diesen Medienentwicklungsplänen wird die Medienberatung NRW den Kommunalen zur Seite stehen und ihrerseits wieder Aufgaben im Hinblick darauf übernehmen, wie wir eine gute digitale Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern hinbekommen können.

Das Land hat ein Leitbild erstellt. Übrigens waren wir das erste Bundesland in der Bundesrepublik, das ein Leitbild hatte. Dieses Leitbild ist in einem langen Prozess mit vielen Beteiligten – zu denen auch Sie gehören sollten – erarbeitet worden. In diesem Leitbild wird festgestellt, dass wir die Schüler – ja, sicherlich – mit Infrastruktur versorgen müssen, dass aber das Land vor allem die Aufgabe hat, die pädagogische Betreuung zu übernehmen.

(Zuruf von Angela Freimuth [FDP])

– Natürlich erkennen wir das auch an. Ich sage: Die Kommunen haben ihren Teil anerkannt, und wir erkennen unseren Teil an.

Um zum Kernpunkt der Sache zu kommen: Neben diesem Vertrag bzw. neben der Medienberatung, für die wir die Stellen übrigens verdoppelt haben, damit die Kommunen gut beraten werden, und dem Medienpass hat sich das Land verpflichtet, einen virtuellen Arbeitsraum für die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung zu stellen: das LOGINEO, das demnächst ans Netz gehen wird.

Das Land hat im Übrigen auch sehr verantwortlich an der KMK-Strategie mitgearbeitet, die aber etwas anderes als Nordrhein-Westfalen festlegt. Nordrhein-Westfalen hat sich verpflichtet, die Schulen bis 2018 ans Netz zu bringen. Die KMK gibt sich mehr Zeit und sagt: Das soll bis 2021 geschehen. Ich glaube, dass die Menschen, die das beraten haben, sehr weitsichtig gewesen sind. Denn es bedarf natürlich einiger Arbeit, das ganze System zu installieren. Aber auch in dieser KMK-Strategie wird festgehalten: 50 Mbit sind das Ziel.

Darüber hinaus – da will ich Ihnen deutlich widersprechen, Herr Kaiser – geht das Land wieder einmal – wie bei den Schulsozialarbeitern – über seinen Verantwortungsbereich hinaus und stellt den Kommunen auch Geld zur Verfügung. Wenn Sie jetzt hingehen und bei „Gute Schule 2020“ das Haar in der Suppe suchen, kann ich hier nur feststellen: Dieses Programm ist Ihnen ein Dorn im Auge, weil die Kommunen feststellen, dass das Land ein zuverlässiger Partner ist!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Klaus Kaiser [CDU]: Das ist nicht das Haar in der Suppe!)

Wenn Sie nach jemandem suchen, der verantwortlich ist, dann sage ich Ihnen eines, Herr Kaiser, dass es im Rheinland einen Spruch gibt: Wenn ich mit einem Finger auf den anderen zeige, zeigen vier auf mich zurück.

Ich möchte einmal Folgendes feststellen: Frau Wanka – sie ist bekanntlich CDU-Bildungsminis­terin – hat gesagt, dass auch der Bund den Teil seiner Verantwortung übernimmt. Sie sagte, sie wolle 5 Milliarden € zur Verfügung stellen, damit die Schulen ein schnelles Netz kriegen. Ich muss Ihnen aber sagen, dass nur Nordrhein-Westfalen Geld zur Verfügung stellt. Frau Wanka macht nichts als leere Versprechungen; denn im Haushalt findet sich dieses Geld nicht wieder.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Also Herr Kaiser, besinnen Sie sich doch auf sachliche Politik und warten Sie den Endbericht ab! Dann bringen wir das in den Schulausschuss, wo wir es ordentlich beraten. Und dann werden wir unsere Hausaufgaben, die wir als Land ordentlich gemacht haben, weiter fortführen. Ich lade Sie herzlich dazu ein, Ihre Ideen dazu beizutragen. Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Voigt-Küppers. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Gebauer.

Yvonne Gebauer (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beste Bildung für alle ist unverzichtbar. Und zu dieser besten Bildung gehört auch der konstruktive Umgang mit den digitalen Medien. Wir alle kennen von Schulbesuchen die Klagen über unzureichende und langsame Netze, was dazu führt, dass Schulen den digitalen Anschluss verpassen.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

– Ja, darüber kann man schon stöhnen. Ich finde es nicht schön, wenn die Schulen im 21. Jahrhundert keinen digitalen Anschluss haben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Eva Voigt-Küppers [SPD]: Machen Sie nicht nur Gemeinplätze, werden Sie doch konkret!)

– Frau Voigt-Küppers, ich habe Sie ausreden lassen, und ich würde mich freuen, wenn Sie das auch bei mir tun würden. – Beste Bildung braucht guten Unterricht. Und zum guten Unterricht in diesem Jahrhundert wird auch der Einsatz von digitalen Medien gebraucht. Und für diesen Einsatz brauchen Schulen leistungsfähige Anschlüsse. Das heißt in der Konsequenz: Breitband braucht Tempo.

Wir haben in der Vergangenheit mehrfach aus der Opposition heraus auf das notwendige Tempo hingewiesen.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Frau Ministerin Löhrmann, die in einer Reaktion auf unseren Antrag zur digitalen Medienbildung, in dem Breitbandanschlüsse auch extra angesprochen worden sind, damals gesagt hat, diese Forderung sei beginnender Vorwahlkampf. Sie hätte gedacht, alle – ich denke, dass sie damit die Fraktionen meinte – wären sich sozusagen einig, dass man hier nur in einem schrittweisen Tempo vorangehen sollte.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Das war eine grobe politische Fehleinschätzung der Bildungsministerin.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben zu diesem Thema im vergangenen Jahr unter anderem zwei Anträge eingebracht. Ich nenne hier jetzt nur die Überschriften.

Eine Überschrift lautete „Landesregierung muss Kommunen beim Breitbandausbau endlich unterstützen“. Beim zweiten war die Überschrift „Mit Glasfaseroffensive digitale Netze der Zukunft schaffen“. – Bei allem Wohlwollen für wünschenswerte Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen sage ich: Wenn wir Liberalen hier eine Glasfaseroffensive fordern und Frau Löhrmann dann von schrittweisem Tempo spricht, kann das – dazu fehlt mir wirklich die Fantasie – nicht in Übereinklang gebracht werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Rot-Grün hat in den vergangenen Jahren Entwicklungen – auch die Entwicklung eines zügigen und flächendeckenden Breitbandausbaus – verschlafen. Wie wichtig gerade für Schulen – wir sind ja hier gerade beim Thema „Schule“ – diese Hochgeschwindigkeitsnetze sind, sagt sogar die Landesregierung. Es gibt nämlich eine wunderbare Vorlage „Breitband NRW“. Darin werden ganz viele Dinge aufgeführt. Unter anderem steht darin aber auch folgender Satz: „Internetzugang für alle Schülerinnen und Schüler“. Und weiter heißt es schlicht: „Aufgrund der Vielzahl von Schülern sei eine hohe Bandbreite nötig“.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das sagt die Landesregierung. Weiter heißt es in dieser Erläuterung, für die Schulträger sei eine Geschwindigkeit von 100 MBit/s zu niedrig.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das ist auch wieder nicht richtig!)

Für Schulen müsste demnach das technische Ziel die Gigabit-Geschwindigkeit sein, also mindestens 1.000 MBit statt 50 MBit. Ich freue mich, dass Herr Minister Duin dabei nickt.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Dem widerspricht niemand! – Zuruf von Matthi Bolte [GRÜNE])

Für diese 1.000 MBit brauchen wir aber einen flächendeckenden Glasfaserausbau bzw. flächendeckende Glasfaseranschlüsse.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Wir machen das alles!)

Aber wie sieht denn die Realität vor Ort aus? Diese ist doch der Grund für die Aktuelle Stunde heute Morgen. Laut Presse in der vergangenen Woche stehen 82 % der Schulen weniger als 50 MBit zur Verfügung. Wir reden hier nicht von 100, sondern wir reden von 50 MBit, ganz zu schweigen von 1.000 MBit. Hierzu nickt Herr Minister Duin nur und sagt: Ja, das ist richtig.

Herr Minister Duin, Sie haben in der vergangenen Woche unter anderem gesagt, die Versäumnisse der Vergangenheit seien längst erkannt und würden jetzt schnellstmöglich behoben.

Jetzt kann man sich fragen: Wer war denn hier in den letzten sieben Jahren an der Regierung? – Das waren Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün.

(Beifall von der FDP und der CDU – Dr. Joachim Stamp [FDP]: So ist das!)

Jetzt sagen Sie, das hätten Sie erkannt. Das ist ja wunderbar, aber anstatt Dinge nur zu erkennen, müssen Sie auch handeln. Sie haben diesen Missstand an den Schulen schließlich zu verantworten.

Jetzt könnte man meinen – ich bin ein optimistischer Mensch –, dass ich sage: „Ja besser eine späte Einsicht als keine“, verbunden mit der Hoffnung, dass Sie sich schnellstmöglich auf den Weg machen, um die Versäumnisse zügig und zukunftsgerichtet abzuarbeiten. Aber ich glaube, das ist weit gefehlt. Wir sagen, wir brauchen Breitband, aber Sie machen Schmalspur. Das ist es, was wir in Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün erleben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben das Minimalziel von 50 MBit angestrebt. Das wollen Sie im kommenden Jahr 2018 erreichen. Das bedeutet, Sie wollen die letzten 20 % auch noch zur Verfügung stellen.

Für mich ist das ein Wahlkampfplacebo, das von jahrelangem Verschlafen und Verzögern des dringend notwendigen Breitbandausbaus ablenken soll. Wer als Landesregierung noch nicht einmal seine eigenen Minimalziele erreicht, gehört meiner Meinung nach von den Wählern im kommenden Mai schlicht und ergreifend abgelöst. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Gebauer. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Matthi Bolte (GRÜNE): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Gebauer, gerade Ihr letzter Satz hat ganz klar gezeigt, dass diese Aktuelle Stunde überhaupt nichts mit Wahlkampf zu tun hat.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn hier schwerpunktmäßig die Schulpolitiker reden und nicht die sonst regelmäßig zusammentreffende „parlamentarische Freundschaftsgruppe Breitband“ über dieses Thema spricht,

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD)

muss man sagen: Für mich ist die Konsequenz, lieber einmal 50 MBit ausbauen als 50 Mal ein und derselbe Antrag von CDU und FDP.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Lieber Herr Kollege Kaiser, Sie haben es in Ihrer Rede nicht geschafft, ein einziges konkretes und zutreffendes Beispiel für die Vorwürfe zu benennen, die Sie hier adressieren. Das ist immer das alte Gerede davon, dass alles schlecht ist und alles schlimmer wird. Wenn man sich anhört, was Sie gesagt haben, Herr Kaiser und Frau Gebauer, dann haben wir ja förmlich Glück, dass der Minister nicht mit einer großen Schere durchs Land läuft und die Kabel durchschneidet. Das ist nämlich das Szenario, das Sie hier beschworen haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der Skandal, den Sie suchen, den gibt es so nicht. Nordrhein-Westfalen ist Spitzenreiter der Flächenländer bei der Breitbandversorgung. Nordrhein-Westfalen investiert bis 2018 eine halbe Milliarde in den Breitbandausbau. Gestern haben wir hier unsere 5G-Initiative auf den Weg gebracht. Wir tun jede Menge für die digitale Bildung, weil digitale Bildung nicht nur Breitbandversorgung ist, sondern weil es auch um neue Konzepte, weil es um Innovation geht. Darum geht es konkret, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Damit haben wir übrigens nicht erst gestern angefangen. Seit 2010 haben wir mit dem Medienpass NRW ein Konzept, das wir in diesem Land für digitale Bildung und Medienkompetenz im digitalen Zeitalter fahren. Es ist bundesweit anerkannt und vielfach ausgezeichnet.

Außerdem haben wir das Leitbild „Lernen im Digitalen Wandel“ auf den Weg gebracht. Noch Ende letzten Jahre haben wir zudem die Vereinbarung von Land und Kommunen für die Breitbandversorgung von Schulen auf den Weg gebracht, weil wir die Ausstattung der Schulen Stück für Stück verbessern wollen.

Kurzum: Die Strategie, die Herr Kaiser eben eingefordert hat, liegt längst vor. Wenn Sie sie nicht zur Kenntnis genommen haben, können wir sie Ihnen gerne zuschicken.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der Skandal im Land, den Sie so gerne suchen und finden würden, den gibt es nicht.

Schauen wir uns einmal an, was es noch gibt; die Kollegin hat es gerade angesprochen. Wo sind denn die 5 Milliarden € von Frau Wanka? Wo sind sie denn? Sie hat sie angekündigt und gesagt, das geschehe dann irgendwann im Rahmen des Nationalen IT-Gipfels, aber es kam nichts. Wird es diese 5 Milliarden von Frau Wanka jemals geben? Ich bin sehr gespannt.

(Zuruf von Serap Güler [CDU])

Herr Kaiser, warum haben Sie eben eigentlich nichts dazu gesagt, wie das Scoring-Modell in den Programmen von Herrn Dobrindt strukturiert ist und warum Herr Dobrindt ein Scoring-Modell gebaut hat, das uns hier in Nordrhein-Westfalen benachteiligt?

Die Schulen befinden sich eben nicht, wie Sie es unterstellt haben, irgendwo draußen auf der Wiese oder im Industriegebiet, sondern in den Bereichen, die in der Regel schon gut versorgt sind. Deshalb ist dieses Scoring-Modell im Bundesförderprogramm nachteilig für Nordrhein-Westfalen. Das ist die Realität, die Sie an dieser Stelle völlig ausblenden.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Natürlich, an der Stelle!)

Wir machen es besser, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit „Gute Schule 2020“. Mit Ihrer Kritik an „Gute Schule 2020“ sind Sie doch vollkommen außerhalb jeder Realität vor Ort. Die Kommunen freuen sich über 2 Milliarden € für die Ausstattung und Sanierung von Schulen,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

und das ist nicht das Teufelszeug, als das Sie es hier immer wieder darstellen.

Es geht natürlich, weil es der gesetzliche Rahmen für Förderung durch die NRW.BANK nun einmal genau so vorsieht, um den Anschluss innerhalb der Schulgrundstücke. Ja, das ist richtig. Aber natürlich haben wir auch ein umfangreiches Programm für den weiteren Ausbau in der Fläche beim Breitband auf den Weg gebracht.

Wir haben nicht nur die halbe Milliarde an Fördermitteln, wir haben auch Breitbandkoordinatoren eingesetzt, die wir auf Kreisebene fördern. Wir unterstützen die Entwicklung von Breitbandkonzepten auf der kommunalen Ebene, weil der Ausbau in den Schulen, weil der Ausbau in den Gemeinden Stück für Stück ineinandergreifen muss. Deshalb finde ich es auch ganz besonders wichtig zu betonen, dass es bei „Gute Schule 2020“ gerade für die kleinen Gemeinden auch noch weitere Unterstützung für professionelle Ausgangsanalysen gibt. Wie ist die Lage? Welches Förderprogramm können wir nutzen, damit wir alle Schulen versorgt bekommen, so wie wir das haben wollen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nicht nur das gemacht, wir haben die Zahl der Medienberater vor Ort verdoppelt, und wir haben eine Glasfaserstrategie aufgelegt, bei der es nicht so ist wie bei Frau Wanka und Herrn Dobrindt, dass die Versorgung von Schulen irgendwo unter ferner liefen läuft, sondern wo die Versorgung von Schulen ganz konkret als Ziel benannt ist, wo sie ganz konkret als strategisches Ziel aufgeführt ist und als solches auch angenommen wird.

Wir haben im letzten Jahr von der Landesregierung das „Leitbild Lernen im Digitalen Wandel“ mit einem umfassenden Fortbildungsprogramm für Lehrmittel und Medienberatung vorgelegt bekommen mit einer Verankerung mit dem Thema „Digitale Kompetenzen im Lehrerausbildungsgesetz – Schwerpunkt für Medienpädagogik und Medienkompetenz“. Wir haben die digitalen Themen inzwischen in allen Bildungsgängen, Schulstufen und Fächern verankert. Außerdem haben wir uns mit dem Leitbild auf den Weg gemacht, informatische Grundkenntnisse in alle Fächer zu integrieren. Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, der ganzheitliche Ansatz, den wir brauchen.

Was wir hier von Ihnen erleben – das gilt sowohl für die CDU als auch für die FDP –: Sie tun immer so, als sei die Gestaltung des digitalen Wandels ausschließlich die Versorgung mit Breitband.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist eben nicht so, das ist unterkomplex, wie Sie mit dieser Aufgabe umgehen, die, und das eint uns, natürlich eine Generationenaufgabe ist. Aber für Sie ist es ausschließlich die Frage von Infrastruktur, für uns ist es viel mehr. Für uns ist es Infrastruktur, für uns ist es E-Government, für uns ist es die Ausstattung von Schulen, für uns ist das Medienkompetenz und für uns ist das die Vermittlung von digitalen Kompetenzen in wirklich allen Bereichen, die wir in diesem Land bearbeiten.

Ich danke Ihnen allen, dass Sie mir so zugehört haben, und ich danke allen, die an dieser Aufgabe mitwirken. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Guten Morgen! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Leitbilder allein, Frau Voigt-Küppers, Herr Bolte, leiten noch keine Bits und Bytes, da muss man die Kabelzange schon einmal in die Hand nehmen.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Eva Voigt-Küppers [SPD]: Aber ohne sie geht es auch nicht!)

Breitband für Schulen ist dringend notwendig, und wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler in der Schule die Arbeit mit digitalen Technologien einüben und auch sinnvoll und konstruktiv im Unterricht einsetzen. Dazu gehört natürlich wesentlich das Internet. Eine reine Offline-Nutzung von IT an den Schulen ist undenkbar vor dem Hintergrund, dass fast alle Jugendlichen ein Smartphone mit Internetzugang bereits in der Hosentasche haben.

Bereits im November 2013 haben wir Piraten den Antrag „Bildungsinnovationen 2020 – Chancen der Digitalisierung für die Bildung nutzen“ gestellt. Bereits dort haben wir eine Bestandsaufnahme zur IT-Infra­struktur an den Schulen gefordert. Wir haben uns schon zu diesem Zeitpunkt für die Anbindung der Schulen ans Breitband und für Internetzugänge in allen Unterrichtsräumen eingesetzt. Diese Forderungen haben wir in weiteren Anträgen in der Folge immer wieder erneut zur Debatte gestellt.

Die heutige Debatte findet aufgrund eines Antrags der CDU-Fraktion statt. Herzlichen Dank dafür, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Gern geschehen!)

Auch Sie wagen sich endlich ins Neuland und haben, soweit ich weiß, damit Ihre erste Initiative zu Fragen von Schule und Digitalisierung in die Beratung dieses Hauses eingebracht.

82 % der Schulen haben bislang keinen Breitbandanschluss. Das ist bedauerlich, aber nicht überraschend. Die Landesregierung hat beim Breitbandausbau zu viel Zeit liegen lassen. Meine Fraktion hat dies hier immer wieder zum Thema gemacht. Bereits im Jahr 2013 haben wir die Landesregierung aufgefordert, den Breitbandausbau zu beschleunigen.

Doch anstatt zu handeln, wurde drei Jahre gewartet. Gewartet auf einen angeblichen Heilsbringer, auf ein neues Bundesförderprogramm. Die vollmundig angekündigten 5 Milliarden € sind ja auch noch nicht im Haushalt eingepreist. Jetzt kommt hierfür viel weniger Geld aus Berlin, und es ist heute schon absehbar, dass Ihre ohnehin unzureichenden Ziele beim Breitbandausbau nicht erreicht werden können.

Die angestrebten 50 MBit/s wird es in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2018 nicht flächendeckend geben. Aber seit August gibt es nun eine Gigabit-Strategie für Nordrhein-Westfalen. Minister Duin hat angekündigt, bis zum Jahr 2026 werde es im Land flächendeckend Lichtwellenleiter geben. Leider kennen wir dafür noch kein Finanzierungskonzept. Deshalb bleiben uns Zweifel, ob der politische Wille und die Entschlossenheit da sind, um tatsächlich im notwendigen, aber auch beträchtlichen Maß zu investieren.

Apropos Finanzierungskonzept, ich sage das hier mal so: Ceterum censeo Schuldenbremse …

Immerhin haben das Land und die kommunalen Spitzenverbände im Dezember die Breitbandversorgung der Schulen in ihrer gemeinsamen Erklärung zu „Gute Schule 2020“ vom Dezember aufgenommen. Hier lesen wir, dass perspektivisch die Anbindung der Schulen an Glasfasernetze in den Förderprogrammen zum Breitbandausbau berücksichtigt werden soll.

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist Ihre Forderung viel zu bescheiden und bleibt sogar hinter den vorliegenden Absichtserklärungen zurück. Sie wollen mindestens eine 50-MBit/s-Leitung in die Schulen verlegen. Das heißt, 50 MBit/s wären für Sie für den Anfang schon okay. Jetzt frage ich Sie: 50 MBit/s im Download, was meistens nur 10 MBit/s im Upload bedeutet, reicht vielleicht für eine vierköpfige Familie. Wie sollen damit Hunderte von Schülern ins Internet gehen? Das klappt vorne und hinten nicht.

Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel. Wenn in der Politik, im Sozialkundeunterricht, in Geografie, Deutsch ein aktuelles Thema auftaucht und sich der Lehrer spontan entscheidet, über die learn:line ein passendes Medium vom Landesbildungsserver und von den kommunalen Bildungsservern EDMOND in HD-Qualität in die Klasse zu streamen – wenn das drei Klassen an einem Gymnasium gleichzeitig machen, dann haben Sie bestenfalls Klötzchen und Breakdance. Das reicht nicht aus, um konstruktiv mit Medien in den Schulen zu arbeiten.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von Ralph Bombis [FDP])

Im Gegenteil, damit wird mehr Stau produziert als im Berufsverkehr um Köln.

Selbst die doppelte Rate wird realistischerweise nicht ausreichen. So sieht das auch Breitband.NRW, die bei der Schulträgertagung 2016 dargelegt haben: Wenn man allen Schülerinnen und Schülern Internetzugang in einer Schule ermöglichen will, dann ist eine hohe Bandbreite notwendig. Es geht also um Gigabit, das heißt Glasfaser. Als langfristige Perspektive ist sogar die Inhouse-Verkabelung mit Glasfaser in den Schulgebäuden anzustreben.

Für uns ist klar: Die Schulen brauchen einen eigenen Glasfaseranschluss. Das fordern wir Piraten seit Jahren. Wenn wir vom Lernen mit digitalen Medien sprechen, dürfen wir nicht die möglichen und die bestehenden Probleme übergehen, anderenfalls wäre der Vorwurf einer naiven Technikgläubigkeit berechtigt.

Ein Problembereich ist der Schutz der persönlichen Daten, die bei der Nutzung von IT im Unterricht und beim Lernen anfallen, insbesondere der Schutz der Schülerdaten. Bildungsdaten bedürfen besonderen Schutzes. Es gilt zu verhindern, dass sie für nichtschulische Zwecke ausgewertet werden können.

 Deshalb kann ein wahlloses „Bring your own device“ nicht die Grundlage für das Lernen mit digitalen Medien sein. Uns darf nicht egal sein, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht persönliche Daten frei Haus ins Silicon Valley schicken. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass sie im Unterricht nur Systeme nutzen, die ihre Daten ausreichend schützen. Deshalb ist gegenüber den Sirenengesängen von der digitalen Bildungsrevolution eine gesunde Skepsis angebracht, wenn diese auf die systematische Auswertung von Schülerdaten gebaut werden soll.

Vor Ansätzen wie personalisiertem Lernen auf der Grundlage von Learning Analytics, der Speicherung und Auswertung von großen Beständen an Lehr- und Lerndaten, muss gewarnt werden. Ich appelliere ausdrücklich an die Kollegen von der Union: Schauen Sie Ihrer Ministerin Wanka in Berlin genau auf die Finger. Für meinen Geschmack spricht die Dame ein bisschen zu häufig mit Jörg Dräger von der Bertelsmann Stiftung. Wir wissen ganz genau, dass sich der Konzern bei Udacity eingekauft hat, einem System, das auf universitärer Ebene Lerndaten auswertet. Also bitte – wir Piraten haben da sehr spitze Ohren.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine qualitativ hochwertige digitale Bildung wollen wir für die Kinder und die Jugendlichen. So steht es auch im Antrag der Union. Für eine zeitgemäße Bildung in der digitalisierten Welt ist die technische Ausstattung der Schulen ein wichtiger Aspekt, aber es ist eben nur ein Aspekt – Herr Bolte hatte das auch angedeutet –; denn ein Breitbandanschluss allein macht eine Schule noch nicht fit für das Lernen in der digitalisierten Welt.

Neben der Anwendung von digitalen Medien im Unterricht und zum Lernen sind weiterhin erforderlich: Medienbildung für eine reflektierte Medienrezeption als Querschnittsaufgabe über alle Fächer und informatische Allgemeinbildung für den informierten Einsatz von IT sowie eine angemessene Berücksichtigung der drei Bereiche in der Lehreraus- und -fortbildung: Lernen mit digitalen Medien, Medienkompetenzvermittlung und Informatik.

Jetzt schließe ich meine Rede, weil meine Redezeit abgelaufen ist, aber ich bin noch einmal dran. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Duin.

Garrelt Duin*), Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte ist wieder einmal sehr deutlich geworden: Egal ob CDU oder FDP – Sie hätten irgendeinen Zeitungsartikel nehmen können, um sich ans Pult zu stellen und zu sagen: Es ist bald Landtagswahl, und wir würden gern regieren.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Das kann man so machen. Das ist auch legitim. Aber ist das ein wirklicher Anlass?

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich frage jetzt mal Herrn Kaiser: Wo ist die Studie? – Ich habe nicht das Recht, in dieser Richtung konkret nachzufragen und mich zwischendurch zu melden. Ich will nur die Frage in den Raum stellen: Auf welche konkrete Studie, die wir vorliegen hätten, die wir diskutieren könnten und deren Ergebnisse wir analysieren könnten, bezieht sich Herr Kaiser?

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Auf eine, die noch nicht fertig ist, Herr Minister!)

Gar nichts ist da. Es gibt einen einzigen Zeitungsartikel, und auf den wird sich bezogen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Nur ein bisschen dünner!)

Das ist die gesamte Grundlage, auf der wir heute – leider – reden müssen. Aber nichtsdestotrotz machen wir uns schlau. Wir sprechen mit der Medienberatung: Wo seid ihr? – Die Studie ist noch nicht abgeschlossen. Beauftragt mit dieser Studie ist MICUS. Die NRW.BANK hatte vor zwei Jahren, wie Sie wissen, dieses Unternehmen, das eine hohe fachliche Kompetenz in diesem Bereich hat, damit beauftragt, die Versorgungssituation in Nordrhein-Westfalen zu analysieren und daraus eine Strategie zu entwickeln, die wir dann am runden Tisch „Breitband“ diskutiert haben. Insofern ist das Thema grundsätzlich natürlich sehr wichtig.

Ich will deutlich in Erinnerung rufen, dass es Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gewesen ist, die mit ihrer Regierungserklärung das Thema „Digitalisierung“ auf die Agenda dieser Debatten im Landtag gesetzt hat.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie ist es gewesen, dass das hier überhaupt zum Thema gemacht hat, und zwar nicht nur bezogen auf das Thema „Infrastruktur“, sondern sehr viel weitreichender. In nur wenigen Beiträgen ist heute noch einmal deutlich geworden: Als Sie, sehr geehrte Damen und Herren von CDU und FDP, in ähnlich gelagerten Debatten allein auf Gewerbegebiete, die an anderer Stelle ohne Zweifel eine riesige Rolle spielen, abgehoben haben, waren wir es, die immer wieder deutlich gemacht haben, dass wir bei der Ausgestaltung der Gigabitstrategie, bei der Ausgestaltung der Förderprogramme mit dem Ziel, 2018 flächendeckend 50 Mbit/s zu haben, nicht nur über die Themen „ländlicher Raum“ und „Gewerbegebiete“ zu reden haben. Wir sind es gewesen, die immer wieder deutlich gemacht haben: Lasst uns alle Schulen und lasst uns alle Bildungseinrichtungen mit in diese Programme nehmen,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

dort die entsprechende Versorgung von so großer Bedeutung ist!

Lassen Sie uns gerne über Schulen reden. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kaiser, Sie wissen wahrscheinlich besser als manch anderer Kollege in diesem Haus, wer eigentlich zuständig ist.

(Lachen von Klaus Kaiser [CDU])

Dass Sie dann eine Nebelkerze werfen, die Landesregierung sei schuld, ist ein netter Versuch, der aber natürlich nicht tragen wird. Die Ausstattung der Schulen ist nach § 79 des Schulgesetzes Aufgabe der Kommunen in ihrer Eigenschaft als Schulträger.

(Zurufe von Eva Voigt-Küppers [SPD] und Sigrid Beer [GRÜNE])

– Das weiß Herr Kaiser, aber er versucht es natürlich, hier in den Hintergrund zu drängen. Schauen wir uns das Thema „Schulträger und Schulen vor Ort“ sehr genau an und betrachten es fachlich sehr nüchtern, dann stellen wir fest: Alle Schulen in Nordrhein-Westfalen sind mit dem Internet verbunden. Die heutigen verfügbaren Übertragungsraten haben auch ein paar Jahre ausgereicht. Sie stammen – das Jahr 1996 ist schon erwähnt worden – aus einer Zeit, als die Deutsche Telekom noch unter Ron Sommer – wir erinnern uns dunkel – für diese Internetanbindungen in großen Teilen des Landes gesorgt hat.

Insofern können die aus der noch nicht fertigen Studie zitierten Zwischen- oder Teilergebnisse nicht wirklich überraschen, jedenfalls niemanden, der sich fachkundig – wie hieß es vorhin so schön? – in der „Freundschaftsgruppe Breitband“, die sich hier regelmäßig trifft, damit auseinandersetzt. Denn wir haben damals immer darauf hingewiesen – dafür brauchen wir keinen Zeitungsartikel – und es zum Thema gemacht, dass es sich bei den damals bereitgestellten sogenannten Internetanschlüssen fast ausnahmslos um Kupferadern aus der Telefonie handelt. Das wird den Ansprüchen, die wir heute in unseren Bildungseinrichtungen und Schulen haben, längst nicht mehr gerecht.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen in der Tat ganz andere Datenübertragungsraten. Deswegen habe ich Ihnen vorhin, sehr geehrte Frau Abgeordnete, auch so ausdrücklich zugestimmt. Es gibt Städte wie Gelsenkirchen, in denen wir schon eine sehr gute Ausstattung mit modernen Netzen haben. Alle Erfahrungen aus diesem Bereich zeigen, dass wir symmetrisch mindestens – mindestens! – 200 Mbit brauchen. Dann ist völlig klar, auf welche Technologie – nämlich Glasfaser – es dann hinausläuft.

Deswegen ist es für mich, Herr Kaiser, wieder so überraschend, wenn Sie in ihrem Antrag für die Aktuelle Stunde davon sprechen, dass wir 50 Mbit brauchen. Vielleicht hätten Sie mit Herrn Wüst und anderen, die sich mit diesem Thema auskennen, noch einmal Rücksprache halten sollen. Ja, wir als Bundesregierung und Landesregierung haben das Ziel von 50 Mbit für Bürgerinnen und Bürger, flächendeckend bis 2018. Das ist ein wichtiger Zwischenschritt. Aber wenn Sie hier über Schule reden wollen, dann kommen Sie mir nicht mit 50 Mbit. Das ist überhaupt nicht die Lösung für das, was wir thematisieren und besprechen wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver­einzelt Beifall von den PIRATEN)

Deswegen haben wir in unserem runden Tisch und in der Gigabit-Strategie – ich zitiere noch einmal daraus – die Schließung von Versorgungslücken im ländlichen Raum unter besonderer Berücksichtigung der Schulen mit auf die Tagesordnung gesetzt.

Wir haben auch bei der Strategie „Lernen im Digitalen Wandel“ den Blick sehr genau auf die Schülerinnen und Schüler und auf die Schulen gerichtet. Wir haben mit dem Programm „Gute Schule“ noch einmal erhebliche zusätzliche Mittel in die Hand genommen, um diese Ziele auch für die Anbindung von Schulen mit schnellem Internet zu erreichen. Dann guckt man einfach einmal in die gemeinsame Erklärung des Schulministeriums mit den kommunalen Spitzenverbänden. Dort ist eine klare Zielvorgabe gemacht. Sie können die Landesregierung lange dafür kritisieren. Das hilft nur auch nicht, wenn es dort eine Selbstverpflichtung der Kommunen bis zum Jahr 2020 gibt.

Auf der Kultusministerkonferenz ist auf Initiative von Nordrhein-Westfalen am 16. Dezember des letzten Jahres beschlossen worden, man wolle ein entsprechendes Ziel bis zum Jahre 2021 erreichen. Es ist gut, dass unsere Schulministerin, das Schulministerium, diese Landesregierung gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden noch ambitionierter ist und sagt: Wir wollen dieses Ziel bis 2020 erreichen.

Die Mittel für die Kommunen stehen dafür zur Verfügung. Aber tun müssen es am Ende diejenigen, die in den Kommunen dafür zuständig sind. Wir unterstützen sie mit Beratung und entsprechender finanzieller Ausstattung, damit dieses Ziel im Sinne einer guten Bildung für unsere Schülerinnen und Schüler schnell erreicht werden kann. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Vogt.

Petra Vogt (CDU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Duin, glauben Sie mir: Wir von der CDU-Fraktion suchen keinen Skandal. Wir brauchen auch keine Wahlkampfmunition;

(Zurufe von der SPD)

denn diese liefert diese Landesregierung Tag für Tag reichlich.

(Beifall von der CDU)

Es ist wirklich ein Witz, dass Sie glauben, bei Ihrer Arbeit müssten wir noch nach Wahlkampfmunition suchen.

(Beifall von der CDU)

Das können Sie aber auch tagtäglich in der Zeitung nachlesen, wenn Sie mir nicht glauben. Aber wir haben festgestellt, Zeitungen lesen Sie nicht so gerne. Sonst hätten Sie sich etwas intensiver mit dem Artikel auseinandergesetzt.

(Michael Hübner [SPD]: Aber Sie haben sich mit dem Sachverhalt doch gar nicht auseinandergesetzt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen dieses Land auch nicht schlechtreden,

(Zuruf von Eva Voigt-Küppers [SPD])

sondern wir beschreiben schlicht und ergreifend die Realität in unserem Bundesland.

(Zurufe von der SPD)

Wir glauben einfach, dass Sie diese Realität nicht mehr wahrnehmen, weil Sie sie nicht wahrnehmen wollen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Sie setzen nicht nur bei der Frage des Breitbands, sondern Sie setzen bei allen Fragen schlicht und ergreifend Strategien, Leitbilder und Konzepte entgegen. Da sind Sie als Nordrhein-Westfalen auch immer führend.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Wir sind nicht kopflos!)

Wir schauen jedoch, was tatsächlich passiert. Wo sind denn Ihre Taten? Die Taten sind gleich null.

(Beifall von der CDU)

Aus diesem Grunde glaube ich, dass es Ihnen schwerfällt, am heutigen Morgen in dieser Aktuellen Stunde zu diskutieren

(Zurufe von der SPD)

– oh doch, oh doch! –; denn Sie wissen ganz genau, wie wichtig …

(Michael Hübner [SPD]: Dann nennen Sie doch einmal eine Stadt, die das betreibt, wie das in Duisburg ist! Reden Sie doch darüber!)

– Hören Sie auf zu schreien.

(Michael Hübner [SPD]: Sagen Sie doch einmal etwas!)

Wer schreit, hat Unrecht. Also seien Sie einmal ein bisschen leise und friedlich.

(Beifall von der CDU)

Sie haben gleich das Wort. Dann können Sie alles sagen.

Ich glaube, Sie wissen, wie wichtig digitale Bildung ist; denn ansonsten hätte sich die Ministerpräsidentin nicht vor zwei Jahren hingestellt und ganz groß das digitale Nordrhein-Westfalen ausgerufen. Damals war es schon eine Lachnummer. Passiert ist bisher nichts.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Die Realität sieht anders aus. Die Realität sieht so aus, dass sich die Schulen sehr gerne mit digitaler Bildung auf den Weg in die Zukunft machen wollen. Sie ermöglichen es ihnen technisch nicht.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das ist nicht unsere Aufgabe!)

Aber Sie ermöglichen es ihnen auch nicht, weil Sie ihnen nicht die Rahmenbedingungen für vernünftigen Unterricht setzen. Wer zulässt, dass Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse direkt in die Regelklassen gehen, wer zulässt, dass Kinder mit Handicap ohne die entsprechende sonderpädagogische Betreuung im Regelunterricht sind,

(Michael Hübner [SPD]: Was war noch einmal Thema der Aktuellen Stunde?)

der setzt Rahmenbedingungen, unter denen Schule nicht funktionieren kann.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Und dann wundern Sie sich, wenn Sie in Nordrhein-Westfalen am Ende des Tages bei allen Vergleichen am unteren Ende sind,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das hat mit dem Thema der Aktuellen Stunde nichts zu tun!)

und fragen sich: Wie kann das sein? – Diese Leistungsvergleiche zeigen ein klares Bild. Da redet nicht die CDU das Land schlecht. Das ist das Ergebnis Ihrer katastrophalen Arbeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Dietmar Bell [SPD]: Völlig sinnfrei! In der Schule würde man sagen: Thema verfehlt! – Zurufe von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Vogt. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Hübner.

Michael Hübner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kaiser! Liebe Frau Vogt, Sie können ja gleich noch einmal in die Debatte eingreifen. Ich habe jedenfalls den Medien entnommen – ich lese sie gemeinhin auch –, dass Sie sich zum Schattenkabinett für Schulpolitik zuständig zählen. Da muss ich jetzt wirklich sagen: Das war eine Lachnummer, die Sie hier abgeliefert haben.

(Beifall von der SPD)

Sie haben mit keinem Satz das Thema der Aktuellen Stunde erwähnt. Sie haben völlig frei und völlig sinnfrei

(Dietmar Bell [SPD]: Frau Sommer der CDU!)

Fragen in den Raum gestellt, die mit der Sachfrage in keinster Art und Weise etwas zu tun hatten. Das war peinlich.

(Beifall von der SPD – Jochen Ott [SPD]: Sie hat sich sehr bemüht!)

Kollege Kaiser hat vorhin nicht darauf reagieren wollen, als ich ihm zugerufen habe: Dann nennen Sie doch mal Beispiele! – Auch das darf man doch wohl erwarten. Dass man hier eine Aktuelle Stunde beantragt, finde ich in Ordnung. Das läuft dann nach der Geschäftsordnung so durch. Man darf aber außerdem erwarten, dass man sich zumindest mit ein paar der Themen und Fragen auch auseinandergesetzt hat, zum Beispiel: Was sind denn die drückenden Probleme bei den Schulträgern?

Dann hat der Kollege noch davon gesprochen, dass er an einer Schulträgerkonferenz teilgenommen hat, konnte dann aber nicht mal eine einzige Stadt benennen. Er hat aber ganz, ganz viele E-Mails bekommen, die angeblich darüber geschwafelt hätten – offensichtlich, so muss es ja gewesen sein –, und die vor allen Dingen eines verschwiegen haben: aus welcher Stadt sie kommen. Diese Mails haben Sie wohl anonym erhalten. Jetzt wird einmal ganz deutlich, worum es geht. Das erinnert mich ein bisschen ein Monty Python. Ich finde, Ihre Kabaretttruppe ist in dieser Frage echt schlecht aufgestellt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt hätten, Herr Kaiser – und das gilt auch für die Schulpolitikerin im Wartestand –,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

hätten Sie in der Studie zum Beispiel lesen können, dass bereits 12 % der Schulen an Glasfaser angeschlossen sind. Jetzt werden Sie sagen: 12 % der Schulen – das ist doch viel zu wenig. Landesweit haben wir eine durchschnittliche Versorgung von 6,9 % Glasfaser. Das ist der Grund, warum Hannelore Kraft zur rechten Zeit mit einer vernünftigen Strategie aufgewartet hat. Ich kann mich ganz genau erinnern, wie Ihre Reaktion darauf war: „Warum müssen wir heute darüber reden?“ war da Ihre Frage.

Wir machen keinen Aufholwettkampf, sondern wir liegen damit an der Spitze in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind hier die Ersten!

(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP)

Wir sind nicht das Schlusslicht in Europa, sondern wir sind ganz weit vorne.

Jetzt verrate ich Ihnen als kommendem Schulpolitiker noch ein Geheimnis: Jede Schule in Nordrhein-Westfalen ist mit einem möglichst breiten Anschluss angeschlossen; Garrelt Duin hat es gerade noch einmal deutlich gemacht.

(Marcel Hafke [FDP]: Sekretariate, mein Gott!)

– Das sind nicht nur Sekretariate! Wenn Sie sich mit dem Sachverhalt auseinandersetzen würden, wüssten Sie das. Garrelt Duin hat es gerade deutlich gemacht: mit einer möglichst breiten Bandbreite.

Wenn Sie sich mal über Themen unterhalten wollen, dann machen Sie das doch mal! Woran liegt es denn, dass die Schulen in den Räumen große Schwierigkeiten haben? Woran könnte das zum Beispiel liegen?

(Marcel Hafke [FDP]: An der WLAN-Ausstat­tung!)

– Ach, das liegt an der WLAN-Ausstattung. Sie sollten wissen – ich gebe jetzt ein bisschen Nachhilfe –: Schulgebäude in Nordrhein-Westfalen sind oft über 100 Jahre alt. Die haben ganz breite Wände. Die Schulträger kümmern sich nicht erst seit Ihrer Initiative mit dieser fragwürdigen Aktuellen Stunde darum, sondern die kümmern sich schon seit Jahren. Da werden echte Kosten ausgelöst, wenn man das alles das in den Schulen gewährleisten will.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Herr Kaiser hat lustigerweise in den Raum gestellt – Ironie Ende –, dass sich das manche Städte, die unter Haushaltssicherung stehen, oder Stärkungspaktstädte nicht leisten. Jetzt gebe ich Ihnen mal ein konkretes Beispiel. Heute – Sie lesen ja Zeitung; aber das haben Sie heute auch nicht gelesen – findet sich in der „WAZ“ in Gladbeck eine gesamte Seite darüber, wie digital die Schulen bereits sind. Darin wird aufgearbeitet, dass es seit 2012 in jeder Schule eine Initiative gibt, genau das auf den Weg zu bringen.

Ein Beispiel ist das Heisenberg-Gymnasium in Gladbeck, das ist übrigens meine Schule, an der ich Abitur gemacht habe. Seit 2012 wurden hier 600.000 € investiert, um die interne Struktur so auf den Weg zu bringen, dass man Glasfaser überhaupt daran anschließen kann. Diese Vorbereitungen müssen auch berücksichtigt werden.

Gladbeck ist übrigens nicht die einzige Stadt, die das so gemacht hat. Das haben auch meine Nachbarstädte gemacht, und das hat auch die Stadt Haltern gemacht, in der der Kollege Hovenjürgen gerne mal in Sachen Windkraft und landwirtschaftlich unterwegs ist. Jede Schule ist dort angeschlossen, und auch sie haben eine Strategie zum Ausbau. Auch diese Städte nehmen am Stärkungspakt teil. Das zeigt, dass den Städten das Ganze entsprechend wichtig ist.

Ich könnte jetzt so weitermachen. Auch das Ratsgymnasium, auch die Erich Kästner Realschule und andere verfahren so, und das kostet noch einmal 800.000 €. All das bezahlen wir aus dem Haushalt, der zugegebenermaßen ziemlich eng ist. Aber wir wollen doch das Beste für die Kinder. Ich spreche es keinem Schulträger, keiner der 396 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ab, weil es richtig ist, da zu investieren.

Mit „Gute Schule 2020“ sorgen wir dafür, dass für alle Schulen Glasfaserleitungen – sie sind noch nicht an jeder Schule vorhanden, aber jede Schule hat mittlerweile einen Breitbandanschluss in der fraglichen Bandbreite – erreicht werden können. Das ist eine tolle Leistung. Das ist eine richtige Prioritätensetzung, die wir vonseiten des Landes vorgenommen haben.

Herr Dr. Paul hat darüber gesprochen, dass keine Smartphones eingesetzt werden. Eine Sache wird ihn vielleicht auch interessieren – Herr Dr. Paul, wenn Sie mir ein bisschen Aufmerksamkeit schenken könnten? –; da möchte ich Ihnen eine Schule aus meinem Wahlkreis nennen. Wenn man sich damit nämlich vor Ort beschäftigt, wird man feststellen: Es gibt ganz viele Initiativen. Aber darum ging es der CDU-Fraktion ja nicht.

Die Erich Kästner Realschule, zweitbeste Realschule deutschlandweit, ist letztes Jahr dafür ausgezeichnet worden.

(Marcel Hafke [FDP]: Welche war die Beste?)

– Die Beste kommt auch aus Nordrhein-Westfalen, das ist eine Gesamtschule aus Remscheid oder Hagen; da bin ich mir jetzt nicht ganz sicher.

(Dietmar Bell [SPD]: Eine Gesamtschule aus Wuppertal!)

– Aus Wuppertal, Entschuldigung!

(Zurufe)

An alle Kollegen, die ich jetzt beleidigt habe: Das mit Remscheid oder Hagen ziehe ich sofort zurück. Es war jedenfalls Wuppertal; immerhin war zumindest die Verortung richtig, Dietmar Bell.

Die Erich Kästner Realschule integriert während ihres Unterrichts in jedem Schulfach die Smartphones ihrer Schüler. Man achtet natürlich darauf, dass die Smartphones der Schüler gleichwertig sind. Ebenso achtet man darauf, dass in Lerngruppen miteinander gearbeitet wird. Das alles wird heute schon gemacht.

In Gladbeck erreichen die Ausgaben für die Endgeräte aktuell ein Leasing – nur damit Sie das mal gehört haben – von 230.000 € pro Jahr. Für 230.000 € pro Jahr – das sage ich Ihnen ganz offen – können Sie eine ganze Menge Endgeräte für ganz viele Schulen leasen. Das ist eine Investition in die Zukunft, die die Stadt Gladbeck vornimmt. Wir unterstützen das mit „Gute Schule 2020“.

Diese Kabarettvorträge, die heute Morgen hier gelaufen sind, unterstützen jedoch nur eines: Sie unterstützen nämlich, dass Leute sich von Politik abwenden, weil Sie keine fachlichen Fragen aufrufen …

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege!

Michael Hübner (SPD): … sondern schon auf dem Weg in den Wahlkampf sind. Das haben Sie sehr deutlich gemacht. Mit dem Thema jedoch haben Sie sich kein bisschen auseinandergesetzt. Ich hoffe, ich habe hier ein wenig Abhilfe leisten können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Kollegin Schmitt-Promny.

Karin Schmitt-Promny (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte die Frage stellen, ob sich das Thema „Breitbandausbau an Schulen“ für die Skandalisierung eignet, wie es der Titel des CDU-Antrags suggerieren mag. – Die Antwort lautet: Nein, Herr Kaiser, Frau Vogt, dieses Thema eignet sich dazu nicht.

Soll Ihre Fragestellung ein Frontalangriff auf alle Schulträger, auf alle Schulen sein? Schließlich sind die Kommunen und Kreise in ihrer Schulträgerschaft für die sächliche Ausstattung der Schulen zuständig.

Wie sieht es denn an unseren Schulen aus? Stimmt das eben beschworene Jammertal? Gibt es wirklich die Nullnummer, von der Frau Vogt geredet hat? – Auch da sage ich: Nein! Alle Schulen in Nordrhein-Westfalen sind am Netz. Alle Schulen in Nordrhein-Westfalen haben Zugang zum Internet. Für viele Schulen war dies bisher auch ausreichend. Man kann also wirklich nicht von „Schulen ohne Anschluss“ sprechen.

Die Ausstattung der Schulen mit einem leistungsstarken Breitbandnetz ist die derzeit laufende Stufe der Entwicklung, und der Bedarf von Schulen zielt auf den Anschluss an ein Glasfasernetz ab.

Die KMK, die Kultusministerkonferenz, sieht das ebenfalls so. Sie hat daher im Dezember 2016 beschlossen, möglichst bis 2021 – wir haben es gehört – allen Schülerinnen und Schülern einen Zugang zum schnellen Internet zu bieten, um digitale Bildung zu ermöglichen.

Der Bund hat 5 Milliarden € zur Ausstattung der Bildungseinrichtungen in Aussicht gestellt – ich wiederhole: in Aussicht gestellt. Angekommen sind diese Mittel bislang noch nicht.

In NRW dagegen sieht es deutlich anders aus. Ich muss das noch einmal aufzeigen. Die intensive Diskussion um digitale Bildung und Medienkompetenz zeigt bei uns Konsequenzen. Die Medienberatung NRW hat mit Unterstützung des Landes mit dem Medienpass NRW und mit der aktuellen Entwicklung der Schulcloud LOGINEO wesentliche Weichen gestellt für die digitale Bildung in der Schule.

(Beifall von den GRÜNEN)

Als erstes von 16 Bundesländern hat NRW ein Leitbild „Lernen in der digitalen Welt“ verabschiedet.

Jetzt folgt das Programm „Gute Schule 2020“. Das bedeutet 2 Milliarden € für die Kommunen. Mit diesem Programm leistet das Land ganz aktiv Hilfestellung für die Kommunen, um die digitale Infrastruktur ihrer Schulen aus- und aufzubauen. Damit wird der notwendige Breitbandanschluss vorangebracht. Jeder Kommune sind damit Mittel an die Hand gegeben, Schulen den Zugang zum schnellen Internet zu ermöglichen. Ob und wann genau dies in den nächsten vier Jahren passiert, entscheidet dann jede Kommune selbst. „Verschlafen“ – das sieht ganz anders aus.

Das Land bietet nicht nur finanzielle Hilfe. Über die Medienberatung NRW leistet es auch Planungshilfe für die Kommunen. Vielleicht sollte die CDU für ihren Antrag nicht nur die wenigen aus einem Zeitungsartikel stammenden Zahlen heranziehen, sondern sich über die von der Medienberatung NRW in Auftrag gegebene Studie auseinandersetzen, um sich darüber zu informieren. Diese Studie analysiert die Ausgangslage, um den Kommunen Daten zu liefern, damit sie die Anbindung ihrer Schulen an das Glasfasernetz planen können. Das ist eine Studie, in der es nicht darum geht, Defizite aufzuzeigen, sondern darum, möglichst konstruktiv für die Kommunen zu wirken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Damit, Herr Kaiser, wissen die Schulen dann durchaus, worum es geht, und sie können ihre notwendigen nächsten Schritte einleiten. Das sind konstruktive Lösungsansätze.

Dem dient auch die Erklärung der kommunalen Spitzenverbände und des Landes vom Dezember 2016. Kommunen und Land arbeiten Hand in Hand, um ein erfolgreiches Lernen in der digitalen Welt für alle Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten. Das ist die Aufgabenstellung und nicht das Heruntermachen, wie wir es heute wieder von Ihnen erleben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was ich zum digitalen Wandel auch noch sagen möchte: Pädagogik vor Technik – das ist der Grundsatz für die Ausstattung der Schulen. Hochwertige digitale Bildung verlangt weit mehr als einen guten technischen Standard.

Hier springt der Antrag der CDU – das ist uns nicht neu – mal wieder zu kurz. Entscheidend ist die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Dazu benötigen Schulen Medienkonzepte; denn digitale Bildung – das wissen wir – führt zu tiefgreifenden Veränderungen in Schule und Unterricht. Hilfestellung bei diesem Schulentwicklungsprozess bieten die örtlichen Medienberater, deren Zahl zuletzt verdoppelt wurde.

Gibt es also die dramatische Unterversorgung von Schulen? – Nein.

Liebe CDU, wenn Sie das Anliegen dieser Aktuellen Stunde wirklich ernst nähmen, dann müssten Sie dem von der Landesregierung eingeschlagenen Weg Ihre Zustimmung geben. Sie müssten diesen Weg begrüßen. Gehen Sie mit uns gemeinsam in den digitalen Wandel an den Schulen!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich muss leider sagen: Wir Piraten haben Probleme bei der Planung unseres nächsten Bundesparteitages. Der findet im März in Düsseldorf statt, und als kleinere Partei muss man ja immer ein bisschen auf das Geld achten. Wir haben uns die Aula der Heinrich-Heine-Gesamtschule in Düsseldorf ausgeguckt. Leider endet die Glasfaser kurz vor der Schule.

(Lachen von Jochen Ott [SPD])

Angeschlossen wird sie vielleicht im April – aber der Parteitag ist schon im März. So viel dazu. Ich verspreche Ihnen jedoch: Wir kriegen das hin; zur Not machen wir eine Funkstrecke.

(Jochen Ott [SPD]: Vielleicht hilft es, wenn ihr miteinander redet!)

Ich möchte noch ein bisschen auf das eingehen, was Frau Schmitt-Promny gerade noch einmal angerissen hat, nämlich auf den Aspekt der Didaktik und des Umgangs mit der Technologie. Daraus wird, glaube ich, sehr schnell deutlich werden, dass selbst die Didaktik und der Umgang, auch wenn er noch so ambitioniert ist, in Zukunft auf einen Breitbandanschluss angewiesen sein wird.

Denn stellen Sie sich bitte folgendes Szenario vor: Heute Morgen hatten wir das Gedenken an Auschwitz; Frau Präsidentin hat dazu gesprochen. Nehmen wir jetzt mal an, ein Lehrer entschließt sich, im Geschichtsunterricht oder im Englischunterricht – dort wird manchmal auch Geschichte in Englisch vermittelt – mit einer historischen Dokumentation zu arbeiten.

Die Schülerinnen und Schüler laden sich also diese Dokumentation mehrfach herunter und bekommen dann die Aufgabe, diesen Film für Hörgeschädigte zu untertiteln. Da ist mit der Arbeit an und im Medium als Knetmasse sogar der Aspekt der Inklusion mit drin. Wenn Sie so etwas in einer Schule in großem Stil und gleichzeitig in mehreren Klassen machen wollen, dann kommen Sie nicht drumherum: Wir brauchen Glasfaser in allen Schulen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Ein weiterer Punkt: Man kann diese – ich sage mal – Medienkompetenz vermitteln als Querschnittsleistung in allen Fächern. So etwas geht auch im Fach Biologie, wenn vielleicht eine Naturdokumentation selber erarbeitet wird, wobei dann hoffentlich etwas Besseres herauskommt als dieses Pathosgeschwafel von „Terra X“ im ZDF. Die schlagen mit ihren Dokumentationen mittlerweile sogar das „Dschungelcamp“.

Was aber nicht im Querschnittsdienst in allen Fächern funktioniert, ist die Vermittlung von informatischen Zusammenhängen. Ich sage es noch einmal: Wir brauchen nicht nur das Breitband, sondern wir brauchen auch ein Lernfach „Informatik“ in allen Schulen.

Informatik ist das Denken in Prozessen und wird in Zukunft immer wichtiger werden. Dann – und nur dann – werden die Schulen als Zukunftslabore für die Gesellschaft in der Informationsgesellschaft zu dem werden, was sie eigentlich sein sollen, nämlich Knoten im Netz. Schulen müssen zu Knoten im Netz werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kaiser.

(Michael Hübner [SPD]: Jetzt bin ich mal gespannt! Jetzt kommt die Schule!)

Klaus Kaiser (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es noch einmal deutlich zu machen:

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Noch einmal! Endlich!)

Hier sind reflexhaft alle Dinge abgelaufen, die so hintereinandergehen. Ich möchte noch einmal sagen, wogegen sich unsere Kritik richtet. Es geht ums Prinzip. Beim Anschluss im Breitband fallen durchschnittlich etwa ein Drittel der Kosten auf dem Grundstück an, zwei Drittel außerhalb des Grundstücks; in der Regel sind es Tiefbauarbeiten.

(Michael Hübner [SPD]: Es ist genau umgekehrt! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Umdrehen, Klaus Kaiser, umdrehen!)

In der Stadt Heiligenhaus sind acht Schulen anzuschließen, was Kosten in Höhe von 130.000 € nach sich zieht.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist genau falsch! Zwei Drittel fallen auf dem Grundstück an, ein Drittel außerhalb des Grundstücks!)

Es ist sinnvoll, dass diese nach dem Programm „Gute Schule 2020“ bezuschusst und gefördert werden können. Dafür habe ich sachlich plädiert, das macht Sinn. So ist es mir auch aus anderen Kommunen berichtet worden. Herr Hübner, Sie haben soeben von Ihrer eigenen Schule erzählt. Meine eigene Schule, das Franz-Stock-Gymnasium in Neheim-Hüsten, ist ebenfalls höchst vorbildlich angeschlossen.

(Michael Hübner [SPD]: Ach, das ist ja mal ein Beispiel!)

Wir reden aber jetzt über den Anschluss in Heiligenhaus. Dort wird gesagt: Wir brauchen das. – Kommunale Selbstverwaltung heißt auch, dass man vor Ort am besten weiß, wofür man diese Mittel aufwenden will. Wenn die Schulen intakt sind und nicht gerade ihre Toiletten erneuern lassen müssen, kommen sie auf die Idee, zu sagen: Wir möchten die Gelder, die wir über das Programm „Schule 2020“ bekommen, für die Digitalisierung nutzen.

(Michael Hübner [SPD]: Ja, können sie doch! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Insbesondere dann macht es Sinn, dass die Digitalisierung nicht an der Grundstücksgrenze aufhört.

Erstens weiß Herr Minister Duin, dass das Problem existiert. Zweitens haben wir nichts davon, intern bestens zu vernetzen, hinterher aber nicht an den Strom oder an das schnelle Internet zu kommen, weil es nicht entsprechend angeschlossen wird.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Den Strom?)

Deshalb macht es Sinn – wenn wir es jetzt mal wahlkampffrei miteinander besprechen; das habe ich in meinem Redebeitrag auch versucht –, dieses Förderprogramm so zu ergänzen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie vergeben doch überhaupt nichts, wenn Sie dieses Förderprogramm entsprechend erweitern.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich verstehe nicht, warum Sie sich da so aufkröpfen; denn es gibt doch gar keinen Dissens in der Digitalisierungsstrategie.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD)

Die schnelle Umsetzung ist doch nur ein gemeinsames politisches Interesse an den Schulen. Wenn wir da zuwarten und sagen, dass alles auf einem guten Weg sei, wird genau das nicht so sein. Ich empfehle uns und dieser Landesregierung – unabhängig vom Wahlkampf –, das Ganze zu fokussieren und die Strategie, die Umsetzungspläne an den einzelnen Schulen, die Infrastruktur und die Förderszenarien in einem einzigen Programm zu bündeln.

(Zuruf von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Dann macht es Sinn, dann wird es eine Sache aus einem Guss. Dann bräuchten Sie sich auch nicht so aufzuregen, sondern wir könnten so zu ganz sachlichen Lösungen kommen, die für die Schulen sowie für die Schülerinnen und Schüler am besten sind. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal der Kollege Hübner gemeldet.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Die CDU erkennt an, dass „Gute Schule 2020“ ein gutes Programm ist! – Klaus Kaiser [CDU]: Das habe ich gar nicht gesagt! – Jochen Ott [SPD]: Jeder kann nach seiner Fähigkeit lernen! – Weitere Zurufe)

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ein beeindruckendes Eingeständnis, dass Sie sich schließlich doch noch – ich habe ja gesehen, dass Sie sich in der Zwischenzeit mit den neuen Medien beschäftigt haben – mit dem Thema ein bisschen auseinandergesetzt und offensichtlich meiner Kollegin Voigt-Küppers, der ausgewiesenen Schulpolitikerinnen unserer Fraktion, gut zugehört haben.

Sie haben auch zur Kenntnis genommen, dass wir mit „Gute Schule 2020“ genau die richtigen Hilfestellungen für die Kommunen geben, damit sie besser an das Breitband bzw. das Glasfasernetz des Landes angeschlossen werden können.

(Klaus Kaiser [CDU]: Ich habe gesagt: Ihr müsst das erweitern!)

Ich finde das gut. Es gibt kein Loch in der Fördersystematik.

(Klaus Kaiser [CDU]: Da ist ein Loch in der Förderung! Ihr müsst mal zuhören!)

Vielleicht sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass die NRW.BANK vor Ort sehr konkret unterwegs ist.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Dort könnte man auch einfach mal anrufen. Aber Sie wollen das einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Stattdessen haben Sie vor allem deutlich gemacht – das geht auch aus dem Beitrag der „Möglicherweise-Schattenministerin“ Frau Vogt hervor –,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hör doch mit so einem Scheiß auf!)

dass Sie sich wenig sachdienlich mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

Ich habe mich deshalb noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich sagen will: Ich finde gut, dass die CDU-Fraktion jetzt die Digitalisierungsstrategie – so hat es der Schulpolitiker Herr Kaiser erklärt – des Landes unterstützt und mit uns völlig deckungsgleich ist. Das müssen wir ausdrücklich noch einmal zur Kenntnis nehmen.

Ich begrüße ausdrücklich, dass Sie sich mit uns auf den richtigen Weg machen, bis zum Jahr 2025 möglichst flächendeckend eine Breitbandversorgung auf den Weg zu bringen. Toll, Herr Kaiser, das haben Ihre Kollegen, die Mitglieder der „Arbeitsgruppe Breitband“ sind – so hat Matthi Bolte hat sie vorhin genannt –, bisher noch nicht erkannt. Ich finde es toll, dass Sie sich so auf den Weg machen.

(Beifall von der SPD – Marc Lürbke [FDP]: Das war ein Brüller! – Jochen Ott [SPD]: Das war kein Brüller, das war super!)

Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil ich den Antrag von CDU FDP gesehen habe: „Landesregierung muss digitale Modellstadt nach Nordrhein-Westfalen holen.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß ja, wie man damit gemeinhin umgeht. Ich habe mich aber gerade bemüßigt gefühlt, einen Blick hineinzuwerfen, und da lese ich: „digitale Modellstadt“.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Müssen Sie dazu nicht gleich noch reden?)

– Ich rede meinetwegen gleich auch noch dazu.

Da habe ich mich gefragt, ob dort einmal der Begriff „Schule“ vorkommt. Wir haben uns ja darüber verständigt, dass zunächst die Städte für die Infrastruktur zuständig sind. Wird also in dem Antrag einmal das Thema „Schule“ genannt? Ich kann Ihnen sagen, Herr Lienenkämper – falls Sie Ihren eigenen Antrag nicht gelesen haben sollten –, dass der Begriff „Schule“ nicht einmal vorkommt.

(Lachen von Jochen Ott [SPD])

Ich finde schon sehr bedenklich, dass Sie einen Antrag zur digitalen Modellstadt stellen, der Bereich „Bildung und Schule“ dabei aber gar keine Rolle spielt.

(Beifall von der SPD)

Da muss ich sagen: Da sprechen die Blinden von der Farbe. – So würde ich das nennen. Und das hat sich durch die schulpolitische Diskussion heute Morgen konsequent durchgezogen.

Lassen Sie uns mit dem notwendigen Pragmatismus an dieses Thema herangehen. Herr Kaiser, die Quote ist übrigens genau umgekehrt: In den meisten Fällen müssen zwei Drittel innerhalb der Infrastruktur der Schule investiert werden und nur ein Drittel, um den Anschluss zu erreichen. Das habe ich Ihnen gerade mit meinen Zahlen belegt. Das ist aber geschenkt.

Herr Kaiser, wenn Ihre Stadt auf den letzten Metern Probleme hat, dann geben Sie Ihrer Stadt folgenden Hinweis: Die NRW.BANK hat tolle Berater, die sehr nah an den konkreten Problemen dran sind und wirklich vieles ermöglichen, damit gerade die Fragen, die Sie zuletzt aufgeworfen haben, beantwortet werden können. Von daher haben wir in der Debatte viel gewonnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, in eine zweite Runde zu gehen, aber die Wortmeldung von Herrn Kaiser gebietet es, noch einmal etwas klarzustellen.

Sehr geehrter Herr Kaiser, danke für Ihre zweite Wortmeldung. Damit haben Sie deutlich gemacht, dass wir sehr sachlich und sehr fachlich – das machen wir zum Beispiel im Aktionsbündnis und in vielen anderen Gesprächen, auch mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit den Unternehmen – immer wieder nachhalten müssen, wie die Förderprogramme aufgesetzt sind und wo wir sie noch weiterentwickeln können. Deswegen waren die Zwischenrufe vorhin auch so wichtig.

Sie verweisen auf die E-Mails aus den Kommunen. Einige Kolleginnen und Kollegen auch aus Ihrer Fraktion wissen, dass meine Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion für den Fall, dass Sie mit einem konkreten örtlichen Thema auf uns zukämen, nie sagen würden: „Nur weil du aus der CDU bist, will ich von diesem Thema nicht wissen“, sondern dann kümmern wir uns darum. Geben Sie mir diese konkreten Fälle.

Wir sind an einem sehr fachspezifischen Punkt – ich will Sie damit jetzt nicht langweilen –, und da reden wir über Begriffe wie „Aufgreifschwelle“; das ist der Terminus technicus.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

– Das hat auch mit Inklusion erst einmal nichts zu tun, wie wir es vorhin von Frau Vogt gehört haben.

Es geht darum, dass es für die öffentliche Förderung, egal ob Land oder Bund, eben diese Aufgreifschwelle gibt. Für diejenigen, die sich nicht jeden Tag damit beschäftigen, möchte ich es kurz – hoffentlich verständlich – erklären: Wenn da schon 30 Mbit liegen, bekommt man keine Fördergelder für den nächsten Schritt. Das heißt, wenn man 2 Mbit hat, dann kann man auf 50 Mbit oder mehr aufrüsten. Wenn man aber 30 Mbit oder mehr hat, dann hat man dort ein Problem.

Deswegen stellt sich in der Tat an manchen Orten die Frage: Wie bekomme ich zwischen der Grundstücksgrenze der Schule und dem nächsten Knotenpunkt, wo Glasfaser liegt, eine Verknüpfung mit Förderung hin? Technisch gesehen ist das im Grunde kein Thema.

(Klaus Kaiser [CDU]: Ach!)

Herr Hovenjürgen, Herr Kaiser, wir sind hier in den Untiefen einer Verordnung zum Thema „Aufgreifschwelle“, die im Übrigen nicht wir erlassen haben, sondern die von EU und Bund erlassen worden ist. Wir können über dieses Problem in jedem Ausschuss, in jeder Fachberatung reden und nach einer Lösung suchen – aber mit einer Aktuellen Stunde hat das nichts zu tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: So ist das!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluss der Aussprache. Ich schließe die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

2  Landesregierung muss endlich entschlossen gegen die Ausbreitung von „No-Go-Areas“ und kriminellen Familienclans in Nordrhein-Westfalen vorgehen!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/14015

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Kollegen Golland das Wort.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Entstehung von No-go-Areas in bestimmten Bezirken nordrhein-westfälischer Großstädte haben verschiedene Medien seit dem Jahre 2015 wiederholt berichtet. Auch im Innenausschuss und im Plenum ist dieses Thema mehrfach diskutiert worden.

Immer wieder hören wir, dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen überall in jede Straße fahre und dass Straftaten konsequent verfolgt würden. Mit dieser Aussage ignoriert der Innenminister die vielfältigen und gravierenden Probleme in den Problemstadtteilen und sozialen Brennpunkten nordrhein-westfälischer Großstädte. Außerdem muss es eine Selbstverständlichkeit sein, Herr Jäger, dass die immerhin bewaffnete Polizei in jede Straße hineinfährt. Wäre das nicht mehr der Fall, hätte der Rechtsstaat vollkommen vor kriminellen Machenschaften und Aktivitäten kapituliert.

Wo sich die Polizei mit oft sehr starken Kräften noch hineintraut, geht der Bürger schon lange nicht mehr gerne hin. Längst existieren Angsträume und gefährliche Orte, in die sich zu bestimmten Zeiten insbesondere Ältere, Frauen und Einzelpersonen nicht mehr hineinwagen. Die ansässige Wohnbevölkerung muss mehr oder weniger entsetzt und hilflos zusehen und darunter leiden, wie das Gewaltmonopol des Staates immer mehr provokant infrage gestellt und ausgehöhlt wird.

Meine Dortmunder Kollegin Claudia Middendorf und ich haben uns Anfang Dezember 2016 bei einer Ortsbegehung in der Dortmunder Nordstadt selbst ein Bild von der Lage gemacht. Vermüllung, Verwahrlosung und Zusammenrottung bzw. Abhängen von zwielichtigen Gestalten waren nicht zu übersehen.

(Thomas Stotko [SPD]: Ja, wenn die CDU da ist! – Heiterkeit)

Die alteingesessenen und engagierten Bürger versuchen, dagegen zu arbeiten, können das aber nicht unterbinden. Und was sagt die Polizei vor Ort dazu – ich zitiere aus der Zeitung „Die Glocke“ vom 23. Januar 2017 Seite 2 –:

In seinem Revier scheint Ralf Feldmann – Leiter der Polizeiwache im Gelsenkirchener Süden – förmlich auf einem Pulverfass zu sitzen. So angespannt ist die Situation. Feldmann redet über Tumult- und Gewaltdelikte libanesischer Familienclans, die in seinem Ruhrgebietskiez ganze Straßenabschnitte für sich reklamieren.

(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

Wie von Geisterhand dirigiert, rotten sich dort mitunter 50 bis 60 Libanesen zusammen, um Führerschein- und Personenkontrollen zu boykottieren. „Da wird auf den Streifenwagen gespuckt. Die sind aggressiv bis zum Gehtnichtmehr.“ Häufig bekämen die Polizisten zu hören: Haut hier ab! Die Straße gehört uns, ihr habt hier nichts mehr zu melden.

Wollte er sämtliche Beleidigungen strafrechtlich verfolgen, müsste er manchmal 200 Anzeigen am Tag schreiben, berichtet Feldmann dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag NRW.

Und was sagt der Verantwortungsträger für die innere Sicherheit, Herr Jäger, dazu? Ich zitiere wieder aus besagter Quelle:

In Teilen habe diese politische Debatte bei ihm den Eindruck einer faktenfreien No-Brain-Area – auf Deutsch: Kein-Hirn-Gebiet – hinterlassen.

Das ist also Ihre abwertende und ignorante Antwort auf die ernsthaften Probleme in unserem Land.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Der Essener Polizeipräsident, Frank Richter, sagt zu dem Thema, Teile dieser Familienclans seien im Bereich des gesamten Strafgesetzbuches unterwegs.

Deutlich wird der Gelsenkirchener Wachleiter: Polizist Feldmann kann durchaus mafiöse Strukturen erkennen.

Merkwürdig ist dabei nur, dass es für diese mafiösen Strukturen nicht einmal ein aufklärendes Lagebild des LKA gibt. Auf Nachfrage heißt es immer, Familienclans würden nicht gesondert beobachtet. Da sei die Frage erlaubt, warum denn die italienische Mafia wenigstens im OK-Bericht des LKA auftaucht.

Es ist fahrlässig und höchst gefährlich, die Entwicklung in einigen Großstädten in Nordrhein-Westfalen kriminellen Familienclans zu überlassen. Statt die Dinge klar und deutlich anzusprechen und offen dagegen anzugehen, negiert die Landesregierung die Realität, die die Menschen auf der Straße schon lange mit großer Sorge betrachten.

Wir haben in unserem Antrag konkrete Punkte und Lösungsansätze aufgeführt. Diskutieren Sie mit uns, und setzen Sie diese zur Stärkung der inneren Sicherheit in unserem Land endlich um. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Golland. – Für die Fraktion der SPD spricht Herr Kollege Kossiski.

Andreas Kossiski (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU – und damit auch Herr Golland –, überprüfen Sie bitte Ihre Wiedervorlagemappen zum Thema „No-go-Areas“,

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

und verwechseln Sie Ihre ständigen Wiederholungen und Ihre Panikmache nicht mit einer tibetanischen Gebetsmühle. Das Wiederholen von Mantras hat etwas mit Religion und Glauben zu tun. Hier geht es aber um Fakten und nicht um Glauben.

Herr Golland, seit Ihrer ersten Anfrage im Jahr 2013 missbrauchen Sie den militärischen Begriff No-go-Areas. Damit begeben Sie sich in die Gefahr, Politikfelder zu verwechseln. Uniform ist nicht gleich Uniform.

(Beifall von Matti Bolte [GRÜNE])

Polizeibeamte sind demokratisch ausgebildet und arbeiten nach anderen Regeln als Soldaten in No-go-Areas.

Die ständigen, unzähligen Wiederholungen und die immer wieder falsche Benutzung dieses Begriffs bringt Sie in die Gefahr – und davor möchte ich Sie warnen, Herr Golland –, zum innenpolitischen Geisterfahrer Ihrer Fraktion auf der rechten Spur zu werden.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der SPD: Ist er ja! Ist der doch!)

Immer wieder wurde Ihnen …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine …

Andreas Kossiski (SPD): … nicht nur von uns, sondern auch von Fachleuten unmissverständlich klargemacht, dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen keine No-go-Areas kennt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hendriks von der CDU zulassen?

Andreas Kossiski (SPD): Nein, Herr Präsident. Ich möchte diese drei Minuten sprechen und die Diskussion im Innenausschuss führen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Fünf Minuten haben Sie Zeit.

Andreas Kossiski (SPD): Ja, fünf Minuten. Diese fünf Minuten würde ich aber gerne ausnutzen und die Diskussion dann im Innenausschuss führen.

Die Polizei kennt keine No-go-Areas, weil es nirgendwo auch nur eine Straße, einen Hinterhof oder einen Wendehammer gibt, in den sich unsere Polizei nicht hineintraut.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU)

In dieser Beziehung sind Sie unbelehrbar. Ich glaube auch, dass Sie mit Fakten gar nicht konfrontiert werden wollen, weil Sie etwas anderes bezwecken. Sie wollen in der Bevölkerung Ängste und Unsicherheit schüren, weil Sie sich davon politische Geländegewinne erhoffen.

(Zuruf von der CDU: Sie wollen Probleme ignorieren!)

Sehen Sie sich aber bitte vor. Passen Sie auf, dass dieser Schuss für Sie nicht nach hinten losgeht. Denn da warten noch ganz andere, die mit der Karte „Angst und Verunsicherung“ spielen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU: Dann löst die Probleme doch!)

Missbrauch von Begriffen, faktenfreies Argumentieren, ständiges Wiederholen von übelsten Unterstellungen – das kennen wir leider immer mehr aus den sozialen Netzwerken. Sie laufen Gefahr, diesen Stil hier ins Parlament zu tragen. So funktioniert keine verantwortungsvolle Opposition.

Weil ich gerade von übelsten Unterstellungen sprach: Sie schreiben in Ihrem Antrag unter II.2, Sie wollten sich im Unterschied zu Innenminister nicht damit begnügen, dass die Polizei in jede Straße hineinfahre; vielmehr müsse sichergestellt werden, dass die Beamtinnen und Beamten anschließend auch wieder heil und gesund aus diesen Straßen herauskämen.

Was wollen Sie damit, bitte schön, unserem Innenminister unterstellen? Ich kann Ihnen sagen, was diese Formulierung ist: perfide und skandalös.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Golland, nun zu Ihrem Vorschlagskatalog, was die Polizei tun sollte, um Kriminalität zu bekämpfen: Glauben Sie wirklich, dass Sie in unserem Land einen einzigen Polizeibeamten oder eine Dienststellenleiterin finden, der oder die jetzt sagt: „Um Himmels willen! Präsenz an erkannten Brennpunkten; Schwerpunkeinsätze; täterorientierte Ermittlungen; erkennungsdienstliche Behandlungen: Davon habe ich ja noch nie etwas gehört. Wieso muss uns das erst die CDU vorschlagen?“ Glauben Sie wirklich, dass Sie das unserer Polizei vorschlagen müssen?

Vorgestern hat sich der Kollege Möbius – übrigens sehr berechtigt – für die Arbeit der Polizei bedankt. Heute lesen wir in Ihrem Antrag, dass dieselbe Polizei, also die Experten für innere Sicherheit, augenscheinlich nicht weiß, was sie zur Kriminalitätsbekämpfung tun soll. Einerseits loben Sie die Polizei für ihre hervorragende Arbeit. Da unterstütze ich besonders Herrn Lürbke von der FDP, der vorgestern sogar vom täglichen Dank an die Polizei gesprochen hat; „365 Tage im Jahr“ waren seine Worte. Andererseits tun Sie von der CDU, kaum dass Sie diesen Dank ausgesprochen haben, hier so, als müssten Sie den Polizeiexperten zwischen LKA und Wache schlaue Ratschläge erteilen.

Das ist nur noch schmerzhaft und ein klassischer Beurteilungsbeitrag zu Ihrer fehlenden innenpolitischen Kompetenz. Sie müssen noch viel lernen. Insofern stimmen wir als SPD natürlich der Überweisung des Antrages in den Innenausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, bitte bleiben Sie noch einen Moment hier. Es liegt eine Kurzintervention des Kollegen Hendriks von der CDU-Fraktion vor.

Andreas Kossiski (SPD): Bitte.

Heiko Hendriks (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Kossiski, Sie haben gerade gesagt, Polizisten seien anders ausgebildet als Soldaten, nämlich demokratisch. Darüber bin ich sehr irritiert.

Wir beide kennen uns ja durch unsere Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss. Ich hoffe, dass ich das entweder falsch verstanden habe oder Sie sich versprochen haben und mit mir der Meinung sind, dass Soldaten in einem Rechtsstaat, in einer Demokratie selbstverständlich auch demokratisch ausgebildet werden, ähnlich wie Polizisten, und für unsere Sicherheit zur Verfügung stehen.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Bitte schön, Herr Kollege Kossiski.

Andreas Kossiski (SPD): Herr Hendriks, Sie haben völlig recht, wenn das so bei Ihnen angekommen ist. Wir müssen das im Protokoll nachlesen. Das ist nicht meine Intention dabei gewesen. Der Sinn war: Wir haben eine demokratische Polizei, die wir als Sozialdemokraten bereits seit Carl Severing, seit den 20er-Jahren, aufgebaut haben und die wir entsprechend schulen.

Natürlich ist die deutsche Bundeswehr genauso demokratisch, aber auf einem ganz anderen Feld. Es ist ein anderes Politikfeld. Wir sollten die Polizeiarbeit der Polizei – in der Uniform der Polizei – überlassen und nicht Begriffe aus dem militärischen Bereich verwenden, also keine Begriffsvermischung vornehmen. Denn das ist, glaube ich, in unser beider Sinne nicht der richtige Weg.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Golland, in Ihrem Antrag haben Sie sehr viele Zeitungsartikel zitiert. Erst einmal finde ich es schön, dass Sie so regelmäßig Zeitung lesen.

(Beifall von Matthi Bolte [GRÜNE])

Ich möchte auch den Qualitätsjournalismus hier in Nordrhein-Westfalen nicht sehr infrage stellen, obwohl – das sei mir erlaubt – ich bezweifeln möchte, ob es wirklich der Sache dient, wenn der eine oder andere Artikel sich wieder mit irgendwelchen internen Papieren beschäftigt, die aus der Polizei herausgetragen worden sind. Aber ich möchte hier natürlich den freien Journalismus in NRW nicht infrage stellen.

Herr Golland, nur aus der Zeitungslektüre Erkenntnisse für die parlamentarische Arbeit zu gewinnen, finde ich allerdings vom Anspruch an die Arbeit im Parlament etwas wenig.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Es wäre für die Debatte vielmehr hilfreich, wenn Sie die zahlreichen Antworten auf die vielen Kleinen Anfragen, die Sie hier stellen, auch einmal lesen würden oder wenn Sie bei den Berichten, die Sie im Innenausschuss beantragen, auch einmal zuhören würden.

Ich habe mir einmal die Kleinen Anfragen herausgesucht, die sich alle mit diesem Komplex beschäftigt haben: vom 19. Dezember 2013, vom 31. August 2015, vom 21. Dezember 2015 und vom 23. Dezember 2015.

Im Innenausschuss haben wir uns an folgenden Terminen mit diesem Sachverhalt beschäftigt: 27. August 2015, im Oktober 2015, am 19. November 2015 und zuletzt am 24. November 2016.

(Zuruf von der CDU)

Herr Golland, wenn man a) zuhören würde und b) diese Dokumente, die alle vorliegen, auch lesen würde, käme man zu folgenden Erkenntnissen:

Erstens. Die Antwort auf die Problembezirke, die wir in Nordrhein-Westfalen haben – noch einmal: hier leugnet niemand, dass wir in bestimmten Städten Problembezirke haben –, ist ein ganz klares Präsenzkonzept der Polizei, im Einzelfall unterstützt durch die Bereitschaftspolizei.

Zweitens. Notwendig sind konsequentes polizeiliches Einschreiten und Strafverfolgung. Zu dem, was Sie hier beschreiben, kann man auf Neudeutsch auch „Zero Tolerance“ sagen.

Drittens. Selbstverständlich verbietet es sich aus polizeilicher Sicht, zu den kriminellen Familienclans, die Sie immer wieder als Kriterium für ein Lagebild einfordern, ein eigenes Lagebild zu erstellen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Denn die alleinige Zugehörigkeit zu einem Familienverbund ist kein Kriminalitätsphänomen. Die Lagebilder orientieren sich aber an Kriminalitätsphänomenen und im Bereich der organisierten Kriminalität auch am Vorhandensein von Bandenstrukturen. Deswegen finden sich selbstverständlich immer wieder Strafverfahren gegen Angehörige dieser Gruppierungen im Lagebild der organisierten Kriminalität wieder. Daher bedarf es einer solchen Definition nicht.

Abschließende Bemerkung: Auch die zahlreichen Debatten, die ich gerade angeführt habe, haben gezeigt, dass es in Nordrhein-Westfalen keine rechtsfreien Räume gibt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nehmen wir einmal an, dass Sie die Kleinen Anfragen nicht lesen, in denen das alles auch widerlegt ist. Nehmen wir einmal an, dass Sie wirklich nur die Zeitungslektüre zugrunde legen möchten.

Vor einigen Tagen stand tatsächlich ein Interview mit Frank Richter – ehemaliger GdP-Chef und jetzt Polizeipräsident in Hagen – in der „Rheinischen Post“.

(Ralf Witzel [FDP]: In Essen!)

– Entschuldigung; jetzt in Essen, vorher in Hagen.

(Minister Ralf Jäger: Essen und Mülheim!)

Frank Richter hat gesagt: Es gibt keine rechtsfreien Räume. Wir haben Bezirke in Nordrhein-Westfalen – ich zitiere Frank Richter, nicht den Innenminister; vielleicht glauben Sie es dem –, in die wir mit zwei statt mit einem Streifenwagen hineinfahren.

Ich ergänze: Wir haben in Duisburg und anderswo – das wurde alles berichtet – auch Bereiche, in denen die Bereitschaftspolizei die Präsenz der Streifenpolizisten unterstützt.

Frank Richter sagt: Ja, die haben wir. Aber es gibt keine Räume, in die Polizei nicht hineingeht.

(Zurufe von der CDU)

Und das ist das, was der Begriff „No-go-Areas“ bezeichnet. Nein, die gibt es nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es gibt in Nordrhein-Westfalen auch keine Straßen, wie Sie es in Ihrem Antrag suggerieren, in die Bürger angeblich nicht mehr reinfahren können, weil sie dann sofort überfallen würden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nehmen Sie abschließend zur Kenntnis: Die Sicherheit ist in Nordrhein-Westfalen bei Rot-Grün in sehr guten Händen. Ich hoffe, dass das auch weiter so bleibt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Düker, Ihre Aussage, die Sicherheit sei bei Rot-Grün in guten Händen, will ich doch sehr stark anzweifeln.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE] und Hans-Willi Körfges [SPD])

– Nein. – Der Antrag der CDU macht das wichtige Problemfeld „Kriminalität von Großfamilien, von Familienclans“ recht deutlich. Wir haben in der Aktuellen Stunde darüber diskutiert. Natürlich ist das ein wenig ein Déjà-vu. Ich habe überlegt, wie viel von der Rede ich heute noch einmal halte. Aber wir müssen das im Ausschuss thematisieren, weil wir kein Stück weitergekommen sind, seitdem wir das letzte Mal darüber gesprochen haben.

Herr Minister, haben Sie sich eigentlich auch für Ihren Kommentar mit der No-Brain-Area entschuldigt? Das zeigt doch nur, dass die Probleme hier eben nicht angepackt werden. Das ist kein Zeichen dafür, dass die Sicherheit bei Ihnen in guten Händen wäre, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Fakt ist: Sie haben das Thema von kriminellen Familienclans und Problemstadtteilen bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur Silvesternacht im Grunde völlig verschlafen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben sogar noch mehr getan: Sie haben es kleingeredet. Sie haben es oftmals schöngeredet. Herr Kossiski, Sie haben das auch gerade wieder getan. Und dann sagen Sie sogar noch, das wäre eine faktenfreie Argumentation.

Ich möchte einmal ein paar Beispiele nennen. Wir haben im Untersuchungsausschuss von Polizeipräsidenten gehört, dass es zum Beispiel in Gelsenkirchen Tendenzen einer sich abzeichnenden Parallelgesellschaft gibt und dass man jetzt erst angefangen hat, Erkenntnisse über Clans oder Tumultdelikte auszuwerten.

Wir haben einen Eindruck bekommen, wie respektlos, wie absolut aggressiv diese Klientel bei Polizeikontrollen auftritt und sich widersetzt. Da werden Streifenwagen bespuckt, Beamte beleidigt, tätlich angegriffen, sogar dienstunfähig gewürgt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Körfges zulassen?

Marc Lürbke (FDP): Nein, ich würde gern erst weitermachen.

(Zuruf von der SPD)

Dann wurde uns durch Polizeipräsidenten und Wachleiter zugleich berichtet, dass Beamte gegen übelste Beleidigungen von aggressiven Mitgliedern von Familienclans gar nicht mehr einschreiten und Ausweiskontrollen nicht durchsetzen – nicht weil sie das nicht wollen, sondern weil sie massivste Gegenwehr und Verletzungen erlebt haben und auch weiterhin befürchten. Das wurde uns berichtet.

Zahlreiche Polizeibehörden berichten über zunehmende Eskalation bei Einsatzanlässen. Uns haben Behördenleiter berichtet, wie massiv Tumultdelikte angestiegen sind und in Zahl und Dauer Kräfte binden. Wir brauchen uns nur an die Diskussion in Düren zu erinnern.

Ich habe im Dezember 2016 die Landesregierung daraufhin einmal gefragt, wie sich die Zahl von Tumultdelikten und entsprechenden Einsatzmaßnahmen in den Jahren 2015 und 2016 bis heute in den 47 Kreispolizeibehörden des Landes darstellt.

Ihre Antwort, Herr Minister: Der Begriff „Tumultdelikt“ sei bei der Polizei Nordrhein-Westfalen landesweit einheitlich gar nicht definiert. Daher sei das auch nicht hinterlegt. Man könne nichts dazu sagen.

Kurzum: Die Landesregierung hat hier überhaupt keinen Schimmer, wie belastet und wie gefährdet unsere Beamten eigentlich sind. Das erklärt im Umkehrschluss auch Ihre Schönrederei an dieser Stelle.

Das ist kein Vorwurf an die Beamten. Ich bin sehr dankbar – Herr Kossiski hat das gerade ja noch einmal betont – für das, was unsere Beamten vor Ort hier leisten. Aber Sie müssen sie dann auch entsprechend unterstützen. Vor allen Dingen brauchen wir eine Landesregierung, die überhaupt erst einmal den Überblick hat, welchen Belastungen unsere Beamten tatsächlich ausgesetzt sind.

Meine Damen und Herren, wir haben im Untersuchungsausschuss auch erschreckende Schilderungen erhalten. Danach sind von der zweiten, dritten Generation der kurdisch-libanesischen Clanjugendlichen im Alter von 14 bis 21 Jahren 90 % ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung. Viele fahren aber trotzdem in teuren Luxus-Sportwagen herum und demonstrieren lieber Macht. Zahlreiche Jugendliche dieser Clans haben eine riesige Palette an Vorstrafen, nicht selten für Delikte wie schweren Raub bis hin zu Totschlag.

Das hat natürlich Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Bürger und auf das Sicherheitsgefühl der Menschen in diesen Stadtteilen. Das kann man doch nicht verleugnen.

Sie haben uns Ihre Strategie im Bericht an den Innenausschuss dargestellt. Ich zitiere einmal daraus:

„Eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizei, Ordnungsbehörde, Städteplanung, Gesundheitsamt, Ausländeramt, Schulamt, Jugendamt, … im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft … erscheint zur Bewältigung der Probleme erforderlich.“

Absolut korrekt. Das teile ich. Nur muss man das dann auch einmal machen. Das ist doch der Punkt.

Ich habe vor Ort nachgefragt, wie genau und seit wann diese Zusammenarbeit eigentlich erfolgt. Ich sage Ihnen: Ich war erschüttert. Gemeinsame Außeneinsätze im täglichen Einsatz mit Ausländeramt, Schulamt und Jugendamt finden nach Aussage der Polizeibeamten vor Ort schlicht nicht statt. Es fehlt doch tatsächlich an Umsetzung dieser Ideen. Wir brauchen diese Unterstützung.

Damit bin ich auch am Schluss meiner Rede. Meine Damen und Herren, der CDU-Antrag enthält richtige Forderungen. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben, dass einige dieser Forderungen überwiegend von uns stammen. Die CDU hat sie von uns übernommen. Aber das ist in Ordnung.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das macht den Antrag nicht besser!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, die Redezeit.

Marc Lürbke (FDP): Ja. – Wir brauchen eine Landesregierung, die diese Probleme endlich anpackt, statt Dinge schönzureden. Ich bin auch der Meinung, dass wir dieses Lagebild brauchen. Wir brauchen vor allen Dingen weitere Unterstützung für unsere Polizeibeamten. – Herzlichen Dank.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schatz.

Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer! No-go-Areas – schon wieder! Da könnte man meinen: Herr Golland hat seine Rede aus dem Oktober 2016 einfach ein bisschen gekürzt, ein paar Zeitungsartikel dazugepackt, und schon haben wir einen neuen Antrag für den Innenausschuss. Man merkt: Wir haben Wahlkampf. Aber egal, ob Wahlkampf oder nicht: Die Fakten werden sich dadurch auch nicht ändern.

Ich möchte zunächst ein paar Aspekte anführen, bei denen ich mit Ihnen übereinstimme. Es gab und gibt in dieser Landesregierung einige Versäumnisse. Das will ich nicht bestreiten. In dieser Amtszeit des Ministers gab es eine Vielzahl von Skandalen, für die sich Minister mit Format schon allein aufgrund der Vielzahl der Skandale geschämt hätten, weiterhin so am Amt zu kleben, wie es Herr Minister Jäger selbst nach einem Skandal wie Amri und dem Berlin-Attentat noch immer macht.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das ist wahr!)

Ich will mit Ihnen auch nicht darüber streiten, dass die Lage insgesamt besser sein könnte. Aber, ganz ehrlich: Wann ist das nicht der Fall?

Es stimmt auch, dass es noch immer viele Kriminalitätsbereiche gibt, in denen es alles andere als rosig aussieht, beispielsweise bei der Einbruchskriminalität. Dort müssen wir natürlich etwas tun. Das war hier schon öfters Thema.

Auch aus meiner Sicht hat die Landesregierung in diesem Bereich schlichtweg versagt. Da hätte man schon viel früher ansetzen müssen. Das ist keine Frage. Hier muss man aber bestimmt nicht mit mehr Repression tätig werden, wie Sie, liebe CDU-Fraktion und liebe FDP-Fraktion, das hier immer fordern – Repression bringt in diesem Bereich nämlich so gut wie gar nichts –, sondern mit mehr Prävention, vor allem durch Förderung zum Beispiel von Sicherheitstechnik oder durch Änderungen im Baurecht, sodass beispielsweise bei Neubauten oder Modernisierungen von Gebäuden entsprechende Schutzklassen bei Fenstern und Türen gegen Einbrüche zwingend vorgeschrieben sind.

Herr Golland, auch wenn ich da mit Ihnen übereinstimme, muss ich – bei allem Verständnis für Wahlkampf – sagen: Sie müssen einfach damit aufhören, nicht nur an vielen Fakten vorbeizureden, sondern auch sogar das genaue Gegenteil der tatsächlichen Faktenlage zu behaupten.

Sie zeichnen hier in völlig unsachlicher und populistischer Art und Weise ein Bild der Realität, das so einfach nicht existiert. Es wird nicht alles schlimmer. Die Gesellschaft wird nicht immer krimineller. Das genaue Gegenteil ist der Fall. In vielen Bereichen, insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität, auf die in Ihrem Antrag ein besonderer Fokus gelegt wird, sind die Zahlen rückläufig.

Zum Beispiel ist die Zahl der Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte im Langzeitvergleich rückläufig. Die Jugendkriminalität sinkt. Auch schwere Kriminalität wie Mord und Totschlag geht zurück. Selbst bei den Wohnungseinbrüchen, bei denen zurzeit tatsächlich wieder ein Anstieg zu verzeichnen ist, sind die Zahlen trotzdem noch geringer, als sie es vor einigen Jahren schon einmal waren.

Ich stimme mit Ihnen auch in Folgendem überein: Einige dieser Erfolge sind mit Sicherheit nicht unbedingt der Erfolg dieser Landesregierung. Vielmehr sind die Gründe wesentlich leichter erklärbar. So ist zum Beispiel der Rückgang im Bereich der Jugendkriminalität hauptsächlich auf den demografischen Faktor zurückzuführen. Wo es weniger Jugendliche gibt, gibt es natürlich auch weniger Jugendkriminalität. Das dürfte klar sein. Aber wer oder was auch immer dafür verantwortlich ist – Fakt ist: Gewaltkriminalität befindet sich auf dem absteigenden Ast. Das ist auch gut so.

Generell leben wir und lebten wir schon immer in einer der sichersten Regionen der Welt. Jetzt kommen Sie und versuchen immer wieder, hier – ich nenne es einmal so – alternative Realitäten zu konstruieren. Dafür nutzen Sie populistische Kampfbegriffe wie „No-go-Areas“. Das ist nichts weiter als ein Kampfbegriff. Er hat natürlich vor allem bei Wählern am rechten Rand einen wunderbaren Marketingeffekt, bildet aber die Realität schlichtweg nicht ab. Es gibt keine Regionen, in die sich Polizisten nicht hineintrauen oder aus denen sie nicht wieder herauskommen.

Natürlich gibt es immer wieder gefährliche und brenzlige Situationen, in denen Polizeibeamte auch verletzt werden. Auch ich war schon in der einen oder anderen solchen Situation. Zum einen ist das aber doch nicht auf bestimmte Örtlichkeiten beschränkt. Zum anderen – das ist viel wichtiger – hatte ich persönlich – das geht auch den Kollegen so, mit denen ich spreche – immer und zu jeder Zeit das absolute Vertrauen in meine Kollegen und vor allem die absolute Gewissheit, dass ich auch in solchen Situationen niemals im Stich gelassen werde, und zwar völlig egal, wo ich mich gerade befand.

Herr Golland, es ist nicht die Realität, die den Menschen Angst macht und ihr Sicherheitsgefühl negativ beeinträchtigt. Im Gegenteil: Wenn man sich die Kriminalitätsentwicklung insgesamt anschaut, müssten sich die Menschen hier im Lande eigentlich immer sicherer fühlen. Das tun sie aber nicht. Die Frage ist: Warum ist das so? Das kann ich Ihnen sagen. Es liegt einzig und allein an Debatten wie dieser hier. Sie versuchen, aus Gründen des Wahlkampfes faktenfreie Realitäten zu konstruieren. Sie konstruieren eine Wirklichkeit der Angst, eine Wirklichkeit der Unsicherheit.

Debatten wie diese hier – vor allem in der Art und Weise, wie sie geführt werden; es sagt ja niemand, dass Sie diese Debatten gar nicht führen sollen – sind dafür verantwortlich, dass die Menschen sich bewaffnen, dass der Fremdenhass zunimmt, dass Rassismus wieder gesellschaftsfähig wird. Dafür sollten Sie sich meiner Meinung nach wirklich schämen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es läuft in dieser Debatte darauf hinaus: Wie definieren wir sogenannte No-go-Areas? In den USA wird dieser Begriff für Gegenden verwendet, die die Polizei meidet. Solche Gegenden gibt es nicht in Nordrhein-Westfalen, gibt es nicht in Deutschland. Unsere Polizei geht dahin, wo sie gebraucht wird.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich habe zumindest den Eindruck gewonnen, dass wir in der Debatte darüber inzwischen einen Fortschritt erzielen, weil selbst Sie, Herr Golland, in Ihrer Rede nicht mehr die These aufrechterhalten haben, dass es Gegenden gebe, in denen ein rechtsfreier Raum existiere.

Meine Damen und Herren, wir haben aber in Nordrhein-Westfalen und in anderen Bundesländern auch Angsträume. Das muss man ehrlich benennen. Angsträume sind allerdings etwas anderes als Kriminalitätsschwerpunkte. Oftmals ist es das subjektive Empfinden der Menschen und weniger die tatsächliche Gefahr, die für Angst sorgt. Dunkle, schlecht ausgeleuchtete Straßenzüge, unübersichtliche, schlecht einsehbare Ecken, heruntergekommene Häuser – all dies ist objektiv für sich gesehen nicht bedrohlich.

Solche Orte gibt es in jeder größeren Stadt. Aber – das müssen wir sehr ernst nehmen – die Menschen empfinden diese Viertel als bedrohlich. Diese Angsträume entstehen mehr als Gefühl und weniger als reale Gefahr.

Dass es solche Viertel gibt, darf nicht beschönigt werden – ganz im Gegenteil. Das thematisieren wir. Dem stellen wir uns auch. Deshalb ist es wichtig, das Problem zu kennen – vor allem, wenn man Lösungen erarbeiten will.

Meine Damen und Herren, das geht nur, wenn wir aktiv in diese Stadtteile hineinwirken, mit allen Akteuren vor Ort zusammenarbeiten und gemeinsam passgenaue Lösungen herausarbeiten, und zwar ganzheitlich. Das umfasst eben nicht nur den Aspekt der Sicherheit, sondern vor allem auch Integration von Zuwanderern und Geflüchteten, Städtebau, Schulpolitik und Sozialpolitik.

Wir haben das als Landesregierung früh erkannt. Wir haben darauf reagiert, beispielweise mit dem Integrationsplan für Nordrhein-Westfalen, mit dem erneuerten Wohnungsaufsichtsgesetz von 2014 oder ganz aktuell mit dem Modellvorhaben „Problemimmobilien im Kontext der Zuwanderung aus Südosteuropa“. Uns ist wichtig, dass die Menschen in Quartieren leben, die sie auch als lebenswert empfinden. Dazu gehört eben auch, dass die Menschen sich dort sicher fühlen können.

Seit Anfang 2016 schicken wir deshalb verstärkt Hundertschaften der Bereitschaftspolizei in die Schwer­punktbehörden. Dort haben wir mehr Präsenz der Polizei auf der Straße, um präventiv wirken zu können.

Die rückläufigen Fallzahlen im Bereich der Straßenkriminalität geben uns recht, dass das die richtige Entscheidung war und ist. Wer sich zum Beispiel mit dem Leiter der Polizeiinspektion Dortmund-Nord unterhält, erfährt beispielsweise, dass sich mehr Kolleginnen und Kollegen in dieser Polizeiinspektion bewerben, als freie Stellen vorhanden sind.

Meine Damen und Herren, was in dieser Debatte nutzen kann, ist ein Blick auf die Realität – übrigens nicht nur in dieser Debatte. Herr Golland, es ist deshalb sehr gut, dass Sie sich Mitte des letzten Jahres in die Dortmunder Nordstadt gewagt haben. Grund dafür ist nicht so sehr Ihr eigenes Interesse, sondern die Reaktion der CDU-Vorsitzenden im Stadtbezirk Innenstadt-Nord auf Ihre Kleine Anfrage zu No-go-Areas.

Ich zitiere Ihre Parteifreundin:

„Mein Gott, wer hat das denn veröffentlicht? Diese Aussagen sind eine Frechheit. Das sagen Leute, die hier nicht wohnen.“

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe daher den Tagesordnungspunkt 2.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/14015 an den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

3  Landesregierung muss Digitale Modellstadt nach Nordrhein-Westfalen holen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/14010 – Neudruck

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/14081

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/14094

Ich eröffne die Aussprache und erteile zu diesem Tagesordnungspunkt für die Fraktion der FDP dem Kollegen Hafke das Wort.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor rund einem halben Jahr ist das E-Government-Gesetz in Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten. Auch bei diesem Gesetz – das ist wenig überraschend – war die rot-grüne Landesregierung sehr zögerlich unterwegs. Andere Länder wie Bayern und Berlin sind weiter und haben schneller die Grundlagen für eine digitale Verwaltung gelegt.

Dennoch ist das Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung; denn die Digitalisierung der Verwaltung ist ein wesentlicher Bestandteil eines modernen, unkomplizierten und bürgernahen Staates. Bedauerlich ist jedoch einmal mehr, dass SPD und Grüne zwar einen Schritt in die richtige Richtung machen, dieser Schritt allerdings sehr klein ausfällt. Denn wie insgesamt im Bereich der Digitalisierung, fehlt es der Koalition an zwei maßgeblichen Faktoren: Ideen und Ambitionen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, so sieht das E-Government-Gesetz vor, die Verwaltungsabläufe der Landesbehörden bis zum Jahr 2031 zu digitalisieren. Das sind satte 14 Jahre. Das iPhone gibt es seit zehn Jahren. Solche Zyklen sind zu lang, so etwas muss schneller gehen. Wenn Nordrhein-Westfalen in diesem Schneckentempo vorangeht, werden wir nie an die Spitze der digitalen Entwicklung kommen.

Wer aber will, dass unser Land im Ländervergleich und bei anderen Rankings nicht immer am Tabellenende steht, der muss auch einmal auf die Spitze setzen. Das muss unser Anspruch sein.

Der Wettbewerb „Digitale Stadt“ des Branchenverbandes Bitkom wäre dafür eine ideale Gelegenheit. Bitkom und diverse Partnerunternehmen wollen im Rahmen des Wettbewerbs eine Modellstadt auf den Weg bringen, von der eine internationale Leuchtturm- und Vorbildfunktion ausgeht. Mit der Modellstadt soll gezeigt werden, dass Deutschland ein Vorreiter der intelligenten und digitalen Stadtentwicklung sein kann. Für uns sollte das Ansporn sein. Die Idee sollte uns elektrisieren: Eine Stadt der Zukunft auf Basis modernster Infrastruktur, innovativer Energieversorgung und zukunftsweisender Konzepte für Mobilität, Verwaltung, Gesundheit, Bildung und Sicherheit.

Schade ist, dass Herr Hübner den Antrag noch nicht einmal gelesen hat. Er hat zitiert und gesagt, es würde dort nicht um Bildung gehen. Es steht aber – das ist ein ganz entscheidender Punkt – drin.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD]: Schule!)

– Ja, für mich hat Schule etwas mit Bildung zu tun. Aber das macht nichts! Für die SPD mag das ja unterschiedlich sein.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deswegen kann ich hier an der Stelle die SPD nur auffordern, sich damit intensiv zu beschäftigen. Sie haben ja einen eigenen Antrag gestellt. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen.

Wir Freien Demokraten sind davon überzeugt: Wenn wir es schaffen, diese Modellstadt nach Nordrhein-Westfalen zu holen, kann davon auch ein Katalysatoreffekt im Hinblick auf viele weitere Kommunen im Land ausgehen. Deshalb müssen sämtliche Anstrengungen unternommen werden, dieses Projekt zu unterstützen.

Das gilt ganz besonders, weil unser Land beste Chancen hat, die Siegerstadt des Wettbewerbs zu stellen; denn rund ein Dutzend Kommunen kommen für eine Bewerbung in Betracht. Eine Voraussetzung ist, dass die in Frage kommende Stadt ungefähr 100.000 bis 150.000 Einwohner zählt. Außerdem wird eine gute Infrastruktur und Hochschulnähe vorausgesetzt. Wer kann da besser punkten als Nordrhein-Westfalen mit seiner vielfältigen Forschungslandschaft und seinem dichten Infrastrukturnetz?

Ein weiteres wettbewerbsrelevantes Kriterium ist die Unterstützung der Kommunen durch die Akteure vor Ort. Dabei wird auch explizit die Landesregierung genannt. Das ist eine eindeutige Aufforderung an Sie. Wir erwarten, dass die Landesregierung diese Aufforderung kennt und ihr nachkommt. Deshalb muss sie nun schnell reagieren und Unterstützungsstrategien für alle in Frage kommende Kommunen entwickeln. Aus unserer Sicht muss dazu auch die Finanzierungszusage für die Vor-Ort-Projektteams gehören. Im besten Fall begleiten diese die Siegerkommune für die Jahre der Implementierung des Programms und darüber hinaus und vernetzen sich mit entsprechenden Teams in anderen Kommunen. So kann ein echter flächendeckender Digitalisierungsimpuls in Nordrhein-Westfalen entstehen.

Deshalb fordern wir die Landesregierung zu entschlossenem Handeln auf. Zögern Sie nicht wieder, zaudern Sie nicht wieder, erklären Sie nicht wieder, was alles nicht funktioniert, feiern Sie sich nicht dafür, dass Sie sich angeblich schon ausreichend einsetzen! Und es wäre auch schön, wenn eine Landesregierung dieser Debatte auf den Regierungsbänken beiwohnen und sich den Redner entsprechend anhören würde, Herr Minister. Sie können aber vielleicht in Ihrer Stellungnahme gleich erklären, wie Sie dazu stehen.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD]: Da ist er doch!)

– Na ja, die Landesregierung würde schon entsprechenden Respekt zeigen, wenn sie auf den Regierungsbänken anwesend wäre.

(Zurufe von der SPD)

– Sie haben nicht zugehört. Ich habe gesagt: Wenn der Minister auf der Regierungsbank dem Redner auch zuhört, ihm Respekt entgegenbringt und während der Rede desselben nicht andere Debatten führt. Das wäre vernünftig!

(Weitere Zurufe von der SPD)

– Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen.

Ich gebe Ihnen einen guten Appell mit. Sie haben ja einen eigenen Antrag gestellt, mit dem die Landesregierung gebeten wird, aktiv zu werden. Ich hoffe, Sie werden gleich auch unserem Antrag zustimmen; denn in ihm wird die Landesregierung nicht nur gebeten, sondern darin wird sie auch explizit aufgefordert, tätig zu werden. Ich gehe davon aus, dass Sie wahrscheinlich unserem Antrag nicht zustimmen werden. Das werde ich so zur Kenntnis nehmen. Für uns ist es allerdings ganz entscheidend, dass dieses Projekt nach vorne gebracht wird. Deswegen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass der Minister diese Erkenntnis dann gleich mit auf den Weg nimmt und uns die entsprechende Unterstützungen zusagt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hafke. – Und für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Stein.

Robert Stein (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Das gesamtheitliche Entwicklungskonzept der Smart City zielt darauf ab, Städte in unserer digitalen Welt technologisch fortschrittlicher und effizienter zu gestalten. Die intelligente Vernetzung von Geräten schafft durch Synergien und eine smarten Steuerung einen Mehrwert für die Städte und ihre Bürgerinnen und Bürger.

Der Aufbau und die Entwicklung einer digitalen Modellstadt ist in der Tat eine große Chance für Nordrhein-Westfalen, sich als Innovationsstandort mit innovativem Stadtentwicklungskonzept zu präsentieren. Darüber hinaus werden durch eine erfolgreiche Bewerbung städtebauliche Infrastrukturprojekte gefördert, sodass sich eine positive Wirkung für die Region entfalten kann.

Deswegen wollen wir unseren Kommunen volle Unterstützung bei der Teilnahme am Bitkom-Wettbewerb „Digitale Modellstadt“ ermöglichen. Eine Modellstadt ist ein wichtiger Schritt für die digitale Transformation in unserem Land. Sie vermag aber nicht – das muss man auch ganz deutlich sagen –, die Versäumnisse dieser Landesregierung zu kompensieren. Die Landesregierung hat es auch hier wieder verschlafen, proaktiv tätig zu werden, und hat, wie so häufig, nur mit einem Entschließungsantrag nachgezogen. Das Motto „reagieren statt agieren“ scheint sich wie ein roter Faden durch die Legislaturperiode zu ziehen.

Gestern haben Sie uns noch Ihre nordrhein-westfälische 5G-Strategie vorgestellt. Das ist eine reine Mogelpackung bzw. ein Etikettenschwindel, da die Bundesregierung mit ihrer 5G-Initiative hier schon längst tätig geworden ist, wobei Nordrhein-Westfalen gebührend berücksichtigt wird. Heute haben wir dasselbe Spiel hier: Die Opposition stellt einen wichtigen, fortschrittlichen Antrag, der unser Land bei der digitalen Transformation unterstützen soll. Und Sie ziehen wieder nur nach mit einem Entschließungsantrag. Das ist ein Offenbarungseid.

(Beifall von der CDU)

Heute müssen wir eben feststellen, dass es selbst bei dieser Bewerbung für Zukunftsprojekte bei Ihnen hapert. Sie beweisen ein weiteres Mal, bezogen auf die Digitalisierung, dass Sie dieses Land nicht führen und auch nicht zukunftsfähig aufstellen können.

Während hier debattiert wird, meine Damen und Herren von Rot-Grün, ist die digitale Transformation draußen längst im Gange. Wir müssen einfach zusehen, dass wir diesen Prozess nicht gänzlich verschlafen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass hier ab Mai die Weichen neu gestellt werden und dieses Land in die Zukunft geführt wird. Das werden Sie jedoch nicht schaffen. Ich habe mir schon Ihren bisher entwickelten Programmentwurf angeschaut.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Oh, gut!)

Darin findet sich jedoch nur ein oberflächliches Sammelsurium an Digitalisierungsthemen, ähnlich in der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin.

(Zurufe von der SPD – Oliver Bayer [PIRATEN]: Bitkom-Regierung!)

– Ja, das wollen Sie zwar nicht hören, aber es ist die Wahrheit.

Wir müssen jetzt die Weichen stellen, weil uns die Zeit davonläuft.

(Beifall von der CDU und der FDP)

In diesem Sinne ist es wichtig, dass Sie ab Mai hier nicht weiter regieren können; denn Sie können nur reagieren, während wir in Zukunft aber agieren wollen. Wir wollen dieses Land handlungsfähig machen, und das ist gerade im Bereich der Digitalisierung wichtig. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Stein. – Nun spricht Herr Vogt für die SPD.

Alexander Vogt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hafke, Herr Stein, Sie haben mitbekommen, dass Wahlkampf ist. Wenn wir uns die verschiedenen Anträge ansehen …

(Christof Rasche [FDP]: Ein Redenschreiber für alle! – Heiterkeit von der CDU und der FDP)

– Ja, dass FDP und CDU denselben Redenschreiber haben, merken wir mittlerweile. Herr Lindner hält schließlich schon auf den Neujahrsempfängen der CDU Reden. Wahrscheinlich wünscht sich die CDU gern einen besseren Redner, den sie in den eigenen Reihen nicht hat.

(Heiterkeit von den GRÜNEN und von Michael Hübner [SPD])

Aber das sei einmal dahin gestellt. Das müssen Sie dann mit Herrn Laschet abklären.

Kommen wir zurück zum Thema! Das Thema „Digitalisierung“ hat uns in den letzten Jahren schon recht häufig beschäftigt. Wir haben bereits einige Zielsetzungen diskutiert, nämlich dass wir als Politik die Digitalisierung positiv gestalten und auf Probleme hinweisen wollen. Wir wollen auch die wirtschaftlichen Gesichtspunkte betrachten. Auch die Tatsache, dass die Digitalisierung für den Wirtschafts- und Industriestandort Nordrhein-Westfalen relevant ist, haben wir hier schon vielfach diskutiert.

Wie wir gerade gehört haben, versuchen Sie beide natürlich, alles schlechtzureden, was im Bereich Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen bisher auf den Weg gebracht wurde. Nordrhein-Westfalen ist jedoch bei näherem Hinsehen, Herr Hafke – das können wir nur immer wiederholen –, bei der Breitbandversorgung das bestausgebaute Flächenland in Deutschland. Wir sind besser aufgestellt als Bayern und Hessen. Ich sage das, weil Sie immer wieder auf diese Bundesländer verweisen.

(Zuruf von Robert Stein [CDU] – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Herr Minister Duin hat im August letzten Jahres eine Gigabitstrategie vorgelegt, die zwei große Ziele hat. Das erste Ziel ist, in einem ersten Schritt bis 2018 rund 500 Millionen € zu investieren, um die Breitbandversorgung und den Glasfaserausbau in Gewerbegebieten voranzubringen, den ländlichen Raum zu fördern, Schulen ans Netz zu bringen und in einem zweiten Schritt mit einem Infrastrukturziel bis 2026 flächendeckend Glasfaser auszurollen. Das ist eine Zielsetzung, die Nordrhein-Westfalen zu diesem Zeitpunkt von allen anderen Bundesländern unterscheidet.

Wir haben gestern über das Thema „5G“, also über den zukünftigen Mobilfunkstandard gesprochen. Dazu haben wir als Rot-Grün einen Antrag eingebracht, der in dieser Art und Weise nicht von Ihnen abgelehnt werden konnte.

(Robert Stein [CDU]: Etikettenschwindel!)

Sie haben natürlich nach Gründen dafür gesucht und auf den Bund verwiesen.

(Robert Stein [CDU]: Der Bund macht es doch nicht!)

Wir jedoch gehen mit Nordrhein-Westfalen voran und wollen diesen neuen Standard hier in Nordrhein-Westfalen fördern.

(Beifall von der SPD – Robert Stein [CDU]: Das ist Etikettenschwindel!)

Jetzt komme ich auf den Antrag zu sprechen. Der Antrag der FDP geht grundsätzlich in eine richtige Richtung. Deswegen ist es auch überhaupt nicht sinnvoll, Nordrhein-Westfalen in diesem Punkt schlech­treden zu wollen.

Wir halten den Gedanken, sich für die Digitale Modellstadt zu bewerben, sowie den Wettbewerb, der von Bitkom beschrieben wird, auch für eine gute Sache. Wir gehen mit unserem Antrag jedoch einen Schritt weiter. Wir sind somit nicht komplett dagegen, wir sagen lediglich, dass auch kleiner Gemeinden und Städte die Möglichkeit haben sollten, daran teilzuhaben. Aus diesem Grund wollen wir darauf hinweisen, dass sich solche Städte und Gemeinden, die aneinander angrenzen, bei der Bewerbung zusammenschließen können. Wir wollen, dass die kommunalen Spitzenverbände in diesen Beratungs- und Bewerbungsprozess einbezogen werden, und ja, wir wollen – und damit liegen wir auch nicht so weit auseinander –, dass das Projektmanagement vor Ort gegebenenfalls auch finanziell gefördert wird.

Wir halten unseren Antrag für weitreichender als Ihren. Deshalb bitten wir um Zustimmung für unseren Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den Grünen)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Vogt. – Für die grüne Fraktion spricht jetzt unser Kollege Herr Bolte.

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich war doch ein bisschen überrascht über die Schärfe, die insbesondere Herr Stein und Herr Hafke mit Ihren Wortbeiträgen in die Debatte gebracht haben. Schließlich liegen – das erwähnte der Kollege Vogt bereits – unsere Forderungen gar nicht so weit auseinander.

Nichtsdestotrotz muss man zu diesem Antrag – sofern man ihn sich anschaut, lieber Herr Kollege Hafke, und nicht nur auf das Smartphone schaut – erst einmal Folgendes sagen: Der Antrag hat zwei Seiten. Zum einen enthält er eine sinnvolle Forderung, die wir auch im Entschließungsantrag aufgegriffen haben. Zum anderen enthält er aber vor allem auch jede Menge Wahlkampfgeflitter. Das sind die ewig gleichen Versatzstücke.

Der Kollege Rasche hatte eben einen gemeinsamen Redenschreiber für CDU und FDP vorgeschlagen.

(Angela Freimuth [FDP]: Wer hat das vorgeschlagen?)

– Nein, nein, das war ein Zwischenruf von hier vorne.

Jedenfalls sind die Versatzstücke in diesem Antrag, in dem es darum geht, wie furchtbar alles in diesem Land ist, ewig die gleichen. Wir hören sie hier jede Woche aufs Neue.

In dem Zusammenhang möchte ich auch das E-Government-Gesetz erwähnen, das in der Sachverständigenanhörung zwar als bundesweit vorbildlich bezeichnet wird, Ihnen jedoch nicht schnell genug umgesetzt wird und nicht schön genug ist. Hinzu kommt, obwohl sie an dieser Stelle gar nicht wirklich etwas damit zu tun hat, die Breitbandversorgung, über die wir heute Morgen bereits debattiert haben. Das geht alles ganz munter durcheinander. Auf diese üblichen Versatzstücke wollten wir verzichten. Wie hatten Ihnen ja angeboten, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, an der Stelle, wo es auch tatsächlich Sinn macht, zusammenzuarbeiten, nämlich nicht in der Wahlkampfrhetorik, sondern in den Forderungen.

Wenn man sich diese Forderungen anschaut, dann geht es darum, einen Beitrag zum Wettbewerb „Digitale Stadt“ hier nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Das macht Sinn, weil dieser Wettbewerb interessant ist, weil sich für viele Städte Smart City als große Herausforderung, die angegangen werden soll, stellt.

Aus grüner Sicht muss ich sagen, dass dies viele Bereiche betrifft, die für uns wichtig sind, neue Perspektiven ermöglicht. Schauen Sie sich nicht nur die ökonomischen, sondern auch die ökologischen Möglichkeiten, die etwa intelligente Verkehrskonzepte, intelligente Logistikkonzepte oder intelligente Einzelhandelskonzepte bieten, an. Wir haben in NRW schon ein paar Vorschläge mit unseren Konzepten und unserem Wettbewerb für digitalen Einzelhandel, wie es da vorangehen kann, gemacht, bis hin zur Versorgung und Bürgerserviceangeboten.

Das ist sicherlich ein spannendes Feld, wo wir hier in Nordrhein-Westfalen sicherlich gut aufgestellt sind und sicher Städte und Gemeinden haben, die sich gemeinsam auf den Weg machen können. Ich finde, der Wettbewerb ist interessant angelegt, nicht nur weil er ein interessantes Thema bearbeitet, sondern weil er ganz interessante Größenordnungen von Städten und Gemeinden anspricht.

Herr Kollege Vogt hat es eben schon gesagt. Wir haben es noch einmal in Erfahrung gebracht. Es ist auch möglich, dass Kommunen als Wettbewerbsbeitrag miteinander kooperieren. Das ist vielleicht auch noch einmal eine zusätzliche Dimension, die sinnvoll ist, die Hochschullandschaft einzubeziehen und breite Bündnisse zu schmieden. Das ist eine logische Konsequenz aus dem Thema „Digitalisierung“.

Abschließend, ohne die Zielrichtung dieses Antrags durch die Hintertür schlechtmachen zu wollen, muss man meines Erachtens schon sehr genau schauen, dass Leuchtturmprojekte, wie es diese „Digitale Stadt“ am Ende maximal sein kann, auch wirklich eine Wirkung in die Fläche entfalten müssen.

Es gab ja vor zehn Jahren eine ähnliche Geschichte mit der T-City in Friedrichshafen. Da haben wir sehen müssen, dass Leuchttürme nur dann funktionieren, wenn auf dem Ozean auch Schiffe unterwegs sind. An den Schiffen arbeiten wir seit vielen Jahren. Wenn wir es jetzt schaffen, einen Leuchtturm zu uns nach Nordrhein-Westfalen zu holen, dann soll uns das gefallen. Das machen wir gerne. Wir machen nicht den Wahlkampf mit Ihnen gemeinsam, aber an einer Stelle, wo wir uns in der Zielrichtung einig sind, kann man vier Monate vor der Wahl ein gemeinsames Signal abgeben.

Insofern hoffe ich, dass Sie sich unserem Antrag anschließen können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bolte. – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Herr Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Smarties am Stream! Der Branchenverband der Deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom veranstaltet also ein Gewinnspiel für kleine Großstädte. „Hey, guck mal Kevin, guck mal her, hier kann man was gewinnen!“, ruft die FDP ganz laut und total aufgeregt. Die FDP läuft zur Landesmutter, damit diese allen aus der Städtefamilie des Landes Bescheid geben möge: „Spielt da mit, da könnt ihr smart werden!“ Die CDU läuft hinterher, und die SPD und die Grünen quengeln: „Ach, wir wollen die gleiche Idee haben, nur viel schöner!“ Und alle rufen: „Wenn ihr da gewinnt, machen wir euch zur Smart City, der digitalen Modellstadt, Germanys Next Topmodel City.“

Aber, nun Vorsicht bei Gewinnspielen, nichts wird verschenkt!

(Ibrahim Yetim [SPD]: Das ist doch kein Kindergarten hier!)

Klar, hört sich erst einmal alles ganz smart an. Was smart ist, kann nicht schlecht sein. Smart können Sie vertrauen. Das ist eine sehr beliebte Vorsilbe, die kann nicht schlecht sein. Selbst die Piratenpartei nutzt sie. Aber sie sagt auch: Traue keiner Unternehmensbroschüre, informiere Dich!

Und dieser Wettbewerb des Branchenverbandes ist nichts anderes als eine gemeinsame Unternehmensbroschüre mit 18 Unternehmen, mit einer Menge Buzz-Word-Bingo, und nicht nur das. Darin ist sogar eine echte Ungeheuerlichkeit enthalten. Unter „Anforderungen des Wettbewerbs“ findet man den Unterpunkt „Unterstützung durch die Landesregierung“. Das führen die da so unter dem Punkt „Anforderungen“ auf. Das setzen die so einfach mal voraus. Nicht nur FDP und CDU springen über das Stöckchen, nein, die Koalitionsfraktionen springen auch. Mit einem Entschließungsantrag legen sie noch eine Informationsveranstaltung oben drauf – wir haben es ja!

Hey, bei Gewinnspielen, bei denen man erst einmal etwas zahlen muss, gewinnt man ja auch immer, ist ja klar. Aber im Ernst: Es zeigt sich hier beispielhalft, wie gut Politik, Politiksteuerung und Regierungssteuerung durch multinationale Industriekonzerne funktioniert, in der Praxis, auch in Nordrhein-Westfalen.

Es gibt noch ein Problem, nämlich die Problemstellung, die es nicht gibt. Es wird hier nicht vom Problem her gedacht, sondern von der Technologie her, schlimmer: vom Geschäft her. Es wird gedacht: Wir wollen etwas verkaufen, wir wissen auch schon was. Wir kommen sogar vorbei und probieren es in Ihrer Küche aus. Aber was ist der Bedarf? – Trauen Sie da der Statistik des Bitkom? Es wird eben nicht zuerst gefragt: Welche Bedürfnisse haben die Menschen in der Stadt? Wie können wir diesen Bedürfnissen gerecht werden? – Ohne die Antwort darauf ist smart nur smart, ohne gerecht nicht smartgerecht.

Die digitale Revolution bietet Chancen, das wissen wir. Aber man muss mit ihnen umgehen. Die digitale Revolution muss vor allem den Menschen und auch allen Menschen gleichermaßen zugutekommen. Die Stadt und die Stadtverwaltung müssen transparent werden, aber die Stadt mit den neuinstallierten Tools darf nicht zum Instrument der Überwachung der Menschen führen.

Smart World, Smart Europa, Smart NRW, Smart Landschaftsverband, Smart Bezirk, Smart Kreis und auch Konzepte für die „Digitale Stadt“, also Smart Cities bis ins Smart Home gehen fließend ineinander über. Wir sprechen hier über die digitale Gesellschaft von alten und neuen Infrastrukturarten, die sich in allen Lebensbereichen wiederfinden.

Das Fazit ist da ganz einfach: Das Land muss einen Wettbewerb ausrufen, bei dem sich die Unternehmen um ein Stück vom Smart-Kuchen bewerben dürfen und nicht umgekehrt. Die Regierung selbst soll einen Rahmen und Regeln für eine neue Infrastruktur entwickeln und die Städte und Gemeinden damit unterstützen. Die Regierung selbst soll sich für gemeinsame Schnittstellen einsetzen sowie Kontrollinstanzen und Kontrollprozesse definieren.

Sorgen Sie dafür, dass die Unmengen an Daten, die durch Smart-Projekte in Zukunft generiert werden, anonymisiert eingesetzt werden können und frei verfügbar sind, sodass auch die Wissenschaft die Daten umgehend für Forschung und Entwicklung nutzen kann.

Überlassen Sie das Initiativrecht nicht allein der Industrie! Die Unternehmen dürfen gern etwas machen, aber lassen Sie sich nicht vor den Karren spannen. Die Industrie hat Kompetenzen, aber nicht diese Kompetenzen. Lassen Sie die Regierung selbst Verantwortung übernehmen. Wir brauchen kein Gewinnspiel für nur eine Stadt, sondern ein Netz voller Gewinnerstädte.

Stimmen Sie deshalb doch ganz einfach für unseren Entschließungsantrag und lehnen Sie Ihre eigenen Anträge ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bayer. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Duin das Wort.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen Punkt, der in der Diskussion gerade eine Rolle gespielt hat, will ich gern aufgreifen. Wenn es um die Zukunft der Entwicklung beispielsweise Smarter Cities geht, braucht man in der Tat keinen Verband, um irgendwie auf die Idee gebracht zu werden, sondern wir haben mit der digitalen Strategie und einer sehr konsequent auf Digitalisierung ausgerichteten regionalen Strukturpolitik die Voraussetzungen dafür bereits an vielen Stellen sehr gut bereitet.

Ich nenne ein Beispiel: Gelsenkirchen. Gemeinsam mit einem Unternehmen werden dort smarte Lösungen für die Stadt der Zukunft entwickelt, etwa Autos, die dem Fahrer den Weg zum nächsten Parkplatz zeigen, die Mülltonne, die mitteilt, wann sie geleert wird, die Straßenlaterne, die sich dimmt, wenn niemand in der Nähe ist. Darüber hinaus gibt es viele andere Anwendungsmöglichkeiten. Das alles wird zwischen Stadt und Unternehmen gemeinsam mit einigen weiteren Partnern, unter denen sich auch die Hochschule befindet, auf den Weg gebracht.

Das passt zum Beispiel ganz hervorragend in den gerade noch laufenden Projektaufruf „Umbau 21 – Smart Region“. Da geht es darum, die gesamte Emscher-Lippe-Region über Gelsenkirchen hinaus als Modellgebiet für die Umsetzung bedeutender Innovationen und neuer Geschäftsmodelle durch die Nutzung digitaler Technologien fitzumachen. Ich bin sehr gespannt – noch ein paar Wochen lang, bis zum 17. Februar, werden dort die Ideen eingereicht –, was wir in dieser Region realisieren können.

Insofern spricht nichts dagegen, dass als weiteres Element solcher Entwicklungen der Bitkom-Verband im letzten Jahr den Wettbewerb „Digitale Stadt“ gestartet hat und sich viele in Nordrhein-Westfalen Gedanken darüber machen, ob sie an einem solchen Wettbewerb, der für digitale Lösungen auf kommunaler Ebene als Schaufenster dienen kann, teilnehmen und was dafür die Voraussetzungen sind.

Diese sind zum Teil schon erwähnt worden. Das wird nicht für Kommunen jeder Größenordnung interessant sein. Gesucht wird eine Kommune in der Größenordnung von 100.000 bis 150.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Wenn man sich das in Nordrhein-Westfalen vor Augen führt, kommt etwas mehr als ein Dutzend Städte in Betracht. Gelsenkirchen zum Beispiel ist mit über 250.000 Einwohnern in dieser Größenordnung nicht passend. Wenn man das identifiziert, sieht man schnell, dass von Mülheim an der Ruhr über Herne, Neuss, Paderborn und Bottrop, Recklinghausen, Bergisch-Gladbach, Remscheid, Moers, Siegen, Gütersloh oder Witten eine ganze Reihe von Städten in dieser Richtung infrage käme.

Wenn man sich darüber hinaus die Kriterien anschaut, sieht man: Es muss tatsächlich um städtische Prägung gehen. Wenn sich ein paar Kommunen zusammenschließen, die sehr ländlich strukturiert sind, um diese Größenordnung zu erreichen, wird das vermutlich auch nicht positiv zu Buche schlagen. Es geht um eine gute infrastrukturelle Anbindung. Und es geht nicht zuletzt darum, dass es eine Hochschule vor Ort oder in unmittelbarer Nachbarschaft gibt. Dann grenzt sich dieser Kreis schon wieder etwas ein.

Deswegen bin ich den regierungstragenden Fraktionen sehr dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen haben. Das Ministerium unterstützt – dabei ist es nicht allein – die Bewerbungen, die es für diesen Wettbewerb geben wird. Wir befinden uns in engem Austausch mit den infrage kommenden Kommunen.

Aber wir machen das nicht als Wirtschaftsministerium, das in vielen Fragen der Digitalisierung die Federführung hat, allein, sondern wir machen das in enger Abstimmung mit dem Kollegen Groschek, mit dem Stadtentwicklungsministerium. Denn wenn man Smart City richtig versteht, sieht man: Es geht nicht nur darum, neue digitale Geschäftsmodell an einem bestimmten Ort entstehen zu lassen, sondern es geht auch darum, Stadtentwicklungsfragen mit in diese Bewerbungen einzubeziehen.

Nach Abgabe der Bewerbungen und nach Treffen der Entscheidung können wir beurteilen, mit welchen weiteren Unterstützungsmöglichkeiten – eine Finanzierung aus dem EFRE wird aus meiner Sicht sehr schwierig sein – wir an der Seite dieser Kommunen stehen können.

Was wir dafür jedenfalls nicht brauchen – das unterscheidet den Antrag von SPD und Grünen von dem der FDP; „unverzüglich“ wird da hineingeschrieben“ –, ist eine Extraprojektgruppe oder gar eine Blaupause dafür. Die gerade genannten Städte machen deutlich, dass das nicht mit Blaupause geht, sondern dass es sich um individuelle Lösungen handeln muss. Dafür brauchen wir keine Projektgruppe, sondern setzen auf die vorhandenen Strukturen der Zusammenarbeit zwischen den Ministerien mit den Verantwortlichen in den Kommunen.

Ich bin mir sehr sicher, dass die nordrhein-westfälischen Bewerbungen eine gute Aussicht auf Erfolg haben. Wir werden die Kommunen, die sich bewerben, dabei tatkräftig unterstützen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kommen wir zur Abstimmung. Drei Abstimmungen sind vorzunehmen.

Zunächst stimmen wir über den Antrag von CDU und FDP ab. Beide Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Also stimmen wir über den Inhalt des Antrags ab. Wer stimmt dem zu? – CDU und FDP. Gibt es Gegenstimmen? – SPD, Grüne, Piraten und Herr Stüttgen, fraktionslos, sind dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 16/14010 – Neudruck – mit breiter Mehrheit im Hohen Haus abgelehnt.

Wir rufen die zweite Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache auf. Wer stimmt diesem Antrag zu? – SPD, Grüne und Herr Stüttgen, fraktionslos. Wer stimmt gegen diesen Entschließungsantrag? – Piraten, CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Die gibt es nicht. Damit ist der Entschließungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen sowie der Stimme des fraktionslosen Abgeordneten Stüttgen angenommen.

Ein dritter Antrag liegt vor, und zwar von der Fraktion der Piraten. Es ist der Entschließungsantrag mit der Drucksachennummer 16/14094. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Die Fraktion der Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne, CDU und FDP sowie Herr Stüttgen, fraktionslos. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit breiter Mehrheit im hohen Haus abgelehnt.

Ich rufe auf:

4  Vielfalt im Sport stärken – EuroGames in NRW unterstützen

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13996 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Weske für die SPD-Fraktion das Wort.

(Einige Abgeordnete verlassen den Saal.)

Markus Herbert Weske (SPD): Wohin gehen die denn jetzt alle? Homophob oder unsportlich?

(Heiterkeit – Josef Hovenjürgen [CDU]: Nicht persönlich nehmen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zurufe)

Es liegt an der Konstruktion unserer parlamentarischen Arbeit, dass bei den vier antragstellenden Fraktionen die SPD oben steht und ich hier als Erster reden darf. Daher weise ich sehr gerne darauf hin, dass die Initiative für die Unterstützung der EuroGames von den Grünen ausging. Dafür bedanke ich mich – Ehre, wem Ehre gebührt – bei der Grünen-Fraktion ausdrücklich.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Seit nunmehr einem Vierteljahrhundert organisiert die European Gay & Lesbian Sports Federation die EuroGames, bei denen bis zu 5.000 Sportlerinnen und Sportler aus ganz Europa in mehr als 20 Sportarten gegeneinander antreten. Das ist für sich genommen zuerst einmal nichts Außergewöhnliches. Hervorzuheben ist, dass bei den EuroGames auch die Bekämpfung von Diskriminierung, die Förderung der Integration und Emanzipation im Sport sowie die Ermöglichung und Unterstützung des offenen Auftretens lesbischer und schwuler Sportlerinnen und Sportler im Vordergrund stehen. Aber auch das ist im 21. Jahrhundert eigentlich nichts Außergewöhnliches mehr.

Vor etwa einem Jahr sind die fünf schwul-lesbischen Sportvereine Düsseldorf, die schon seit zehn Jahren erfolgreich den Düssel-Cup organisieren, mit dem Vorschlag an die Stadt herangetreten, sich für die Ausrichtung der Spiele 2020 zu bewerben. Der Rat der Stadt Düsseldorf hat daraufhin die Unterstützung der Bewerbung für die EuroGames 2020 einstimmig beschlossen.

Aber auch das wäre eigentlich nichts Außergewöhnliches, wenn man nicht wüsste, wie verkrampft und rückständig die konservativen Rathausspitzen in Düsseldorf zuvor mit dem Thema „Homosexualität“ umgegangen sind. Noch bis zur Kommunalwahl 2014 – wir reden also nicht über das Mittelalter – waren die Oberbürgermeister noch nicht einmal bereit, anlässlich des Christopher Street Day die Regenbogenfahne vor dem Rathaus zu hissen.

Insofern ist die Bewerbung für die EuroGames 2020 nicht mit Düsseldorfs Bewerbung als Austragungsort für die Fußball-EM oder die Handball-WM gleichzusetzen. Es ist ein außergewöhnliches, ein deutliches Zeichen, dass in dem internationalen, weltoffenen und aufgeklärten Düsseldorf endlich auch im Umgang mit Lesben und Schwulen Normalität eingekehrt ist. Diese Entwicklung begrüßen wir ausdrücklich und drücken daher die Daumen, dass Düsseldorf im März den Zuschlag bekommen wird. Wenn dem dann so ist, wird auch das Land Nordrhein-Westfalen die Austragung der EuroGames 2020 unterstützen und begleiten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Weske. – Für die grüne Fraktion spricht nun Frau Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! NRW ist Gastgeber zahlreicher Sportgroßereignisse. Allein zu Beginn dieses Jahres können wir uns auf die Eishockey-WM im Mai in Köln und Paris freuen. Fast zeitgleich findet die Tischtennis-WM in Düsseldorf statt. Auch alljährliche Highlights machen hier gern jedes Jahr wieder Station. Beispielsweise ist das DFB-Pokalfinale der Frauen in Köln mittlerweile wirklich ein sportliches Highlight im NRW-Sportkalender. Aber wir sind auch wintersportlich aktiv: Der Bob- und Skeleton-Weltcup in Winterberg gehört dazu.

Nicht zuletzt – Kollege Weske hat auf eines der Ereignisse schon hingewiesen – finden jedes Jahr hier in Düsseldorf der Düssel-Cup und der Come-Together-Cup in Köln statt. Auch die LSBTTI-Sportbewe­gung hat in Nordrhein-Westfalen mittlerweile eine lange Tradition. Wer einmal auf den Wiesen vor dem RheinEnergieSTADION gewesen ist, der weiß, was Vielfalt im Sport heißt. Entschuldigung, Markus Weske, aber ich beziehe mich jetzt einmal auf Köln. Das ist mittlerweile ein solch großes Breitensportereignis, dass es aus dem sportlichen Kalender der Stadt Köln gar nicht mehr wegzudenken ist.

Nun bewirbt sich Düsseldorf um die Ausrichtung der EuroGames 2020. Nach den erfolgreichen Gay Games, also den Weltspielen der LSBTTI-Sportbewe­gung in Köln im Jahr 2010, soll das das zweite große schwul-lesbische und gleichzeitig große Breitensportevent in NRW werden.

Seit 1992 – Markus Weske hat bereits darauf hingewiesen – gibt es die EuroGames, die durch die European Gay & Lesbian Sports Federation veranstaltet werden. Neben dem sportlichen Motto, nämlich dass alle nach ihren eigenen Leistungsfähigkeiten und dem Streben nach den persönlichen Bestleistungen dort gemeinsam Sport treiben sollen, gibt es eben auch vier wichtige gesellschaftspolitische Aspekte: den Kampf gegen Diskriminierung aufgrund sexueller und/oder geschlechtlicher Identität im Sport, die Förderung der Integration und Emanzipation von LSBTTI im Sport, die Ermöglichung und Unterstützung von LSBTTI-Sportlerinnen und -Sportlern beim Coming Out, oder eben auch die Unterstützung von LSBTTI-Sportgruppen.

Dafür, dass die offene Teilhabe von LSBTTI am Sport leider auch heute noch keine Selbstverständlichkeit ist, gibt es unglücklicherweise nach wie vor genügend Beispiele. Ich will nur einmal daran erinnern, was wir für eine unwürdige Diskussion um die 800-m-Läuferin Caster Semenya und ihre geschlechtliche Identität hatten.

Wenn wir uns den internationalen Sport anschauen, zeigt sich, dass leider allzu oft die internationalen Sportorganisationen mehr die homophoben Regime wie Russland oder Katar unterstützen, statt homosexuelle Athletinnen und Athleten und die Fans zu schützen.

Ich erinnere nur einmal daran, dass Herr Blatter den homosexuellen Fußballfans, die nach Katar reisen wollen, wo Homosexualität unter Strafe steht, empfohlen hat, sie sollten das einfach nicht so offen zeigen. Ja, das ist im internationalen Sport leider immer noch traurige Realität im Umgang mit Diskriminierung.

Trotz aller positiven Entwicklungen, die wir auch in diesem Bereich haben, ist leider immer noch allzu oft der Schiedsrichter eine „schwule Sau“ oder der Gegner schießt „wie ein Mädchen“. Die EuroGames wollen ein Zeichen setzen für einen offenen Sport, für einen bunten Sport, für einen Sport wirklich für alle. Sie wollen dabei keine Abschottung, aber sie wollen sehr wohl einen sportlichen Raum schaffen, in dem auch tatsächlich sexuelle und geschlechtliche Vielfalt die Norm sind. Denn es ist normal, verschieden zu sein.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

NRW ist ein sportbegeistertes Land, und NRW ist ein vielfältiges Land. Deshalb, glaube ich, ist NRW, ist Düsseldorf der ideale Ort für die EuroGames 2020. Ich freue mich sehr, dass wir eine so breite Mehrheit für die Unterstützung der Bewerbung Düsseldorfs für die EuroGames haben. Ich hoffe sehr, dass die CDU sich auch noch entschließen kann, dem Antrag zumindest zuzustimmen, sodass wir von hier ein einstimmiges Signal aussenden können: Mit unserer Unterstützung könnt ihr rechnen. Wir drücken die Daumen.

Und wenn es dann erfolgreich ist, wird sicherlich auch die Landesregierung das gerne unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Paul. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Dr. Kerbein.

Dr. Björn Kerbein (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren heute über die Möglichkeit, die EuroGames nach NRW zu holen. Die Bewerbung um die EuroGames für das Jahr 2020 unterstützen auch wir Freie Demokraten sehr gerne, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Denn von diesem Großsportereignis wird eine positive Wirkung in mehrfacher Hinsicht ausgehen. Es handelt sich um ein friedliches, wettbewerbsorientiertes Sportfest, bei dem weder Geschlecht noch die Lebensweise der Menschen eine Rolle spielen. Gerade hier praktizieren die Sportlerinnen und Sportler Fairplay, Fairness, die Achtung vor dem Gegner und die Akzeptanz von Regeln.

Nicht nur Sportler und Funktionäre, sondern auch viele Zuschauer werden mit Sportbegeisterung daran teilnehmen. Ich bin mir sicher, dass auch viele von uns das kulturelle Rahmenprogramm begrüßen werden. Die Austragung der EuroGames wird Menschen miteinander verbinden, und zwar unabhängig von ihrer ethnischen und sozialen Herkunft, des Geschlechts, der Weltanschauung, der Religion, einer Behinderung oder dem Alter.

Wir wissen, gerade diese großen Sportveranstaltungen dienen dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Auch wenn sich unsere Gesellschaftlich im stetigen Wandel befindet, sind die herkömmlichen Geschlechterrollenklischees leider noch nicht gänzlich überwunden. So ist ein diskriminierungsfreies Leben für die ca. 1,25 Millionen Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und intersexuellen Menschen immer noch keine Selbstverständlichkeit in unserer nordrhein-westfälischen Gesellschaft. Die kognitiven Barrieren sind leider noch immer nicht durchbrochen.

Ich bin aber davon überzeugt, dass die Austragung der EuroGames in NRW uns den steinigen Weg hin zu einer gelebten Normalität der gesellschaftlichen Vielfalt ein Stück weit ebnen wird.

Meine Damen und Herren, sowohl im Amateur- wie auch im Profisport, national wie international, ist es immer wieder zu ausgrenzenden, rassistischen und diskriminierenden Vorfällen gekommen. Wir erinnern uns alle an das Verhalten des ägyptischen Judokas bei den Olympischen Spielen in Rio, den verweigerten Handschlag. Deshalb engagieren sich viele nationale und internationale Verbände, unser LSB, der DFB und die FiFa mit Kampagnen und Projekten gegen solche Benachteiligungen. Das sind ganz wichtige gesellschaftliche Schritte, meine Damen und Herren.

Gesellschaftliche Rückschläge sind hierbei schmerzhaft. Besonders möchte ich nur an die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi erinnern mit dem großen dunklen Schatten der gesetzlich verankerten Ausgrenzung Homosexueller.

Dieser gesellschaftliche Rückschritt hat uns Freie Demokraten stark beunruhigt und uns dazu veranlasst, eine Resolution zu verfassen, also Flagge zu zeigen. Wir wie auch alle hier im Raum stehen für null Toleranz gegen diejenigen, die Menschen aufgrund ihres Lebensentwurfes und ihres Liebeslebens diskriminieren.

(Beifall von der FDP, der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir wollen, dass alle Menschen freiheitlich und selbst­bestimmt ihren eingeschlagenen Lebenspfad ohne Unterdrückung und Demütigung beschreiten können. Das gilt für NRW, für Deutschland und natürlich für die ganze Welt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Austragung der EuroGames ist ein gutes Aushängeschild für unser Sportland und trägt gleichzeitig zu mehr Akzeptanz und Toleranz der unterschiedlichen Gesellschaftsmitglieder im Alltag bei. Die Freien Demokraten können die Bewerbung Düsseldorfs nur unterstützen und der Bewerbung den erhofften Erfolg wünschen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP, der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Kerbein. – Für die Piratenfraktion spricht nun Herr Lamla.

Lukas Lamla (PIRATEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier und auch zu Hause! Das Meiste, das Wichtigste wurde tatsächlich gesagt. Ich bin froh darüber, dass alle Parteien hier ein eindeutiges Statement gegeben haben. Da möchte ich nicht nachstehen.

Meine Damen und Herren, Homosexualität ist etwas ganz Normales und ganz Natürliches, und es gehört zu unserer Gesellschaft, wenn sich Homosexuelle, Trans-, Bigender und Sternchen nicht mehr verstecken müssen. Ich bin ehrlich gesagt, froh, dass ich in einer Zeit lebe, in der das so ist; denn es war nicht immer so. Das lehrt uns die Geschichte.

Piraten stehen für Vielfalt, Piraten stehen für Respekt und Akzeptanz, auch im Wettkampf, im Wettbewerb und auch im Sport. Wir Piraten setzen uns auf allen Ebenen für ein aktives Vorgehen gegen Homophobie ein. Denn gerade in Zeiten von aufkeimendem Populismus ist es wichtig, Maßnahmen zu fördern, die ein vorurteilfreies Klima schaffen.

Insofern freue ich mich, dass wir Piraten hier dazu beitragen können, die EuroGames nach Düsseldorf zu holen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lamla. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau van Dinther.

Regina van Dinther (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleich zu Beginn: Die CDU-Fraktion wird diesem Antrag selbstverständlich zustimmen. Wir brauchen da auch gar keine Nachhilfe; denn in der CDU-Fraktion haben wir schon in den 90er-Jahren, als die SPD hier noch in der Alleinregierung war und als Herr Schleußer sich etwas schwertat mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit für schul-lesbische Gruppen, dafür gesorgt, dass wir jedenfalls unsere Zustimmung gaben. Das ist auch richtig, weil genau diese Initiativen gute Rahmenbedingungen zur Selbstorganisation brauchen.

Bis heute gab es dann natürlich eine positive Entwicklung der Vereine und Verbände. Diese finden wir im Sport, in der Kultur, in der Jugendarbeit, dort, wo es wichtig ist, nämlich in der Mitte der Gesellschaft. Nichts hilft mehr, gegen Diskriminierung und Stigmatisierung anzugehen, als sich einzumischen, die Gemeinschaft mit Leben zu erfüllen, Treffpunkte zu haben und Aktivitäten zu entfalten.

Das Land Nordrhein-Westfalen soll sich selbstverständlich für solche Veranstaltungen einsetzen und sie unterstützen. Wir begrüßen das auch. So schließen wir uns gerne der Empfehlung an, wie unsere Kommunalpolitiker in Düsseldorf das selbstverständlich auch getan haben.

Meine Damen und Herren, vom 22. bis 25. Juni wird es zum Beispiel in Köln mit „Nordakkord 2017“ ein Festival schwul-lesbischer Chöre geben, und ich bin zusammen mit der Kölner Oberbürgermeisterin die Schirmherrin dieser Veranstaltung. Ich freue mich schon sehr auf diese Woche in Köln.

In der Regel nutzen diese Veranstaltungen den austragenden Orten und natürlich auch dem austragenden Land. Wir als größtes Bundesland Nordrhein-Westfalen sind da stetig gefordert, die Menschen auch über solche Formate hier ins Land zu locken und so zu zeigen, dass bei uns eine offene Gesellschaft einvernehmlich gut funktioniert.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Einen kleinen Wermutstropfen darf ich vielleicht trotzdem noch aufzeigen. In Ihrem Antrag nennen Sie auch die Inklusion als Ziel. Leider ist hier nicht immer die Hilfe für Veranstaltungen in diesem Bereich festzustellen. Denn ansonsten hätte sich zum Beispiel Neuss um die Ausrichtung der Europäischen Gehörlosenspiele 2019 bewerben können. Vielleicht sollten wir dann in Zukunft auch sprichwörtlich ein offenes Ohr für die Gehörlosen haben. Denn auch dieses ist in jedem Fall unterstützenswert.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Also: Schauen wir mal und geben wir dieser Düsseldorfer Veranstaltung zumindest grünes Licht aus dem Landesparlament. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau van Dinther. – Nun spricht die Ministerin, Frau Kampmann.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Holocaust – daran hat die Landtagspräsidentin heute Morgen erinnert – ist immer auch eine Mahnung daran, die Würde aller Menschen zu achten, und zwar unabhängig von ihrer Hautfarbe, von ihrer Herkunft, von ihrer religiösen Zugehörigkeit, aber auch unabhängig davon, wen Menschen lieben oder wie Menschen lieben.

Genau aus diesem Grunde finde ich es, ehrlich gesagt, beschämend – Markus Weske hat eben daran erinnert: Wir leben nicht mehr im Mittelalter –, dass Homophobie auch im Jahr 2017 immer noch ein wesentliches gesamtgesellschaftliches Problem ist, an dem wir alle gemeinsam arbeiten sollten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

Der Sport ist davon nicht frei. Der Sport hat aber auf der anderen Seite ein unheimlich großes Potenzial, Vielfalt als etwas Bereicherndes darzustellen, Vielfalt als etwas Positives für alle Menschen darzustellen.

Deshalb begrüßen wir auch als Landesregierung die Bewerbung Düsseldorfs für die EuroGames 2020. Ich finde, das ist ein gutes und vor allem ein starkes Zeichen zum einen für das Sportland Nordrhein-Westfalen, zum anderen aber auch für einen diskriminierungsfreien Sport. Daran, wie weit viele Wege da noch zu gehen sind, haben die Rednerinnen und Redner vor mir ja schon ganz deutlich erinnert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube – darauf hat Lukas Lamla gerade noch einmal hingewiesen –, dass wir gerade in dieser Zeit, in der die Kräfte, die wieder stärker werden, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern international, gegen Menschen hetzen, die vermeintlich anders sind, die vermeintlich anders denken, die aber auch vermeintlich anders lieben, starke Zeichen wie die EuroGames 2020 in unserem Land brauchen.

Ich sage auch in aller Deutlichkeit: Homophobie, aber auch alle anderen Formen von Diskriminierung dürfen weder in unseren Turnhallen,

(Beifall von der SPD)

weder in unseren Stadien noch an irgendeinem anderen Platz in unserer Welt einen Ort haben. Deshalb unterstützen wir die EuroGames mit aller Kraft, die wir haben. Um es mit den Worten von Josefine Paul zu sagen: Es ist normal, verschieden zu sein. Deshalb ist es eine gute Initiative, die wir auch entsprechend unterstützen werden. – Danke sehr.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Kampmann.

Die antragstellenden Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Piraten haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen also zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/13996 – Neudruck. Wer stimmt diesem Antrag zu? – SPD und Grüne, CDU und FDP, die Piratenfraktion und Herr Schulz, fraktionslos. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist einstimmig so entschieden und der Antrag von allen gemeinsam angenommen worden.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe auf:

5  Halbjahresbericht des Petitionsausschusses

Gemäß § 100 unserer Geschäftsordnung soll der Petitionsausschuss dem Landtag mindestens einmal jährlich mündlich berichten.

Entsprechend der bisher geübten Praxis im Haus ist heute die stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses anwesend, Frau Howe, und wird uns den Halbjahresbericht vorstellen. Frau Kollegin Howe, Sie haben das Wort.

Inge Howe (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im vergangenen Herbst wurde mir auf sehr anschauliche Art und Weise noch einmal bewusst gemacht, was für eine lange und wichtige Tradition das Petitionsrecht ist. Anlässlich einer Tagung aller Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Petitionsausschüsse beim Bund und bei den Landtagen, die diesmal in Potsdam stattfand, wurde vor dem Brandenburgischen Landtag, dem damaligen Stadtschloss, ein altes Symbol für das Petitionswesen neu errichtet.

Es handelt sich um die sogenannte Bittschriftenlinde. Die historische Potsdamer Bittschriftenlinde stand vor dem Arbeitszimmer von Friedrich dem Großen. Sie soll während dessen Regierungszeit im 18. Jahrhundert den Untertanen als Anlaufpunkt gedient haben, um Beschwerden und Gesuche an den König zu richten. Durch sein Arbeitszimmerfenster soll Friedrich II. den Baum immer im Blick gehabt haben. Im Volksmund hieß der Baum Bittschriftenlinde. Er entwickelte sich zu einer landesweiten Institution. Wöchentlich soll der König Bitten seiner Untertanen erfüllt haben, die diese an den Ästen angebracht hatten.

An einem so historischen Ort zu stehen, ist immer eine gute Gelegenheit, um kurz innezuhalten und sich die früheren und heutigen Gepflogenheiten bewusst zu machen. Sind die Situationen noch vergleichbar? – Ja und nein. Petitionen werden nicht mehr an Bäume genagelt. Sie erreichen uns heute per E-Mail. Auch schauen wir Abgeordnete nicht aus dem Fenster, um abzuwarten, ob Beschwerden kommen. Wir gehen auf die Menschen zu und sind verlässliche Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger.

Aber eines hat nach wie vor Bestand: Jeder, der politische Verantwortung trägt, ist gut beraten, sich immer wieder ein Bild von den Sorgen und Nöten der Menschen zu machen. Diese Aufgabe erfüllt der Petitionsausschuss für den Landtag NRW seit vielen Jahrzehnten zuverlässig, mit viel Engagement und stets überparteilich.

(Beifall von der FDP, den PIRATEN und Michael Hübner [SPD])

Von dieser Arbeit werde ich nun berichten. Zunächst wie gewohnt eine kurze Rückschau in Zahlen: Im Jahr 2016 haben rund 3.600 Eingaben den Ausschuss erreicht.

Die meisten Petitionen – nämlich 22,1 % – erreichten uns aus dem Bereich „Bauen, Wohnen, Verkehr, Umwelt“, darunter zahlreiche Petitionen zu Windkraftanlagen und Lärmschutz sowie eine Massenpetition zum Erhalt des Naturschutzgebiets im Ruhrgebiet.

Ebenfalls hoch waren die Eingaben aus dem Bereich „Soziales“. Hier wandten sich über 600 Bürgerinnen und Bürger an den Ausschuss. Ihre Anliegen kamen aus den Bereichen Arbeitsförderung, Rentenversicherung, Krankenhäuser, Hilfe für Menschen mit Behinderungen und Jugendhilfe.

Erwartungsgemäß ist der Anteil an Petitionen in Bezug auf das Ausländerrecht gestiegen. Er macht inzwischen über 13 % unserer Eingänge aus.

In der gleichen Zeit hat der Ausschuss über 3.500 Petitionen beraten und entschieden. 38 % der Fälle endeten mit einem positiven Ergebnis.

Der Petitionsausschuss führt auf der Rechtsgrundlage des Art. 41a der Landesverfassung auch sogenannte Erörterungstermine durch. Der Ausschuss lädt alle an der Sache beteiligten Petenten und Behördenvertreter zu einem gemeinsamen Gespräch ein, um die verhärteten Positionen aufzubrechen und eine Lösung zu finden, die von allen getragen werden kann. So hat der Ausschuss über 500 Verfahren nach Art. 41a mit einer Erfolgsbilanz von 55 % durchgeführt. Eine ausführliche Statistik ist dem schriftlichen Bericht beigefügt, den Sie auch im Internet nachlesen können.

Lassen Sie mich nun einige Schwerpunkte unserer Arbeit aufgreifen. Das Thema „Inklusion“ wird uns noch viele Jahre beschäftigen und betrifft nicht nur die Schule, sondern gelegentlich auch die Ausbildung. Wir erhielten zum Beispiel eine Eingabe einer jungen Frau aus dem Rheinland. Sie ist Mutter von zwei Kindern, stand mit beiden Beinen fest im Leben und wollte nun eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten machen. Dass sie ein Handicap hatte, nämlich fast blind war, hatte die hochmotivierte Frau in all den Jahren nicht daran gehindert, ihre Ziele zu erreichen.

Ihr wurde bereits eine Ausbildung zugesagt, und sie besaß die Unterstützung ihres persönlichen Umfeldes. Jedoch stand ihre Behinderung plötzlich in einer Weise im Weg, mit der sie nicht mehr gerechnet hatte. Das nächstgelegene Studieninstitut sah sich nicht in der Lage, eine fast erblindete Auszubildende aufzunehmen. Man habe zwar körperbehinderte Studentinnen und Studenten, jedoch niemanden mit einer Sehbehinderung. Auf solche Auszubildende seien die Dozenten nicht vorbereitet. Ohne eine entsprechende Lehrerschulung sei eine Ausbildung nicht möglich. Auch der Hinweis auf die seitens der Frau bereits engagierte Assistenz im Schulalltag hatte das Institut nicht überzeugt. Vielmehr wollte man Frau H. an ein anderes Kolleg schicken, das viel weiter entfernt war.

Da der Ausbildungsbeginn nahte, schaltete sich der Petitionsausschuss zügig ein und beraumte einen Erörterungstermin an. Im Gespräch mit der hochmotivierten Frau H., dem Institut und dem Ministerium wurde schnell deutlich, dass bestehende Bedenken vonseiten des Instituts ausgeräumt werden konnten. Somit wurde Frau H. der gewünschte Ausbildungsplatz zugeteilt. Wir freuen uns mit ihr.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU, der FDP und den PIRATEN)

In einem außergewöhnlich spannenden, aber ebenso ungewöhnlichen Fall wandte sich ein junger Mann an den Ausschuss, der seit über 15 Jahren in einer Stadt im Märkischen Kreis lebt. Sein größter Wunsch war, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten. Was dem ersten Vernehmen nach wie ein relativ üblicher Fall klingen mag, ist deshalb so ungewöhnlich, weil die strengen Voraussetzungen des § 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes fast alle erfüllt waren – allerdings mit einer kleinen Ausnahme: Die Identität des Petenten war für die zuständigen Behörden nicht zweifelsfrei festzustellen. Wir luden alle Beteiligten ein, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Der Petent erläuterte, er sei irgendwo in Frankreich geboren und habe mit seinem Vater auf der Straße gelebt. Weder habe er Ärzte noch eine Schule besucht. Mit zwölf Jahren habe sein Vater ihn in einen Zug gesetzt, und nach tagelanger zielloser Reise sei er in Düsseldorf gelandet. Dort habe man einen schweren Diabetes diagnostiziert und ihn viele Monate stationär behandelt. Er leide noch immer unter den Folgeerkrankungen. Später habe er einen Schulabschluss gemacht. Mittlerweile lebe er in einer eigenen Wohnung, habe einen festen Arbeitsplatz, eine Aufenthaltsgenehmigung und viele Freunde. Deutschland sei zu seiner Heimat geworden.

Nun wünschte er sich nichts mehr, als auch formell dazuzugehören. Wegen einer vermeintlich widersprüchlichen Aussage zu seiner Herkunft blieben jedoch Zweifel. Weder Interpol noch Polizeibehörden, die französische Botschaft oder andere Experten konnten die Herkunft des Petenten nachvollziehen. Es schien, als habe der Petent in Frankreich niemals Kontakt mit Ärzten, Schulen oder Behörden gehabt. Auch unser Ausschuss konnte die Identität ebenso wenig bestätigen.

Helfen konnten wir dennoch: Aufgrund der außergewöhnlichen Konstellation konnten wir die LWL-Klinik in Dortmund für diesen Fall begeistern. Dort wird man nun ein Glaubwürdigkeitsgutachten erstellen, womit die Zweifel an der Herkunft des Petenten ausgeräumt werden sollen. Dann stünde einer Einbürgerung nichts weiter im Wege. Wir warten gespannt darauf, wie sich dieser Fall weiterentwickelt.

Zum Thema „Schule“ haben uns ebenfalls nach wie vor viele Eingaben erreicht. Aufgrund der vorgegebenen Redezeit werde ich heute allerdings auf die Darstellung eines Falles verzichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders verzweifelte Menschen sind oft diejenigen, die sich mit Problemen aus dem Jugendhilferecht, insbesondere bei Auseinandersetzungen um das Sorgerecht für ihre Kinder, an den Ausschuss wenden. Hier wird bei Problemen zwischen Eltern und dem Jugendamt oder zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern zunehmend auch die Hilfe des Ausschusses erbeten.

Hier aber stoßen wir an rechtliche Grenzen; denn aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung und der richterlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 des Grundgesetzes hat der Ausschuss nur eingeschränkte Möglichkeiten, Hilfe zu leisten. Er kann jedoch nach Einzelfall entscheiden, den Sachverhalt nach Art. 41a unserer Landesverfassung zu erörtern, um dadurch zu erreichen, dass alle Beteiligten künftig wieder kooperativ miteinander umgehen. Nicht immer gelingt dies. Ich möchte daher heute auch über ein Negativbeispiel berichten, das den Ausschuss sehr betroffen gemacht hat.

Uns erreichte die Petition von Frau K., einer jungen Mutter, die um das Sorgerecht und um ein Leben mit ihrem Kind kämpfte. Das Jugendamt hatte die Tochter nach der Geburt noch im Krankenhaus in Obhut genommen und zu einer Pflegefamilie gegeben. Der schriftliche Bericht des Jugendamtes an den Ausschuss bescheinigte Frau K. eine geistige Behinderung und der Familie eine nicht kindgerechte Wohnsituation. Eigentlich eine klare Aktenlage.

Der Ausschuss entschloss sich dennoch zu einer Anhörung und lud Frau K., ihre Familie und die Vertreter des Jugendamtes in den Landtag ein. Völlig überraschend präsentierte sich uns eine junge Mutter, die keineswegs geistig behindert war, sondern ausschließlich an einer schweren Legasthenie litt. Dies war auch der Grund, warum sie sich in geschäftlichen Dingen durch ihren Vater als Betreuer vertreten ließ. Von einer schweren geistigen Einschränkung konnte keine Rede sein.

Frau K. schilderte uns klar und engagiert, was sie erlebt hatte. Ihr Freund und sie hätten sich ein Leben mit einem Kind gewünscht. Dafür hatten sie die volle Unterstützung der Großeltern; denn dort sollte die kleine Familie nach der Geburt des Kindes wohnen. Nach einer gesundheitlich schwierigen Schwangerschaft und einer sehr schweren Geburt war Frau K. im Krankenhaus zunächst nicht in der Lage, ihr Kind alleine umfassend zu betreuen.

Das dann hinzugezogene Jugendamt nahm sodann eine Prüfung der gesamten Lebensumstände vor und stellte fest, dass die junge Frau noch bei ihren Eltern wohnte und eben teilweise unter Betreuung stand. Sie und ihr Freund waren in einer Werkstatt für angepasste Arbeit beschäftigt. Nach einem Besuch bei den Eltern von Frau K. stuften die Mitarbeiter des Jugendamtes das Haus als ungeeignet ein. Dass dort gerade wegen eines Wasserschadens eine Küche installiert wurde, ignorierten sie. Die Familie wurde für die Versorgung eines Kindes als ungeeignet befunden und die kleine Tochter, wie gesagt, in Obhut genommen.

Der Petitionsausschuss forderte die Stadt auf, den Fall noch einmal umfassend zu überprüfen. Dies führte dazu, dass Frau K. ihr Kind wieder zurück bekam und endlich wieder in die Arme schließen konnte. Das Jugendamt zog sich zurück und stellte auch die häufigen Besuche des Sozialen Dienstes ein – eine große Erleichterung für die Familie, die sich nun nicht mehr überwacht fühlte.

Allerdings bleiben danach noch viele Fragen offen. Bis heute kann Frau K. nicht verstehen, dass sie viele Monate ohne ihr Kind leben musste, und warum keine andere Lösung möglich gewesen sein sollte. Ebenso wenig kann sie verstehen, warum auch ihren Eltern, ihrem Freund und dessen Eltern abgesprochen wurde, eine geeignete Umgebung für ein Kind zu bieten. Frau K. wünscht sich nach wie vor Antworten und auch eine Entschuldigung.

Auch für uns sind noch viele Fragen offen. Bislang hat die Stadt trotz umfangreicher schriftlicher Stellungnahmen den Ausschuss nicht überzeugen können, dass hier keinerlei Fehler oder keinerlei Fehleinschätzungen vorlagen. Dennoch wird diese Petition nicht komplett positiv ausgehen; denn Frau K. wird wohl keine Entschuldigung bekommen. Die Stadt hat signalisiert, von ihrer bisherigen Einschätzung nicht abweichen zu wollen.

Der Ausschuss findet es höchst bedauerlich, wenn in Behörden noch immer der Geist vorherrscht, dort würden niemals Fehler gemacht und man müsse sich nie entschuldigen. Erst das vermittelnde Gespräch über vergangene Entscheidungen und das Zugeständnis, dass auch mal Fehleinschätzungen vorkommen können, schaffen doch das nötige Vertrauen der Bürger in den Staat.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN, der FDP und den PIRATEN)

Insgesamt ist festzustellen, dass ein Großteil der Beschwerden über die Jugendhilfe immer wieder auf eine unzureichende Kommunikation zwischen allen Beteiligten zurückzuführen ist. Dieser Mangel zieht sich wie ein roter Faden durch viele 41a-Termine. Dabei gibt es eine nicht zu unterschätzende Unkenntnis der Bürgerinnen und Bürger über die Zuständigkeiten und das gesamte Verfahren. Dies führt dazu, dass die ratsuchenden Eltern die Aussagen der Jugendamtsmitarbeiter nicht verstehen und aus Angst oder Voreingenommenheit dann falsch interpretieren.

Doch auch die Petentinnen und Petenten erschweren durch ihr eigenes Verhalten, beispielsweise Kompromisslosigkeit, häufig eine vertrauensvolle Basis für die notwendige Zusammenarbeit. Diese Fälle werden den Petitionsausschuss auch in Zukunft weiter beschäftigen.

Ein besonderes Augenmerk hat der Ausschuss auf das Thema „Gutachtenaufträge zur Untersuchung der Erziehungsfähigkeit“ gerichtet. Wir haben die Themen „Gutachterauswahl bei Gerichten“ sowie „Fragen der Qualitätssicherung von Gutachten“ aufgegriffen und an den zuständigen Fachausschuss weitergeleitet. Diese Fragen werden bereits auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Die Erkenntnisse aus unseren Petitionen werden dabei einen hilfreichen Beitrag leisten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, nicht nur mit neuen Bauten haben die Bürgerinnen und Bürger Ärger, sondern auch zum Thema „Denkmalschutz“ erreichen uns immer wieder Eingaben. Selten ist die Konstellation jedoch so, dass sich die Bürger stark dafür einsetzen, Geld in ein Denkmal zu investieren, um der Innenstadt ihre Attraktivität zu erhalten. So war es aber in einem Fall einer alten Apotheke mitten in der Fußgängerzone eines kleinen Städtchens in Ostwestfalen.

Das Gebäude war nach dem technischen Wandel, der auch das Apothekerwesen eingeholt hat, nicht mehr tauglich; es war viel zu kleinteilig, zu eng und ohne die Möglichkeit, die Einrichtung dem Stand der Technik entsprechend zu modernisieren. Auch die Treppe, die vom potenziellen Verkaufsraum direkt in die darüber liegende Wohnung führte, war in einem modernen Geschäft nicht mehr haltbar. Die Petenten erarbeiteten daher verschiedene Konzepte, alle unter der Prämisse, dass die Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes wieder vollständig restauriert werden sollte. Im Inneren hatte es vor vielen Jahren schon Umbaumaßnahmen gegeben.

Wichtig für eine Vermietung der weiteren Räumlichkeiten, für die es bereits viele Interessenten gab, war jedoch das Entfernen bzw. Versetzen der Treppe, sodass der Eingangsbereich einladend groß und übersichtlich gestaltet werden konnte. Die Denkmalschutzbehörde stellte sich zunächst quer: Über den unveränderlichen Erhalt der Baukonstruktion könne nicht diskutiert werden. Der Ausschuss sah dies anders; denn Gespräche müssen immer möglich sein.

In einem 41a-Termin vor Ort verständigten sich alle Beteiligten auf die Versetzung der Treppe unter Aufgabe der ursprünglichen Funktion. Mit Hinweisschildern und hinter Glas sollte auf die frühere Funktion der Treppe hingewiesen werden, nur die zuständigen Beamten der Stadt interpretierten den gefundenen Konsens anders. Es musste noch ein weiteres Gespräch im Landtag erfolgen, um den gefundenen Kompromiss tatsächlich umzusetzen. Ich gehe davon aus, dass es jetzt keine Probleme mehr gibt und die historische Fassade wiederhergestellt werden kann.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das Sozialrecht ist seit Jahren einer der Schwerpunkte unserer Arbeit. In keinem anderen Bereich sind wir so sehr am Puls der Zeit und sehen, wo die Probleme vieler Bürgerinnen und Bürger sind. Wir erkennen, dass wir eine alternde Gesellschaft mit den dazugehörigen Problemen von Erkrankungen und Behinderungen sind, der Wunsch nach Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aber nach wie vor sehr groß ist.

Das wirft oft auch rechtliche Probleme auf. Eines davon ist beispielsweise die Möglichkeit der Nutzung von Behindertenparkplätzen. Der Ausschuss ist hier manchmal der sprichwörtlich letzte Strohhalm, nach dem die Betroffenen in ihrer Not greifen. So war es auch im Fall des Herrn F., der an einer unheilbaren Lungenkrankheit leidet. Nach einer Lungentransplantation hatte er bereits mehrere Abstoßungsreaktionen erlitten. Seine stark eingeschränkte Atmungsfunktion beeinträchtigt ihn so sehr, dass er nur noch kurze Strecken zu Fuß zurücklegen kann. Um die notwendigen ärztlichen Kontrolltermine wahrzunehmen sowie alltägliche Erledigungen tätigen zu können, beantragte er den Eintrag des Merkzeichens „aG“ im Schwerbehindertenausweis, um Behindertenparkplätze nutzen zu können.

Sowohl der Kreis als auch die Bezirksregierung hielten diesen Antrag für nicht begründet, da sie die Funktionseinschränkung nur mit einem Grad der Behinderung von 70 bewerteten. Die Überprüfung durch den Ausschuss ergab, dass in den ersten zwei Jahren nach einer Transplantation immer ein Grad der Behinderung von 100 anzusetzen ist. Unter Hinweis auf die entsprechende Regelung änderten die Behörden sofort den Bescheid. Für Herrn F., der sich ausdrücklich für den Einsatz und die Bemühungen des Petitionsausschusses bedankte, konnte das begehrte Merkzeichen im Ausweis eingetragen werden.

(Beifall von allen Fraktionen)

Zum Ende dieses Berichtes möchte ich noch über einen hochaktuellen Schwerpunkt unserer Arbeit sprechen, nämlich das Ausländerrecht. Die Geschichte einer jungen Vollwaisen aus Guinea hat uns sehr berührt. Der junge Mann wurde nach dem frühen Tod seiner Eltern in Guinea von seiner Tante aufgenommen. Diese zwang ihn zu schwerer körperlicher Arbeit und verbot ihm, die Schule zu besuchen. Nach zwei Jahren gelang es ihm, über Algerien und Spanien nach Deutschland zu fliehen.

Aufgrund seiner offenen und zugewandten Art wurde eine Ordensschwester des Kolpingwerkes auf ihn aufmerksam und nahm ihn unter ihre Fittiche. In Deutschland konnte er schnell Fuß fassen. Er lernte zügig die deutsche Sprache, ging mit bemerkenswertem Erfolg wieder zur Schule und knüpfte über den Fußball eine Vielzahl von sozialen Kontakten über die Ortsgrenzen hinaus.

Er plante, in Deutschland eine Ausbildung zu absolvieren, nur sein Aufenthaltsstatus bereitete ihm Sorgen. Jeweils alle drei Monate wurde seine Duldung verlängert. Der Ausschuss beschloss, den Fall nach Art. 41a unserer Landesverfassung zu erörtern. Im Termin berieten dann die zuständigen Behörden den jungen Mann. Wegen seiner hervorragenden Integrationsleistungen wurde schnell ein Fahrplan erstellt, wie die nun erforderlichen Anträge für einen dauerhaften Aufenthalt eingereicht werden konnten.

Die Briefe, die uns nach Abschluss dieser Petition erreicht haben, sollten heute meine Schlussbemerkungen sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, nach dem guten Abschluss dieser Eingabe bedankte sich der junge Mann mit folgenden Worten:

Ich habe mich immer schlecht gefühlt, wenn ich daran gedacht habe, dass ich mal meinen Ausweis vorzeigen muss. Ich habe mich immer gefragt, was ich oder meine Eltern falsch gemacht haben könnten. Nach dem Gespräch in Düsseldorf wurde ich wieder froh. Ich danke allen, die sich für mich eingesetzt haben.

(Beifall von allen Fraktionen)

Auch seine Unterstützerin, die Ordensschwester, schrieb uns:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, es war für mich eine Stunde, in der ich erleben und schätzen lernte, wie wichtig in unserer Demokratie ein Petitionsausschuss ist, und wie ausschlaggebend Ihre Informationen und konkrete Unterstützung ist. Im Mittelpunkt stand nicht nur die Sache an sich, sondern der Mensch; nicht nur die Bearbeitung einer Akte, sondern das Schicksal des jungen Mannes. Ich wünsche Ihnen, dass Ihr Bemühen und Ihre Arbeit noch mehr Beachtung in der Öffentlichkeit finden. Die positive Erfahrung, Ihr Einsatz und den Besuch bei Ihnen kann ich nur weiterempfehlen, und ich werde anderen Mut dazu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ich heute den letzten Petitionsbericht in meiner politischen Tätigkeit halte, möchte ich noch ein paar persönliche Worte an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsreferates richten. Ohne die allzeit gute vertrauensvolle Zu- und Mitarbeit hätten wir als Politik die erfolgreiche Tätigkeit nicht leisten können. Mit viel Herzblut und Engagement haben Sie sich alle eingebracht und bei der Bearbeitung der Petitionen an konstruktiven Lösungen mitgearbeitet.

Dafür danke ich Ihnen allen – auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen – ganz herzlich.

(Beifall von allen Fraktionen)

Ebenso möchte ich mich bei der Vorsitzenden Frau Klöpper und allen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für das konstruktive Miteinander und das gegenseitige Vertrauen bedanken.

Mir hat die Arbeit im Petitionsausschuss in den 17 Jahren, in denen ich dem Ausschuss angehört habe, sehr viel Freude gemacht. Ich hoffe und wünsche mir, dass sich in der neuen Legislaturperiode viele Abgeordnete für diese Arbeit begeistern lassen, und ich ermuntere Sie alle, den Petitionsausschuss und seine wichtige Arbeit bekanntzumachen und vor Ort zu unterstützen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von allen Fraktionen)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin Howe, nicht nur für den Bericht des Petitionsausschusses, den Sie uns sehr eindrucksvoll vorgetragen haben, sondern ich will Ihnen auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen ganz persönlich für die herausragende Arbeit, die Sie in all diesen Jahren im Petitionsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen geleistet haben, sehr herzlich danken. Das war außerordentlich großartig.

(Lebhafter Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Diesen Applaus haben Sie sich redlich verdient.

Ich kann Ihren Appell mit Blick auf die Arbeit des Petitionsausschusses nur noch einmal unterstreichen. Wohl an keiner anderen Stelle kann der Landtag Nordrhein-Westfalen Bürgerinnen und Bürgern, die häufig in Not sind, wenn sie sich an uns wenden, so unmittelbar helfen wie durch die Arbeit von Petitionsausschuss und Petitionsreferat.

Deshalb gebührt Ihnen persönlich, aber natürlich auch den anderen Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsreferats unser aller Dank. Die Arbeit, die Sie dort für die Menschen in unserem Land leisten, ist ein wirkliches Aushängeschild unseres Parlaments. Vielen herzlichen Dank, liebe Frau Kollegin Howe. Natürlich richtet sich mein Dank auch an die anderen.

(Beifall von allen Fraktionen, der Regierungsbank und dem Präsidium)

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich schließe Tagesordnungspunkt 5.

Ich rufe auf:

6  Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/14017

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Kollegen Deppe das Wort.

Rainer Deppe (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Groschek – leider ist er heute nicht hier – hat es im vergangenen August einmal offen ausgesprochen und seinem Unmut über die grüne Verhinderungspolitik so richtig Luft gemacht.

(Zuruf von den GRÜNEN: Hört, hört!)

Die Genehmigungsverfahren müssen entschlackt, verkürzt und vor allem entgrünt werden – so wird Herr Groschek im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zitiert. Herr Groschek, wo Sie recht haben, haben Sie recht.

(Beifall von der CDU)

Aber dann muss man auch etwas tun gegen die durchgrünte Politik!

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Oh Gott!)

Heute haben Sie die Chance dazu. Unterstützen Sie uns dabei, eines dieser von Ihrer Regierung selbst errichteten grünen Verhinderungsinstrumente, nämlich das TierschutzVMG – das Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen – wieder abzuschaffen. Dann könnte aus Ihrem Anti-Grünen-Pakt im Kabinett, wie die „WAZ“ am 19. September 2016 geschrieben hat, noch etwas werden.

(Beifall von der CDU)

4.905 Tierärzte sind in Nordrhein-Westfalen tätig, davon 727 im öffentlichen Dienst. Sie sind die Fachleute für Tierschutz und Tiergesundheit. Auf deren fachliches Urteil können sich Tierhalter, Verbraucher und Öffentlichkeit verlassen. Die brauchen keine Überaufsicht von irgendjemand anderem.

(Beifall von der CDU)

Ihr Gesetz führt schon jetzt zu Verzögerungen.

Erstes Beispiel: Genehmigungen für die meist gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche – beispielsweise in der Medikamentenentwicklung – dauern in Nordrhein-Westfalen länger als anderswo. Statt 40 Tage, wie gesetzlich vorgeschrieben, wartet man in unserem Land im Schnitt 97 Tage auf eine Entscheidung, in Rheinland-Pfalz 42, in Niedersachsen 42,5 Tage. In den Ländern Rheinland-Pfalz und Niedersachsen regieren die Grünen ebenfalls mit. Warum geht das da und in Nordrhein-Westfalen nicht?

Zweites Beispiel: Jede Investition in neue und moderne Ställe führt zu einer Verbesserung der Haltungsbedingungen und damit zu mehr Tierschutz und sollte deshalb in unser aller Interesse sein. Genau das aber verhindern Sie, indem Sie den Baugenehmigungsbehörden gesetzlich vorschreiben, dass die Tierschutzverbände bei allen Stallbauten ab 50 m3 zu beteiligen sind.

Nur ein kleiner Hinweis: Unsere Abgeordnetenbüros sind etwas größer und müssten daher also auch den Tierschutzverbänden vorgelegt werden, wollte man in einem solchen Gebäude Tiere unterbringen.

Die Tierschutzverbände – das ist wohl in der Öffentlichkeit kaum bekannt – bekommen die kompletten Bauakten ausgehändigt. Dies treibt mittlerweile solche Blüten, dass das Landesbüro selbst gegen solche Ställe vorgeht, die nach den Richtlinien der Bio-Anbauverbände errichtet werden sollen. Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

(Beifall von der CDU)

Sie werden sicher gleich, liebe Kollegen von den Grünen, Zahlen nennen, wie viele Verbandsklagen eingereicht wurden.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das brauchen wir gar nicht!)

Dabei hat die Zahl gar keine Aussagekraft. Wenn die Karte „Verbandsklage“ bei der Baugenehmigungsbehörde schon einmal auf den Tisch gelegt wird, führt das bei den Behörden automatisch zu Unsicherheiten, zu nochmaligen Prüfungen und vor allem zu immer weiteren Verzögerungen.

Dass Klagen oft Jahre dauern, weiß jeder. Da überlegt man sich ganz genau, ob man jahrelange Zeitverzögerungen in Kauf nimmt oder in vorauseilendem Gehorsam etwas tut, was die Verbände verlangen, was aber weder die Gesetze noch die Tierschutznutztierhaltungsverordnung vorschreiben. Es kann auch sein, dass ganz auf den Bau eines neuen Stalls verzichtet wird. Das ist doch das eigentliche Ziel, und das gelingt ja auch. Damit brüstet sich auch eine von Ihnen anerkannte sogenannte Tierschutzorganisation.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

In Nordrhein-Westfalen sinken die Investitionen in Stallgebäude Jahr für Jahr, zum Beispiel bei den Veredelungsbetrieben von 50 € je Hektar im Wirtschaftsjahr 2011/2012 auf 25 € je Hektar im Wirtschaftsjahr 2015/2016 – die Investitionen haben sich genau halbiert. Bei den Verbundbetrieben sieht es noch schlimmer aus: Die Investitionen sanken von 63 € je Hektar auf 26 € je Hektar.

Herr Remmel, das wollten Sie ja auch – nur, dem Tierschutz dient das überhaupt nicht. Im Gegenteil: Schweine, Puten, Hühner müssen jetzt länger in alten Ställen leben als ohne diese Regelung.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das Gesetz nützt nicht den Tieren, sondern es schadet ihnen, und es schadet auch unserem Bundesland. – Deshalb beantragen wir, es abzuschaffen.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Deppe. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Börner.

Frank Börner (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Deppe, Ihr Antrag, so wie er gestellt wird, dient nicht dem Wohl der Tiere. Ihr Antrag dient nicht einer gesunden Lebensmittelproduktion, und Ihr Antrag dient auch nicht dem verantwortungsvollen Landwirt, der sich um seine Tiere und um deren Wohl kümmert.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Unterentwickelt!)

Sie agieren hier wiederholt so, wie Sie es damals auch im Rahmen der Gesetzgebung getan haben: Sie stellen es so dar, als würde es eine Flut von Anträgen geben, die alles unmöglich machen kann, was in Nordrhein-Westfalen in Sachen Modernisierung von Ställen stattfinden soll.

Dazu sage ich: Es liegen ganze sechs Anträge vor – das sind eine Hand und noch ein Daumen, also fast nichts –, und zwar innerhalb von drei Jahren. Das zeigt doch eher, dass die Tierschutzverbände verantwortungsvoll mit diesem Thema umgehen und sich für eine gemeinsame Lösung aussprechen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Deppe zulassen?

Frank Börner (SPD): Bitte sehr.

Rainer Deppe (CDU): Herr Kollege, ich habe eben schon gesagt, dass es nicht auf die Zahl der Klagen ankommt. Wenn Sie aber schon auf diese Zahl abheben und sagen, es wären ja nur sechs Klagen im Laufe von einigen Jahren, dann frage ich Sie: Wie erklären Sie sich, dass aus dem Landeshaushalt jedes Jahr 70.000 € für das Landesbüro der Tierschutzverbände zur Verfügung gestellt werden, um genau diese Klagen zu betreiben?

(Beifall von der CDU – Norwich Rüße [GRÜNE]: Was ist das wieder für ein Unfug?)

Frank Börner (SPD): Herr Deppe, eine Begleitung vieler Verfahren ist aufwendig und kostet Geld. Auch dafür kann Steuergeld sinnvoll eingesetzt werden. Es bleibt dabei, dass sich die tatsächliche Ausführung und die Motivation in maßvollen Grenzen halten.

Ein weiterer Aspekt für mein Unverständnis darüber, warum Sie diesen Antrag hier und heute stellen, ist folgender: Im kommenden Jahr läuft dieses Gesetz aus, das heißt, dann steht sowieso eine Evaluation der Vorgänge im Zusammenhang mit diesem Gesetz an. Es ist daher nicht einzusehen, warum wir heute darüber beraten müssen. Das Thema „Tierschutz“ ist auch viel zu wichtig, um daraus ein schönes Thema für einen Wahlkampf zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir sollten in aller Ruhe an diesem Thema weiterarbeiten. Das Gesetz liegt nun einmal vor, und wir erklären es Ihnen noch einmal ausführlich im Ausschuss. – Glück auf!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Börner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Deppe, das war zu erwarten, was Sie uns eben erzählt haben. Ihnen geht es nicht um eine sachgerechte, fachliche Auseinandersetzung im Bereich Tierschutz. Der Kollege Börner hat es angedeutet: Ihnen geht es vielmehr darum, dieses Thema in den Wahlkampf hineinzuziehen und um nichts anderes.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie sich fachlich mit dem Thema auseinandergesetzt hätten, hätten Sie die Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Höne von der FDP-Fraktion von vor einem Jahr gelesen. Diese Kleine Anfrage ist so beantwortet worden, dass sich Ihr Antrag im Grunde völlig erübrigt. Sie schieben etwas vor sich her, was keiner braucht. Dieses Klagerecht ist mittlerweile etabliert.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es gibt überhaupt nicht den Streit zwischen Pharmaunternehmen und den Tierschutzverbänden. Das haben wir vernünftig geregelt. Wir haben im Vorfeld mit den Unternehmen gesprochen. Wir haben das Klagerecht zu Tierversuchen auf die Feststellungsklage eingeschränkt. Das wissen Sie ganz genau.

Seitdem gibt es überhaupt kein Klagen seitens der Industrie, wir würden irgendwelche Tierversuche behindern. Wir haben aber sehr wohl immer noch die Möglichkeit eingeräumt, zu überprüfen, ob die Tierversuche ordnungsgemäß und rechtlich richtig sind.

(Zuruf von Rainer Deppe [CDU])

– Sie sollten sich besser mal mit den Leuten unterhalten und nicht immer nur mit den Verbandsvorsitzenden des „Aktionsbündnisses Ländlicher Raum“ reden!

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch eines; wir sind ja jetzt beim „Aktionsbündnis Ländlicher Raum“: Sie machen das doch für die beiden landwirtschaftlichen Verbände; die schreiben Ihnen diese Anträge. So sieht es doch aus.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Quatsch!)

Beim Jagdgesetz sind Sie uns ähnlich gekommen. Wenn Sie dann mit den Akteuren im Aktionsbündnis reden, stellen Sie fest, dass gerade mal eine Gruppe an dem Fall interessiert ist; die anderen winken müde ab. Und das ist hier genau das Gleiche. Die sagen in Wirklichkeit: Das, was Sie im Landtag machen, Herr Deppe, ist alles Irrsinn. – Kommen Sie zurück zu einer fachlichen, sachlichen Arbeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Am Ende haben Sie es ja selbst auf den Bereich Landwirtschaft beschränkt. Dann kommen Sie mit Argumenten, die Investitionen im Bereich Stallneubau seien rückläufig.

(Rainer Deppe [CDU]: Ja, das ist so!)

Aber das hängt doch nicht mit dem Klagerecht der Tierschutzverbände zusammen. Das wissen Sie genau! Sie wissen genau, dass die Einkommenssituation in der Landwirtschaft seit einigen Jahren so schlecht ist, dass da gar keiner mehr an einen Neubau denken kann. Sie wissen auch, dass das, was Sie, was Ihre Partei, was Ihr Bundeslandwirtschaftsminister den Bauern erzählt haben: „Setzt auf Export, produziert für den Weltmarkt“, der falsche Weg ist. Die Bauern wissen überhaupt nicht mehr weiter. Deshalb bauen sie keine Ställe, und nicht wegen unseres Klagerechts. Das ist eine Verdrehung der Tatsachen, was Sie da machen!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU] und Rainer Deppe [CDU])

Dann kommen wir noch einmal zu dem Punkt. Ich kann mich an die Stellungnahmen gut erinnern. Da hieß es dann seitens der landwirtschaftlichen Verbände: Es steht zu befürchten; es könnte sein. – Das war alles Konjunktiv.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie haben uns gesagt, es werde aufgrund des Klagerechts für Tierschutzverbände zu einer Klageflut kommen. Nichts davon ist gekommen. Es ist genau so gekommen, wie wir es gesagt haben: Es wird an einzelnen Stellen eine Überprüfung geben; einzelne Stellen werden beklagt werden.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Rüße, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Deppe zulassen?

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, gerne.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Auf geht’s.

Norwich Rüße (GRÜNE): Bitte.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Dann kann er durchatmen!)

Rainer Deppe (CDU): Keine Aufregung. – Herr Rüße, wie erklären Sie sich denn, wenn Sie sagen, das sei alles so unbedeutend, dass einer der Verbände, die Sie anerkannt haben, ARIWA, auf der eigenen Homepage schreibt, dass gerade durch diese Tätigkeit im Verbandsklagerecht – ich darf zitieren – „viele Neubau- und Erweiterungsanträge für Schweinezuchtanlagen in Nordrhein-Westfalen auf Eis liegen und somit auf unbestimmte Zeit verhindert wurden“? Genau damit begründet ja ARIWA den Erfolg dieses Gesetzes und seiner Tätigkeit. Ausgerechnet diesen Verband haben Sie auch noch anerkannt.

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Deppe, was jemand auf seiner Facebook-Seite, Website oder sonst wo schreibt, muss ja nicht immer die Wahrheit sein.

(Lachen von der CDU – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sind alternative Fakten!)

– Es stimmt einfach nicht. Heute Morgen hatten wir genau dasselbe. Da haben wir Herrn Kaiser gesagt: Nennen Sie doch einmal ein Beispiel. – Herr Deppe, es wäre etwas anderes, wenn Sie mir hier sagen würden: Herr Rüße, in Ihrem Heimatort, in Steinfurt, wird ein Stall nicht gebaut. Oder: Im Kreis Borken werden fünf Ställe nicht gebaut. – Kommen Sie einmal mit wirklichen Beispielen. Nein, Sie kommen mit ARIWA, einer Tierschutzorganisation, die irgendetwas auf ihrer Webseite beschreibt.

(Zuruf von Rainer Deppe [CDU])

Natürlich will eine solche Organisation ihre eigenen Erfolge darstellen. Aber im Land ist es doch nicht so, dass Stallbauten auf Eis liegen. Das ist doch nicht wahr.

Ich würde Sie auch bitten, dass Sie, wenn Sie schon das Klagerecht so einschränken wollen, perspektivisch das Naturschutzrecht mit hineinpacken. Sagen Sie den Naturschutzverbänden bitte auch, dass Sie das Klagerecht für sie nicht mehr wollen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sagen Sie, dass Sie Mitwirkung von Naturschützern und Tierschützern in diesem Land nicht wollen. Sagen Sie das deutlich.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU)

– Ja. Aber man kann zumindest einmal sagen, was man will. Ich fände, das wäre ehrlich.

Zum Schluss möchte ich ein Zitat vortragen, das mir in den letzten Tagen über den Weg gelaufen ist. Dieses Zitat fand ich bezeichnend. Da hat sich jemand zum Verbandsklagerecht folgendermaßen geäußert – ich zitiere –:

„Mit diesem Gesetz haben wir ein wichtiges Signal für den Tierschutz gesetzt und gleichzeitig eine Rechtslücke geschlossen. … Das ist ein weiterer und wichtiger Meilenstein für den Tierschutz.“

Meine Damen und Herren, jetzt ist spannend, zu wissen, wer das denn gesagt hat. Man würde vermuten, dass es unser Minister Johannes Remmel war. Er war es aber nicht. Es war auch nicht Christian Meyer aus Niedersachsen. Vielmehr war es Minister Peter Hauk aus Baden-Württemberg, der das am 28. Dezember 2016 so formuliert hat. Dieser Kollege der CDU sagt: Das Verbandsklagerecht ist ein gutes Instrument, ein richtiges Instrument.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sollten sich einmal überlegen, wo Sie denn als CDU stehen. Sie müssen doch insgesamt einmal eine Position entwickeln.

(Minister Johannes Remmel: Von Baden-Württemberg lernen, heißt siegen lernen!)

– Genau.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit, Herr Kollege.

Norwich Rüße (GRÜNE): Zum Schluss sage ich noch einmal: Mit Ihnen ist – das hat dieser Antrag wieder gezeigt – keine gute Tierschutzpolitik zu machen. Deshalb kann man das, was Sie hier wollen, auch nur ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ich habe noch einmal nachgefragt. Es war just in time, eine Punktlandung.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Eine Sekunde überzogen!)

Es folgt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Deppe, der jetzt für 90 Sekunden das Wort erhält. Bitte.

Rainer Deppe (CDU): Herr Rüße, Sie haben eben ein schönes Zitat gebracht. In der Tat könnte es auch von Herrn Remmel stammen. Aber wir sind hier eben in Nordrhein-Westfalen und nicht in Baden-Württemberg.

(Michael Hübner [SPD]: Gute Erkenntnis!)

Herr Remmel und die anderen grünen Minister der Regierung in Nordrhein-Westfalen sind auch nicht Herr Kretschmann und die grünen Mitglieder der Regierung in Baden-Württemberg. Dann könnten wir hier einmal über innere Sicherheit diskutieren. Dann würde das hier anders aussehen.

(Lachen von Norwich Rüße [GRÜNE] – Jochen Ott [SPD]: Aber Sie haben schon einen grünen Schlips an!)

Aber eines sage ich Ihnen: Wir werden hier in Nordrhein-Westfalen auf keinen Fall eine Fortsetzung der grünen Politik mit einer schwarzen Ministerin durchführen. Wir sind hier in Nordrhein-Westfalen. Unser Land muss endlich weg von den letzten Plätzen in der Bundesrepublik.

(Fortgesetzt Zurufe)

Das geht nur mit einer klaren Abkehr von der grünen Verhinderungs- und Bevormundungspolitik. Dieses Markenzeichen wird es nach dem 14. Mai dieses Jahres in Nordrhein-Westfalen nicht mehr geben. Das kann ich Ihnen und der Öffentlichkeit hier versprechen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Jetzt hat Herr Kollege Rüße für bis zu 90 Sekunden das Wort. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Deppe, Tiere sind in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland gleich und haben dieselben Rechte. Dafür werden wir uns weiter einsetzen. Wir werden uns mit der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und dem Minister Johannes Remmel dafür einsetzen, dass es im Tierschutz auch nach dem 14. Mai 2017 weiter vorangeht und Nordrhein-Westfalen ein Leuchtturm für Tierschutzpolitik bleiben kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: So weit Kurzintervention und Replik darauf. – Nächster Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Kollege Busen.

Karlheinz Busen (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Norwich Rüße, draußen glaubt dir keiner das, was du hier gerade erzählt hast.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Doch!)

Man kann über das Verbandsklagerecht denken und diskutieren, wie man möchte. Aber was man nicht wegdiskutieren kann, ist die Tatsache, dass es handwerklich – wie leider so oft in dieser Regierungszeit – richtig schlampig gemacht wurde.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Das betrifft zum Beispiel die Akteneinsicht. Um den Fehler auszubügeln, hat der Minister die Kommunen per Erlass zum Rechtsbruch aufgerufen, bis dem gerichtlich ein Riegel vorgeschoben wurde. Das ist nicht nur peinlich; das ist einfach ein Skandal.

Das Gesetz ist aber auch in der Sache gescheitert; denn es ist überflüssig. Wir haben in Deutschland eines der schärfsten Tierschutzrechte der Welt. Und im ganzen Land haben wir sachkundig abwägende und hoch engagierte amtliche Tierärzte. Es ist die Aufgabe der staatlichen Veterinärverwaltung, dieses Recht in der Praxis umzusetzen. Das machen die amtlichen Tierärzte traditionell sehr gut, seriös, unabhängig und unbestechlich.

Das Verbandsklagerecht hingegen hat dazu geführt, dass sehr umstrittene angebliche Tierschutzvereine, die mit dubiosen Spendensammlungsaktionen Aufsehen erregen, über die Anerkennung als klageberechtigter Verband versuchen, sich als staatlich geprüft und besonders seriös darzustellen. Das führt den Verbraucher in die Irre. Dem sollten Sie, Herr Remmel, als Verbraucherschutzminister eigentlich einen Riegel vorschieben.

Dass genau dieser Verein derzeit die Anerkennungsvoraussetzungen überhaupt nicht erfüllt, Herr Minister Remmel aber weiterhin die schützende Hand über ihn hält, ist der zweite Skandal.

Das zeigt: Es ging und geht den Grünen bei dem Gesetz gar nicht um den seriösen Tierschutz. Es sollten einzig und allein die Wählerklientel und das Parteivorfeld beschenkt werden. Geopfert wird dabei die verantwortungsvolle Arbeit der Kommunen. Diese werden diskreditiert und behindert. Mit bürokratischen Auflagen werden sie von ihrer eigentlichen Arbeit im Sinne des Tierschutzes abgehalten.

Wie so oft leidet dabei insbesondere die Landwirtschaft. Ideologisch verblendete Tierschutzvereine nutzen die neuen Informations- und Klagerechte gezielt aus, um Familienbetriebe anzugreifen und Nordrhein-Westfalen als Standort für landwirtschaftliche Nutztierhaltung und auch Spitzenforschung gezielt zu schwächen.

Wenn Landwirte und andere mit unberechtigten Klagen überzogen werden, wie es leider öfter vorkommt, ist das ein großer Unsicherheitsfaktor für die betroffene Branchen – auch wenn, wie es meist der Fall ist, später gerichtlich festgestellt wird, dass alles in Ordnung war. Das ist dann aber kein Trost. Allein die Verschleppung und Verzögerung reicht aus, um das wirtschaftliche Aus eines Projektes oder eines Betriebes zu besiegeln.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Busen, Herr …

Karlheinz Busen (FDP): Ich bin gleich fertig. – Das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine gehört zumindest in der vorliegenden Form abgeschafft. – Danke.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Busen. – Rechtzeitig vor Ende Ihrer Rede hatte Herr Kollege Rüße nachgefragt, ob Sie eine Frage zulassen. Ich vermute, dem ist so.

Karlheinz Busen (FDP): Ja.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Okay. Dann nehmen wir sie noch mit. – Herr Kollege Rüße, Sie haben das Wort.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben jetzt sehr betont, dass das Verbandsklagerecht die landwirtschaftlichen Betriebe belastet, gefährdet usw. Ich würde gerne von Ihnen wissen, ob es nicht eher so ist, dass die unzureichende Umsetzung der europäischen Schweinehaltungsrichtlinie – wenn wir einmal diesen Bereich nehmen – dazu führt, dass die Schweinehalter nicht genau wissen, wie ihre Perspektiven an der Stelle sind.

Karlheinz Busen (FDP): Nein. Es ist ganz klar: Das Verbandsklagerecht behindert nicht nur Planung und Bau, sondern verhindert sogar, dass Betriebe weiter existieren. Die Betriebe bangen um ihre Existenz.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie wissen doch genau, wie das funktioniert: Wenn ein Bauer einen Stall bauen will, muss er zur Bank gehen, damit er ihn finanzieren kann. Wenn dann das Verbandsklagerecht irgendwo greift, dann ist der Familienbetrieb pleite.

Das haben Sie mit Ihrem Gesetz so weit getrieben, dass die Leute schon Angst haben, überhaupt einen Antrag zu stellen, weil sie bei der Bank wegen der Finanzierung Probleme kriegen. Da stehen Existenzen auf dem Spiel. Sie als Grüne haben da mit dem Tierschutz überhaupt nichts gemein. Sie erreichen genau das Gegenteil von Tierschutz. Das ist das Skandalöse dabei. Gucken Sie sich in der Praxis um; dann werden Sie es sehen.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist doch keine Antwort!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: So weit die Frage des Herrn Kollegen Rüße und die Antwort des Herrn Kollegen Busen. – Als nächster Redner spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Der vorliegende Antrag zeichnet sich durch wohltuende Kürze im Begründungsteil aus: keine lange Prosa, keine Horden von Teufeln, die umständlich an die Wand gemalt werden. Man stellt einfach einmal drei Behauptungen auf und unternimmt noch nicht einmal den Versuch, sie zu belegen.

Sie wollen, wie üblich, zurück: vorwärts nimmer, rück­wärts immer. Demokratische Beteiligungsrechte sind Ihnen ein Gräuel. Das haben Sie auch gestern schon mit Ihrem Antrag zur Veröffentlichung immissionsrechtlicher Anträge im Internet unter Beweis gestellt.

Es gibt überhaupt keine Belege für Ihre Behauptungen. Sie sind haltlos. Wenn man in der Parlamentsdatenbank nach Anfragen zu diesem Thema sucht, dann findet man nichts. Es gibt keine Antworten, die Ihre Behauptungen unterstützen.

Befürchten Sie denn vielleicht ein Ende der Tierversuchsforschung und den daraus folgenden Untergang des Abendlandes? Seit Beginn des Verbandsklagerechtes für die Tierschützer gab es nur eine große Klage. Sie richtete sich auch nicht gegen Tierversuche.

Wohl aber gab es Bürgerbeteiligung durch frühzeitige Einbindung in Entscheidungen. Dadurch ist es letztendlich zu weniger Einsprüchen und Klagen gekommen. Das funktioniert, weil die Klageoption bei mangelnder Rücksichtnahme auf berechtigte Einwände weiter besteht.

Verbandsklagerechte sind wichtige kollektive Bürgerrechte. Wir haben uns immer, schon in unserem Wahlprogramm 2010, gegen die von der damaligen CDU/FDP-Regierung geplanten Verschlechterungen und für Verbesserungen ausgesprochen. Wir hatten der Gesetzesänderung zur Erweiterung des Verbandsklagerechtes auf Tierschutzverbände hier zugestimmt. Das wollen wir nochmals erweitern, nämlich auf ein Verbandsklagerecht auch für die Jäger.

Die Jäger klagen gerade auf Aufnahme ins Verbandsklagerecht als Tierschutzverband. Sie scheiterten in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen. Möglicherweise wird das Oberverwaltungsgericht Münster das bestätigen. Aber stellen Sie sich einmal vor: Der Landesverband obsiegt doch in Münster, und der Landtag ist vorher Ihrem Antrag gefolgt. Dann wird der Landesjagdverband die Jagdhörner putzen – vielleicht auch Herr Busen, der ja auch eines hat – und Ihnen schön etwas aufspielen.

(Zuruf von der SPD)

Vielleicht tun sie das auch schon im Ausschuss. Vielleicht kommen die Jäger da auch mal wieder vorbei und spielen Ihnen auf.

Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir natürlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Remmel das Wort.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es klasse, dass der Landtag das Recht der Kurzintervention eingeführt hat; denn gerade in diesem Fall hat Herr Deppe mit seiner Kurzintervention den eigentlichen Sinn und Zweck des heutigen Antrags klargemacht. Es geht gar nicht um die Sache, also gar nicht um Tierschutz, sondern alleine um Wahlkampf. Das war offensichtlich der Hintergrund.

(Beifall von den GRÜNEN und Jochen Ott [SPD])

Es ging darum, ein Thema zu suchen, um dann die Leier zu spielen, dass Rot-Grün die wirtschaftliche Entwicklung behindere und dass es einen Minister gebe, der gegen die Landwirte sei. Da ist Ihnen nichts zu schade.

Es ist auch eine gewisse parlamentarische Tradition, dass man Gesetze dann ordentlich betrachtet, wenn sie, wie das Parlament beschlossen hat, nach einer gewissen Zeit evaluiert werden. So haben wir es jedenfalls als Landtag beschlossen. 2018 läuft das Gesetz aus. Vorher muss es entsprechend evaluiert werden. Das wird die Landesregierung selbstverständlich tun. Anschließend kann der Landtag über den Sinn und Zweck des Gesetzes und mögliche Konsequenzen daraus beraten.

(Zuruf von der CDU)

Ich sage Ihnen nur eines – und darauf wäre ich als Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags durchaus stolz; als Minister bin ich jedenfalls stolz darauf –: Nordrhein-Westfalen hat mit dieser Gesetzesinnovation Rechtsgeschichte geschrieben. Nach der Beschlussfassung in Nordrhein-Westfalen sind Hamburg und das Saarland bereits unserem Beispiel gefolgt; Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg sind bereits erwähnt worden; Niedersachsen wird noch folgen.

Insofern haben wir den Tierschutzverbänden hier einen Weg eröffnet, den es in der Vergangenheit in der Tat schon für die Naturschutzverbände gegeben hat. Das liegt schlicht und einfach in der Tatsache begründet, dass wir es mit zwei Rechtstatbeständen zu tun haben und sich die Betroffenen, nämlich auf der einen Seite die Natur und auf der anderen Seite die Tiere, selbst rechtlich nicht wehren bzw. ihre Rechte durchsetzen können.

Diese Konstruktion wählen wir auch in anderen Bereichen, in denen es für das einzelne Individuum, sei es Tier oder Mensch – beim Menschen sind es dann die Verbraucherinnen und Verbraucher –, schwierig ist, seine Rechte durchzusetzen. In einem solchen Fall können andere diese Rechte stellvertretend einklagen und sie durchsetzen, um gleiche Augenhöhe herzustellen.

Das ist Sinn und Zweck dieses Gesetzes. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass das mit diesem Gesetz durchaus gelungen ist.

Einige Falschdarstellungen möchte ich hier jedoch zurückweisen.

Auf die Zahl der Eingaben und Klagen ist bereits hingewiesen worden.

Herr Busen, mit dem Hinweis auf die mangelnde Seriosität der einzelnen Vereine treffen Sie natürlich auch solche Vereine wie den Deutschen Tierschutzbund, der maßgeblich die Arbeit bestimmt, aber auch den Landestierschutzverband Nordrhein-Westfalen, dessen Mitglieder die Tierheime in Nordrhein-Westfalen betreiben. Sie haben maßgeblich gefordert, dass sie ein solches zusätzliches Recht bekommen. Schließlich wurde aus ihrer Arbeit die Erkenntnis gewonnen, dass es hier Lücken gibt, wenn es darum geht, Tierschutzrechte durchzusetzen.

In dem Zusammenhang sei noch der Hinweis gestattet, dass die Bundesregierung bzw. der Bundesminister zurzeit mit dem Deutschen Tierschutzbund das Tierwohl-Label erarbeitet. So unseriös kann der Deutsche Tierschutzbund also nicht sein. Deshalb bitte ich um Vorsicht bei der Klassifizierung der Tierschutzvereine. Dort wird gute Arbeit für den Tierschutz in Nordrhein-Westfalen und die Tiere im Allgemeinen geleistet.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist es auch noch wichtig, klarzustellen, dass die in der Tat nicht zufriedenstellenden Bearbeitungszeiten im Zusammenhang mit Tierversuchen nichts mit dem Verbandsklagerecht zu tun haben. Das Verbandsklagerecht ist an diesem Punkt bewusst so formuliert, dass kein Tierversuch angehalten wird, weil möglicherweise eine Klage geführt wird. Es handelt sich um eine reine Feststellungsklage. Das haben wir damals so miteinander vereinbart, um genau diesem Vorwurf zu entgehen.

Warum es zu Verzögerungen und zu langen Genehmigungszeiten kommt, ist in einer anderen Frage begründet, die wir hier auch schon diskutiert haben. Es liegt zum einen daran, dass die Bundesregierung die Anzahl der Versuche, die genehmigt werden müssen, deutlich erhöht hat. Dafür ist zusätzliches Personal notwendig. Das hat auch das Gutachten zum LANUV noch einmal unterstrichen. Das Personaldefizit ist bedauerlicherweise noch nicht behoben. Ich bemühe mich natürlich, dieses Defizit zu beheben. Mit der Verbandsklage hat das aber rein gar nichts zu tun.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit, Herr Minister.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ja, sehr geehrter Herr Präsident, ich bin gleich am Ende meiner Rede.

Abschließend ist es mir noch wichtig, richtigzustellen, dass die Unterstützung, die dem Landesbüro Verbandsklagerecht anerkannter Tierschutzverbände in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt wird, nicht etwa zur Unterstützung von Klagen, sondern vielmehr zur Koordination und zur Minimierung von Bürokratie verwandt wird. Denn ansonsten müssten jedem der neun anerkannten Vereine alle Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. So wird das gebündelt und koordiniert. Damit wird überflüssige Bürokratie vermieden. Deshalb ist das Geld sinnvoll eingesetzt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/14017 an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe auf:

7  Trauerspiel um die JVA Münster beenden: Überfälligen Neubau endlich realisieren, denkmalgeschützten Altbau erhalten!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/12832

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/14041

Ich darf darauf hinweisen, dass der Antrag der CDU-Fraktion gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Rechtsausschuss überwiesen wurde, und zwar wie üblich mit der Maßgabe, dass Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen.

Da die Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses nunmehr vorliegen, eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Marquardt das Wort.

Thomas Marquardt (SPD): Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns im Folgenden mit einem CDU-Antrag, dem ich auch, so wie eben schon dem Antrag zum Verbandsklagerecht, unterstelle, dass er der parteipolitischen Profilierung im Wahlkampf dienen soll.

(Widerspruch von der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Neubau einer Justizvollzugsanstalt ist ein hochsensibles Thema und absolut nicht dazu geeignet, parteipolitische Profilierungen voranzutreiben.

Schon im Jahr 2012 hat die Landesregierung ihre Hausaufgaben gemacht. Sie hat eine Grundsatzentscheidung getroffen, dass der 160 Jahre alte Bau der JVA in Münster nicht mehr zu renovieren ist und dass es zu einem Neubau kommen soll. Entsprechende Gelder hierfür sind im Haushalt eingestellt.

Leider hat das Land Nordrhein-Westfalen das Problem, dass es in der Stadt Münster keine eigenen Landesflächen gibt. Daher ist und war man darauf angewiesen, Unterstützung von der Stadt Münster hierfür zu erhalten. Man hat sich zusammengesetzt und sich im Jahr 2013 auf einen Standort festgelegt, und zwar auf den Bundeswehrtruppenübungsplatz in Handorf. Stadt und Land waren sich hier einig. Das war im Jahr 2013.

Bei diesem Übungsplatz handelt es sich um eine Übungsfläche für die Bundeswehr an einem Standort, an dem sich die Anzahl der Soldaten halbiert hat, die verbleibende Hälfte kaum noch auf Übungsvorhaben auf diesen Platz angewiesen ist und zudem noch ein weiterer Truppenübungsplatz dazugekommen ist, der die Übungsfläche mehr als verdoppelt. Daher ist absolut nicht nachvollziehbar, warum der Bund – und zwar das Bundesministerium der Verteidigung mit einer CDU-Ministerin und einem CDU-Staatssekretär – es abgelehnt hat, am Rande eines nur noch sporadisch genutzten Übungsplatzes einen Standort für den Neubau der JVA Münster freizugeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sich schon die öffentliche Hand, also Stadt, Land und Bund, nicht auf ein so sensibles Projekt einigen kann, dann ist wohl jedem von uns klar, dass es ganz schwierig ist, eine Standortentscheidung herbeizuführen, wenn die privaten Landbesitzer hier mit einbezogen werden müssen.

Wir hatten im Rechtsausschuss eine Anhörung und haben hierzu mehrere Stellungnahmen erhalten, unter anderem eine Stellungnahme vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen, die sehr ausführlich war und das, was ich hier vorgetragen habe, unterstützt.

Ich habe es sehr bedauert, dass seitens des Bundesverteidigungsministeriums und der Stadt Münster niemand erschienen ist, um dem Ausschuss in der Anhörung Rede und Antwort zu stehen; denn es gab einige interessante Fragen, die hätten beantwortet werden können. Ich bedaure das sehr und muss sagen, dass ich es für nicht adäquat halte, wenn ein Bundesministerium einem „niedrigeren“ Landtag nicht Rede und Antwort steht. Ich halte das für sehr bedenklich und für sehr undemokratisch.

(Zurufe von der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte hier auch noch einmal die Rolle der Stadt Münster beleuchten. Die Stadt Münster ist die fünftgrößte Flächenstadt in Deutschland und nach Köln die größte Flächenstadt in Nordrhein-Westfalen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Busen würde Ihnen gerne eine Frage stellen. Lassen Sie sie zu?

Thomas Marquardt (SPD): Gerne.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte.

Karlheinz Busen (FDP): Danke, Herr Marquardt. Eine Frage: Würden Sie einem Abbruch der JVA zustimmen?

Thomas Marquardt (SPD): So weit bin ich noch gar nicht. Das ist ein Thema, das sich erst ergibt, wenn das Land Nordrhein-Westfalen einen Standort gefunden hat und der Strafvollzug im Land Nordrhein-Westfalen endlich Rahmenbedingungen schaffen kann, die unserem Strafvollzugsgesetz im Land, das wir vor zwei Jahren hier verabschiedet haben, auch gerecht wird. In dieser 160 Jahre alten Anstalt ist das nicht mehr möglich. Wir brauchen für einen modernen Strafvollzug auch eine moderne Strafvollzugsanstalt.

Wenn die Anstalt aus dem 160 Jahre alten denkmalgeschützten Gebäude ausgezogen ist und den Betrieb an neuer Stelle aufgenommen hat, wird man sicherlich Entscheidungen herbeiführen müssen, was mit der denkmalgeschützten JVA passieren soll. Das war übrigens auch Tenor des BLB und der Bezirksregierung Münster, die sich in der Anhörung klar geäußert haben. Viele Bürger teilen diese Ansicht und wollen die denkmalgeschützte JVA nicht abreißen, sondern sie weiter in Münster stehen haben.

Aber noch einmal zur Rolle der Stadt: Die Stadt Münster hat dem Land keinerlei Flächen anbieten können. In einer Sitzung des Planungsausschusses der Stadt Münster wurde vom damaligen Stadtdirektor auf die Frage, welchen Standort er denn präferieren würde, geantwortet, er ziehe nach wie vor den Truppenübungsplatz in Betracht; das habe für die Stadt Münster Priorität. Wenn dann der CDU-Oberbürgermeister noch behauptet, dass alles getan worden wäre, um dem Land bei der Suche nach einem Standort Unterstützung zu geben, dann halte ich das für eine Farce und für eine glatte Lüge.

(Karlheinz Busen [FDP]: Hat er aber!)

Die Stadt Münster hat die Standortsuche in keiner Weise unterstützt. Diese Sitzung des Planungsausschusses ist ein deutlicher Beleg dafür.

(Beifall von der SPD)

Insofern halte ich das für Heuchelei. Die Stadt Münster und die CDU waren bei der Standortsuche nicht behilflich. Sie scheinen kein Interesse daran zu haben, 300 Arbeitsplätze und ein 200-Millionen-€-Projekt in der Stadt Münster zu halten. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Marquardt. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Kamieth das Wort.

Jens Kamieth (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Vor viereinhalb Jahren, am 30. August 2012, erklärte Herr Minister Kutschaty, die JVA befinde sich in einem schlechten baulichen Zustand; ein Neubau an anderer Stelle sei erforderlich. Am 4. September 2014 teilte das Bundesministerium der Verteidigung unserer Landesregierung mit, eine Teilfläche des Standortes Handorf stehe für einen Neubau der JVA Münster nicht zur Verfügung.

Auch die Standortanalyse zeigte bereits frühzeitig, dass der Truppenübungsplatz Handorf eine zwar grundsätzlich geeignete Alternative sei, die weitergehende und vertiefende Prüfung zeigte aber, dass dem Standort in Handorf besser geeignete Alternativen vorzuziehen seien.

Im April 2016 erklärten Sachverständige des BLB, es bestehe keine akute Einsturzgefahr oder Gefahr für Leib und Leben in Bezug auf das Gebäude. Am 6. Juli 2016 kündigte der BLB den Mietvertrag. Am 7. Juli, einen Tag später, musste die JVA dann ohne Vorwarnung binnen 48 Stunden geräumt werden, weil ein aktuelles Gutachten eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein spontanes Versagen der Statik sehe.

Durch die plötzliche Räumung der JVA mussten bereits geschlossene Anstalten in Coesfeld und Krefeld kurzfristig als Ausweichstandorte nutzbar gemacht werden – so weit die traurige Chronologie der JVA Münster.

(Sven Wolf [SPD]: Und die Rolle der CDU?)

Ein neuer Standort ist nach wie vor nicht in Sicht. Die Versäumnisse beim denkmalrechtlichen Schutz des JVA-Gebäudes wurden uns in der Anhörung im Rechtsausschuss am 7. Dezember 2016 bestätigt.

Der heutige unwürdige bauliche Zustand, der die Fortführung eines modernen, geregelten Strafvollzugs in Münster inzwischen unmöglich gemacht hat und zur Räumung führte, wurde durch Nichtstun verschuldet. Notwendige Reparaturen an Dach und Mauerwerk wurden nicht vorgenommen.

Doch zurück zur Nutzung des Gebäudes als Justizvollzugsanstalt. Im Dunklen tappen nämlich nunmehr auch seit Jahren die Angestellten der JVA Münster und ihre Familien. Sie brauchen endlich Klarheit darüber, wie es mit ihnen und mit ihren Arbeitsplätzen weitergeht.

Auch die Zukunft des Justizstandorts Münster steht in den Sternen. Bis heute gibt es keine Entscheidung oder Prüfung zu Fragen der Sanierbarkeit und/oder einer zukünftigen vollzuglichen Nutzung des Bestandsgebäudes nach einer Sanierung.

Man kann ernsthafte Zweifel daran haben, ob das Ministerium überhaupt Interesse an einer verbindlichen Entscheidung hat – und das in Zeiten, in denen erheblicher Bedarf an Haftplätzen besteht.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Nein, hat man nicht! – Sven Wolf [SPD]: Deswegen sanieren wir ja!)

Zu berücksichtigen ist aber auch die Situation in den Haftanstalten in Coesfeld und Krefeld. Diese werden derzeit als Ausweichstandorte für Häftlinge aus Münster genutzt, obwohl das NRW-Justizminis­terium sie erst Ende 2015 geschlossen hatte.

Festzuhalten bleibt eine mehr als bescheidene Bilanz. Seit Regierungsübernahme durch Minister Kutschaty ist nichts passiert.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Wie bitte? Jetzt wird er frech!)

Seit Jahren wird das Ziel des Neubaus verfolgt. Seit Jahren ist es die Absicht des Justizministers, einen neuen Standort festzulegen. Im Ergebnis muss man feststellen, dass der Minister keinen anderen Standort vorzuweisen hat.

Die Instandhaltung des bestehenden, denkmalgeschützten Standorts wurde vernachlässigt. Jetzt streiten die zuständigen Behörden über die Sanierungsfähigkeit der JVA Münster. Zusätzlich – so hat es selbst der Staatssekretär in der vergangenen Sitzung des Rechtsausschusses eingeräumt – ist durch die Räumung der JVA Münster eine prekäre Situation für den Justizvollzug und die Haftplatzkapazitäten in NRW entstanden.

(Sven Wolf [SPD]: 82 % Auslastung, Herr Kamieth! 82 %!)

Erst im November vergangenen Jahres hat man endlich alle Beteiligten an einen Tisch geholt. Dies hätte bereits viel früher geschehen müssen, beispielsweise als die Grundsatzentscheidung des Ministers gefallen war. Man weiß doch, dass die Suche nach JVA Standorten sensibel angegangen werden muss. Die Landesregierung hat eine Hängepartie auf dem Rücken der Beschäftigten zugelassen. Dies liegt in der Verantwortung des Ministers.

Jetzt gilt es aber, nicht weiter zurückzublicken, sondern endlich in die Zukunft zu schauen. Herr Minister, treffen Sie die notwendigen Entscheidungen; werden Sie nicht zum Spielball anderer. Werden Sie Ihrer Verantwortung für den Strafvollzug und für Ihre Bediensteten gerecht.

(Sven Wolf [SPD]: Bundesverteidigungsministerium!)

Daher kann ich nur um Zustimmung für unseren Antrag werben, um endlich Planungssicherheit für alle Beteiligten herzustellen.

(Beifall von der CDU und Karlheinz Busen [FDP])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kamieth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Hanses.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war abstrus, Herr Kollege Kamieth, ob die Diskussion um den JVA-Standort Münster ein Trauerspiel ist oder nicht, hat nicht zuletzt die CDU erheblich mit in der Hand.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aus unserer Sicht ist völlig unverständlich, dass bei einem CDU-Antrag das Bundesverteidigungsministerium die Stellungnahme verweigert.

(Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Frau von der Leyen ist noch nicht einmal in der Lage, irgendeine Referatsleitung zu schicken, um hier klar Bekenntnis abzulegen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Michele Marsching [PIRATEN])

Nicht nachvollziehbar ist, dass mehr als zwei Dutzend Standorte aus Sicht der Stadt Münster ungeeignet sind. Deshalb ist es zu dem gekommen, was Sie beschrieben haben, dass am 7. und 8. Juli des letzten Jahres 450 Gefangene in 15 andere Justizvollzugsanstalten verlegt wurden – ohne einen Zwischenfall und mit hohem Einsatz der Beschäftigten.

(Sven Wolf [SPD]: Überall waren noch Plätze frei!)

Unseren Beschäftigten möchte ich an dieser Stelle nochmals ganz herzlichen Dank aussprechen. Es gab keine Entweichung. Es gab keinen Vorfall. Das war ein besonderes Engagement innerhalb dieser 48 Stunden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mit Blick auf den Standort Münster-Handorf, aber auch auf andere Standorte etwa in umliegenden Kommune wie Laer – mein ehemaliger Fraktionsvorsitzender hat das in Vertretung im Rechtsausschuss vorschlagen dürfen – ist doch selbstverständlich, dass das Justizministerium in dieser Lage auch andere Standorte prüft.

Ich kann für unsere Fraktion sagen, dass wir mit den grünen Ratsfraktionen vor Ort Kontakt aufgenommen haben und erfolgreich für den Standort werben durften. Das ist gelungen. Ich weiß nicht, warum Sie da nicht weiterkommen.

Ich bin froh über die Resolution des Rates der Stadt Münster vom 30. August mit einem klaren Bekenntnis zum Standort Münster. Jetzt muss das aber umgesetzt werden. Es ist völlig nachvollziehbar. Der Minister hat zu einem runden Tisch eingeladen. Er hat alles gemacht, damit am Standort alle Möglichkeiten geprüft werden, Stichwort: Containerbauweise. In der letzten Sitzung des Rechtsausschusses haben wir vom Staatssekretär erfahren, dass überlegt wird, möglicherweise baulich unbedenkliche Teile wie Teil B ohne Gewölbegebäude zu nutzen. Selbstverständlich müssen wir da weiterkommen.

Jetzt bitte alle nach vorne und alle an einem Strang ziehen, und zwar in eine Richtung. Niemand kann mehr das Schwarze-Peter-Spiel nachvollziehen, das Sie hier zu spielen versuchen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Das sind wir den Beschäftigten, den Gefangenen, ihren Angehörigen und auch dem Münsterland schuldig. – Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Wedel.

Dirk Wedel (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Freiziehung der JVA Münster handelt es sich um einen in der nordrhein-westfälischen Vollzugsgeschichte beispiellosen Vorgang, der ein erhebliches Abstimmungsversagen zwischen BLB und Justizministerium offenbart.

Am 7. Juli 2016 behauptete Justizminister Kutschaty gegenüber WDR online, die Kündigung der JVA Münster sei – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – „sehr kurzfristig und sehr überraschend“ erfolgt. Der stellvertretende Anstaltsleiter wurde in der „Münsterschen Zeitung“ vom 7. Juli 2016 mit den Worten zitiert, die Information, dass Schluss sei, habe die Anstaltsbediensteten „kalt erwischt“.

Allein überraschend geschah in diesem Zusammenhang nichts. Nach einem längeren, dem Justizstaatssekretär bekannten Vorlauf lag dem BLB schon am 22. Juni ein baustatisches Sachverständigengutachten und am 27. Juni zusätzlich ein durch den BLB beauftragtes rechtswissenschaftliches Gutachten vor, das mit Blick auf potenzielle Haftungsrisiken eine sofortige außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses über die Anstalt empfahl. Die Gutachten gingen dem Justizministerium bereits am 28. Juni, die außerordentliche Kündigung am 6. Juli zu. Nicht zu Unrecht beklagte deshalb der Personalrat der JVA in den „Westfälischen Nachrichten“ vom 14. Juli, die Zeit seit dem 22. Juni habe bereits zur Vorbereitung der Räumung genutzt werden können.

Das sind die Abläufe rund um die Freiziehung. Tatsächlich waren die baulichen Probleme der JVA Münster aber schon seit 2009 bekannt, was das Justizministerium im Jahr 2012 auch zu einer Neubauentscheidung veranlasst hat.

Die Anhörung im Rechtsausschuss hat nun aber eine noch ganz andere Perspektive eröffnet. Nach Bezirksregierung und LWL hat eine Einsturzgefahr der JVA Münster nie bestanden, der BLB aber über Jahre hinweg seine denkmalrechtlichen Pflichten vernachlässigt und die Anstalt verrotten lassen.

Die Vertreterin des LWL hat in der Anhörung angegeben, alle festgestellten baulichen Mängel der Anstalt ließen sich reparieren. Jedoch sei die Instandhaltung in der Vergangenheit nicht mit der notwendigen Sorgfalt betrieben worden. Diesen Standpunkt nahm auch die Vertreterin der Bezirksregierung Münster ein. Ein prüfstatisches Sachverständigengutachten vom Herbst 2016 habe ergeben, dass insbesondere das Rissbild für alte Mauerwerksbauten typisch sei. Auch Belastungstests der Zellengewölbe hätten keine Anhaltspunkte für eine Einsturzgefahr geliefert.

Der BLB hat hingegen behauptet, eine Sanierung der JVA sei weder technisch möglich, noch wirtschaftlich sinnvoll. Die Einschätzung der Denkmalschützer indiziert hingegen, dass der BLB wohl eher notwendige Instandhaltungsmaßnahmen nach $ 7 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz versäumt hat. Für den BLB als öffentlichen Eigentümer kann es – auch nach Auffassung der Bezirksregierung – wohl kaum an der gesetzlich erforderlichen Zumutbarkeit der Instandhaltung gefehlt haben. Das lässt tief blicken. Der BLB hat an dieser Stelle offenbar ebenso wie bei der Suche nach einem Ersatzgelände für einen Neubau mal wieder eine „Glanzleistung“ vollbracht.

Nachdem das Justizministerium im September 2012 die Entscheidung für einen Neubau getroffen hatte, intensivierte der BLB die Anbahnung hinsichtlich eines Bundeswehrgrundstücks in Handorf durch – nach eigener Angabe – Kontaktaufnahme mit hochrangigen Vertretern der Bundeswehr. Auf eine förmliche Verfügbarkeitsanfrage wurde jedoch verzichtet, obwohl sich Justizminister Kutschaty am 8. Mai 2013 im Rechtsausschuss sowie bei einem Pressegespräch auf den Standort Handorf als einzigen verbliebenen Vorschlag festgelegt und ausgeführt hatte, die Fläche werde zu erwerben sein. Mit bekanntem Ausgang!

Falls das noch nicht genügt: In der aktuellen Stellungnahme des BLB befinden sich auch Ausführungen, dass sich bei der Standortsuche von den 23 identifizierten möglichen Standorten elf als gut geeignet dargestellt hätten, Handorf beim Alternativenvergleich aber nicht im vorderen Ranglistenbereich gelegen habe. Handorf sei wegen der eingeschränkten Möglichkeiten, dort Planungs- und Baurecht zu schaffen, selbst bei einem Erwerb der Fläche ohnehin kaum realistisch.

Diese ganzen Vorgänge richten die Scheinwerfer auf das immer wieder zu beobachtende dysfunktionale Zusammenspiel zwischen Justizministerium und BLB. Ich nenne nur die Stichworte Justizzentrum Köln, Neubau des Amtsgerichts Gummersbach und Kommunikationsprobleme im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft zu schließender Zweiganstalten.

Zum Antrag werden wir uns enthalten, zumal die dortigen Forderungen auf das Jahresende 2016 befristet waren. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Herr Kollege Kern.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Man kann von dem CDU-Antrag halten, was man will. Aber die Wortwahl „Trauerspiel“ im Titel ist richtig gewählt. Ich darf noch einmal für die Zuhörer zusammenfassen, ohne dass ich auf die einzelnen Details eingehe, wie das mein Vorredner schon getan hat.

Wir haben im Sommer 2016 – letztes Jahr – eine Notevakuierung der JVA Münster erlebt, und dass, obwohl seit 2005 über Statikprobleme dieser JVA diskutiert wird, und obwohl seit 2012 ein Beschluss vorliegt, dass es einen Neubau geben soll. Wir haben jetzt das Jahr 2017. Wir haben natürlich noch keine Fertigstellung einer neuen JVA. Wir haben aber noch nicht einmal einen Rohbau. Wir haben noch nicht einmal einen Spatenstich oder eine Baugenehmigung, weil es noch kein Grundstück dafür gibt. Diesen zeitlichen Ablauf muss man sich einfach noch einmal vor Augen führen.

Dass das zu einer massiven Verunsicherung bei den Beschäftigten führen muss, ist klar. Über Jahre in einem potenziell einsturzgefährdeten Gebäude zu arbeiten, macht niemandem wirklich Spaß, glaube ich. Da ist es auch nicht hilfreich, wenn sich der Personalratsvorsitzende Anfang dieses Jahres mit einem Schreiben an die Ministerpräsidentin wendet und von dieser keine Antwort erhält, auch wenn natürlich der zuständige Justizminister pflichtschuldigst für seinen Zuständigkeitsbereich die Sache wohl weiter bearbeitet hat, wie ich den „Westfälischen Nachrichten“ vom 10. Januar entnehmen konnte.

Nichtsdestotrotz: Das trägt nicht zu einem besseren Betriebsklima in der JVA Münster bei. Das beruhigt nicht die Bediensteten. Natürlich ist es auch nicht angenehm für die Angehörigen der dort ursprünglich Inhaftierten, die auf andere Gefängnisse verlegt worden sind, die jetzt längere Anfahrtszeiten für ihre Besuche in Kauf nehmen müssen. Das ist alles sehr unschön.

Und, um auf das Wort „Tauerspiel“ noch einmal zurückzukommen: Unschön ist es dann auch, wenn sich der Landtag mit diesem Fall beschäftigt und eine Anhörung durchführt, in der dann sage und schreibe zwei der geladenen Sachverständigen erscheinen.

Ja, ich bin bei Ihrer Kritik, Frau Hanses dabei, dass es ein Unding ist, dass sich vom Bundesministerium der Verteidigung, CDU-geführt, niemand blicken lässt. Aber es ist genauso unverschämt, dass sich niemand vom BLB und auch nicht von der Stadt Münster blicken lässt. Das ist eine Frechheit gegenüber diesem Parlament.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Das ist hier gelebte Verantwortungsdiffusion. Da zeigt jeder mit dem Finger auf den anderen: die Kommune aufs Land, das Land auf den Bund und umgekehrt. Das ist doch das, was zur Politikverdrossenheit in diesem Land führt. Das ist das, was die Ränder stärkt. Das, was Sie hier angeblich immer bedauern und bekämpfen wollen: Hier bieten Sie ein schönes – oder eher ein unschönes – Beispiel dafür, wie es zu solchen Entwicklungen kommt. Deswegen ist Trauerspiel genau der richtige Begriff für das, was hier stattfindet.

Dann darf ich noch einmal den Blick von diesem konkreten Einzelfall vielleicht auf die Gesamtsache richten. Die Notevakuierung der JVA Münster ist eigentlich nur ein Symptom für den Sanierungsnotstand im ganzen Land: Brücken, Schienen, an den Zustand der Straßen in diesem Land darf ich erinnern. Natürlich macht das auch vor den Gefängnissen in diesem Land nicht Halt. Das ist die Folge einer selbstauferlegten Sparpolitik, die nur um die Schuldenbremse kreist, nur damit der Finanzminister sich dieses Jahr freuen kann, einen ausgeglichenen, leicht im Plus endenden Haushalt 2016 zu haben.

Da muss man sich aber auch anschauen, was das auf der anderen Seite für dieses Land bedeutet. Vor dieser Konsequenz verschließen Sie aber alle hier im Hause lieber die Augen – nicht nur die Regierung, auch CDU und FDP. Deswegen stimmen wir der geäußerten Kritik in dem Antrag zwar in weiten Teilen zu, werden uns aber aus den genannten Gründen nur enthalten können. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Kutschaty.

Thomas Kutschaty, Justizminister: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da viele meiner Vorredner den Blick hauptsächlich in die Vergangenheit gerichtet haben, gestatten Sie mir zur Vergangenheit eingangs vielleicht noch einige Anmerkungen auch zu machen. Es war im Jahr 2005, als Schwarz-Gelb die Regierung angetreten hat und eine sanierungsbedürftige JVA Münster vorgefunden hat.

In den folgenden fünf Jahren von 2005 bis 2010 passierte schlicht nichts. Nicht 1 € findet sich auf den Bau- und Mietlisten in dieser Legislaturperiode. Am Ende der Legislaturperiode, 2010, stellte man an schwarz-gelbe Landesregierung fest: Na ja, vielleicht könnte man auch einen Neubau planen.

Die aktuelle Landesregierung war gerade nicht untätig, meine Damen und Herren. Nachdem, wie schon hier gesagt wurde, die Landesregierung sich für einen Neubau entschieden hat, ist durch die Beauftragung des Bau- und Liegenschaftsbetriebes unmittelbar das Projekt auch forciert worden. BLB, Stadt- und Justizministerium sind unmittelbar in die Standortsuche eingetreten. Es wurden zeitnah geeignete Standorte in Augenschein genommen.

Ein angemessener Standort, der insbesondere mit der Kommune abgestimmt und von der Kommune ausdrücklich gewünscht war, nämlich Münster-Handorf, wurde dann auch der Öffentlichkeit präsentiert. Es wird wohl immer ein Rätsel bleiben, warum schlussendlich trotz aller vorangegangenen entgegenstehenden Aussagen und Signale die Hausspitze des Bundesverteidigungsministeriums einen Verkauf dieser Fläche an das Land verweigerte.

Aber auch danach sind wir nicht etwa in Schockstarre verfallen, sondern haben die Suche systematisch fortgesetzt und im Zusammenwirken mit Bau- und Liegenschaftsbetrieb, mit der Stadt und mit der Bezirksregierung weitere geeignete Flächen identifiziert. Aktuell, meine Damen und Herren, laufen ganz konkrete Ankaufsverhandlungen des Bau- und Liegenschaftsbetriebes, was ein Grundstück in Münster anbelangt.

Aber, ich habe in dieser Zeit auch gelernt: Ich kann mich nicht alleine mehr auf die Stadt Münster in diesem Fall verlassen. Deswegen habe die Standortsuche auch über das Stadtgebiet der Stadt Münster hinaus ausgedehnt. Sie haben es den Medien teilweise schon entnehmen können: Es gibt durchaus auch Optionen am Rande der Stadt Münster, rund um Münster geeignete Standorte zu finden.

Gleichwohl hat uns die Stadt Münster im Rahmen eines von uns einberufenen Runden Tisches am 1. Dezember letzten Jahres noch einmal ausdrücklich ihre Unterstützung zugesagt, möglichst einen Standort auf Münsteraner Stadtgebiet zu finden. Diese Gespräche, auch des Runden Tisches, werden fortgesetzt.

Aber auch nach Feststellung der Beeinträchtigung der Bausubstanz, meine Damen und Herren, hat die Landesregierung ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Davon zeugen die seit mehreren Jahren laufenden regelmäßigen Überprüfungen durch einen Statiker und die im Winter 2015/2016 installierte elektronische Rissüberwachung zur Früherkennung von Veränderungen. Wir agieren also gewissenhaft, sorgfältig und haben auch stets das Wohl der Beschäftigten und der Gefangenen im Blick.

Seit Einbau dieser Messvorrichtung wurden zu keiner Zeit die Grenzwerte überschritten. Dementsprechend gab es auch keine akute Situation und keinen Hinweis auf eine Verschlechterung der Grundsituation. Unabhängig davon hat der BLB – wir hörten es schon – einen Zweitgutachter eingeschaltet, ein Rechtsgutachten eingeholt. Das Ergebnis ist Ihnen auch bekannt. Das ist die fristlose Kündigung des Mietvertrages.

Ich darf an dieser Stelle auch darauf aufmerksam machen, dass es eine sehr sorgfältig vorbereitete, aber dann sehr schnell und effektiv durchgeführte Räumung der JVA Münster gegeben hat. Ich möchte an dieser Stelle auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich danken, denen es gelungen ist, ohne Zwischenfälle 450 Gefangene in noch nicht einmal ganz zwei Tagen anderweitig unterzubringen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Ich darf Ihnen ergänzend mitteilen, dass der Bau- und Liegenschaftsbetrieb mir gestern mitgeteilt hat, dass der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaute sogenannte B-Flügel des Sternbaus der JVA Münster aus baulicher Sicht in absehbarer Zeit wieder mit Gefangenen belegt werden kann. Die Prüfungen der dazu noch notwendigen Maßnahmen laufen mit Hochdruck. Das wird zukünftig auch den Einsatz weiterer Bediensteter am vorhandenen Standort in Münster ermöglichen. Es ist also im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass wir auch dort weitere Gefangene wieder unterbringen können.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat generell den baulichen Zustand der Justizvollzugsanstalten im Blick und betreibt aktiv ihre Erhaltung und Modernisierung. Mit dem von der Landesregierung beschlossenen Justizvollzugsmodernisierungsprogramm werden 787 Millionen € investiert und damit insgesamt 2.748 Haftplätze neu gebaut bzw. grundsaniert.

Das Programm ist auf die Behebung des dringendsten Erneuerungsbedarfes gerichtet und betrifft neben der Justizvollzugsanstalt in Münster auch die Anstalten Iserlohn, Köln und Willich I. Darüber hinaus wird in den kommenden Jahren auch die Anstalt Wuppertal-Vohwinkel kernsaniert.

Sie sehen also, meine Damen und Herren: Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung im Strafvollzug sehr bewusst. Ich darf auch heute noch einmal die Versicherung aussprechen: Auch in Zukunft wird jeder in Nordrhein-Westfalen, der einen Haftplatz braucht, einen kriegen, auch wenn er gar nicht möchte. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 7 an dieser Stelle schließe.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 16/14041, den Antrag der CDU-Fraktion Drucksachennummer 16/12832 abzulehnen. Wir stimmen somit über den Antrag und nicht über die Beschlussempfehlung ab. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer enthält sich? – Die FDP und die Piratenfraktion. Damit ist der Antrag mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

8  Das Land NRW muss die Freigabe von Cannabis in lizenzierten kommunalen Abgabestellen unterstützen!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/14003

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/14099

Ich eröffne die Aussprache und als erster Redner hat für die Piratenfraktion Herr Kollege Lamla das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause am Stream! Warum stehe ich heute hier? –

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

– Meine Damen und Herren, der Spaß wird Ihnen vielleicht gleich vergehen.

(Lachen von den PIRATEN)

Warum stehe ich heute hier? – Weil ich der Meinung bin, dass ich als volljähriger Bürger jederzeit die Möglichkeit haben muss, Cannabis zu kaufen, ganz legal in einem Fachgeschäft.

Daher fordern wir Piraten heute hier auch einen Fördertopf zur Finanzierung von Modellprojekten, damit Städte, Gemeinden und Kommunen den legalen Verkauf von Cannabis untersuchen und ausprobieren können. Das ist eigentlich eine ganz einfache Sache, aber sehr effektiv. Das ist zugleich ein erster und ein kleiner, ein moderater Schritt hin in Richtung Legalisierung.

Das ist das Mindeste, so finde ich zumindest, was die rot-grüne Landesregierung ihren Bürgern bieten könnte.

Wir Piraten haben dabei durchaus viele Unterstützer. Die Wissenschaft fordert ein Umdenken. So sollen alternative Lösungen zur aktuellen Verbotspolitik getestet werden. Dass diese Verbotspolitik gescheitert ist, das sehen wir aktuell an der Berichterstattung über die Drogenkriminalität.

Trotz 40 Jahren Verbot und Verfolgung nimmt der Konsum nicht ab. Wir geben aktuell neunmal mehr für die Bekämpfung von Drogen aus als für die Prävention. Cannabiskonsumenten werden verfolgt, gebrandmarkt und zu Schwerverbrechern gemacht, während sich die Macher der Gesetze, die Politiker im Bund und in den Landtagen, in den Festzelten die Hucke vollkippen, und dazu gehöre auch ich manchmal. Aber es lässt sich niemandem vermitteln, wieso das Rauschmittel Alkohol erlaubt und das Rauschmittel Cannabis verboten sein soll, obwohl inzwischen sogar die Leserinnen und Leser der „Apotheken Umschau“ wissen, dass von Alkohol eine wesentlich größere Gesundheits- und Suchtgefahr ausgeht als von Cannabis.

(Beifall von den PIRATEN)

Sogar die zehnjährige Evaluation der Drogenpolitik durch die EU kommt zu dem Ergebnis, dass ein Cannabisverbot nicht funktioniert. Ja, sogar von der Polizei und von der Staatsanwaltschaft kommt immer wieder und immer häufiger die Forderung, endlich mit diesem Verbotsquatsch aufzuhören. Damit würden die Polizei und die Staatsanwaltschaft massiv entlastet werden und die Dealer würden zugleich von der Straße verschwinden, eine Win-win-Situation.

Nicht zuletzt, meine Damen und Herren, könnten die Grünen endlich einmal damit aufhören, die Legalisierung zu bewerben, und sie endlich mal umsetzen. Denn dann blieben uns endlich diese hohlen Kifferkampagnen der Grünenpartei erspart, die schon so vielen Menschen aus der Cannabiskultur so gehörig auf die Nerven gehen. Denn wenn es darum geht, Gesetze für die Legalisierung zu erlassen, dann sind die Grünen auf einmal nicht mehr so für frisches grünes Gras, wie sie in ihrem Facebook-Post suggerieren.

(Zuruf von Stefan Engstfeld [GRÜNE])

Nein, dann suchen sie immer wieder irgendwelche Ausflüchte. Seit 30 Jahren versprechen die Grünen die Legalisierung und seit 30 Jahren verhindern die Grünen die Legalisierung,

(Beifall von den PIRATEN)

obwohl sie in den Regierungen sind, obwohl sie Ministerpräsidenten stellen. Aber das ist ja auch logisch. Denn wenn das Gras erst einmal legalisiert wurde, womit will man dann noch Werbung machen? Die Atomkraft ist quasi abgeschafft. Die „Atomkraft? Nein Danke“-Aufkleber musste man sich von den Geländewagen knibbeln.

(Heiterkeit)

Ja, und was passiert, wenn jetzt die Legalisierung kommt? Dann sieht es für die Grünen ziemlich düster aus.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die weitere Debatte.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Scheffler jetzt das Wort.

Michael Scheffler (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem, was Herr Kollege Lamla hier vorgetragen hat, kann ich nur sagen: Das wurde der Ernsthaftigkeit dieses Themas an keiner Stelle gerecht. Das war nichts weiter als blanker Populismus, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Zur Sucht- und Drogenpolitik gehört auch ein Stück Nachdenklichkeit, ein Stück gut zuhören können und nicht solch ein drogenpolitischer Fundamentalismus, wie wir ihn eben erlebt haben. So geht es gar nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Schwacher Beifall!)

Dass wir, die SPD und die Grünen, für eine moderne und zeitgerechte Drogenpolitik stehen

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Prohibition heißt das!)

und dass mit uns nachvollziehbare und gerechtfertigte Anpassungen machbar sind, haben wir in der vorigen Woche noch bewiesen, als im Bundestag das Thema „Cannabis“ behandelt worden ist. Eine Behandlung mit Cannabis ist jetzt auf ärztliche Verordnung mit Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen möglich.

(Beifall von der CDU)

Jetzt entscheiden die Ärzte, welche Therapie sie den Patientinnen und Patienten verordnen. Damit wird die Therapiehoheit der Ärztinnen und Ärzte gestärkt und die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf eine sichere Basis gestellt. Die Verschreibungsfähigkeit von Cannabis für Schwerkranke ist keine gesundheitspolitische Nebelkerze, wie der Kollege Lamla behauptet hat,

(Beifall von der CDU)

sondern sie bedeutet einen guten Fortschritt und – was mir wichtig ist – vor allen Dingen eine Hilfe für die Betroffenen, die seit Jahren darauf gewartet haben, dass sich diesbezüglich etwas tut.

Aber eine völlig kritikfreie und willkürliche Freigabe von Cannabis ist mit uns nicht zu machen. Wir haben in den vergangenen Jahren hier im Hause Anhörungen zu dem Thema durchgeführt. Herr Lamla müsste wahrgenommen haben, dass die gesundheitlichen Risiken des Konsums und die Auswirkungen der Abhängigkeit von Cannabis von vielen Sachverständigen ausführlich erläutert worden sind. Wir wissen auch um die verheerenden gesundheitlichen Folgen, die Cannabis haben kann.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Und deswegen verschreibt man es!)

Ich sage Ihnen auch eins: Es macht keinen Sinn, eine Sucht und eine Droge gegen eine andere aufzurechnen. Wenn Sie nun sagen: „Alkohol ist auch gefährlich, aber nicht verboten“, dann mag das zwar sein – es gibt auch Leute, die zu viel Alkohol trinken; das ist überhaupt keine Frage –, aber das bedeutet nicht, dass wir einem vorhandenen Gesundheitsrisiko noch ein weiteres hinzufügen müssen.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Wir wissen natürlich, dass Cannabis in der Bevölkerung reichlich konsumiert wird. Das ist bedauerlich. Wir haben als Gesetzgeber die Pflicht, gerade junge Menschen vor den Gefahren der Drogen zu schützen. Wir möchten auf lange Sicht weniger Suchtkranke in der Bevölkerung und nicht mehr.

(Beifall von der SPD und der CDU – Zuruf von den PIRATEN)

Das, was wir in der letzten Woche über den Drogenkonsum an Schulen gehört haben, muss uns noch einmal zusätzlich nachdenklich und hellhörig machen. Wenn man sich vor Augen führt, dass insbesondere die Gruppe der 14- bis 18-Jährigen betroffen ist, können wir sagen: Wir wollen keinen leichten Umgang mit Cannabis und auch nicht mit anderen Drogen.

Im Übrigen hat das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte in einem Brief an die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg die Rechtslage sehr deutlich gemacht: Das Bundesbetäubungsmittelgesetz lässt keinen Ermessensspielraum, um Modellprojekte zu genehmigen, sondern es hat einen ganz anderen Ansatz. Es stellt nämlich den Schutz vor Drogen und vor Betäubungsmitteln in den Vordergrund. Solange das Gesetz nicht geändert wird – und ich sehe auf Bundesebene dafür zurzeit keine Mehrheit – ist das, was hier betrieben wird, ein Showgeschäft.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Scheffler, ...

Michael Scheffler (SPD): Ich kann nicht ernstnehmen, wenn hier mit so einer Vehemenz etwas gefordert wird, was politisch nicht durchsetzbar ist.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Scheffler, bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche.

Michael Scheffler (SPD): Meine Damen und Herren, wir von Rot-Grün haben

(Heiterkeit)

in der Vergangenheit bewiesen – und das werden wir auch in Zukunft tun –, dass wir Hilfe und Unterstützung …

(Zuruf von der FDP: Hallo! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Die Präsidentin möchte etwas von Ihnen!)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Scheffler, ich wollte Sie unterbrechen. Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche.

(Heiterkeit)

Offensichtlich ist die Akustik im Raum nicht ganz optimal für den Redner oder die Rednerin. – Herr Kollege Lamla würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Würden Sie diese zulassen?

Michael Scheffler (SPD): Aber gerne.

Lukas Lamla (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Scheffler, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie sprachen gerade die minderjährigen Konsumenten an. Ist Ihnen bewusst, dass sich viele Erziehungsberechtigte, sprich Eltern minderjähriger Konsumenten, nicht trauen, Beratungsstellen aufzusuchen, weil sie Repressionen befürchten, weil sie befürchten, vom Staat belangt zu werden, und dass eine Entkriminalisierung tatsächlich den Jugendschutz stärken würde?

Michael Scheffler (SPD): Herr Lamla, meine Erfahrung ist eine andere. Ich kenne viele Drogenberatungsstellen, die sich sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigen und die auch bereit sind, mit hoher Vertraulichkeit zu arbeiten und den Familien zu helfen. Ich glaube, darauf kommt es an.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Ich bin mir sicher, dass das bei einer vernünftigen Gesundheitspolitik vor Ort gewährleistet ist. Ich kann den Eltern nur empfehlen und raten: Sehen Sie zu, wenn Sie Probleme in der Familie haben, dass Sie sich Rat und Unterstützung holen.

Meine Damen und Herren, ich will abschließend noch kurz darauf hinweisen, dass Rot-Grün in der Vergangenheit eine zukunftsweisende Politik gemacht hat. Wir haben Drogenkonsumräume in Nordrhein-Westfalen eingeführt. 2015 sind sie für Substituierte geöffnet worden. Wir haben seinerzeit unter Hermann Heinemann die Methadonvergabe eingeführt. Er ist mutig vorangegangen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Michael Scheffler (SPD): Nach der Wahl 2010 hat der Justizminister den Eigenbedarf auf 10 g angehoben. Das sind ganz wichtige Elemente, um in Nordrhein-Westfalen eine moderne Drogenpolitik zu gestalten.

Wir lehnen den Antrag der Piraten ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Scheffler. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Kern das Wort.

Walter Kern (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir müssen daran arbeiten, dass der Cannabiskonsum nicht weiter gesellschaftlich verharmlost wird. Wir dürfen vor den Gefahren nicht die Augen verschließen. Die Wahrheit ist: Drogen verändern Lebenswege und zerstören Lebensperspektiven. Ganze Familien zerbrechen durch Drogenkonsum.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Prost!)

Auch Cannabis als Einstiegsdroge trägt dazu bei. Die zerstörerischen Auswirkungen bei gesunden Menschen können nicht abgeschätzt werden.

Deswegen lehnen wir den Antrag der Piraten mit Entschiedenheit ab. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Ünal.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Prost!)

– Ich habe verstanden, dass einer der Kollegen „Prost“ gerufen hat. Das finde ich in dieser Debatte und auch generell unangebracht.

(Beifall von der CDU – Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Oh!)

Arif Ünal (GRÜNE): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Über den Umgang mit Drogenhandel und Drogenkonsum wird seit Jahrzehnten sehr emotional diskutiert. Inzwischen sind diese Debatten schon an vielen Punkten von der gesellschaftlichen Realität überholt worden, insbesondere was den Cannabiskonsum angeht. Erlauben Sie mir, einige Eckpunkte über den Cannabiskonsum und unsere Haltung darzulegen.

Bisher haben es die Mittel des Strafrechts und andere rechtliche Sanktionen nicht vermocht, den Konsum einzudämmen und den Handel in den Griff zu bekommen. Das ist eine Realität. Es scheint uns daher sehr überfällig, die geltenden rechtlichen Normen an die gesellschaftliche Realität anzupassen, auch im Hinblick auf eine nachhaltige Verbesserung der Voraussetzungen für eine wirksame Präventionspolitik.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Mit dem Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz haben die Grünen im Bundestag 2015 die gesellschaftliche und politische Debatte um eine Neubewertung der Sucht- und Drogenpolitik neu belebt. Ziele sind eine kontrollierte Abgabe, ein kontrollierter Markt und ein wirksamer Jugendschutz.

Meine Damen und Herren, seit Mai 2011 ist es grundsätzlich möglich, Cannabis zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken zu verwenden und cannabishaltige Zubereitungen als Fertigarzneimittel zu verschreiben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann in Ausnahmefällen eine Erlaubnis zu wissenschaftlichen oder anderen, im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Mit der vor wenigen Tagen beschlossenen Gesetzesnovelle zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ist nun auch die Vergabe von Cannabis aus medizinischen Gründen mit Verschreibung möglich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Forderung der Grünen und vieler gesellschaftlicher Gruppen geht aber wesentlich weiter, nämlich mittels Modellversuchen die Möglichkeit zu überprüfen, ob die kontrollierte Abgabe von Cannabis unter Einhaltung des Jugend- und Verbraucherschutzes einen risikoärmeren Konsum fördert und negative Effekte des Verbotes verringern oder sogar beseitigen kann. Ziel ist nicht, den Drogenkonsum zu befördern, sondern, einem gesellschaftlichen Problem mit einem anderen Lösungsansatz zu begegnen und sich dabei stärker als bisher an der Lebensrealität zu orientieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bundesweit wird in 25 Kommunen über Modellprojekte für eine kontrollierte Abgabe politisch diskutiert. In NRW haben bisher die Räte in Düsseldorf und Münster Ratsbeschlüsse zur Beantragung entsprechender Modellprojekte gefasst. Die Beschlüsse in beiden Städten gehen jeweils auf eine Initiative der dortigen grünen Ratsfraktion zurück. In beiden Städten finden in den Kommunen in den kommenden Wochen und Monaten intensive Beratungen über die Konzepte und die Ausgestaltung der Forschungsprojekte, die zur kontrollierten Abgabe beantragt werden sollen, statt.

Die Piraten versuchen nun, mit ihrem Antrag im Landtag auf den Zug aufzuspringen, und vermitteln den Eindruck, als würden wir im Landtag über die Modellprojekte entscheiden können. Das ist natürlich nicht so. So sinnvoll und wichtig wir Grünen die kontrollierte Abgabe finden, der Landtag hat diesbezüglich keine Kompetenzen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grünen unterstützen die Kommunen, die sich mit entsprechenden Initiativen auf den Weg machen und einen Antrag auf einen Modellversuch an das Bundesinstitut richten wollen. Zunächst müssen diese Anträge gut vorbereitet werden, was beide genannten Kommunen in NRW unter starker Beteiligung der Grünen im Moment auch tun. Erst nach einem positiven Bescheid – die Zuständigkeit liegt beim Bundesinstitut – gilt es, die Finanzierung für die entsprechenden Modellprojekte auf den Weg zu bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, es ist dringend notwendig, auf der Bundesebene einen klaren rechtlichen Rahmen für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis zu schaffen. Die Grünen haben mit dem Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz die parlamentarische Initiative übernommen. Der Gesetzentwurf ist im Bundestag weiterhin in Beratung.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit, Herr Ünal.

Arif Ünal (GRÜNE): Das heißt, wir setzen alles daran, dass es zu einer entsprechenden Änderung kommt. Trotzdem werden wir heute sowohl den Antrag der Piraten als auch den Entschließungsantrag der FDP ablehnen, weil wir inhaltlich dafür überhaupt keinen Grund sehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Ünal, bleiben Sie bitte am Redepult. Herr Kollege Düngel wollte Ihnen eigentlich eine Zwischenfrage stellen. Aber wenn ich Sie noch mal unterbrochen hätte, wäre es auch schwierig geworden. – Möchten Sie nun eine Kurzintervention halten?

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Ja!)

– Okay.

Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass wir das so flexibel handhaben können und ich die Möglichkeit habe, eine Kurzintervention anzubringen.

Herr Kollege Ünal, Sie haben mehrfach die Position der Grünen dargelegt. Sie werden verstehen, dass ich anderer Meinung bin, nämlich dass wir sehr wohl auch auf Landesebene in gewisser Weise in diesen Belangen eine Kompetenz haben. Ich stelle fest, dass gerade im Gesundheitsbereich und im Gesundheitsministerium bezüglich der Verantwortung und Durchsetzung immer auf die Kommunen oder auf den Bund gesetzt wird. Das Land kann, wenn ich Ihren Ausführungen und denen der Gesundheitsministerin folge, im Gesundheitsbereich im Prinzip nichts machen. Diesbezüglich wollte ich Ihnen vorhin die Zwischenfrage stellen, wann wir denn das Gesundheitsministerium auf Landesebene abschaffen. Es scheint ja nicht erforderlich zu sein.

Meine zweite Frage lautet: Wo ist Ihr Entschließungsantrag zu dieser Thematik? Wo ist der Antrag, in dem ganz klar dargestellt wird, was die Position der Grünen im Land ist, die man mit der rot-grünen Regierungskoalition auch durchsetzen kann? Wieso bekommen wir das nicht schriftlich? Wo ist der Entschließungsantrag?

(Beifall von den PIRATEN und Susanne Schneider [FDP])

Arif Ünal (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir als Grüne haben unsere Position sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene sowie auf der kommunalen Ebene klar dargestellt. Das Land hat natürlich die Möglichkeiten, ich habe in diesem Antrag aber keine Kompetenzen gesehen. Auf einmal wollen Sie 1 Million € zur Verfügung stellen,

(Zuruf von den PIRATEN: Was?)

obwohl die Kommunen, die Anträge gestellt haben, überhaupt keinen Finanzbedarf angemeldet haben.

(Zuruf von den PIRATEN: Wo steht das? Können Sie das klarstellen?)

Die Antragstellung kostet 20.000 €, die die Kommunen selber übernehmen können. Nachdem das Bundesinstitut die Sondergenehmigung erteilt hat, müssen wir uns über die Finanzierung der Modellprojekte und eine wissenschaftliche Begleitung Gedanken machen. Dabei kann das Land auch eine Rolle spielen, aber momentan gibt es keine Möglichkeiten, diese Finanzierung vom Land bereitzustellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich denke, so gesehen kann man sagen, dass dieser Antrag inhaltlich nichts bringt. Wenn Sie daran Interesse hätten – Sie sehen ja, dass im Landtag darüber immer noch Diskussionsbedarf herrscht –, dann hätten Sie den Antrag zur Überweisung gestellt, und dann könnten wir im Fachausschuss noch einmal miteinander darüber diskutieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sehen doch den Bedarf, weil es unterschiedliche Meinungen gibt. So gesehen sind Sie aber offenbar inhaltlich nicht daran interessiert, die Sache voranzutreiben, sondern wollen einfach nur einen Impuls geben und nach außen diese Signale senden. Dabei spielen wir nicht mit. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Wie oft denn noch?!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Schneider das Wort.

Susanne Schneider (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute den dritten Antrag der Piraten zum Thema Cannabis in dieser Legislaturperiode.

(Zuruf von den PIRATEN: Und letzten, versprochen! – Weitere Zurufe von den PIRATEN)

– Gut, der letzte ist ja auch schon über ein Jahr her, und ich denke, Anlass war unter anderem die Fachtagung im Düsseldorf im Dezember, die gerade auch von unserer FDP-Fraktion im Rat der Stadt auf den Weg gebracht wurde.

Wir haben jetzt schon einiges Spannende gehört. Manche sind aus Prinzip dagegen, weil man immer dagegen ist. Die Grünen sind im Bund dafür, im Land dagegen und in den Kommunen wieder dafür.

(Zuruf von den GRÜNEN: Sie müssen zuhören! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

– Die FDP sieht das ein wenig nachhaltiger und mit mehr Weitblick.

(Zurufe von den GRÜNEN: Ah! Ah! Ah!)

Deshalb haben wir einen Entschließungsantrag gestellt.

(Beifall von der FDP)

Unser Entschließungsantrag liegt vor. Diesem Antrag können Sie auch entnehmen, dass wir eben nicht vernachlässigen dürfen, dass vom Konsum von Cannabis vor allem für Heranwachsende und für Jugendliche Gefahren ausgehen.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schnei­der, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt unterbreche. Herr Kollege Kern würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Susanne Schneider (FDP): Herr Kollege Kern.

(Zuruf: Nee, der andere Kern! – Unruhe)

Welcher jetzt?

Präsidentin Carina Gödecke: Von den Piraten.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Kollegin Schneider, dass Sie auch mir das Wort erteilen wollen und nicht nur meinem Namensvetter.

Meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie gerade etwas despektierlich gesagt haben: „Ja, das ist jetzt der dritte Antrag von den Piraten.“ – Die FDP hat sich in letzter Zeit anscheinend auch positiv zu Cannabis geäußert. Meine Frage ist daher: Wie viele Anträge hat denn die FDP-Fraktion in dieser Legislaturperiode zu dem Thema eingereicht?

Susanne Schneider (FDP): Die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass die Beschlusslage der Bundes- und der Landes-FDP hier ausreichend und Cannabis primär kein Thema für das Land Nordrhein-Westfalen ist. Wir stehen in diesem Land im Moment vor anderen Herausforderungen.

(Beifall von der FDP)

Aber gut, wenn es Ihnen so wichtig ist: Wir haben einen Entschließungsantrag gestellt.

(Zurufe von den GRÜNEN)

– Wir schon, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Wir können sehr gerne nachher darüber sprechen. Aber jetzt würde ich sehr gerne fortfahren.

Wie gesagt, von Cannabis gehen auch Gefahren aus. Uns ist wichtig, dass wir eine kontrollierte Abgabe haben, eine strikte Einhaltung des Jugendschutzes garantieren und Anstrengungen zu Aufklärung und Prävention wirkungsvoll verbinden können. Der vorliegende Antrag ist uns deshalb nicht deutlich genug.

Gleichwohl halten wir eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten an Erwachsene über Apotheken oder lizensierte Abgabestellen für den besseren Weg als diese Verbotspolitik und den damit verbundenen Schwarzhandel. Insofern sehen wir kommunale Modellprojekte als wichtigen Schritt und begrüßen natürlich die Initiative in Düsseldorf und in den anderen Städten Nordrhein-Westfalens.

Dabei sollten wir jedoch keine Illusion wecken. Ein Modellprojekt bedeutet nicht, dass jeder Volljährige zu einer Stelle gehen und sich dort seinen Joint abholen kann. Ein Modellprojekt bedeutet nur, dass einige Hundert regelmäßige Konsumenten in Vergleichsgruppen anonymisiert Untersuchungen und Befragungen mitmachen, wie sich eine kontrollierte Abgabe auf die Gesundheit und das Konsumverhalten der Teilnehmer auswirkt und ob sich zum Beispiel eine Folgewirkung auf den Schwarzmarkt und die öffentliche Sicherheit verzeichnen lässt.

Die Genehmigung eines solchen Modellprojektes – das haben wir schon gehört – liegt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und ist mit hohen Hürden verbunden. Sicher war der erste Versuch des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg nicht sonderlich fundiert – also ähnlich wie Ihr Antrag –, aber die Begründung der Ablehnung zeigt, dass jeder Ansatz negiert wird, der auf den Einsatz von Cannabis als Genussmittel zielt.

Selbst eine umfassende wissenschaftliche Begleitung und eine klare Zielsetzung im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Verbesserungen bei den Konsumenten stellen eine Genehmigung nicht sicher. Wir halten es deshalb für sinnvoll, über eine Bundesratsinitiative eine gesicherte Rechtsgrundlage für kommunale Modellprojekte zu schaffen.

Kernpunkt des Piratenantrags ist die finanzielle Unterstützung von Modellprojekten. Dabei bleibt aber die Forderung, unkompliziert einen Fördertopf bereitzustellen, wenig substanziell. Kosten entstehen vor allem für die wissenschaftliche Begleitung, ohne die jeder Antrag chancenlos ist. 20.000 € für die Erstellung eines Studiendesigns – diese sollten kein Problem sein und wären wahrscheinlich auch noch aus Haushaltsmitteln zur Bekämpfung der Suchtgefahren möglich, da hierbei die Pauschalen und die bei den Kommunen verfügbaren Mittel für Zuwendungen an soziale Einrichtungen in der Regel sowieso nicht vollständig abgerufen werden.

Ein Großteil der Kosten fällt für die Durchführung der wissenschaftlichen Begleitstudie an. Prof. Pongratz hat bei der Düsseldorfer Fachtagung 800.000 € für eine zweijährige Studie mit 500 Teilnehmern geschätzt. Hier sollten wir verschiedene Ansätze wie die Kooperation mehrerer Kommunen, die Beteiligung von Hochschulen oder die Einbeziehung Dritter, zum Beispiel von Stiftungen, in Erwägung ziehen. Über eine ergänzende Landesförderung wäre im Rahmen künftiger Haushaltsberatungen zu entscheiden; es wäre nicht redlich, dem neu zu wählenden Landtag dazu Vorgaben zu machen.

Wir teilen die Zielrichtung Ihres Antrags, sind jedoch der Ansicht, dass eine Reihe von Aspekten darin nicht ausreichend beleuchtet wird. Deshalb haben wir heute einen Entschließungsantrag vorgelegt und bitten um Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Kutschaty das Wort.

Thomas Kutschaty, Justizminister: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aktuell gehen wir in Deutschland davon aus, dass knapp 5 % der jungen Männer und rund 2,7 % der jungen Frauen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren regelmäßig Cannabis konsumieren. Ein intensiver, regelmäßiger Konsum von Cannabis kann zur Abhängigkeit führen. Für Jugendliche mit intensivem Konsum verdoppelt sich das Risiko von Schulabbrüchen. Auch Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit und Kognitionseinbußen nehmen zu. Unstreitig ist also: Die gesundheitlichen Gefahren des Konsums von Suchtmitteln – egal ob legal oder illegal – dürfen nicht verharmlost werden.

Es stellt sich jedoch zugleich die Frage, wie ein sinnvoller Umgang mit Cannabis und der Schutz von Jugendlichen am besten gelingen kann. Die Auseinandersetzungen und Diskussionen zur Cannabisregulierung für Volljährige haben an Intensität zugenommen. Die Fachleute sind sich einig, dass ein bloßes Verbot des Konsums bestimmter Suchtmittel die Vielschichtigkeit der Suchtentwicklung verkennt.

Konzepte und Lösungsansätze müssen sich deshalb stärker an der Lebensrealität und den Lebenswelten der Menschen orientieren. Statt Kriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten bedarf es einer Intensivierung insbesondere auch niedrigschwelliger Ansätze der Prävention und Hilfe.

Zu den Forderungen der Piraten: Wie Sie alle wissen, wurde zuletzt im Oktober 2015 ein Antrag des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg zur kontrollierten Cannabisabgabe vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgelehnt. Die Landesregierung sieht keine Anzeichen, dass das Bundesinstitut bei einem Antrag aus Nordrhein-Westfalen eine andere Entscheidung als zu Friedrichshain-Kreuzberg treffen würde. Von daher sieht die Landesregierung auch keine Möglichkeit, die Antragstellung solcher Projekte oder ihre Durchführung finanziell zu unterstützen. Zudem sind im Landeshaushalt derzeit keine Finanzmittel für solche Vorhaben ausgewiesen.

Die Debatten zum kontrollierten Cannabiskonsum, die derzeit vor allem intensiv in Düsseldorf, in Münster, aber auch in Köln geführt werden, zeigen aber, wie differenziert die Auseinandersetzung zwischenzeitlich geworden ist. Wichtig ist, dass solche Diskussionen nicht nur die gesundheitlichen Auswirkungen der Konsumierenden in den Blick nehmen, sondern es müsste auch erprobt werden, wie ein kontrollierter Konsum durch vermehrte zielgruppenspezifische Präventionsmaßnahmen flankiert werden könnte und wie ein umfassender Jugendschutz ganz konkret umgesetzt und auch kontrolliert werden kann.

Die Komplexität der Suchtproblematik wird von der Landesregierung durch ein breit angelegtes gesundheits- und sozialpolitisches Präventions- und Hilfeansatzprogramm Rechnung getragen. Im Rahmen des Cannabispräventionsprogramms „Stark statt breit“ werden zielgruppenspezifische Prävention und Frühintervention zum Cannabiskonsum durchgeführt. Das Programm zielt auf die Entwicklung gesundheitsfördernder Einstellungen, Wissensvermittlung über Risiken des Cannabiskonsums, Befähigung zu risikoarmem Verhalten und bedarfsgerechten Ausbau der Unterstützungs- und Hilfsangebote.

Die Landesregierung setzt sich in diesem Zusammenhang auch für eine sachgerechte Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ein. Die Sucht- und Drogenpolitik der Landesregierung hat immer zum Ziel, die Bevölkerung und vor allem Kinder und Jugendliche vor den negativen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen des Suchtmittelkonsums ganzheitlich zu schützen.

Sucht, meine Damen und Herren, hat immer eine Geschichte. Das drückt die grundlegende Haltung dieser Maßnahmen aus. Wir setzen dabei mit einer Vielzahl von Maßnahmen an und tragen so der Komplexität des Themas Rechnung. Dabei sind wir immer um einen sachlichen, fachlichen und ideologiefreien Dialog sowie eine Weiterentwicklung der individuellen und strukturellen Prävention bemüht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. – Für die Piratenfraktion hat noch einmal Herr Kollege Lamla das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich musste gerade ein bisschen über die FDP schmunzeln. Liebe FDP, liebe Frau Schneider, noch vor ein paar Monaten standen Sie selbst hier am Redepult und haben zu kontrollierten Abgabeprojekten behauptet, Cannabiskonsum würde zu Psychosen und Persönlichkeitsstörungen führen, und all diese Sachen abgelehnt, zu denen Sie sich jetzt, ein paar Monate später, bekennen. Angesichts dieses Verhaltens stellt sich mir die Frage, wer hier eine Persönlichkeitsstörung hat.

(Zuruf von den PIRATEN: Niemand ist zu alt zum Lernen!)

Wir wissen ja, die FDP ist sich für nichts zu schade, und für ein paar Stimmen würden Sie die eigene Oma verkaufen. Aber das hier überrascht mich schon.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Lamla, die Frau Kollegin Schneider würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Lukas Lamla (PIRATEN): Noch einmal zu den Grünen: Ich habe mal in den Parlamentsdatenbanken nachgeschaut. Die Grünen sind im Moment in elf Landtagen in Regierungsverantwortung. Es gab nur eine einzige, eher schwache Initiative zur Cannabislegalisierung aus Bremen.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Lamla, …

Lukas Lamla (PIRATEN): Ich bin gleich fertig.

Präsidentin Carina Gödecke: Nein, darum geht es gar nicht. Ich muss Sie unterbrechen, weil Frau Kollegin Schneider Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen möchte.

Lukas Lamla (PIRATEN): Ich kann mit Frau Kollegin Schneider gleich noch mal reden. Aber ich würde gerne meine Zeit noch nutzen, die gleich abgelaufen ist.

(Christof Rasche [FDP]: Feige!)

Sie kann sich für eine Kurzintervention melden. Dann haben wir einfach ein bisschen mehr Zeit. Das können wir gerne so machen.

Noch mal zu den Grünen: Sie sitzen in elf Ländern in der Regierung. Es gab nur eine einzige Initiative zur Cannabislegalisierung. Das ist einfach unglaublich schwach, und die Grünen sollten langsam aufhören, im Wahlkampf immer wieder auf diese billigen Showeffekte zu setzen und die Wähler mit billigen Wahlversprechen zu ködern. Wissen Sie was? Die Grünen sollte man bei den ganzen Pro-Legalisierungs-Demonstrationen oder Hanfparaden und sonstigen Veranstaltungen von der Straße jagen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Lukas Lamla (PIRATEN): Denn Lügner haben dort nichts zu suchen.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Lamla, Ihre letzten Worte werde ich mir gleich noch mal im Stream anschauen und sie nachlesen. Wenn Sie das gesagt haben, was ich verstanden habe, muss ich Sie später rügen. Aber ich weiß nicht, ob ich es genau verstanden habe.

Frau Kollegin Schneider nutzt aber jetzt die Gelegenheit zur Kurzintervention.

Susanne Schneider (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Kollege Lamla, ich weiß nicht, ob und was Sie konsumieren und wie regelmäßig Sie das tun. Fakt ist aber, dass die FDP-Landtagsfraktion in diesem Hause zu Ihrem letzten Antrag im September 2015 schon einen Entschließungsantrag für die kontrollierte Freigabe von Cannabis eingebracht hat.

Beim allerersten Piraten-Antrag, den Sie gestellt haben, musste ich ausdrücklich auf die Gefahren hinweisen, weil Sie die im Ihrem Antrag deutlich verharmlost haben.

Ich möchte einfach nur, dass wir, wenn wir hier schon über Drogen reden, das auch richtig tun und dass Sie dies zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von der FDP)

Lukas Lamla (PIRATEN): Frau Schneider, das nehme ich sehr gern zur Kenntnis. Sie sagten, Sie hätten einen Entschließungsantrag zu einem unserer Anträge gestellt. Dazu beglückwünsche ich Sie. Ich habe einmal in die Parlamentsdatenbank geschaut: Dort findet man in dieser Legislaturperiode von den Piraten 60 Vorgänge dazu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Das war jetzt aber wirklich der letzte angemeldete Redebeitrag. Das bleibt auch so.

Ich schließe die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 8.

Wir kommen zur Abstimmung erstens über den Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/14003. Die Fraktion der Piraten hat gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu diesem Antrag beantragt. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Dass wir dazu Ruhe im Plenarsaal und laute Stimmen bei den Abstimmenden benötigen, wissen Sie.

Ich bitte die Schriftführerin Frau Thönnissen mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage])

Entschuldigung, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hört die Antworten zum Teil wirklich sehr schlecht. Das ist keine Ignoranz oder kein Unvermögen von uns, sondern wir alle drei können Sie nicht hören.

(Der Namensaufruf wird fortgesetzt.)

Ich muss mich einmal an die Pressetribüne wenden. Wenn Sie da oben filmen und nicht nur einzelne Aufnahmen machen, dann löschen Sie das jetzt bitte. Das ist verboten, insbesondere im Rahmen einer Abstimmung. Haben wir uns verstanden?

(Beifall)

Entschuldigung, das gilt natürlich erst recht für Menschen, die sich gar nicht auf der Pressetribüne befinden. Sind das Einzelaufnahmen oder sind das Bewegtbilder? – Bewegt? Löschen und runter von der Tribüne, bitte!

(Michele Marsching [PIRATEN]: Was soll das denn? Was wird denn hier namentlich kontrolliert? Was macht das für einen Sinn?)

– Mit Ihnen unterhalte ich mich später.

Für die Bewegtaufnahmen – das wissen alle – gibt es hier einen vorgesehenen Platz, von dem auch hier der Livestream geschaltet wird. Alles andere ist auf unserer Pressetribüne aus gutem Grund nicht zulässig.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Gut, dass wir das vorher beantragt haben, und Sie haben zugestimmt!)

Und Abgeordnete sollten das erst recht nicht infrage stellen, schon gar nicht an einem Tag wie heute.

(Beifall – Der Namensaufruf wird fortgesetzt.)

Wir sind jetzt beim Namensaufruf. Deshalb bitte weiterhin Ruhe.

(Der Namensaufruf wird fortgesetzt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation ist von diesem Platz aus ganz schwierig zu beurteilen, aber wir haben drei Saaldiener dort oben, und die werden sich jetzt um die Herrschaften, die wir von hier unten identifizieren konnten, kümmern und schauen, was sie getan haben. Ich kann im Moment nur appellieren und die Saaldiener bitten, mit den betroffenen Herren zu reden und zu schauen, was los ist. Mehr Möglichkeiten habe ich im Moment nicht. Die Verbote habe ich ausgesprochen.

(Der Namensaufruf wird fortgesetzt.)

Wir haben jetzt ein kleines Problem, weil wir hier wirklich sehr schlecht hören können. – Ich glaube, Sie müssen noch einige Namen wiederholen.

(Der Namensaufruf wird fortgesetzt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe wie immer die Frage, ob zwischenzeitlich weitere Kolleginnen und Kollegen den Raum zur Abstimmung betreten haben. – Wir werden jetzt noch einmal ganz fix die Namen derjenigen durchgehen, die wir vorhin als nicht anwesend registriert haben, weil ich mir nicht ganz sicher bin, ob da Übereinstimmung besteht. Frau Thönnissen wird also noch einmal die Namen derjenigen aufrufen, bei denen sie nichts vermerkt hat.

(Es werden die Namen derjenigen Abgeordneten aufgerufen, die als nicht anwesend registriert wurden.)

Dann sind wir damit durch.

Ich schließe die namentliche Abstimmung und bin mir sicher, dass das Auszählen ein bisschen schneller erfolgt als gestern.

(Die Auszählung erfolgt.)

Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen bitten, noch im Raum zu bleiben, weil wir gleich noch einen Entschließungsantrag der FDP zu behandeln haben.

(Die Auszählung wird fortgesetzt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kurz unterbrochene Plenarsitzung kann ich jetzt wieder eröffnen. Wir haben auch ein Abstimmungsergebnis. An der namentlichen Abstimmung haben sich insgesamt 179 Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 13 Abgeordnete und mit Nein 154 Abgeordnete gestimmt. 12 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag Drucksache 16/14003 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

(Beifall von Henning Rehbaum [CDU])

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/14099. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen?

(Oliver Bayer [PIRATEN]: Einmal nach links gucken!)

– Entschuldigung. Die Piratenfraktion stimmt natürlich auch dafür, genauso wie der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Und ich höre relativ gut; es hätte auch eine Nuance leiser sein können. – Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU-Fraktion, Herr Kollege Dr. Gerhard Papke von der FDP-Fraktion und Herr Kollege Stüttgen, fraktionslos. Wer möchte sich enthalten? – Niemand. Mit dem festgestellten Abstimmungsverhalten ist der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/14099 damit abgelehnt.

Damit sind wir am Ende von Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe auf:

9  Einführung einer bedarfsgerechten Befeuerung von Windkraftanlagen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/12830

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Wirtschaft, Energie, Industrie,
Mittelstand und Handwerk
Drucksache 16/14043

Der Antrag wurde gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk überwiesen, und zwar mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt.

Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses liegen nun vor. Deshalb kann ich die Aussprache eröffnen. Frau Kollegin Blask von der SPD-Fraktion, die schon am Redepult wartet, hat jetzt auch das Wort.

Inge Blask (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch den gemeinsamen Änderungsantrag von SPD, CDU und den Grünen besteht bei diesem Thema weitgehend Einigkeit, sodass der Antrag im Ausschuss mit Stimmen aller Fraktionen angenommen wurde. Der Antrag findet ebenfalls Unterstützung der Windbranche in Nordrhein-Westfalen.

Wir alle sind uns einig, dass dies zu einer weiteren bzw. besseren Akzeptanz der Energiewende führt und somit entscheidend für ihren Erfolg ist. Beschwerden von Anwohnern und Anwohnerinnen in der Nähe von Windkraftanlagen, die sich teilweise von der dauerhaften Befeuerung der Windkraftanlagen in der Nacht belästigt fühlen, mindern diese Akzeptanz. Daher ist die Lösung einer bedarfsgerechten Steuerung der Nachtkennzeichnung von Windkraftanlagen ein Schritt hin zu mehr Akzeptanz der Windkraftanlagen bei den Anwohnern.

Durch die Möglichkeit zur bedarfsgerechten Befeuerung der Windkraftanlagen entstehen allerdings neue Probleme. So ist etwa nach unserem Informationsstand nur ein einziges luftverkehrsrechtlich zertifiziertes System einer bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung am Markt verfügbar. Entsprechend sind die Kosten hierfür sehr hoch.

Auch wenn zurzeit einige weitere Systeme in der technischen Entwicklung bzw. der luftverkehrsrechtlichen Zertifizierung sind, muss die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich, wie im Antrag gefordert, weiter vorangetrieben werden. Hiermit wird erwartet, dass durch den wachsenden Wettbewerb die Kosten für die bedarfsgerechte Befeuerungsanlagen sinken.

Dies ist insbesondere relevant, da auf den Seiten der Betreiber eine möglichst generelle Einbaupflicht für bedarfsgerechte Befeuerungsanlagen in den Windrädern kritisch gesehen wird. Hier ist die Landesregierung aufgefordert, eine allgemeine Pflicht zur bedarfsgerechten Befeuerung von neu zu errichtenden Windkraftanlagen zu prüfen.

Ein finanzieller Anreiz könnte daher die Modifizierung der Ersatzgelder, die die Betreiber von Windkraftanlagen für den Eingriff der Windkraftanlagen in das Landschaftsbild leisten, sein. Durch die bedarfsgerechte Befeuerung reduziert sich die Belästigung durch die Befeuerung. Entsprechend könnten hier die Ersatzgelder reduziert werden, um den Betreibern einen positiven Anreiz zu bieten. Auch hier ist die Landesregierung aufgefordert, dies zu prüfen.

Alles in allem glauben wir, dass eine bedarfsgerechte Befeuerung von Windkraftanlagen die Akzeptanz der Anwohner fördern kann und wirtschaftlich vertretbare Anreize zur Umrüstung für die Betreiber ermöglicht werden können. Wir werden dem Antrag daher zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Blask. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Blask hat bereits vorgetragen, dass es sich hier um einen gemeinsamen Antrag handelt, der auch im Ausschuss breite Zustimmung gefunden hat. Es ist wichtig, dass wir im Rahmen der Umsetzung der Energiewende, auf deren Weg wir uns ja gemeinsam begeben haben, die Akzeptanz für regenerative Energien und hier insbesondere die Windkraft erhalten.

Sie wissen, dass die Anlagen, die zurzeit errichtet werden, durchaus auch emotional dazu geeignet sind, den Menschen ein Stückchen Ärger zu bereiten. Deswegen soll alles das, was zu höherer Akzeptanz beiträgt, unternommen werden. Dies ist Grundlage für den Antrag. Wir dürfen die Landesregierung hier – ich brauche nicht alles das zu wiederholen, was Frau Blask gesagt hat – dringend bitten, ihren Beitrag zu leisten.

Es wäre natürlich auch gut, meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung ebenfalls im Bereich des Rechtsrahmens für mehr Klarheit sorgen würde, damit nicht jede Anlage, die zurzeit errichtet wird, wie das zum Beispiel in meinem Heimatkreis Recklinghausen der Fall ist, unter einer Klage steht. Insofern käme es, wenn wir klare Rahmenbedingungen hätten, vielleicht auch zu Erleichterungen bei der Umsetzung vor Ort.

Dieser Antrag zur bedarfsgerechten Befeuerung ist aus meiner Sicht ein guter Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, dass wir schnellstmöglich zu Ergebnissen kommen, dass wir so die Akzeptanz von Windkraft vor Ort sichern können und dass wir damit unser gemeinsames Ziel, die Energiewende zum Erfolg zu bringen, umsetzen können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Hovenjürgen, ich wollte Sie zunächst einmal dazu beglückwünschen, dass jetzt Ihr eigenes Windprojekt weitergehen kann. Ich hatte die Hoffnung, dass damit endlich die Einstellung Ihrer unberechtigten Kritik an der Landesregierung, alles gehe zu langsam voran, verbunden wäre

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU])

und wir wie bei diesem Antrag zusammenarbeiten könnten.

(Minister Johannes Remmel: Das hätte ich auch gedacht! Es hilft nichts!)

Dann schauen wir einmal weiter, ob wir das vielleicht doch hinbekommen.

Dieser gemeinsame Antrag ist richtig und gut, auch wenn er nur einen Aspekt aufgreift. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben eben schon darauf hingewiesen, dass die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für die Windenergie sehr wichtig ist. Dabei ist die Befeuerung von Windanlagen ein Aspekt.

Es gibt an dieser Stelle aber noch einige Schwierigkeiten. In den letzten Jahren hat das Bundesverkehrsministerium leider immer wieder die Augen vor diesem Thema verschlossen. Jetzt haben wir den Ansatz einer Lösung. Deswegen ist es genau richtig, dass wir, wie es in dem Antrag beschrieben wird, hier mit Pilotprojekten arbeiten und versuchen, weitere Aspekte, die meine Kollegin schon genannt hat, voranzubringen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Frage von Herrn Kollegen Hovenjürgen zulassen?

Wibke Brems (GRÜNE): Ja, natürlich.

Josef Hovenjürgen (CDU): Danke, liebe Frau Kollegin, dass Sie meine Frage zulassen. – Ich möchte Sie nur fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass ich überhaupt nichts über Genehmigungsgeschwindigkeiten gesagt habe, sondern über die Rahmenbedingungen für Genehmigungen gesprochen habe.

Wibke Brems (GRÜNE): Ja, Herr Hovenjürgen, ich habe zur Kenntnis genommen, dass sich Ihre Kritik ein ganz kleines bisschen geändert hat, aber eben noch nicht komplett.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich darüber, dass wir dieses Thema voranbringen konnten, auch wenn noch weiter daran gearbeitet werden muss. Es kann natürlich auch nicht sein, dass es bei diesem Thema hinterher darauf hinausläuft, dass gerade kleinere Windenergieanlagenprojekte in ihrer Wirtschaftlichkeit eingeschränkt sind. Das ist ein wichtiger Aspekt.

Das heißt: Wir müssen die unterschiedlichen Sichtweisen gut im Blick behalten. Wir tun das mit diesem Antrag, denke ich, und hoffen, dass es in dieser Hinsicht auch weiter gemeinsam gut weitergehen kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Brockes.

Dietmar Brockes (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle wesentlichen und wichtigen Punkte wurden bereits von meinen Vorrednern gesagt. Als Freie Demokraten unterstützen wir natürlich jeden Ansatz, der die Belastungen durch Windräder für die Betroffenen abmildert. Deshalb werden wir heute dem Antrag auch zustimmen,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

auch wenn wir leider nicht Mitantragsteller sind.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Leider hat man uns in die Beratungen nicht mit einbezogen, sondern uns den Antrag erst im Ausschuss als Tischvorlage vorgelegt.

Herr Kollege Mostofizadeh, im Gegensatz zu Ihrer Fraktion sind wir Freien Demokraten aber auch in der Lage, einem Antrag zuzustimmen, auf dem nicht unser Name als Mitantragsteller steht.

(Beifall von der FDP, den PIRATEN und Josef Hovenjürgen [CDU] – Widerspruch von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Deshalb werden wir diesem guten Anliegen zustimmen. Ich möchte jedoch betonen: Hätten wir uns an dem Verfahren beteiligt, hätten wir den Antrag sicherlich noch besser machen können.

(Heiterkeit von Josef Hovenjürgen [CDU] – Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Das bezweifeln wir!)

Dann hätten wir zum Beispiel für eine verbindliche Nachrüstungspflicht für bestehende Anlagen gesorgt.

Aber sei es drum! Wir werden auch diesem kleinen Schritt heute unsere Unterstützung geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Brockes. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schmalenbach.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Schade, schade, schade! Ich habe schon gedacht, wir wären uns bei Energiethemen wirklich einmal einig. Dann kommt die FDP und haut wieder ein paar raus.

Danke, Kollege Brockes, dass dann noch behauptet wurde, ihr hättet den Antrag noch besser gemacht, während danach ein Beispiel angeführt wurde, wie ihr ihn schlechter gemacht hättet. Vielen Dank dafür.

(Heiterkeit und Beifall von Wibke Brems [GRÜNE])

Wie schon mehrfach gesagt, ist die Akzeptanz für uns das größte Problem. Es gibt einige Stellen, an denen man die Akzeptanz verbessern kann. Das sind zum Beispiel die frühzeitige Einbeziehung der Leute vor Ort, die Beteiligung am Profit und insgesamt die Beteiligung. Außerdem sollte man da, wo es zu Irritationen der Bevölkerung führt, versuchen, diese Irritationen zu minimieren.

Die bedarfsgerechte Befeuerung ist imstande, genau dies zu tun, und zwar mit einer relativ neuen, aber nicht ganz günstigen Technologie. Es geht in der Tat darum, in den Bereichen, in denen Flugzeuge unterwegs sind, Anlagen zu bauen, die relativ teuer, aber nicht überall notwendig sind.

Herr Brockes, wenn Sie von einem verpflichtenden Einbau bzw. einer verpflichtenden Nachrüstung sprechen, entgegne ich: Das ist genau der falsche Weg. So, wie es jetzt ist, ist es prima.

Ich danke auch den Grünen für die Änderung. – Vielen Dank und auf Wiedersehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: So weit Herr Kollege Schmalenbach. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung unterstützt die Intention des gemeinsamen Antrags und war auch im Vorfeld da, wo es möglich war, schon tätig – zum Ersten durch den Lichtimmissions-Erlass von 2014 und zum Zweiten durch die Festlegungen im Windenergie-Erlass von 2015.

Das Problem stellt sich allerdings insofern dar, als dass durch die Novelle der Bundesverwaltungsvorschrift im Jahr 2015 die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung als Minderungsmaßnahme möglich geworden ist, aber gleichwohl im Einzelfall durch verschiedene Zertifizierungen und Prüfungen der Luftfahrtbehörde im konkreten Einzelfall erst festgelegt werden kann.

Insofern sind zweierlei Änderungen notwendig. Wir haben uns auf der letzten UMK dafür starkgemacht, mit einem Beschluss einerseits die bedarfsgerechte Befeuerung zur Verpflichtung zu erklären und andererseits die Möglichkeit einer generellen Genehmigung von bestimmten zertifizierten System zu schaffen. Dafür ist allerdings die Luftverkehrsseite zuständig.

Ich würde gerne dann berichten, welche Ergebnisse die nächste Umweltministerkonferenz im Frühjahr ergibt. Da ist jedenfalls die Bundesregierung aufgefordert, zu berichten.

Klar ist auch: Die bisher verfügbaren Projekte sind mit erheblichen Kosten verbunden, sodass auch eine, wie auch immer geartete, Unterstützung aus den Ersatzgeldern hier nicht wirklich hilfreich ist. Gleichwohl kann dieser Weg geprüft werden. Wir müssen allerdings berücksichtigen, dass allenfalls die Ersatzgelder aus dem Bereich Landschaftsbild zum Einsatz kommen können. Aber hier bestehen noch rechtliche Fragezeichen.

Darüber hinaus gebe ich den Hinweis auf das bereits durchgeführte Pilotprojekt in Lichtenau, über das wir gerne berichten, sobald dann Erfahrungswerte vorliegen. Aber die Grundintention und die Richtung stimmen. Das ist keine Frage des politischen Wollens, sondern des rechtlichen und auch technischen Könnens. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk empfiehlt in Drucksache 16/14043, den Antrag Drucksache 16/12830 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussfassung. Wer ist für diese Empfehlung des Ausschusses? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit kann ich feststellen, dass die Beschlussempfehlung Drucksache 16/14043 und der Antrag Drucksache 16/12830 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses mit den Stimmen aller Fraktionen des Landtags Nordrhein-Westfalen einstimmig angenommen sind. – Herzlichen Dank.

Ich rufe auf:

10 Gesetz zum Erlass eines Landesbibliotheksgesetzes und zur Änderung weiterer Rechtsvorschriften

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/11436

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kultur und Medien
Drucksache 16/14044

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/14111

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Schultheis, der bereits darauf wartet, jetzt das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Karl Schultheis (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mich schon in Position gebracht, weil ja die Zeit sehr kostbar ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der CDU zu einem Landesbibliotheksgesetz – das sage ich vorab – findet ebenso wenig die Zustimmung der SPD-Landtags­fraktion wie der sehr spät eingebrachte Änderungsantrag, Herr Kollege Prof. Sternberg, der sozusagen eine Entkernung Ihres Gesetzentwurfs beinhaltet und eher das bestätigt, was wir in der Debatte des Ausschusses für Kultur und Medien zu diesem Gesetzentwurf an Argumentation eingebracht haben.

Wir haben uns vom März des letzten Jahres bis zum 19. Januar dieses Jahres sehr intensiv mit diesem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. Wir haben eine sehr gute Anhörung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt und sehr kompetente Beiträge gehört. Viele Beiträge können auch in eine andere Lösung Eingang finden, die wir für die Bibliotheksaufgaben sehen.

Das Land Nordrhein-Westfalen ist das einzige Flächenland in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Kulturfördergesetz. Dem steht Ihre Feststellung gegenüber, dass es sechs oder mittlerweile sieben Ländergesetze zum Bereich der Bibliotheken gibt.

Wir sind der Meinung, dass wir das Kulturfördergesetz hier nach vorne gebracht haben. Jetzt gilt es, durch eine entsprechende Förderrichtlinie für den Bibliotheksbereich hierauf aufzubauen. In der Tat kann es sein, dass es dann entsprechende Änderungen in anderen Gesetzen wie dem Landesarchivgesetz geben kann und muss. Diese Schritte wollen wir auf jeden Fall gehen und uns daher jetzt nicht auf ein Landesbibliotheksgesetz einlassen.

Sie haben selbst in der Debatte im Ausschuss für Kultur und Medien darauf hingewiesen, dass dies eigentlich ein Thema ist, welches das Land Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten in der politischen Debatte begleitet. Wir müssen feststellen, dass selbst die CDU oder auch Koalitionäre der CDU in den Zeiten, in denen sie Regierungsverantwortung hatten, nicht dazu gekommen sind, ein solches Landesbibliotheksgesetz zu beschließen. Insofern erschließt sich der dringende Bedarf nicht.

Viele Themen werden von uns sehr wohl aufgenommen. Wir werden sie jetzt im weiteren Verfahren der Umsetzung des Kulturfördergesetzes berücksichtigen und auf den Punkt bringen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Schönes Wochenende!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Prof. Dr. Dr. Sternberg.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ja, ja, das Kulturfördergesetz und die Bedeutung der Kultur hier. Welche Bedeutung Kulturpolitik im Land, hier in der Regierung und in diesem Hause hat, sieht man an der Platzierung in der heutigen Tagesordnung.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Es ist der letzte Tagesordnungspunkt. Alles andere wird vorgezogen, bevor dies behandelt wird.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Thema.

(Fortgesetzt Zurufe)

Der Vorsitzende des Bibliotheksverbandes wies bei der Anhörung darauf hin, dass schon seit 70 Jahren – seit der Landesgründung – das Thema „Bibliotheksgesetz“ diskutiert wird. 1977 formulierte der Vorgänger von Herrn Pilzer, die Zeit sei reif für ein Bibliotheksgesetz. 1977!

2007 hat die Enquetekommission des Deutschen Bundestages den Ländern einvernehmlich empfohlen, solche Gesetze zu erlassen. Das hat inzwischen auch eine ganze Reihe von Ländern getan. Auch wir haben 2010 einen ersten Anlauf unternommen, den wir aber nicht abschließen konnten. Jetzt liegt wieder ein Gesetz zur Annahme vor, das von allen Fachleuten in einer sehr guten Anhörung gelobt wurde und dessen Annahme empfohlen wurde.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Aber da es ein Gesetz der Opposition ist, werden die Regierungsfraktionen es natürlich nie und nimmer akzeptieren. So läuft eben das politische Geschäft. Dabei ist das Thema „Bibliotheken“ wichtig und aktuell, und zwar nicht, obwohl die Digitalisierung Bücher zu ersetzen scheinen, sondern weil die Digitalisierung das geistige Erbe unmittelbar bedroht. Wir haben ein aktuelles Beispiel dafür, das zeigt, wie wichtig das Zusammendenken von verschiedenen Bibliothekstypen ist.

Die Hochschulbibliotheken in Münster, Bonn und Düsseldorf haben auch die Funktion einer Landesbibliothek. Die in Düsseldorf angeordneten Massenmakulierungen von Buchbeständen sind eine Anfrage an die Verantwortlichen für den Gedächtnisspeicher des Landes Nordrhein-Westfalen. Ausgerechnet vor dem Europäischen Jahr des Kulturerbes 2018 sind dort mehrere Hunderttausend Bücher aus historischen Beständen bedroht, weil die Frage nach der tagesaktuellen Nutzung darüber befinden soll, ob das Denken aus Jahrhunderten erhalten bleibt – und dass, obwohl die Universität Düsseldorf etwa 600.000 € pro Jahr für diese landesbibliothekarische Aufgabe bekommt.

Die Fachaufsicht des Ministeriums will dies offenbar kaum wahrnehmen. Zumindest hat die Antwort auf meine Kleine Anfrage gezeigt, dass das Ministerium offensichtlich gleichgültig der Frage gegenübersteht, was und wie hier in Düsseldorf makuliert wird. Wir werden darüber noch zu diskutieren haben.

Herr Kollege Schultheis, Sie haben auch im Ausschuss immer wieder auf das Kulturfördergesetz hingewiesen. Dort wird das Thema unter § 10 zwar aufgerufen, aber keineswegs gelöst und schon gar nicht angemessen behandelt. Da heißt es einfach nur, eine Förderrichtlinie solle das Nähere regeln. Aber es geht doch nicht allein um Förderung. Es geht auch nicht allein um öffentliche Bibliotheken, und schon gar nicht allein in kommunaler Trägerschaft. Es geht um sehr viel mehr.

In der Debatte im Ausschuss wurde auch deutlich, dass eine ganze Reihe von vorgeschlagenen Regelungen völlig unstreitig ist, die fehlende Integration des Landesbibliotheksgesetzes in das Kulturfördergesetz aber für Sie ein Hindernis für die Zustimmung ist. Deshalb legen wir den heutigen Änderungsantrag vor, der zumindest eine Reihe von Inhalten umsetzt.

Das betrifft vor allen Dingen die Landesspeicherbibliothek mit angeschlossenem Digitalisierungszentrum und den Zugang von Nicht-Hochschulangehörigen zu Beständen von Hochschulbibliotheken. Auch wenn damit eine ganze Menge fehlt, was ein solches Gesetz nach wie vor wichtig und notwendig macht, legen wir nach der im Ausschuss schon angekündigten Ablehnung durch die Landtagsmehrheit diesen Antrag zur Abstimmung vor.

Meine Damen und Herren, ich zitiere noch einmal den Vorsitzenden des Verbandes der Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen aus der Anhörung:

„Daher möchte ich an dieser Stelle an Sie appellieren: Schauen Sie auf die Niederlande. Schauen Sie auf andere Länder, in denen es ein Bibliotheksgesetz gibt. Haben Sie den Mut, ein Bibliotheksgesetz zu beschließen.“

Dem ist nichts hinzufügen. Dem schließe ich mich an. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Prof. Sternberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grüne werden den Gesetzentwurf und den Änderungsantrag ablehnen, Herr Kollege Sternberg. Das wird Sie jetzt auch nicht sehr überraschen. Wir haben ja vorher schon darüber gesprochen, auch schon im Ausschuss. Ich glaube auch, dass Sie in Ihrem Beitrag die Bedeutung des Kulturfördergesetzes viel zu stark heruntergespielt haben, weil es doch, wie Kollege Schultheis schon richtig gesagt hat, ein Gesetz ist, das bundesweit einmalig ist und unter dem natürlich alle möglichen Aspekte der Kulturförderung subsumiert sind.

Sie sprechen den § 10 an. Sie haben aber verschwiegen, was alles in der Begründung zum § 10 zu lesen steht. Ich glaube, dass wir alle Möglichkeiten haben, das, was in dem Bereich noch zu leisten ist, im Rahmen des Kulturfördergesetzes, also im Rahmen dieses integrierten Ansatzes, dann auch zu leisten. Das ist das, was wir uns vorgenommen haben. Deshalb haben wir politisch so entschieden.

Ich muss den Hinweis des Kollegen noch einmal aufnehmen – vielen Dank, lieber Herr Schultheis –: Es ist natürlich richtig, dass Sie in den Jahren, in denen Sie die Möglichkeit hatten, so etwas einmal anständig so zu beschließen, wie Sie es sich aus Ihrer Sicht vorstellen, das auch nicht getan haben. Also muss es zu dieser Zeit nicht die Dringlichkeit gehabt haben, die Sie dem Ganzen jetzt zuschreiben.

Meines Erachtens sollten wir die Debatte nicht unnötig verlängern. Es ist viel Richtiges in dem Antrag beschrieben. Aber er ist systemisch nicht dem angepasst, was wir wollen.

Eine kleine Finte erlauben Sie mir noch, Herr Sternberg: Es ist natürlich schon eine Frage des Willens auch Ihres Parlamentarischen Geschäftsführers, wo ein solcher Punkt hier in der Tagesordnung stationiert wird. Ich will einfach einmal festhalten: In meiner Fraktion ist der Vorsitzende bei diesem Thema sogar anwesend. Daran sehen Sie, dass wir dem auch eine Bedeutung beimessen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gleichwohl heißt das nicht, dass wir deshalb von vornherein zustimmen, nur weil möglicherweise das eine oder andere in dem Antrag auch aus kulturpolitischer Sicht richtig ist.

Schlussstrich: Wir werden jetzt beides ablehnen. Dann werden wir in der neuen Legislaturperiode sehen, wie wir mit dem Kulturfördergesetz und den Möglichkeiten, die uns in diesem Ansatz geboten sind, entsprechend umgehen. Bibliotheken stehen im Mittelpunkt auch unseres Interesses. Sie sollten alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, dieses Thema hätte im Landtag nicht seinen Platz, und zwar bei den Fraktionen, die sich im Landtag dazu auch engagieren. – Vielen Dank und ein gutes Wochenende.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Bevor wir in der Reihenfolge der Redner weiter voranschreiten, darf ich noch einmal auf Tagesordnungspunkt 8 zurückkommen.

Frau Präsidentin Gödecke hatte als sitzungsleitende Präsidentin angekündigt, eine Äußerung von Herrn Kollegen Lamla noch einmal überprüfen lassen zu wollen. Das hat sie getan. Wir haben uns da abgestimmt.

Herr Kollege Lamla, der möglicherweise jetzt schon auf dem Weg ins Wochenende ist,

(Marc Olejak [PIRATEN]: Nein!)

hat politische Wettbewerber, namentlich die Kolleginnen und Kollegen der Grünen, als Lügner diffamiert. Das ist eine Form des Umgangs, die wir hier nicht wollen, die wir nicht akzeptieren.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Deshalb spreche ich eine Rüge gegen Herrn Kollegen Lamla aus. Ich darf seine Fraktion bitten, ihm das – das können Sie ja technisch sicherlich machen – schnell zu überbringen.

(Heiterkeit)

Es wird selbstverständlich auch im Protokoll vermerkt. – Vielen Dank.

Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Keymis, Sie unterstellen uns, der Opposition, immer, wir würden das Kulturfördergesetz herunterreden. Nein, wir wehren uns nur dagegen, dass Sie es immer mit den Weihrauchaktionen, die Sie dazu veranstalten, so vernebeln.

(Beifall von der FDP)

Denn dieses Kulturfördergesetz ist zwar bundesweit einmalig, aber nicht einmalig gut. Das können Sie vielleicht auch in den Gesprächen in der Kulturszene des Öfteren hören: viel Knochen, aber wenig Fleisch.

Gut; wir sind uns immerhin einig. Im Ausschuss war die Einigkeit ja noch viel größer. Dort hat der kulturpolitische Sprecher, Herr Bialas, eigentlich den Gesetzentwurf der Union gelobt. Er sprach auch von zwei Herzen, die in seiner Brust seien – dem Herz des Fachpolitikers, der im Grunde diesen Gesetzentwurf gut findet, aber natürlich auch dem Herz des Koalitionspolitikers, der einer Regierungsfraktion angehört.

Er sagte – es war, glaube ich, in der drittletzten Sitzung –: Sie können doch nicht erwarten, dass die Regierungsfraktionen, nur weil ein Entwurf der Opposition gut ist, ihm jetzt zustimmen können. – Ich fand das damals sehr bemerkenswert, sehr ehrlich und damit vielleicht auch lobenswert.

Gut; wir sind uns ja einig, dass die Bewahrung der Bibliotheken ein wichtiges Thema ist, dass die Rahmenbedingungen verbessert werden müssen und wir den Bibliotheken auch eine Entwicklungsperspektive bieten müssen. Die Kernfrage in der Diskussion war, ob ein eigenes Bibliotheksgesetz jenseits des vor gut zwei Jahren eingeführten Kulturfördergesetzes erforderlich ist.

Denn das Kulturfördergesetz – da muss ich Kollegen Sternberg recht geben – behandelt das Bibliothekswesen quasi gar nicht. In den intensiven Beratungen und auch in der Anhörung war von den Sachverständigen deutlich zu hören, dass wir dieses Gesetz in der Tat benötigen; denn es schließt diverse Regelungslücken, die ich jetzt nicht noch einmal alle aufzählen möchte.

Nennen wir nur ein Stichwort: Gebühren. Es wurde auch von allen Fraktionen positiv aufgenommen, dass man dort etwas regeln könnte. Ein anderes Stichwort ist die Förderung der Digitalisierung.

Es macht meines Erachtens keinen Sinn, immer nur auf das Kulturfördergesetz zu schauen. Man kann auch nicht bei aller Gemeinsamkeit alle Facetten der Kultur über einen Kamm scheren. Eine Bibliothek ist nun einmal kein Theater, und ein Museum ist kein Kino. Die spezifischen Ansprüche und Besonderheiten verschiedener Kulturformen können vielleicht auch gar nicht in einem einzigen Gesetz so berücksichtigt werden. Deswegen unterstützt die FDP-Fraktion diesen Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Paul das Wort.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich kann mich den Worten meines Vorredners direkt anschließen und komme auf den Punkt: Dieser Gesetzentwurf ist für die Piratenfraktion absolut zustimmungsfähig.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Das gilt auch für den Änderungsantrag, weil er kurzfristig ein paar Dinge heilt, worauf man sonst noch vielleicht zu lange hätte warten müssen.

Seit 70 Jahren – Sie haben es gesagt, Herr Sternberg – gibt es nun das Land Nordrhein-Westfalen, und so lange dauert es schon, bis sich irgendeine Landesregierung endlich dazu durchringen könnte, verflixt noch mal ein Landesbibliotheksgesetz zu verabschieden. Nach der Abstimmungsempfehlung aus dem Ausschuss für Kultur und Medien müssen wir allerdings befürchten, dass wir alle schon Spinnweben angesetzt haben, wenn so ein Gesetz mal zustande kommt. Das ist so ein bisschen wie „Warten auf Godot“. Wir finden eigentlich, dass das Nordrhein-Westfalen als größtem Bundesland und als Standort für Kultur und Medien nicht zusteht.

Aus der Anhörung haben wir fast einhellig erfahren, dass dieses Gesetz aus den Reihen der Bibliothekarinnen und Bibliothekare auch ausdrücklich gewollt ist. Aber Rot-Grün meint, es sei noch nicht an der Zeit. Dieses Geschiebe kann ich eigentlich nur als ein Zeichen für irgendwie kalte Füße bekommen – warum, weiß ich eigentlich nicht – interpretieren. Es könnte sich ja möglicherweise etwas verändern, und das wird gescheut. Dabei muss man ein solches Bibliotheksgesetz auch nicht als finales in Beton gegossenes Gemäuer errichten. Es ist nicht auf die Ewigkeit in einer in Stein gemeißelten Form zu verabschieden, im Gegenteil. Es hat dem Wandel und der Bewegung hin auf das Informationszeitalter Rechnung zu tragen.

Was hier benötigt wird, ist ein Gesetz mit einem gewissen Mindesthaltbarkeitsdatum. Es muss daher wie das Pflichtexemplargesetz turnusmäßig evaluiert und novelliert werden. So einfach ist das. Die Regelungen in einem Landesbibliotheksgesetz müssen unter kritischen und unter sich permanent verändernden Gesichtspunkten betrachtet und behandelt werden. Dazu gehören dann selbstverständlich im Prozess regelmäßige Evaluationen und Novellierungen, damit das Gesetz auf der Höhe der Zeit gehalten wird.

Ganz wesentlich ist aber: Gerade im Hinblick auf die Digitalisierung und den Ausbau und die Sicherung von Routineaufgaben bei den Bibliotheken ist ein solches Gesetz zielfördernd. Es würde eine weitergehende „Projektitis“ im Bereich der Bibliotheken vermeiden und heilen.

Etwas kritischer wurde die Einführung einer Landesspeicherbibliothek von den Expertinnen und Experten im Ausschuss betrachtet. Eine solche Einrichtung wäre prinzipiell nur dann empfehlenswert, wenn deren Betrieb nicht als Endlager für Aussonderungen dient, sondern diese Speicherbibliothek auch erschlossen wird und damit auch benutzbar wird im Sinne der Möglichkeiten von Suche und Recherche über das Netz.

Suche, Recherche und auch die scheinbar zweckfreie Kontemplation über Bücher, Informationen und weitere Medien sind immer Teil der Bibliothek gewesen und müssen es auch bleiben. Das bestreitet erst einmal niemand.

Ich möchte hier auch noch einmal ganz ausdrücklich betonen, dass gerade das Landesbibliotheksgesetz – das ist richtig und wichtig – vor allem in strukturschwachen Regionen oder in sozialen Brennpunkten die Einrichtung von „Dritten Orten“ für die Menschen vorsieht. Dass beides zusammen ohne Trennung und Management nicht geht, ist auch selbstverständlich. Das bedeutet aber, dass hier investiert werden muss. Diese Aufgaben sind naturgemäß nicht kostenneutral, im Gegenteil, sie sind hochnotwendige Zukunftsinvestitionen.

Genau deswegen möchte ich einen sehr wichtigen Gedanken aus dem Ausschuss hier in die große Runde werfen: Die Finanzierung der Bibliothekslandschaft in Nordrhein-Westfalen darf in Zukunft nicht nur auf den Schultern des Kulturetats lasten, wenn Bibliotheken wie hier als Bildungseinrichtungen mit mehr als einer Funktion ausgestattet werden sollen.

(Beifall von den PIRATEN)

Bibliotheken haben vielmehr als Knoten im Netz die Rolle einer elementaren Säule der Informations- und Wissensgesellschaft. Sie bilden Brücken zwischen der Onlinewelt und der Offlinewelt, zwischen dem Gestern, der Vergangenheit, dem Heute und der Zukunft. Ein Landesbibliotheksgesetz, so behaupte ich mal, wäre ein Baustein gegen ein unreflektiertes Ende des Industriezeitalters.

Wir werden beiden Anträgen zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Kampmann das Wort.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Prof. Sternberg, wenn Sie die Wertschätzung der Kulturpolitik ernsthaft an diesem Haus festmachen wollen, dann sollten Sie vielleicht erst einmal in Ihre eigenen Reihen schauen, die bei diesem Thema alles andere als gut gefüllt sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zuhören müssen Sie mir auch nicht.

Der vorliegende Änderungsantrag der CDU, meine sehr verehrten Damen und Herren, bestätigt meine Einschätzung des ursprünglichen Gesetzentwurfs. Ich habe bereits bei der ersten Lesung im vergangenen Jahr im März festgestellt, dass ich darin eigentlich keine offenen Fragen finde, die bisher nicht geregelt sind und die aber unbedingt einer gesetzlichen Regelung bedürften. Offensichtlich haben das inzwischen auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion erkannt. Der Änderungsantrag, der jetzt viele kleine Änderungen in einigen Gesetzen vorsieht, ist meiner Meinung nach allerdings keine Alternative, sondern er macht noch viel mehr deutlich, dass eigentlich gar kein wirklicher Handlungsbedarf besteht.

Auf die inhaltlichen Punkte sind meine Vorredner Herr Schultheis und Herr Keymis bereits eingegangen. Deshalb möchte ich das nicht wiederholen.

Ich kann Ihnen aber sagen, liebe CDU-Fraktion: Mit Ihrem Gesetzentwurf, mit dem Sie auch Ihre Wertschätzung für die Bibliothekslandschaft in Nordrhein-Westfalen zum Ausdruck gebracht haben, könnten wir uns, was diesen Punkt angeht, durchaus treffen.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass das Land die Bibliotheken auch ohne diese Spezialgesetze erfolgreich unterstützt. Ich meine, das belegt vor allem die Tatsache, dass im Jahr 2016 zum zweiten Mal hintereinander eine nordrhein-westfälische Bibliothek als „Bibliothek des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das waren die Bibliothek Hilden und im vergangenen Jahr die Bibliothek Köln. Das zeigt, dass das Land hier eine gute und erfolgreiche Förderung macht, dass wir die Bibliotheken an diesen Stellen erfolgreich unterstützen. Ich denke, wir sind gut beraten, genau diesen Weg der Bibliotheksförderung auch weiter fortzusetzen. Ich wünsche Ihnen jetzt ein schönes Wochenende und vor allem eine gute Heimfahrt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Vor der Heimfahrt haben wir allerdings noch zwei Abstimmungen vorzunehmen. Ich schließe die Aussprache.

Wir stimmen erstens über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/14111 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP und die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/14111 abgelehnt.

Ich lasse zweitens über den Gesetzentwurf Drucksache 16/11436 abstimmen. Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt in Drucksache 16/14044, den Gesetzentwurf Drucksache 16/11436 abzulehnen. Wir stimmen jetzt allerdings nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Gesetzentwurf selbst ab. Deshalb darf ich fragen: Wer stimmt für den Gesetzentwurf der CDU? – Die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Erneut die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das kann ich nicht erkennen. Damit stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/11436 in zweiter Lesung abgelehnt ist.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir schon am Ende der heutigen Tagesordnung und der Plenarwoche. Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Wochenende. Ich berufe das Plenum wieder ein für Mittwoch, den 15. Februar 2017, 10:00 Uhr.

Die Sitzung des Landtags ist geschlossen. – Herzlichen Dank.

Ende: 16:08 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

Anlage

Namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PIRATEN – Drucksache 16/14003 – TOP 8 (Das Land NRW muss die Freigabe von Cannabis in lizenzierten kommunalen Abgabestellen unterstützen!)


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Herr Abel

GRÜNE

 

x

 

2

 Herr Alda

FDP

entschuldigt

3

 Frau Altenkamp

SPD

 

x

 

4

 Frau Andres

SPD

 

x

 

5

 Frau Asch

GRÜNE

 

x

 

6

 Herr Bas

GRÜNE

 

x

 

7

 Herr Bayer

PIRATEN

x

 

 

8

 Herr Becker, Andreas

SPD

 

x

 

9

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

 

x

 

10

 Frau Beer

GRÜNE

 

x

 

11

 Frau Dr. Beisheim

GRÜNE

 

x

 

12

 Herr Bell

SPD

 

x

 

13

 Frau Benninghaus

SPD

 

x

 

14

 Herr van den Berg

SPD

 

x

 

15

 Herr Dr. Berger

CDU

entschuldigt

16

 Herr Berghahn

SPD

 

x

 

17

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

x

 

18

 Herr Beu

GRÜNE

 

x

 

19

 Herr Bialas

SPD

entschuldigt

20

 Herr Biesenbach

CDU

entschuldigt

21

 Frau Birkhahn

CDU

 

x

 

22

 Herr Bischoff

SPD

 

x

 

23

 Frau Blask

SPD

 

x

 

24

 Herr Börner

SPD

 

x

 

25

 Herr Börschel

SPD

 

x

 

26

 Freifrau von Boeselager

CDU

entschuldigt

27

 Herr Bolte

GRÜNE

 

x

 

28

 Herr Bombis

FDP

 

 

x

29

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

 

x

 

30

 Frau Brand

PIRATEN

entschuldigt

31

 Frau Brems

GRÜNE

 

x

 

32

 Herr Brockes

FDP

 

 

x

33

 Frau Dr. Bunse

CDU

 

x

 

34

 Herr Burkert

CDU

 

x

 

35

 Herr Busen

FDP

 

 

x

36

 Herr Dahm

SPD

 

x

 

37

 Herr Deppe

CDU

 

x

 

38

 Frau van Dinther

CDU

 

x

 

39

 Frau Dmoch-Schweren

SPD

entschuldigt

40

 Frau Doppmeier

CDU

abwesend

41

 Herr Dudas

SPD

 

x

 

42

 Frau Düker

GRÜNE

 

x

 

43

 Herr Düngel

PIRATEN

x

 

 

44

 Herr Ellerbrock

FDP

entschuldigt

45

 Herr Engstfeld

GRÜNE

 

x

 

46

 Frau Fasse

CDU

 

x

 

47

 Herr Fehring

CDU

 

x

 

48

 Herr Feuß

SPD

 

x

 

49

 Herr Fortmeier

SPD

 

x

 

50

 Frau Freimuth

FDP

entschuldigt

51

 Herr Fricke

PIRATEN

x

 

 

52

 Herr Ganzke

SPD

 

x

 

53

 Herr Garbrecht

SPD

 

x

 

54

 Herr Gatter

SPD

abwesend

55

 Frau Gebauer

FDP

 

 

x

56

 Frau Gebhard

SPD

abwesend

57

 Herr Geyer

SPD

 

x

 

58

 Frau Gödecke

SPD

 

x

 

59

 Herr Goldmann

GRÜNE

 

x

 

60

 Herr Golland

CDU

 

x

 

61

 Frau Grochowiak-Schmieding

GRÜNE

 

x

 

62

 Herr Große Brömer

SPD

 

x

 

63

 Herr von Grünberg

SPD

abwesend

64

 Herr Grunendahl

CDU

entschuldigt

65

 Frau Güler

CDU

abwesend

66

 Herr Haardt

CDU

entschuldigt

67

 Herr Dr. Hachen

CDU

 

x

 

68

 Frau Hack

SPD

 

x

 

69

 Herr Hafke

FDP

 

 

x

70

 Frau Hammelrath, Gabriele

SPD

 

x

 

71

 Frau Hammelrath, Helene

SPD

 

x

 

72

 Frau Hanses

GRÜNE

 

x

 

73

 Herr Hausmann

CDU

 

x

 

74

 Herr Hegemann

CDU

 

x

 

75

 Herr Heinrichs

SPD

 

x

 

76

 Frau Hendricks

SPD

 

x

 

77

 Herr Hendriks

CDU

 

x

 

78

 Herr Herrmann

PIRATEN

entschuldigt

79

 Herr Herter

SPD

 

x

 

80

 Herr Hilser

SPD

 

x

 

81

 Herr Höne

FDP

abwesend

82

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

x

 

83

 Frau Howe

SPD

 

x

 

84

 Herr Hübner

SPD

 

x

 

85

 Herr Jäger

SPD

 

x

 

86

 Herr Jahl

SPD

abwesend

87

 Frau Jansen

SPD

 

x

 

88

 Herr Jörg

SPD

 

x

 

89

 Herr Jostmeier

CDU

entschuldigt

90

 Herr Kämmerling

SPD

 

x

 

91

 Herr Kaiser

CDU

abwesend

92

 Herr Kamieth

CDU

 

x

 

93

 Herr Dr. Kerbein

FDP

abwesend

94

 Herr Kerkhoff

CDU

abwesend

95

 Herr Kern, Nicolaus

PIRATEN

x

 

 

96

 Herr Kern, Walter

CDU

 

x

 

97

 Herr Keymis

GRÜNE

 

x

 

98

 Frau Kieninger

SPD

 

x

 

99

 Herr Klocke

GRÜNE

 

x

 

100

 Frau Klöpper

CDU

 

x

 

101

 Herr Körfges

SPD

 

x

 

102

 Frau Kopp-Herr

SPD

 

x

 

103

 Frau Korte

CDU

entschuldigt

104

 Frau Koschorreck

SPD

 

x

 

105

 Herr Kossiski

SPD

 

x

 

106

 Frau Kraft

SPD

entschuldigt

107

 Herr Kramer

SPD

 

x

 

108

 Herr Krick

SPD

 

x

 

109

 Herr Krückel

CDU

 

x

 

110

 Herr Krüger

GRÜNE

 

x

 

111

 Herr Kruse

CDU

entschuldigt

112

 Herr Kuper

CDU

 

x

 

113

 Herr Kutschaty

SPD

 

x

 

114

 Herr Lamla

PIRATEN

x

 

 

115

 Herr Laschet

CDU

 

x

 

116

 Herr Lienenkämper

CDU

 

x

 

117

 Herr Lindner

FDP

entschuldigt

118

 Herr Löcker

SPD

 

x

 

119

 Herr Lohn

CDU

entschuldigt

120

 Frau Lück

SPD

 

x

 

121

 Frau Lüders

SPD

 

x

 

122

 Herr Lürbke

FDP

entschuldigt

123

 Frau Lux

SPD

 

x

 

124

 Frau Maaßen

GRÜNE

 

x

 

125

 Herr Dr. Maelzer

SPD

 

x

 

126

 Herr Markert

GRÜNE

 

x

 

127

 Herr Marquardt

SPD

 

x

 

128

 Herr Marsching

PIRATEN

x

 

 

129

 Herr Meesters

SPD

 

x

 

130

 Frau Middendorf

CDU

entschuldigt

131

 Frau Milz

CDU

entschuldigt

132

 Herr Möbius

CDU

 

x

 

133

 Herr Moritz

CDU

 

x

 

134

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

 

x

 

135

 Herr Müller, Hans-Peter

SPD

 

x

 

136

 Herr Müller, Holger

CDU

entschuldigt

137

 Frau Müller-Witt

SPD

 

x

 

138

 Herr Münchow

SPD

 

x

 

139

 Herr Münstermann

SPD

 

x

 

140

 Herr Nettekoven

CDU

 

x

 

141

 Herr Nettelstroth

CDU

entschuldigt

142

 Herr Neumann

SPD

 

x

 

143

 Herr Nückel

FDP

 

 

x

144

 Herr Olejak

PIRATEN

x

 

 

145

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

x

 

146

 Herr Ortgies

CDU

entschuldigt

147

 Herr Ott

SPD

abwesend

148

 Herr Dr. Papke

FDP

 

x

 

149

 Herr Dr. Paul, Joachim

PIRATEN

x

 

 

150

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

 

x

 

151

 Frau Philipp

SPD

 

x

 

152

 Frau Pieper

PIRATEN

entschuldigt

153

 Herr Post

CDU

 

x

 

154

 Herr Preuß

CDU

 

x

 

155

 Frau Preuß-Buchholz

SPD

 

x

 

156

 Herr Priggen

GRÜNE

 

x

 

157

 Herr Rahe

SPD

entschuldigt

158

 Herr Rasche

FDP

 

 

x

159

 Herr Rehbaum

CDU

 

x

 

160

 Herr Rickfelder

CDU

 

x

 

161

 Herr Römer

SPD

 

x

 

162

 Herr Rohwedder

PIRATEN

x

 

 

163

 Herr Rüße

GRÜNE

 

x

 

164

 Frau Ruhkemper

SPD

 

x

 

165

 Frau Rydlewski

PIRATEN

entschuldigt

166

 Frau Schäfer, Ute

SPD

abwesend

167

 Frau Schäffer, Verena

GRÜNE

entschuldigt

168

 Frau Scharrenbach

CDU

 

x

 

169

 Herr Schatz

PIRATEN

x

 

 

170

 Herr Scheffler

SPD

 

x

 

171

 Herr Schemmer

CDU

entschuldigt

172

 Herr Schick

CDU

abwesend

173

 Herr Schittges

CDU

abwesend

174

 Herr Schlömer

SPD

 

x

 

175

 Herr Schmalenbach

PIRATEN

x

 

 

176

 Herr Schmeltzer

SPD

abwesend

177

 Frau Schmitt-Promny

GRÜNE

 

x

 

178

 Herr Schmitz, Hendrik

CDU

entschuldigt

179

 Frau Schmitz, Ingola Stefanie

FDP

entschuldigt

180

 Herr Schneider, Guntram

SPD

 

x

 

181

 Herr Schneider, René

SPD

 

x

 

182

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

 

x

183

 Herr Schultheis

SPD

 

x

 

184

 Herr Schulz

fraktionslos

 

 

x

185

 Frau Schulze

SPD

entschuldigt

186

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

x

 

187

 Herr Schwerd

fraktionslos

entschuldigt

188

 Herr Seel

CDU

entschuldigt

189

 Frau Dr. Seidl

GRÜNE

 

x

 

190

 Herr Sieveke

CDU

abwesend

191

 Herr Solf

CDU

entschuldigt

192

 Herr Sommer

PIRATEN

x

 

 

193

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

entschuldigt

194

 Herr Spiecker

CDU

 

x

 

195

 Herr Dr. Stamp

FDP

abwesend

196

 Herr Stein

CDU

 

x

 

197

 Frau Steininger-Bludau

SPD

 

x

 

198

 Frau Steinmann

SPD

 

x

 

199

 Herr Prof. Dr.Dr. Sternberg

CDU

 

x

 

200

 Herr Stinka

SPD

entschuldigt

201

 Herr Stotko

SPD

 

x

 

202

 Frau Stotz

SPD

abwesend

203

 Herr Stüttgen

fraktionslos

 

x

 

204

 Herr Sundermann

SPD

 

x

 

205

 Herr Tenhumberg

CDU

 

x

 

206

 Herr Terhaag

FDP

 

 

x

207

 Herr Thiel

SPD

 

x

 

208

 Frau Thönnissen

CDU

 

x

 

209

 Frau Tillmann

SPD

 

x

 

210

 Herr Töns

SPD

 

x

 

211

 Herr Tüttenberg

SPD

 

x

 

212

 Herr Ünal

GRÜNE

 

x

 

213

 Herr Uhlenberg

CDU

 

x

 

214

 Frau Velte

GRÜNE

 

x

 

215

 Herr Vogt, Alexander

SPD

 

x

 

216

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

x

 

217

 Frau Voigt-Küppers

SPD

 

x

 

218

 Frau Voßeler

CDU

 

x

 

219

 Herr Voussem

CDU

 

x

 

220

 Frau Wagener

SPD

entschuldigt

221

 Frau Warden

SPD

 

x

 

222

 Frau Watermann-Krass

SPD

 

x

 

223

 Herr Weckmann

SPD

 

x

 

224

 Herr Wedel

FDP

 

 

x

225

 Herr Wegner

PIRATEN

x

 

 

226

 Herr Weiß

SPD

 

x

 

227

 Herr Weske

SPD

 

x

 

228

 Herr Wirtz, Axel

CDU

entschuldigt

229

 Herr Wirtz, Josef

CDU

 

x

 

230

 Herr Witzel

FDP

 

 

x

231

 Herr Dr. Wolf, Ingo

FDP

abwesend

232

 Herr Wolf, Sven

SPD

 

x

 

233

 Herr Wüst

CDU

 

x

 

234

 Herr Yetim

SPD

 

x

 

235

 Herr Yüksel

SPD

 

x

 

236

 Frau Zentis

GRÜNE

 

x

 

237

 Herr Zimkeit

SPD

 

x

 

 

Ergebnis

 

13

154

12