Das Dokument ist auch im PDF und Word Format verfügbar.

Landtag

 

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/131

16. Wahlperiode

14.12.2016

 

131. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 14. Dezember 2016

Mitteilungen der Präsidentin. 13667

Zur Tagesordnung. 13667

1   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12500

Und:

Ergänzung
Drucksache 16/13400

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/13700

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13762

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13763

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13764

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13765

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13766

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13767

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13768

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13769

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13770

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13773

dritte Lesung

In Verbindung damit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2017 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 – GFG 2017)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12502

Und:

Ergänzung
Drucksache 16/13400

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/13701 – Neudruck

dritte Lesung

In Verbindung damit:

Gesetz zur Stärkung der Schulinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen (Gute Schule 2020)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/13496

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kommunalpolitik
Drucksache 16/13703

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13771

zweite Lesung

In Verbindung damit:

Kommunale Steuererhöhungsspirale durch das Gemeindefinanzierungsgesetz nachhaltig stoppen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13025

Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Kommunalpolitik
Drucksache 16/13382. 13668

Armin Laschet (CDU) 13668

Norbert Römer (SPD) 13678

Christian Lindner (FDP) 13686

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 13696

Michele Marsching (PIRATEN) 13704

Dietmar Schulz (fraktionslos) 13710

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 13711

Christian Lindner (FDP) 13721

Norbert Römer (SPD) 13722

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 13723

Michele Marsching (PIRATEN) 13724

Ergebnis. 13726

2   Wahl der Mitglieder für die 16. Bundesversammlung

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13713

Und:

Wahlvorschlag
des fraktionslosen Abg. Schulz
Drucksache 16/13754. 13728

Dietmar Schulz (fraktionslos)
(Erklärung gem. § 29 GeschO)
13728

Ergebnis. 13730

3   Entwurf des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen (LEP NRW)

Vorlage 16/4116
Vorlage 16/4130

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Wirtschaft, Energie,
Industrie, Mittelstand und Handwerk
Drucksache 16/13711

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13776

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13777

In Verbindung damit:

Mehr Raum für Wachstum – Landesentwicklungsplan muss Weichen für mehr Wohlstand und Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen stellen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13687. 13731

Rainer Christian Thiel (SPD) 13731

Hendrik Wüst (CDU) 13733

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE) 13735

Holger Ellerbrock (FDP) 13737

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 13739

Minister Franz-Josef Lersch-Mense. 13740

Dr. Günther Bergmann (CDU) 13742

Oliver Bayer (PIRATEN) 13743

Ergebnis. 13744

4   Landesregierung muss wachsende Überstundenberge sicher vor Verfall schützen – Beamte haben Kompensation ihrer unvermeidbar anfallenden Mehrarbeit verdient

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13694. 13744

Ergebnis. 13744

5   Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (8. ÖPNV-ÄndG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12435

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bauen, Wohnen,
Stadtentwicklung und Verkehr
Drucksache 16/13704

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13785

zweite Lesung

In Verbindung damit:

Angebotsqualität im kommunalen ÖPNV sichern – faire Löhne und Sozialstandards der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13534. 13745

Andreas Becker (SPD) 13745

Henning Rehbaum (CDU) 13746

Rolf Beu (GRÜNE) 13747

Christof Rasche (FDP) 13748

Oliver Bayer (PIRATEN) 13749

Minister Michael Groschek. 13750

Ergebnis. 13751

6   Zehntes Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/13261

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/13705

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13786

zweite Lesung. 13752

Christian Dahm (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)
13752

André Kuper (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)
13752

Monika Düker (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)
13752

Dr. Joachim Stamp (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)
13752

Frank Herrmann (PIRATEN)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)
13752

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll (siehe Anlage 1)
13752

Ergebnis. 13752

7   Nordrhein-Westfalen unterstützt die Bestrebungen der Bundesregierung für ein härteres Vorgehen im Kampf gegen Wohnungseinbrecher

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13685. 13752

Ergebnis. 13752

8   Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbauordnung – BauO NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12119

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bauen, Wohnen,
Stadtentwicklung und Verkehr
Drucksache 16/13706

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13778

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
und der FDP
Drucksache 16/13784
Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13779

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13792

zweite Lesung. 13752

Sarah Philipp (SPD) 13752

Wilhelm Hausmann (CDU) 13754

Arndt Klocke (GRÜNE) 13757

Holger Ellerbrock (FDP) 13759

Stefan Fricke (PIRATEN) 13761

Minister Michael Groschek. 13761

Oliver Bayer (PIRATEN) 13762

Wilhelm Hausmann (CDU) 13763

Holger Ellerbrock (FDP) 13764

Jochen Ott (SPD) 13764

Ergebnis. 13765

9   Gesetz zur Stärkung des Kreistags

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/12362

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kommunalpolitik
Drucksache 16/13707

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13780

zweite Lesung. 13765

Christian Dahm (SPD) 13765

Ulla Thönnissen (CDU) 13766

Mario Krüger (GRÜNE) 13767

Thomas Nückel (FDP) 13768

Frank Herrmann (PIRATEN) 13769

Minister Ralf Jäger 13770

Ergebnis. 13770

10 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kurorte im Land Nordrhein-Westfalen und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13536

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kommunalpolitik
Drucksache 16/13708 – Neudruck

zweite Lesung. 13771

Christian Dahm (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)
13771

Jens-Peter Nettekoven (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)
13771

Mario Krüger (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)
13771

Henning Höne (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)
13771

Torsten Sommer (PIRATEN)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)
13771

Ministerin Barbara Steffens
zu Protokoll (siehe Anlage 2)
13771

Ergebnis. 13771

11 Gesetz zur Stärkung der Versorgung bei Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/13702

erste Lesung. 13771

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans
zu Protokoll
(siehe Anlage 3)

Ergebnis. 13771

Marc Olejak (PIRATEN)
zur Geschäftsordnung.
13771

12 Gesetz zur Aufnahme der Deutschen Hochschule der Polizei in das Hochschulgesetz NRW (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13689 – Neudruck


erste Lesung

Und:

zweite Lesung. 13771

Ergebnis. 13771

13 Eine Minute vor Zwölf – Landesregierung muss die frühkindliche Bildung in unseren Kitas sicherstellen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13683. 13772

Ergebnis. 13772

14 Organstreitverfahren auf Antrag der Minderheit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV (Silvesternacht 2015) gegen die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen wegen Verweigerung der Vorlage bestimmter Informationen

VerfGH 12/16
Vorlage 16/4537

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/13666. 13772

Ergebnis. 13772

15 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 48
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 16/13710. 13772

Ergebnis. 13772

16 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/50. 13772

Ergebnis. 13772

Anlage 1. 13775

Zu TOP 6 – Zehntes Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes – zu Protokoll gegebene Reden

Christian Dahm (SPD) 13775

André Kuper (CDU) 13775

Monika Düker (GRÜNE) 13776

Dr. Joachim Stamp (FDP) 13777

Frank Herrmann (PIRATEN) 13778

Minister Ralf Jäger 13779

Anlage 2. 13781

Zu TOP 10 – Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kurorte im Land Nordrhein-Westfalen und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften – zu Protokoll gegebene Reden

Christian Dahm (SPD) 13781

Jens-Peter Nettekoven (CDU) 13781

Mario Krüger (GRÜNE) 13781

Henning Höne (FDP) 13782

Torsten Sommer (PIRATEN) 13782

Ministerin Barbara Steffens. 13783

Anlage 3. 13785

Zu TOP 11 – Gesetz zur Stärkung der Versorgung bei Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 13785


Entschuldigt waren:

Ministerin Sylvia Löhrmann       
(ab 19 Uhr)

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans      
(ab 18:30 Uhr)

Brigitte Dmoch-Schweren (SPD)

Gordan Dudas (SPD)

Angela Tillmann (SPD)

Lothar Hegemann (CDU)

Heiko Hendriks (CDU)  
(ab 15:30 Uhr)

Theo Kruse (CDU)

André Kuper (CDU)      
(bis 13:30 Uhr)

Ralf Nettelstroth (CDU)

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE)          
(ab 16:45 Uhr)

Ulrich Alda (FDP)         
(ab 15 Uhr)

Henning Höne (FDP)    
(ab 14:30 Uhr)

Nicolaus Kern (PIRATEN)

Daniel Schwerd (fraktionslos)


Beginn: 10:03 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Guten Morgen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 131. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sieben Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Auch heute dürfen wir einem Kollegen zum Geburtstag gratulieren. Herr Kollege André Kuper von der Fraktion der CDU feiert seinen Geburtstag. Herr Kollege, herzlichen Glückwunsch, alles Gute im Namen des gesamten Hauses!

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche Ihnen, dass der Plenartag nicht unendlich lange dauert, damit Sie noch etwas von Ihrem Ehrentag haben.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen sich zwischenzeitlich darauf verständigt haben, den heutigen Tagesordnungspunkt 6 „Zehntes Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes“, die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung Drucksache 16/13261, und den Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/13681 „Abschiebestopp sofort: Afghanistan ist nicht sicher!“ nicht mehr in Verbindung, sondern separat zu beraten und den Antrag der Piratenfraktion auf die Plenartage im Januar zu verschieben. – Da sich hinsichtlich dieser Änderung kein Widerspruch erhebt, verfahren wir so.

Damit treten wir in die Bearbeitung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1  Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12500

Und:

Ergänzung
Drucksache 16/13400

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/13700

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13762

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13763

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13764

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13765

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13766

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13767

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13768

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13769

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13770

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13773

dritte Lesung

In Verbindung damit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2017 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 – GFG 2017)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12502

Und:

Ergänzung
Drucksache 16/13400

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/13701 – Neudruck

dritte Lesung

In Verbindung damit:

Gesetz zur Stärkung der Schulinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen (Gute Schule 2020)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/13496

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kommunalpolitik
Drucksache 16/13703

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13771

zweite Lesung

In Verbindung damit:

Kommunale Steuererhöhungsspirale durch das Gemeindefinanzierungsgesetz nachhaltig stoppen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13025

Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Kommunalpolitik
Drucksache 16/13382

Hinzuweisen ist noch auf Folgendes: Der Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13025 wurde gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Kommunalpolitik überwiesen mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kommunalpolitik liegt nun mit Drucksache 16/13382 vor, sodass heute über den Antrag debattiert und abgestimmt wird.

Die Veränderungen durch die im Haushalts- und Finanzausschuss gefassten Beschlüsse zum Haushaltsplan sind in den Ihnen vorliegenden Veränderungsnachweisen entsprechend dargestellt.

Nach diesen Vorbemerkungen, die die Debatte strukturieren und verständlich machen, eröffne ich jetzt die Aussprache. – Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Laschet das Wort.

 

Armin Laschet (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, worüber wir heute beraten, ist ein Haushaltsplan mit 3.460 Seiten, der letzte Haushaltsplan von Rot-Grün. Nach fast siebenjähriger rot-grüner Regierungszeit ist dieser Haushaltsplan Ihre letzte Visitenkarte, Frau Ministerpräsidentin, die Sie den Bürgern und dem Parlament in Form eines Haushalts vorlegen. Aus dem kann man ablesen, welche Prioritäten Sie setzen und wie Ihre Politik ist. Deshalb ist heute auch Zeit für einen politischen Kassensturz. Und noch wichtiger: Es ist die Zeit, über alternative Ideen nachzudenken, wie man das Land wieder voranbringen könnte.

(Beifall von der CDU)

Diese Regierung hat – und das ist die erste Bilanz nach sieben Jahren Regierungszeit – unser Land in zentralen Feldern auf die Schlusslichtplätze im deutschen Ländervergleich geführt.

(Beifall von der CDU)

Das war 2010 noch anders, als Ihnen die Regierungsverantwortung übergeben wurde. – Wir sind Schlusslicht bei den Landesfinanzen. Wir sind Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum. Nordrhein-Westfalen ist Schlusslicht bei der inneren Sicherheit. Und Nordrhein-Westfalen ist Schlusslicht bei der Bildung. Und das muss sich ändern! Das ist nicht hinnehmbar!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Probleme dabei ist, dass Sie tagtäglich Berichte vor Ort, in Medien und von Instituten hören, die die Lage beschreiben, und auf der anderen Seite sitzt eine Regierung, die in Hochglanzbroschüren denkt und sagt: Es ist alles wunderbar. Es muss sich nichts ändern. Dem Land geht es gut.

Ich will Ihnen an ein paar Beispielen allein aus den letzten Tagen, vom heutigen Tag diesen Gegensatz deutlich machen. Wir spüren viel Verunsicherung insbesondere in den Regionen des Landes, denen es schlechter geht als anderen. Wir spüren vor Ort Verunsicherung in vielen Städten des Ruhrgebiets, die eben nicht Anschluss an die Gesamtentwicklung haben, die wir in Deutschland und in anderen Teilen des Landes Nordrhein-Westfalen erleben.

Denen, die diese Sorgen haben, helfen Sie aber nicht dadurch weiter, dass Sie, wie Frau Kraft es gemacht hat, sagen: Das Ruhrgebiet hat heute genau so viele Beschäftigte wie zu den Hochzeiten von Kohle und Stahl. – Die Menschen empfinden das anders. Und wenn man an den Empfindungen der Menschen vorbeiredet, fördert man Populisten. Das ist das Problem von Politik! Das ist das Problem!

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD)

Sie haben gesagt, dass viele Arbeitsplätze beim Strukturwandel verloren gegangen sind. Es sind aber nicht 2,3 Millionen. Auf Nachfrage hat die Staatskanzlei dann ja erklärt, die Frau Ministerpräsidentin habe sich in der Zahl geirrt. – Wenn Sie aber sagen würden: „Es haben viele Hunderttausend Menschen ihre Arbeitsplätze verloren, und wir – die Regierung bzw. wir als Politik – wollen, dass die Menschen wieder Arbeit haben, und das wird jetzt unsere Priorität sein“, dann wäre das die richtige Antwort. Es ist aber nicht die richtige Antwort, wenn Sie sagen, es sei alles wie bei Kohle und Stahl.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sind am heutigen Tag mit dem Auto hierhergefahren. Im Auto haben wir WDR 2 gehört. Da gab es einen Bericht über Bildungsarmut in Nordrhein-Westfalen. Das war eine Reportage darüber, wie heute die Bildungssituation nördlich der A40 ist.

(Michael Hübner [SPD]: Da bin ich doch mal gespannt! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Liebe Kollegen, Sie wissen, dass uns viele Tausend Menschen zuhören. Es wäre auch für Sozialdemokraten gut, die Kultur, zuzuhören und Argumente auszutauschen, zu pflegen, statt diese Brüllerei in den Mittelpunkt zu stellen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich stelle fest, wie unruhig Sie bei diesem Thema sind. Ich habe bisher nichts anderes gemacht als zu schildern, was heute Morgen bei WDR 2 lief, und schon sind die Sozialdemokraten auf den Tischen, weil sie glauben, dass da irgendeiner …

(Zurufe von der SPD)

– Hören Sie es sich einfach an! Ich empfehle Ihnen, die Brüllerei für 40 Minuten einzustellen. Danach können Sie brüllen, wie Sie wollen.

(Beifall von der CDU)

Die Bürger schätzen nämlich auch nicht, wenn Sie den Eindruck haben: Im Parlament wird von einer Seite des Hauses der Gegner niedergebrüllt. Das schätzen die Leute nicht, um das hier mal in aller Klarheit zu sagen.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist lächerlich!)

Ich sage es Ihnen noch einmal: Sie werden sich das jetzt anhören müssen. Das, was viele Menschen empfinden, werde ich hier jetzt vortragen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Gefühlte Realität!)

Nördlich der A40 schildert dieser Bericht, schildern Eltern, schildern Schulleiter im Originalton, sagen Bildungsstudien, dass man Bildungsaufstiegschancen …

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

– Frau Lüders, auch in Dortmund gibt es eine A40, auch bei Ihnen in der Stadt gibt es Probleme, auch wenn Sie die nicht mehr sehen. Auch in Ihrer Stadt gibt es Probleme. Nördlich dieser A40, so sagt der Bericht, kann man teilweise Bildungschancen von Kindern an der Postleitzahl erkennen.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das ist doch nichts Neues!)

– Nein, das ist nichts Neues. Deshalb sollten Sie auch sagen: So ist die Realität im Land. – Sie sollten aber nicht sagen: Wir geben immer mehr Geld aus, alles gut, 170 Milliarden € nur für Kinder und Bildung, wie die Ministerpräsidentin gesagt hat.

(Nadja Lüders [SPD]: Sollen wir das lassen?)

Sie sollen die Probleme lösen und ernst nehmen, die die Leute haben.

(Beifall von der CDU und Marcel Hafke [FDP] – Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

170 Milliarden € geben wir für Kinder und Bildung aus. Frau Asch, Sie bekommen auch noch die Lösung. Dafür sind wir ja hier. 170 Milliarden € – das sagen Sie den Menschen, die diese Not beklagen – geben wir für Bildung und Kinder aus. Gestern sagten Sie in den Lokalradios: 200 Milliarden € geben wir mit dem Haushalt für nächstes Jahres für Kinder und Bildung aus. Sie verschweigen aber, dass alleine 40 Milliarden € nur die Pensionslasten der Lehrer sind.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Die Leute spüren diese Taschenspielertricks.

(Nadja Lüders [SPD]: Zahlen wir keine Pensionen mehr, oder was ist der Schluss?)

Sie müssen in den Norden des Ruhrgebiets die besten Schulen, die besten Aufstiegschancen geben und nicht mit Finanztricks die Leute für dumm verkaufen. Das ist das, was die Leute aufregt!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zweiter Weltmeister beim Täuschen der Leute mit Hochglanzrhetorik ist der Innenminister. Die Leute empfinden: Es gibt No-go-Areas. Sie haben Angst, sich in bestimmte Gebiete hineinzutrauen.

(Zurufe von der SPD)

Ich weiß, dass Sie es stört, dass man das ausspricht. Ein interner Polizeibericht hat in diesen Tagen gesagt: Libanesische Großfamilien haben das Machtvakuum gefüllt, das die Hells Angels gelassen haben. Diese Berichte landen bei Ihnen im Ministerium. Heute beschreibt „DIE WeLT“ in einem großseitigen Artikel die Situation der Polizei in Gelsenkirchen. Und der Minister stellt sich hin und bezeichnet jeden, der das benennt, der die Probleme der Menschen benennt, als gehirnlose Zone, nämlich dieses Parlament als No-brain-Area. Das ist das Problem.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wenn Sie die Probleme der Menschen nicht ansprechen und lösen, fördern Sie die Populisten in diesen Gegenden. Das ist das Problem.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Beim Wirtschaftswachstum haben wir ja das Gleiche erlebt. Der Wirtschaftsminister stellt sich hier hin – das haben wir in der letzten Plenarsitzung erlebt –, redet alles schön und sagt: Alles wunderbar. Wir sind auf gutem Wege. Wir haben dies und das gemacht.

Dann kommen die Wirtschaftsinstitute, und dann sagt er: Ja, die sind irgendwie beeinflusst. Das sitzt der Herr soundso im Vorstand. Das glaube ich alles nicht. – Die sagen aber alles das Gleiche. Egal, wo sie politisch stehen, sagen sie: In Nordrhein-Westfalen ist das Wachstum unter dem Durchschnitt der deutschen Länder.

Die richtige Antwort einer Regierung wäre: Ja, wir akzeptieren das. Ja, wir arbeiten daran, dass es besser wird. – Das muss der neue Stil ab nächstem Jahr in diesem Haus sein: Probleme verbessern und nicht Hochglanz.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Letztens hat mir eine Bürgerin geschrieben, sie hätte gelesen, die Ministerpräsidentin war beim Papst und hätte ihm eine Grubenlampe überreicht. Es wäre doch viel klüger gewesen, wenn sie als Symbol für Nordrhein-Westfalen eine rote Laterne mitgenommen hätte.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Ich glaube, das ist das Empfinden, was viele Leute haben, wenn sie an unser Land denken.

Ich erinnere daran, was wir im April hier im Plenum nach der Schocknachricht vom Nullwachstum gesagt haben, nämlich: Wir brauchen eine klare Lageanalyse. Wir brauchen dann einen Schulterschluss, gerne auch über Fraktionsgrenzen hinweg, was denn jetzt geändert werden muss. Und wir brauchen ein Ziel, das Ziel, das wir in der Spitzengruppe der deutschen Länder marschieren. Das muss formuliert werden.

Deshalb will ich ein paar Beispiele nennen, wie wir uns Nordrhein-Westfalen im Jahre 2025, also in einem überschaubaren Zeitraum, an dem wir jetzt arbeiten können, vorstellen. 2025 soll Nordrhein-Westfalen ein Land sein, das in die Zukunft investiert und nicht mehr von seiner Schuldenlast erdrückt wird. Das heißt, wir brauchen bis zu diesem Zeitpunkt konkret beginnend mit der nächsten Regierungsbildung eine effizientere und sparsamere Landesverwaltung. Die Landesverwaltung muss sich auf die Kernaufgaben konzentrieren und darf nicht jeden Tinnef in Programmen regeln.

(Beifall von der CDU)

Wir haben nach 39-jähriger Regierungszeit …

(André Stinka [SPD]: Wo sind denn die Kernaufgaben? Sagen Sie mal!)

– Ich weiß nicht, ob das gerade alle Kollegen gehört haben. Der Generalsekretär der SPD hat mich gerade gefragt: Was sind denn die Kernaufgaben?

(André Stinka [SPD]: Werden Sie konkret!)

Wenn Sie nicht wissen, dass die Arbeitslosigkeit in diesem Land bekämpft werden muss, läuft bei Ihnen und Ihren Sozialdemokraten etwas schief, Herr Stinka.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Sie fragen mich tatsächlich, was die Kernaufgaben sind. Das ist fast so, als würden Sie sagen: Ich habe den Zettel nicht gefunden, auf dem meine Projekte stehen.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist doch lächerlich!)

Sie fragen: Was sind denn die Kernaufgaben?

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Was sind denn die Kernaufgaben? Sagen Sie es doch mal!)

Der Generalsekretär der SPD fragt mich, was die Kernaufgaben der Landespolitik sind.

(Jochen Ott [SPD]: Ja, sagen Sie es doch mal!)

Arbeitslosigkeit bekämpfen, innere Sicherheit herstellen, Bildungschancen für Kinder erhöhen – das sind die Kernaufgaben, auf die man sich in diesem Land konzentrieren muss, Herr Generalsekretär.

(Beifall von der CDU und der FDP)

In der Regierungszeit zwischen 2005 und 2010, nach 39 sozialdemokratischen Jahren, haben wir 32 neue Stellen in der Landesverwaltung geschaffen, nach einem Regierungswechsel.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Sie haben Polizisten abgebaut!)

Sie haben allein in den letzten sieben Jahren ohne einen Regierungswechsel 567 neue Stellen nicht für Lehrer und Polizisten, sondern für Beamte in den Ministerien geschaffen, und die schaffen Sie, um Ihre Ideologie durchzusetzen, weil Sie nicht wissen, was die Kernaufgaben sind. Aus diesem Grund werden Beamte eingestellt, die dann irgendetwas regeln.

(Beifall von der CDU und der FDP – Michael Hübner [SPD]: Es gab keine neuen Aufgaben!)

Wenn Sie zusätzlich 567 neue Polizisten eingestellt hätten, dann bräuchte der Abteilungsleiter Innen nicht zu sagen,

(Jochen Ott [SPD]: Die Sie abgebaut haben! – Zuruf von Achim Tüttenberg [SPD])

im ländlichen Raum seien wir mit der Polizeipräsenz an der Grenze des Verantwortbaren. Das wäre nicht nötig, wenn Sie statt in Ministerien Ihren Apparat aufzublähen Polizisten auf die Straßen unseres Landes bringen würden.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist blanker Populismus!)

Das ist ein Aspekt, den wir anders machen würden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich finde, unser Land muss sich, ähnlich wie der Bund das bereits tut, an dem Ziel – Stichwort: 2025 – orientieren: keine neuen Schulden und eine Eindrittellösung bei den Steuermehreinnahmen. Das bedeutet Schuldenabbau, Investitionen und Entlastungen der Bürger.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Jetzt kommt das Konzept!)

Sie behaupten, die Richtschnur Ihrer Finanzpolitik sei es, zu sparen, zu investieren und die Einnahmebasis zu sichern.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: So ist das!)

Die Wahrheit ist aber: Wir haben bundesweit die höchste Verschuldung, es gibt einen Rückgang der Investitionen, und unsere Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich steigen, weil unsere Finanzkraft gesunken ist. Das Gegenteil von dem, was Sie sich vornehmen, ist die Realität in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

In Zahlen übersetzt heißt das: Seit Sie in den 70er-Jahren mit Ihrer Schuldenpolitik begonnen haben, haben Sie 144 Milliarden € Landesschulden angehäuft. In dieser Zeit – ich sage das, um Ihnen einmal die Dimension klar zu machen – hat das Land 136 Milliarden € an Zinsen gezahlt. Das heißt, 8 Milliarden € sind wirklich investiert worden. Das zeigt, wie falsch Schuldenpolitik ist.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Im Moment mögen die Zinsen niedrig sein, Herr Finanzminister,

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ja, richtig so!)

aber die 136 Milliarden €

(Stefan Zimkeit [SPD]: 6 Milliarden haben Sie zuletzt gemacht! 6 Milliarden!)

sind Schulden, die den Banken zugutegekommen sind, und haben nicht die Spielräume eröffnet, die wir brauchen, um in Bildung zu investieren. Das ist der Fehler einer Schuldenpolitik.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Sechs Milliarden, Herr Laschet!)

Nun könnte man sagen, im Moment sprudeln die Steuereinnahmen, und wenigstens jetzt wird der Finanzminister das wohl hinkriegen. Wir verzeichnen eine Steigerung der Steuereinnahmen um 45 %, das sind in absoluten Zahlen ausgedrückt um die 17 Milliarden €. Jetzt kommen Sie mir nicht mit der Erklärung, Sie müssten Schulden machen, weil die Aufgaben in der Flüchtlingspolitik zu groß sind. Das kostet zwar auch Geld, aber es kostet nicht 17 Milliarden €, die Sie mehr eingenommen haben.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Selbst bei einem Höchststand der Steuereinnahmen und dem niedrigsten Stand der Zinsen haben Sie es nicht geschafft, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das ist es, was wir Ihnen vorwerfen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen, was sich ändern muss. Wir brauchen ein Land, in dem junge Familien wieder Eigentum erwerben können. Wir wissen, wie schwer es bei der Niedrigzinslage ist, etwas für die Altersvorsorge zu tun. Auch für Familien mit geringen Einkommen war es in früheren Jahrzehnten in Nordrhein-Westfalen, insbesondere im Ruhrgebiet, wo oft in guten Zeiten gute Löhne gezahlt wurden, möglich, ein eigenes Haus bzw. ein Eigenheim zu erwerben. Das ist heute in vielen Bereichen zum Stillstand gekommen. Die Auflagen, die Familien erfüllen müssen, wenn Sie ein Haus bauen wollen, werden immer strenger, woran auch der Bund schuld ist.

(Michael Hübner [SPD] schüttelt mit dem Kopf.)

– Bei den Sozialdemokraten schüttelt wieder einer den Kopf. Sie reden nicht mehr mit normalen Menschen. Sie reden nicht mehr mit Familien, die sich gerne ein Haus leisten würden.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist eine Beleidigung für alle Menschen, mit denen Sie reden! – Jochen Ott [SPD]: Wir wohnen auf dem Mond, Herr Laschet!)

Herr Hübner meint, das sei alles nicht so, das sei alles Oppositionspolemik. Alle Familien können sich ein Haus leisten. Es gibt keine Kreditrahmenauflagen und auch keine ökologischen Auflagen.

(Dietmar Bell [SPD]: Dummes Gerede!)

Alles ist gut in Nordrhein-Westfalen. Überall gibt es boomende Familien. – So werden Sie die Probleme nicht lösen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Dietmar Bell [SPD]: Reden Sie nicht so ein dummes Zeug!)

Deshalb hören Sie sich einfach an, was wir Ihnen vorschlagen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Wir brauchen weniger Vorschriften, und wir müssen das Ziel formulieren, dass Familien wieder Eigentum bilden können. Wir müssen kommunale Steuer …

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Dafür brauchen wir höhere Löhne! Sagen Sie das der Bundesregierung!)

– Ja, das ist alles die Bundesregierung schuld. Alle anderen sind schuld, nur nicht diejenigen, die hier im Parlament sitzen. Ich frage mich, warum Sie überhaupt noch hier sitzen, wenn Sie selbst nichts ändern wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Torsten Sommer [PIRATEN]: Wer hat die Lage denn verpfuscht? Das war nur die CDU!)

Wir sagen: Wir brauchen ein faires Niveau bei der Grunderwerbsteuer. Wir brauchen einen Freibetrag für Familien bei der Grunderwerbsteuer. Und wir brauchen eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzierung, was die Gewerbesteuer und die Grundsteuer betrifft.

(Beifall von der CDU)

Nordrhein-Westfalen ist in den letzten sieben Jahren zum Hochsteuerland der Republik geworden. Nordrhein-Westfalen hat die höchsten Gewerbe- und Grundsteuern unter allen deutschen Flächenländern.

Zudem wird bei uns deutschlandweit die höchste Grunderwerbsteuer fällig, für deren Festsetzung dieses Haus, dieser Landtag, Sie alle in diesen Fraktionen verantwortlich sind.

Wir liegen mit der Gewerbesteuer in Nordrhein-Westfalen 24 % höher als der Bundesschnitt, 31 % höher als beispielsweise Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg, und die Steuerbelastung lag 2015 um 640 Millionen € höher als 2009. Das sind 25 % mehr, und diese 25 % fehlen den privaten Familien, wenn sie Eigentum erwerben wollen. Und diese 25 % belasten Unternehmen bei uns, die neue Arbeitsplätze schaffen wollen.

Nun nenne ich Ihnen ein Beispiel. Das hätten Sie aber alle hören können, wenn Sie mit hinausgegangen wären. Vor dem Landtag standen vor einigen Monaten Familien aus den Regionen, wo zwangsweise die Steuer für das Eigenheim, die Grundsteuer B, erhöht werden muss. Eine Familie aus Bergneustadt war da, hatte ihren Bescheid dabei, hat ihn mir gezeigt und gesagt: Schauen Sie mal hier, in Bergneustadt. Vor sechs Jahren habe ich 533 € bezahlt, jetzt, im letzten Jahr, musste ich 1.248 € Grundsteuer B bezahlen.

Jetzt kann man darüber hinweggehen und sagen: Mein Gott, das wird die Familie schon noch aufbringen können. – Für manche Familie ist das eine hoch relevante Frage. Deshalb muss Schluss damit sein, die Menschen dauernd mit solchen Steuern zu belasten, die ihr Eigenheim zur Altersversorgung angeschafft haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Karl Schultheis [SPD]: Studiengebühren!)

Das andere ist: Wenn bei uns die Steuern mit am höchsten sind, überlegt sich ein Unternehmen, wo es sich niederlässt, wenn es an der Landesgrenze zu Hessen oder zu Niedersachsen liegt und man dazu noch weiß, dass Genehmigungsverfahren in Niedersachsen und Hessen beispielsweise schneller gehen und die Steuern dort niedriger sind. Das können Sie in Bünde, Herford, Ostwestfalen genauso besichtigen wie im Siegerland. Fahren Sie nach Hessen – auf der hessischen Seite gibt es neue Gewerbegebiete.

Deshalb sage ich: Wenn wir in diesen Wettbewerb eintreten wollen, wenn wir wieder wollen, dass sich Unternehmen bei uns ansiedeln, müssen wir bürokratische Belastungen entfernen, Genehmigungsverfahren schneller machen und nicht immer noch neue Dinge erfinden, warum es problematischer werden kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist das Thema Landesentwicklungsplan. Der Landesentwicklungsplan 2025 sollte sich als Ziel setzen – nicht Flächenverbrauch null oder irgend so etwas –: Kinderarmut wirksam bekämpfen, Arbeitslosigkeit unter den Bundesdurchschnitt bringen, Freiräume schaffen für Unternehmen, damit sie investieren können. Dann fängt man an, den Landesentwicklungsplan zu schreiben, und dann kommt man zu völlig anderen Ergebnissen als Ihre Regelungen, die Sie im Moment durchsetzen.

(Beifall von der CDU)

Die Ministerpräsidentin hat gesagt, das Nullwachstum habe keinesfalls etwas mit Landesgesetzen zu tun. Es seien die BRICS-Staaten,

(Michael Hübner [SPD]: Es gibt keine Drittstaaten!)

der Strukturwandel, die Energiepolitik der Bundesregierung, allerdings nur beschränkt auf 2009 bis 2013, also CDU/FDP, alles andere habe nie gewirkt. Eine etwas simple Geschichtssicht!

Dann hat die Ministerpräsidentin gesagt und versprochen: „Keine wichtige Industrieansiedlung in Nordrhein-Westfalen wird am Landesentwicklungsplan scheitern.“ – „Neue Westfälische“ vom 21. September 2016.

Dann gibt es Leute, die die „Neue Westfälische“ gelesen haben, weil sie da leben, die haben gesagt: Wenn das da steht, nehmen wir die Ministerpräsidentin mal beim Wort. Dann haben sie das bei ihren Betrieben geprüft, die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, und die schreibt nun: Sehr geehrte Herren Kollegen, sehr geehrte Herren Abgeordnete – das haben Sie wahrscheinlich auch bekommen –,

(Jochen Ott [SPD]: Ja!)

bei uns nennen wir Ihnen einmal alle die Betriebe, die davon betroffen wären, wenn der Landesentwicklungsplan so kommt.

(Nadja Lüders [SPD]: Wären! – Werden Sie doch einmal konkret!)

– Einmal konkret. Frau Lüders sagt: Einmal konkret. – Minden-Lübbecke: 20 Betriebe mit 1.000 Mitarbeitern, Herford: 16 Unternehmen mit 1.900 Mitarbeitern, Gütersloh: 20 Firmen mit etwa 2.400 Mitarbeitern, Lippe: drei Unternehmen mit über 300 Mitarbeitern, Höxter: zwei Betriebe mit ca. 50 Mitarbeitern.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Alle die sind davon betroffen nach einer Abfrage der IHK. Hören Sie doch den Menschen im Lande zu!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die sind doch alle einzeln aufgelistet. Ich nenne Ihnen gleich noch Betriebe. Schon im vorauseilenden Gehorsam, ohne dass der Landesentwicklungsplan überhaupt beschlossen ist, sagt die Bezirksregierung bereits: Wir genehmigen keine neuen Flächen, weil irgendwann ein Landesentwicklungsplan kommt.

(Nadja Lüders [SPD]: Sie müssen die selber fragen!)

– Liebe Kollegin, wenn Sie nicht mehr mit den Mitarbeitern, wenn Sie nicht mehr mit den Industrie- und Handelskammern reden,

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

mit wem im Land reden Sie denn noch über die Probleme, die es gibt?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Konkreter geht es doch nicht. Das ist jetzt die boomende Region Ostwestfalen, aber auch Südwestfalen – die würden Ihnen das Gleiche schildern –, Münsterland: Da wächst die Wirtschaft noch, und deshalb muss man die stärken, damit sie weiter wachsen können.

Aber im Ruhrgebiet haben wir die Fälle auch. Auch in den letzten Tagen. Der „Westfälische Anzeiger“ berichtet: Neuausweisung ganzer Gewerbegebiete scheitert am LEP. 17 Standorte konnten nicht ausgewählt werden wegen des neuen Landesentwicklungsplans.

Der frühere Bürgermeister von Datteln schreibt Leserbriefe

(Hans-Peter Müller [SPD]: Fahr runter!)

und sagt, wie die Story war, wie man den newPark verhindert hat. Ich weiß, dass Sie sich darüber genauso aufregen, weil Ihre Kollegen das alles Herrn Remmel ins Stammbuch geschrieben haben. Aber dann müssen Sie sich einfach einmal durchsetzen, wenn es um Arbeitsplätze in dieser Region geht!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es gehört mit dazu, wenn man eine Koalition macht, dass man an der Spitze einen Regierungschef hat, der sagt: Okay, jeder Fachminister hat seine Interessen, aber ich als Ministerpräsidentin/Ministerpräsident ab Mai sage Ihnen …

(Heiterkeit von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist ja peinlich!)

– Ja, man muss seine Sprache …

(Lachen und weitere Zurufe von der SPD)

Man muss seine Sprache …

(Christian Möbius [CDU]: Sie werden nervös! – Unruhe – Glocke)

– Immer wenn das Wort „Mai“ fällt, werden die nervös. Da haben Sie recht.

(Jochen Ott [SPD]: Im Gegenteil!)

Man muss seine Sprache immer gendergerecht sprechen. Deshalb habe ich gesagt „Ministerpräsident“, damit man sich daran gewöhnt, dass es nicht gottgegeben ist, dass immer nur ein Geschlecht regiert.

(Lachen und Zurufe von der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das denken die sich bei der Kanzlerschaft auch! – Zurufe von der CDU – Glocke)

Entscheidend ist doch, liebe Kollegin – egal, wer ab Juni regiert –, …

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht egal!)

– Na gut, dann ist es nicht egal. Für das Land wäre es besser, dass ein Ministerpräsident ab Juni regiert und dann klipp und klar sagt: Arbeitsplätze haben jetzt Priorität in diesem Kabinett! Jetzt hört die Rederei auf, jetzt ist Schluss!

(Lebhafter Beifall von der CDU)

Es muss im Koalitionsvertrag stehen: Es ist Schluss mit diesen Spielereien zwischen Ministerien; Arbeitsplätze haben Priorität. Es ist Schluss mit diesem Schönreden; die innere Sicherheit hat jetzt Priorität in diesem Kabinett. – Nichts anderes ist das Ziel, über das ab Mai gesprochen werden muss!

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Wenn Sie das nicht anders verstehen, werden wir das im Wahlkampf so vortragen. Dieses Hin und Her, dann da noch ein Programm und da noch ein Trick und da noch ein Vorkaufsrecht und da noch was ermöglichen und da noch Einspruch! In diesem Land muss jetzt entschieden und gehandelt werden und nicht geredet werden, wie Sie das zu Ihrer Praxis gemacht haben!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann muss man sich auch nicht hinsetzen und sagen: Was könnte ich noch erfinden? Wie kann ich die Hygieneampel noch detaillierter machen, damit ich möglichst die Bäcker, die Metzger, die Betriebe, die Kneipen noch mehr drangsaliere? – Nein. Unsere Antwort muss sein: Lebensmittelsicherheit herstellen, aber nicht solche Phantasmen, solche Bürokratien, wie sie sich Herr Remmel jede Woche ausdenkt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das geht doch auch in 15 anderen deutschen Ländern. So etwas gibt es nirgendwo in ganz Deutschland,

(Michael Hübner [SPD]: Was?)

was diese Regierung erfindet. Damit muss doch mal Schluss sein!

Was müssen wir denn jetzt machen? – Wir müssen beispielsweise planen. Da können wir keinen Staatssekretär haben, Gott sei Dank hat sich das in der Diktion unter Herrn Groschek ein bisschen verändert. Aber als Sie angetreten sind, hatten Sie doch hier Ihre Leute, die gesagt haben: Wir planen nicht für die Schublade. Wir streichen all die Reserveplanungen. Wir haben kein Geld, also planen wir keine Straßen mehr. – Das ist es doch, wofür jeden Tag die Pendler büßen: dieses Versagen, diese Fehler aus dem Jahr 2011, aus Ihrer Regierungszeit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Lächerlich!)

Dafür muss man die Sorgen der Menschen auch kennen. Der Verkehrsminister hat den Bundesverkehrswegeplan von Herrn Dobrindt bejubelt. Sie wissen, wir sind da manchmal etwas kritischer, was Herrn Dobrindt angeht.

(Lachen und Zurufe von der SPD)

Ja, da habe ich keinen Nachholbedarf. Wir stehen sehr kritisch dazu.

(Zuruf: Sagen Sie das mal Ihrem Koalitionspartner!)

Wir sagen das halt offen. Das ist der Unterschied: Wir sagen das offen, wir hören den Menschen zu. Wir haben zum Beispiel das Problem im Siegerland, in Erndtebrück, gehört, wo Betriebe die Mitarbeiter in die Niederlande verlagern, weil die Verkehrswege zu kompliziert werden. Also haben wir gesagt: Die Route 57, die im Siegerland wichtig ist, steht nicht im Bundesverkehrswegeplan, den Herr Groschek so bejubelt hatte. Dann haben unsere Abgeordneten, Oliver Wittke und die Landesgruppe,

(Zurufe von Falk Heinrichs [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

im parlamentarischen Verfahren

(Unruhe – Glocke)

des Bundestages … Auch die SPD im Bundestag hat zugestimmt. Aber Ihr Minister …

(Zurufe von der SPD)

– Seid doch mal einfach … – Also: Der Bundesverkehrswegeplan wird vorgelegt. Herr Groschek sagt: Ich habe mich durchgesetzt, wir haben mehr Geld gekriegt als je. – Da hatte er recht, das war gut. Und es ist ein guter Bundesverkehrswegeplan.

(Beifall von der SPD – Jochen Ott [SPD]: Hat er gut gemacht!)

– Ja, das ist doch in Ordnung, dass er in Berlin Lobbyarbeit gemacht hat und dass Berlin etwas Gutes getan hat. Das ist doch in Ordnung.

Aber wir haben gesagt: Jetzt schaut euch doch die Regionen an! Ein paar sind benachteiligt. – Dann muss man doch einmal in Berlin präsent sein und aktiv Abgeordnete bringen. Inzwischen ist die Route 57 ebenfalls im Bundesverkehrswegeplan enthalten. Das ist Lobbyarbeit für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Bei der inneren Sicherheit – ich habe das beschrieben – sollte Nordrhein-Westfalen – und da reicht nicht das Zieljahr 2025 – innerhalb kürzester Zeit wieder ein Land sein, in dem sich die Menschen an jedem Ort des Landes sicher bewegen können, ein Land sein, in dem es, um in der schönen Hochglanzsprache von Herrn Jäger zu reden, keine Angsträume gibt. Wir sagen „No-go-Areas“, aber den Leuten ist es völlig wurscht, wie man das nennt. Die wollen über die Straße gehen, ohne belästigt zu werden. Das ist das, worum es geht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Also, keine Angsträume mehr, sondern Nulltoleranz-Politik gegenüber Kriminellen und eine Ausstattung der Polizei, dass sie das auch tun kann. Dazu gehört die sofortige Einführung – wie in Hessen – von Bodycams, dazu gehört die Ausweitung der Videobeobachtung auf Orte, an denen kriminalitätsbegünstigende Gegebenheiten vorliegen,

(Andreas Bialas [SPD]: Hätten Sie mal besser mehr Leute eingestellt!)

und dazu gehört auch die Schleierfahndung auf einer klaren gesetzlichen Grundlage.

(Beifall von der CDU)

Wir haben vom Innenminister gehört – das sind die drei, vier Stufen, in denen argumentiert wird –: Schleierfahndung bringt nichts. Alles Quatsch, brauchen wir nicht. Es ist nicht erforderlich, dass wir dafür ein Gesetz haben.

Als er in Aachen mit den Innenministerkollegen der anderen Länder zusammensaß, haben sie überlegt, wie die Einbruchskriminalität zu bekämpfen sei. Sie saßen alle am Tisch: der niedersächsische Innenminister von der SPD, der rheinland-pfälzische Innenminister von der SPD. Die haben das alle in einem Gesetz stehen. In den Ländern gibt es Gesetze dafür.

Herr Jäger ist der Einzige, der nicht handeln kann. Deshalb sagt er jetzt: Wir machen Schleierfahndung auf Grundlage einer Erlassregelung.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Da hat ihm einer was Falsches aufgeschrieben!)

Das halte ich aus verfassungsmäßiger Sicht für eine extrem schwierige Argumentation.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ja! – Weitere Zurufe)

– Das stimmt nicht? – WDR 5, Jäger: Es ist gar nicht erforderlich, eine solche Schleierfahndung ins Gesetz aufzunehmen, weil wir sie praktisch machen. – Das alles sei per Erlass geregelt. Ich hätte von einer Rechtsstaatspartei wie den Grünen erwartet, dass sie sagt: Moment mal, wir haben doch nicht jahrelang Schleierfahndung blockiert, damit du sie jetzt per Erlass einführst!

(Ralf Witzel [FDP]: Rechtsstaatspartei? – Zuruf von Minister Ralf Jäger – Weitere Zurufe)

– Ihr könnt miteinander ausmachen, wer mehr Rechtsstaatspartei ist.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Na ja, die beiden jedenfalls auch mal nicht!)

Jedenfalls klingen die Grünen manchmal so, als seien sie rechtsstaatlich da etwas sensibler.

Jetzt sagt der Innenminister: Ich mache das alles per Erlass. – Uns sagen aber die Polizeibeamten: Natürlich finden wir Wege, wie wir das machen.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Das stimmt doch alles nicht! Das ist unwahr! Quatsch! – Zuruf von Minister Ralf Jäger – Weitere Zurufe)

Dann sagen die: Wir machen eine Verkehrskontrolle und schauen, ob das Warndreieck da ist.

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

Bei dieser Verkehrskontrolle stellt man dann auch fest: Ja, es gibt auch Diebesgut, Drogen oder etwas anderes.

(Michael Hübner [SPD]: Aachener Printen!)

Ich sage Ihnen: Was 14 deutsche Länder können, nämlich den Polizeibeamten vor Ort eine klare Rechtsgrundlage und Rückendeckung zu geben, brauchen wir auch in Nordrhein-Westfalen – und nicht diese Tricksereien.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Darüber hinaus brauchen wir … Herr Baranowski hat Ihnen das auch gesagt, vielleicht glauben Sie ihm mehr als mir. Er hat gesagt, dass er Sie angeschrieben habe. Er habe kein Verständnis dafür, dass im Kreis Coesfeld Verkehrssünder geknipst werden, aber in Gelsenkirchen Einsatzkräfte fehlen. Er hat kein Verständnis dafür, dass es Blitzermarathons gibt, bei denen Tausende Polizeibeamte ausschließlich einer PR-Aktion des Ministers dienen, statt Kriminelle zu bekämpfen.

(Beifall von der CDU – Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Wo ist denn das Zitat? Sauber zitieren bitte! – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE] – Weitere Zurufe)

– Frau Ministerpräsidentin, das war ein wörtliches Zitat von Herrn Baranowski.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das mit dem Blitzermarathon?)

– Mit dem Blitzermarathon nicht. Das war meine …

(Stefan Zimkeit [SPD]: Täuschungsversuch! – Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft – Zuruf von der SPD: Redlich bleiben! – Gegenruf von der CDU: Mal zuhören! – Weitere Zurufe)

– Passen Sie mal auf: Herr Baranowski hat etwas gesagt, das ich mir nicht ganz zu eigen machen würde, nämlich den Kreis Coesfeld zu vergleichen mit Einsatzkräften in Gelsenkirchen. Es ist schon bemerkenswert, wenn ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister das sagt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das war ein eindeutiger Täuschungsversuch, Herr Laschet! Täuscher!)

Man muss auch Verkehrssünder im Kreis Coesfeld bekämpfen. Aber mein Zitat jetzt – das ist jetzt mein eigenes –:

(Zurufe von der SPD: Hey! Oh! Ui! – Weitere Zurufe)

Man muss aber nicht Tausende Polizeibeamte im Blitzermarathon einsetzen zu einer Zeit, in der wir andere Aufgaben haben. Das ist der Unterschied.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Täuschungsversuch! – Andreas Bialas [SPD]: Das war ein schlechtes Zitat!)

Wir haben gesagt: Polizeiausbildung neu organisieren, Dienstrecht wirklich mal modernisieren, Schwerpunktstudiengänge „Schutzpolizei“ und „Kriminalpolizei“ einführen, Verwaltungsassistenten einsetzen und Digitalisierung bei der Polizeiarbeit.

Sie haben hier große Reden über Digitalisierung gehalten. Manches Ziel, Verwaltungsvorgänge digital auszutauschen, soll nach dem Plan der Landesregierung im Jahr 2031 erreicht werden. Die Polizei haben Sie aber im Wesentlichen vergessen. Denn wir brauchen auch bei der Polizei die Möglichkeit, weniger Bürokratie zu haben und schneller tätig werden zu können.

Jetzt kommt nicht Baranowski, Frau Ministerpräsidentin, sondern der Abteilungsleiter des Herrn Innenministers, der sagt:

„Wir haben im ländlichen Raum ausdünnen müssen.“

Weiter heißt es – so die NRZ –:

„In einem schmerzhaften Prozess‘ sei man mit der Umverteilung der Beamten weg vom Land bereits an die Grenzen gegangen, die ‚ein Mindestschutz der Bevölkerung‘ noch zulasse.

Wir wollen keinen Mindestschutz. Wir wollen den optimalen Schutz der Bevölkerung des Landes Nordrhein-Westfalen wieder sicherstellen!

(Beifall von der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Polizeistellen wollten Sie streichen! – Weitere Zurufe)

Sie machen stattdessen eine Woche des Respekts, die Sie vier Jahre lang angekündigt haben. Dann wird die eine Woche mal gemacht, und eine Woche später beschließt der Landtag die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte

(Michele Marsching [PIRATEN]: Richtige Entscheidung! Hätte viel weiter gehen müssen!)

gegen die Polizeigewerkschaft, gegen den Betriebsrat und gegen den Personalrat. – So gehen Sie mit denen um, die unsere Sicherheit garantieren. Das ist schäbig, was Sie hier machen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der dritte wichtige Bereich, der die Menschen bewegt, ist die Bildung. Dazu haben wir schon viele Debatten geführt. Ich habe hier oft die Gesamtschulen erwähnt, die uns einladen. Ein Beispiel ist die Gesamtschule Marienheide. Ich bin mit Peter Biesenbach anderthalb Stunden in eine solche Unterrichtsklasse gegangen.

(Zuruf von den PIRATEN: Und, was gelernt? – Dietmar Bell [SPD]: Waren die Klausuren weg hinterher? – Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN – Weitere Zurufe)

– Das tun Sie alles nicht. Nehmen Sie es einfach hin, wenn einer von uns sich mal kümmert und sich da mal anderthalb Stunden reinsetzt!

(Jochen Ott [SPD]: Immerhin einer! – Michele Marsching [PIRATEN]: In den Ferien? – Stefan Zimkeit [SPD]: Anderthalb Stunden setzen Sie sich rein? – Zuruf von der SPD: Oh! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Dann sagen Ihnen nämlich die Lehrer: Wir hatten heute, weil Sie hier waren, eine Doppelbesetzung. Deshalb hat das gut funktioniert. Sie haben gemerkt, dass ein Kind etwas mehr Betreuung braucht. Da war es gut, dass die zweite Kraft da war. Dazu haben wir noch zwei Flüchtlingskinder, die heute nicht da waren, sondern nachher dazukamen. Aber der Normalzustand ist bei uns nicht so, dass die Doppelbesetzung da ist.

Deshalb sagen wir: Wir stehen zum Ziel der Inklusion. Aber wenn man sie macht und das Geld nicht hat, muss man jetzt einen Stopp einlegen. Man darf nicht weiter Förderschulen schließen, sondern muss das Ganze umsetzen, wenn die Möglichkeiten da sind. Aber Sie dürfen mit Ihrer Politik nicht Eltern, Kinder und Lehrer alleinlassen!

(Beifall von der CDU und der FDP – Michele Marsching [PIRATEN]: Nein! Man muss Geld in die Hand nehmen dafür, nichts anderes!)

Sie schwächen damit die Bildungschancen der Kinder mit Handicap. Sie schwächen die Bildungschancen der anderen Kinder. Sie überfordern die Lehrer.

(Marc Herter [SPD]: Das ist Ihre Ideologie! Genau die!)

Wenn Sie in den Schulen unterwegs sind, hören Sie das überall. Die SPD Steinfurt hat doch eine Veranstaltung gemacht, wenn ich mich recht erinnere, zu dem Thema „Was läuft bei der Inklusion schief?“

(Michael Hübner [SPD]: Genau!)

Sie dürfen hier nicht sagen, dass etwas schiefläuft. Die SPD in Steinfurt geht zu den Bürgern und fragt: Was läuft schief? – Die Bürger wissen, was schiefläuft.

Wir fordern ein Moratorium. Schließen Sie keine weiteren Förderschulen, ehe nicht die Grundbedingungen stimmen. Machen Sie es nicht mit der Brechstange, wie Frau Löhrmann es hier in diesem Land gemacht hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe jetzt an ein paar Beispielen deutlich gemacht, wo Sie seltsame Prioritäten setzen und wo wir andere Prioritäten setzen würden. Diesen Landtag hat vor einigen Wochen im Rahmen einer Regierungserklärung der Ministerpräsidentin der Bund-Länder-Finanzausgleich beschäftigt. Die Ministerpräsidentin hat hier an diesem Pult gesagt: Die Bürger unseres Landes können sich darauf verlassen, dass sie – die Ministerpräsidentin – in den Verhandlungen eine harte Position einnehmen wird im Hinblick auf die Frage, was gut für unser Land ist.

Dann gab es in der letzten Woche eine entscheidende Runde der Ministerpräsidenten zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Darin ging es um Hilfen für finanzschwache Kommunen und um den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende, der immer noch nicht gelöst ist. Ich lese in den Zeitungen, Frau Schwesig hat auch Probleme mit den SPD-Ministerpräsidenten. Aber, egal mit wem, es ist ein wichtiges Thema für unsere Kommunen. Es ging um die Bundesgelder für Schulbauten und um die Möglichkeit der Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen rund um die Autobahngesellschaft.

(Zuruf von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Das war eine hochwichtige Ministerpräsidentenkonferenz, die die Frau Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen Stunden vorher verlassen hat, um zu Maybrit Illner zu gehen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Zuruf von der SPD)

– Herr Mostofizadeh, da sage ich Ihnen etwas. Da können Sie den Kopf schütteln. Ich bin auch gerne einmal in einer Talkshow und diskutiere.

(Zurufe und Heiterkeit von der SPD)

– Jaja, jaja, keine Zweifel.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Keine Zweifel, Herr Mostofizadeh. Aber ich kann Ihnen eines versprechen: Wenn ich Ministerpräsident dieses Landes wäre

(Zurufe von der SPD)

und es um wichtige Interessen des Landes geht, würde ich keine Minute den Tisch verlassen, an dem um die Interessen des Landes verhandelt wird! Keine Sekunde!

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Jochen Ott [SPD]: Das kann ich verstehen! In der CDU muss man immer aufpassen!)

„Nie, nie Berlin“ ist ja in Ordnung. Aber nie, nie in Berlin für nordrhein-westfälsche Interessen zu kämpfen, Herrn Seehofer, Herrn Bouffier, Herrn Weil, Herrn Kretschmann alleine verhandeln zu lassen und dann Herrn Lersch-Mense, den wir alle schätzen, vier Stunden lang alleine dort sitzen zu lassen?! Bei aller Liebe: Da kann er so kompetent sein, wie er will. Da ist der persönliche Einsatz der Ministerpräsidentin gefragt, wenn es um die Interessen des Landes geht.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Die Verhandlungen gingen bis weit nach Mitternacht. Der Kollege Kämmerling und ich haben in der Zeit getwittert: Was hat die Ministerpräsidentin denn da eigentlich erzählt?

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

– Ich kann da nicht sitzen; ich bin kein Ministerpräsident. Ich wäre im Kanzleramt sitzengeblieben; das kann ich Ihnen sagen.

(Zurufe von der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

– Dann haben Sie die Meldungen über die Sendung Maybrit Illner.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Laschet, die Redezeit.

Armin Laschet (CDU): Parallel laufen die dpa-Ticker: Immer noch keine Einigung im Kanzleramt. – Und dann ist die Sendung zu Ende. Im Kanzleramt wird bis nach Mitternacht verhandelt, und sie fährt auch nicht an diesen Ort zurück.

Deshalb sage ich: Erstens war das eine falsche Prioritätensetzung.

Zweitens trifft das, was Sie bei Maybrit Illner gesagt haben, nicht die Realität im Land. Sie haben gesagt, Sie hätten die Nordafrikaner seit Jahren im Blick, Sie hätten das Antanzen seit Jahren im Blick. – Sie haben unsere Kollegen hier lächerlich gemacht, als wir über das Antanzen geredet haben!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben hier einmal ein Rückführungskonzept vorgelegt. Sie haben mich sehr dafür kritisiert, dass wir überhaupt über Rückführung gesprochen haben.

(Zuruf von der CDU: So ist das! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wie Sie darüber gesprochen haben! Das ist ein Unterschied!)

– Ja, darüber, wie ich darüber gesprochen habe, können wir reden. Aber ich frage Sie eines: Meine Sprache kennen Sie. Ist es ein angemessener Ton, wenn die Ministerpräsidentin in dieser Maybrit-Illner-Sendung sagt: „Ich will die loswerden, aber ich kann nicht“? – Man kann über Rückführung sprechen. Aber man kann das in einer Sprache tun, die nicht noch alles aufheizt, sondern die schlicht und einfach sagt: Asyl und Einwanderung sind zweierlei.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD: Oh! – Weitere Zurufe von der SPD)

Sie sagte weiter: Ich will die loswerden, aber ich kann nicht. Ich bekomme nur zwei in ein Flugzeug nach Marokko.

(Jochen Ott [SPD]: Peinlich, peinlich, Herr Laschet!)

Die größten Herkunftsländer bei uns sind aber Albanien, Kosovo, Serbien und Mazedonien. Da könnten Sie handeln. Aber Sie handeln nicht.

(Jochen Ott [SPD]: Da spricht keiner, der es kann!)

Sie verkaufen die Leute für dumm. Sie lehnen die Festlegung sicherer Herkunftsländer im Gegensatz zu Herrn Kretschmann und im Gegensatz zu den Grünen in Hessen ab. Sie reden, aber Sie tun nichts.

(Beifall von der CDU)

Deshalb sage ich Ihnen: Sie können gerne in diese Sendungen gehen. Sie brauchen auch nicht mehr im Kanzleramt zu sitzen. Bis Mai passieren dort ohnehin keine wichtigen Dinge mehr.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Lassen Sie es einfach sein mit der Politik! Ist schon okay! – Lachen und Zurufe von der SPD)

Ich sage Ihnen nur eines.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Unruhe von der SPD)

Ich sage Ihnen nur eines – das ist eine Lehre, die man sich vor Augen führen muss –: Wer in guten Zeiten zu „Wetten dass ..?“ geht – damals zu Markus Lanz und Cindy von Marzahn –, der landet in schlechten Zeiten in der „heute-show“. So ist leider die politische Lehre.

Ich möchte, dass dieses Land nicht dort landet.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das war jetzt der letzte Satz! Komm, Abgang! – Zurufe von der SPD)

Ich möchte nicht, dass sich die Menschen über Nordrhein-Westfalen lustig machen. Wir brauchen einen neuen Anfang.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ja, aber nicht mit Ihnen!)

Dieser Haushalt ist die Schlussbilanz für dieses Land. – Ich danke Ihnen.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Laschet hat – das hat er auch bemerkt – seine Redezeit um 4 Minuten und 14 Sekunden überzogen. Das bekommen natürlich auch alle anderen Fraktionen entsprechend an Redezeit dazu; sonst wäre es eine Ungleichbehandlung. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Römer das Wort.

Norbert Römer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Laschet, bevor ich Ihnen antworte, möchte ich Ihnen am Ende dieser Legislaturperiode durchaus meinen Respekt aussprechen, und zwar für Ihre Haltung in der Flüchtlings- und Integrationspolitik. Sie haben das zwar gerade in Ihrer Rede schamhaft verschwiegen, aber ich will das noch einmal herausstellen. Sie waren ja von Anfang an der festen Überzeugung, dass die Öffnung der Grenzen für Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen mussten, eine richtige Entscheidung war. Das eint uns, Herr Kollege Laschet.

Nicht alle Menschen werden bleiben können – das ist richtig –, aber diejenigen, die eine Bleibeperspektive haben, verdienen jetzt eine Chance auf Integration. Sie, Herr Kollege Laschet, werden nicht müde, dies zu betonen, und auch zu betonen, dass der Islam zu Nordrhein-Westfalen gehört. Religion allein ist kein Integrationshindernis – das ist auch meine Überzeugung, ebenso wie die Ihre.

Gleichwohl: Angesichts schmerzhafter Wahlniederlagen für unsere Parteien war die Versuchung groß, sich von der Politik der Bundesregierung zu distanzieren. Sie, Herr Kollege Laschet – ich will das ausdrücklich herausstellen –, haben dieser Versuchung widerstanden, andere allerdings nicht. Andere rückten die Bundeskanzlerin in die Nähe des DDR-Regimes, als sie ihre Flüchtlingspolitik eine „Herrschaft des Unrechts“ nannten. Wieder andere warfen ihr im schlimmsten Nazi-Jargon eine Umvolkung Deutschlands vor oder stellten flüchtende Menschen unter generellen Terrorverdacht, weil für sie die Unschuldsvermutung nicht gelten dürfe.

Das alles haben Sie nicht getan, Herr Laschet. Sie haben die Politik der Bundesregierung verteidigt. Ich weiß, das war nicht immer einfach, und es ist aller Ehren wert. Deshalb stelle ich das ausdrücklich heraus.

Jetzt allerdings versuchen Sie, diesen unangenehmen Konflikten dadurch zu entkommen, dass Sie bei jeder unpassenden Gelegenheit behaupten, es sei diese Landesregierung, auch die Ministerpräsidentin, die den Populismus fördere. Wissen Sie, wie sich das anhört, wenn Sie mit gespielter Empörung diesen abwegigen Vorwurf vortragen? – Verunsichert und hilflos – verunsichert und hilflos, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich weiß – Sie ja auch –, das hat mit dem Rechtsruck Ihrer Partei zu tun.

(Zurufe von der CDU)

Sie, Herr Kollege Laschet, sind ein Anhänger der doppelten Staatsbürgerschaft, genauso wie ich. Nur, Ihre Partei ist vor einer Woche zu den Gegnern übergelaufen. Jetzt müssen Sie aber Farbe bekennen, Herr Kollege Laschet. Wer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden will, darf doch in dieser wichtigen Frage nicht lavieren. Ducken Sie sich nicht weg!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Stehen Sie zu Ihrer Überzeugung! Zeigen Sie, ob Sie Führungsstärke haben! Ja oder nein, Herr Kollege Laschet!

(Zurufe)

Es ist doch ganz offensichtlich: Die Zwischenrufe beweisen das. Die Kluft zwischen Ihnen und der Mehrheit der NRW-CDU wird immer größer. Deshalb stehen Sie doch so unter Druck; deshalb ist Ihre Polemik so zügellos.

Bei keinem anderen Thema – ich will das noch einmal aufnehmen – haben Sie sich so sehr verrannt wie bei der inneren Sicherheit. Besonders abstoßend war ein Satz; den haben Sie zwar vorhin in Ihrer Rede nicht gesagt, Sie haben ihn aber öffentlich immer wieder wiederholt. Besonders abstoßend war der Satz: Die bayerische Polizei hätte die sexuellen Übergriffe der Silvesternacht nicht geduldet.

Das können Sie, Herr Kollege Laschet, selbstverständlich gar nicht wissen. Die bayerische Polizei ist froh, dass sie das gar nicht hat herausfinden müssen. Sie wollen uns – das ist uns doch klar – mit einem solchen Satz treffen. Aber merken Sie denn gar nicht, dass die Flugbahn Ihrer Vorwürfe mitten durch die Berufsehre der Polizei verläuft? Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist nicht schlechter als die Polizei in Bayern – sie ist mindestens genauso gut.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von Christian Möbius [CDU] und Holger Müller [CDU])

Sie hat aus den Vorfällen der Silvesternacht gelernt. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen verdient unser Vertrauen, auch das Vertrauen dieses Hauses, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im Übrigen: Die Polizei dieses Landes ist keine SPD-Polizei, sie ist auch keine rot-grüne Polizei, sondern sie ist die Polizei Nordrhein-Westfalens. Herr Kollege Laschet, damit ist sie auch Ihre Polizei! Und unsere Polizei kann auf große Erfolge verweisen bei der Verhinderung von Terroranschlägen, bei der Bekämpfung von Jugend- und Gewaltkriminalität und nicht zuletzt bei der Eindämmung von Gewalt und Diebstahl in Kriminalitätsbrennpunkten, wie zum Beispiel in Duisburg-Marxloh, und auch bei der Verhinderung von Wohnungseinbrüchen. So groß das Problem nach wie vor ist – das verschweigen wir doch gar nicht –, gibt es dennoch Erfolge.

Wir haben, Herr Kollege Laschet, in den vergangenen Jahren die Haushaltsmittel für die innere Sicherheit drastisch erhöht. Wir investieren massiv in die Ausstattung der Polizei und Justiz. Gut 30 Milliarden € sind zwischen 2010 und heute in Personal und Material für Sicherheit und Ordnung geflossen. Das ist fast doppelt so viel wie zur Regierungszeit von CDU und FDP, fast doppelt so viel!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: So ist das!)

Herr Kollege Laschet, daran will ich Sie erinnern: Sie saßen damals mit am Regierungstisch in der Regierung Rüttgers. Auch Sie haben zu verantworten, dass da jahrelang zu wenig Nachwuchs bei der Polizei eingestellt worden ist – zu wenig Nachwuchs, Herr Kollege Laschet!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir hingegen stellen so viele Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter ein wie nie zuvor – 2.000 jedes Jahr. Das, Herr Kollege Laschet, gehört zu den Kernaufgaben unseres Landes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der springende Punkt ist, dass die Opposition – vor allen Dingen die CDU – überhaupt nicht erklären kann, was sie denn anders oder besser machen würde. Fast alles, was Sie fordern, ist in Nordrhein-Westfalen doch schon längst Praxis; von der Videoüberwachung über den Einsatz intelligenter Software bis hin zu beschleunigten Gerichtsprozessen.

Herr Kollege Laschet – weil Sie es gerade noch mal herausgestellt haben: Gewiss kann man über den Nutzen der Schleierfahndung streiten, aber rechtfertigt das Ihren Auftritt hier? – Nein! Herr Kollege Laschet, Ihre Stimme ist laut, Ihre Wortwahl ist dramatisch, Ihre Vorwürfe sind maßlos, nur – und auch das ist gerade wieder deutlich geworden – Ihre Alternativen sind blass und begrenzt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das alles gilt auch für Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik. Mit jeder Rede, die Sie halten, wird Ihre düstere NRW-Erzählung noch eine Spur schauriger. Das Land stehe vor dem Untergang, und Hoffnung gebe es nur, weil die NRW-CDU fest entschlossen sei, das Tariftreue- und Vergabegesetz abzuschaffen und selbstverständlich auch den Blitzmarathon – Hoffnung für die Menschen.

(Heiterkeit von Christian Lindner [FDP])

Herr Kollege Laschet, wenn das die Geschichte ist, die Sie den Menschen im Wahlkampf erzählen wollen, dann sollten Sie stets auch betonen, dass Sie Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden wollen und nicht etwa von Molwanien.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Heiterkeit von der SPD)

Dann könnten Sie Missverständnisse vermeiden, Herr Kollege Laschet. Weil ich da gerade verständnislose Gesichter sehe: Sie können gerne googeln, was „Molwanien“ ist, damit der Herr Kollege Laschet diese Missverständnisse nicht mehr produziert.

Aber bleiben wir ernst. Es ist wahr, Herr Kollege Laschet – und da sind wir uns doch einig –, dass man Menschen nicht ernst nimmt, wenn man ihre Probleme leugnet. Wenn man jedoch das Land, in dem diese Menschen leben, wider besseres Wissen klein- und schlechtredet,

(Zurufe von der CDU)

dann ist das auch ein Täuschungsversuch zu taktischen Zwecken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Fortgesetzte Zurufe von der CDU)

Ich rede gerne über die Fakten und nenne sie jetzt mal. Während unserer Regierungszeit sind in Nordrhein-Westfalen 650.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze neu entstanden. Wir haben die Arbeitslosenquote auf den niedrigsten Stand seit 1993 gedrückt. Die Jugendarbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen ist heute auf einem historischen Tiefststand und die Beschäftigung insgesamt auf einem historischen Höchststand. Heute haben mehr als 6,5 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen einen regulären Job – so viele wie nie zuvor.

Herr Kollege Laschet, Nordrhein Westfalen erhält mehr ausländische Direktinvestitionen als Bayern und Baden-Württemberg zusammen.

(Christian Lindner [FDP]: Jetzt kommt das Thema wieder!)

In keinem anderen Flächenland ist der Breitbandausbau so weit fortgeschritten wie in Nordrhein Westfalen.

(Zurufe von der CDU)

Schon zum zweiten Mal in Folge hat die britische „Financial Times“ Nordrhein-Westfalen zu Europas Zukunftsregion Nummer eins gekürt. NRW punktet mit seinem innovativen Mittelstand und seiner starken Industrie. Hier gibt es die dichteste Hochschullandschaft Europas, ein duales Ausbildungssystem von Weltruf und mehr hochqualifizierte Fachkräfte als irgendwo sonst in Europa.

(Fortgesetzte Zurufe von der CDU)

– Das sind die Fakten, und die sind auch unwidersprochen. Nordrhein-Westfalen ist heute in einer besseren wirtschaftlichen Verfassung als am Ende der schwarz-gelben Regierungszeit, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Laschet, nur weil Sie schwarzmalen, fange ich nicht an, alles rosarot zu malen. Nordrhein-Westfalen ist ein Land großer ökonomischer und sozialer Unterschiede. Wir haben das immer wieder gesagt, und wir wissen es, da wir mitten in diesem Land leben. Boom-Regionen mit Vollbeschäftigung grenzen an strukturschwache Regionen, die gegen Langzeitarbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit zu kämpfen haben. Aussprechen, was ist, aber sich nicht mit den Dingen abfinden, so wie sie sind – das ist seit 153 Jahren die Politik meiner Partei.

(Beifall von der SPD)

Die Frage ist also nicht, ob es diese Probleme gibt – natürlich gibt es sie –, sondern vielmehr, wie man sie tatsächlich lösen kann: mit einer widerlegten Privat-vor-Staat-Ideologie oder mit den mutigen Investitionen eines modernen Sozial- und Innovationsstaates. Das ist die Frage.

Herr Kollege Laschet, wir wissen – und das ist hier im Haushalt nachzulesen –, dass ein erfolgreiches Wirtschaftsland mehr denn je ein Innovationsland sein muss. Deshalb investiert Nordrhein-Westfalen heute 40 % seines Haushalts in Bildung, Wissenschaft und Forschung, mit 1.100 € pro Einwohner.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mit 1.100 € pro Einwohner und Jahr liegen wir im Vergleich aller Bundesländer auf Platz zwei, knapp hinter Baden-Württemberg und vor Bayern. Insgesamt haben wir seit 2010 gut 200 Milliarden € für Kitas, Schulen und Universitäten ausgegeben. Herr Kollege Laschet, das ist mehr als das Doppelte von dem, was die abgewählte schwarz-gelbe Vorgängerregierung ausgegeben hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir investieren in die Mobilität von Menschen, von Gütern und von Daten. Bis 2030 werden über 13 Milliarden € in Straßen, Brücken, in Bahnstrecken und in Datenleitungen fließen. Schon 2026 soll Nordrhein-Westfalen über ein flächendeckendes Glasfasernetz verfügen.

(Lachen von der CDU und der FDP)

Mit 70 Hochschulen hat Nordrhein-Westfalen die dichteste Wissenschaftslandschaft Europas. Unsere Unternehmen – und darauf kommt es an – sollen noch stärker von diesem Standortvorteil profitieren. Deshalb machen wir Nordrhein-Westfalen zu einem Vorbild für regionale Innovationsnetzwerke. Sieben dieser Netzwerke gibt es hier bereits – im Übrigen nur hier und in keinem anderen Bundesland.

(Ministerin Svenja Schulze: Genau!)

So vernetzen wir Wirtschaft und Wissenschaft, damit besonders kleine und mittelständische Unternehmen aus neuen Technologien marktreife Produkte und Dienstleistungen entwickeln können. Wissenschaftliche Innovationen aus Nordrhein-Westfalen werden so noch schneller zu einer wirtschaftlichen Wertschöpfung in Nordrhein Westfalen führen. Auch darüber legt dieser Haushalt für das nächste Jahr beredt Zeugnis ab.

Wir nutzen die Energiewende als Fortschrittsmotor. Längst geht es nicht mehr um den Konkurrenzkampf zwischen erneuerbaren und konventionellen Energien; vielmehr geht es um eine intelligente Vernetzung aller Energiequellen, in der die erneuerbaren Energien eine dominierende und – ja klar – irgendwann die einzige Rolle spielen werden.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das habt ihr auch schon gemerkt?)

Nordrhein-Westfalen hat der Kohle – auch und besonders der Braunkohle – viel zu verdanken, und wir brauchen sie immer noch, mindestens noch 20, vielleicht sogar 30 Jahre.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Nein!)

Mit der Leitentscheidung zu Garzweiler II hat die rot-grüne Koalition für Planungssicherheit gesorgt. Die Braunkohle ist der Geleitschutz, den wir brauchen, um Nordrhein-Westfalen in die Zukunft einer klimaneutralen Energieversorgung zu führen. Wir sorgen dafür, dass das geht – bestens orientiert und sicher bis ans Ziel, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Eines der großen Probleme unseres Landes ist die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit in Großstädten, die der Strukturwandel gezeichnet hat. Ja, Herr Kollege Laschet, ich hätte von Ihnen dazu gerne einen Lösungsvorschlag gehört. Den haben Sie aber nicht gegeben.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Die Gründe für Langzeitarbeitslosigkeit sind mitnichten konjunkturelle Schwächen oder Wachstumsdellen. Verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit ist meist die Folge mangelnder Bildungsabschlüsse und mangelnder Berufsqualifikation.

Gleichzeitig droht unserer Wirtschaft ein Fachkräftemangel. Wir brauchen mehr Handwerker, Facharbeiter und Facharbeiterinnen, mehr Ingenieure. Genau hier setzt doch unsere vorbeugende Politik an. Bildungsarmut darf sich nicht mehr vererben, sie darf kein Grund für Fachkräftemangel sein. Deshalb spannen wir ein flächendeckendes Netz aus individuellen Unterstützungsleistungen und Förderangeboten für Kinder und ihre Familien.

Dabei geht es um frühkindliche Bildung, um Lese- und Sprachförderung, um Familienbegleitung und Schulsozialarbeit. Es geht auch um individuelle Betreuung und Beratung beim Übergang von der Schule in den Beruf. Das machen wir. Schauen Sie sich das an! Unser Projekt „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist derart erfolgreich, dass die Bundesagentur für Arbeit es nun auf das gesamte Bundesgebiet übertragen will. Es lohnt also, eine solch vorbeugende Politik zu machen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ja, wir stehen vor rasanten Veränderungen – wer wollte das bezweifeln? Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel sind passende Stichworte dafür. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen kennen Wandel. Sie haben keine Angst vor Veränderungen. Sie können Wandel auch. Sie wollen aber, dass es dabei gerecht zugeht. Und Gerechtigkeit beginnt immer mit Chancengleichheit – aber sie hört damit doch noch nicht auf!

Wem das Leben aus den Händen gleitet, verdient zweite und dritte Chancen – zum Beispiel auch durch einen sozialen Arbeitsmarkt. Gemeinnützige Aufgaben, die der Allgemeinheit zugutekommen, die bisher aber liegengeblieben sind, gibt es reichlich, genauso wie Menschen, über die der Strukturwandel hinweggegangen ist, die keine Chance mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Sie wollen aber dennoch etwas leisten, und sie können auch etwas leisten.

Ja, wir in Nordrhein-Westfalen gehen jetzt voran. Wir schaffen für 4.000 dieser Menschen neue Chancen – neue Chancen durch dauerhafte Beschäftigung auf einem sozialen Arbeitsmarkt. Auch das legen wir mit diesem Haushalt fest, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Laschet, da könnten Sie doch mithelfen. Jetzt allerdings muss der Bund endlich nachziehen, und Bundesfinanzminister Schäuble muss endlich seine ideologischen Bremsen lösen – um der Menschen Willen, die darauf warten, dass sie in Beschäftigung kommen. Das ist der entscheidende Punkt für den sozialen Arbeitsmarkt, damit er am besten flächendeckend ausgeweitet werden kann.

(Beifall von der SPD)

Jetzt habe ich vorhin bei der Rede des Kollegen Laschet darauf gewartet, dass er endlich einmal Alternativen aufzeigt. Was aber gab es? – Das alte Lied vom Bürokratieabbau; das haben Sie schon 2005 gesungen.

(Zuruf)

Hunderte von Regeln und Vorschriften – ich erinnere Sie noch einmal daran – wollten Sie damals abschaffen; ein fulminantes Streichkonzert sollte es geben. Und was haben Sie dann aufgeführt? Ein Konzert mit der Luftgitarre!

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das Ganze war eine Riesenpleite; denn an Bürokratie wurde so gut wie nichts abgebaut. Und jetzt geht es wieder von vorn los: Viele Sprechblasen, keine Substanz.

Das Gleiche gilt für Ihre Finanzpolitik. Nach sechs Jahren Rot-Grün befinden sich die Zukunftsinvestitionen des Landes für Bildung, Forschung, Kommunen und Infrastruktur auf Rekordniveau. Gleichzeitig ist es uns gelungen, die Neuverschuldung um mehr als 75 % zu senken.

(Zuruf von der CDU)

Dass Nordrhein-Westfalen die Neuverschuldung im Jahr 2020 auf null senken wird, bezweifelt niemand mehr – auch Sie nicht. Dennoch beklagt die Opposition mit grandios gespielter Empörung das noch bestehende Haushaltssoll.

Die „Rheinische Post“ hat Sie, Herr Kollege Laschet, in der letzten Woche gefragt, wo Sie denn was einsparen wollten. Als Antwort, Herr Kollege Laschet, haben Sie wieder ein Stück auf der Luftgitarre vorgespielt: irgendwie mehr Wachstum, irgendwie Bürokratie abbauen.

(Zuruf: Ach, kommt das jetzt?)

– Natürlich. – Das eine oder andere Klientelprogramm streichen. Den Journalisten der „Rheinischen Post“ – sie sind ja nicht verdächtig, schlecht über Sie und gut über uns zu schreiben – gingen diese Sprechblasen dermaßen auf die Nerven, dass sie immer und immer wieder nachsetzten. „Wo wollen Sie kürzen? Werden Sie doch mal konkret“, waren die Fragen und die Aufforderungen.

Und dann sagt Herr Laschet: Na ja, irgendwas wird sich nach der Wahl schon finden, was man einsparen könne. – Das ist entlarvend!

(Heiterkeit von der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo! Super! – Zuruf von Armin Laschet [CDU] – Weitere Zurufe)

Herr Kollege Laschet, Sie hätten ja auch sagen können – offen und ehrlich, wie Sie ab und zu mal sind –: Ich habe kein Konzept, keine Idee, keine Ahnung.

(Widerspruch von der CDU – Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Denn das ist doch die bittere Wahrheit über die NRW-CDU und über ihren Vorsitzenden: kein Konzept, keine Idee, keine Ahnung von diesem Land!

(Lebhafter Beifall von der SPD)

Bei Ihren Ausgabewünschen, meine Damen und Herren von der CDU, sieht es hingegen etwas anders aus. Es vergeht kaum ein Tag ohne Pressemitteilung, in der die CDU nicht höhere Ausgaben fordert – noch mehr Geld hier, noch mehr Personal dort.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Wie das finanziert werden soll, sagen Sie nicht. Sie wollen einfach nur mehr Geld ausgeben und gleichzeitig weniger.

Sehr geehrter Herr Kollege Laschet, wer immer auch die Rolle des Finanzministers in Ihrem sogenannten Schattenkabinett übernehmen muss – es wird ein Superschattenminister sein müssen, zuständig für Finanzen und Zauberei. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik besteht nur aus Überschriften, aus Phrasen, aus Floskeln – Bürokratieabbau, Fesseln lösen – und Klientelprogrammen. Sie verpacken Rhetorikhohlkörper und Wortleichen zu Wahlprogrammen, genauso wie einst Lehman Brothers Immobilienkredite zu Wertpapieren – leider auch mit der gleichen Bonität und Nachhaltigkeit.

Was Sie den Menschen in Nordrhein-Westfalen anbieten, Herr Kollege Laschet, ist nichts anderes als Subprime-Politik. Das Perfide der Subprime-Papiere war ja, dass hinter leeren Renditeversprechen enorme Risiken und Nachteile versteckt wurden, die niemand auf Anhieb erkennen sollte.

(Christian Lindner [FDP]: Die die WestLB eingekauft hat!)

Genau das werfe ich Ihnen vor, Herr Kollege Laschet. Sie verschleiern die wenig konkreten Pläne, die Sie tatsächlich haben, von denen Sie aber wissen, dass sie nicht mehrheitsfähig sind. Wenn wir über Bürokratieabbau sprechen, dann meinen wir schnellere Genehmigungsverfahren, bessere Planverfahren, die Vermeidung unnötiger Doppelungen und Warteschleifen.

Wenn Sie über Bürokratieabbau sprechen, dann meinen Sie in Wahrheit die Absenkung von Standards im Verbraucher-, im Umweltschutz, ein Ende der Frauenförderung und nicht zuletzt die Beschneidung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist Ihr Bürokratieabbau!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich dazu eine grundsätzliche Bemerkung machen: Wer heute immer noch glaubt, moderne Regeln für Umwelt- und Gewässerschutz seien eine Fessel für die Industrie, wer glaubt, Arbeitnehmerrechte seien ein Wachstumshindernis für den Mittelstand, der ist ja nur noch 1 cm von der Behauptung entfernt, öffentliche Gesundheitsfürsorge sei eine Wachstumsbremse für Bestattungsunternehmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Damit, Herr Kollege Laschet, ist an dieser Stelle alles Notwendige zu Ihrem ideologischen Unsinn gesagt.

Mit Ihrer Subprime-Politik bin ich aber noch nicht fertig. Sie sind ja fest entschlossen, die Gebührenbefreiung für das letzte Kitajahr wieder aufzuheben. Sie wollen Studiengebühren wieder einführen; ein Medizinstudium dürfe nicht länger gebührenfrei sein. Das haben Sie in der „Rheinischen Post“ gefordert.

(Michael Hübner [SPD]: Pfui!)

Wie viel Tausend Euro im Jahr soll es denn kosten? Das Doppelte eines Physikstudiums? Das Dreifache eines Germanistikstudiums? Wollen Sie an jedes Studienfach ein Preisschild heften? Werden Abiturienten und Abiturientinnen in Zukunft nachrechnen müssen, ob sich ihr Wunschfach lohnt, ob sie sich das überhaupt noch leisten können?

(Klaus Kaiser [CDU]: Geht es noch schwächer?)

Ich kann Ihnen schon mal sagen, Herr Kollege Laschet, was die Wiedereinführung der Kitagebühren für das letzte Kitajahr junge Eltern in Nordrhein-Westfalen kosten würde. Das wird teuer. Es geht – abhängig von Wohnort und Einkommen – um 2.000, 3.000, oft sogar um mehr als 4.000 € im Jahr.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Die können doch keine Immobilien kaufen!)

Ich spreche hier nicht von besserverdienenden Eltern, sondern von ganz normalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern: von Krankenschwestern, Maschinenführern oder Angestellten im öffentlichen Dienst.

(Christian Lindner [FDP]: Die zahlen doch keine 4.000 €!)

Wenn Sie wirklich glauben, Herr Kollege Laschet, dass diese Belastungen notwendig und richtig sind, dann seien Sie doch mutig. Dann sagen Sie das in aller Klarheit. Hören Sie auf, sich mit ein paar Nebensätzen über diese Fragen hinwegretten zu wollen.

Sie wollen doch Ministerpräsident werden, haben Sie vorhin erzählt. In diesem Amt, Herr Kollege Laschet, darf man nicht ängstlich sein. Beweisen Sie doch endlich, dass Sie die Führungsstärke haben, die man für dieses Amt braucht. Sagen Sie den Menschen in Nordrhein-Westfalen die Wahrheit: Mit wie viel Tausend Euro im Jahr wollen Sie Studierende und Eltern kleiner Kinder belasten? Sagen Sie das hier!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Gerade habe ich von der Präsidentin gehört, dass Sie Ihre Redezeit überschritten haben. Wenn da also nichts mehr übrig ist, dann gebe ich Ihnen etwas von meiner Zeit ab.

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Stellen Sie sich hierhin und schaffen Sie Klarheit! Dafür brauchen Sie nicht mehr als zwei Minuten, Herr Kollege Laschet. Ich gebe Ihnen vier. Kommen Sie her und sagen Sie das! Die Menschen warten darauf, endlich von Ihnen zu hören, was Sie wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lutz Lienenkämper [CDU]: Die Opposition freut sich, wenn Sie kürzer reden!)

Während Herr Laschet noch überlegt und zaudert, will ich Ihnen sagen, was wir für die Zukunft planen.

Zunächst einmal, klipp und klar: Das Studium bleibt gebührenfrei.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Aber auch junge Eltern, die in der Rushhour ihres Lebens stehen, verdienen Entlastung. Sie haben vorhin darüber gesprochen, dass sie auch Entlastung brauchen, um sich Eigentum anzuschaffen. – Ja. Deshalb, Herr Kollege Laschet, werden wir Eltern mit kleinen Kindern weiterhin von Kitagebühren entlasten.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Unser Ziel ist ein landesweit einheitliches Gebührensystem,

(Christian Möbius [CDU]: Grunderwerbsteuer!)

in dem die Kernzeiten der frühkindlichen Bildung gebührenfrei sind.

Den rasanten Ausbau von Betreuungsplätzen in den Kitas werden wir fortsetzen. Gleichzeitig investieren wir in die Qualität. Seit 2010 haben wir die Mittel für die frühkindliche Bildung verdoppelt. Schon heute gehört Nordrhein-Westfalen zu den Bundesländern mit den besten Betreuungsschlüsseln im U3-Bereich. Wir werden dafür sorgen – die Menschen können sich darauf verlassen –, dass das schon bald auch bei den über Dreijährigen der Fall sein wird.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Eine gute Kinderbetreuung muss es auch in der Schule geben. Seit 2010 haben wir 80.000 zusätzliche Plätze im offenen Ganztag geschaffen. Den Ausbau setzen wir fort.

Wir alle wissen, dass erfolgreiches Lernen auch intakte Schulgebäude mit einer modernen Ausstattung erfordert. Bis 2020 werden unseren Städten und Gemeinden zusätzliche Investitionsmittel – wir werden nachher die Entscheidung treffen – in Höhe von 2 Milliarden € zur Verfügung stehen.

Das sind 2 Milliarden € zusätzlich für die Erneuerung von Schulgebäuden, Klassenräumen, Toiletten, für die Modernisierung der naturwissenschaftlichen Ausstattung oder für den Ausbau des offenen Ganztags.

Zusammen mit den Mitteln der Schulpauschale summieren sich die Investitionshilfen des Landes damit auf mehr als 4 Milliarden € in den kommenden vier Jahren. Ich will es noch einmal herausstellen: Das Programm „Gute Schule 2020“ ist nicht nur das größte seiner Art in der Geschichte unseres Landes, es ist auch im Bundesländervergleich ohne Beispiel, weil wir es zu den Kernaufgaben unseres Landes erklärt haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Michele Marsching [PIRATEN]: Warum bringen Sie es dann erst in diesem Landeshaushalt, wenn es zu den Kernaufgaben gehört?)

Unser nächstes großes Schulprojekt wird die Reform des Gymnasiums sein.

(Christian Lindner [FDP]: Oh!)

– Es waren CDU und FDP, Herr Kollege Lindner, die im blinden Eifer trotz aller Warnungen eine Verkürzung der Sekundarstufe I durchdrückten.

(Christian Lindner [FDP]: Sieben Jahre sind Sie dran! – Eva Voigt-Küppers [SPD]: Die FDP hat am lautesten geschrien: Wir bleiben bei G8! – Gegenruf Christian Lindner [FDP])

Das Ergebnis war, dass die Verdichtung des Unterrichts in den Klassen 5 bis 9 gerade die jüngsten Schülerinnen und Schüler am stärksten belastet hat und – der Kardinalfehler – es nach der Sekundarstufe I keinen qualifizierten Abschluss gibt. Das ist der Kardinalfehler der schwarz-gelben Landesregierung, des schwarz-gelben G8. Daran wollen CDU und FDP bis heute nichts ändern. Deshalb ist doch die Empörung über Ihre Pläne bei Eltern- und Lehrerverbänden so groß. Zurecht ist die Empörung so groß, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Wir werden dieses Grundproblem beseitigen. Die Sekundarstufe I muss wieder sechs Jahre dauern, und sie muss vor allem einen qualifizierten Abschluss ermöglichen. Das brauchen die Kinder.

(Beifall von der SPD)

Alle Gymnasiasten werden dann entsprechend ihren Wünschen und Bedürfnissen wählen können, ob sie das Abitur nach zwölf oder nach 13 Jahren machen wollen. Denn eines dürfen wir nicht vergessen: Kindheit und Jugend sind keine Trainingslager für das Berufsleben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Es handelt sich um Lebensphasen, in denen jeder junge Mensch einen Schatz an Erfahrungen und Erinnerungen sammelt, der durch nichts, was später noch dazukommen mag, aufgewogen wird. In Zukunft wird jedes Kind an jeder Schule in jeder Schulform wieder genug Zeit haben. „Genug Zeit zu lernen und genug Zeit zu leben“, das ist unsere klare Botschaft an Eltern und Kinder in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Es gibt auch noch ein anderes Projekt, mit dem wir noch lange nicht fertig sind. Es ist unser Kampf gegen die internationale Steuerkriminalität. Kein Bundesland ist dabei erfolgreicher als Nordrhein-Westfalen. Das verdanken wir vorneweg unserem Finanzminister Norbert Walter-Borjans.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Gegen viele Anfeindungen – vor allen Dingen von der rechten Seite dieses Hauses – hat er, zielstrebig und hartnäckig wie er ist, für die Menschen in Nordrhein-Westfalen gut 3 Milliarden € von Steuerkriminellen zurückgeholt. Gut 3 Milliarden €, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

3 Milliarden €, die allen ehrlichen Bürgerinnen und Bürgern gestohlen wurden! Das muss man offen aussprechen: gestohlen wurden.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: So ist es!)

Die werden wir jetzt in bessere Kitas, gute Schulen und eine moderne Infrastruktur investieren können.

Ich sehe schon Ihre Reaktionen: Jetzt frieren auf der rechten Seite dieses Hauses wieder die Gesichtszüge ein. – Klar!

(Heiterkeit von der SPD)

Für CDU und FDP ist unsere Politik gegen Steuerkriminalität überflüssig bis falsch. Daraus haben sie nie einen Hehl gemacht.

(Christian Möbius [CDU]: Was?)

Ich habe aber bis heute nicht verstanden, warum eigentlich. Ich verstehe es wirklich nicht.

(Christian Möbius [CDU]: Sie haben erst die CD angekauft!)

Sie wollen Studierende und Eltern kleiner Kinder mit hohen Gebühren überziehen, wenn aber Millionäre und ihre Helfershelfer in Banken und Hegdefonds die Allgemeinheit um Milliardensummen betrügen, werden Sie plötzlich ganz kalt und erstarren in Tatenlosigkeit. Das passt nicht zusammen.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Sagen Sie doch was zur WestLB! – Gegenruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Der Kollege Laschet hat es vorhin schon gesagt: Die letzte große Haushaltsdebatte vor der Landtagswahl sollte auch eine Debatte über Alternativen sein. Stellen wir uns die Wahlkabine mal als eine Zeitmaschine vor, und sagen wir den Menschen in Nordrhein-Westfalen ganz deutlich: Wer den schwarz-gelben Knopf drücken würde, würde zehn Jahre in die Zeit der kalten „Privat vor Staat“-Ideologie zurückreisen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Arbeitnehmerrechte zählten dann nicht mehr viel – das kennen wir aus Ihrer Verantwortungszeit –,

(Zuruf von den PIRATEN: Was zählen sie jetzt?)

die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst würde wieder eingeschränkt, die Frauenförderung gelte als überflüssig, Kinderbetreuung oder ein Hochschulstudium wären Güter, die man sich leisten könnte – oder eben nicht.

(Christian Möbius [CDU]: So ein Blödsinn!)

Wer aber will, kann mit SPD und Grünen in die Zukunft aufbrechen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das ist mutig! – Weitere Zurufe)

Wir stehen für eine Zukunft, in der Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich und technologisch zur Spitzengruppe der Welt gehört,

(Henning Höne [FDP]: Kabarettauftritt!)

auch weil es immer noch das Land der Mitbestimmung und der Sozialpartnerschaft ist. Das ist entscheidend für die Zukunft.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Möbius [CDU]: Mit der Rede können Sie sich bei der heute-show bewerben!)

Wir wollen eine starke öffentliche Hand, die Arbeitnehmerrechte schützt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert. Junge Eltern werden von Gebühren entlastet und ihre Kinder individuell vom Kindergarten bis zum Berufseinstieg gefördert.

(Henning Höne [FDP]: Schlusslicht bundesweit – so sieht Ihre Erfolgsbewertung aus!)

Wir stehen – das sage ich vor allen Dingen an die Adresse einiger in der CDU – für das alte Versprechen der christlichen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegung, das Versprechen der Solidarität: Du bist nicht allein!

(Beifall von der SPD)

Ja, klare Ansage: Ein Rückfall in die Zeit der kalten „Privat vor Staat“-Ideologie wäre schlecht für Nordrhein-Westfalen – sogar sehr schlecht.

(Zurufe von der CDU)

Aber schlimm wäre es, meine Damen und Herren, sollten jene Kräfte stark werden, die unser Land in das gesellschaftliche Klima der späten Weimarer Republik stürzen wollen. Das darf denen nicht gelingen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich Thomas Purwin, den SPD-Vorsitzenden in Bocholt, grüßen.

(Lebhafter Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Rechtsradikale haben ihn und seine Familie so stark bedroht, dass er sich genötigt sieht, sein kommunalpolitisches Engagement zu beenden. Er hat viele Solidaritätsbekundungen – auch aus diesem Haus – bekommen. Das tut ihm gut; das tut seiner Familie gut. Er soll wissen, dass wir ihm für alles, was er für seine Stadt geleistet hat, danken.

Wir werden auch nicht vergessen, was ihm und seiner Familie angetan wurde, und versprechen ihm, alles zu tun, um anderen ein solches Schicksal zu ersparen. Wir in Nordrhein-Westfalen – meine Damen und Herren, da bin ich sicher und zuversichtlich – werden beweisen, dass die offene Gesellschaft und ihr Sozialstaat stärker, gerechter und erfolgreicher sind, als alles, was ihre Feinde zu bieten haben.

(Lebhafter Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Niemand, meine Damen und Herren, verkörpert das starke, gerechte, weltoffene Nordrhein-Westfalen besser als unsere Ministerpräsidentin. Ich freue mich auf den Frühsommer 2017. Ich freue mich auf den Tag, an dem die Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Hannelore Kraft zum dritten Mal zur Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen wählen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Ich freue mich mit ganz vielen Menschen in Nordrhein-Westfalen auf diesen Tag, weil er, meine Damen und Herren, wieder ein sehr guter Tag für unser Land, für die Menschen in unserem Land werden wird. – Vielen Dank fürs Zuhören. Glück auf für unser Land!

(Langanhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Norbert Römer hat gegen Ende seiner Rede einen Appell an uns alle gerichtet, für den er den Beifall des gesamten Hauses bekommen hat. Gewalt und Einschüchterung dürfen keine Mittel der demokratischen Auseinandersetzung in Deutschland sein.

(Beifall von allen Fraktionen und von der Regierungsbank)

Wir können, wir sollen, ja wir müssen uns auch mit Härte auseinandersetzen. Es gehört zum Wesen der Demokratie, der freien Wahlentscheidung, dass es überhaupt Wahlalternativen gibt, die klar herausgearbeitet werden. Aber wir wollen in Deutschland keine politische Kultur der Verrohung, bei der es nicht um Profile für politische Positionen geht, sondern am Ende um die Vernichtung des politischen Gegners. Das können wir nicht wollen.

(Beifall von allen Fraktionen)

Obwohl ich gleich keine Samthandschuhe anziehen will, will ich zu Beginn meiner Rede nach Ihrem Schlussappell, Herr Kollege Römer, mein Angebot vom gestrigen Tag, das die SPD auf Bundesebene für den Bundestagswahlkampf ebenfalls öffentlich geäußert hat, wiederholen: ein Fairnessabkommen zu treffen, bei dem es zwar darum geht, unterschiedliche Positionen und unterschiedliche Werte gegeneinanderzustellen, damit die Menschen entscheiden können, wem sie eher vertrauen, aber auf persönliche Verunglimpfung, Lüge und Demagogie zu verzichten.

All diejenigen, die sich daran nicht beteiligen werden, geben den Wählerinnen und Wählern bereits einen Hinweis, dass sie nichts Gutes im Schilde führen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Herr Römer, ich schätze Sie als einen Mann, der weiß, was im Lande vorgeht. Sie haben auch unseren kollegialen Respekt. Aus diesem Grund habe ich sehr aufmerksam zugehört, was Sie heute vorgetragen haben. Sie haben Nordrhein-Westfalen in wirklich beeindruckenden, schillernden Farben dargestellt. An einer Stelle sprachen Sie von einer weltweiten Spitzengruppe, der wir angehören würden. Von Helmut Schmidt stammt der Satz: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.

(Vereinzelt Heiterkeit von der CDU)

Ich muss Ihnen sagen: Wenn manche geglaubt haben, es gebe in der Sozialdemokratie einen Mangel an Visionen, so haben Sie diese Kritiker eines Besseren belehrt. Denn Sie haben tatsächlich eine visionäre Rede gehalten.

Bedauerlicherweise haben sich die Visionen nicht auf die Zukunft, sondern auf die Wahrnehmung der Gegenwart konzentriert, verehrter Kollege Römer.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Denn so, wie Sie es dargestellt haben, sehen wir es nicht. Wie haben Sie gerade – mit Blick auf die auch von uns geteilten Vorschläge, Studienbeiträge wieder einzuführen – versucht, Armin Laschet hier vorzuführen. Sie haben das dargestellt, als sei es eine große zivilisatorische Errungenschaft von Grünen und Sozialdemokraten gewesen, auf die Studienbeiträge zu verzichten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zugleich haben Sie die Bedeutung von Bildung und Innovation – als Voraussetzung für Wachstum und auch individuellen Wohlstand – für die Zukunft des Landes Nordrhein-Westfalen hervorgehoben. Wie passt das zusammen?

(Zuruf von der FDP: Natürlich gut!)

Seit 2010 müssen die Professorinnen und Professoren an den Hochschulen wesentlich mehr Studierende betreuen. Waren es 2010 an der Universität zu Köln noch gut 85 Studierende pro Professor, so sind es jetzt bald 100. Die AOK kommt in einer bundesweiten Vergleichsstudie deshalb zum Ergebnis: Nirgendwo sonst in Deutschland ist Studieren so stressig wie in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben die Studienbeiträge abgeschafft, aber gezahlt dafür haben die jungen Menschen selbst, nämlich durch ein schlechteres und stressigeres Studium. Und dafür erwarten Sie noch Dank!

(Beifall von der FDP und der CDU – Widerspruch von der SPD)

Genau diese konzeptionellen Alternativen werden wir im nächsten Jahr ja diskutieren.

(Michael Hübner [SPD]: Genau!)

Das werden wir beispielsweise auch bei der Frage der Gebührenfreiheit von Kindertageseinrichtungen machen. Da sind ja übrigens Grüne und Sozialdemokraten, wenn ich die Wahlprogramme richtig wahrgenommen habe, gar nicht einer Meinung.

Ich sage Ihnen: Ja, das Ziel des gebührenfreien Kitabesuches wird auch von uns geteilt. Dabei geht es nicht um eine Entlastung von Gering- und Normalverdienern, sondern um eine Entlastung von Familien mit gutem Einkommen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Doch, Herr Zimkeit. Denn die Elternbeiträge müssen nämlich nach der bundesgesetzlichen Rechtsgrundlage nach Leistungsfähigkeit gestaffelt sein. – Im Unterschied zu Ihnen haben wir aber kein Problem damit, zu sagen: Ja, auch die Familie des Ingenieurs wollen wir gerne entlasten.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Es ist doch nicht ungewöhnlich, dass Sie die Großverdiener entlasten!)

Deshalb ist das Ziel der Gebührenfreiheit der Kitas für uns auch eine Vision. Wir leben aber eben nicht im Paradies, sondern wir müssen uns zwischen unterschiedlichen Prioritäten entscheiden.

In der „Rheinischen Post“ stand heute etwas bezüglich des Aufholbedarfs bei der U3-Betreuung. Weil wir sehen, was qualitativ hinsichtlich der Bildung vor der Einschulung – auch zum Beispiel im Bereich der Sprachförderung – bei uns noch getan werden muss, sagen wir den Bürgerinnen und Bürgern: Ja, auch wir teilen das Ziel der Gebührenfreiheit des Kitabesuchs. Als Allererstes aber wollen wir die Qualität für eure Kinder besser machen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Erst das eine, dann das andere.

Über die Wahrnehmung der Gegenwart werden wir im nächsten Frühjahr sprechen. Da gibt es Unterschiede. Das zeigt sich auch an ganz grundlegenden Zahlen und Zielen.

So hat die Frau Ministerpräsidentin in einem Interview mit dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“ vor einigen Wochen gesagt, in Nordrhein-Westfalen werde der Schuldenabbau nicht vernachlässigt. – Wenn man die nüchternen Zahlen sieht, Frau Ministerpräsidentin, muss man eine politische Wahlverwandtschaft mit Alexis Tsipras annehmen.

Auf der Homepage der Grünen – ich zitiere – heißt es:

„Wir stehen in der Verantwortung, unseren Kindern und Enkelkindern keinen Schuldenberg zu hinterlassen.“

Tatsache ist, dass seit 2010 19 Milliarden € zusätzlich auf genau diesen Schuldenberg draufgeschüttet worden sind. Schuldenstand: 143 Milliarden €! Das ist die Schlussbilanz des Kabinetts Kraftikakis!

(Beifall von der FDP)

Griechische Verhältnisse am Rhein! Keine Rede von Schuldenabbau!

Wir haben Rekordeinnahmen von bald 55 Milliarden €. Vor allen Dingen haben wir ein historisch tiefes Zinsniveau. Zu meinen Lebzeiten werden die folgenden makroökonomischen Bedingungen nicht mehr zusammenkommen: niedriger Zins, künstlich niedriger Außenwert des Euro, Babyboomer alle noch voll im Erwerbsleben und günstige Rohstoffpreise. Diese makroökonomischen Faktoren werden – allein aufgrund des demografischen Wandels – nicht mehr in dieser Weise zusammenkommen.

Trotzdem machen Sie noch 1,6 Milliarden € neue Schulden.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ja, viel zu wenig bei genau den Rahmenbedingungen!)

Dann kommt noch die versteckte Kreditaufnahme dazu: Das bringt 300 Millionen € in die Landeskasse, die Sie weniger für den BLB ausgeben müssen. Die versteckte Kreditaufnahme durch die NRW.BANK bringt 500 Millionen € an Entlastung für den Landeshaushalt. Und die geschröpften Zuführungen für die Pensionsvorsorge machen 600 Millionen € aus. Da hinten sitzt Frau Dr. Mandt vom Landesrechnungshof, die das kritisiert hat. Insgesamt ist das Defizit Ihrer Politik also eigentlich um 1,4 Milliarden € höher, als Sie angeben. Das zeigt das Risiko auf.

Jetzt deutet sich eine Zinswende in den Vereinigten Staaten an. Sie wird zu uns kommen. Das DIW sagt: Die prosperierend steigenden Staatseinnahmen sind kein Naturgesetz, das ist keine Garantie auf Dauer.

Und trotz dieses einmaligen Umfeldes gelingt es Ihnen nicht, auf Neuverschuldung zu verzichten. Vielmehr müssen Sie auch noch Bilanzkosmetik machen. Das zeigt eines: Nicht in schlechten Zeiten ruiniert man den Haushalt, sondern in den guten, in den Boomzeiten ruiniert man ihn, weil nicht hinreichend Vorsorge getroffen wird. Für diese politische Weisheit sind Sie das Schulbeispiel!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir brauchen jetzt einen Politikwechsel. Die notorische Wachstumsschwäche des Landes muss angegangen werden. Es müssen bürokratische Bremsen gelöst werden. Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren und, was diese betrifft, handlungsfähig gemacht werden. Vor allen Dingen muss diesem Land wieder Lust auf Leistung und Innovation gemacht werden. Dann hat es eine Zukunft.

Seit der ersten Lesung des Haushalts ist Ihre Bilanz nicht besser geworden – im Gegenteil! Zahlreiche Analysen und Studien haben unsere Sorgen und Bedenken, dass Nordrhein-Westfalen unter rot-grüner Verantwortung abgehängt ist, bestätigt. In einer Vergleichsstudie des „FOCUS“ liegen die nordrhein-westfälischen Städte ganz hinten; denn das Insolvenzrisiko ist insbesondere hier an Rhein und Ruhr am höchsten.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Bitte, was sagen Sie, Frau Ministerpräsidentin?

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Ja, wir haben hier eine lebendige Debatte. Sie können sich ja auch an mich wenden, statt an Ihre Beamten. Ich kann im Unterschied zu Ihren Beamten auch widersprechen. Ihre Beamten dürfen das ja nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat Defizite offengelegt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben ein tolles Beamtenverständnis!)

Dann spricht die Landesregierung in Gestalt von Herrn Duin davon, dass sei alles ein Zerrbild. Während die Menschen hier im Land Anschluss verlieren und den Menschen Chancen genommen werden, sprechen Sie von einem Zerrbild. Ganz konkret sagen die Zahlen etwas anderes. Die Kaufkraft der Menschen in Nordrhein-Westfalen liegt unter dem Bundesdurchschnitt. Und das ist das Ergebnis der Wachstumsschwäche des Landes Nordrhein-Westfalen.

Sie versuchen seit geraumer Zeit, Frau Kraft, Herr Duin, eine Charmeoffensive gegenüber der Wirtschaft. Fakt ist aber: Im Regierungshandeln hat diese Regierung seit 2010 wirklich alles getan, um Unternehmer und Unternehmen abzuschrecken – alles.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ob Tariftreue- und Vergabegesetz – Herr Römer, das ist doch ein Symbol, übrigens ein Symbol, unter dem auch selbst die kommunale Verwaltung leidet – oder Landeswassergesetz oder

(Stefan Zimkeit [SPD]: Tariftreue ist ein Symbol!)

Landesentwicklungsplan: Dieses Land hat sich in den grünen Lianen eines Paragrafendschungels verfangen. Und daraus muss dieses Land wieder befreit werden. Das ist die Aufgabe.

(Beifall von der FDP)

Wir verkennen nicht, dass wesentliche Stellschrauben für die wirtschaftliche Entwicklung Nordrhein-Westfalens in Berlin gedreht werden. Wesentliche Stellschrauben für die Entwicklung dieses Landes werden in Berlin gedreht, etwa für die Energiepolitik, die das Energieland Nordrhein-Westfalen offensichtlich geschwächt hat.

Diese Landesregierung, Ihre Landesregierung, Frau Ministerpräsidentin, hat zu Anfang der Legislaturperiode angekündigt, dass sie einen Masterplan Energiewende vorlegen wollte. Darauf warten wir bis heute. Dem ist nichts gefolgt – im Gegenteil. Jetzt will der Bundesminister für Wirtschaft bundesweit die Netzentgelte vereinheitlichen. Das bedeutet wieder 500 Millionen € Belastung für Mittelstand und Industrie in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von Armin Laschet [CDU])

Wo ist die Stimme dieses Landes in Berlin, um das zu verhindern? Wo ist die?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Steuer- und Abgabenpolitik des Bundes nimmt den Menschen Raum für Vorsorge und Investitionen, Herr Römer. Wenn Sie etwas für die Klein- und Geringverdiener tun wollen: Es ist nicht der Kitabeitrag. Der ist sozial gestaffelt. Da zahlt keine Krankenschwester 4.000 €. Wenn Sie für die etwas tun wollen, dann sorgen Sie dafür, dass die Pläne von Frau Nahles, dass die Rentenversicherung bald 25 % Beitrag erfordert, aus dem Verkehr gezogen werden. Da können Sie etwas tun für die Menschen mit kleinem Einkommen.

(Beifall von der FDP)

Nichts und keine Initiative aus Düsseldorf – im Gegenteil! Diese Landesregierung hat die Lage noch verschärft, zum Beispiel durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer.

Frau Ministerpräsidentin, Sie beklagen die Zuwanderungspolitik des Bundes jüngst wieder hinsichtlich der Möglichkeiten der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern. Ihre Landesregierung ist aber offensichtlich gegenüber dem Bundesminister des Inneren so einflusslos, dass es immer noch keine tragfähigen Rückführungsabkommen in den Maghreb-Raum gibt. Das ist doch auch Ihre Bundesregierung.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie die kritisieren, dann ist das auch die von Ihnen mitgetragene Regierung. Also tun Sie da etwas!

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Es gibt da Zuständigkeiten!)

Tun Sie dafür etwas. Offensichtlich hat Ihr Wort da kein Gewicht.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ach so!)

Wie schlimm ist das? Sich integrierende Familien werden wir bald wieder abschieben, aber die Kriminellen werden wir nicht los, weil wir immer noch kein modernes Einwanderungsgesetz haben. Wo ist der NRW-Entwurf eines modernen Einwanderungsgesetzes, das diesen Irrsinn beendet?

(Beifall von der FDP – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Da schüttelt die Ministerpräsidentin mal wieder so den Kopf: Diese Opposition, was fordert die denn? Nehmen Sie sich ein Beispiel an Bayern, aber mit umgekehrten Vorzeichen! Die Bayern sind in der Debatte voll präsent und treiben die Bundesregierung, leider zu oft auch in die falsche Richtung. Machen Sie sich die zum Vorbild, aber beanspruchen Sie die Meinungsführerschaft in progressiver, in moderner Hinsicht und hören Sie auf zu lachen, sondern handeln Sie endlich in dieser Frage!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das erwarten die Menschen von Ihnen.

Im Ruhrgebiet gehen Ihnen doch Ihre eigenen Leute von der Fahne, weil sie das Gefühl haben, dass Sie genau diese Fragen von Einwanderung und Zuwanderung und Rechtstaatlichkeit nicht ernst nehmen. Sie lachen hier, Sie gehen in Fernsehsendungen, aber Sie ergreifen keine tragfähige Initiative, um die Probleme zu lösen. Mit Ihren Lichterketten kriegt man die Rechtspopulisten nicht klein. Die kriegt man nur klein mit Problemlösungen. Machen Sie das!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es ist nicht nur Oppositionsgeblök, wie Sie gleich sagen werden. Selbst Wissenschaftler attestieren Ihnen doch, dass Nordrhein-Westfalen bundespolitisch an Gewicht verloren hat.

Seit Jahren – Zitat – lasse Nordrhein-Westfalen wichtige Impulse für die Bundespolitik vermissen, etwa in Form von innovativen Gesetzesvorlagen für den Bundesrat. – So Karl-Rudolf Korte und Ulrich von Alemann. Weil die rot-grüne Regierung nicht groß denkt, macht sie unser Land systematisch klein und kann die Interessen dieses größten Bundeslandes in Berlin nicht durchsetzen.

Und um das zu verdecken, kommt es dann zu Übersprungshandlungen wie neulich bei der Veranstaltung in Düsseldorf, als die Ministerpräsidentin sagte, dass sie in die Geheimnisse der Geschichte eingeweiht sei und wisse, wer der nächste SPD-Kanzlerkandidat wird. Das haben Sie ja getan. Das finde ich bemerkenswert.

Wenn Sie es wissen, sagen Sie es bitte! Wer wird es denn? Wenn Sie es nicht tun, dann täuschen Sie die Menschen und führen Sie an der Nase herum, ja. Ich verstehe das ja.

(Beifall von der FDP)

Da will man einmal zeigen, dass man in der SPD auch ganz vorne mit entscheidet, dann rutscht einem das so raus. Bedauerlicherweise ist das dann keine vertrauliche Veranstaltung, sondern eine öffentliche. Und so etwas wird dann aufgeschrieben. Da wird man mit konfrontiert.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Das ist Ihnen nicht rausgerutscht? Das heißt, Sie haben sogar wissentlich gesagt, Sie wüssten, wer der Kanzlerkandidat ist, und teilen es der Öffentlichkeit nicht mit.

(Karlheinz Busen [FDP]: Das ist ja unglaublich!)

Was machen Sie da für eine Scharade? Was ist das für eine Scharade, Frau Kraft? Das wüsste ich schon gern.

(Beifall von der FDP und der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Die Scharade ist, für den Landtag und für den Bundestag gleichzeitig zu kandidieren, Herr Lindner! Das ist Scharade!)

Sie konzentrieren Ihren Einfluss – Armin Laschet hat es vorhin bereits angesprochen – auf die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs, um aus der Position eines Nehmerlandes in die eines Geberlandes zu wechseln. Wie intensiv Sie dieses Thema vorantreiben, hat Armin Laschet hier bereits dargelegt. Inzwischen wissen wir aber, dass Sie Ihr Prestigevorhaben offensichtlich nicht umgesetzt haben; denn nach allen Prognoserechnungen wird Nordrhein-Westfalen ein Nehmerland bleiben.

Wo sind Ihre innovativen Vorschläge, etwa, dafür zu sorgen, dass Nordrhein-Westfalen flächendeckend eine vernünftige Breitbandinfrastruktur bekommt, und zwar nicht erst 2026, in zehn Jahren? Vor zehn Jahren gab es noch kein iPhone, und Sie sagen: In zehn Jahren wollen wir europäischer Durchschnitt sein.

(Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Schon heute haben 40 % der Bevölkerung Schwedens Zugang zum Glasfasernetz. Wo bleibt ein innovativer Vorschlag von Ihnen?

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das ist doch super, wenn er unsere Position in seiner Rede bringt!)

Ich mache einen für Sie: Soll doch der Bund die Beteiligung an der Deutschen Post AG verkaufen und das Geld exklusiv für einen Innovationsfonds im Bereich Glasfaserausbau im ländlichen Raum zur Verfügung stellen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Diesen Vorschlag könnten Sie doch einmal machen. Aber von Ihnen kommt nichts.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist ja eine super Idee! Tolle Idee! – Michele Marsching [PIRATEN]: Gut zugehört, Herr Lindner! Immerhin einer!)

Zu den wenigen, wirklich an einer Hand abzuzählenden innovativen Vorschlägen aus Nordrhein-Westfalen gehören die Hygieneampel von Herrn Minister Remmel und das Unternehmensstrafrecht von Herrn Minister Kutschaty. Das ist doch symptomatisch. Wenn aus NRW neue Ideen kommen, dann taucht darin die Wirtschaft nur in Form von Kriminellen, Halsabschneidern und Betrügern auf. Da muss man sich nicht wundern, wenn ein Bogen um Nordrhein-Westfalen gemacht wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist doch so. Zur Fairness

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

gehört allerdings, auch positive Entwicklungen zu würdigen. Deshalb möchte ich hier auch durchaus positive Entwicklungen benennen.

Der Wirtschaftsminister hat industriepolitische Leitlinien vorgestellt, die in ihrer strategischen Richtung unsere Zustimmung gefunden haben. Es gab einen großen Bahnhof, auch mit Gerhard Schröder, allerdings offenbar keinen Kabinettsbeschluss. Etwas irritierend ist auch, dass die Ministerpräsidentin im Rahmen der 125-Jahr-Feier des Chemiewerks am Rhein gesagt hat, dass die Leitlinien nur Fortschreibung des Leitsatzes der Landesregierung seit 2010 seien.

Wie muss man das dann werten? Hat sich die Landesregierung sechs Jahre nicht an ihre eigenen Leitlinien gehalten, oder ist das, was Herr Duin vorgestellt hat, alter Wein in neuen Schläuchen, also ein PR-Gag, oder versucht die Ministerpräsidentin einen Konflikt in ihrer Regierung zu überdecken?

Ein zweites großes Manöver ist natürlich das Bündnis für den Infrastrukturausbau, um die Durchgrünung in diesem Feld zu überwinden. – Aha! Das begrüßen wir natürlich auch sehr, Herr Minister Groschek.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielleicht hat man jetzt auch ein Gefühl dafür, warum es bei den industriepolitischen Leitlinien keinen Kabinettsbeschluss gegeben hat;

(Michele Marsching [PIRATEN]: Einmal einen falschen Satz gesagt! Den wird man nie wieder los!)

denn die Grünen sprechen beim Bündnis für den Infrastrukturausbau öffentlich davon, das sei Verschwendung von Steuermitteln.

Das zeigt: Diese Initiativen sind kein Regierungshandeln, sondern nur SPD-Wahlkampf gegen die Grünen, und zwar dieserlei: Die Fliehkräfte nehmen zu. Während die grüne Spitzenkandidatin und Schulministerin ein Konzept für G8 und G9 vorlegt, lästert man in der SPD über das – Zitat – „schulpolitische Phantasialand“ und eine „Wünsch-Dir-was-Pädagogik“.

Herr Römer, Sie haben hier gerade ebenfalls eine Reform des Gymnasiums angekündigt. Es ist bemerkenswert, dass Ihnen nach fast sieben Jahren Regierungsverantwortung auffällt, dass dort irgendetwas im Argen liegt.

(Heiterkeit bei der FDP)

Das Hauptproblem dafür sitzt übrigens auf der Regierungsbank, und das, was im Argen liegt, ist die massive Vernachlässigung der Schulform Gymnasium.

(Beifall von der FDP und der CDU – Hans-Willi Körfges [SPD]: Das haben wir von Anfang an gesagt, Herr Lindner! – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ihre Reform des Gymnasiums sollte ihren Ausgangspunkt mit der Reform der Regierungsbank nehmen. Damit wäre das wesentliche Problem in diesem Feld möglicherweise schneller gelöst als gedacht.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Genau, dann lasst ihr alles bei G8, und dann ist das super!)

Aber ich warne Sie beide, Sozialdemokraten und Grüne, vor den Modellen, die Sie vorgelegt haben; denn in Nordrhein-Westfalen gibt es Schulen, die aus unterschiedlichen Gründen mit G8 ein Problem haben. Es gibt regionale Unterschiede, ein schlechtes Management, schlechte Rahmenbedingungen.

(Dietmar Bell [SPD]: Hört, hört!)

Es gibt aber auch Schulen, die kein Problem mit G8 haben, bei denen G8 funktioniert. Die wollen nicht zurück zu G9. Bei allem, was Sozialdemokraten und Grüne gleichermaßen – so widersprüchlich es auch sein mag, was SPD und Grüne wollen – vorgelegt haben, in einem Punkt sind sie sich einig: Sie bringen in jedes Gymnasium wieder Chaos und Unruhe. Wir hingegen wollen die Wahlfreiheit an den Schulen haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Keine Schule soll gegen ihren Willen ins Chaos gestoßen werden.

(Michele Marsching [PIRATEN]: So macht man sich Freunde!)

Aber die Fliehkräfte wirken weiter. Während die SPD den Bundesverkehrswegeplan aus Berlin bejubelt und diesen in Berlin mit verabschiedet hat, halten die Grünen ihn für – Zitat – „nicht zukunftsfähig“ und wollen ihn in der nächsten Legislaturperiode im Bund wieder aufschnüren.

Während die SPD auf Industriepartei macht und die Leitentscheidung für Garzweiler heute in Form des Wortes „Geleitschutz“ durch Herrn Römer hervorhebt – Herr Römer, das war Ihr Wort; Sie haben die Leitentscheidung für Garzweiler als Geleitschutz für die Energiewende bezeichnet –, untergraben die Grünen das mit ihren Wahlprogrammen, nämlich im Bund mit dem Kohleausstieg schon im Jahr 2025 und hier im Land in 2037. Das heißt, die Verabredung, die Sie hier loben, wird in Wahlprogrammen längst wieder infrage gestellt.

Während die SPD eine zu Recht härtere Gangart im Umgang mit nordafrikanischen Staaten fordert, sprechen die Grünen von Populismus. Während die Grünen ihre ideologische Genderpolitik bis über die Grenze der Verfassungswidrigkeit hinaus beim neuen Dienstrechtsgesetz durchsetzen, winken die Minister Jäger und Walter-Borjans noch schnell massenhaft Beförderungen vor dem Inkrafttreten durch und zeigen damit eindrucksvoll, was sie von ihrer eigenen Regierungspolitik halten.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Während sich die SPD-Vorsitzende Kraft bei jeder sich bietenden Gelegenheit von der Linkspartei und rot-rot-grünen Phantasien abgrenzen will, zeigen sich die Grünen bei jeder Gelegenheit explizit offen für Gespräche nach der Landtagswahl. Das zeigt eines: Die SPD kann das als richtig Erkannte nicht mehr durchsetzen. Im siebten Jahr ihrer Regierung haben sich die Gemeinsamkeiten erschöpft. Deshalb muss diese Regierung im Interesse des Landes abgelöst werden.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Kollege Römer, Sie haben ja eben Armin Laschet kritisiert.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Gegenruf von Michele Marsching [PIRATEN]: Herr Zimkeit, es reicht! Ich kann es nicht mehr hören!)

Sie sagten, man wüsste das gar nicht so genau, und Bürokratieabbau sei nur so ein Wort usw. Schauen Sie, es ist auch eine Art des Denkens und eine Art der Herangehensweise an Probleme, die sich ändern muss, eine Frage der Prioritätensetzung.

Das will ich Ihnen an einem ganz kleinen Vorgang verdeutlichen. Was sich konkret ändern muss, zeigt eine Begebenheit, über die der „Sauerländer Volksfreund“ am 1. Dezember berichtet hat, und zwar unter der Überschrift: „Umweltministerium greift in Genehmigungsverfahren ein!“

Dem Märkischen Kreis reichten Unterlagen zur Artenschutzprüfung für eine Baugenehmigung für ein Windrad nicht aus. Da forderte der Märkische Kreis eine Neukartierung. Bei einem Gespräch zwischen dem Investor und der Kreisverwaltung erschien dann plötzlich auch ein Mitarbeiter aus dem Ministerium Remmel,

(Zuruf von der FDP: Oh!)

und zwar aus einer Taskforce für genau solche Gespräche. Deren Aufgabe sei es – so teilte das Ministerium dann wörtlich mit –, Probleme bei der Planung und Genehmigung von Anlagen der erneuerbaren Energien abzubauen.

Im Ergebnis prüft also nun das LANUV, ob eine Neukartierung nötig ist. Das Ergebnis ahnt man. Wo war eigentlich diese Taskforce, als es um newPark oder um Datteln 4 ging? Wo war da diese Taskforce?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Genau das ist doch die Wahrheit, und genau das ist doch das Problem. Was ideologisch gewünscht ist, wird ermöglicht. Was nicht in den Kram passt, wird gebremst.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Michele Marsching [PIRATEN]: Da wäre ich bei Datteln vorsichtig!)

Unbürokratisches Handeln braucht dieses Land aber nicht nur bei den grünen Prestigeprojekten, sondern bei allen Vorhaben, die das Land wieder stark machen können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nirgendwo ist das so deutlich geworden wie beim Landesentwicklungsplan. Vor über drei Jahren haben Sie Ihren ersten Entwurf vorgelegt. Es hat harsche Kritik gehagelt von allen Beteiligten an den Inhalten, zum Beispiel den Flächenbegrenzungen, den Siedlungsentwicklungen in kleinen Ortsteilen oder auch den verbindlichen Vorgaben zur Ausweisung von Windkraftgebieten.

Jetzt wurden Änderungen am LEP vorgenommen. Aber das Ergebnis, das Sie hier heute verabschieden wollen, ist unverändert ernüchternd. Denn im LEP fehlt eine Vision für die Zukunft unseres Landes.

(Ralf Witzel [FDP]: Ganz genau!)

Stattdessen konserviert der Landesentwicklungsplan lediglich den Status quo. Mit dem Grundsatz „Netto null“ nehmen Sie dem Land Nordrhein-Westfalen jede Entwicklungsmöglichkeit. Aber ein Land mit Wachstumsschwäche kann sich nicht erlauben, auf solche Impulse und Möglichkeiten zu verzichten.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Auf ein zweites Thema muss ich eingehen, auf das übrigens auch Umweltminister Remmel in einem Interview mit der „Westdeutschen Zeitung“ zu sprechen kam. Nämlich auf die Frage nach den drei größten Erfolgen der Grünen in dieser Legislaturperiode hat er geantwortet – Zitat –:

„Die große Aufgabe Inklusion endlich angepackt und den jahrzehntelangen Streit um die Schulstrukturen in einen Schulfrieden verwandelt zu haben.“

(Lachen bei der FDP)

Also, die Schulpolitik haben die Grünen zwar angepackt, aber richtig im Griff behalten haben sie sie nicht. Aus den Händen geglitten; jetzt liegt alles in Scherben, alles in Trümmern!

(Wibke Brems [GRÜNE]: So ein Quatsch!)

– Oh, Frau Brems.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Ein empörter Zuruf, das sei Quatsch. Den will ich gerne, Frau Brems, weiterleiten an die Kinder- und Familienhilfen Michaelshoven.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Keine Witze mit Namen, lieber Kollege!)

Ihren qualifizierten Zwischenruf, das sei Quatsch, werde ich nach Michaelshoven weiterleiten als Ihre Antwort auf die Stellungnahme, die wir von dort dieser Tage zugeschickt bekommen haben. Zitat Kinder- und Familienhilfen Michaelshoven:

„Manche unserer SuS mit FS GE mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung‘ an Regelschulen verbringen die Hälfte der Unterrichtszeit mehr oder weniger alleine in einem Nebenraum oder, wenn selbiger fehlt, auf dem Flur. Hintergrund ist die Klassengröße und die Überforderungssituation für alle Beteiligten.“

Das ist Ihre Umsetzung eines Menschenrechts, Frau Löhrmann?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist Ihre Umsetzung eines Menschenrechts?

Frau Brems, denen sagen Sie, das sei alles Quatsch. Kinder mit geistiger Behinderung verbringen an allgemeinen Schulen den Tag weitgehend unbetreut auf dem Flur. Das hat kein Kind in unserem Land verdient.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Löhrmann, Sie haben aus der guten Idee Inklusion eine Ideologie gemacht.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Jetzt kommt der Punkt!)

Deshalb brauchen wir jetzt klare Qualitätskriterien, und Rechtsanspruch auf Inklusion kann nicht an jeder Regelschule umgesetzt werden. Wir brauchen Schwerpunktschulen, die tatsächlich personell und hinsichtlich ihrer sachlichen Ausstattung dazu in der Lage sind. Vor allen Dingen dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Landschaft von Förderschulen, um die uns ganz Europa beneidet, durch Ihre Erlasslage zerschlagen wird.

(Beifall von der FDP und der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Jawohl!)

Ihr Anspruch 2010 war, das Bildungssystem gerechter und leistungsfähiger zu machen. Sie haben einen Schulfrieden ausgerufen, Stichwort „längeres gemeinsames Lernen“. Ihr grünes Prestigeprojekt war die erste Gemeinschaftsschule, die sogenannte Profilschule in Ascheberg. Frau Löhrmann, auf der Website Ihres Ministeriums kann man noch am heutigen Tag dazu lesen – Zitat –:

„In Ascheberg gibt es jetzt eine Schule der Zukunft.“

Die Realität ist, wie die „Westfälischen Nachrichten“ am 26. November berichtet haben:

Die Schülerzahlen gehen dort zurück, und nun droht, dass die Gemeinde ohne Schulangebot im Sekundar­bereich dasteht.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

Ihre Schule der Zukunft ist an vielen Stellen eine Schule ohne Zukunft.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ihr Preis ist eine massive Fixierung auf einzelne Schulformen gewesen, im Umkehrschluss eine enorme Benachteiligung des anderen. An vielen Schulen klafft eine massive Lehrerlücke.

Bei den Berufskollegs sind es 1.400 Stellen. Trotzdem haben Sie 500 Stellen gestrichen, um vermeintlich Ihre Präventionspolitik zu belegen, obwohl die Aufgaben mit den Flüchtlingen nicht kleiner werden.

An Gymnasien beträgt die Lücke mehr als 1.000 Stellen. Das ist die Kienbaum-Lücke, aber für die Eltern macht es keinen Unterschied, warum der Unterricht strukturell ausfällt, Frau Löhrmann.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist die Kienbaum-Lücke.

(Dietmar Bell [SPD]: Das ist die Lindner-Methodik!)

Dann schließen Sie die Kienbaum-Lücke und streichen Sie nicht 2.000 Stellen beim doppelten Abiturjahrgang, wie Sie es gemacht haben.

[Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Frau Löhrmann, sorgen Sie dafür, dass auch im bundesweiten Wettbewerb der Arbeitgeber Nordrhein-Westfalen attraktiv ist. Herr Zimkeit, Sie waren doch einer von denen, die gesagt haben: Ab A13 – also Studienrat – gibt es nicht einmal mehr Inflationsausgleich. – Natürlich, mit so einer Politik kommt kein Bewerber in den nordrhein-westfälischen Schuldienst. Ist doch klar!

(Beifall von der FDP und der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Sie wollten ja nie Stellen streichen!)

Wenn Sie als Dienstherr die Leute so behandeln, dann werden Sie die Kienbaum-Lücke nicht schließen, dann werden die einen Bogen um Nordrhein-Westfalen machen; denn mit qualifizierten Abschlüssen und Staatsexamina gehen die woanders hin, wo sie für ihre Leistungen wertgeschätzt werden.

(Zurufe von Stefan Zimkeit [SPD] – Gegenrufe von Christof Rasche [FDP])

Sie haben die Leistungs- und Qualitätsstandards stetig und systematisch abgesenkt: keinerlei Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung, teilweise Abschaffung der Ziffernoten, miserable Ergebnisse bei dem Vorhaben „Lesen durch Schreiben“, fehlende Qualitätsstandards im Ganztag und der Inklusion. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Und zudem: Eine gezielte Förderung von Flüchtlingskindern findet an vielen Schulen, Frau Löhrmann, nicht mehr statt. Laut Flüchtlingsrat NRW werden Tausende Kinder nicht beschult, und zugleich sind viele Schulen massiv überfordert.

Die Ergebnisse sprechen für sich. Die Ansprüche werden gesenkt, zugleich werden die Noten immer besser. Begabte Kinder interessieren Sie weitgehend gar nicht, und die leistungsschwächeren Schüler werden unter Ihnen sogar noch schwächer. Immer mehr Schüler erreichen in Nordrhein-Westfalen nur das rudimentärste Kompetenzniveau. Statt kein Kind werden immer mehr Kinder zurückgelassen.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Der grüne Weg zur leistungslosen Einheitsschule

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Mein Gott! – Widerspruch bei den GRÜNEN)

hat das Bildungssystem weder gerechter noch leistungsfähiger und auch nicht stabiler gemacht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist der nüchterne Vergleich zwischen Ihrer Politik seit dem Jahr 2010 und den Ländern, die dieser nivellierenden Ideologie nicht gefolgt sind. Deshalb sollten wir uns wieder an denen orientieren, die den Schulen mehr Freiheit geben, die Vielfalt im Bildungssystem erlauben und die vor allen Dingen Freude auf Leistung bei Kindern und Jugendlichen wecken wollen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wie geht es weiter? – Da erbitte ich mir gleich von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, eine klare Aussage. Ich bitte Sie darum, dass Sie von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen; denn es gibt in Ihrer Regierung einen offenen Dissens, was die weitere Entwicklung der Stellen im Schulbereich angeht.

Sie wollen zwischen 2018 und 2020 fast 7.000 Lehrerstellen streichen. Nach uns die Sintflut!

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben doch die Streichung von Stellen beantragt, Herr Lindner!)

Das sind die 7.000 kw-Vermerke, die sich im Haushalt finden. Sie haben im Ausschuss gesagt, Frau Löhrmann – man kann das im Protokoll nachlesen –, das wolle man sich nach der Landtagswahl noch einmal genau ansehen. – Dazu kann ich nur raten.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– Das haben Sie nicht gesagt? Was haben Sie gesagt?

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Wenn die Schüler bleiben, bleiben die Lehrer!)

– Ja, aber Frau Löhrmann, Ihre Aussage „wenn die Schüler bleiben, bleiben die Lehrer“ heißt doch, dass Sie mit dem jetzigen Niveau der Unterrichtsversorgung offensichtlich einverstanden sind; denn sonst würden Sie ja keine Lehrerstellen abbauen, wenn die Schülerzahlen zurückgehen.

Ich sage Ihnen: Wenn jetzt die Zahlen der Schülerinnen und Schüler zurückgehen, dann ist doch unsere Chance gerade nicht, proportional genauso viele Lehrerstellen abzubauen,

(Beifall von der CDU – Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Das will doch gar keiner!)

sondern dann ist die Chance, die Qualität zu verbessern.

Dann haben Sie es jetzt ja schon beantwortet. Ich hatte gedacht, der Finanzminister sagt, es bleibt bei den 7.000 kw-Stellen,

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: 8.000 zusätzliche Stellen!)

wie er im Haushalts- und Finanzausschuss ausgeführt hat. Frau Löhrmann sagt, sie wolle sich das genau ansehen. Ich dachte, Frau Löhrmann beabsichtigt, die Schüler-Lehrer-Relation möglicherweise zu verbessern, und das nach der Landtagswahl in den Koalitionsverhandlungen, mit wem auch immer, zu einem Thema zu machen.

Jetzt lerne ich, dass es kein Vorhaben ist und es bei Plänen im Haushalt bleibt. Das halte ich für verantwortungslos;

(Beifall von der FDP)

denn wir können mit unserer Lehrerversorgung an den Schulen in Nordrhein-Westfalen nicht zufrieden sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur „Guten Schule 2020“ will ich gar nicht zu viel sagen, das ist ja Ihre Wunderwaffe, gar nicht einmal Ihre Idee; denn der Vertreter der NRW.BANK hat ja in der Fachberatung im Ausschuss geäußert, dass sein Institut auf die Landesregierung zugekommen sei.

Kein Wunder; denn Sie, Frau Löhrmann, haben ja im Februar auf „Twitter“ noch geschrieben, marode Schulen seien Sache der Kommunen. Das kann man ja dort nachlesen. Sie sind also von anderen dazu veranlasst worden, das zu machen. Es ist aber ein Wahlkampfinstrument, bei dem Sie die Schulden geschickt aus der eigenen Bilanz herausholen und überdecken, dass Sie seit Jahren die Schulpauschale nicht erhöht haben.

Über den Schattenhaushalt NRW.BANK werden Schulden in die Bücher der Städte und Gemeinden überführt. Damit treiben Sie die Verschuldung der NRW-Kommunen weiter nach oben.

Und um das zu vertuschen, Herr Finanzminister, achten Sie auf eine möglichst intransparente Umsetzung. Die Schulden sollen nämlich nach Ihrem Erlassentwurf nur nach und nach über einen Sonderposten ausgebucht werden. Das kann man nicht anders bezeichnen als eine haushaltpolitische Vollverschleierung, die Sie mit Ihrem Erlassentwurf beabsichtigen.

(Beifall von der FDP und Christian Möbius [CDU])

Machen Sie es wenigstens transparent.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein letzter Punkt, auf den ich zu sprechen kommen muss, sind die Autorität unseres Rechtsstaats und das Sicherheitsgefühl der Menschen. Denn viele Menschen sind angesichts der Bedrohungslage in unserem Land verunsichert. Und in Nordrhein-Westfalen ist diese Verunsicherung besonders groß. Das liegt vor allem an Innenminister Jäger und seinen zahlreichen PR-Initiativen.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Nein, das ist Ihre FDP-Rhetorik!)

Seine Pannenstatistik wäre der Alptraum eines jeden Autoherstellers.

(Michele Marsching [PIRATEN]: So schlecht, dass das noch nicht einmal die FDP versteht!)

Hinter den schon ohnehin niedrigen Aufklärungsquoten bei Einbrüchen steht seit einigen Wochen ein dickes Fragezeichen.

Übrigens: Wenn die Kollegen von den Piraten sagen, das sei unsere Rhetorik, entgegne ich: Ihr seid mal für Transparenz angetreten, und jetzt deckt ihr einen Minister, der offensichtlich Statistiken nicht richtig vorlegen kann. Was ist aus euch geworden?

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es ist nicht die Rhetorik, es sind die Zahlen. Bei den Aufklärungsquoten gibt es ein Fragezeichen. Der Vorwurf der Schönfärberei steht im Raum. Zu den Verfahren im Nachgang zur Silvesternacht werden jeden Tag neue Zahlen in der Presse nachgeliefert. Auch die Angaben zum Einsatz der Beamten in der Nacht werden fortwährend korrigiert.

Bei den Blitzermarathons ist die Zahlenpanne noch unglaublicher. Weil es anders als im Diagramm aus dem Innenministerium keine fallende Kurve bei den Verkehrstoten in den letzten Jahren gibt, ist die gesamte argumentative Grundlage zusammengebrochen.

Während also andere Innenminister mit der Kriminalität kämpfen, kämpft unser Innenminister mit den Statistiken. Das ist eine falsche Schwerpunktsetzung.

(Beifall von der FDP und der CDU – Heiterkeit von der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Das alles ist PR. Der nächste öffentlichkeitswirksame Termin steht schon im Kalender. In der Silvesternacht wollen Sie, Herr Jäger, in Köln auf der Domplatte stehen, sofern ich das richtig wahrgenommen habe.

(Zuruf von der FDP: Im Weg herumstehen!)

Um dann dort den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Weg zu stehen oder was?

(Heiterkeit von der FDP und der CDU)

Oder um mit denen gemeinsam das Feuerwerk zu bewundern, während die tatsächlichen Gefährder auf dem Weg nach Essen, Dortmund und Duisburg sind oder was?

(Michele Marsching [PIRATEN]: Genau, weil die sich organisiert woanders hinbegeben! Ey, Lindner, was soll das?)

Das ist die falsche Schwerpunktsetzung.

Herr Römer, damit wir uns nicht missverstehen, sage ich: Sie haben ausgeführt, die Polizei in Nordrhein-Westfalen verdiene unser Vertrauen, verdiene auch das Vertrauen dieses Hauses. – Ich darf Ihnen sagen: Unsere Polizei hat das Vertrauen dieses Hauses und meiner Fraktion. Ihre Landesregierung und deren Schwerpunktsetzung haben aber kein Vertrauen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Kai Schmalenbach [PIRATEN])

Und dann die ollen Kamellen: Ihr habt damals zu eurer Verantwortungszeit Stellen bei der Polizei gestrichen.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: War doch auch so! – Zuruf von Kai Schmalenbach [PIRATEN])

Die Wahrheit ist, dass der Stellenansatz für neue Bewerber zur Zeit von Herrn Behrens von Ingo Wolf verdoppelt worden ist. Gegenüber Behrens ist der Ansatz verdoppelt worden!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung hat ermöglicht, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, wenn sie es wünschen, über das 60. Lebensjahr hinaus weiterhin im Dienst bleiben dürfen. Als eine Ihrer ersten Amtshandlungen haben Sie das zurückgenommen und damit die Stellensituation verschärft. Jetzt kommen Sie damit wieder um die Ecke.

(Beifall von der FDP und der CDU – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: So ist die Kurve runtergegangen!)

Wenn Sie das alles noch nicht überzeugt, sage ich: Im Jahr 2016 nach Flüchtlingskrise, Migrationswelle und europäischer Arbeitnehmerfreizügigkeit ist die Sicherheitslage anders als im Jahr 2008. Deshalb müssen sich die Haushaltszahlen auch nicht an der Sicherheitslage des Jahres 2008, sondern an der Lage des Jahres 2016 orientieren.

(Beifall von der FDP und der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Das glaubt noch nicht einmal Ihre Fraktion!)

Jetzt einmal weg von Auseinandersetzungen über die Vergangenheit oder über die PR von Herrn Jäger. Was uns doch eigentlich verbinden müsste, ist die Empörung darüber, dass Polizisten im Einsatz angegriffen, dass Polizisten mit Gewalt bedroht werden. Das ist ein Angriff nicht nur auf die Beamten im Einsatz, das ist ein Angriff auf den Rechtsstaat und damit auf jeden einzelnen von uns. Das kann man nicht hinnehmen.

(Beifall von der FDP, der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Polizei verdient Respekt.

Natürlich ist es nicht die persönliche Verantwortung von Herrn Jäger, dass es die Probleme gibt, sondern sie entstehen. Es geht um die Lösung. Heute lesen wir in der „WeLT“, dass Polizeibeamte Clanbildungen in bestimmten Stadtteilen ganz öffentlich beklagen müssen – auch in den entsprechenden Anhörungen.

Jetzt einmal weg vom politischen Klein-Klein: Wir alle gemeinsam sind in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auf unsere Rechtsordnung und das staatliche Gewaltmonopol an jeder Ecke und zu jedem Zeitpunkt verlassen können müssen. Wenn sie es nicht tun, erodiert das Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Das darf keiner von uns zulassen.

(Beifall von der FDP, der CDU und Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Ich mache Ihnen ein Angebot, das auch über diese Haushaltsberatungen hinweg steht. Das hat nichts mit dem Klein-Klein zu tun, weil es wirklich um eine zentrale Frage geht. Herr Jäger, man kann sich über Maßnahmen austauschen. Seit 2014 legen wir Ihnen fortwährend welche vor. Wir warnen vor den Flüchtlingen aus dem Maghreb und empfehlen, dass sie zurückgeführt werden müssen. Wir mahnen an, den Blitzermarathon zurückzunehmen, Polizeieinsätze zu stärken und die Verwaltungsstrukturreform durchzuführen.

Lassen wir das alles einmal weg. Ich biete Ihnen an: Sagen Sie, was Sie wirklich brauchen:

(Lachen von Minister Ralf Jäger)

an Personal, an Sachmitteln, an Gesetzen und Verordnungen. Sagen Sie, was Sie brauchen, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu garantieren und unseren Rechtsstaat zu verteidigen, und ich sichere Ihnen zu: Wir werden unideologisch mit Ihnen über genau diese Fragen sprechen und dafür sorgen, dass Sie die Mittel bekommen, die Sie brauchen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Heiterkeit von der SPD – Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Dafür müssen Sie dem Einzelplan zustimmen! – Zuruf von Minister Ralf Jäger)

– Herr Römer, Sie lachen darüber. Das dürfen Sie tun. Aber wenn Sie über einen solchen Vorschlag lachen und dieses Angebot ausschlagen, liegen alle Zahlen bei der Kriminalitätsentwicklung und der Verlust des Vertrauens in staatliches Handeln aber allein in Ihrer Verantwortung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist der Fall, wenn Sie darüber lachen, anstatt gemeinsam Handlungsfähigkeit zu zeigen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das ist der letzte Haushalt dieser Legislaturperiode. Wir gehen ins nächste Jahr und in eine harte inhaltliche Auseinandersetzung. Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Land; missverstehen Sie bitte nicht, was Ihnen die Opposition vorträgt. Wir haben volles Vertrauen in die Menschen in diesem Land. Wir glauben auch an seine Stärken. Aber man muss aus den Stärken auch etwas machen.

Ihre eigene Regierung dokumentiert doch, dass Sie in vielen Fragen fundamental unterschiedlicher Auffassung sind. Die SPD wird daran gehindert, das Richtige zu tun, weil sich ein Regierungspartner ideologisch auf bestimmte Fragen verfestigt hat. Er hat sich festgebissen und festgefahren bei bestimmten Zielen, die nicht mehr erreichbar sind.

Deshalb tun Sie diesem Land einen Gefallen und gehen Sie offen in das nächste Jahr. Streiten Sie auch als Koalition, damit jeder die Unterschiede sehen kann. Sorgen Sie dann dafür, dass die Menschen im nächsten Mai eine Regierung wählen und somit dafür sorgen können, dass diese Koalition der Vergangenheit angehören darf, damit das Land endlich wieder Zukunft hat.

(Lebhafter anhaltender Beifall von der FDP – Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender Lindner für die FDP-Fraktion. – Nun spricht der Vorsitzende der grünen Fraktion, Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die Redner der Opposition hier heute abgeliefert haben, hat mit einer Haushaltsdebatte relativ wenig zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielleicht musste man das angesichts des heraufziehenden Wahlkampfes auch erwarten. Aber dass Sie sich der Sachauseinandersetzung vollständig entzogen haben, finde ich, ehrlich gesagt, schon einigermaßen peinlich und unangemessen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Herr Kollege Lindner, wo ist denn der Vorschlag für den Ersatz der Grunderwerbsteuer? Sie schlagen vor, die Grunderwerbsteuer abzusenken und 800 Millionen € zu kompensieren. Wo ist der Kompensierungsvorschlag für diese 800 Millionen €?

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

– Können Sie es nicht erwarten?

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Der Bundesvorlesetag war im November!)

Wir haben von Ihnen keine Entlastungsvorschläge für diesen Haushalt, kein Konzept und keine Vorschläge für die Vision von Nordrhein-Westfalen gehört, sondern stattdessen das Schlechtreden dieses Landes. Das ist die Politik, die Sie hier heute vorgetragen haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Laschet, Sie haben vorhin sechs Minuten lang darüber schwadroniert, wer wo beim Länderfinanzausgleich gesessen hat.

(Armin Laschet [CDU]: Nee!)

Sie haben aber kein einziges Wort zum Länderfinanzausgleich selbst verloren. Das ist typisch Laschet: Sehr viel Nebel machen, aber kein Signal setzen, wohin es mit diesem Land gehen soll.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Ich sage Ihnen: Wir setzen dem ganz konsequent Sachpolitik entgegen.

(Zuruf von der CDU: Jau!)

Zum Beispiel bei den Kindertagesstätten: Wir setzen uns für eine moderne Familienpolitik ein, die dafür sorgt, dass die Kinder beste Bildung und beste Betreuung bekommen

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

und dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichergestellt wird.

(Marcel Hafke [FDP]: Sprechen Sie mit den Menschen!)

Deshalb haben wir auch die bitter nötige Aufholjagd bei U3 gestartet und die Zahl der Betreuungsplätze von 80.000 auf 160.000 verdoppelt.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Wir investieren seit 2015 den kompletten aus dem Betreuungsgeld freigewordenen Betrag in Höhe von 430 Millionen € in den Ausbau der Kindertagesstätten. Wir haben auch den jährlichen Aufwuchs von 1,5 % auf 3 % angehoben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir werden in der neuen Legislaturperiode ein umfassendes Konzept zur Neukonzipierung und Finanzierung der Kitas darstellen. Das haben Sie, Herr Kollege Laschet, in Ihrer Amtszeit unterlassen.

Klar ist: Wir benötigen mehr Erzieherinnen, mehr Plätze und einen deutlichen Akzent auf mehr Qualität in den Kindertagesstätten und noch stärkere Anstrengungen bei der Inklusion. Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich: Wir werden diese Schritte der weiteren Beitragsbefreiung vorziehen. Wir setzen zunächst einmal auf Qualität bei den Kindertagesstätten.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: Sehr klug!)

Herr Präsident, sechs der zehn größten Hochschulen sind in Nordrhein-Westfalen. Hier liegt ein wichtiger Schwerpunkt für unsere Zukunftspolitik. Wir haben die Studiengebühren abgeschafft und trotzdem 2,6 Milliarden € zusätzlich in die Hochschulen investiert. Das ist ein Aufwuchs von fast 45 % in den letzten sechs Jahren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Weil Sie dieses Schlusslichtgerede angesprochen haben, zitiere ich mal, was der Sprecher für die Universitäten dazu sagt:

„Die LRK NRW begrüßt die erheblichen finanziellen Anstrengungen des Landes ausdrücklich. Vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Studierendenzahlen ist die Verstetigung befristeter Programmtitel für die Universitäten in NRW unabdingbar. Die Finanzierungszusagen des Landes ermöglichen eine verlässliche Grundfinanzierung und schaffen so Planungssicherheit bis 2020.“

Unsere Hochschulpolitik hat hier das höchste Lob erhalten, was man bekommen kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir sorgen dafür, dass in Nordrhein-Westfalen so viele junge Menschen wie nie zuvor einen akademischen Abschluss machen können, und zwar aus allen sozialen Schichten.

Fast 28 % der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland sind in Nordrhein-Westfalen eingeschrieben. Das ist mehr als in Bayern und Baden-Württemberg zusammen und deutlich mehr, als es unserem Bevölkerungsanteil entspricht. Nordrhein-Westfalen ist Hochschulstandort Nummer eins in Deutschland. Das ist die Wahrheit über unser Bundesland und nicht das Schlechtreden von FDP und CDU!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auf Sachpolitik setzen wir auch dort, wo bei der CDU offensichtlich eine schwere Rolle rückwärts droht. Nordrhein-Westfalen ist solidarisch und weltoffen. Deswegen war es auch wichtig, diesen besonderen Geist Nordrhein-Westfalens aufzugreifen und als erstes Bundesland einen Integrationsplan vorzulegen. Dabei stimmen wir wichtige Faktoren wie Sprachvermittlung, besondere Integrationsmaßnahmen der Schule, besondere Herausforderungen der Jugendhilfe und die Gesundheitsversorgung miteinander ab.

Es ist uns zudem gelungen, die Zahl der Ausbildungsplätze im Altenpflegebereich von unter 10.000 auf über 16.000 nahezu zu verdoppeln. Wir sorgen dafür, dass Menschen in ganz unterschiedlichen Kontexten jetzt sehr lange und selbstbestimmt leben können. Auch das ist die Wahrheit über Nordrhein-Westfalen und nicht das Katastrophengeschwätz von CDU und FDP.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was Herr Lindner und Herr Laschet heute geliefert haben, erinnert mich ein bisschen an Armin Laschet auf der Rennstrecke. Können Sie sich noch an Ihren Wahlkampspot erinnern, in dem Sie als Nico Rosberg der Landespolitik aufgetreten sind?

(Heiterkeit – Lutz Lienenkämper [CDU]: Weltmeister! – Zuruf von Kai Schmalenbach [PIRATEN] – Weitere Zurufe)

Sie sitzen im Ford Mustang und schieben ganz dynamisch den Schalthebel nach vorn. Das war eine wahnsinnig starke Geste des Aufbruchs für Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege. Aber Sie kennen die Automatikschaltung, oder? Wenn man den Hebel nach vorne schiebt, ist das die Stellung „P“. Das heißt „Parken“. Der Wagen blockiert. Das ist das, was Sie hier in Nordrhein-Westfalen machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber egal. Bei der CDU fährt das Auto trotzdem los.

Nein, meine Damen und Herren, der CDU-Film hat einen groben Regiefehler, aber er zeigt viel Realität. Denn der Schnitzer, der dort zu sehen ist, hat bei der CDU in Nordrhein-Westfalen System. Er hat sogar einen Namen. Bei Ihnen nennt man das „Haushaltspolitik“.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das, was Sie da bieten, Herr Kollege, ist ein Regiefehler nach dem anderen. Es ist bei Ihnen immer das Gleiche: Erst der Spruch, dass Sie unheimlich hochschalten wollen und auch entfesseln wollen, dann das Verbinden von Populismus und Inkompetenz und dann Blockade und Stillstand. Das ist die Methode, nach der bei Ihnen Haushaltspolitik abläuft, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die schwarz-gelbe Opposition, die heute als Sparkommissar hier Sprüche klopft, hat eine miserable eigene Bilanz. Sie sind 2005 mit 6,6 Milliarden € Neuverschuldung gestartet. Nach fünf Jahren sind Sie wieder genau bei 6,6 Milliarden € Neuverschuldung gelandet.

(Christian Möbius [CDU]: Wirtschafts- und Finanzkrise!)

Abbauergebnis gleich null! Fünf Jahre Stillstand! Dem sollten keine weiteren Jahre hinzugefügt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Möbius [CDU]: Das lag an der Finanzkrise, oder?)

Bei den Kommunalfinanzen haben Sie sogar den Rückwärtsgang eingelegt und total blockiert. Sie verantworten das niedrigste Gemeindefinanzierungsgesetz dieses Jahrtausends: 1,8 Milliarden € weniger als 2005! Sie haben die kommunalen Kassen ausbluten lassen. Und das hatte Folgen. 138 Kommunen sind von Ihnen in den Nothaushalt getrieben worden. Sie verantworten die Schließung von Schwimmbädern, Sportanlagen und Bibliotheken. Wir sind heute noch dabei, das aufzuräumen, was Sie kaputt gemacht haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dann kam das Sanierungskonzept 2013 bis 2020 mit 300 Millionen € Kürzungen im Schulbereich, 55 Millionen € Streichungen bei der Polizei und einer zwanzigprozentigen Kürzung aller Förderprogramme, die in diesem Jahr voll durchschlagen sollten, also 40 Millionen € weniger bei der Kultur. Das Problem ist nur: Das haben Sie Ihren Fachpolitikern nicht so richtig gesagt.

(Christian Möbius [CDU]: Kultur verdoppelt von 2005 bis 2010!)

– Mal Luft anhalten!

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn Herr Dr. Sternberg hat noch im letzten Jahr die Verdoppelung des Kulturetats gefordert. Sehr interessant! Von minus 20 % bis plus 100 % ist bei Ihnen alles drin, frei nach dem Motto: Wir haben alles, nur kein schlüssiges Haushaltskonzept.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Prof. Sternberg?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Nein, das gestatte ich nicht.

(Lachen und Zurufe von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Liebe Kollegen, alle anderen Redner konnten durchreden. Ich möchte das jetzt auch bitte tun können. Dafür bitte ich um Verständnis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gegen den Ankauf der Steuer-CDs sind Sie Sturm gelaufen. Sie predigten Amnestie für die Steuerhinterziehung. Wir haben jetzt mehrere Milliarden Euro Steuermehreinnahmen, weil wir genau dieses Abkommen mit der Schweiz eben nicht abgeschlossen haben, was Sie wollten, sondern wir setzen mit diesem Finanzminister auf konsequente Verfolgung der Steuerhinterziehung. Das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dann kam noch eine Ansage aus der CDU: Hochschalten bei den Einsparungen im Personalbereich! 10 % Kürzungen auf alles! Mehr als 40.000 Stellen sollten weg. Aber bitte nicht kürzen bei Polizei, Schule, Justiz und Finanzverwaltung! Dumm nur, dass dann nur noch 11.000 Stellen übrig bleiben, also 11.000 Stellen kürzen, wo 40.000 gebraucht werden. Jede Stelle viermal einsparen! Das war ein weiterer großer Wurf der Oppositionshaushälter.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu alledem passen leider – leider, muss man sagen – sehr gut die blindwütigen Personalkürzungen aus Ihrer Regierungszeit, die wir rückgängig machen mussten.

Erster Bereich: Straßen.NRW. Sie haben 700 Stellen eingespart. Deswegen war es nicht möglich, die Planungsleistung 2010 so vorzubereiten, wie es nötig gewesen wäre.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Erst Grüne und SPD mussten dafür sorgen, dass die Stellen bei der Polizei nicht ausbluten. Mit der Erhöhung auf mittlerweile 2.000 Einstellungsermächtigungen haben wir den Personalbestand bei der Polizei seit 2010 sogar erhöht. Hätten wir die Quote von Schwarz-Gelb fortgeschrieben, wären heute nur noch 35.000 Polizistinnen und Polizisten im Dienst und nicht 40.000, wie es jetzt sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Lindner, mit anderen Worten: Wären Sie heute noch an der Macht, hätten wir 5.000 Polizistinnen und Polizisten weniger. Sie sind das größte Sicherheitsrisiko für Nordrhein-Westfalen!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nein, Herr Kollege, es ist wirklich einfacher, einen Pudding an die Wand zu nageln als bei der CDU eine Logik in die Haushaltspolitik zu bekommen.

(Zurufe von der CDU)

Sie reden vom Hochschalten und Entfesseln, und Sie produzieren nur Stillstand und Blockieren. Das ist die Wahrheit über Ihre Haushaltspolitik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt – Gott sei Dank rechtzeitig vor der Wahl – reden Sie wieder von Fortschritt und produzieren wieder nur unsoziale Politik. Herr Kollege Lindner hat es ja offen gesagt. Ich frage auch Sie, Herr Kollege Laschet: Planen Sie wirklich die Wiedereinführung der Studiengebühren?

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das hat er doch gesagt!)

Das wäre eine klare Ansage an die 763.000 Studierenden in Nordrhein-Westfalen und an ihre Familien. Wenn Schwarz-Gelb im Mai nächsten Jahres kommt, dann wird Studierenden wieder Geld weggenommen. Dann werden die Bildungschancen wieder vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Genau für eine solche Politik wurden Sie doch abgewählt. Wir werden alles dafür tun, dass das auch nicht wiederkommt. Genau darüber wird am 14. Mai 2017 auch abgestimmt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Michele Marsching [PIRATEN]: Da sind wir uns ja einmal einig! Immerhin!)

Die gleiche unsoziale Politik sehen wir bei den Kitagebühren, die Schwarz-Gelb wieder einführen bzw. anheben möchte, und bei der Abschaffung des Sozialtickets, wie es die FDP diese Woche wieder gefordert hat.

Auch da sagen wir den Familien in NRW und den zwei Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen, die ein Anrecht auf ein Sozialticket haben: Wir sorgen dafür, dass Kinder auch 2017 von Anfang an gute Chancen haben. Wir sorgen auch dafür, dass Mobilität nicht am Geldbeutel scheitert.

Doch bei alledem muss die FDP immer noch eins drauflegen. Von Ideologie getrieben wollen Sie das Umweltressort schleifen und dort Stellen einsparen, den Verbraucherschutz reduzieren und die Stiftung Umwelt und Entwicklung mit ihren vielen wichtigen Impulsen zusammenstreichen. Der Bundesvorsitzende und Noch-MdL Christian Lindner von der FDP verspricht auf der Homepage seiner Partei Steuerentlastungen in Höhe von 30 Milliarden €.

Wie immer liegt dem Ganzen kein erkennbares Finanzierungskonzept zugrunde, sodass sich wieder die spannende Frage ergibt, wie die Gegenfinanzierung aussieht und wie sich die Belastungen auf die unterschiedlichen Ebenen der öffentlichen Haushalte auswirken.

Man kann trotzdem schon erahnen, wo der Hase lang laufen soll. Lindner warnt ja, dass sich Deutschland zur Kleptokratie entwickelt – ich zitiere –,

„weil der Staat sich durch den niedrigen Zins und die steigenden Sozialabgaben und die enorm steigenden Staatseinnahmen zulasten der Menschen bereichert.“

Für mich übersetzt bedeutet das, dass Sie steigende Sozialausgaben also für eine staatliche Form des Diebstahls halten, und das heißt, Sie wollen die versprochenen Steuersenkungen der FDP durch Sozialabbau finanzieren. – Sie sind wieder ganz bei sich angekommen. Herzlichen Glückwunsch, alte FDP der sozialen Kälte!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Rot-Grün betreibt keine Ankündigungspolitik. Im Unterschied zu Ihnen handeln wir konsequent und mit langem Atem. Die Neuverschuldung wurde von uns tatsächlich um 80 % von 6,6 Milliarden € auf 1,6 Milliarden € abgesenkt. Mit Augenmaß haben wir konsolidiert und trotzdem die richtigen Schwerpunkte für die Zukunft gesetzt. Wir haben gespart, aber nicht blockiert, sondern gezielt in die folgenden Bereiche investiert: kluge Köpfe fördern, jedes Kind mitnehmen, das Klima schützen und damit Arbeitsplätze schaffen, die Infrastruktur modernisieren und Kommunen stabilisieren. Das ist der Grundakkord rot-grüner Haushaltspolitik.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Kommunen sind für uns eine Herzenssache. Von den 138 Kommunen, die Sie in den Nothaushalt getrieben haben, haben wir 129 dort wieder herausgeholt. Direkt nach dem Regierungsantritt 2010 konnten wir im Nachtragshaushalt mit 300 Millionen € zusätzlich eine Soforthilfe bereitstellen, um das Desaster, das Schwarz-Gelb angerichtet hat, zumindest abzumildern. Das Gemeindefinanzierungsgesetz wurde durch uns von 7,5 Milliarden € auf heute 10,5 Milliarden € angehoben. Und mit dem Stärkungspakt, von dem das Land mit 3,6 Milliarden € den Löwenanteil trägt, haben wir die Handlungsfähigkeit der Kommunen in unserem Land wiederhergestellt.

Zudem geben wir jährlich dreistellige Millionenbeträge dafür, dass die Einheitslasten fair abgerechnet werden und die Kindertagesstättengelder des Bundes nicht im Haushalt versickern. Wir haben die Kommunen strukturell um 1 Milliarde € bessergestellt, als das bei Ihnen – bei FDP und CDU – nach den Raubzügen der Fall gewesen ist.

Jetzt investieren wir 2 Milliarden € in das Programm „Gute Schule 2020“. Weil Herr Lindner sich gerade die Freude bereitet hat,

(Zurufe von der CDU)

hier wieder Nebel zu werfen, will ich diesbezüglich noch mal aufklären.

(Weitere Zurufe von der CDU – Lutz Lienenkämper [CDU]: Investieren wir oder die NRW.BANK?)

– Wir stellen 2 Milliarden € bereit, und das funktioniert so, dass die Kommunen die Mittel …

(Fortgesetzt Zurufe von der CDU)

– Wir diskutieren das ja gleich. – 2 Milliarden € stellt das Land bereit, und wir finanzieren die Kredite, die die Kommunen aufnehmen, eins zu eins gegen. Das hat im Gegensatz zu dem, was der Kollege Lindner gesagt hat, folgende Auswirkungen: Die Bonität der Kommunen steigt sogar noch an. Die Liquidität wird überhaupt nicht angefressen, und auf beiden Seiten der Bilanz wird es einfach ein Stück größer. Aber 2 Milliarden € stehen für gute Schulen, für bessere Sportplätze und bessere Sportanlagen bereit. Das ist die Wahrheit, die zu diesem Programm zu sagen ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Michele Marsching [PIRATEN]: Genau! Das ist die Wahrheit, und dass die Schulden der Kommunen steigen!)

Das alles zeigt, dass wir mit den Kommunen Hand in Hand regieren. Wir kippen unsere Probleme nicht vor der Haustür der Städte ab. Wir haben die Fesseln gelöst, die Sie den Kommunen angelegt haben, und das ist der große Unterschied zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Große Unterschiede gibt es auch in der Verkehrspolitik. Mobilität interessiert die FDP ja nur, wenn es stinkt, laut und teuer ist und möglichst viel Platz wegnimmt. Wir Grüne bekennen uns hingegen zu einer effizienten, sozial- und umweltverträglichen Mobilität. Mobilität muss bezahlbar sein. Wir wollen die Verkehrsinfrastruktur sanieren und erhalten und vor allem den Bereich der Schiene und Nahmobilität ausbauen.

Der Substanzerhalt von 13.000 km Landesstraßen ist nach Meinung fast aller Fachleute, inklusive der angesprochenen Präsidentin des Rechnungshofes und inklusive des Rechnungshofes, dem zweifelhaften, teuren und verkehrspolitisch fragwürdigen Neubau vorzuziehen. Deswegen haben wir auch den Etat für die Sanierung der Landesstraßen von 73 Millionen € auf mittlerweile 127 Millionen € angehoben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Durch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel setzen wir einen klaren regionalen Akzent hinsichtlich der Schienenverkehrspolitik. Wir stocken die Mittel für die Nahmobilität um 1,5 Millionen € auf, damit wir die alltäglichen Hauptverkehre möglichst effizient abwickeln können.

Auch bei diesen Förderungen geht es um die Gesundheit der Menschen; denn Feinstaub und Stickoxide sind keine Kulturgüter, wie Herr Christian Lindner es meint. Feinstaub und Stickoxide stehen nicht unter Denkmalschutz, sondern sind krankheitserregende Stoffe. Deshalb gehören sie raus aus der Umwelt und raus aus der Luft, die die Menschen einatmen. Emissionsfreie Mobilität ist unsere Zukunft!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb setzen wir uns auch für die Radwege in der Fläche ein. Wir freuen uns, dass unser Premiumprojekt, der Radschnellweg Ruhr, jetzt auch von der SPD und vom Bundesverkehrsminister als wichtiges Projekt anerkannt wird. Wir danken dem RVR, dass er dieses Projekt gemeinsam mit dem Land – Dank an den Verkehrsminister – energisch vorantreibt, damit die Menschen künftig weiterhin mobil bleiben und nicht im Stau versauern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Aha!)

Unsere Politik zielt darauf ab, dass der Verkehr wieder fließt. Auch deshalb geben wir …

(Christian Möbius [CDU]: 450 Kilometer Stau!)

– Ja, und deswegen ist es auch schlau, noch mehr Straßen zu bauen, damit noch mehr Leute dort im Stau stehen.

(Zurufe von der CDU – Christof Rasche [FDP]: Weil alle Fahrrad fahren!?)

Vielleicht ist das für sie ja Pipifax-Politik, deswegen halte ich hier noch mal kurz inne. Beim Radschnellweg Ruhr – selbst die FDP wird das mittlerweile anerkennen – geht es um 40.000 Fahrten im Ruhrgebiet, die im alltäglichen Verkehr verlagert werden können.

(Christof Rasche [FDP]: Vor allem im Regen!)

Deswegen ist es wichtig, diesen Radschnellweg Ruhr umzusetzen. Das ist keine Müsli-Politik, sondern zukunftsfähige Verkehrspolitik, und die werden wir auch fortsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Unsere Politik zielt darauf ab, dass der Verkehr wieder fließt. Auch deshalb stellen wir 6 Millionen € für den Ausbau von Radstraßen an Landesstraßen bereit. Wir wollen über 2017 hinaus die Infrastruktur wieder in Ordnung bringen und zukunftsfähig machen, auch beim öffentlichen Nahverkehr, mit Förderkonzepten beim regionalen Ausbau und mit dem Ziel, das Ticketwirrwarr durch eine möglichst einheitliche Verkehrsgesellschaft zu beenden.

Wir wollen smartes, intelligentes Reisen, wo man einen Ticketautomaten wieder bedienen kann, ohne vorher einen Volkshochschulkurs besuchen zu müssen.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Wir brauchen bald keinen Ticketautomaten, oder?)

Wir kämpfen für Lärm- und Umweltschutz, um nachhaltige Lösungen und um möglichst hohe Akzeptanz. Das ist kein Selbstzweck; denn dies dient den Menschen und einer intakten Umwelt.

Wer wegen Dreck und Lärm krank wird, hat keine Akzeptanz für gestörte Nachtruhe in Einflugschneisen. Aber wenn sie einen Sinn sehen, zum Beispiel beim Ausbau von Schiene und Windkraft, dann werden die Menschen auch schwierigen Planungsvorhaben zustimmen.

Wir sind für mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz. Wir wollen die Kompetenzen der Menschen einholen, Interessen abwägen, mit guten Argumenten überzeugen. Genau damit sorgen wir für Akzeptanz.

Das beste Beispiel dafür, wo man vielleicht besser früher auf die Menschen gehört hätte, ist das Beispiel Metrorapid. Hätten wir nicht jahrelang über dieses systemfeindliche, unsinnige und überdimensionierte Projekt gestritten, dann wäre der RRX schon lange im wahrsten Sinne des Wortes auf der Schiene.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist auch dem berechtigten Interesse der vielen Bürgerinnen und Bürger zu verdanken, dass die Atomkraft in Deutschland bald nicht mehr zum Energiemix gehören wird. Es ist ein Riesengewinn, meine Damen und Herren, wenn sich die Bevölkerung in Projekte einbringt. Kein Projekt, keine Idee darf im Ob und im Wie alternativlos sein. Dafür sind die Menschen in Deutschland viel zu klug. Deswegen sind Transparenz und Bürgerbeteiligung wichtig.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Wenn Herr Lindner das „Durchgrünung“ nennt, bin ich stolz darauf, dass wir Bürgerbeteiligung mit „Durchgrünung“ bezeichnen.

(Christian Lindner [FDP]: Nicht ich habe das gesagt, sondern Herr Groschek!)

Genau deshalb haben wir gemeinsam, Rot und Grün, auch mehr Mittel für Bürgerbeteiligung – vielleicht ist es Ihnen entgangen – eingestellt.

(Christian Lindner [FDP]: Das Urheberecht ist bei Herrn Groschek!)

Denn genau hier brauchen wir mehr Transparenz, mehr Dialog und die Chance, auch Ja oder Nein zu sagen, und eben keine Basta-Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herr Lindner, Herr Laschet, neben Benzin und Beton haben Sie noch einen dritten Stoff, aus dem Ihre Zukunftsträume sind: Kohle. Da arbeiten Sie zum Teil mit Methoden, Herr Kollege Laschet, die ich schäbig finde.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das sagt der Richtige!)

Wenn Sie nämlich Männer und Frauen, von denen manche seit Jahrzehnten gegen Braunkohle und um den Erhalt ihrer Heimat kämpfen, mit denen zusammenkippen, die tatsächlich kriminell sind, finde ich das, ehrlich gesagt, schäbig.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Alle seriösen Politikerinnen und Politiker wissen doch, wo die Zukunft des Rheinischen Reviers liegt: in smarter Zukunft und eben nicht in der Braunkohle.

(Armin Laschet [CDU]: Ja, logisch, aber nicht mit diesem Tempo!)

Oder, Herr Laschet, wollen Sie künftig als Nico Rosberg mit einem kohlebetriebenen Ford Mustang über die Rennstrecke pesen?

(Vereinzelt Beifall – Zurufe)

Nein, die Zukunft liegt woanders. Die Zukunft, Herr Kollege, liegt in Ausgründungen aus der RWTH Aachen. Sie kennen es sicherlich selber sehr gut. Nehmen wir das Beispiel des Streetscooter. Es ist ein absolutes Zukunftssignal, wenn die Deutsche Post Ingenieure beauftragt, den lärm- und emissionsfreien Lieferwagen für die innerstädtische Zustellung zu entwickeln.

(Armin Laschet [CDU]: Man kann doch beides machen!)

Es ist ein hoch alarmierendes Signal, Herr Kollege Laschet, wenn VW den Auftrag ablehnt, die Mobilität der Zukunft mit zu entwickeln. So werden wir nicht die Klimaziele erreichen, die auch Ihre Kanzlerin in Paris unterschrieben hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und jetzt kommt Ihr Einsatz, Herr Kollege Laschet: Wir Grünen drücken uns im Gegensatz zu Ihnen nicht davor, dies den Menschen in der Region auch zu sagen.

(Armin Laschet [CDU]: Man kann doch beides machen!)

Ich komme aus dem Ruhrgebiet und ich weiß, wovon ich rede. Bei uns ging es um 600.000 Arbeitsplätze im Bergbau. Auch im Rheinischen Revier werden wir dafür sorgen, dass niemand ins Bergfreie fällt. Aber wir müssen jetzt die Nachfolge organisieren. Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus der Region sehen das ganz genauso. Denn sie wissen, worum es geht: Die Rahmenbedingungen für die Arbeitsplätze von Morgen müssen geschaffen werden. Es geht darum, den Übergang zu gestalten, und nicht darum, diesen Übergang heute aufzuhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch Herr Lindner redet – wie eben schon wieder – von einer durchgrünten Gesellschaft, die angeblich Arbeitsplätze verhindert,

(Christian Lindner [FDP]: Herr Groschek!)

genauso wie Sie gegen die Mitbestimmung kämpfen – alles natürlich nur aus Sorge um Arbeitsplätze. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das EEG hat in Deutschland schon mehr als 400.000 Arbeitsplätze geschaffen. Selbst wenn nur einige Ihrer feuchten Betonblütenträume für Nordrhein-Westfalen aufgingen und Sie das ganze Land zubetonieren würden, würde nicht einmal ein Bruchteil der Arbeitsplätze geschaffen werden, wie es das EEG hinbekommen hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben in Nordrhein-Westfalen zwischen 2005 und 2010 einen Kampf gegen die Windmühlen gefochten und den Wachstumszweig der erneuerbaren Energien aus rein ideologischen Gründen bekämpft. Die Änderung des EEG auf Bundesebene hat weitere wichtige Arbeitsplätze vernichtet.

Ohne diese politischen Sperrfeuer wären wir heute um Zehntausende zukunftsfeste Industriearbeitsplätze weiter. Wir können die positive Entwicklung im Bereich der Umweltwirtschaft auch mit weiteren Zahlen hinterlegen.

Nordrhein-Westfalen ist mit 320.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 70 Milliarden € führend und einer der größten Anbieter im Bereich der Umweltwirtschaft. Wir wollen bis 2025 weitere 100.000 Arbeitsplätze in diesem Bereich schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, wir haben viel erreicht. Wir haben als erstes Land ein Klimaschutzgesetz vorgelegt. Wir haben als erstes Land Fracking ausgeschlossen. Wir werden dies auch mit dem Landesentwicklungsplan rechtssicher hinterlegen. Und wir haben den Tagebau Garzweiler verkleinert: 300 Millionen Tonnen bleiben in der Erde.

Die wahren Vernichter von Energiearbeitsplätzen sind doch diejenigen, die die Energiewende blockieren. Atom ist Vergangenheit. Kohle ist absteigende Gegenwart, und die erneuerbaren Energien sind die Zukunft. Hier liegt die Zukunft für unser wunderschönes Heimatland Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der Ökologisierung ist die Digitalisierung die zweite große Innovationsschiene in der Welt von morgen. Beide zusammen liefern den Schlüssel für die Wirtschaft von morgen. Als Landesregierung bringen wir auch beides zusammen.

Wir setzen gezielt auf die Digitalisierung. Wir investieren hier so viel wie noch nie zuvor mit der Bereitstellung der Landesmittel für die Kofinanzierung des Bundesprogramms und dem gleichzeitigen vollständigen Einsatz des Landesanteils an der Digitalen Dividende II für den Breitbandausbau.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben eine Opposition, die meines Erachtens ihre Hausaufgaben heute hier nicht gemacht hat und die die Sachdebatte scheut. Das sieht man an der One-Man-Show von Herrn Lindner von der FDP. Sie kennen keine Sachdebatten und auch keine Mitbewerber mehr, mit denen Sie diskutieren wollen.

Sie kennen nur noch Feinde, die Sie wegputzen wollen: Sylvia Löhrmann – muss weg. Hannelore Kraft – muss weg. Klimaschutz – muss weg.

(Zuruf von den PIRATEN: Jäger muss weg!)

Mindestlohn – muss weg. Angela Merkel – hat den Kontinent ins Chaos gestürzt.

Herr Kollege, das ist meines Erachtens eine sehr anmaßende Sprache für eine Partei, von der die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler 2013 gesagt hat: Die muss weg aus dem Deutschen Bundestag.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Mit 10 % sind Sie von der Regierungsbildung aber noch weit entfernt! Das ist anmaßend!)

Die Sätze, die Sie geliefert haben, Herr Kollege Lindner, sind, ehrlich gesagt, auf einem unterirdischen Niveau: Toni Hofreiter – mit ihm ist keine menschliche Kommunikation möglich.

(Christian Lindner [FDP]: So ist es, weil er ein Ideologe ist! – Zurufe von den GRÜNEN – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Aber Sie nicht, oder? – Michele Marsching [PIRATEN]: Nein, Christian Lindner doch nicht!)

– So viel, Herr Kollege Lindner,

(Christian Lindner [FDP]: Zwischen mir und Frau Göring-Eckardt ist menschliche Kommunikation möglich!)

zu Ihrem Fairnessabkommen für den Wahlkampf, das Sie der Presse gestern verkündet haben.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

– Sachorientiert, Kollege Lindner …

(Christian Lindner [FDP]: Mit Frau Göring-Eckardt ist menschliche Kommunikation möglich, mit Hofreiter nicht! – Michele Marsching [PIRATEN]: Da sagt man Sorry, und dann redet man auch mit dem! – Gegenruf von Christian Lindner [FDP]: Ich habe mit dem schon tausendmal geredet im Unterschied zu dir! – Gegenruf von Michele Marsching [PIRATEN]: Da wäre ich jetzt vorsichtig! Aber auf 1.000 komme ich nicht, da hast du recht!)

– Es ist sehr entlarvend, wie Sie sich heute verhalten, Herr Kollege Lindner. Sachorientiert ist eine solche Politik allerdings nicht. Politisch klug ist sie auch nicht. In Sachen Diskursfähigkeit sind Ihnen in Ihrer Partei allerdings einige Kollegen weit voraus, zum Beispiel Wolfgang Kubicki, mit dem durchaus ein menschliches und sachgerechtes Gespräch möglich ist.

Sie haben offensichtlich auch ein Problem damit, dass in Nordrhein-Westfalen mit Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann zwei sehr erfolgreiche Frauen an der Spitze stehen. Beim Parlament und Verfassungsgericht ist es nicht anders.

(Christian Lindner [FDP]: Warum habe ich damit ein Problem?)

– Ich sage Ihnen, warum Sie damit offensichtlich ein Problem haben: Die FDP hat auf ihren Listen für den Landtag auf den ersten 24 Plätzen gerade mal drei Frauen und auf der Liste für den Bundestag lediglich eine Frau auf den ersten zwölf Plätzen. Das sind wahrhaft saudische Verhältnisse.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Lachen von Christian Lindner [FDP])

Da ist es nur konsequent, Herr Kollege Lindner, wenn die FDP Sturm läuft gegen unsere Pläne, die Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen in der öffentlichen Verwaltung durchzusetzen. Wir werden jedenfalls nicht lockerlassen und diesen verfassungswidrigen Zustand beenden, um die Gleichstellung gesetzmäßig wiederherzustellen, wie Herr Prof. Papier uns das vorgeschlagen hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Kaum Frauen bei der FDP, aber dafür trotzdem eine Doppelspitze: Herr Lindner in Personalunion für Berlin und für Düsseldorf.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Lindner muss ja auch ganz schnell wieder weg – nach Berlin, wo die ganze Welt schon sehnsüchtig auf den Kollegen wartet. Deswegen erlaube ich mir heute eine Frage an Sie:

(Christian Lindner [FDP]: Ja, fragen Sie!)

Können wir wirklich sicher sein, dass Sie nach der Bundestagswahl weg sind?

(Beifall von den GRÜNEN)

Oder machen Sie den umgekehrten Röttgen mit Landtagsmandat als Rettungsschirm und Rückversicherung? Falls es mit Berlin nicht klappt, dann vielleicht doch wenigstens Düsseldorf? Danach sieht nämlich das aus, was Sie hier veranstalten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sylvia Löhrmann ist eine der erfolgreichsten Schulministerinnen, die dieses Land je gesehen hat.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

– Vielleicht sollten Sie auch da die Sprache mäßigen, die Sie hier im Vorfeld angeschlagen haben.

Sofort nach ihrem Amtsantritt hat Sylvia Löhrmann die schlimmsten Fehlschüsse, die Sie und die CDU gemacht haben, korrigiert. Sie hat das Vorziehen des Schuleintrittsalters gestoppt; sie hat die sinnlosen, pädagogisch fragwürdigen und bürokratieproduzierenden Kopfnoten abgeschafft und kleine Grundschulstandorte gesichert, insbesondere im ländlichen Raum. „Kurze Beine, kurze Wege“, das gilt auch weiterhin.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sylvia Löhrmann hat dann auch dafür gesorgt, politische Grabenkriege zu beenden. Da sage ich einen herzlichen Dank an die CDU, die eingesehen hat, dass man Schulstrukturdebatten von den Kindern her denken muss und nicht von den Strukturen her. – Vielen Dank, dass der Schulkonsens zustande gekommen ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben auch in diesem zentralen Bereich Geld in die Hand genommen, um voranzukommen. Wenn Sie sehen wollen, Herr Kollege Laschet, was politisches Hochschalten ist, hier sind die Zahlen:

Seit dem Regierungswechsel 2010 haben wir den Haushalt für Schule und Weiterbildung um 3,9 Milliarden € aufgestockt. Das ist ein Aufwuchs von fast 30 %. Damit – das ist jetzt wichtig – wurden 10.000 Stellen im System belassen, die sonst dem demografischen Abbau zum Opfer gefallen wären.

Es sind weitere 7.300 Stellen aufgrund der Zuwanderung bereitgestellt worden, 4.500 davon für den Grundbedarf und 1.500 für Sprachschulungen. Wir haben jetzt mehr Lehrerinnen und Lehrer, obwohl es weniger Schülerinnen und Schüler sind. Das ist die Wahrheit, die für diesen Bereich gilt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Lindner, mit der Schmierenkomödie bezüglich der kw-Vermerke haben Sie mich als Haushälter geradezu herausgefordert. Diese Landesregierung hat als erste in Deutschland reagiert, als die Zuwanderung so deutlich zugenommen hat. Wir haben als erstes Bundesland zusätzliche Lehrerinnen- und Lehrerstellen bereitgestellt; ich habe die Zahlen eben genannt.

Wenn wir diese Stellen jetzt zunächst mit einem kw-Vermerk versehen, dann ist das vorausschauende Politik und kein Versprechen für die Zukunft. Wenn die Zuwanderung so bleibt, wie sie ist, werden wir die kw-Vermerke auch wieder streichen. Aber es ist unseriös, die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer ins Blaue hinein zu erhöhen und so zu tun, als würde die Zuwanderung immer weiter so anhalten. Mit dieser unseriösen Spielerei wollen Sie davon ablenken, dass Sie in dem Bereich nichts zu bieten haben, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Kommen wir zu einem weiteren wichtigen Bereich der Schulpolitik, den Sie eben auch von den Füßen auf den Kopf gestellt haben. Wir haben dort noch eine Menge vor. Von den Kindern her denken, das heißt für uns: Wir wollen individuelle Lernzeiten ermöglichen; denn jedes Kind braucht seine Zeit. Statt Strukturdebatten über G8 und G9 zu führen und die Frage der Schulentwicklung gegen Konzepte auszuspielen, sollten wir lieber von den Kindern her denken und nicht vom Gymnasium her, wie es die FDP macht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei unserem Modell ist an jeder Schule G8 und G9 möglich, eventuell sogar G7 oder G10. Wir schicken die Schulen auch nicht in den Konkurrenzkampf untereinander, wie es CDU und FDP tun wollen, indem sie sich zwischen G8 und G9 im Komplettsystem entscheiden sollen.

(Christof Rasche [FDP]: Wer ist denn jetzt „wir“?)

Ich sage Ihnen, was das für die Schullandschaft bedeuten würde: Wenn Sie dann von Oberhausen nach Münster ziehen wollten, wäre es nicht mehr möglich, die Schule zu wechseln.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Warum sollte man aus Oberhausen wegziehen?)

Sie könnten sogar in der gleichen Stadt das Gymnasium nicht mehr wechseln, wenn Ihre Schulpolitik umgesetzt würde. Sie wollen deutschlandweit Bildungssysteme vereinheitlichen, in Nordrhein-Westfalen aber neue Hürden aufbauen. Das ist doch der größte Widerspruch, den Sie bildungspolitisch überhaupt produzieren können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei uns gilt: maximale Flexibilität. Wir halten durch diese Form der Durchlässigkeit das Aufstiegsversprechen für alle Kinder ein. Man kann von jeder Schulform in die andere wechseln. Bei uns sollen alle Talente genutzt und eben nicht in Strukturdebatten aufgerieben werden. So geht moderne Schule heute. Damit ist dieses schöne Bundesland Nordrhein-Westfalen auf einem guten Weg.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben vorhin von Lindner und Laschet zwei Reden mit einem Tenor gehört: Nordrhein-Westfalen steht am Abgrund. Von Paderborn bis Aachen nichts als Niedergang und Krise, angeblich verursacht durch Rot-Grün.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das stimmt nicht! Herr Laschet hat etwas anderes gesagt!)

Es braucht demnach die zwei von der Tankstelle, Laschet und Lindner, mit viel Benzin im Blut – wobei Herr Lindner ja gleich nach Berlin weiterfährt. Wir brauchen angeblich diese Hochschalt- und Entfesselungspolitik. Geben Sie doch zu, dass hinter 95 % Ihrer Rhetorik nichts als knallharte Interessenpolitik steht.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Was?)

Sie sagen: „Endbürokratisierung“, in Wirklichkeit meinen Sie: „Abstriche bei der Mitbestimmung“. Sie sagen: „Entfesselung der Märkte“ und meinen tatsächlich: „Sozialabbau und Ökodumping“. Eigentlich wollen Sie doch sagen: Schluss mit Arbeitsnehmer-, Verbraucher- und Klimaschutzpolitik. – Das klingt aber nicht so gut.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: So ist es! – Beifall von den GRÜNEN)

Doch glauben Sie mir: Sie können den Menschen nicht Rot-Weiss Essen als Real Madrid verkaufen. Die Menschen sind nicht so blöd; die erkennen das. Ich bin mir ganz sicher, dass die Wählerinnen und Wähler am 14. Mai 2017 keine Koalition für „Privat vor Staat“ wiederauferstehen lassen. Da stehen wir ganz klar davor.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Düsterprognosen, die Sie hier abgeben, entsprechen nicht den Fakten. Im Übrigen entsprechen sie auch nicht dem Gefühl, das die Menschen in Nordrhein-Westfalen haben.

(Christof Rasche [FDP]: Woher kennen Sie das denn?)

Nordrhein-Westfalen tickt sozial und ökologisch. Das ist gut so, und das bleibt auch so.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Haushalt 2017 werden starke Zukunftssignale gesendet. Wir setzen klare Schwerpunkte für Modernisierung, für den ökologischen sowie den sozialen Umbau unseres Industrielandes, für zukunftsfähige Arbeitsplätze, beste Bildung und für einen anspruchsvollen Umwelt- und Klimaschutz. Wir stärken die Infrastruktur, insbesondere auch durch das Programm „Gute Schule 2020“, und unterstützen die Städte und Gemeinden nach Kräften.

(Ralf Witzel [FDP]: Und die Fledermäuse!)

– Dieser Haushalt, Herr Kollege Witzel, setzt ein klares Signal für ein solidarisches, weltoffenes Nordrhein-Westfalen, in dem es sich zu leben lohnt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der Haushalt setzt zudem ein Signal für einen weiteren intelligenten digitalen und ökologischen Aufbruch ins nächste Jahrzehnt. Hier schließe ich mich an das an, was Herr Kollege Römer vorhin gesagt hat: Auch ich freue mich auf Juni 2017, wenn wir als rot-grüne Koalition wieder die Regierung stellen werden.

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

Ich bitte Sie, diesem Haushalt zuzustimmen und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Langanhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Marsching das Wort.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Das hier ist alles ein bisschen traurig. Es ist ein bisschen traurig, dass es die sechste Haushaltsdebatte ist, der wir beiwohnen …

(Hendrik Schmitz [CDU]: Es ist auch die letzte! – Lukas Lamla [PIRATEN]: Sehr qualifizierter Beitrag!)

– Das werden wir ja noch sehen.

Und irgendwie ist es jedes Mal derselbe …

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Christian Lindner [FDP] halten ein Zwiegespräch)

– Ich warte kurz, bis Sie mit dem Gespräch fertig sind.

Es ist das sechste Haushaltsverfahren, das wir miterleben, und jedes Mal ist es der gleiche Bullshit, um es auf Deutsch zu sagen. Die Regierung lehnt jeden noch so sinnvollen Änderungsantrag ab, die FDP geht jedes Mal einfach mit dem Rasenmäher über den Haushalt und will so die Nettoneuverschuldung senken, und die CDU fordert mal wieder die Einführung von Studiengebühren und will mal wieder den Haushalt konsolidieren.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Marsching, gestatten Sie mir einen Hinweis: Ich möchte Sie doch bitten, sich bei aller Klarheit der politischen Auseinandersetzung einer Sprache zu befleißigen, die diesem Parlament angemessen ist. So viel mit Blick auf Ihre Eingangssätze für den weiteren Verlauf Ihrer Rede. Auch wenn Sie es in der englischen Variante gebracht haben; wenn Sie wissen, was ich meine.

(Zuruf von den PIRATEN: Das hat aber lange gedauert! – Olaf Wegner [PIRATEN]: Sagen Sie doch mal den anderen Rednern, was angemessen ist!)

Michele Marsching (PIRATEN): Okay, ich versuche es. – Also noch einmal: Die CDU fordert die Einführung von Studiengebühren, die CDU will den Haushalt konsolidieren. Sie reden über Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Wachstum, Wachstum, Wachstum. Die innere Sicherheit muss gestärkt werden, die Bürokratie muss abgebaut werden. Sie sagen: „Wir brauchen eine strukturelle Haushaltskonsolidierung“,

(Ralf Witzel [FDP]: Richtig!)

und für alles brauchen Sie eine Gegenfinanzierung. Wie immer spielen wir das alte Spiel aus „Das Leben des Brian“: Er war’s, er war’s – sie war’s, sie war‘s. – Das alles geht komplett an der Realität vorbei.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Hört, hört!)

Teilweise geht es sogar am Haushalt vorbei, weil überhaupt nicht über den Haushalt gesprochen wird. Ich kann Ihnen sagen: Auf diese Rituale haben viele Leute keinen Bock mehr. Viele verstehen es nicht mehr. Viele verstehen nicht, warum wir hier nicht über die Zukunft reden.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Laschet, wenn ich Ministerpräsidentin wäre, dann würde ich hier Tacheles reden und würde sagen, was ich vorhabe. Dann würde ich die Probleme benennen, und zwar diejenigen, bei denen der Schuh am meisten drückt: die hohe Kinderarmut, die hohe Arbeitslosigkeit, das geringe Wirtschaftswachstum, die bröckelnden Brücken. Wir haben zerfallende Straßen, wir haben einen Kitakollaps, wir haben einen Verkehrskollaps, wir haben ein marodes Bildungssystem, wir haben kaum Mitwirkungschancen und kaum Aufstiegschancen.

Das ist Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016. Das sind die Probleme der Menschen. Und die hat die rot-grüne Landesregierung zu verantworten; denn hier hat sie in der gesamten Legislaturperiode gepennt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Zustand Nordrhein-Westfalens ist kein Naturgesetz, und ich greife nicht das Land Nordrhein-Westfalen an, sondern die schlechte Politik der Landesregierung.

(Beifall von den PIRATEN)

Schon seit Jahren fehlen im Haushalt Investitionen in die wirklich wichtigen Zukunftsthemen. Dieses Jahr liegt die Investitionsquote bei knapp 9%. Sie verwalten, statt zu gestalten. Sie schauen zu, statt endlich zu machen. Sie lassen zurück, statt mitzunehmen, und sie schieben ab, statt willkommen zu heißen. Das ist die Regierung Kraft/Löhrmann.

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn ich Ministerpräsidentin wäre, würde ich einen anderen, einen ehrlichen Haushalt machen

(Lachen von der CDU – Zuruf von der CDU: Was würden Sie dann anziehen?)

und keine Fake-Finanzen. Dazu muss man, wenn man ehrlich ist, tief in die Schatztruhe greifen und sich zur Not auch verschulden.

Jetzt kommen Sie mir nicht mit der Schuldenbremse! Ich höre es schon wieder. Die Schuldenbremse ist ebenso wenig ein Naturgesetz

(Zuruf: Steht nur im Grundgesetz!)

wie der schlechte Zustand dieses Landes. Die Schuldenbremse ist eine politische Entscheidung der Union und der SPD im Bund gewesen. Das kann man geraderücken.

(Zuruf von der CDU: Nein, steht im Grundgesetz! – Gegenruf von Daniel Düngel [PIRATEN]: Ist das da reingeflogen? – Weitere Zurufe)

– Es ist ganz zufällig ins Grundgesetz gekommen.

Im Land können wir nichts an der Einnahmeseite machen. Oder sagen wir: sehr wenig. Sonst kommen da auch wieder Zwischenrufe. – Das heißt, die Schuldenbremse ist für das Land immer eine Ausgabenbremse. Damit fesselt sich das Land selber, und damit schnüren wir uns selber die Luft zum Atmen ab. Denn solange Großkonzerne wie Apple, Google, Amazon und Co. Steuerschlupflöcher ausnutzen und Steuern im Promillebereich bezahlen, so lange raubt die Schuldenbremse den Kindern in diesem Land ihre Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir lehnen es ab, Steuern auf Kosten der Schwächsten in unserer Gesellschaft sparen zu lassen. Ich verstehe nicht, wie blind Sie alle sein können, dass Sie das nicht sehen, und wie es sein kann, dass wir hier im Landtag die Einzigen sind, die sagen: Die Schuldenbremse ist schlecht für dieses Land.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie reden immer wieder von Generationengerechtigkeit. Aber es ist doch nicht nur generationengerecht, über Verschuldung zu reden, sondern man muss auch über die Zukunft der Kinder sprechen und darüber, wie es bei den Investitionen aussieht. Wer nicht in Bildung investiert, wer wichtige Infrastrukturen verkommen lässt, derjenige vergeht sich doch an der Generationengerechtigkeit.

Zu den heutigen niedrigen Zinsen hat Herr Lindner gerade alle Argumente genannt, auch wenn er mir wahrscheinlich nicht mehr zuhören will – egal. Wir haben Ihnen übrigens auch zugehört; das möchte ich nur noch mal gesagt haben. – Bei den heutigen niedrigen Zinsen, die der Finanzminister zahlen müsste – die Argumente sind alle gerade von der FDP gekommen –, grenzt es quasi an Wahnsinn, nicht zu investieren und keine Schulden aufzunehmen, um das Land fit für die Zukunft zu machen.

Genau jetzt müssen wir Geld in die Bildung stecken. Genau jetzt wäre es einfach, das Land für die digitale Zukunft fit zu machen. Genau jetzt ist der kritische Moment, in dem wir Weichen stellen können, um alle Menschen im Land mitzunehmen und nicht nur Google, Apple und Amazon und Co. Genau jetzt ist es doch viel schlimmer, nichts zu machen und immer nur den Stilstand herbeizusehnen und zu bremsen und zu bremsen. Das ist das Dümmste, was man machen kann.

Genau jetzt führt Sparen dazu, in der digitalen Zukunft arm zu sein: arm an Wachstum, arm an Innovationen, arm an sozialer Verantwortung, arm an Chancen und arm an Möglichkeiten. Nicht in die Zukunft zu investieren, das ist die schlimmste Form der Verschuldung. Denn wer nicht in die Zukunft investiert, entzieht sich seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir, müssen Sie hier und heute über Folgendes entscheiden:

Entweder übernimmt das Land die Kitafinanzierung, oder die Eltern müssen Beiträge zahlen.

Entweder saniert das Land die Straßen, oder die Autofahrer müssen bald wegen der ÖPP-Projekte Mautgebühren an geldgeile Hedgefonds bezahlen.

Entweder sorgt das Land für kostenfreie Bildung, oder die Studenten müssen Studiengebühren zahlen.

Gebühren, Abgaben, Maut – am Ende geht es immer um die private Verschuldung von Menschen in diesem Land, wenn wir das Geld nicht in die Hand nehmen. Das ist finanzpolitisch völliger Unsinn. Wir wollen, dass sich das Land um die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben kümmert und die Schuldenbremse den Menschen nicht ins Portemonnaie greift. Denn das kommt am Ende dabei heraus.

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn ich Ministerpräsidentin wäre, hätte das Land einen ehrlichen Haushalt und keine Fake-Finanzen. Ein ehrlicher Haushalt braucht eben Mehrausgaben in Höhe von mindestens 4,25 Milliarden €, die wir gefordert haben. Und das ist nur ein Anfang.

Wir haben mehr als 60 Anträge vorgelegt. Allein die drei größten haben einen Umfang von 3,5 Milliarden € – 3,5 Milliarden € für Aufgaben, die nicht von selbst verschwinden, nur weil Sie hier entscheiden: Die Anträge der Piraten lehnen wir mal ab. – Die Probleme bleiben bestehen, und Sie müssen sie angehen. Sie dürfen sich von der schwarzen Null nicht etwas anderes diktieren lassen.

Letzten Montag haben wir eine Aktuelle Stunde beantragt, die mal wieder abgelehnt wurde; darüber reden wir wahrscheinlich morgen. Stattdessen machen wir wieder Wahlkampf-Plemplem. Dabei geht es um kritische Infrastruktur, as known as „lebenskritische Infrastruktur“, as known as „IT‑Sicherheit in Krankenhäusern“.

Och, jetzt kommen wieder diese blöden Piraten mit ihrer IT. Aber IT‑Sicherheit ist eben kein reines Nerd-Thema. Am Ende geht es im Krankenhaus um Leben und Tod. In den letzten Monaten sind mehr als 30 Krankenhäuser auf digitalem Weg angegriffen worden. Einige EDV-Systeme dieser Krankenhäuser sind infiziert worden, sodass sich diese Krankenhäuser von der Notversorgung abmelden mussten. Das bedeutet, dass Patienten verlegt und wichtige Operationen verschoben werden müssen.

Das war ein harmloser Angriff, und ich frage mich: Muss denn erst jemand auf dem OP-Tisch sterben, bevor Sie es mal irgendwie verstehen?

(Beifall von den PIRATEN)

Aber Hauptsache, Sie halten die Schuldenbremse ein! Mann!

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn die Menschen in Krankenhäuser gehen, verlassen sie sich doch nicht nur darauf, dass sie dort saubere OPs und gut ausgebildete Ärzte vorfinden, sondern eben auch darauf, dass das Netzwerk und die Maschinen sicher sind. Die Gefahr geht doch heutzutage nicht nur von multiresistenten Keimen aus, sondern wir reden eben auch über multiresistente Viren. Das müssen Sie endlich einmal angehen.

Zum Gesundheitsministerium.

(Michele Marsching [PIRATEN] schaut sich im Plenarsaal nach der Ministerin um.)

– Ich komme gleich noch einmal darauf zurück, wenn die Ministerin wieder da ist.

(Michele Marsching [PIRATEN] überlegt, an welcher Stelle seiner Rede er fortfährt.)

Frau Kraft, Ihre Gesundheitsministerin sagt: Wir haben kein Geld, und außerdem sind wir auch nicht zuständig. – Ich sage Ihnen: Beides ist falsch. Das Land muss sich kümmern; das Land hat diese Aufgabe. Natürlich müssen wir uns auch um die Finanzierung dieses Landes kümmern.

Die Experten sagen uns, dass das Sicherheitsniveau in den Krankenhäusern – wir haben das hier in den Anhörungen gehört – teilweise auf dem Stand der 80er- oder der 90er-Jahre ist. Viele Krankenhäuser benutzen standardmäßig immer noch Windows XP. Dafür gibt es seit dreieinhalb Jahren noch nicht mal mehr ein Update von Microsoft. Wie kann man das, bitte, verantworten? Ich verstehe das nicht.

Auch verstehe ich nicht, warum die Ministerin sich das nicht anhören will. Aber das ist egal, ich überspringe das jetzt einfach. Vielleicht sage ich ihr das gleich noch einmal privat. Sehr strange das Ganze!

(Zuruf)

– Ja, ich kann das auch nicht, und trotzdem habe ich hier bisher allen Rednern zugehört. Und ich werde noch weiter – bis zum Ende der Haushaltsdebatte – hier sitzen, weil mir der Haushalt dieses Landes wichtig ist. Ihnen ist er ja auch wichtig; denn Sie sind auch hier. – Ja, so ist das System.

Ein flächendeckendes Datenschutzmanagement kostet ungefähr 100.000 € pro Krankenhaus. Wenn ich das auf alle Krankenhäuser hochrechne, komme ich auf 36 Millionen €. Wird das Personal geschult – das ist noch viel wichtiger, weil einige Angriffe eben Social Engineering sind –, dann kostet das gerade einmal 200 € pro Beschäftigten.

Ich rechne das hoch: Bei 247.000 Beschäftigten bin ich bei 50 Millionen €. Dazu kommt noch – das sagen die Experten – Hardware im Wert von ungefähr 1,3 Millionen € pro Krankenhaus; das sind noch mal 500 Millionen €. Wir brauchen also 600 Millionen € für die IT-Sicherheit im Krankenhaus, um zu verhindern, dass uns jemand auf dem OP-Tisch einfach wegstirbt.

Wenn wir das nicht machen – Krankenhäuser werden gezielt angegriffen, und diese Angriffe gibt es jeden Tag –, werden wir bald Regionen haben, wo die Versorgungssicherheit des einzigen Krankenhauses, das es dort überhaupt noch gibt, gefährdet sein kann. Dann werden bald sensible Patientendaten in die Hände von Kriminellen geraten. Und dann werden nicht die Krankenhäuser erpresst, sondern die Patienten selber.

Weiterhin wird es dann – wie es in einigen Krankenhäusern schon passiert ist – Zugriffe auf medizinische Geräte geben. Wenn plötzlich eine automatische Injektion vorgenommen wird, muss ich kein Arzt sein, um zu verstehen, was es bedeutet, wenn die falschen Medikamente zum falschen Zeitpunkt in der falschen Dosis verabreicht werden.

Ich komme zum unserem zweiten Punkt, zu den Kindergärten.

(Michele Marsching [PIRATEN] entdeckt die Ministerin.)

– Ach, da sitzt sie doch! Ich habe das erst verneint und dann hingeguckt. Es war andersherum. Dafür muss ich mich entschuldigen. – Frau Kampmann, im Jahr 2008 waren Sie noch nicht im Amt. Ich versuche, das jetzt einigermaßen auseinanderzubekommen. Seit 2008 meckern zumindest Sie, Frau Ministerpräsidentin, ständig am KiBiz herum. Das finde ich vollkommen in Ordnung. Beim KiBiz muss unbedingt nachgebessert werden – nein, besser: Es muss erneuert werden.

Seit 2010 ist diese Landesregierung bzw. Rot-Grün an der Macht. Und „Macht“ kommt von „machen“. Es wurde aber erst mal beschlossen: Wir machen nichts. Wir wollen nichts überstürzen. – „Macht“ kommt von „machen“. Allein dieser Hashtag „machen wir“ ist jedoch zu wenig. Gemacht wurde nichts. Die wesentlichen Probleme wurden nicht angegangen. Es wurde nur herumgedoktert, und alle Punkte, die man eigentlich ändern wollte, wurden eben nicht geändert.

Jetzt kam folgende Meldung herein: Es gibt 7.000 Kitas, die nicht mehr kostendeckend geführt werden können. Aber die Landesregierung hat ja beschlossen, nichts zu überstürzen. Jetzt fehlen 15.600 Fachkräfte. Es heißt aber: Wir wollen nichts überstürzen. – Die Lage wird immer schlimmer.

Letztes Jahr gab es den Kitastreik. Kann sich daran vielleicht noch jemand erinnern? Also, wenn Sie sich nicht erinnern können, die Eltern – vor allem die erwerbstätigen Eltern, die ihre Kinder eben nicht mehr in die Kitas bekommen haben; sie mussten gucken, wo die Kinder bleiben – können sich ganz sicher daran erinnern.

Inzwischen haben Sie da ein bisschen nachgebessert, okay. Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege sagen aber immer noch: Es reicht nicht, die Kosten sind nicht gedeckt. – Die können aber kein Geld herbeizaubern. Die Betriebskosten steigen, und der Betreuungsschlüssel ist unterirdisch. Außerdem fehlen 15.600 Fachkräfte; 7.000 Kitas sind unterfinanziert. Das ist Kampmanns Kitakollaps.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Kinder haben ein verbrieftes Recht auf Bildung. Und frühkindliche Bildung findet in der Kita statt. In der Kita sollen Benachteiligungen aufgefangen werden. Dort sollen die Chancen der Kinder verbessert werden. Ich verstehe nicht, wie Sie sich dann noch trauen können, zu sagen: Wir nehmen uns die Zeit, die wir dafür brauchen. Die Zeit dafür ist jetzt. So macht man Lebenschancen kaputt.

(Beifall von den PIRATEN)

2015 haben Sie gesagt: Na ja, wir machen das mittelfristig. Nichts überstürzen! – Seit einer Weile heißt es: Wir machen es nach der Wahl. Na ja, immerhin. Sie sind ja konsequent mit Ihrem „nichts überstürzen“ und schieben und schieben und schieben. Jedes weitere vertrödelte Jahr gehen 160.000 Kinder in die Schule, die eben nicht die Chance haben, die ein neues KiBiz bietet. Ich habe die Befürchtung, dass, bevor Sie es geschafft haben, das KiBiz zu erneuern, die ersten KiBiz-Kinder ihr Abitur – und zwar mit G9 – gemacht haben.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Ja, weil Sie hier seit 2008 über eine KiBiz-Erneuerung reden. Und seit 2008 meckern Sie herum. Es passiert aber nichts! Bis die Kinder dann irgendwann einmal von dem KiBiz profitieren können, haben die doch schon längst ihr Abitur gemacht. Dann ist die Schulzeit doch schon herum. Wie lange wollen Sie denn noch warten, bis da einmal etwas Neues kommt?

Die Freien Wohlfahrtsverbände machen klar: Wir brauchen jetzt 1,5 Milliarden €. Das ist die Unterfinanzierung, von der wir reden. Wenn ich das auf alle Kindergärten in Nordrhein-Westfalen hochrechne, komme ich auf 2 Milliarden €. Genau das ist unsere Forderung. Das müssen wir ausgeben. Sie können nicht einfach weiter die Füße hochlegen und bis nach der Wahl warten. Wir müssen jetzt das System vor dem Zusammenbruch bewahren, nicht erst 2019 und nicht erst 2025 oder irgendwann.

Die Träger sagen ganz klar: Wenn nichts passiert, dann müssen im nächsten Jahr die ersten Einrichtungen geschlossen werden. Ist das das, was wir wollen, dass Kinder nicht mehr betreut werden können, weil die Plätze wegfallen?

Ist das immer noch diese Landesregierung, die kein Kind zurücklassen will? Ich verstehe das persönlich nicht, und ich erinnere Sie noch einmal an die erste Lesung des Haushalts, an die Achse der Abgehängten. Bei Leuten, die ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken können, die es eben nicht privat kompensieren können wie diejenigen, die etwa FDP-Wähler sind, die die Kohle haben und deren Kinder in private Kindergarten gehen, müssen wir aufpassen. Da werden Leute abgehängt. Und das darf einfach nicht passieren.

(Beifall von den PIRATEN)

Hauptsache, wir halten die Schuldenbremse ein; denn das ist ja generationengerecht. Da machen wir demnächst hier freitags statt eines Veggie-Days einen Schwarze-Null-Day, dann dürfen die Kinder auf der schwarzen Null herumkauen. Hauptsache, wir haben nichts überstürzt.

Drittes Beispiel: Da Herr Duin noch nicht genug abbekommen hat mit dem kleinen Lob, das er vorhin bekommen hat, auch wenn es irgendwie anders gemeint war:

(Christian Lindner [FDP]: Das war nicht anders gemeint!)

– Oh! Das war ein ehrliches Lob? – Okay, dann bin ich umso verwunderter. Garrelt Duins Glasfaser-Desaster, des Kupferkabelsalats nächster Akt. Was ist passiert? Gut, da muss man jetzt vorsichtig sein, weil ja echt wenig passiert ist. In Südkorea ist was passiert, in Litauen ist etwas passiert, in den Niederlanden ist etwas passiert. Bei uns geht es eben nicht voran mit dem Glasfaserausbau. Da frage ich mich: Warum liegen wir eigentlich so weit zurück? Warum passiert hier eigentlich nichts?

Seit Jahren werden alle möglichen Argumente herangezogen, um den Umstieg auf das Gigabit-Glasfaser-Internet zu verhindern. Aber der einzig wahre Grund ist doch, dass Sie feige sind und bequem sind. – Ich darf das jetzt nicht sagen oder? – Ich versuch es mal.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Es ist schon gut, dass Sie mit Vorsicht darangehen, Herr Kollege.

Michele Marsching (PIRATEN): Ich lasse Vorsicht walten. Ich versuche es. Ich sage es mal so: Sie kriechen der Telekom dahin, wo die Sonne nicht scheint. War das okay? Ich habe das böse Wort herausgenommen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das kann man philosophisch interpretieren.

(Beifall von den PIRATEN)

Michele Marsching (PIRATEN): Mit dem aktuellen Ausbautempo schaffen wir es, Mitte nächsten Jahrzehnts alle Haushalte an das 50-Mbit-Netz anzuschließen, auch im ländlichen Bereich.

(Lachen bei den PIRATEN)

Das ist das Mindestziel. Nicht schnelles Internet, sondern 50 Mbit! Ja, gut; einige von Ihnen glauben, 50 Mbit wäre schnell. Da soll einer sagen, Politiker hätten keinen langen Atem. Diese Landesregierung hat einen sehr langen Atem; denn Frau Kraft denkt bis 2175. Wenn ich nämlich das heutige Ausbautempo des Glasfasernetzes nehme, dann komme ich 2175 auf ein voll ausgebautes Glasfasernetz in Nordrhein-Westfalen. Für die CDU: Das sind 40 Legislaturperioden von Angela Merkel. 40!

(Beifall von den PIRATEN)

Aber, Frau Kampmann, vielleicht schaffen Sie es ja bis dahin, das KiBiz zu erneuern. Das wäre auch etwas.

Unser Vorschlag: Wir müssen jetzt investieren. Sie haben den Änderungsantrag vorliegen. Wir brauchen insgesamt, so sagen die Berechnungen, 8,6 Milliarden €, strecken das auf zehn Jahre. Wir brauchen dieses Jahr 860 Millionen € im Haushalt, und wir haben einfach keine Zeit mehr. Sie legen da jetzt eine Gigabit-Strategie vor, aber Sie sagen nicht, wie Sie es finanzieren wollen.

Das schnelle Internet ist inzwischen genauso wichtig wie ein Stromanschluss und ein Wasseranschluss. Wir haben letzte Woche gesehen, was passiert, wenn die Leute plötzlich kein Internet mehr haben, und wenn dieses völlig natürliche „Ich mache meinen Rechner an, ich bin im Netz“ plötzlich nicht mehr vorhanden ist, als die Telekom-Router angegriffen wurden.

Glasfaserzugang muss öffentliche Daseinsvorsorge sein. Da muss sich das Land drum kümmern. Und wir brauchen die Mittel jetzt. Wir brauchen ein Netz in Bürgerhand. Das können wir hinterher sogar wieder verpachten an die heutigen Netzbetreiber. Dann refinanziert sich das sogar fast auf lange Sicht. Und das wäre zukunftsweisende Politik.

(Beifall von den PIRATEN)

Und ganz ehrlich: Das ist so wichtig. Wenn Sie hier den Antrag ablehnen und wenn Sie uns auslachen, so wie es im Haushalts- und Finanzausschuss passiert ist, dann machen Sie einfach ein Programm der NRW.BANK! Dann kriegen wir das auch hin. Das schaffen Sie auch mit „Gute Schule 2020“ oder jetzt auch mit den Unikliniken, 516 Millionen € für Modernisierung. Da sollten 860 Millionen € für Glasfaser kein Problem sein.

Ich hoffe, dass die Schattenregierung der NRW.BANK hier auch zuhört und sich einfach mal anguckt, was wir vorschlagen. So ein paar Programme können Sie ja dann machen.

Gut, lassen wir das weg. –

Wissen Sie was? Das Problem ist doch ein ganz anderes. Das Problem ist hier, dass wir an einem massiven Brain-Drain von IT-Experten in diesem Land leiden, dass es keine Zukunft mehr für die wirklich gut ausgebildeten Menschen gibt. Es gibt einen Artikel vom WDR, 13.12.2016. Der Titel lautete: IT-Experten zieht es weg aus NRW. Der WDR redet davon, dass die Menschen in den Süden Deutschlands abwandern.

Ja, wir bilden in NRW vergleichsweise sogar gut aus. Sechs von zehn der besten Hochschulen sind in Nordrhein-Westfalen. Aber was nützt uns das, wenn die Leute danach weggehen und die Intelligenz, die da ausgebildet wird, aus NRW einfach verschwindet, weil die Landesregierung sie vertreibt?

Ich weiß nicht, warum niemand diese Probleme sehen will; gerade dieses Problem. Wir streiten hier über die Probleme von gestern. Wir streiten hier über Arbeitsplätze und Wachstum. Wir streiten hier über die Löcher, die wir stopfen müssen, weil die Landesregierung es nicht geschafft hat, vorher zu investieren. Und jetzt gehen die Hochqualifizierten weg aus Nordrhein-Westfalen, obwohl sie doch so wichtig wären für die Verwaltung, obwohl sie so wichtig wären für die Wirtschaft. Sie bieten einfach keine Perspektive für die jungen Menschen. Das ist eines der Probleme, über die wir reden müssen.

Was tut denn Hannelore Kraft für diese Leute? Was tut Garrelt Duin für diese Menschen? Da gibt es jetzt diese Hubs, für die man sich so abfeiert. Mit diesen Hubs will man die Old Economy und die New Economy irgendwie zusammenbringen. Das ist ungefähr so, als wenn Sie Mercedes und Uber an einen Tisch bringen wollen. Beide wollen ja Menschen von A nach B bringen. Aber da lacht sich Uber doch kaputt. Uber will einfach nicht mit Mercedes zusammenarbeiten. Uber hat ein ganz anderes Geschäftsmodell als Mercedes.

Was wir eigentlich bräuchten, ist eine Art digitale Genossenschaft. Wir bräuchten etwas, bei dem sich Menschen zusammenschließen, womit wir es schaffen, dass wir nicht diesen Plattformkapitalismus haben, der im Moment herrscht, bei dem das Geld alles abfließt, sondern wir bräuchten etwas, bei dem die Menschen vor Ort zusammenarbeiten, bei dem lokale Fachkräfte in Konzepten zusammensitzen und bei dem Sie am Ende die Arbeitskraft hier halten, womit Sie die Steuern hier halten, womit Sie die Intelligenzija hier halten. Das wäre eine Lösung für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber Sie haben überhaupt keine Antwort darauf, null. Stattdessen reden Sie von der Reindustrialisierung und sagen, der Stahlstandort Nordrhein-Westfalen sei total wichtig.

Claus Kleber hat in einer Doku über das Silicon Valley als letzten Satz etwas sehr Schönes gesagt. Er hat gesagt: Bremsen allein wird nicht reichen.

Die Reindustrialisierung bringt uns eben nicht nach vorne. Sie belügen die Menschen, wenn Sie sagen, Kohle und Stahl seien die Zukunft. Kohle und Stahl sind nicht die Zukunft. Die Zukunft ist IT, die Zukunft ist digital, die Zukunft ist sozial und kreativ.

(Armin Laschet [CDU]: Beides!)

Die Landesregierung will weiter Geld in Kohle stecken,

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Schwarz-Gelb will weiter Geld in Kohle stecken. Wir brauchen Kohle in die Köpfe gesteckt und nicht andersherum.

(Beifall von den PIRATEN)

Ja, ich rede hier von einer langfristigen Politik, die bei diesem Haushalt anfangen muss.

(Armin Laschet [CDU]: Gibt es langfristig keinen Stahl mehr? – Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Ja, das möchte ich auch mal gern wissen!)

– Doch, aber die wichtige Frage ist, ob der Stahl in diesem Land produziert werden muss und ob hier genügend Arbeitsplätze vorhanden sein werden, um damit die ganze Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu stützen. Das ist die wichtige Frage, wenn man die digitale Zukunft einfach verschläft und den Menschen erzählt, dass sie noch über Jahrzehnte von Kohle und Stahl leben werden können. In dieser Hinsicht werden die Menschen einfach belogen.

(Armin Laschet [CDU]: Von Stahl! – Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Nicht von Kohle ist die Rede, von Stahl!)

– Wir reden also nicht über die nächsten 20 Jahre mit der Braunkohle, oder wie?

(Thomas Kufen [CDU]: Stahl!)

– Ja, wir reden über beides. Wir reden über den Stahlstandort Nordrhein-Westfalen und über Braunkohle für die nächsten 20 Jahre, weil die Grünen es nicht schaffen, auszusteigen.

Ich lege noch ein paar Zettel zur Seite und möchte es einmal so formulieren: Wenn Hannelore Kraft es schafft, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel progressiv wirkt, dann ist in diesem Land Glückauf.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Marsching. – Als nächstem Redner erteile ich dem fraktionslosen Abgeordneten Schulz das Wort.

Dietmar Schulz (fraktionslos): Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon eine Menge toller Sachen über den Haushalt 2017 gehört. Die Regierungsfraktionen loben ihn über den Klee, und die Oppositionsfraktionen brechen mit reichlich Kritik – und zwar berechtigter Kritik – über ihn herein.

Es ist eine oppositionelle Generalabrechnung mit der Regierungsmehrheit und mit der Regierungsarbeit im Land Nordrhein-Westfalen. Wie dereinst Tiberius die Germanen in den Jahren 4 und 5 nach Christus bis an die Elbe unterwarf, will auch die Opposition die Regierung unterwerfen. Es gelingt Ihnen zunächst in der Debatte, aber am Ende – wir wissen, dass das damals in der vernichtenden Varusschlacht endete – musste sich auch Rom hinter die Linien des Rheins zurückziehen.

Das bedeutet hier nichts anderes, als sich der Mehrheit zu beugen, nämlich der regierungstragenden Mehrheit, die diesen Haushalt voraussichtlich annehmen wird. Den weiteren geschichtlichen Abriss möchte ich Ihnen ersparen.

Kommen wir zurück zum Haushalt mit einem Volumen von 72,7 Milliarden € inklusive Nachschlag bzw. Ergänzung sowie einer Neuverschuldung in Höhe von 1,6 Milliarden €. Trotzdem singen dieser Finanzminister und diese Landesregierung noch immer das Lied vom Einhalten der Schuldenbremse. Können Sie das mit Fug und Recht? Ich sage: Nein, das können Sie nicht.

Waren schon die vergangenen Haushalte von 2012 bis heute davon geprägt, dass mit allerlei rechnerischen und bilanziellen Tricks der Anschein erweckt wurde, diese Landesregierung verstehe etwas vom Abschmelzen von Schuldenhaushalten, so wird insbesondere mit den Begleitumständen des Haushalts 2017 klar, dass SPD und Grüne ohne Taschenspielertricks einfach nicht auskommen, und dieser Finanzminister ganz offensichtlich auch nicht. CDU und FDP, aber auch die Piraten haben dazu besonders eindrucksvolle Ausführungen gemacht, denen ich mich – zumindest, was diese Tricks angeht – voll und ganz anschließe.

Ich bedauere es persönlich, aber dieser Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen wird trotz beharrlicher Bemühungen im eigenen Lager die Geister nicht los, die seine Förderer von Rot-Grün einst riefen.

In diesem Zusammenhang möchte ich zur Einnahmenpolitik aus dem Koalitionsvertrag zitieren. Im Koalitionsvertrag ist auf Seite 5 die Rede davon, Rot-Grün wolle massiv darauf drängen, die Vermögenssteuer einzuführen, den Spitzensteuersatz erhöhen zu lassen sowie die Finanztransaktionssteuer einzuführen.

Das hat alles nicht geklappt. Es mag an der GroKo in Berlin liegen, Fakt ist jedenfalls: Erhöht wurde in Nordrhein-Westfalen lediglich die Grunderwerbsteuer zulasten der kleinen und mittleren Haushalte.

Der Landeshaushalt 2017 ist geprägt von Stagnation, er ist geprägt von Reaktion auf bereits Eingetretenes, und er ist beseelt von dem obiter dictum der Schuldenbremse, was zu nichts anderem führt als zur Krücke von Schattenhaushalten, Herr Minister.

Zulasten der Menschen in unserem Land wurden Wechsel auf die Zukunft von Menschen gezogen, die sich heute noch in Ausbildung befinden. Die Folgegeneration wurde durch Fördermaßnahmen – wie es hier schon oftmals so schön hieß – hinter die Fichte geführt. Diese zahlt das Land zwar, allerdings nicht direkt, sondern über abenteuerliche Tilgungsvereinbarungen bis hin zu Tilgungsgesetzen, fußend auf Förderprogrammen der NRW.BANK hinsichtlich der Kernaufgaben des Landes Nordrhein-Westfalen.

Herr Kollege Römer hat hier in der Debatte ausgeführt, dass das Programm „Gute Schule 2020“, ein hervorragendes und absolut notwendiges Programm, zu den Kernaufgaben des Landes Nordrhein-Westfalen gehöre. Wenn aber etwas zu den Kernaufgaben des Landes gehört, dann muss man sich fragen, wieso dieses Geld dann bitte schön nicht im Haushalt steht, sondern lediglich ein Gesetz vorgelegt wird, mit dem die Refinanzierung bis ins Jahr 2041, also bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, geregelt werden soll.

Von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit ist diese Landesregierung in vielerlei Hinsicht – leider kann ich aufgrund der Kürze der Redezeit nicht auf alle Punkte eingehen – weit entfernt, ebenso wie die Piratenpartei leider Gottes wahrscheinlich auch von dem Wiedereinzug in den Landtag.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat den Steuerknüppel des Schuldenraumschiffs abgegeben; denn das Schuldenraumschiff ist gelandet.

Es ist aber nicht so, dass es jetzt dasteht und alles gut ist. Sie sind vielmehr umgestiegen, und zwar wegen der Sie treibenden Schuldenbremse und der Ideenlosigkeit von Rot-Grün, einmal richtig in den Landeshaushalt 2017 einzusteigen.

Dieser Landeshaushalt kann unter diesen und den vorgenannten Vorzeichen nur noch als Tarnkappenbomber bezeichnet werden. Er ist ein Tarnkappenbomber hinter dem Schild von Schattenhaushalten, von denen eine Generation von Menschen betroffen ist, die sich heute noch in Ausbildung befindet und künftig mit den von ihnen gezahlten Steuern die Zeche wird zahlen müssen, die diese Landesregierung hinterlässt.

Wo bleiben die Investitionen in die Zukunft? – Fehlanzeige. Wo bleibt die Investition in die zukunftsfähige Infrastruktur in NRW? – Fehlanzeige. Wo bleibt die Zukunft NRWs im Bereich der Bildung? – Sie bleibt auf der Strecke. Diese Landesregierung einschließlich der sie tragenden Fraktionen hat es nicht begriffen, dass Bildung im Bereich Informatik ein absolutes Muss ist, …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit, Herr Kollege.

Dietmar Schulz (fraktionslos): … und zwar heute noch mehr als gestern. Und die Zeit drängt. Damit NRW nicht noch weiter abgehängt wird, ist es erforderlich, das Pflichtfach Informatik einzuführen. Dazu haben Sie noch bis Mai Gelegenheit.

Pro Jahr bilden wir in NRW …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Schulz, bitte kommen Sie zum Schluss, und zwar straight.

Dietmar Schulz (fraktionslos): Straight! Jawohl, Herr Präsident. Danke für den Hinweis.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Gerne.

Dietmar Schulz (fraktionslos): Hinsichtlich der Informatikausbildung hat Herr Kollege Marsching einiges ausgeführt. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben im Januar 2015 die digitale Revolution ausgerufen. Vergessen haben Sie leider das Revolutionieren. Das wird auch durch diesen Haushalt eindeutig klar. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerpräsidentin Kraft das Wort.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Oh, die SPD ist gar nicht da!)

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt knapp vier Stunden Debatte hinter uns, und ich muss sagen, ich finde die Debatte ehrlich gesagt enttäuschend. Ich bin davon ausgegangen, dass es die Königsstunde des Parlaments ist. Es geht darum, dass hier gerade mit dem letzten Haushalt einer Legislaturperiode noch einmal Bilanz gezogen wird. Herr Laschet hat das zumindest angekündigt. Er hat auch angekündigt, seine Ziele für 2025 zu benennen. Ich kann nur sagen, ich habe keinen Plan erkennen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde das sehr schade, weil ich glaube, darauf haben die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land einen Anspruch.

Herr Kollege Lindner, ich will nur auf einige Dinge eingehen. Einiges kommt dann in den Fachthemen. Aber ich würde Ihnen gern vorab sagen, warum ich an der einen Stelle gelacht habe. Ich habe gelacht, weil Sie vorher deutlich gemacht hatten, dass man mit seiner Wortwahl sehr vorsichtig sein muss, und Ihnen dann folgender Satz herausgerutscht ist, den Sie ohne Punkt und Komma gesprochen haben. Der hieß, wenn ich richtig notiert habe: Die Kriminellen werden wir nicht los, weil wir kein Einwanderungsgesetz haben.

Diesen Sachzusammenhang fand ich ziemlich unlogisch, und deshalb habe ich gelacht. Wenn Sie das in Ihrem Beitrag gestört haben sollte, dann entschuldige ich mich dafür. Mir ist schon klar, dass Sie es so nicht gemeint haben.

(Christian Lindner [FDP] winkt ab.)

Dann haben Sie Beispiele gebracht, die ich äußerst interessant finde und von denen ich schon meine, dass alle diejenigen, die uns zuhören, es einordnen können sollten.

Sie haben zum Thema Inklusion – ich komme gleich inhaltlich darauf zurück – ein Beispiel und ein Zitat gebracht. Das Zitat stammt – Sie haben es uns netterweise auch zur Verfügung gestellt – aus einer Stellungnahme der Kinder- und Familienhilfe Michaelshoven gGmbH – einem Praxisbericht zur Umsetzung der Inklusion unter dem Titel „Umsetzung der Inklusion darf nicht zur Exklusion führen“.

In dieser Stellungnahme sagt diese Einrichtung, die keine Schule ist, über andere – ich sage jetzt mal vom Hörensagen; das ist postfaktisches Zeitalter, Herr Kollege Lindner –:

„Manche unserer SuS mit FS GE mit Förderschwerpunkt ‚Geistige Entwicklung‘ an Regelschulen verbringen die Hälfte der Unterrichtszeit mehr oder weniger alleine in einem Nebenraum oder wenn selbiger fehlt auf dem Flur.“

Das ist Hörensagen nach dem Motto: Was die gehört haben nach Aussagen von Integrationshelferinnen und -helfern. – Ich finde, wir sollten uns hier mit Daten und Fakten beschäftigen und nicht mit Hörensagen. Das wäre diesem Parlament angemessen. Ich würde das gern deutlich machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zum Kollegen Laschet habe ich eingangs schon gesagt: Sie haben damit begonnen, dass der Zeitpunkt da ist, politisch Kassensturz zu halten. Ich kann Ihnen da nur beipflichten. Deshalb ist es mir wichtig, heute in dieser Debatte nicht nur auf einige Ihrer Kritikpunkte einzugehen, was zu einer guten Haushaltsdebatte gehört, sondern auch noch einmal deutlich zu machen, dass wir einen klaren Plan haben. Diese Landesregierung hat einen klaren Plan seit 2010.

Ich kann gut damit leben, und wir können gut damit leben, dass nicht jeder mit diesem Plan einverstanden ist. Aber bei uns weiß man, woran man ist, im Gegensatz zu dem, was ich heute hier von allen anderen gehört habe.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Unser Ziel ist seit 2010, unser Land zukunftsfest zu gestalten. Daran arbeiten wir konsequent mit klaren Linien, vorausschauend, und wir setzen eindeutige Prioritäten. Auch die konnte ich bei keinem der anderen Rednerinnen und Redner erkennen.

Ich sage auch ganz klar: Es geht nicht um rosarot oder rabenschwarz. Es gibt einiges zu tun, aber wir sagen selbstbewusst: Wir haben in den vergangenen sechs Jahren auch einiges erreicht.

Einige Punkte sind schon angesprochen worden. Wir haben Priorität gesetzt auf den Bereich Kinder, Bildung und Familie. Bis einschließlich 2017 investieren wir 200 Milliarden €, das ist eine Ansage wert, Herr Marsching. Sie nehmen ja die Fakten, nämlich die Schuldenbremse, nicht zur Kenntnis; sie wischen sie einfach beiseite.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Natürlich, gerade ich sage das! Aber sie muss abgeschafft werden! Ganz einfach!)

Wir haben unter diesen schwierigen Bedingungen diese klare Priorität in NRW durchgezogen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dafür sagen wir: Wir haben versprochen und gehalten.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Fehler, Fehler! Hallo! Fehler!)

Jeder dritte Euro geht in dieses Feld, 2017 allein über 29 Milliarden €. Wir haben im Bereich Kita den Rechtsanspruch geschafft, wir haben Qualitätsverbesserungen geschafft. Wir haben noch nicht die große Veränderung des KiBiz geschafft, das stimmt.

Es ging aber zunächst einmal um diese Aufholjagd, Rechtsanspruch zu schaffen. Was doch jetzt wirklich jeder Beschreibung spottet, ist, dass wir uns jetzt, wo es einen Rechtsanspruch für Kinder über drei Jahren und unter drei Jahren gibt, dafür rechtfertigen sollen, dass die Quoten der Inanspruchnahme von Kita-Plätzen in NRW niedriger sind als in anderen Bundesländern. Da kommt wieder dieses „Schlusslicht-Gequatsche“.

Mit Verlaub, wenn die Bürger der Meinung sind, sie wollen ihre Kinder so früh nicht in die Kita bringen,

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Lutz Lienenkämper [CDU])

dann war es immer Politik der SPD und der Grünen zu sagen: Es ist ihre Entscheidung. Der Rechtsanspruch gilt, und da es keine Klagen gibt, gibt es auch keine Schlusslicht-Debatte an dieser Stelle.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Armin Laschet [CDU]: Das ist die dümmste Ausrede!)

Wir haben für den Bereich Kita von 2010 bis Ende 2016 – Sie wollten ja gern über Zahlen reden – 1,45 Milliarden € zur Verfügung gestellt. Wir haben 2016/2017 insgesamt die Betreuungsplätze in sechs Jahren fast verdoppelt. Das sind die Realitäten in diesem Land. Ich muss sagen, ich bin stolz darauf, dass wir das gemeinsam mit den Kommunen und mit den Trägern hinbekommen haben. Dafür sage ich auch Danke an dieser Stelle.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben im Bereich Schule mit dem Haushalt 2017 6.200 Stellen mehr als 2010; mehr frische Stellen. Herr Marsching, das reicht Ihnen alles nicht; das ist mir klar. Sie geben das Geld ja einfach aus, unabhängig davon, woher es kommt.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Und Sie lassen halt die Kinder zurück! Kann man auch machen!)

Wir halten uns an die Verfassung. Das wird auch so bleiben. Wir werden auch die Schuldenbremse einhalten,

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das tue ich auch! Ich sage einfach, ich muss da raus! Das fällt doch nicht vom Himmel!)

weil sie in der Verfassung steht. Die Leichtigkeit, mit der Sie hier Verfassung vom Tisch wischen, finde ich schon beeindruckend – das muss ich wirklich sagen im negativen Sinne.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben im Ganztag seit 2010 über 80.000 zusätzliche Plätze geschaffen, wir haben neben vielem anderen das Programm „Gute Schule 2020“ auf den Weg gebracht, und wir werden in den nächsten vier Jahren 2 Milliarden € für Renovierung und Modernisierung der Gebäude auf den Weg bringen. Und das Schöne ist, dass dazu jetzt noch die Bundesmittel hinzukommen.

Lieber Herr Laschet, lassen Sie doch diese populistischen Geschichten. Wann ich wo in welchen Sitzungen sitze, kann doch völlig egal sein. Messen Sie mich doch einfach an dem Erfolg!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und von der SPD)

Heute ist der Länderfinanzausgleich so im Kabinett gewesen, wie wir ihn unterstützt haben. Und das Programm für die kommunalen Bildungsinfrastruktur-Investitionen der finanzschwachen Kommunen, von denen insbesondere NRW profitieren wird, haben wir in Berlin mit auf den Weg gebracht. Das sind die Ergebnisse. Und weil Ihnen das in Ihrer Argumentationskette nicht passt, versuchen Sie, das hier schlechtzumachen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben nicht nur Kita und Schule in den Blick genommen …

(Armin Laschet [CDU]: Ihr Erfolg ist, dass Herr Scholz sich kümmert! Was würden Sie ohne Herrn Scholz machen?)

– Herr Laschet, wenn es einen Effekt im negativen Sinne gehabt hätte, dann wäre es doch gar nicht durchgekommen. Natürlich war Herr Lersch-Mense vor Ort. Es waren übrigens auch andere nicht da.

(Armin Laschet [CDU]: Man braucht Sie überhaupt nicht mehr!)

– Nein, Sie kennen doch gar nicht den Verlauf der Sitzung. Sie wissen doch gar nicht, was zu dem Zeitpunkt noch zu klären war. Sie erwecken nur hier den Eindruck, als hätte das negative Folgen,

(Armin Laschet [CDU]: Sie waren doch gar nicht da! Sie waren doch weg!)

und die hat es nicht, Herr Laschet. Sehr zu Ihrem Leidwesen, die hat es nicht!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben uns nicht nur um Kita, sondern auch um Schule gekümmert. Wir haben uns insbesondere darum gekümmert, dass wir langfristig Strukturveränderungen in Nordrhein-Westfalen in Gang setzen unter der Überschrift „Kein Kind zurücklassen“ mit dem Pilotprojekt „Kommunen beugen vor“.

Das Schöne ist ja, dass wir inzwischen die Bilanz von den 18 Kommunen und Kreisen, die mitgemacht haben, ziehen können. Es zeigt sich, dass es funktioniert, dass es sich rechnet, vom Kind her zu denken, aus dem Reparaturmodus herauszukommen, hereinzukommen in den Vorsorgemodus. Da haben wir eine klare Orientierung. Dass das erfolgreich ist, können Sie daran sehen, dass wir jetzt schon wieder 34 Interessenbekundungen von Kommunen und Kreisen für die Roll-Out-Phase haben. Wir wollen das flächendeckend ins Land bringen, und das werden wir auch schaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann reden wir über Inklusion. Herr Laschet, wenn Sie sagen, dass Sie ein Moratorium machen wollen, denken Sie dabei auch an die Kinder?

(Armin Laschet [CDU]: Ja, natürlich!)

Denken Sie dabei auch an die Familien? Ich frage es.

(Zurufe von der CDU)

– Ganz ruhig. Ich bin ganz ruhig.

Wenn Sie sagen: „Wir machen ein Moratorium, wir stoppen den weiteren Ausbau“, sind Sie ein bisschen in der Richtung von Herrn Marsching unterwegs, weil es darum geht, die UN-Konvention umzusetzen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Nein, so wie wir das wollen, das ist viel besser!)

– Da ist Deutschland unter Druck, das wissen Sie doch. Man kann darüber streiten …

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und der CDU)

– Herr Laschet, nun lassen Sie mich doch reden, ich habe Ihnen ganz ruhig zugehört.

Man kann ja darüber streiten, was man noch mehr machen müsste. Wir geben rund 1 Milliarde € bis einschließlich 2017 für Inklusion in diesem Land mehr aus. Wir haben das Konzept der Schwerpunktschulen, auch wenn hier immer wieder ein anderer Eindruck erweckt wird.

Jetzt frage ich mich – und das fragen sich auch die Bürgerinnen und Bürger –: Was würde Herr Laschet eigentlich anders machen? – Dann sagen Sie: Inklusion stoppen, ein Moratorium bis die Grundbedingungen dargestellt sind. Herr Laschet, das ist: Wasch mich, aber mach mich nicht nass!

(Armin Laschet [CDU]: Nein!)

– Doch, lassen Sie mich doch ausreden! Dann nennen Sie hier vor der Wahl die Grundbedingungen und wie diese aus Ihrer Sicht geschaffen werden. Dann stellen Sie Anträge in diesem Haushalt, dass Sie es auch durchfinanzieren wollen, mit Deckungsvorschlag! Das wollen wir doch dann gerne sehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann reden wir doch über unsere Priorität Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt. Wir haben so viele Menschen in Arbeit wie nie.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Und wie viele können davon leben?)

Wir haben in Teilen unseres Landes fast Vollbeschäftigung, und wir haben im Ruhrgebiet Lichtblicke. Deshalb ist es völlig unangemessen, hier eine Schwarz-Weiß-Diskussion zu führen.

Ich habe jetzt gerade die aktuellen Zahlen der Arbeitslosenstatistik bekommen, weil Sie immer diese Schlusslichtdebatte führen. Ich vermute, Sie haben den Artikel über neuronales Programmieren gelesen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das so ist.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Erklären Sie uns das mal!)

– Das muss ich nicht erklären, das wissen Sie ganz genau! Deshalb wiederholen Sie immer die gleichen Sätze und wissen, dass die Zahlen und Daten falsch sind, aber das werden Ihnen die Bürgerinnen und Bürger nicht durchgehen lassen.

Die neueste Arbeitslosenzahl für Nordrhein-Westfalen im November im Vergleich zum Vorjahr beträgt minus 2,7 %, Westdeutschland minus 2,0 %. Ich finde, dem ist nichts hinzuzufügen. Von wegen Schlusslichtdebatte!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lutz Lienenkämper [CDU]: Beitrag der Landesregierung? – Josef Hovenjürgen [CDU]: 0,0 %!)

Und dass Sie kreativ mit Zahlen umgehen können, Herr Laschet, haben wir in den letzten Wochen immer wieder erlebt. Ich habe mir den Spaß gemacht, mir Ihre Rede auf dem Parteitag anzuhören.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Sie haben zu viel Freizeit!)

Da haben Sie deutlich gemacht – die Schlusslichtdebatte musste auch da Eingang finden –, dass Nordrhein-Westfalen überall hinten liegt.

(Armin Laschet [CDU]: Ja, leider!)

Sie haben davon gesprochen, dass das Wirtschaftswachstum in anderen Regionen sehr viel größer wäre, sogar im Saarland als auch in anderen Regionen Deutschlands.

Sie haben zu dem Zeitpunkt, obwohl seit Ende September neue Zahlen zum Wirtschaftswachstum 2016 vorliegen,

(Armin Laschet [CDU]: Die liegen nicht vor!)

weiterhin die Wirtschaftsdaten aus 2015 genommen, weil da das Nullwachstum war und Sie sagen können, dass wir 16. von 16 seien. Da wir das aber im Jahr 2016 nicht mehr sind, bleiben Sie einfach bei den Daten von 2015.

(Armin Laschet [CDU]: Stimmt doch gar nicht!)

Auch im Jahr 2016 liegen wir weit vor dem Saarland und vor anderen, und wir liegen nicht mehr an der Schlusslichtstelle. Deshalb bleiben Sie doch real mit diesen Zahlen! Bleiben Sie doch einfach bei den aktuellsten Zahlen statt wissentlich diese Zahlen zu verschweigen. Das ist doch keine vernünftige Politik für unser Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Armin Laschet [CDU]: Das ist doch postfaktisch! – Michele Marsching [PIRATEN]: Ich wusste, dass er das sagt!)

Dann haben Sie über das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit, das uns in der Tat beschwert, gesprochen. – Wir haben in Pilotprojekten deutlich gemacht, wie es geht.

(Weitere Zurufe von der CDU)

– Der Kollege Laschet hatte sich eingangs seiner Rede darüber beklagt, dass so viel dazwischengerufen werde. Ich finde, das ist von der Kulturfrage her mindestens pari, würde ich sagen.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

– Ich würde das gerne auf meine Redezeit aufgeschlagen bekommen.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Michele Marsching [PIRATEN]: Wenn keiner da ist bei meiner Rede, kann ich auch nicht dazwischenrufen!)

Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Thema, das uns sehr beschwert. Wir haben Pilotprojekte in Nordrhein-Westfalen durchgeführt, etwa zum Aktiv-Passiv-Transfer; Sie alle wissen, wovon wir sprechen. Wir wissen, dass ein sozialer Arbeitsmarkt funktionieren kann. Wir haben das gezeigt.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Wo?)

Wir wollen und wissen. Weil wir wissen, wollen wir es.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Das ist auch postfaktisch!)

Wir wissen nämlich, dass es besser ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind mit genau diesem Ansatz nach Berlin gegangen, weil das ein Thema ist, für das die Bundespolitik mit zuständig ist. Die Ministerin würde es gerne ausweiten. Der Finanzminister sitzt auf der schwarzen Null.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Oh! Aufpassen!)

Dann sagen wir eben auch mit Blick auf diesen Haushalt: Das reicht uns nicht. Dann gehen wir mit eigenen Stellen hinein und schaffen diesen sozialen Arbeitsmarkt; denn wir sehen nicht einfach zu, dass Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Land auf diesem Niveau bleibt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist Politik dieser Landesregierung: Wir packen an.

Schauen wir auf den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt. Wichtig ist, nicht nur für Innovation – darauf komme ich gleich zu sprechen – und Studierende etwas zu tun, sondern auch das Thema „duale Ausbildung“ nach vorne zu tragen. Die Kampagne „In drei Jahren Weltklasse“ unseres Arbeitsministers findet guten Widerhall auch in der Wirtschaft und in der Bevölkerung. Wir haben mit dem Ausbildungskonsens und mit „Kein Abschluss ohne Anschluss“ entscheidende Schritte nach vorne unternehmen können.

Aber in der Tat ist es genauso wichtig, auf Innovation zu setzen. Das ist an mehreren Stellen angesprochen worden. Deshalb haben wir den Etat der Kollegin seit 2010 um rund 45 % aufgestockt. Wir investieren in Infrastruktur für Forschung und Lehre. Das ist der richtige Weg für eine gute Zukunft unseres Landes.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dazu gehört ein Hochschulbaukonsolidierungsprogramm in Höhe von 3 Milliarden €. Wir freuen uns – offensichtlich anders als Herr Lindner – darüber, dass wir heute rund 230.000 Studierende mehr in diesem Land haben. Ich möchte nicht, dass durch Studiengebühren wieder weniger Menschen zum Studium gehen.

(Marcel Hafke [FDP]: Oh! – Weitere Zurufe von der FDP)

Ich möchte nicht, dass sich dieser Standort an der Zukunft versündigt. Denn dann würden Sie morgen wegen Fachkräftemangels mit dem Finger auf uns zeigen. Das werde ich nicht zulassen!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nun folgt ein ganz besonderer Blick. Wir haben viel über Ingenieure gehört, die angeblich abwandern. Auch die Zahl der MINT-Studierenden haben wir in den vergangenen Jahren unserer Regierung um über 50 % erhöht. Andere reden über den Fachkräftemangel, wir handeln, meine Damen und Herren. Das ist Aufgabe der Regierung, und da liefern wir.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Wenn wir über Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt reden, geht es immer auch um Industrie, um Handwerk. Mit Blick auf die Ausführungen von Herrn Marsching gerade frage ich mich: Was ist das für ein Bild unseres Landes, dass wir demnächst alle nur noch im Service- und im IT-Bereich tätig sind? Wir werden weiterhin Produkte brauchen, und ich möchte gerne, dass diese Produkte in Nordrhein-Westfalen mit unserer Industrie gefertigt werden und dass das auch Arbeitsplätze in unserem Land sichert. Daran werden wir auch weiterhin arbeiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen von Michele Marsching [PIRATEN])

Wichtig für den Wirtschaftsstandort ist die Infrastruktur. Deshalb freue ich mich darüber, dass es gelungen ist, den Bundesverkehrswegeplan in gemeinsamer Anstrengung in dieser Größenordnung nach Nordrhein-Westfalen zu bekommen. 14 Milliarden € für das NRW-Straßennetz sind wichtig.

Ich habe gerade eine aktuelle Information vom Verkehrsminister bekommen. In diesem Jahr wird der Landesbetrieb Straßen.NRW einen Allzeitrekordumsatz in Höhe von mehr als 1,1 Milliarden € verarbeiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Ui! – Hört! Hört!)

Heute Morgen haben wir vom Bund noch einmal 15 Millionen € zusätzlich verbuchen können, weil andere Länder sie zurückgegeben haben. Wir haben den Laden endlich wieder vernünftig aufgestellt. Wir rufen das Geld ab. Wir werden es in unsere Infrastruktur investieren.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Wie viel habt Ihr von anderen bekommen? Ihr dürft das dann weiterleiten! Das ist die Politik der Landesregierung!)

Wenn wir über Infrastruktur reden, sprechen wir auch über Digitalisierung. Da kann man sich ein Wünsch-dir-was-Land malen oder man kann sich an den Realitäten orientieren.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Oder immer Geld vom Bund fordern und dann weiterleiten!)

– Nein, wir haben nicht nur Gelder vom Bund. Wir setzen auch eigene Gelder ein. Wenn Sie den Haushalt studiert hätten, wüssten Sie das, lieber Herr Marsching.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Oh, das habe ich sehr gut getan!)

Wir haben das Thema früher als andere erkannt.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Nebenverdienste!)

Wir haben es auf die Agenda gesetzt, und zwar konsequenter als andere: vom Breitbandausbau über die Digitalhubs bis zur Allianz Wirtschaft und Arbeit 4.0 sowie bis zum Lernen im digitalen Wandel.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Jo!)

Ein solches Spektrum vermissen Sie in jedem anderen Bundesland der Republik. Da waren wir rechtzeitig und frühzeitig da. Das wird sich auszahlen für die Zukunft unseres Landes. Das zeigt, dass wir vorausschauend Politik machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Michele Marsching [PIRATEN]: Gut, dass wir als große Piratenfraktion solche Themen anfassen!)

Dann gehört zu unserer klaren Strategie, zu unserem Plan auch der Bereich der Lebensqualität. Da denke ich zuerst an unsere Kommunen. Wir haben mit dieser Landesregierung die Kommunen von der Intensivstation geholt, auf die Sie von Schwarz-Gelb diese Kommunen gebracht haben. Ich möchte das noch einmal festhalten. Wir haben sie davon heruntergeholt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Werner Jostmeier [CDU]: Das sehen die Kommunen aber anders!)

2010 gab es noch 138 Kommunen im Nothaushalt, jetzt sind es noch neun. Die Kommunen können endlich wieder atmen, werden nicht mehr zur Konsolidierung des Landeshaushalts herangezogen, wie es noch bei Schwarz-Gelb der Fall war. Das ist ein klarer Kurs für die Kommunen in diesem Land. Bei diesem Kurs werden wir bleiben; denn wir wissen, wie wichtig es für die Menschen ist, dass sie in Kommunen leben, die handlungsfähig sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im Übrigen, Herr Lindner, sage ich Ihnen, wenn Sie immer von den Mehreinnahmen reden, die da sind: Ja, dazu stehen wir. Wir haben die Mittel nicht nur in Kinder, Bildung und Familien gesteckt, wir haben sie nicht nur in die Infrastruktur gesteckt, sondern auch in die Kommunen. Dazu stehen wir. Das gehört zu unserem klaren Plan, den wir den Menschen in diesem Land vorgelegt haben. Dafür sind wir als Landesregierung gewählt worden. Wir werden das auch umsetzen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir über Kommunen und Lebensqualität reden, reden wir auch über den ländlichen Raum. Bis 2020 stellen wir rund 1,2 Milliarden € für die Förderung des ländlichen Raums zur Verfügung. Wir haben auch wichtige Infrastrukturgelder nach Nordrhein-Westfalen geholt. Bei den Verhandlungen über die Regionalisierungsmittel ging es um nicht mehr und nicht weniger als die Frage, wie wir es eigentlich schaffen, die Mobilität in diesen Regionen mit dem öffentlichen Personennahverkehr aufrechtzuerhalten.

Wichtig ist auch die medizinische Versorgung. Das wissen wir alle. Unser Hausärzteprogramm wird stetig abgerufen. Wir haben den Medizinbereich in OWL ausgebaut.

Wir setzen auch darauf, die Digitalisierung zu nutzen, um die Versorgung gerade in diesen Gebieten Nordrhein-Westfalens auf Dauer sachgerecht organisieren zu können. So möchte ich es gerne sagen. Deshalb kann sich auch der ländliche Raum in Nordrhein-Westfalen darauf verlassen, dass wir sehen, wo die Herausforderungen liegen, und dass wir anpacken. Auf diesem Weg werden wir kontinuierlich weitergehen. Dieses Versprechen gilt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Reden wir über Städte. Wir reden nicht daran vorbei, dass es Stadtteile mit Herausforderungen wie hoher Zuwanderung, vielen Langzeitarbeitslosen und Wohnungsleerständen gibt. Wir reden nicht daran vorbei, aber wir stigmatisieren diese Stadteile auch nicht zu No-go-Areas; denn dort gehen Menschen jeden Morgen ganz normal zur Arbeit und es spielen Kinder auf Spielplätzen.

Diese Menschen müssen von uns als verantwortungsvolle Politiker erwarten, dass wir alle, die wir in diesem Hause sitzen, uns nicht an solchen Begrifflichkeiten und an der Stigmatisierung dieser Stadtteile beteiligen. Das darf nicht passieren. Das ist ganz wichtig.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auch in diesem Feld gilt: Wir handeln. Wir arbeiten konzentriert und konzertiert. Wir stimmen uns mit den Städten ab, sprechen mit dem Bund und bringen Gesetzesänderungen auf den Weg. – Wir haben die Zahl der Polizistinnen und Polizisten vor Ort aufgestockt.

(Jochen Ott [SPD]: So ist das!)

Man muss sich immer daran erinnern: Wir haben 2014 das Wohnungsaufsichtsgesetz geändert, um gegen skrupellose Vermieter vorzugehen und endlich Schrottimmobilien räumen zu können. Es war richtig, dass wir das hier gemacht haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Jochen Ott [SPD]: Bravo!)

Genauso wichtig ist: Wir arbeiten gerade aktiv daran, dass die Schrottimmobilien mit Hilfe der Bundesmittel für Städtebauförderung abgerissen werden können. Das brauchen die Kommunen. Darin liegt nämlich in einigen dieser Stadtteile die Ursache des Gesamtproblems.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage ganz offen: Ich freue mich darüber, dass am Freitag im Bundesrat ein Gesetzentwurf von Bundesministerin Andrea Nahles vorliegt. Darin geht es um Arbeitnehmerfreizügigkeit. Als überzeugte Europäerin weiß ich, wie wichtig diese Freizügigkeit für Europa ist. Aber eines muss auch klar sein: Es darf keine Ausnutzung dieser Freizügigkeit geben. Deshalb ist es richtig, dass das Gesetz festlegt: Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme gibt es erst nach fünf Jahren.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Für diese Position sind wir von Ihrer Fraktion als Rechtspopulisten beschimpft worden! Für genau diese Position!)

– Das ist kein Populismus, sondern eine vernünftige Maßnahme, die genau in die richtige Richtung geht. Dazu stehen wir auch.

(Beifall von der SPD – Zurufe von den GRÜNEN)

Wir wollen verhindern, dass ein Missbrauch stattfindet. Ich sage Ihnen: Wir werden auch über die Kindergeldfrage reden müssen. Das müssen wir auch auf europäischer Ebene tun. Darüber müssen wir reden. Das ist nicht populistisch,

(Ralf Witzel [FDP]: Richtig! So ist es! – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

sondern man muss diesen kriminellen Strukturen, die sich etabliert haben, von der Wurzel her …

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Dafür haben Sie uns hier beschimpft! Entschuldigen Sie sich mal!)

– Was wollen Sie eigentlich von mir?

(Unruhe)

Nehmen Sie sich gleich Redezeit und sprechen Sie hier, wenn Sie hier Vorträge halten wollen. Was ist das denn hier?

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP] – Unruhe)

– Ich kann Ihnen nicht folgen. Wenn Sie einen umfangreichen Beitrag leisten, sollten Sie auf die Redezeit zurückgreifen.

An diesen Themen arbeiten wir sehr konzentriert. Ich bin froh, dass dies alles auf dem Weg ist. Aber ganz wichtig ist: Wir bringen alle an einen Tisch, was diese Themen angeht: die Ordnungsämter der Städte, die Polizei, die Justiz, die Ausländerbehörden, aber auch den Zoll, die Agentur für Arbeit und die Steuerfahndung.

Zum Konzept gehören auch die Stärkung der Kommunalen Integrationszentren, die wir heute hier beschließen werden, und die gezielte Städtebauförderung in den Quartieren. Das ist ein geschlossenes Gesamtkonzept.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir arbeiten an den Herausforderungen, lehnen uns nicht zurück und beschränken uns nicht auf eine Schwarz-Weiß-Malerei in diesem Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet, ich würde Ihnen gerne einen Rat geben. Unterschätzen Sie nicht den Stolz der Ruhries.

(Armin Laschet [CDU]: Tue ich nicht!)

Man ist sehr stolz auf den Wandel, der dort geschafft worden ist. Ich zitiere Ulrich Grillo, der kürzlich noch BDI-Präsident war. Er sagte vor Kurzem – ich zitiere –:

Das Ruhrgebiet hatte in der Tat große Herausforderungen zu bewältigen. Es hat bewiesen, dass Strukturwandel erfolgreich sein kann.

Reden Sie diese Erfolge nicht schlecht! Sie reden an dem Lebensgefühl der Menschen in dieser Region vorbei. Das ist mein Rat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir über Lebensqualität reden, dann reden wir selbstverständlich auch über Sicherheit. Seit 2010 haben wir 30 Milliarden € in die innere Sicherheit investiert. Allein im Haushalt 2017 sind es 4,1 Milliarden €. Wir können einige Erfolge vorweisen. Die Zahl der Straftaten im Bereich Mord und Totschlag ist auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Wir haben die niedrigste Jugendkriminalitätsrate seit 45 Jahren. Sie ist um mehr als 20 % zurückgegangen.

Ja, wir haben Probleme im Bereich der Einbrüche. Hier sind wir deshalb mit konzertierten Maßnahmen unterwegs, zum Beispiel mit „MOTIV – Mobile Täter im Visier“. Dabei geht es um eine vernetzte, überregionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Es muss gemeinsam ermittelt werden. Da sind wir bundesweit Vorbild. Bislang haben wir schon 800 Täter identifiziert und ungefähr 500 in Haft genommen. Das zeigt, dass dies der richtige Weg ist. Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Sicherheit ist immer mehr zu einem wichtigen Thema geworden. Wir haben darauf reagiert, und zwar schon – das ist mir ganz wichtig – seit 2010. Sie waren beim schlanken Staat und beim Nachtwächterstaat.

(Armin Laschet [CDU]: Wenn der Staat mal dafür sorgen würde, dass man nachts ruhig schlafen kann!)

Zwischen 2005 und 2010 haben Sie 466 Planstellen aufgebaut. Wir haben bis zum Haushalt 2017 einschließlich 1.236 neue Planstellen – inklusive Verwaltung – aufgebaut. Wir haben jetzt eine andere Ausbildungssituation. Damals waren es 1.100 pro Jahr. Die Lücke wäre immens groß geworden. Das haben wir vorhin schon gehört. Jetzt sind wir bei 2.000 neuen Polizisten jedes Jahr.

Wir arbeiten am Thema „innere Sicherheit“ und lassen uns von unserem Weg nicht abbringen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Übrigens gehört auch der Bereich Justiz dazu. Hier haben wir seit 2011 fast 1.800 neue Stellen geschaffen und dafür gesorgt, dass die Stellen, die Sie eigentlich abbauen wollten, nicht abgebaut wurden. Auf dieses Thema möchte ich gar nicht weiter eingehen. Das, was da als Schimäre hochgezogen wird, Herr Kollege Lindner, ist ja schon abenteuerlich, als ob jede kw-Stelle, die im Haushalt steht, automatisch irgendwann abgebaut werden würde.

(Christian Lindner [FDP]: Das sagt der Finanzminister doch!)

– Das sagt er nicht.

(Christian Lindner [FDP]: Künftig!)

Natürlich muss man mit jedem Haushalt überprüfen: Werden die kw-Stellen abgebaut oder nicht? Das werden wir wie bisher verantwortlich tun. Wie ich Ihnen gerade geschildert habe, haben wir die kw-Stellen, die Sie im Bereich Justiz hatten, aus gutem Grunde nicht vollzogen, sondern wir haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort gelassen.

(Beifall von der SPD)

Das war ein wichtiger Impuls für die Sicherheit in unserem Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ihr Problem ist doch, dass die Ideologie des schlanken Staates erkennbar ein Fehler war. Ihr Problem ist, dass wir das korrigiert haben.

Herr Laschet, der Kollege hat Sie vorhin schon gefragt. Wie wollen Sie das eigentlich im Wahlkampf glaubhaft vertreten, wenn Sie selbst am Kabinettstisch gesessen und die Entscheidung für diesen Stellenabbau im Bereich Polizei mitverantwortet haben?

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Das frage ich Sie ganz ehrlich. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, lieber Herr Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Dann habe ich mit Staunen auch besagtes Interview von Ihnen gelesen in der „RP“ vom 5. Dezember.

(Zuruf von der CDU: Dann haben Sie was gelernt!)

– Ja, ich habe etwas gelernt. Ich habe Folgendes gelernt – das kann ich Ihnen sagen –: Sie werden gefragt, Herr Kollege Laschet: „Wieviel zusätzliche Polizisten braucht NRW?“ – Antwort – Zitat –: „Eine exakte Zahl kann man nicht festlegen.“ – Frage: „Warum nicht?“ – Antwort: „Weil wir das gerade bei der Auswertung der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage […] prüfen und weil es die Diskussion verengt.“ – Nein, Herr Laschet, Sie wollen nicht Farbe bekennen! Das ist es.

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Lutz Lie­­nenkämper [CDU] – Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie wollen für jeden die richtige Antwort parat haben. Das ist die Methode Trump, lieber Herr Laschet. Das ist nicht Farbe bekennen und ein klarer Plan für dieses Land.

(Armin Laschet [CDU]: Sie denken in Stellen und wir denken an innere Sicherheit! Das ist der Unterschied!)

– Aber ohne Stellen gibt es auch keine innere Sicherheit, lieber Herr Laschet.

(Armin Laschet [CDU]: Wir wollen ja auch mehr Stellen!)

Das ist ja ein Grundmuster. Sie sagen überall, man müsste mehr machen.

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

Ich könnte jetzt die ganzen Presseerklärungen der Mitglieder Ihrer Fraktion aus den letzten Monaten vorlesen, in denen Mehrforderungen vorkommen und Sie sagen, dass wir überall zu wenig tun. Was soll alles wo wie und noch mehr finanziert werden? Dann schaue ich auf Ihre Haushaltsanträge – ich habe mir die angeguckt – und alles löst sich in Luft auf.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So ist das!)

Denn konkret wird Politik im Haushalt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Als Opposition haben Sie die Aufgabe, darzulegen, wie Sie diese Mehrforderungen im Haushalt abbilden wollen. Ansonsten glaubt Ihnen da draußen kein Mensch mehr irgendetwas. Das ist das Problem Ihrer Oppositionsarbeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu unserem Ziel „mehr Lebensqualität“ gehört auch das Thema „Bewahrung der Schöpfung“. Wir wollen die Schöpfung bewahren für die nächsten Generationen. Dazu gehört der Emscherumbau. Dazu gehören das Klimaschutzgesetz und der Klimaschutzplan, den wir in vorbildlicher Weise mit allen Betroffenen erarbeitet haben.

Dann sind wir auch beim Thema „Landesentwicklungsplan“. Der hat ja heute schon eine große Rolle gespielt. Offenkundig kennen Sie den Unterschied zwischen Raumplanung und Fachplanung nicht. Das ist erst mal Punkt eins. Das finde ich schon bedauerlich, dass das nicht so ganz klar ist, wo da die Unterschiede liegen.

Aber der LEP gibt die Raumplanung vor. Wir wollen einem starken Wirtschaftsstandort genug Raum geben. Deshalb gibt es eben – wie war die Formulierung bei Ihnen, Herr Lindner? – kein Nettonullflächenziel. Das ist gar nicht so, sondern wir haben ein Ziel von 5 ha. Das ist auch nicht Rot-Grün plus, wie dann immer wieder gesagt wird, sondern das ist schlicht und einfach abgeleitet vom bundesweiten Ziel.

Dann müssen Sie auch da bitte, Herr Laschet, Farbe bekennen. Sie wissen, dass wir täglich in NRW eine Fläche verlieren, die so groß ist wie 14 Fußballfelder.

(Widerspruch von Armin Laschet [CDU])

– Sie sollten sich schlaumachen. Wenn Sie jetzt sagen, alles muss möglich sein …

(Armin Laschet [CDU]: Wiesen wachsen! Grünflächen wachsen! Naturschutzflächen wachsen! Gewerbeflächen verschwinden!)

– Dem ist leider nicht so. Sie sollten sich mit den Daten und Fakten dann wirklich auch mal auseinandersetzen.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das Problem ist, dass Sie nicht wahrhaben wollen, was die Wahrheit ist! – Glocke)

Diese Landesregierung ist der Überzeugung: Wir dürfen unser Naturerbe nicht verschleudern und uns nicht an den nächsten Generationen versündigen. So machen wir Politik für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Übrigens stellen wir uns bei dem Thema einer Verantwortung, vor der Sie sich auch als Mitglied der Regierung Rüttgers damals gedrückt haben. Es wäre nämlich an Ihnen gewesen, diesen Landesentwicklungsplan vorzulegen. Sie haben die Konflikte gescheut.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Sie als Kabinett haben die Konflikte gescheut. Deshalb haben Sie keinen neuen LEP vorgelegt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Minister Johannes Remmel: Genauso ist es! – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Das ist das, was Sie in dieser Frage unglaubwürdig macht, werte Kollegen von der CDU.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Jetzt behaupten Sie hartnäckig, der LEP behindere die Wirtschaft. Dann haben Sie ja vorhin den Brief hochgehalten von der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld. Wir haben interessanterweise mit dem Briefschreiber Kontakt aufgenommen. Ich möchte Sie über den Vermerk, den ich dazu habe, gerne in Kenntnis setzen.

Die Unterzeichnerin hat am 13. Dezember 2016 mit Herrn Blome, Entwurfsverfasser des Schreibens der IHK OWL, telefoniert und ihn um konkrete Angaben zu den Unternehmen gebeten. Dieser hat ausgeführt, dass nach seiner Aussage die im Schreiben erwähnten Betriebe nach eigenem Kartenstudium in betroffenen Bereichen lägen, die potenziell in den Anwendungsbereich von Ziel 2.3 fallen könnten, wenn sie sich denn erweitern wollten.

(Minister Johannes Remmel: Postfaktisch ist das!)

Er persönlich kennt nur die hier bereits bekannten Fälle Spenge und Bünde. Konkrete weitere Absichtserklärungen oder Erweiterungswünsche liegen nicht vor. Ich denke, dazu muss man nicht mehr sagen. Das löst sich dann wunderbar in Luft auf.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Minister Johannes Remmel: Wunderbar!)

Im Übrigen: Während Sie offensichtlich eifrig die Presseschau auswerten, reden wir vor Ort mit den Betroffenen. Es hat bereits Ortstermine auch der Staatskanzleimitarbeiterinnen und -mitarbeiter mit der Bezirksregierung und mit den betroffenen Unternehmen gegeben.

(Zuruf von der FDP)

Vieles, was dort als Problem gesehen wurde, hat sich inzwischen erledigt. Das werden Ihnen Ihre Kollegen aus Ostwestfalen-Lippe sicherlich bestätigen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

So ist das mit Luftblasen. Die zerplatzen in diesem Raum.

Zu unseren Schwerpunkten gehörten auch solide Finanzen.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Schulden, Schulden! – Zuruf von der FDP: Oh je!)

Auch hier haben wir von Anfang an gesagt, was wir tun wollen, und wir haben es eingehalten. Immer wieder haben wir den Dreiklang nach vorne gestellt.

(Zuruf von der CDU: Schulden haben Sie gemacht!)

Wir bekennen uns zur Schuldenbremse, und wir werden sie einhalten. Die Einnahmesituation hat sich verbessert – das ist richtig –, aber wir haben auch immer gesagt: Wir versündigen uns nicht an der Zukunft dieses Landes, wir setzen nicht auf den schlanken Staat, wir wissen, dass wir in Infrastruktur und in Bildung investieren müssen, und ich bin stolz darauf, dass wir das eins zu eins umgesetzt haben.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Hendrik Schmitz [CDU]: Ja, ja!)

Trotz großer Herausforderungen – ich nenne nur das Thema „Flüchtlinge“ – haben wir den Weg der „fallenden Linie“ beibehalten können. In der mittelfristigen Finanzplanung zu diesem Haushalt zeigen wir, dass wir die Nullneuverschuldung schaffen. Damit ist Ihnen ein Wahlkampfinstrument aus der Hand genommen.

Jetzt kommen Sie mit Ihren Vorschlägen. Die habe ich mir vorhin auch angehört. Sie wissen inzwischen, dass Sie nicht bei Polizei und Lehrern sparen können, da Sie dann ganz unglaubwürdig würden. Das war damals Ihre Linie, von der Sie jetzt ganz abgekommen sind. Sie sagen: Der Aufwuchs der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ist total schändlich. – Dabei nennen Sie eine Zahl von 567 Stellen.

Ich empfehle Ihnen die Haushaltsvorlage 16/4498 des Finanzministers. In dieser listet er auf Wunsch die 567 Stellen auf. Dabei handelt es sich um 86 Stellenzugänge aufgrund erhöhter Flüchtlingszahlen. Sollen wir das nicht machen, Herr Laschet? Sagen Sie das!

(Dr. Marcus Optendrenk [CDU]: Aber nicht im Ministerium!)

– Nicht im Ministerium? – Nein, da brauchen wir keinen! Bezirksregierungen sind ja … Das ist alles völlig egal. – 128 Stellenzugänge zur Stärkung der inneren Sicherheit: Sie haben die ganze Zeit darüber geredet, aber wenn es darum geht, diese Stellen zu schaffen, dann wollen Sie die wegstreichen. Sie müssen sich mal entscheiden!

(Fortgesetzter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Darüber hinaus haben wir Stellen zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes, für Informationssicherheit, und wir haben eine Stabsstelle für den CIO Informationstechnik – das wird die Piraten freuen, aber wahrscheinlich ist das eh alles zu wenig. Außerdem müssen wir die Umsetzung des Europäischer Sozialfonds unterstützen. Und wir haben 134 sonstige Stellenzugänge. Darunter fallen die „Qualifizierungsklasse schwerbehinderter Menschen“, das Programm „Schule trifft Arbeitswelt“, die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz und die Begleitung von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen.

So weit zu Ihrer Schimäre, die Sie hier aufbauen, wenn Sie sagen: Das braucht man alles nicht. Das Personal kann man hier einsparen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Finanzminister ist vorhin schon gelobt worden. An dieser Stelle mache ich das auch noch mal, auch mit einem Seitenhieb an seinen Kollegen bei der Bundesregierung in Berlin. Diese Landesregierung hat nicht nur ein Schweizer Steuerabkommen mit verhindert, sie hat auch dafür gesorgt, dass die CDs angekauft wurden, die 2,3 Milliarden € Mehreinnahmen gebracht haben. Diese Landesregierung wird ebenfalls nicht lockerlassen, eine vernünftige Gesetzgebung für Ladenkassen herzustellen

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

und für Cum-Cum und Cum-Ex und alle diese Dinge, bei denen Menschen sich ihrer Pflicht, Steuern zu bezahlen, entziehen wollen. Das werden wir nicht zulassen, und dafür bin ich dankbar.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das alles war geplant. Das haben wir alles gemacht. Wir haben an vielen Stellen, bis hin zum Thema „Respekt“, wichtige Themen angefasst. Ich kann das alles gar nicht auflisten.

Wir haben uns noch dem Thema „Flüchtlinge“ gewidmet. Auch da haben wir gezeigt, dass Nordrhein-Westfalen auch in dieser Hinsicht wegweisend unterwegs ist und an der Spitze liegt, auch weil wir mit den Integrationszentren über die passende Infrastruktur verfügen und weil wir die Maßnahme frühzeitig auf den Weg gebracht haben, ganz gleich, ob es um Kitas, Bildung, Ganztag, Wohnungsbau, Sprachkurse oder Integrationskurse geht. Das waren in diesem Jahr 4,6 Milliarden €, und im nächsten Jahr werden es 4,2 Milliarden € sein.

Die schwarze Null wäre durchaus erreichbar gewesen, wenn wir das Geld nicht ausgegeben hätten. Dann jedoch hätten wir uns an der Zukunft dieses Landes versündigt, und das tun wir nicht. Wir setzen das on top, weil es wichtig ist, dass hier keine Konkurrenz entsteht.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Lassen Sie uns über Rückführung reden. Hier wurde gesagt: „Wir sind dabei Schlusslicht.“ – Wir sind angeblich überall Schlusslicht. In diesem Jahr 2016 wurden bis Oktober 22.000 Menschen zurückgeführt. 18.000 davon sind freiwillig in die Länder gegangen, die Sie genannt haben. 4000 haben wir zwangsweise zurückgeführt. – Das reicht immer noch nicht. Ich bin der Auffassung, dass wir insbesondere die, die straffällig geworden sind, schneller loswerden müssen, aber da können wir nicht als Land agieren.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU] – Lutz Lie­nenkämper [CDU]: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Da sind der Bund und der Bundesinnenminister gefordert,

(Zurufe von der CDU)

mit Marokko und Algerien vernünftige Abkommen zu schließen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir den Finger weiter in die Wunde legen werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Fortgesetzte Zurufe von der CDU)

Das alles zeigt, dass wir einen Plan mit klaren Prioritäten haben. Wir können in Nordrhein-Westfalen Wandel, und wir wissen, dass man ihn gestalten muss. Wir sagen klar, wofür wir stehen und was wir wollen, und wir werden diese Linie auch beibehalten; denn wir geben Orientierung.

Herr Laschet und Herr Lindner, Sie dagegen arbeiten mit ungedeckten Schecks, jonglieren mit veralteten und falschen Zahlen, weil die neuen Ihnen nicht in die Argumentationslinie passen. All das geschieht aus purer Verzweiflung, weil Sie keinen Plan haben. Und dann fällt Ihnen nichts anderes ein als die Rückkehr zu „Privat vor Staat“, Studiengebühren, Kitagebühren, Sozialticket. Das geht alles wieder schön in die gleiche Richtung zurück. Damit werden Sie auch diesmal nicht erfolgreich sein. Die Menschen in diesem Land können sich darauf verlassen, dass dies die falsche Richtung ist. Dafür werden wir eine große Mehrheit in diesem Land gewinnen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sehen die Herausforderung, aber wir gehen sie mit Zuversicht an. Nordrhein-Westfalen kann Wandel, und Nordrhein-Westfalen wird mit dieser Landesregierung auch den Wandel weiterhin gestalten.

Wir haben einen Plan, und wir wollen unser Land auch in den kommenden Jahren noch stärker und noch zukunftsfester gestalten. Dafür sage ich ein herzliches Glück auf.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Lindner von der FDP-Fraktion.

Christian Lindner (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Landtagsfrak­tion hat fast länger applaudiert, als ich jetzt Redezeit habe. Deshalb muss ich mich kurzfassen.

(Heiterkeit von der SPD – Zuruf von der SPD: Wir haben Ausdauer!)

Erstens. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben Armin Laschet gewarnt, wer im Glashaus sitzt, solle nicht mit Steinen werfen.

Sie, Frau Ministerpräsidentin, haben einem Kabinett Steinbrück angehört, das 500 Polizeibeamte im Jahr neu eingestellt hat. Wie können Sie dann eine Nachfolgeregierung kritisieren, die 1.000 Polizeibeamte im Jahr eingestellt hat? – Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!

(Lutz Lienenkämper [CDU]: So ist es! – Beifall von der FDP und der CDU)

Zweitens. Sie haben hier gerade den Beitrag aus Michaelshoven in den Zusammenhang mit „postfaktisch“ gerückt, Frau Ministerpräsidentin. Das sei Hörensagen. Die Leute, die Sie da mit Hörensagen kritisiert haben, sind die Helfer und Betreuer der behinderten Kinder in den Schulen. Das war kein Hörensagen. Das ist nicht „postfaktisch“. Wenn Sie hier aber sagen, Studienbeiträge hätten junge Menschen vom Studium abgehalten, dann sind das Fake News; denn den Zusammenhang gab es nicht.

(Beifall von der FDP und vereinzelt von der CDU)

Drittens. Wir haben gelernt, bei den 7.000 kw-Stellen – der Finanzminister rief mir zu, dass hieße ja auch nicht „künftig“, sondern nur „kann wegfallen“ – im Schulhaushaushalt wolle man mal schauen. Aber Ihr Ministerialdirigent Dr. Mangelsdorff sagte am 27.10. in der öffentlichen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses – ich zitiere –:

„In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir die Realisierung der kw-Vermerke berücksichtig, also mit einkalkuliert.“

Also: Die werden abgebaut, …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Christian Lindner (FDP): … oder Ihre mittelfristige Finanzplanung, die Sie hier vorgelegt haben, ist Makulatur.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit, Herr Kollege Lindner.

Christian Lindner (FDP): Ich komme zum Ende.

Viertens. Für das, was Sie hier heute zur Arbeitnehmerfreizügigkeit gesagt haben, Frau Ministerpräsidentin, und was wir im Januar dieses Jahres gesagt haben, hat uns Herr Garbrecht noch als Rechtspopulisten beschimpft.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: So ist es!)

Da kann man nur sagen: Wenn Sie uns erst so kritisieren und uns dann folgen, ist das unglaubwürdig.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: So ist es! – Beifall von der FDP und der CDU)

Ganz zum Schluss: Die SPD-Landtagsfraktion hat applaudiert, als Sie aus Ihrem Aktenvermerk vorgelesen haben, in Ostwestfalen seien keine Erweiterungen geplant, und deshalb sei der LEP auch gar nicht so problematisch.

(Lebhafter Widerspruch von der SPD – Zurufe von der FDP)

Da wird also applaudiert, dass es keine wirtschaftliche Entwicklung gibt!

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Lindner, die Redezeit!

Christian Lindner (FDP): Wir brauchen aber einen Landesentwicklungsplan, der Entwicklung ermöglicht und anregt. Und dafür braucht es Flächen hier im Land.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Habe ich für eine persönliche Bemerkung einen Satz?

Präsidentin Carina Gödecke: Ja.

Christian Lindner (FDP): Außerhalb des politischen Protokolls habe ich die Präsidentin gebeten, eine Sache in Richtung der grünen Fraktion klarstellen zu können.

Es hat von mir klügere Formulierungen gegeben als die bezogen auf Herrn Hofreiter. Das will ich Ihnen gern konstatieren.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass es mit Herrn Remmel und Herrn Özdemir Politiker Ihrer Partei gibt, mit denen man sich fachlich streiten kann, ohne dass gleich die Moralkeule geschwungen wird und man mundtot gemacht wird. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Da sich die SPD-Fraktion gemeldet hat, erhält jetzt Herr Kollege Römer für die SPD-Fraktion das Wort.

(Christian Lindner [FDP]: Das war keine Entschuldigung! – Zuruf: Das hat auch keiner so aufgefasst!)

Norbert Römer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lindner, ich werde es noch einmal machen, nämlich Ihnen erklären, wie es damals in der Regierungszeit vor der schwarz-gelben Regierung tatsächlich gewesen ist.

(Christian Lindner [FDP]: Nein!)

Erstens. Sie haben recht mit dem Hinweis, dass die Zahl, die Sie genannt haben – 500 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter – richtig ist.

(Zuruf von der FDP: Ja also!)

Zweitens. Damals wurde aber, Herr Kollege Lindner – das haben Sie geflissentlich unterschlagen; das war für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen in der Polizei nicht schön –,

(Christian Lindner [FDP]: Die Arbeitszeit ausgedehnt!)

die Arbeitszeit erhöht. Das hat dazu geführt, Herr Kollege Lindner, dass damit die Präsenz der Polizei auf den Straßen beim Einsatz in derselben Größenordnung stattfinden konnte wie vorher auch. Das zur Klarstellung, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der FDP)

Was ich Ihnen außerdem sagen möchte: Ich habe zumindest erwartet, dass Sie, wenn Sie schon inzwischen Ihre Haltung dahin gehend geändert haben, dass wir auch einen starken, einen durchsetzungsfähigen Staat brauchen, wenigstens anerkennen würden, welche Anstrengungen diese Landesregierung seit 2010 für die Stärkung im Bereich der inneren Sicherheit und der Justiz unternommen hat.

Das zumindest wäre fair gewesen. Aber Fairness scheint bei Ihnen in dieser Frage keine Rolle zu spielen.

Das Dritte, das ich anmerken möchte: Sie haben über die kw-Vermerke gesprochen. Selbstverständlich sind diese kw-Vermerke in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten. Als jemand, der schon jahrelang Parlamentsarbeit leistet, wissen Sie aber doch, dass die mittelfristige Finanzplanung immer wieder mit der Realität abgeglichen wird.

(Angela Freimuth [FDP]: Ah!)

Selbstverständlich wird das dann, wenn es notwendig wäre – das haben wir mit den kw-Vermerken, die Sie uns hinterlassen haben, auch gemacht –, korrigiert. Es können sich also alle darauf verlassen: Die Stellen, die gebraucht werden, werden selbstverständlich von der rot-grünen Koalition durchgesetzt. Dafür brauchen wir Ihre Hilfe überhaupt nicht.

(Beifall von der SPD)

Das Vierte, das ich anmerken möchte: Herr Kollege Lindner, der Landesentwicklungsplan – Sie können erzählen, was Sie wollen – wird dazu führen, dass überall da, wo es notwendig und vernünftig ist, Ansiedlungen selbstverständlich ermöglicht werden. Keine einzige Ansiedlung für industrielle Produktion, für Gewerbe in Nordrhein-Westfalen wird durch den Landesentwicklungsplan verhindert. Das ist eine klare Aussage. Daran können Sie überhaupt nicht herumdeuteln.

Das ist im Übrigen auch im Gespräch mit den Verantwortlichen in Ostwestfalen-Lippe deutlich geworden; die Ministerpräsidentin hat darauf hingewiesen. Da sind mit den Möglichkeitsformen, die man gar nicht mehr nachvollziehen kann, Dinge konstruiert worden, die eventuell entstehen könnten, wenn etwas passieren würde. Klar ist in jedem Fall: Bei der Prüfung der Realität hat sich herausgestellt, dass in Ostwestfalen-Lippe keine einzige Gewerbeansiedlung angemeldet wurde, die nicht zum Erfolg geführt worden ist. Auch das ist jetzt noch einmal deutlich gemacht worden.

Ich will zum Schluss zusammenfassen: Auch nach den Ausführungen des Kollegen Lindner gerade, die ein kleinkrämerisches Herumkritteln an der Politik der Landesregierung waren, ist überhaupt nicht klar geworden,

(Christian Möbius [CDU]: Das kleine Karo!)

wohin die Opposition mit diesem Land, wenn Sie Verantwortung hätte, kommen wollte. Ich sage das in aller Deutlichkeit. Sie haben kein Konzept, keinen Plan für die Zukunft, keine Vorstellung davon, wohin sich das Land und unsere Gesellschaft entwickeln sollten.

Wir dagegen – das hat die Ministerpräsidentin in Ihrer Rede auch herausgestellt – haben eine klare Vorstellung davon, wohin sich unser Land entwickeln wird, wohin sich unsere Gesellschaft entwickeln soll.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Nein, das habt ihr leider nicht! Das wäre schön!)

Die Menschen in Nordrhein-Westfalen wissen: Auf diese Landesregierung, auf diese rot-grüne Koalition ist Verlass. – Sie werden das auch honorieren; da bin ich sehr zuversichtlich.

Es bleibt dabei: Wir werden im Frühsommer einen schönen Tag erleben, wenn SPD und Bündnis 90/Die Grünen Hannelore Kraft zum dritten Mal zur Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen wählen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich korrigieren: Herr Prof. Lederer ist nicht aus Köln, sondern aus Bielefeld.

Ich möchte aber ein weiteres Zitat in Sachen Hochschulen hinzufügen, und zwar von Herrn Prof. Marcus Baumann, dem Sprecher der Fachhochschulen. Ich zitiere:

„Das Land gibt mit der Verstetigung eines Teils der Hochschulpakt-Mittel ein klares Bekenntnis zu einer verlässlichen Finanzierung der Hochschulen ab. Das ist auch deshalb so wichtig, weil wir als Hochschulen mit einer Ausbildung auf höchstem Niveau für junge Menschen die Grundlagen für die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft legen.“

Offensichtlich ist es das Konzept der FDP – und vielleicht auch bald der CDU –, Studiengebühren einzuführen, um Menschen vom Hochschulstudium abzuhalten und so das Verhältnis von Studierenden zu Professoren zu verbessern.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Klaus Kaiser [CDU]: Unverschämt! – Christian Lindner [FDP]: Widerliche Demagogie ist das! – Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Herr Kollege Lindner, Sie haben eben das Hofreiter-Zitat gebracht und es noch einmal schlimmer gemacht. Ich finde es infam und unanständig, wie Sie mit Herrn Hofreiter umgehen. Das möchte ich Ihnen an der Stelle auch sagen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zur Inklusion – das ist mir wirklich ein Anliegen –: Hier reden wir über Schülerinnen und Schüler, die gerne in das Regelsystem hineinwollen. Wir wollen den Rechtsanspruch für die Eltern und die Kinder durchsetzen. Ich könnte jetzt aus der eigenen Familie schildern, wie schwierig die Dinge sind. Wenn wir uns jetzt auf den Weg begeben, um diese schwierigen Dinge zu gestalten, dann geht es nicht an, den Rechtsanspruch auszusetzen, sondern wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um da voranzukommen.

Ich finde es unanständig, dass Sie mit den Ängsten der Betroffenen Politik machen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Letzter Punkt: kw-Vermerke. Das finde ich auch echt schräg. Wir haben 2015 – ich kann mich noch gut daran erinnern – kurz vor Ostern zusammengesessen und wegen der hohen Zuwanderung beschlossen – das Schulministerium hatte Gott sei Dank vernünftig vorgearbeitet und Zahlen auf den Tisch gelegt –: Wir müssen schnell handeln. Wir müssen Lehrerinnen und Lehrer einstellen, sonst schaffen wir es nicht, die Qualität zu halten.

Dann haben wir uns kurzfristig entschieden, die Stellen bereitzustellen. Es war auch richtig – ich stehe dazu, dass das so angelegt worden ist –, diese Stellen zunächst mit einem kw-Vermerk zu versehen, weil wir nicht wissen konnten – und das bis heute nicht wissen –, wie hoch die Zuwanderung sein würde. Sie ist deutlich zurückgegangen. Wenn wir da nachsteuern müssen, werden wir das tun.

Wenn Herr Lindner das benutzt, um zu behaupten, es seien weniger Lehrerinnen und Lehrer da als vorher, ist das schlicht keine richtige Darstellung.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Das habe ich nicht gesagt!)

– Herr Lindner, ich sage Ihnen: Wir haben seit 2010 390.000 Schülerinnen und Schüler weniger und trotzdem mehr Lehrerinnen und Lehrer. Das ist die Leistungsbilanz von Rot-Grün. Wir sind stolz darauf und werden das auch über 2017 hinaus fortsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich habe mir doch noch einmal ein paar Seiten rausgesucht. Ich habe ja noch ein bisschen Zeit.

Ich finde es wirklich schade, dass wir immer noch – auch nach meinem Hinweis – darüber reden, wie wir alte Löcher stopfen, statt hauptsächlich darüber zu reden, was wir in der Zukunft machen. Vorhin wurde darauf hingewiesen, dass im November der Vorlesetag stattgefunden habe. Über die Märchenstunde haben wir schon beim letzten Plenum geredet. Ich erzähle jetzt auch eine kleine Geschichte, und zwar eine konstruktive, die einen Blick in die Zukunft richtet. Ich möchte Ihnen schildern, wie ich mir, wie wir Piraten uns die Zukunft in diesem Land vorstellen.

(Unruhe)

– Wenn man vorliest, möchte man meistens, dass jemand zuhört.

(Der Redner schweigt für etwa 25 Sekunden. – Daniel Düngel [PIRATEN]: Das ist die Würde des Hohen Hauses! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Es muss aber eine spannende Geschichte sein! – Armin Laschet [CDU]: Herr Marsching, reden oder hinsetzen! – Der Redner redet mit der Präsidentin.)

– Die Präsidentin sagt, es sei nicht so laut, dass ich nicht reden könnte. Dann muss ich eben ein bisschen lauter reden. Vielleicht hilft das ja.

Stellen Sie sich vor, ich bin Peter, 28, und komme aus Dortmund. Es ist Montag, 7:30 Uhr. Meine Tochter und ich machen uns auf den Weg in die beitragsfreie Kita. „Du, Papa, wofür war noch mal der große Turm da vorne?“ – Ich erkläre meiner Tochter, dass die Menschen früher gezwungen waren, ihren Lebensunterhalt mit Kohle und mit Stahl zu verdienen. – Zum Glück sind diese Zeiten vorbei.

(Unruhe – Glocke)

In der Kita nimmt sich der Erzieher noch kurz Zeit und zeigt mir einige der digitalen Neuerungen. Meine Smartwatch piept und signalisiert mir, dass gerade mein Auto vorgefahren ist. Ich mache mich auf den Weg, steige in das autonom fahrende Elektroauto. Das Auto fährt noch einmal bei mir zu Hause vorbei, ich hole meinen Sohn ab und wir fahren zur Schule. Wir nehmen nur ein Tablet und eine Brotdose mit; denn mehr braucht man in der Zukunft nicht. Ich denke an meine Kindheit zurück, und an die Tornister, mit denen wir immer herumlaufen mussten und die so schwer waren.

Bevor ich dann zur Arbeit gehe, geht es noch kurz ins Café. Ich schnacke noch ein bisschen mit den Inhabern Kamil und Basima über Früher. Es waren damals schwierige Zeiten, als die beiden mit dem Train of Hope aus Syrien nach Deutschland gekommen sind. Ich logge mich im Café in das WLAN ein – natürlich Freifunk. Nach langem Hin und Her hat es unser Land geschafft, dass uns endlich 50 Mbit in der Fläche zur Verfügung stehen. Glasfaser gibt es – na ja – bald.

Ich bestelle mir über die App ein weiteres Auto. Ich fahre zu meinem Coworking Space. Auf dem Weg dahin verschaffe ich mir auf meinen Smartglasses einen Überblick über die aktuellen Nachrichten. Schön ist, dass Rheinmetall verkündet hat, demnächst nur noch Spielzeug herzustellen, weil der internationale Waffenmarkt versiegt ist.

Jetzt wird es langsam zeitlich etwas knapp. Um 12:00 Uhr habe ich eine Verabredung mit Yuri, meinem Partner in Moskau, mit dem ich an einem 3D-Modell arbeite. Zum Glück ist mein Anschluss am Coworking Space am schnellen Glasfasernetz.

Dann gehe ich kurz was essen. Was ist jetzt los? Der Freifunkrouter funktioniert hier nicht. Ich melde diese Störung und bekomme sofort die Rückmeldung, dass sich jemand auf den Weg macht. Das Problem wird behoben.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Wieder am Arbeitsplatz erhalte ich eine Nachricht meines Sohnes. Die letzten beiden Stunden fallen aus. Ich rufe meine Frau an. Der Sekretär meldet sich, und er sagt, dass sie in einer Onlinekonferenz ist. Es wird nichts: Wir schaffen es beide nicht, meinen Sohn abzuholen. Also schicke ich ihm eine kurze Nachricht, er solle mit dem Bus nach Hause fahren. Gott sei Dank ist der ÖPNV mittlerweile fahrscheinfrei, und das ist alles kein Problem mehr.

Ich erledige kurz einige Sachen. Dann rufe ich mir ein Auto, hole meine Tochter pünktlich aus der Kita ab, bringe sie nach Hause und treffe mich auf dem Weg mit einem alten Freund. Der erzählt mir, dass er vor fast zwei Jahren seinen Job aufgegeben hat. Er kümmert sich jetzt Vollzeit um seine Eltern zuhause. Das ist dank des bedingungslosen Grundeinkommens möglich und kein Problem mehr.

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zweimalige Klingeln war kein Bestandteil der Geschichte, die gerade vorgetragen wird, sondern der Hinweis, dass es jetzt wirklich so laut geworden ist, dass man es nicht mehr übersprechen kann.

(Allgemeine Heiterkeit – Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Arrogantes, respektloses Pack! – Gegenruf von der SPD)

Michele Marsching (PIRATEN): Sie sind ja gerade alle rausgegangen. Wenn Sie nicht zuhören wollen, gehen Sie vielleicht eben raus, und lassen sich Bescheid sagen, wenn ich fertig bin. Ansonsten: „Guten Appetit“ – das wäre auch noch eine Möglichkeit.

Die Frau meines Freundes hat übrigens damals, als es diesen großen Fachkräftemangel in der Pflege gab, umgeschult und arbeitet jetzt Vollzeit – und das sind 25 Stunden die Woche – in einem der vielen modernen Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen.

Und überhaupt: die Pflege. Seit einigen Jahren werden Pflegeberufe auch entsprechend bezahlt. Für viele junge Leute ist es attraktiv geworden, in der Pflege zu arbeiten. Viele der schweren Arbeiten werden nämlich inzwischen von Pflegerobotern übernommen. Den Menschen kann das nicht ersetzen. Das ist richtig, und das ist auch gut so.

Überhaupt hat sich der Arbeitsmarkt rasant entwickelt. Viele Ängste hatten wir damals, 2016: Die Arbeitsplätze würden wegfallen. Die Politik hat sogar versucht, die Digitalisierung zu bremsen, statt sie zu nutzen und zu fördern. Zum Glück hat sich das geändert. Automatisierung und das bedingungslose Grundeinkommen haben viele, viele Freiräume geschaffen.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Das sind Freiräume, um kreativ zu sein, Freiräume, um soziales Engagement zu leisten – und zwar, ohne Existenzangst zu haben.

Armut – Kinderarmut gar – gibt es nicht mehr; denn 2020 wurde, Gott sei Dank, eine echte Kindergrundsicherung eingeführt. Den Armutsbericht hat man letztes Jahr abgeschafft, weil Armut in der Breite in Deutschland einfach kein Thema mehr ist.

Mein Auto fährt die letzten Meter. Ich habe nebenbei meine Steuererklärung erledigt und sie online eingereicht. Wenige Minuten später liest das „Radio“ im Auto den eingegangenen Bescheid vor. Die Rückerstattung ist gerade schon auf mein Konto überwiesen worden.

Wir kommen zu Hause an. Wir steigen aus. Das Auto fährt selbstständig weiter. Mein Sohn ist seit einer halben Stunde zu Hause.

Dank der Abschaffung von G8 ist mein Sohn weniger Stress ausgesetzt und hat gleich Zeit, zum Training zu gehen. Vielleicht trifft er sich davor sogar noch mit einem Freund. Wir recherchieren noch gemeinsam für ein Referat und laden aktuelle offene Bildungsmedien auf sein Tablet für morgen.

Meine Frau kommt mit meinen Eltern nach Hause, und wir genießen den gemeinsamen Nachmittag.

Am Abend treffe ich mich noch mit ein paar Freunden, und wir arbeiten gemeinsam an einem freien Smart-Home-Konzept. Wir wollen ein paar Studien verschiedener Universitäten einfließen lassen, die auf der Bildungsplattform Open Access NRW durchgearbeitet werden können. Dabei hilft uns der 15-jährige Nachbarsjunge, der uns dank Pflichtfach Informatik in vielen Punkten ein gutes Stück voraus ist.

Manchmal schaue ich ein wenig zurück. Wie gut es uns doch plötzlich geht: so wenig Neid in dieser Gesellschaft, so viele IT-Experten, um die Sicherheit unserer Infrastruktur zu gewährleisten, so eine zukunftsorientierte und beitragsfreie Bildung unserer Kinder, so ein geiles NRW. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Weitere Wortmeldungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1.

Wir kommen zur Abstimmung. Bei den beiden Gesetzentwürfen zum Haushaltsgesetz und zum GFG in dritter Lesung ist das Beratungsverfahren abgeschlossen, sobald wir die dritte Lesung und die abschließende Abstimmung durchgeführt haben. Das heißt, es handelt sich um die Schlussabstimmung gemäß § 76 Abs. 3 der Geschäftsordnung. Wir haben sehr viele – wohl insgesamt 15 – Abstimmungen vorzunehmen.

Wir stimmen erstens über das Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbänden im Haushaltsjahr 2017 – Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 – ab. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/13701 – Neudruck –, den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksachen 16/12502 und 16/13400 in der Fassung nach der zweiten Lesung unverändert anzunehmen.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst in der Fassung nach der zweiten Lesung und nicht über die Beschlussempfehlung zur dritten Lesung. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung nach der zweiten Lesung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 Drucksache 16/12502Neudruck – in der Fassung nach der zweiten Lesung mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis in dritter Lesung angenommen und das Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 verabschiedet.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13762. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – CDU, Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Wer möchte sich enthalten? – FDP. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/762 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen drittens zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13763. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – CDU, Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Demzufolge enthält sich die FDP-Fraktion. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/13763 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis ebenfalls angenommen.

Wir kommen viertens zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/13764. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Enthaltungen? – Der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/13764 der Piraten mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen fünftens zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/13765. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Enthaltung? – Der fraktionslose Kollege Schulz. Damit ist der Änderungsantrag der Piraten Drucksache 16/13765 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir stimmen sechstens über den Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/13766 ab. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? Die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer enthält sich? – Der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Damit ist der Änderungsantrag der Piraten Drucksache 16/13766 ebenfalls mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich lasse siebtens über das Haushaltsgesetz 2017 Drucksachen 16/12500 und 16/13400 abstimmen. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/13700, das Haushaltsgesetz 2017 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen.

Wer dieser Beschlussempfehlung und den soeben vorgenommenen Änderungen folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/13700 unter Berücksichtigung der Änderungsanträge Drucksachen 16/13762 und 16/13763 angenommen und das Haushaltsgesetz 2017 in dritter Lesung ebenfalls angenommen und verabschiedet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir kommen zur achten Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13767. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13767 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis ebenfalls angenommen.

Wir kommen zur neunten Abstimmung, wiederum über einen Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, diesmal die Drucksache 16/13768. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU, die FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch dieser zweite Entschließungsantrag Drucksache 16/13768 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen zur zehnten Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/13769. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das sind die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU, die FDP und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Enthalten hat sich demzufolge der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/13769 der Piraten mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur elften Abstimmung, wieder über einen Entschließungsantrag, diesmal der FDP, Drucksache 16/13770. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das ist die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Enthalten haben sich diesmal die CDU-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist damit der Entschließungsantrag Drucksache 16/13770 der FDP-Fraktion abgelehnt.

Wir kommen zur zwölften Abstimmung, diesmal über einen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13773. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer enthält sich? – Die FDP und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Damit ist dann der Entschließungsantrag Drucksache 16/13773 der CDU-Fraktion mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung Nummer 13, diesmal über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/13496. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in Drucksache 16/13703, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Damit kommen wir also zur Abstimmung über den Gesetzentwurf und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchten, den bitte ich um das Handzeichen – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – Die Piraten stimmen dagegen. Wer enthält sich? – CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Dann ist mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis der Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/13496 in zweiter Lesung angenommen und damit auch verabschiedet.

Wir kommen zur Abstimmung Nummer 14, und zwar über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/13771. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Das sind die FDP-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Enthalten hat sich demzufolge die CDU-Fraktion.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Und die Piraten? Die haben Sie gerade vergessen. Wir stimmen auch dagegen! Sie haben uns gerade vergessen!)

– Habe ich das nicht gesagt? Entschuldigung! Das ist die vierzehnte Abstimmung, da kann das schon mal passieren.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Macht nichts! Alles gut!)

– Also für das Protokoll: Die Piraten haben dagegen gestimmt.

Trotzdem, obwohl ich den Fehler gemacht habe, bleibt es dabei, dass der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/13771 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt ist.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13025. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in Drucksache 16/13382, den Antrag abzulehnen.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Enthalten haben sich demzufolge die FDP und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Mit diesem festgestellten Abstimmungsergebnis ist dann der Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13382 abgelehnt.

Wir haben insgesamt 15 Abstimmungen durchgeführt und können den Tagesordnungspunkt 1 damit abschließen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 2:

2  Wahl der Mitglieder für die 16. Bundesversammlung

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13713

Und:

Wahlvorschlag
des fraktionslosen Abg. Schulz
Drucksache 16/13754

Herr Kollege Schulz hatte sich bereits vorhin bei der Sitzungsleitung gemeldet, dass er sich, bevor wir inhaltlich in den Tagesordnungspunkt 2 einsteigen, zur Geschäftsordnung melden möchte. Das Rederecht steht ihm nach § 29 unserer Geschäftsordnung zu. Ich will nur noch einmal, Herr Schulz, in Erinnerung rufen, dass es in § 29 Abs. 2 der Geschäftsordnung heißt:

„Bemerkungen zur Geschäftsordnung dürfen sich nur auf die geschäftsordnungsmäßige Behandlung der zur Verhandlung stehenden Gegenstände oder den Sitzungsplan des Landtages oder der Ausschüsse beziehen und nicht länger als drei Minuten dauern.“

Es geht mir nicht um die drei Minuten, sondern darum, dass mir bislang die Fantasie fehlt, was Sie zur Geschäftsordnung sagen könnten. Ich werde gespannt zuhören, im Zweifelsfall aber auch unterbrechen.

Dietmar Schulz (fraktionslos): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Wahl der zu entsendenden Personen als Wahlfrauen oder Wahlmänner der Bundesversammlung, die unseren nächsten Bundespräsidenten wählen soll, ist in der Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen nicht geregelt. Es findet sich hierzu auch keine untergesetzliche Regelung auf Landesebene.

§ 4 des Bundesgesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung macht nähere Ausführungen über die vom Landtag zu wählenden Vorschlagslisten und auch über das Nachrück- bzw. Vertretungsverfahren.

Wir haben hier einen einheitlichen Wahlvorschlag aller im Landtag vertretenen Fraktionen vorliegen, dem – mit Ausnahme der Vertreterinnen und Vertreter – nicht zu entnehmen ist, welcher Wahlmensch von welcher Fraktion benannt worden ist.

Ableitungen hierzu können allenfalls hinsichtlich der Mitglieder des Landtages Nordrhein-Westfalen vorgenommen werden, bei denen die Zuordnung ihrer Fraktionszugehörigkeit für die Zugehörigkeit zu ihrer imaginären Fraktionsliste spricht. Hinsichtlich aller anderen Personen ist nicht erkennbar, von wem der jeweilige Vorschlag stammt. Teilweise sind Personen benannt, die zum Beispiel mir persönlich gar nicht bekannt sind.

(Beifall von den PIRATEN)

Gemeinsam mit einer keineswegs kleinen Zahl namhafter Staats- und Verfassungsrechtler halte ich die in diesem Landtag für den vorgesehenen Tagesordnungspunkt 2 geübte Praxis, dass die Fraktionen ihre Parteilisten bzw. Fraktionslisten in einem gemeinsamen Wahlvorschlag verweben und zur Abstimmung stellen, für rechtswidrig.

Art. 38 Grundgesetz schreibt einen ehernen Grundsatz für Wahlen, insbesondere Personenwahlen, vor, nämlich die freie und geheime Wahl. Mit dem jetzt angedachten Verfahren der aus meiner Sicht nicht nachvollziehbaren Liste der Wahlvorschläge aller Fraktionen widerspricht das Hohe Haus – wenn die Wahl so durchgeführt wird – klar diesen verfassungsgemäßen gesetzlichen Vorgaben. Kein einziger Landtagsabgeordneter hat bei dem hier vorgesehenen Verfahren die Freiheit der Wahl zwischen verschiedenen Listen oder gar verschiedenen Personen, die den Fraktionslisten notwendigerweise zuzuordnen wären.

Es ist keine Frage, dass aufgrund der freien und geheimen Wahl des Bundespräsidenten in der Bundesversammlung selbst und damit der Unkenntnis der Abgeordneten des Landtags über das spätere Wahlverhalten seitens der Fraktionen oder der von ihnen entsandten Wahlmenschen – unter der Annahme, dass ein bestimmtes Wahlverhalten vorausgesetzt werden kann – keinerlei Berührungspunkte irgendwelcher Art gegeben sind.

Anders ließe sich zum Beispiel nicht erklären, warum ein Armin Laschet zum Beispiel dem Vorschlag Marsching widersprechen würde.

Präsidentin Carina Gödecke: Ich will Sie erstens auf die drei Minuten aufmerksam machen.

Dietmar Schulz (fraktionslos): Danke, Frau Präsidentin; die Zeit läuft mit.

Präsidentin Carina Gödecke: Ich will Sie zweitens darauf aufmerksam machen, dass Sie genau an der Schnittstelle sind, wo Sie anfangen, inhaltlich zu argumentieren, und nicht mehr über das Verfahren reden.

Dietmar Schulz (fraktionslos): Danke, Frau Präsidentin, für den Hinweis. Ich komme an dieser Stelle tatsächlich zum Schluss.

(Beifall)

Die Nachrückerfrage ist ebenfalls ungeklärt und nicht in der Geschäftsordnung des Landtags geregelt. Die aus meiner Sicht unzulässige und rechtswidrige Listenbündelung kann nicht ohne Weiteres geheilt werden. Wir können hier nur einen Teil heilen, und zwar dadurch, dass wir über die Wahlvorschläge hier in geheimer Wahl abstimmen.

Ich beantrage daher die geheime Abstimmung über die Wahlvorschläge der Vertreterinnen und Vertreter zur Bundesversammlung und deren Ersatzleute. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Nehmen Sie ruhig wieder Platz. Ich teile die Rechtsauffassung, die Sie vorgetragen haben, nicht. Das wissen Sie aber auch, da das Wahlverfahren vorher besprochen war.

Ich will in diesem Zusammenhang auf das Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung hinweisen. Sie haben schon den § 4 dieser Vorschrift angesprochen. Dort heißt es in Absatz 1:

„Der Landtag wählt die auf das Land entfallenden Mitglieder nach Vorschlagslisten. Bei der Wahl sind die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Landtages entsprechend anzuwenden.“

Da steht aber nicht drin: Der Landtag muss eine Geschäftsordnung haben, in der das enthalten ist. – Im Weiteren möchte ich Sie gerne auf den Absatz 3 dieser Vorschrift aufmerksam machen. Dort heißt es:

„Die Sitze werden, wenn mehrere Vorschlagslisten vorliegen,

– nicht vorausgesetzt, dass immer mehrere vorliegen müssen, so wie Sie das gerade vorgetragen haben –

den Listen nach der Zahl der ihnen zugefallenen Stimmen im Höchstzahlverfahren d’Hondt zugeteilt. Über die Zuteilung des letzten Sitzes […]“

Der Rest interessiert in diesem Zusammenhang jetzt nicht.

Deshalb weise ich die Rechtsauffassung, die Sie vorgetragen haben, als interessant, aber dennoch für den jetzt durchzuführenden Wahlgang als nicht tauglich zurück. Im Übrigen sieht unsere Geschäftsordnung, auf die Sie eben abgehoben haben, nur in sehr begrenzter Zahl geheime Abstimmungen vor. Die Wahl der Mitglieder für die 16. Bundesversammlung gehört jedenfalls nicht dazu.

Vorsichtshalber frage ich aber das Auditorium, also die versammelten Abgeordneten, ob sie sich meiner Rechtsauffassung anschließen. Wer das tut, den würde ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Wer ist der Meinung, dass ich nicht recht habe, wer stimmt also dagegen? – Der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Wer würde gerne noch einmal darüber nachdenken oder sich enthalten – nur damit ich das abgefragt habe? – Zwei, drei, vier Abgeordnete. Damit stelle ich fest: Der Landtag Nordrhein-Westfalen, so wie er sich im Moment im Plenarsaal versammelt hat, folgt mit sehr großer Mehrheit der bislang vorgetragenen und von mir noch einmal deutlich gemachten Rechtsauffassung.

Dann kommen wir jetzt zu den Wahlvorschlägen.

Der Präsident des Deutschen Bundestages hat mitgeteilt, dass die 16. Bundesversammlung am 12. Fe­bruar 2017 stattfinden wird. Die Bundesregierung hat im Bundesgesetzblatt I vom 30. September 2016, Seite 2.194, bekannt gemacht, wie viele Mitglieder die Volksvertretungen der Länder zur 16. Bundesversammlung zu wählen haben. Auf Nordrhein-Westfalen entfallen insgesamt 135 Mitglieder.

Nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung – ich zitierte es eben – wählen die Landtage die auf das Land entfallenden Mitglieder nach Vorschlagslisten. Bei der Wahl sind die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Landtags entsprechend anzuwenden.

Nach § 4 Abs. 3 dieses Gesetzes werden die Sitze, wenn wie hier – auch das habe ich schon zitiert – mehrere Vorschlagslisten vorliegen, den Listen nach der Zahl der ihnen zugefallenen Stimmen im Höchstzahlverfahren d’Hondt zugeteilt. Die Sitze werden den Bewerbern in der Reihenfolge ihrer Namen auf den Vorschlagslisten zugewiesen.

Da zwei Vorschlagslisten eingereicht worden sind, sind entsprechend dieser Grundsätze gleich zwei Abstimmungen durchzuführen.

Da für die Wahl die Zahl der Stimmen maßgeblich ist, die tatsächlich für eine Vorschlagsliste abgegeben werden, sind zur Unterstützung des Sitzungsvorstandes – den ich noch einmal darauf aufmerksam machen will: Wenn ich das Mikro offen habe, kann man auch hören, was der Sitzungsvorstand miteinander bespricht – mehrere Schriftführerinnen und Schriftführer eingeteilt. Die Kolleginnen und Kollegen sehen Sie bereits.

Diese werden gleich die tatsächlich abgegebenen Stimmen zählen. Die Stimmabgabe erfolgt durch Handzeichen. Da die Stimmen gezählt werden müssen, bitte ich Sie, bei dieser Abstimmung die Hand so lange oben zu lassen, bis alle Stimmen von den Schriftführerinnen und Schriftführern eindeutig gezählt worden sind.

Schließlich darf ich darauf hinweisen, dass jeder Abgeordnete nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung nur eine Stimme hat.

Nach diesen Vorbemerkungen kommen wir zur Abstimmung. Ich bitte die eingeteilten Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze zur Zählung der Stimmen einzunehmen. Im Anschluss an den Zählvorgang bitte ich Sie, die gezählten Stimmen pro Fraktion hier oben mitzuteilen. Wenn die Schriftführerinnen und Schriftführer an ihren Plätzen sind, kommen wir zur Abstimmung.

Ich mache vorsichtshalber darauf aufmerksam, dass wir als Sitzungsvorstand gleich gesondert abstimmen – das gilt auch für die Regierungsbänke –, damit der Vorgang nicht unnötig unübersichtlich wird.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar nacheinander über die vorliegenden Wahlvorschläge. Sie dürfen bei dieser Abstimmung jeweils nur einem Wahlvorschlag zustimmen.

Die erste Abstimmung erfolgt über den Wahlvorschlag aller fünf Fraktionen Drucksache 16/13713. Wer diesem Wahlvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Die Schriftführerinnen und Schriftführer werden jetzt die Stimmen auszählen.

(Die Auszählung der Stimmen erfolgt.)

Dann gebe ich jetzt das Abstimmungsergebnis bekannt, und zwar immer die in den Reihen der Fraktionen gezählten Stimmen inklusive derjenigen der jeweiligen Schriftführerinnen und Schriftführer.

In den Reihen der SPD wurden 86 abgegebene Stimmen gezählt, in den Reihen der CDU wurden 59 abgegebene Stimmen gezählt, bei Bündnis 90/Die Grünen waren es 29 Stimmen, bei der FDP 19 Stimmen und bei den Piraten 16 Stimmen. Auf der Regierungsbank wurden fünf Stimmen abgegeben, und im Sitzungsvorstand wurden drei Stimmen abgegeben. Der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen hat dem gemeinsamen Wahlvorschlag zugestimmt. Damit kommen wir auf 218 abgegebene Stimmen für den Wahlvorschlag aller fünf Fraktionen.

Das Einvernehmen der Schriftführerinnen und Schrift­führer sowie des Sitzungsvorstandes habe ich damit hergestellt.

Dann kommen wir jetzt zur zweiten Abstimmung über den Wahlvorschlag des fraktionslosen Abgeordneten Schulz Drucksache 16/13754.

(Zuruf von den PIRATEN)

– Ich habe es nicht gehört, aber Sie werden es mir nachher erzählen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: „Wahlhelfer“ hat er gerufen!)

Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Sonst sehe ich niemanden.

Damit stelle ich im Einvernehmen mit den Schriftführerinnen und Schriftführern und dem Sitzungsvorstand fest, dass die 135 Personen und die Ersatzmitglieder der ersten Vorschlagsliste Drucksache 16/13713 gewählt worden sind. Für den ersten Listenvorschlag wurden 218 Stimmen abgegeben, und für den zweiten Listenvorschlag wurde eine Stimme abgegeben.

Ich bitte die gewählten Delegierten und die gewählten Ersatzmitglieder, soweit sie anwesend sind, im Laufe der nächsten Stunde draußen vor dem Plenarsaal an einem der hierfür vorbereiteten Tische ihre Annahmeerklärung zu unterzeichnen. Dort erhalten Sie auch Schreiben mit weiteren Informationen, insbesondere zum geplanten Ablauf der Bundesversammlung. Diejenigen, die wir heute nicht erreichen können, werden umgehend angeschrieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe jetzt auf:

3  Entwurf des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen (LEP NRW)

Vorlage 16/4116
Vorlage 16/4130

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Wirtschaft, Energie,
Industrie, Mittelstand und Handwerk
Drucksache 16/13711

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13776

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13777

In Verbindung damit:

Mehr Raum für Wachstum – Landesentwicklungsplan muss Weichen für mehr Wohlstand und Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen stellen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13687

Als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Thiel das Wort.

Rainer Christian Thiel (SPD): Die Frau Präsidentin macht sich gerade auf den Weg, darum: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute steht ein völlig überarbeiteter, umfassend neuer Landesentwicklungsplan zur Beschlussfassung an, der alle bisherigen landesplanerischen Regelungen zusammenfasst und den alten LEP von 1995 ablöst.

Die Zeiten ändern sich. Wesentliche geänderte Rahmenbedingungen mussten berücksichtigt werden. Der demografische Wandel, Auswirkungen der Globalisierung, der Klimawandel – das alles musste neu gewichtet werden. 1995 galt es vor allem, den sich aus der deutschen Einheit und der politischen Öffnung Osteuropas ergebenden neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Es ging – lang ist es her – auch um das Zusammenwachsen Europas.

Allerdings ging es auch damals um einen sparsamen und verantwortungsbewussten Umgang mit dem Freiraum – Zitat –, „um die Sicherung des unverbauten und unversiegelten Raumes als Voraussetzung der natürlichen Lebensgrundlage“.

Sorgen bereitete schon damals, dass der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Nordrhein-Westfalen von 14,6 % in 1961 auf über 21 % bis 1995 angestiegen war. Der Bundesdurchschnitt lag damals bei 12,3 %. Ende 2014 liegen wir bereits bei einer Inanspruchnahme von 23 % Siedlungs- und Verkehrsflächenverbrauch in Nordrhein-Westfalen.

Vom Umweltminister Nordrhein-Westfalens wurde 2006 die „Allianz für die Fläche“ ins Leben gerufen. Das war im Jahr 2006! Ziel war die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, die bis 2020 bundesweit den täglichen Zuwachs des Siedlungs- und Verkehrsflächenverbrauchs auf 30 ha begrenzen wollte, also ein durchaus konservatives Ziel des Flächensparens. Für Nordrhein-Westfalen bedeutet das eben die berühmte Begrenzung auf 5 ha neue Siedlungs- und Verkehrsfläche täglich. Es geht auch heute noch um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.

Dass Rot-Grün dieses politische 5-Hektar-Ziel weiter verfolgt und als Grundsatz in den LEP aufgenommen hat, das greift die CDU nun heftig an. Wie geschichtsvergessen ist das denn? Das ist ein starkes Stück politischer Amnesie! Wo sind denn da die konservativen Werte des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen geblieben? Weg sind sie, genau wie viele andere konservative Werte, sodass die CDU sich selbst nicht mehr wiedererkennt. Das ist doch Ihr Problem.

(Hendrik Wüst [CDU]: Lächerlich!)

Ihr Problem ist mangelnde konservative Profilbildung. Auch beim Landesentwicklungsplan: kein Profil, keine eigenen Ideen, kein eigener Vorschlag – alles nur abgeschrieben in Ihrem Antrag. Das ist eine völlig undistanzierte und unreflektierte Übernahme von aus den Beteiligungsverfahren noch übrig gebliebenen Wünschen der Verbände der Wirtschaft. Die Anregungen der Clearingstelle Mittelstand, die die wirtschaftlichen Anregungen gebündelt hatte, wurden im zweiten Bearbeitungsverfahren bereits im Wesentlichen abgewogen und übernommen. Das wurde übrigens ausdrücklich von der Wirtschaft begrüßt.

Es ist kein Wunder, dass Sie in Ihrer Regierungszeit keinen neuen LEP zustande gebracht haben. Sie sind an der Komplexität der Materie, an der Aufgabe, die zahlreichen widersprüchlichen Anforderungen an den Raum abzuwägen und Konflikte auszugleichen, letztendlich gescheitert. Sie verkennen deswegen bis heute die eigentliche Leistung dieses nun vorliegenden Landesentwicklungsplans, nämlich in einer zeitgemäßen und zukunftsorientierten Weise sicherzustellen, dass eine nachhaltige Entwicklung unseres Industrielandes weiter möglich ist.

Dabei sind die sozialen, ökonomischen und ökologischen Anforderungen an den Raum abzuwägen. Denn darum geht es im LEP. Es geht um Raumplanung als Instrument für den Ausgleich der unterschiedlichen, konkurrierenden räumlichen Nutzungsinteressen. Es besteht ausdrücklich eine Abwägungspflicht. Es geht um eine abschließende Abgewogenheit. Dies ist in dem neuen, jetzt vorliegenden LEP auf eine Weise gelungen, die wirklich Respekt verdient, Herr Minister.

Schließlich ist Interessensausgleich heute etwas völlig anderes als noch 1995. Der gesellschaftliche Grundkonsens ist bei Weitem nicht mehr so breit wie früher, und was darunter verstanden wird, geht mittlerweile ziemlich weit auseinander. Das ist nicht nur politisch, das ist auch rechtlich ein ziemlich vermintes Gelände. Konsensfähigkeit setzt nämlich Kompromissfähigkeit voraus.

Genau das leistet der CDU-Antrag zum LEP nicht. Sie betonen die Konflikte, ohne einen Vorschlag zum Ausgleich zu machen. Sie stapfen lieber durch vermintes Gelände. Das ist ein Problem, und das ist auch keine Lösung. Ihr Hauptanliegen ist es doch nach wie vor, das Land verzerrt darzustellen, damit Sie weiter ein düsteres Bild von NRW beschwören können, übrigens mit falschen Behauptungen.

Ein Beispiel: Es gibt keinen Rückgang bei den Betriebsflächen, so wie Sie es behaupten. Zwar sind 3.789 ha seit 2010 nicht mehr ausgewiesen, aber es sind auch 4.050 ha neu hinzugekommen, also ein Plus von 400 ha bei den wirtschaftlichen Flächen und auch noch zusätzlich 1.400 ha Flächen für Gebäude und Freiflächen – so heißt das nun mal fachlich – für Handel und Dienstleistungen.

Es wäre an der Zeit, dass Sie Realität wahrnehmen, dass wäre immerhin ein Anfang. Aber dann können Sie sich nicht mehr so schön künstlich aufregen und das Land weiter schlechtreden.

Dieser LEP ist ein Ermöglichungsplan – zeitgemäß und modern. Er schützt Gewerbe und Industrie vor heranwachsender Bebauung. Er gewährleistet die bedarfsgerechte Ausweisung von geeigneten Flächen für Wohnen und Gewerbe und ermöglicht regionale und kommunale Angebotsplanung. Er folgt dabei dem Leitbild der flächensparenden Siedlungsentwicklung, er fördert regionale und kommunale Kooperationen, zum Beispiel regionale Gewerbeflächenkonzepte. Das wird dem Bedarf an größeren, zusammenhängenden Flächen eher gerecht; denn einzelne Kommunen können diese manchmal gar nicht darstellen.

Er greift die unterschiedlichen Dynamiken und teilräumlichen Gegebenheiten auf und sichert so den Gesamtraum Nordrhein-Westfalen. Der LEP schützt aber auch die Entwicklung der landesbedeutsamen öffentlichen Häfen und die Industriehäfen, zum Beispiel durch den Grundsatz zum Umgebungsschutz.

Die Bindungen an den Klimaschutzplan wurden im LEP ersatzlos gestrichen. Klimaschutz und Klimafolgeanpassung haben eigenständige Ziele und Grundsätze im LEP. Der LEP hat übrigens ein Frackingverbot in Nordrhein-Westfalen als Ziel. Das Ermöglichen von Fracking ist ein Alleinstellungsmerkmal der FDP bis heute geblieben. Das mag Ihnen auch herzlich gegönnt sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, keine Neuansiedlung in Nordrhein-Westfalen wird am LEP scheitern. Das kann nicht oft genug gesagt werden. Das werden wir so lange wiederholen, wie Sie versuchen, das Gegenteil in der Welt zu verbreiten.

Allerdings muss auch die Regionalplanung ihre Hausaufgaben machen. Darauf können Sie ja in den Regionalräten achten. Da haben Sie, geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ja reichlich Möglichkeiten; denn als ein Thema der Anhörung zum LEP im November waren es Unsicherheiten in Detmold zum Ziel 2-3, in der Auslegung, die dort vor Ort eine Rolle gespielt hat. Es ist heute schon mehrfach erwähnt worden, was die IHK an Schreiben dazu mit dem Land ausgetauscht hat. Die Ministerpräsidentin hat dazu sehr deutlich Stellung genommen.

Ich möchte hier für die SPD noch einmal Folgendes deutlich klarstellen: Der LEP hat im Bereich der zeichnerischen Darstellung einen Maßstab von 1:50.000. Es heißt im Ziel 2-3 auch, dass sich Siedlungsentwicklungen innerhalb der regionalplanerischen Festlegung vollziehen.

Ob eine Siedlungsentwicklung als innerhalb des Siedlungsbereiches angesehen werden kann, muss im Einzelfall geprüft werden. Der Beurteilungsspielraum dafür ist jedenfalls in der Regionalplanung nach wie vor gegeben.

Auch die Durchführungsverordnung zum Landesplanungsgesetz legt fest: Raumbedeutsame Planungen von mehr als 10 ha bedürfen einer neuen zeichnerischen Festlegung.

Damit ist klar: Es gibt den Beurteilungsspielraum vor Ort. – Und wenn das so ein Riesenproblem ist, wie Sie das immer darstellen: Packen Sie es vor Ort beherzt an und lösen Sie es!

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt viele gute Argumente für diesen neuen Landesentwicklungsplan, so wie er uns heute vorliegt, und wir ihn heute zur Abstimmung stellen. Und eine Erkenntnis aus der letzten Beteiligungsrunde ist: Nicht noch eine Beteiligungsrunde! Die einen fürchten Verschlechterung für die Wirtschaft, die anderen für die Natur, für Umwelt und Klimaschutz. Die Verfahren könnten endlos weitergehen, und es wird immer wieder neue Anregungen und Beispiele geben, was alles noch zu lösen ist.

Die Erkenntnis aus der letzten Anhörung ist eindeutig: Dieser LEP hat einen Reifegrad, der Beschlussfähigkeit erreicht hat. Unser Dank gilt der Staatskanzlei, die nach intensiven und aufwendigen Beteiligungsverfahren diesen LEP nun vorlegt.

Unser Dank gilt aber auch allen, die sich mit ihren Anregungen und Kritiken eingebracht haben und so einen Abwägungsprozess mit vorangebracht haben: die Kommunen, die Verbände der Wirtschaft und der Umwelt, zahlreiche Einzelpersonen. – Das alles zeigt: Landesplanung interessiert, und sie ist in den guten Händen der Staatskanzlei. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wir empfehlen Zustimmung – leider nicht für den Antrag der CDU. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Thiel. – Für die CDU-Landtagsfraktion spricht Herr Kollege Wüst.

Hendrik Wüst (CDU): Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Thiel, man hat richtig den Eindruck, dass Sie froh sind, wenn das Thema weg ist. Sie sprechen immer von Reifegrad. Das ist vielleicht der Reifegrad eines pubertierenden 14-Jährigen, der glaubt, er sei reif, aber er ist es noch nicht. Und genauso ist es bei diesem Thema auch.

(Rainer Christian Thiel [SPD]: Wir reden nicht über Selbsterkenntnis!)

Auf der langen Strecke bis zum heutigen Tage hat dieses Thema im Jahr 2013 mit den ersten Entwürfen und den ersten Einlassungen begonnen. Zugegeben, das war eine große Katastrophe, jetzt ist es eine mittlere Katastrophe. Ich will trotzdem all denen Dank sagen, die mitgeholfen haben, auf dem Weg, diese große Katastrophe etwas zu verkleinern.

Es sind auch viele Kollegen aus Ihrer Fraktion, Herr Thiel, nämlich die Kollegen aus Ostwestfalen, insbesondere Herr Rahe und andere, die im Regionalrat an der Detmolder Erklärung mitgetragen haben. Das verdient Anerkennung und Respekt, wenn man sich gegen die eigene Koalition in die Bresche schmeißt für die eigene Region.

Dass die heute alle nicht dabei sind, mag der Tatsache geschuldet sein, dass man jetzt noch schnell etwas essen will, oder der Tatsache, dass das alles doch nicht so toll gewesen ist, wie Sie es gerade hier beschreiben. Ich bin ziemlich sicher, dass insbesondere in der Region Ostwestfalen noch längst nicht der Reifegrad an Zufriedenheit erreicht ist, den Sie uns hier gerade weismachen wollten.

Am Anfang hat der Kollege Eiskirch, der jetzt nicht mehr bei uns ist, weil er Oberbürgermeister geworden ist, immer von einem Ermöglichungsplan gesprochen. Davon wird kaum noch geredet. Denn statt Vorratsplanung setzen Sie auf Bedarfsplanung. Aus einem Ermöglichungsplan wird so ein Verhinderungsplan. Sie machen bauwillige Familien und investitionswillige Unternehmer zu Bittstellern, für die man vielleicht noch irgendetwas deichseln kann, aber von Vorratsplanung, von einer Einladung für Wirtschaft und einer Einladung für Familien, die bauen wollen, ist in diesem Landesentwicklungsplan keine Rede. Auch dieser Entwurf wird den Anforderungen der Zeit nicht gerecht.

Wachstum braucht Fläche. Und das Wachstum in Nordrhein-Westfalen ist seit 2010 deutlich unterdurchschnittlich. Ja, seit 2010! Vorher, in der Regierungszeit von Schwarz-Gelb lag das Wachstum in den Jahren 2005 bis 2010 13,7 % über dem Schnitt, seit dem Jahr 2010 um 39 % darunter.

2015 landete Nordrhein-Westfalen erstmals in seiner über 70-jährigen Geschichte auf dem letzten Platz aller Bundesländer beim Wirtschaftswachstum.

(Michael Hübner [SPD]: Das haben wir gerade doch schon gehört!)

Die Schwächeperiode hält weiter an. Der bundesweite Durchschnitt beim Wirtschaftswachstum ist auch in diesem Jahr in den ersten beiden Quartalen 10 % stärker als in Nordrhein-Westfalen.

Das hat schon lange gravierende Folgen für den Arbeitsmarkt in diesem Land. Die Arbeitslosenzahl in Deutschland entwickelt sich prima: minus 22 % im Bundesschnitt und minus 10 % seit 2010 in Nordrhein-Westfalen.

(Michael Hübner [SPD]: Und das alles wegen des LEP? – Zuruf von der SPD: Genau! Und jetzt?)

Wenn man solche Zahlen hat, muss man einen LEP schaffen, der der Wirtschaft Flächen anbietet, damit sie wachsen kann und damit Arbeitsplätze geschaffen werden.

(Zurufe von Michael Hübner [SPD] und Norwich Rüße [GRÜNE])

– Da können Sie so viel schreien, wie Sie wollen. Das schwache Wachstum und die schwache Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die Sie zu verantworten haben, führen dazu, dass hier Hunderttausend Menschen mehr arbeitslos sind, als wenn wir hier ein Wachstum und eine Arbeitsmarktentwicklung wie im Rest der Republik gehabt hätten.

(Michael Hübner [SPD]: Wegen des LEP?)

Hunderttausend Menschen mehr in Lohn und Brot – das wäre eine ehrliche und gute Bilanz, die Sie leider nicht vorlegen können.

(Beifall von der CDU und Dietmar Brockes [FDP] – Norwich Rüße [GRÜNE]: Sie haben eben nicht zugehört!)

Das RWI sagt zu all Ihrem Gerede darüber, dass Nordrhein-Westfalen besonders schwierig sei, es handele sich nicht um eine Sonderkonjunktur. Dass das hiesige Wachstum so schwach sei, habe auch nichts mit einer besonderen sektoralen Zusammensetzung der Wirtschaft zu tun, sondern das habe strukturelle und politische Gründe. Politische Weichenstellungen würden dies beeinflussen, so das RWI Essen. Eine dieser Weichenstellungen ist eben der Landesentwicklungsplan.

(Michael Hübner [SPD]: Nicht beschlossene Gesetze! Ist klar!)

Weil Sie eben sagten, es seien 3.800 ha Fläche weggefallen, will ich Ihnen Folgendes entgegnen, damit die Leute ein Bild davon bekommen, was das eigentlich bedeutet: Auf 3.800 ha passen die Chemieparks in Leverkusen, Dormagen und Krefeld, das Thyssen-Krupp-Werk in Duisburg, der gesamte Chemiepark in Marl, die Shell-Raffinerie in Wesseling-Godorf, die Hüttenwerke Krupp Mannesmann in Duisburg, der Chemiepark in Hürth-Knapsack und die Ford-Werke Köln. Dort arbeiten 93.000 Menschen. Das sind 3.800 ha.

Das sage ich, damit man eine Idee davon bekommt, was dem Wachstumspotenzial dieses Landes entzogen wurde. Trotzdem machen Sie es jetzt so – gerade entgegen allen Einschätzungen aus der Wirtschaft, dass das der wirtschaftlichen Entwicklung in Nordrhein-Westfalen schade.

Ich nehme nur drei kleine Beispiele: erstens den 5-ha-Grundsatz. Sie feiern sich dafür, dass das jetzt kein Ziel mehr sei. Den Grünen tut das weh. Da wird immer so getan, als würde jeden Tag der schönen Natur in diesem Land Fläche genommen, sinnbildlich mit Beton zugeschüttet oder was auch immer.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Hendrik Wüst (CDU): Sehr gerne, wer möchte denn?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Ich weiß nicht, wer es genau ist. Hier steht „Howe“.

(Michael Hübner [SPD]: Herr Thiel ist das!)

– Ich vermute mal, dass es Herr Kollege Thiel ist, bitte schön.

Rainer Christian Thiel (SPD): Vom falschen Platz aus hätte Rainer Thiel gern etwas gefragt.

(Heiterkeit)

Hendrik Wüst (CDU): Alles gut! Ich sehe und höre Sie.

Rainer Christian Thiel (SPD): Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen – das habe ich vorhin auch gesagt –, dass 4.040 ha hinzugekommen sind? Dann könnten Sie neben den Firmen, die Sie aufgezählt haben, auch eine Reihe weiterer Firmen unterbringen und sagen: Die haben alle Platz gefunden.

Sind Sie bereit anzuerkennen, dass wir in den Regionalräten seit vielen Jahren – ich kenne das jedenfalls aus dem Regionalrat in Düsseldorf seit sehr vielen Jahren – fast jede Planungsausschusssitzung damit verbringen, Gewerbeflächen in allgemeinen Siedlungsbereich umzuwandeln, weil sie sich in Siedlungslagen befinden, in denen sie als Gewerbeflächen von den Städten und Gemeinden nicht gewünscht werden, und dann aus der Regionalplanung zurückgenommen werden, weil sich die Realität verändert hat?

Wenn Sie bereit wären, das anzuerkennen, müsste die logische Konsequenz eigentlich sein, dass Sie mit Ihrem Märchenerzählen aufhören müssten.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Wüst, bitte.

Hendrik Wüst (CDU): Verehrter Herr Kollege, ich bin sehr froh, dass Sie anerkennen, dass man, wenn man der Wirtschaft Flächen entzieht, das auszugleichen hat. Dass Sie das hier zugestehen, ist ganz prima.

Ich bin auch froh, dass Sie anerkennen, dass es dort, wo Siedlungsbereiche an Gewerbe- und Industriegebiete heranwachsen, Probleme gibt.

Sie regieren. Sie sind regierungstragende Fraktion. Sie könnten beim Thema „Abstandsflächen“, bei Lärmschutz, Immissionsschutz und diesen Dingen nacharbeiten und es besser machen, damit in einem Bundesland, das durch die Nähe von Wohnen und Arbeiten stark geworden ist, auch in Zukunft Wachstum dort entstehen kann, wo die Menschen arbeiten,

(Beifall von der CDU und der FDP)

anstatt in Regionalratssitzungen Stunde um Stunde nachzuarbeiten und einer eigenen Politik hinterherzulaufen, für die Sie selbst Verantwortung tragen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Was erzählen Sie denn? – Zuruf von der SPD: Stimmt doch gar nicht!)

Herr Präsident, Sie dürfen wieder auf die Redezeituhr drücken, ich mache mit meiner Rede weiter.

Zum 5-ha-Grundsatz: Dabei wird der Eindruck erweckt, als würde dem Land, der Landwirtschaft oder der Natur ständig und ohne Ende Fläche entzogen. Seit 1995, seit dieser LEP wirkt, gibt es 45.000 ha mehr Waldfläche, 23.000 ha mehr Grün- und Parkanlagen,

(Rainer Christian Thiel [SPD]: Super!)

6.000 ha mehr Wasserfläche, 1.000 ha mehr Heidefläche, 443 ha mehr Moorfläche. Man könnte das auf die Spitze treiben und sagen: Nicht das Wirtschaftswachstum geht voran, sondern die Renaturierung des Landes schreitet voran dank dieser Politik, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie machen es mit dem Ziel, 15 % der Landesfläche zu einem Biotopverbund zu machen, zusammen mit dem Landesnaturschutzgesetz und diesem LEP in Zukunft nicht besser.

Zum Thema „Neuausweisung“: Die Ministerpräsidentin selbst hat es angesprochen. Herr Thiel hat das eben nochmals getan. Allein im Ruhrgebiet scheitern gerade am neuen LEP 17 geplante Gewerbe- und Industrieflächen.

(Michael Hübner [SPD]: Wo denn?)

– Im Ruhrgebiet.

(Michael Hübner [SPD]: Wegen des neuen LEP?)

Sie sagen doch immer, das sei die Region, von der Sie besondere Ahnung hätten.

(Norbert Römer [SPD]: Wo denn?)

– Vielen Dank für das Stichwort. – Fragen Sie einmal den Beigeordneten Peters aus der Stadt Bergkamen, der sich am 8. Dezember im „Westfälischen Anzeiger“ darüber beklagte, dass der RVR ihm mitgeteilt habe, aufgrund des neuen Entwicklungsplanes sei sein Gewerbegebiet nicht mehr zu halten.

Allein elf Gewerbegebiete im Ruhrgebiet scheitern am Ziel 6.3-3. Das Ruhrgebiet verlor allein im Jahr 2015 jeden Tag 1,4 ha GIB-Fläche.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Diese wurde ihm entzogen. Und das geschieht im Ruhrgebiet, von dem wir alle wissen, dass die Arbeitslosigkeit immer noch 80 % höher als im Bundesschnitt ist.

Nehmen wir das Thema „Betriebserweiterungen“, Ziel 2-3. Wenn ich es richtig sehe, haben uns die kundigen Kollegen im Wirtschaftsausschuss – ich bin auf das Protokoll gespannt – mitgeteilt, auch in Zukunft gäbe es die landesplanerische Anfrage bei Erweiterungen bis zu 10 ha. Mir liegt ein Vermerk von einem Vor-Ort-Termin der Staatskanzlei-Mitarbeiter in einer Region dieses Landes vor, bei dem man sinngemäß gesagt hatte: Das Instrument gibt es, aber aufgrund von Ziel 2-3 sei es nicht mehr anwendbar.

Dann schreien Sie immer: „Wer ist es denn? Wer kann denn nicht? Wer soll denn nicht?“, weil die Liste eben vorgetragen worden ist.

(Michael Hübner [SPD]: Ja!)

Fragen Sie einmal bei der Firma Hettich im Kreis Herford nach. Sie hat 5.900 Mitarbeiter und einen Umsatz von 800 Millionen € im Jahr. Mir wird gesagt, die Firma verzichtet jetzt auf eine Betriebserweiterung in Nordrhein-Westfalen. Fragen Sie nach. Sie wird es Ihnen bestätigen.

Ähnliche Betroffene gibt es im Bergischen Land, in der Eifel, in meiner münsterländischen Heimat, am Niederrhein und in der drittstärksten Industrieregion Deutschlands, in Südwestfalen.

Durch das Ziel 2-3 werden zudem große Tiermastanlagen in die GIB-Flächen gedrängt. Herr Thiel, Sie werden in den Regionalräten noch Ihre wahre Freude – Achtung: Ironie – mit der Abwägung haben, wenn man dann die Abstandsthemen von Großställen in Gewerbegebieten hat. Eine größere Schweinerei gegenüber den Kommunen, die das auszubaden haben, kann man sich planerisch kaum vorstellen.

Ich verweise auf unseren eigenen Antrag, der sich im Übrigen der Abwägungslast durchaus unterzieht. Er tut es aber mit einem deutlich anderen Schwerpunkt, weil wir feststellen: NRW braucht Wachstum. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Norwich Rüße [GRÜNE]: Zur Landwirtschaft haben Sie nichts gesagt!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Goldmann.

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es die Anzahl der anwesenden Abgeordneten nicht vermuten lässt, ist es heute soweit. Eines der wichtigsten rot-grünen Projekte in dieser Legislaturperiode wird mit der Verabschiedung des LEP zu Ende gebracht. Es ist ein Tag der Freude für Rot-Grün und unter Würdigung der kritischen Stimmen ein Tag des Dankes an alle, die am Zustandekommen des LEP ihren Anteil gehabt haben. Nahezu sechs Jahre intensiven Ringens aller Beteiligten um optimale Lösungen – sofern es solche überhaupt im Rahmen der Landesplanung geben kann – gehen zu Ende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für was ist dieser LEP doch während des Verfahrens alles verantwortlich gemacht worden! Für die Opposition und Teile der Wirtschaft ist er Grund allen Übels und aller wirtschaftlicher Verwerfungen. Da spielte es nur eine untergeordnete Rolle, dass der LEP überhaupt noch nicht als Rechtsverordnung in Kraft getreten, sondern „nur“ in Aufstellung befindlich war und damit natürlich auch eine Bindungswirkung für die Regionalplanungsbehörden entfaltend.

Der vorliegende Plan stellt eine faire Lösung im widersprüchlichen Streit der unterschiedlichen Nutzungsinteressen an den Raum dar, und das bei über 2.000 Vorschlägen und Stellungnahmen im Rahmen einer in der Geschichte des LEP einzigartigen und beispielhaften Träger- und Öffentlichkeitsbeteiligung, eines monatelangen Auswertungsverfahrens und zum Schluss eines zeitintensiven Anhörungsverfahrens mit vielen kompetenten Sachverständigen.

Diese Sachverständigen waren sich bei allen unterschiedlichen Detailfragen in einem einig: Wir waren noch nie so weit. Dieser LEP solle nun endlich verabschiedet werden, um seinem Anspruch als Rahmenplan für die nachgeordneten Planungsbehörden gerecht zu werden. – Das machen wir heute. Darauf können die Landesregierung und Rot-Grün durchaus stolz sein. Natürlich sind nicht alle mit den Regelungen in diesem Raumordnungsplan zufrieden. Das wäre aber auch außergewöhnlich.

An die Opposition: Wir haben erkennbar ein grundlegend anderes Verständnis von der Landesplanung im Allgemeinen und vom Flächenschutz im Besonderen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wirtschaft, Kommunen, Umweltverbände und andere haben nun einmal divergierende Interessen und Erwartungshaltungen an den Raum. Diese widersprüchlichen Interessen zu ordnen und zu gestalten, ist der Staatskanzlei als oberster Landesplanungsbehörde mit diesem Entwurf gut gelungen.

Der Interessenslage der Wirtschaft wurde nicht nur durch ein eigenes Unterkapitel Rechnung getragen, sondern es hat für die Wirtschaft im laufenden Verfahren spürbare Verbesserungen gegeben.

Leider hindert das die Wirtschaft und ihre Verbände nicht, weiterhin zu jammern. Das ist ein übliches Ritual. Aber es gehört auch zur Verantwortung von IHK und der Wirtschaft, zu erkennen, dass ein LEP nicht als ausschließlicher Wunschkatalog ihrer Interessen fungieren kann. Es gibt auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Dies gilt ohne Ausnahmen für alle.

Dieses Talent, sich selbst immer kleinzureden, war leider eine durchgehende Linie während des gesamten Verfahrens. Davon wurde nicht abgewichen. Dabei ist Nordrhein-Westfalen ein starker Wirtschaftsstandort. Er wird es nicht trotz, sondern auch wegen des LEP mit einer klaren Struktur bleiben. Auch das hat die Anhörung ergeben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Gerade in der Diskussion zu der Frage des zukünftigen Flächenverbrauchs wird dies deutlich. Dass sich kaum jemand aus der Opposition im Verfahren mit den Grundsätzen der Raumordnung und den Anforderungen und Zielsetzungen an einen Raumordnungsplan auseinandergesetzt hat, …

(Holger Ellerbrock [FDP]: Na, na, na!)

– Mit Ausnahme von Ihnen, Herr Ellerbrock. Ich gestehe es gerne ein. –

… spricht für sich, ist aber an dieser Stelle geschenkt.

Aber dass der Kollege Brockes – er ist da – noch im Oktober erklärt – ich zitiere –: „Rot-Grün will den LEP auf Biegen und Brechen […] durchpauken

(Dietmar Brockes [FDP]: Ja!)

und untergräbt dafür die Rechte des Parlaments“, ist und war schlichtweg absurd.

(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Nein, nein, nein!)

Dass insbesondere die CDU die eigenen Beschlüsse ihrer Bundesregierung und der Partei nicht kennt oder bewusst ausblendet, ist schon beachtenswert.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Brockes zulassen?

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Natürlich.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Dietmar Brockes (FDP): Herr Kollege Goldmann, vielen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage geben.

Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass im Oktober vonseiten der rot-grünen Fraktionen geplant war, die Anhörung zum Landesentwicklungsplan in einem Verfahren durchzuführen, welches nicht den parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht, sondern dass es hier im Schweinsgalopp durchgezogen werden sollte?

(Minister Johannes Remmel: Was ist denn „Schweinsgalopp“?)

Erst nach meiner massiven Kritik, die Sie gerade eben vorgelesen haben, wurde seitens der Koalitionsfraktionen von diesem völlig überzogenen Fahrplan abgesehen und man hat dann ein Verfahren durchgeführt, welches auch die außerhalb des Wirtschaftsbereiches tätigen Ausschüsse eingebunden hat.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Goldmann, bitte.

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Herr Brockes, ich kann Ihnen leider nicht zustimmen. Ich stimme Ihnen dahin gehend zu, dass die Anforderung, zu entscheiden

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben das ganze Verfahren nicht verfolgt!)

– nein –, wo und in welcher Form letztendlich noch Anhörungen in einem oder in mehreren Ausschüssen durchzuführen sind, zu sehr zeitintensiven Auseinandersetzungen geführt haben.

Aber es ist, glaube ich, klar und letztendlich auch im Dialog zwischen allen Beteiligten irgendwie gelungen, den Formvorschriften Genüge zu tun. Ich denke, wir haben das auch korrekt im Verfahren abgewickelt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich greife den Faden, den ich gerade hatte, noch einmal auf. Ich habe gesagt, dass die CDU anscheinend ihre eigene Beschlusslage nicht kennt.

Ein kleines Beispiel: Am 23. Oktober hat die CDU ein neues Leitbild für ihre zukünftige Agrarpolitik erstellt – aus meiner Sicht ein lesenswertes Papier mit guten Inhalten. Da steht unter Ziffer 1: Die CDU will sich stärker dem Stopp des Bodenverbrauches widmen. Gesetztes Ziel sei es, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 ha pro Tag bundesweit abzusenken. Dieses Ziel ist identisch mit der aktuellen Beschlusslage der Bundesregierung. Die Ministerpräsidentin hat heute Vormittag darauf hingewiesen.

Was bedeutet das denn anteilsmäßig für Nordrhein-Westfalen? – Zurzeit liegt der Verbrauch in Nordrhein-Westfalen bei 9,3 ha pro Tag und Sie klettern auf den Baum, wenn die Landesregierung ein 5-ha-Ziel als Grundsatz definiert, während andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen bereits Ziele von 1,5 bis 3,6 ha in ihren Landesentwicklungsplänen verabschiedet haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum ersten Mal in der Geschichte der Landesplanung werden wir durch die Einführung eines landesweiten Monitorings vergleichbare Rahmenbedingungen auf der Ebene aller Regionalplanungsbehörden in Nordrhein-Westfalen schaffen. Je nach Erkenntnissen muss vielleicht bei der Bedarfsermittlung von Wirtschafts- und Industrieflächen dieses Verfahren nachjustiert werden. Dennoch ist es ein richtiger Weg.

Nordrhein-Westfalen – das hat Herr Thiel angesprochen – wird als erstes Bundesland das sogenannte Fracking ausschließen. Auch hierzu hatten wir in der Anhörung eine kontroverse Diskussion. Das ist ein großer Schritt, der auch in den anderen Bundesländern große Beachtung gefunden hat. Die Formulierung wurde nach einem intensiven fachlichen Austausch bewusst so gewählt. Sollte es zu einer rechtlichen Würdigung kommen, bin ich ziemlich sicher, dass der Abwägungstatbestand einer rechtlichen Betrachtung standhalten wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Erlauben Sie mir noch einige Ausführungen zu dem 13-seitigen CDU-Antrag vom 06.12., den wir heute auch behandeln. Würden wir diesem auch nur in Ansätzen folgen, wäre das Kapitel LEP tot. Das wissen die Verfasser dieses Antrages genau. Sollten wir den Ausführungen von Herrn Wüst im Wirtschaftsausschuss vom 7. dieses Monats folgen, mit bis zu zwei weiteren Abstimmungsrunden, würde wahrscheinlich die nächste Legislaturperiode hierfür noch nicht einmal ausreichen. Ein solcher Vorschlag kann also nicht ernst gemeint sein.

(Zuruf von den GRÜNEN: Meinen die auch nicht!)

Der Inhalt ist ein gebetsmühlenhaftes Wiederholen von bekannten Positionen der Wirtschaft; weit davon entfernt, dem Anspruch der Abwägung unterschiedlicher Interessen an den Raum gerecht zu werden. Das ist nichts Neues und nahezu alle Annahmen sind in der Sache falsch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal gehört auch etwas Mut zum politischen Geschäft. Stimmen wir dem Planentwurf nach § 17 Abs. 2 Landesplanungsgesetz also zu! – Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Danke sehr.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Goldmann. Das wünsche ich Ihnen auch. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesentwicklungsplanung – in dem Punkt stimme ich dem Kollegen Thiel ausdrücklich zu – ist eine ungeheure Arbeitsleistung bei allen Beteiligten gewesen. Das ist eine Arbeitsleistung in den Ressorts gewesen und das ist eine ungeheure Arbeitsleistung in der Landesplanungsbehörde, das zu lesen, zu ordnen, zu verstehen, rückzufragen und zu versuchen, in ein System zu bringen. Dass ich Ihr System nicht teile, ist etwas anderes. Aber die Arbeit als solche ist wertzuschätzen. Das tue ich hiermit gerne.

(Beifall von der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ein Landesentwicklungsplan ist ein Rahmenplan, eine Rahmenvorgabe. Administrativ ist er innerhalb einer Planungskaskade zum Regionalplan, zum Flächennutzungsplan, zum Bebauungsplan und zur Baugenehmigung zu sehen. Er ist fachübergreifend, zusammenfassend immer übergemeindlich zu sehen.

Wenn die Ministerpräsidentin meinem Fraktionsvorsitzenden vorwirft, er wisse nicht zu unterscheiden zwischen Fachplanung und Raumplanung: Meine Fraktion quäle ich mit diesen Begriffen des Öfteren und die haben das verstanden. Das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, der Landesentwicklungsplan hat die Aufgabe, Wirtschaft, Umwelt und Soziales in einen Gleichklang, in einen Konsens zu bringen. Das ist kein Gewinnerthema. Da gibt es immer Schwierigkeiten. Der Kollege Goldmann hat es ja eben gesagt. Im Nachhinein ist noch ein Unterkapitel „Wirtschaft“ hinzugefügt worden. Das zeigt ja den Geist, der zumindest bis zu dem Zeitpunkt dahinterstand, als das Kapitel eingefügt wurde. Das ist ja verräterisch.

Meine Damen und Herren, dieser Gleichklang ist nicht erreicht worden. Das haben die Anhörungen, das haben die Stellungnahmen gezeigt. Auch wir sagen: Dieser Landesentwicklungsplan in der jetzigen Form ist nicht zustimmungsfähig. Ein Landesentwicklungsplan ist ja auf der administrativen Seite, wie ich sagte, in der Kaskade zu sehen. Aber er hat ja auch eine politische Funktion.

Es muss doch klar werden: Was ist gewollt? Dem Plan fehlt die politische Vision. Wie sieht Nordrhein-Westfalen 2035 aus? Welche Schritte sind erforderlich? Wie sollen sie durchgeführt werden? In welchen Zeitabständen und in welcher Abfolge? Das ist alles nicht sichtbar.

Dieser Landesentwicklungsplan – das gebe ich gerne zu – konzentriert sich auf das Bewahren, das Bewahren der Schöpfung. Aber das ist zu wenig. Wer von uns will hier gegen die natürlichen Lebensgrundlagen handeln? – Keiner,

(Beifall von der FDP)

weder die CDU noch die FDP noch die Grünen noch die Piraten noch die Linken noch die SPD. Keiner will das. Aber das ist zu wenig.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Es gilt hier ganz klar, auch Entwicklungen aufzuzeigen und Chancen zu eröffnen. Der Vorredner hat recht: Ja, es gibt Möglichkeiten, hier mit dem Landesentwicklungsplan zu arbeiten. Aber Möglichkeiten sind die Ausnahme. Sie sind streng reglementiert. Sie sind die Ausnahme und nicht, wie erwünscht, die Regel.

(Beifall von der FDP)

Das muss es sein.

Es geht nicht darum, Kollege Thiel, wie Sie das gesagt haben, dass es kein Wirtschaftsplan sein darf; deswegen habe ich ja eben den Gleichklang noch einmal betont.

Aber eines ist doch auch klar: Die wirtschaftliche Entwicklung ist die Grundlage für Beschäftigung, für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, für den Wohlstand in unserem Land. Das ist die Wirtschaft, mit der wir auch die sozialen und die Wohltaten für den Naturschutz finanzieren wollen und können. Wirtschaft ist nicht alles. Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist vieles nichts. – Das müssen wir uns an jedem Punkte klarmachen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, in diesem Landesentwicklungsplan fehlt das eindeutige Bekenntnis zu Industrie und Handwerk und zu unserer Exportorientierung. Man darf Export nicht als etwas Negatives ansehen, das man gar nicht einzurechnen braucht, wie es in manchen Behördenstellen noch gang und gäbe ist.

Damit kommen wir zu einem grundsätzlichen Problem. Mit dem Kollegen Schemmer habe ich mich lange darüber ausgetauscht. Früher gab es mal den Begriff „Angebotsplanung“. Zu dieser Zeit haben wir immer darüber diskutiert, dass Angebotsplanung und Bedarfsplanung eine akademische Selbstbefriedigung sind. Wenn wir den Anzug jedoch zu eng schneidern, bekommen wir Probleme damit, Investoren herzulocken. Die Industrie muss sich zeitnah entwickeln können. Das ist das Wichtige.

(Beifall von der FDP)

In diesem Landesentwicklungsplan fehlt auch der zentrale Begriff „Wertschöpfungskette“.

(Beifall von der FDP)

Die Wertschöpfungskette ist das Entscheidende, nicht der einzelne Sektor. Auch diese Zusammenschau ist nicht gegeben.

Der Kollege Wüst hat es unter anderem angesprochen, und ich will jetzt nicht auf das 5-ha-Ziel eingehen, aber wir diskutieren es im Klein-Klein. 2,2 % der Landesfläche werden für Gewerbe und Industrie genutzt. Die Wertschöpfung liegt bei knapp 25 %. Es ist doch selbstverständlich, dass wir mit der Fläche vorsichtig umgehen und flächensparend argumentieren wollen. Wer will das nicht?

Jetzt ist man stolz auf ein Monitoring, das bei Abgrabungen und bei Bauflächen stattfindet. Wer flächensparend arbeiten will, muss jedoch auch sagen, wie es mit dem Naturschutz aussieht. Auch in diesem Bereich brauchen wir ein Monitoring; denn wir reden dabei über 15 % der Landesfläche. Welche Flächen, die heute unter Schutz stehen, sind überhaupt noch naturschutzwürdig, und wie können sie entwickelt werden? Vor einer Ausweisung neuer Naturschutzflächen sollen die bestehenden erst einmal naturschutzwürdig aufgewertet werden. Das wäre eine Maßnahme zum Flächensparen, anstatt sofort zu sagen: Wir wollen Ausgleichs- und Ersatzflächen, und diese verbuchen wir dann als sogenannte verbrauchte Fläche für das 5-ha-Ziel. Das alles kann nicht richtig sein.

Meine Damen und Herren, in diesem Landesentwicklungsplan fehlt eine Problematisierung des Begriffes „Brachflächen“. Brachflächen und alte Indus­trie­flächen liegen oftmals nicht am richtigen Ort, in der richtigen Infrastruktur oder der richtigen Zuordnung zur Wohnbebauung. Sie haben einen viel zu hohen Buchwert, als dass sie überhaupt benutzt werden könnten. – Darum geht es. Wir müssen von dem Traum Abschied nehmen, dass sich die Flächenproblematik durch eine Brachflächenmobilisation lösen lässt, so wichtig sie auch ist – und ich werbe dafür, dass der AAV arbeiten kann.

Ich komme zum nächsten Punkt. Was bedeuten denn die Begriffe „Bestandssicherung“ und „Standortsicherung“? – Sie bedeuten, dass man Flächen bereitstellt, aber nicht nur als räumliche Flächenerweiterung von Industrie, sondern auch für eine Produktionsumstellung, für Abstandsflächen und für Reserveflächen, damit ich für den Fall, dass ich bauen muss, auch bauen kann. All das fehlt hier drin.

Für hafenaffines Gewerbe ist es dem Verkehrsminister gelungen, den Umgebungsschutz als Ziel zu verankern. Herr Duin, es fehlt, dass wir das für alle Flächen brauchen.

(Beifall von der FDP)

Ihre Aufgabe wäre es gewesen, den Umgebungsschutz viel stärker zielorientiert und nicht nur als Grundsatz zu verankern.

Meine Damen und Herren, es fehlt eine Kalkulationssicherheit. Zum Beispiel reden wir über Flächen für die Steine- und Erdenindustrie. Diese Flächen sind tatsächlich nicht verfügbar, obwohl die Lagerstätte vorhanden ist. Eine privatnützige Enteignung gibt es nicht. Das muss einzeln aufgekauft werden, und dieser Prozess zieht sich manchmal über Generationen hin. Also schneidern wir den Anzug größer, als wir es momentan machen!

Des Weiteren fehlen Oberziele. Wir müssen uns zwischen Ober- und Unterzielen entscheiden. Zum Beispiel müssten das europäische Hochwasserschutzmanagement und der Deichbau viel stärker betont werden, auch hinsichtlich der Flächen, die dafür verwendet werden.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich teile die Auffassung, dass bei diesem Landesentwicklungsplan einiges möglich ist. Jedoch kann es nicht sein – wie die Ministerpräsidentin heute Morgen sagte –, dass die Kollegen von der Staatskanzlei und der Bezirksregierung im Einzelfall vor Ort rauskommen und Probleme lösen müssen und man davon ausgeht, dass das auch gelingen wird. Ein solches Vorgehen ist personal-, zeitaufwendig und investitionsabschreckend.

Aus all diesen Gründen – es tut mir wirklich leid – müssen wir sagen: Nein! – Ich wünschte, wir hätten unter Berücksichtigung der Argumente, die ich vorgebracht habe, einen gemeinsamen Weg finden können. Mit Teilen von Ihnen wäre es möglich gewesen; denn subkutan konnte man das mit den einzelnen Kollegen gut besprechen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Ihre Redezeit ist lange überzogen.

Holger Ellerbrock (FDP): Ich habe lange überzogen. – Auch ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten! Überlegen Sie es sich, ob der LEP so richtig ist. Ich glaube, er ist es nicht.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Piraten spricht der Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer draußen, auf der Tribüne und im Stream! Heute wird der längst überfällige neue Landesentwicklungsplan endgültig debattiert. Bei der Entwicklung des Planes hat es eine hohe öffentliche Beteiligung durch Organisationen und interessierte Bürger gegeben. Wir begrüßen das.

Der vorliegende Plan soll mittelfristig die Landesentwicklung und die Raumordnung formen; und zwar in einer Zeit, in der große Veränderungen in unserer bisherigen Wirtschafts-, Produktions- und Lebensweise eingeleitet und durchgeführt werden müssen. Allgemein stehen die Energiewende und ein anderer Umgang mit Ressourcen an. Reicht der Plan, um Wegweiser für das Land sein zu können? – Nein. Einen Teil unserer Kritik und unserer Verbesserungsvorschläge wird gleich mein Kollege Oliver Bayer vortragen.

Im Laufe der Beratungen wurde zum Beispiel der Klimaschutz hintangestellt. Er wurde nicht ganz rausgenommen, aber in seiner Priorität runtergestuft. Das führt nicht nur zu einer Entwertung des Landesentwicklungsplanes, sondern auch zu einer weiteren Entwertung des ohnehin nicht rechtsverbindlichen Klimaschutzplanes.

Ein Landesentwicklungsplan darf kein reiner Wirtschaftsentwicklungsplan mit dem klassischen Wachs­tumsziel sein. Er muss die Weichen hin zu einem ganzheitlichen Wachstumsbegriff mit Nachhaltigkeit und einer Förderung zukunftsträchtiger Initiativen und Investitionen stellen. Dazu gehören der Flächenschutz, der Klimaschutz sowie der Umwelt- und Naturschutz, die dann nicht mehr nur den angeblichen Interessen der Wirtschaft untergeordnet sind.

(Beifall von den PIRATEN)

„Wertschöpfungskette“ hat der Kollege von der FDP-Fraktion, Herr Ellerbrock, vornhin gesagt. Nein, das reicht nicht. – So würde also ein guter und zukunftsweisender Landesentwicklungsplan aussehen.

Fracking ist ein Beispiel für den verzweifelten Versuch der Konzerne fossiler Energien, ihre Dinosaurierkonzepte über die Zeit zu retten. Das steht gegen Klimaschutz, gegen Dekarbonisierung und muss verhindert werden, auch wenn die Öl- und Gaspreise wieder steigen und die aufwendige Fördermethode dann wieder lohnend erscheinen mag.

Weil die Änderungen in der Bundesgesetzgebung kein komplettes konsequentes Frackingverbot brachten, müssen wir jetzt im Land dafür sorgen. Die Landesregierung weigerte sich, ein solches Verbot ins Wasserrecht zu schreiben. Es soll nicht ins Naturschutzgesetz. Die Formulierung im Entwurf hier ist nicht ausreichend. Das kam bei der letzten Anhörung klar heraus.

Deshalb jetzt unser Antrag für mehr Verbindlichkeit, Klarheit und Rechtssicherheit. Wir möchten aus den Erfahrungen mit dem alten Landesentwicklungsplan, unter anderem mit dem Zielabweichungsverfahren im Zusammenhang mit Datteln 4, lernen. Ein solches unglaubliches und skandalöses Vorgehen zur Hintertreibung der Ziele darf es nicht noch einmal geben. Unser Vorschlag: Schiebt dem so weit wie möglich einen Riegel vor.

Wir brauchen hier Verbindlichkeit statt Unverbindlichkeit. Es gibt kein Argument gegen unsere Forderung, ein Frackingverbot für unkonventionelle Lagerstätten klipp und klar und eindeutig auf alle Lagerstätten – egal ob Schiefer, Sand, Kohleflöze oder was auch immer – auszusprechen, genauso wie das natürlich unabhängig von den geförderten Kohlewasserstoffen, Öl oder Gas gelten muss.

Wird dieser Landesentwicklungsplan ohne Berücksichtigung unserer Vorschläge in Kraft treten, dann setzen Sie sich dem Verdacht aus, doch eine Hintertür für Fracking offenlassen zu wollen. Der LEP ist dann für uns nicht zustimmungsfähig. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rohwedder. – Und nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Lersch-Mense.

Franz-Josef Lersch-Mense, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Landesentwicklungsplan schaffen wir die längst überfällige Grundlage dafür, dass sich Nordrhein-Westfalen nachhaltig entwickeln kann, dass die Wirtschaft wachsen kann, dass die Infrastruktur modernisiert und ausgebaut werden kann und dass Wohnraum neu gebaut werden kann.

Gleichzeitig – und das ist wichtig zu betonen – gewährleistet der LEP aber auch den immer erforderlichen Ausgleich. Dieser Ausgleich, Herr Kollege Ellerbrock, muss überörtlich und fachübergreifend sein. Dies ist der zentrale gesetzliche Auftrag, den wir auch durch das Bundesraumordnungsgesetz für die Landesentwicklungsplanung haben. Entwicklung und Ausgleich – diesem Auftrag kommen wir mit dem Landesentwicklungsplan umfassend nach.

Sie, meine Damen und Herren – das hat auch die Debatte heute Morgen gezeigt –, betonen immer nur die eine Seite der Medaille: die Entwicklung, die sicherlich wichtig und Voraussetzung für vieles ist. Aber das ist dann nicht nur insgesamt unausgewogen, Sie verfehlen mit dieser Einseitigkeit auch den gesetzlichen Auftrag der Raumordnung, dem wir nachzukommen haben.

Klar ist dabei: Der LEP setzt nur einen Rahmen – er setzt den Rahmen für die Konkretisierung auf den nachfolgenden Planungsebenen. Regionalplanung und kommunale Bauleitplanung brauchen einen sicheren Rechtsrahmen, der auch den gestiegenen Anforderungen der Rechtsprechung in diesem Bereich entspricht. Sie brauchen Gestaltungsmöglichkeiten, um vor Ort die jeweils besten Lösungen zu finden. Dies gewährleistet der neue LEP.

Ich möchte mich deshalb heute auf zwei der angesprochenen Themen konzentrieren, die belegen, wie wir die Entwicklung so steuern, dass der Ausgleich in der Praxis auch wirklich gelingt.

Die Ausweisung von Wohnungsbauflächen und die Versorgung der Wirtschaft mit geeigneten Flächen sind die zentralen Aufgaben. Für beides gilt: Die Ausweisung erfolgt bedarfsgerecht und muss jeweils bedarfsgerecht erfolgen. Der LEP ermöglicht jeweils eine gute Entwicklung. Er ermöglicht Angebotsplanung, anders als hier von Ihnen dargestellt.

Ich will Ihnen dies am Beispiel der Herausforderung der aktuellen Flüchtlingssituation gerne erläutern. Bewusst verzichten wir im LEP auf feste Flächenkontingente, die sich an starren Hektarzahlen festmachen. Der LEP macht Vorgaben für eine flächensparende – das ist richtig –, aber auch für eine bedarfsgerechte Siedlungsentwicklung.

Auf der Ebene der Regional- und Bauleitplanung kann damit flexibel auf Veränderungen des Bedarfs reagiert werden. Regionen mit wachsender Bevölkerungszahl und Regionen mit schrumpfender Bevölkerungszahl kann man nun einmal, Herr Ellerbrock, nicht über einen Kamm scheren.

Auf neue Herausforderungen wie den langfristigen Wohnbedarf in den Gebieten, in denen wir beispielsweise starken Zuzug von Flüchtlingen haben, kann damit im Rahmen der Regionalplanung und Bauleitplanung jeweils bedarfsgerecht auf der Basis des LEP reagiert werden.

Erste Ergebnisse des inzwischen landesweit vorliegenden Siedlungsflächenmonitorings belegen darüber hinaus, dass es in Nordrhein-Westfalen insgesamt, wenn auch regional zugegebenermaßen unterschiedlich, noch erhebliche Wohnbauflächenpotenziale in den Flächennutzungsplänen der Gemeinden gibt. Diese gilt es nun, zuallererst zu realisieren. Dabei unterstützt das Land die Gemeinden weiterhin.

Aber natürlich können auch vorausschauend neue Flächen ausgewiesen werden. Das Siedlungsflächenmonitoring hilft gerade, mögliche Engpässe frühzeitig zu erkennen und planerisch darauf reagieren zu können. Über Regionalplanänderungen und Bebauungspläne kann bedarfsgerecht nachgesteuert werden, um weitere Wohnbauflächen planerisch zu sichern.

Meine Damen und Herren, auch im Bereich der Wirtschaft gibt der LEP ausreichend Raum für weitere Entwicklung. Er setzt den Rahmen für eine nachhaltige positive Entwicklung der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen und stellt auch die notwendigen Flächen dafür zur Verfügung. Aber er muss dies natürlich im Ausgleich mit anderen Belangen tun.

Er setzt die Anforderungen, die aus der Wirtschaft, aber auch aus dem Verkehrsbereich und aus der Logistik kommen, in Beziehung zu den Anforderungen des Anwohnerschutzes, des Klimaschutzes, des Naturschutzes und des Landschaftsschutzes; denn wir sind ein dicht besiedeltes Land, in dem die unterschiedlichen Interessenlagen besonders schwer zum Ausgleich zu bringen sind.

Auch bei der Wirtschaftsfläche gilt: Entwicklung fördern, aber auch den notwendigen Ausgleich gewährleisten.

Ohne Frage bedeutet „Entwicklung“ die Bereitstellung geeigneter Flächen in ausreichender Größe. Diese Bereitstellung ist natürlich von zentraler Bedeutung für die Wirtschaft. Das gilt auf der Ebene der Landesplanung, der Regionalplanung und der kommunalen Planung gleichermaßen.

Aus dem Siedlungsflächenmonitoring wissen wir, dass auf kommunaler Ebene in NRW insgesamt rund 17.500 ha Wirtschaftsflächen ausgewiesen, also noch verfügbar sind. Die lokalen und regionalen Akteure müssen sich dann jeweils entscheiden, ob diese Wirtschaftsflächen auch an den richtigen Standorten sind oder ob es aus Sicht der Regionen bessere Standorte gibt.

Bei der Entwicklung von Wirtschaftsstandorten müssen in der Zukunft in der Tat mehr auch die qualitativen Gesichtspunkte der Standorte und der entsprechenden Flächen berücksichtigt werden. Bei quantitativ insgesamt ausreichenden Flächen ermöglicht deshalb der LEP, über das Instrument des Flächentausches Standorte zu finden, die gegebenenfalls besser für die geplante Ansiedlung geeignet sind. Aber diese Möglichkeiten, die wir mit dem LEP schaffen, müssen dann auch auf der Ebene der Regionalplanung und der kommunalen Flächenplanung genutzt werden.

Der LEP enthält daneben die Verpflichtung zu einer intensiveren kommunalen und regionalen Zusammenarbeit, unter anderem bei regionalen Gewerbeflächenkonzepten. Dies berücksichtigt die auch vonseiten der Wirtschaft immer wieder vorgetragene Tatsache, dass gute, qualitativ hochwertige Standorte für eine wirtschaftliche Entwicklung nicht in jeder Kommune in ausreichender Größe und Menge zu finden sind.

Es kommt für die Wirtschaft natürlich darauf an, die richtigen Flächen am richtigen Ort zu bekommen. Dazu können interkommunale Zusammenarbeit und das Instrument des Flächentausches beitragen.

Wir machen auch die Erfahrung: Meist wollen die Gemeinden jeweils einzelne Gewerbegebiete entwickeln. Häufig ist es aber besser, ein großes Gewerbegebiet interkommunal zu entwickeln und gemeinsam zu nutzen. Hier fördert der LEP den überörtlichen Ausgleich, der gleichzeitig die Entwicklungsmöglichkeiten für die Unternehmen verbessert.

Dass dies im Einzelfall gelingt, will ich an dem konkreten Beispiel deutlich machen, das auch Herr Wüst angeführt hat, allerdings mit einer nicht zutreffenden Feststellung. Sie haben behauptet, die Firma Hettich in OWL habe die Planung für eine Betriebserweiterung aufgegeben. Dem ist nicht so. Die Landesplanungsbehörde hat mit der Firma Hettich, mit der Bezirksregierung und mit den Bürgermeistern vor Ort am 23. November ein ausführliches Gespräch geführt. Das Ergebnis dieses Gesprächs war, dass man sich einvernehmlich auf die weiteren Verfahrensschritte verständigt hat, um das Vorhaben realisieren zu können.

Herr Ellerbrock, jetzt können Sie natürlich sagen: Es sollte nicht so sein, dass man sich um jeden Einzelfall kümmern muss.

(Bernhard Schemmer [CDU]: Genauso ist es!)

Das kann ich in gewisser Weise nachvollziehen. Wir wollen uns auch nicht um jeden Einzelfall kümmern müssen. Aber ich bin ganz sicher: Wenn die Regionalplanungsbehörden in allen Bezirksregierungen und im RVR ihrer Aufgabe nachkommen, dann wird das nicht nötig sein, sondern dann wird es gelingen, solche Lösungen vor Ort zu finden. Der LEP bietet jedenfalls ein ausreichendes Instrumentarium dafür. Er ist alles andere als ein Hindernis. Er ermöglicht solche Problemlösungen im Einzelfall. Da, wo es nötig ist, wollen und werden wir auch weiterhin dazu beitragen.

Bei dieser Gelegenheit will ich von meiner Seite allen einen herzlichen Dank sagen, die in den beiden sehr intensiven Beteiligungsverfahren mitgeholfen haben, den LEP so weit zu bringen, wie er jetzt ist. Ich bedanke mich insbesondere bei Herrn Dr. Epping und der Landesplanungsbehörde, die hier hervorragende Arbeit geleistet haben,

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

aber auch bei Ihnen, meine Damen und Herren, die diese Beratungen überwiegend konstruktiv begleitet haben. – Herzlichen Dank dafür.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Lersch-Mense. – Nun spricht für die CDU-Fraktion der Kollege Herr Dr. Bergmann.

Dr. Günther Bergmann (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich will diesem konstruktiven Begleitprozess gerne noch ein weiteres Kapitel hinzufügen, Herr Lersch-Mense. Ich möchte an einigen Stellen auf das, was die regierungstragenden Fraktionen – primär diese – im Vorfeld ausgeführt haben, eingehen.

Herr Thiel, ohne Wirtschaft kein Geld für die wichtigen Politikfelder, die drum herum liegen. Ich glaube, darauf können wir uns verständigen.

Ob das starre Konstrukt eines LEP in diesen sich rasant ändernden Zeiten aber noch das richtige Instrument ist, darüber müsste man einmal nachdenken, zumindest mit Blick auf die Laufzeit. Ich glaube, die Zeiten sind vorbei, in denen man eine Konstruktion für 15 oder 20 Jahre wählt und sich daran festklammert, nach 22 Jahren sogar immer noch behauptet, darin seien gute Elemente, und die auf die nächsten 20 Jahre überträgt. Das gilt dann im Grunde genommen über zwei Generationen hinweg. Das kann nicht zielführend und zukunftsfähig sein.

In Bezug auf die 3.800 ha will ich Ihnen noch sagen: Die sind in Summe nicht ersetzt worden. Es waren zwar 4.000 ha vorhanden, aber 3.800 ha sind nachher in Summe weg.

Herr Thiel, dieser Punkt ist aber eigentlich nur die Überleitung zu dem, was ich in Verbindung mit Herrn Ellerbrocks Vortrag noch einmal sagen möchte. Den Dreiklang „Wirtschaft, Umwelt und Soziales“ in einen Gleichklang umzuformulieren, ist ein sehr hehres und sehr hohes Ziel, das mit Sicherheit nie in Gänze funktionieren wird. Aber wir haben hier verpasst, den LEP so strukturiert vorzulegen, dass er eine Signalwirkung in ausreichendem Maße in Richtung Wirtschaft aussendet. Um bei der Unterschiedlichkeit der Sichtweisen zu bleiben: Er gibt starke Signale in die Bereiche Umwelt und Soziales, aber aus meiner Sicht zu schwache Signale in den Bereich Wirtschaft.

Ich will das auch unterlegen. Ich bin völlig bei Ihnen, dass wir die Flexibilität zum Beispiel im Hinblick auf Flächenpoollösungen usw. brauchen. Ich komme aus einem Kreis, der einen solchen Flächenpool hat. Ich weiß, welche Beschränkungen durch eine Kombination von LEP und Regionalplänen in der Umsetzung trotzdem bestehen. In Gemeinden, die 70 % bis 80 % Beschränkungen haben, nützt das nichts, was Sie gerade gesagt haben, sondern dort ist dann keine Entwicklungsmöglichkeit mehr gegeben – auch in Ihrem Regionalratsbereich, Herr Thiel.

Ich sage noch eines: Wenn man in diesen ländlichen Bereichen eine 3,5-ha-Erweiterung eines Gebietes – also eine sehr kleine Erweiterung – vornimmt und dafür netto nur 1,9 ha rausbekommt, werden nachher noch die 1,6 ha, die Sie als Ausgleichsfläche eingebracht haben, als Entzug landwirtschaftlicher Nutzflächen gerechnet. Da frage ich mich, ob der Ausgleich, der Dreiklang, überhaupt zu einem Gleichklang werden kann. Wenn Sie von 3,5 ha nur 1,9 ha nutzen können und 1,6 ha in den Ausgleich gehen, der der Landwirtschaft entzogen wird, aber in einer Renaturierungsmaßnahme endet, also nicht versiegelt wird, hat das mit den Realitäten vor Ort nichts mehr zu tun.

Bei allem Respekt, Herr Goldmann – Sie wissen, dass ich Sie schätze –, Sie brauchen einem Christdemokraten nicht die Bedeutung von Flächen und die Bedeutung landwirtschaftlicher Nutzfläche als Teil der Schöpfung erklären. Das erleben wir viel häufiger als Menschen, die hier darüber mitbestimmen und aus Großstädten kommen. Ich weiß, was es bedeutet, wenn über Generationen landwirtschaftliche Nutzbetriebe weitergegeben werden sollen. Dass sie wichtig sind, braucht sich ein Christdemokrat an dieser Stelle nicht erklären zu lassen.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte auch noch mal das Ziel 8.1-6 erwähnen, den Blick auf die Flughäfen lenken. Deutliche Kritik an der Zweiklasseneinteilung in Regional- und Landesbedeutsamkeit, die Sie vornehmen, obgleich es das im deutschen Luftrecht überhaupt nicht gibt, ist auch bei den Anhörungen geübt worden. Insbesondere, dass jetzt im Einklang mit den landesbedeutsamen Flughäfen entwickelt werden muss, klingt so, als müsse demnächst Ariel bei Persil nachfragen, ob sie ein neues Waschmittel auf den Markt bringen dürfen. Das finde ich einfach schade.

Deshalb möchte ich das Augenmerk noch einmal auf die ungenutzt schlummernden Potenziale bei den vier kleinen Flughäfen Münster/Osnabrück, Paderborn/Lippstadt, Dortmund und Weeze lenken.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das machen Sie seit 20 Jahren!)

Das sind Potenziale, die im Landesinteresse gehoben werden müssen. Diese Flughäfen sind Motoren regional wirtschaftlich wichtiger Entwicklung.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Vor allem kosten die einen Haufen Geld!)

Das muss sich auch im LEP widerspiegeln. Dieser darf keine planungsrechtlichen Hürden schaffen, sondern er muss gerecht sein und Chancengleichheit schaffen. Das sehen Sie letztendlich durch den SPD-Landesparteitagsbeschlusses bestätigt.

Ich glaube, dass wir im LEP viel mehr machen müssten. Sie müssten diesen Beschluss Ihres Landesparteitages eigentlich durch einen Beschluss im LEP umsetzen. Deswegen fordern wir die Aufhebung dieser Unterscheidung. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Bergmann. – Jetzt habe ich auf der Redeliste noch Herrn Kollegen Bayer von der Piratenfraktion.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Fluggäste am Stream! Ich mache mal da weiter, wo Herr Dr. Bergmann gerade aufgehört hat.

Der Landesentwicklungsplan ist von gestern, und zwar nicht nur im Sinne der politischen Ideen. Auch ganz konkret in Sachen Luftverkehr – wie wir eben auch schon in Ansätzen gehört haben – stützt sich der LEP-Entwurf auf die Zahlen aus den 90er-Jahren, die Daten, die mit der NRW-Luftverkehrs­konzeption 2010 aus dem Jahr 2000 bzw. davor in den 90er-Jahren erhoben wurden.

Damals war Weeze – und das habe ich, glaube ich, schon fünfmal im Plenum gesagt – ein voraussichtlich frei werdender Militärflugplatz. Ich füge heute noch hinzu: Der wichtige Angerlandvergleich zu dem Flughafen Düsseldorf wird in dieser noch gültigen Luftverkehrskonzeption, die im LEP verwendet wird, als nicht mehr relevant beschrieben. Darauf würde heute keiner mehr kommen. Das ist so, als würden wir heute Politik auf Basis von Dokumenten machen, in denen Frauenwahlrecht nicht als relevant angesehen wird.

Der LEP korrigiert diese uralte Datenbasis nicht. Die Lösung wäre eigentlich die Erstellung eines neuen Landesluftverkehrskonzepts gewesen – darauf möchte ich aber heute nicht eingehen –, und zwar bevor es den neuen LEP gibt und im Zusammenhang mit einem Klimaschutzgesetz.

Unser Entschließungsantrag zum LEP zieht an dieser Stelle die Notbremse. Es wäre anders besser gewesen. Also haben wir einen konkreten Textvorschlag zur Veränderung mitgebracht. Ich glaube, dass wir mit Anträgen nach dem Motto „Ziehen Sie mal alles zurück, und machen Sie mal alles neu.“ heute nicht wirklich weiterkommen.

Ohne Konzept kann man aber keinen Plan erstellen, vor allem keinen Plan, der zur nächsten Gelegenheit nicht mehr gilt – siehe SPD-Parteitag. Das macht natürlich auch keinen Sinn.

Ein Konzept wäre also dringend nötig gewesen. Damit hätte man arbeiten können. Mit dem aktuellen „Nichts“ kann man nicht arbeiten. Wichtig ist allerdings, zu wissen: Wir wollen natürlich Ziele, Priorisierung und Definition im Landesentwicklungsplan haben. Nur mit Priorisierung kann man auch Entwicklung steuern, nur eben nicht mit Priorisierungen, die auf Daten der 90er-Jahre basieren. Priorisierung wäre natürlich auch an vielen anderen Stellen des Landesentwicklungsplans sehr wichtig gewesen.

Der Klimaschutzplan hätte, wie mein Kollege schon sagte, viel stärker und eben nicht schwächer berücksichtigt werden müssen, um überhaupt noch ernst genommen zu werden.

Sie haben Ihr Leuchtturmprojekt „Klimaschutzplan“ mit diesem LEP eigentlich endgültig entwertet. Er war schon vorher nicht viel wert, weil sich die Ministerien nicht daran gehalten und nicht darauf geachtet haben. Aber jetzt mit diesem LEP ist er endgültig nichts mehr wert. In die Tonne damit! Politisches Ziel des Klimaschutzplans verfehlt; er ist nichts weiter als Fake-News: schön teuer produziert, aufwendig präsentiert.

Aber was soll man denn damit? Er war wahrscheinlich nie dazu gedacht, umgesetzt zu werden – genau wie der LEP, der in diesem Fall kein Tiger ist, eher eine Schmusekatze. Das war nett, aber in der Praxis nicht sinnvoll.

Sie haben sich sogar noch von Lobbyisten mit Eigeninteressen und dieser Pseudoopposition, die die Lobbyisten unterstützte, dazu treiben lassen, den LEP noch schlechter zu machen. Dass wir den LEP im Landtag nahezu allein im Wirtschaftsausschuss behandelt haben, ist folgerichtig und konsequent, aber leider falsch. Es handelt sich nicht um einen Wirtschaftsentwicklungsplan. Der Aufwand für den vorliegenden LEP war sicherlich sehr groß;

(Unruhe – Glocke)

aber am Ende sind die politischen Ziele auf der Strecke geblieben.

Tatsächlich stellt sich die von Herrn Dr. Bergmann eingebrachte Frage, ob die starre Konstruktion des LEP noch zeitgemäß ist. Wichtig ist dabei, dass die Ziele und Prioritäten, also die Regeln, nicht beliebig – je nachdem, wie es gerade passt – aufgeweicht werden. Sonst ist es kein moderner Plan, und man könnte gleich auf ihn verzichten.

Ich komme zum Schluss. Mit unseren ganz konkreten Bug-Fixes wollen wir zumindest eine Notfallreparatur machen. Deshalb empfehle ich natürlich, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bayer. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Entwurf des Landesentwicklungsplans ab. Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk empfiehlt in Drucksache 16/13711 die mit den Vorlagen 16/4116 und 16/4130 gemäß § 17 Abs. 2 Landesplanungsgesetz durch die Landesregierung beantragte Zustimmung zum Entwurf des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen – LEP NRW – zu erteilen. Wer stimmt dem so zu? – SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es nicht. Damit ist die Zustimmung zum Entwurf des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen erteilt.

Wir stimmen zweitens ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/13776. Wer stimmt dieser Entschließung zu? – Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne, CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist der Entschließungsantrag der Piraten Drucksache 16/13776 mit den Stimmen des Plenums gegen die Stimmen der Piraten abgelehnt.

Drittens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/13777 ab. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und Piraten. Wer enthält sich? – CDU. Bei Enthaltung der CDU-Fraktion ist der Entschließungsantrag der FDP Drucksache 16/13777 mit den Stimmen von SPD, Grünen und Piraten abgelehnt.

Wir stimmen viertens über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13687 ab. Da die antragstellende Fraktion direkte Abstimmung beantragt hat, stimmen wir über den Inhalt des Antrags ab. Wer stimmt dem Inhalt zu? – CDU. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und Piraten. Wer enthält sich? – FDP. Damit ist der Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/13687 mit den Stimmen von SPD, Grünen und Piraten bei Enthaltung der FDP abgelehnt.

Damit haben wir Tagesordnungspunkt 3 ordnungsgemäß abgearbeitet.

Ich rufe auf:

4  Landesregierung muss wachsende Überstundenberge sicher vor Verfall schützen – Beamte haben Kompensation ihrer unvermeidbar anfallenden Mehrarbeit verdient

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13694

Dieser schöne lange Titel wird heute nicht diskutiert, sondern alle fünf Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Antrag Drucksache 16/13694 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Rechts- und den Innenausschuss mit der Maßgabe zu überweisen, die abschließende Aussprache und Abstimmung nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses durchzuführen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt diesem Verfahren zu? – Alle Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

5  Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (8. ÖPNV-ÄndG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12435

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bauen, Wohnen,
Stadtentwicklung und Verkehr
Drucksache 16/13704

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13785

zweite Lesung

In Verbindung damit:

Angebotsqualität im kommunalen ÖPNV sichern – faire Löhne und Sozialstandards der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13534

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Becker das Wort. – Bitte schön, Sie haben das Wort, Herr Kollege Becker.

Andreas Becker (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten und beschließen heute ein gutes Gesetz, mit dem wir den ÖPNV in unserem Land im Interesse der Bürgerinnen und Bürger besser machen. Wir können dies nicht zuletzt tun, weil wir dank guter Verhandlung der Landesregierung, namentlich unseres Ministers Mike Groschek, bei den Regionalisierungsmitteln deutlich mehr Mittel zugewiesen bekommen haben als bislang. Insgesamt werden wir mit weiteren Bundesmitteln und einigen wenigen Landesmitteln, die CDU und FDP noch streichen wollten, rund 1,6 Milliarden € für den ÖPNV in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stellen.

Von diesem Mehr an Geld profitieren die Zweckverbände. Aber wir werden auch die gestaltende Rolle des Landes im ÖPNV stärken und klare inhaltliche Akzente setzen:

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Wir werden den Kommunen helfen und in einem gesonderten Landesprogramm den Erneuerungsbedarf im Stadtbahnbereich angehen.

Wir werden ein spezielles Förderprogramm zum komplexen Bereich „Barrierefreiheit“ anbieten.

Wir werden auf der Grundlage des neuen ÖPNV-Bedarfsplans SPNV-Strecken reaktivieren und elektrifizieren.

Und wir werden Elektromobilität im ÖPNV fördern und damit einen wichtigen Beitrag zur weiteren Reduzierung der Stickoxid- und Feinstaubbelastung gerade in den Innenstädten leisten.

Die SPD-Fraktion steht im Übrigen auch dazu, mit diesem Gesetz über diese Sonderprogramme hinaus auch den Einfluss des Landes in der Zusammenarbeit zu stärken. Wir würden uns sehr freuen, wenn das insgesamt nicht als Bedrohung, sondern als Einladung zu einer schnellen und effektiveren Zusammenarbeit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zur Verbesserung des ÖPNV verstanden würde.

Wir werden heute dieses Gesetz besser machen, indem wir zum einen die Mittel gemäß § 12 ÖPNV-ÄndG für die pauschalierte Investitionsförderung in Höhe von rund 150 Millionen € entfristen. Das ist nach der Bund-Länder-Einigung über die Entpflichtungsmittel möglich bzw. angezeigt und sorgt für die notwendige Planungssicherheit. Insofern gilt unser Dank auch dem Finanzminister, der ab 2020 aus dem Landeshaushalt 130 Millionen € für den ÖPNV und auch für den kommunalen Straßenbau zu Verfügung stellt.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Wir werden zum Zweiten die Weitergabe der Mittel für die Ausbildungsverkehrspauschale in Höhe von landesweit 130 Millionen € flexibilisieren und in die Verantwortung der Kommunen legen. Ihnen stehen dazu als beihilferechtskonforme Instrumente entsprechend der EU-Verordnung entweder der Erlass von allgemeinen Vorschriften oder aber eine Regelung im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge zur Verfügung. Wir sind sicher, dass die Kommunen sehr verantwortungsbewusst und untereinander abgestimmt mit dieser neuen und von ihnen gewollten Freiheit umgehen werden.

Damit bin ich bei unserem Antrag „Angebotsqualität im kommunalen ÖPNV sichern – faire Löhne und Sozialstandards der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten“, der im letzten Plenum behandelt werden sollte. Angesichts dessen, was ich in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der 11a-Änderung gehört habe, möchte ich doch noch einmal an Folgendes erinnern:

Wenn wir in Nordrhein-Westfalen jährlich rund 1,6 Milliarden € für Busse und Bahnen ausgeben, dann nicht, damit sich irgendjemand damit eine goldene Nase verdient. Nein, diese Mittel sind gemeinwohlorientiert, und die flächendeckende Versorgung mit Angeboten des ÖPNV ist ein Gebot der sozialen Daseinsfürsorge. Hierbei spielen die kommunalen Verkehrsunternehmen eine wichtige Rolle. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass es den Kommunen freigestellt sein soll, die Qualität und die Quantität der ÖPNV-Leistungen zu definieren und soziale wie auch andere Standards für die Leistungserbringung festzulegen, an die sich dann auch jeder halten muss.

Um es auf den Punkt zu bringen und klar zu sagen: Wir wollen eigenwirtschaftliche Verkehre nicht per se verhindern, aber wir wollen Waffengleichheit und gleiches Recht für alle. Deshalb begrüßen wir auch die Bundesratsinitiative, die unsere Landesregierung mit Niedersachen und Schleswig-Holstein ergreift und die genau in die richtige Richtung geht.

Erlauben Sie mir – weil wir mit der Abstimmung heute auch eine fast einjährige inhaltliche Auseinandersetzung über den ÖPNV zu Ende führen – ganz zum Schluss einen Dank an alle, die daran mitgewirkt, sich eingebracht und geholfen haben, an das Haus. Wir haben ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Rehbaum.

Henning Rehbaum (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer weiß, was das ist?

(Der Redner hält zwei Disketten hoch.)

Das ist die letzte technische Neuerung im Stellwerk der Duisburger Verkehrsbetriebe: die Einführung des 3,5-Zoll-Floppy-Laufwerks. Das ist die traurige Realität in vielen Stadtbahnbetrieben. Die Zeit ist dort vor ungefähr 20 Jahren stehengeblieben. Der VDV hat schon vor mehreren Jahren begutachtet, dass etwa 3 Milliarden € allein in nordrhein-westfälischen Stadtbahnbetrieben fehlen, davon allein 550 Millionen € in Duisburg.

Rot-Grün hatte jahrelang tatenlos zugeschaut. 2013 sind die Mittel massiv gekürzt worden. Seitdem sind dem System 150 Millionen € entzogen worden. Es war ein historischer Fehler, die ÖPNV-Infrastruktur-mittel von 150 auf 120 Millionen € zu kürzen. Leidtragende sind Millionen von Fahrgästen in unseren Großstädten, die jeden Tag das Elend rot-grüner Verkehrspolitik zu spüren bekommen.

(Beifall von der CDU)

Die CDU hatte bereits 2013 die Rücknahme der rot-grünen Kürzungen beantragt. Sie haben sie trotzdem durchgeführt. Aber, Überraschung: Pünktlich vor der Wahl heben Sie die Beträge an und lassen sich dafür auch noch feiern. – Ich sage Ihnen: Die Rücknahme Ihrer Kürzungen der Stadtbahngelder ist bitter nötig, kommt aber viel zu spät.

Im Stadtverkehr geht es um die Bewältigung der Fahrgastmengen, im Regionalverkehr um die Sicherstellung von Mindestangeboten für die Bürger sowie um die Beförderung von Pendlern aus dem Umland in die Zentren und zurück.

Große Bedeutung hat hier der SPNV. Die Regionen, die allerdings nicht über einen Schienenverkehr verfügen, haben an dieser Stelle den Schnellbus, der gute Dienste tut. Es gibt hier aber eine systematische Ungerechtigkeit: Regionen mit einem Schienenstrang bekommen den Verkehr vom Land bezahlt, Regionen ohne Schienenstrang müssen ihren Schnellbus über die Gemeinden selbst bezahlen.

Der Schnellbus, meine Damen und Herren, ist die Regionalbahn auf Gummirädern. Verleihen wir dem Schnellbus endlich den Ritterschlag der Verkehrspolitik und stellen wir ihn finanziell den Regionalbahnen gleich, und zwar nicht optional, sondern verbindlich.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Bürgerbus. Wir haben ungefähr 100 Vereine in Nordrhein-Westfalen – hierzu haben wir auch einen Haushaltsantrag gestellt – mit etwa 5.000 ehrenamtlichen Fahrern. Seit Jahren fordern wir die Anhebung der Organisationspauschale von 5.000 € auf 6.000 € pro Jahr und Verein. Es geht hier nur um 100.000 € zusätzlich in ganz NRW für diese 100 Vereine. Das Geld ist aber von enormer Bedeutung für die Finanzierung ihrer Vereinsarbeit, für die Gesundheitsprüfung der Fahrer, für die Führerscheinverlängerung, für Geselligkeit in den Vereinen und für die Wertschätzung ganz allgemein. Rot-Grün lässt die Bürgerbusvereine verhungern.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen, dass ehrenamtliche Bürgerbusvereine endlich die Unterstützung erhalten, die sie verdient haben.

Zum Punkt der eigenwirtschaftlichen Anträge im ÖPNV: Wir haben eine gesunde Marktlandschaft im nordrhein-westfälischen Busverkehr. Wir haben Kommunalunternehmen und deren 400 mittelständische Subunternehmer, wir haben bundeseigene Unternehmen, internationale und private Unternehmen, die Verkehre dort betreiben, wo es eigenwirtschaftlich noch geht.

All diese Unternehmen und ihre Mitarbeiter eint aktuell die Sorge vor unseriösem Wettbewerb, einem Wettbewerb, der keiner ist, weil man sich als Verkehrsunternehmen nicht wie ein Handwerker jeden Tag aufs Neue um die Leistungen bemühen kann, sondern weil man nur alle acht Jahre genau einen einzigen Genehmigungsantrag auf die Linie abgeben kann. Geht die Genehmigung verloren, muss das Unternehmen aufgeben.

All die Unternehmen im ÖPNV eint die Sorge, dass ein Marktneuling zum Beispiel aus Niedersachsen, aus Hessen oder aus Rheinland-Pfalz das macht, was derzeit noch legal ist. Er nimmt sich einen Laptop und würfelt die Produktionsfaktoren zusammen – Busse, Wartung, Kraftstoffe –, und in der Spalte „Busfahrerlohn“ trägt er ein: Mindestlohn. So rechnet er sich ganze Linienpakete eigenwirtschaftlich und übernimmt die Linienrechte. Wer die soziale Marktwirtschaft ernst nimmt, kann das nicht richtig finden.

Die CDU will den Kommunen die Möglichkeit einräumen, den Verkehrsunternehmen die Anwendung eines repräsentativen Tarifvertrags vorzugeben. Damit können sich die privaten und öffentlichen Unternehmen wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren: Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, Innovation und Effizienz und Sicherheit für die Fahrgäste. Und davon profitieren auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrsunternehmen.

Damit eines klar wird: Wir brauchen dafür kein bürokratisches Tariftreue- und Vergabegesetz, sondern eine schlichte Klarstellung im ÖPNV-Gesetz.

(Beifall von der CDU)

Ich komme zum Schluss. – Aufgrund der jüngsten, ernst zu nehmenden juristischen Bedenken auch aus dem kommunalen Lager zu der von SPD und Grünen vorgeschlagene Flexibilisierung des § 11a ÖPNV-Gesetz haben wir uns entschieden, diese Forderung nicht weiter zu unterstützen.

Der Antrag zum Personenbeförderungsgesetz im Bundesrat ist bereits angestoßen. Kollege Becker sagte es bereits. Damit hat sich im Grunde Ihr Antrag hier im Landtag erübrigt. Debatten für die Vitrine brauchen wir sicherlich nicht zu führen.

Der vorliegende Gesetzentwurf zum ÖPNV-Gesetz ist unseres Erachtens kein großer Wurf. Er ist mutlos, kraftlos, ohne Vision, aber er hat wichtige Themen zumindest erkannt.

Die Nahverkehrspolitik von Rot-Grün ist wie die Technik im Duisburger Stellwerk. Ich zeige es noch einmal her.

(Der Redner zeigt eine Diskette.)

Vizepräsident Oliver Keymis: Aber dann kommen Sie zum Schluss.

Henning Rehbaum (CDU): Darunter leiden die Fahrgäste, darunter leiden die Mitarbeiter, und darunter leidet auch das Image von NRW. NRW braucht einen Aufbruch, auch in der Nahverkehrspolitik.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rehbaum. – Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Kollege Beu.

Rolf Beu (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach langer und intensiver Beratung werden wir heute das neue ÖPNV-Gesetz für Nordrhein-Westfalen beschließen. Die Novellierung wurde nicht nur aus formalen Gründen wie der auslaufenden Befristung notwendig, sondern schaffte auch die Möglichkeit, neue Tatbestände in dieses Gesetz zu integrieren.

Die ÖPNV-Pauschale an die kommunale Familie wird ab 2017 jährlich um 20 Millionen €, der Mindestbeitrag für die pauschalierte Investitionsförderung um 30 Millionen € pro Jahr erhöht. Insgesamt werden wir im kommenden Jahr rund 1,6 Milliarden € für den SPNV und den ÖPNV in Nordrhein-Westfalen aufwenden. Besonders hinweisen möchte ich aber tatsächlich auf die erstmalig vorgenommenen neuen fünf Förderprogramme.

Erstens: Unterhaltungsinvestitionen der Straßenbahn- und Stadtbahnstrecken. Kollege Rehbaum hat eben irgendwelche Floppy-Disks gezeigt. Ich weiß gar nicht, von welcher Stelle er sie im Duisburger Nahverkehr tatsächlich bekommen hat. Aber die Problembeschreibung ist korrekt.

Dies haben wir dann letztendlich auch abgestellt, indem es jetzt einen neuen Fördertatbestand für die Sanierung dieser Stadtbahnstrecken gibt. Dabei ist vorgeschaltet eine Notwendigkeitsprüfung dazu, ob es nicht kostengünstigere Lösungen gibt, wie beispielsweise den Verkehr wieder nach oben zu verlegen. Das wird letztendlich dann auch sachgerecht durch das Ministerium entschieden werden.

Zweites Förderprogramm: Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken. Es war Ergebnis auch einer verfehlten Politik der Deutschen Bundesbahn in den 1950er-, 1960er- und 70er-Jahren, Strecken einfach stillzulegen.

Wir wollen im Prinzip, dass jetzt, und zwar als betriebswirtschaftlich vernünftige Regelung, tatsächlich auch Bahnstrecken reaktiviert werden. Das wird vor allem dem ländlichen Raum zugute kommen. Deshalb sind wir der Meinung, dass dann auch die Bevölkerungszentren wieder enger miteinander verknüpft werden und diese Maßnahme auch sinnvoll ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da, wo entsprechende Streckenreaktivierungen nicht möglich sind, sollen Schnellbusse zukünftig diesen Verkehr zwischen Zentren der Region oder auch zwischen Zentren und Bahnstationen aufnehmen können.

Herr Rehbaum, es kann natürlich nicht so sein, dass sich dann die Kommunen ihrer Verantwortung entziehen und alle Maßnahmen aus der entsprechenden regionalen Verantwortung auf die kommunal verfassten drei Aufgabenträger für den SPNV abtreten, nach dem Motto: Dann soll es doch jemand anders zahlen, aber wir nicht aus den Kassen der Kreishaushalte. – Sie wissen auch selber, dass zumindest die großen Städte hier im Land im Regelfall einen viel größeren Aufwand für ihren kommunalen ÖPNV ausgeben.

Drittens: die Elektrifizierung bisheriger Dieselstrecken. Es gibt in NRW immer noch S-Bahn-Strecken, die mit Dieselfahrzeugen betrieben werden, eine ganz hier in der Nähe zwischen Kaarst und Mettmann, eine weitere zwischen Bonn und Euskirchen, um nur zwei zu nennen. Da ist es auch Aufgabe des an sich umweltfreundlichen Verkehrsmittels auf der Schiene, weiter einen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele zu leisten.

Dieses wollen wir tun. Das soll dann innerhalb der gültigen Verkehrsverträge auch über die kommunal verfassten Aufgabenträger gewährleistet werden.

Viertens: Förderung zukunftsfähiger Busangebote. Es ist im höchsten Maße kontraproduktiv, wenn alte Dieselbusse mit roten Plaketten und Sondergenehmigungen durch Umweltzonen des Landes fahren. Da gilt es, tatsächlich eine Vorreiterrolle zu realisieren, damit Elektromobilität im ÖPNV geleistet werden soll, um praktisch Impulse zur Anschaffung von Elektro- oder auch Brennstoffzellenbussen zu geben. Es ist letztendlich auch Ziel und Aufgabe des Landes, dieses weiter zu fördern.

Fünftens: Herstellung der Barrierefreiheit. Nach dem altbekannten Personenbeförderungsgesetz sollen im Jahre 2022 alle Haltestellen barrierefrei ausgebaut sein. Doch muss man feststellen, dass zumindest etliche Kommunen dieser Aufgabe bisher nur mangelhaft nachgekommen sind. Wir wollen zukünftig aber die Kommunen dabei unterstützen, indem wir Mittel zur Verfügung stellen, um das Ziel der Barrierefreiheit für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, möglichst zeitnah realisieren zu können.

Die Mittelverteilung zwischen den Aufgabenträgern in Westfalen, im Rheinland und an der Ruhr soll transparent und nach Kriterien geregelt werden, wie es bereits zwischen den 16 Bundesländern nach dem Kieler Schlüssel erfolgt. Wir wollen der Diskussion, wir sind der benachteiligte Landesteil und bei allen anderen werden die Mittel versenkt, zukünftig jede Grundlage entziehen.

Schließlich haben wir den Gesetzentwurf der Landesregierung gemeinsam mit der SPD als regierungstragende Fraktionen nach dem Anhörungsverfahren noch an zwei Stellen geändert. Eine Änderung beinhaltet, dass wir die kommunalen Verkehrsunternehmen in ihrem Wettbewerb und ihrer Wettbewerbsfähigkeit stärken wollen. Die zweite Änderung ist die Aufhebung der Befristung in § 12. Damit ist es dann auch den kommunal verfassten Aufgabenträgern nicht mehr möglich, Investitionsanträge neuer Art von den Kommunen mit dem Argument der mangelnden finanziellen Planbarkeit nicht mehr zu genehmigen.

Da sind wir, wie bei allen anderen Maßnahmen, auf einem guten Weg und fordern die Aufgabenträger auf, ihre Ziele zu verwirklichen und ihren Aufgaben entsprechend nachzukommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Beu. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Rasche das Wort.

Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zum Kollegen Rehbaum, der uns hier eben die halbe Technik der Deutschen Bahn AG in Nordrhein-Westfalen gezeigt hat. Lieber Herr Rehbaum, ich will heute Abend noch mit dem Zug nach Hause fahren. Ich hoffe, die Dinger sind dann wieder in Duisburg im Stellwerk, sodass ich an Duisburg vorbeikomme.

Kommen wir zum eigentlichen Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen. Anlass für die Novellierung des ÖPNV-Gesetzes ist zum einen die Befristung – deswegen müssen wir handeln –, und zum anderen – die Kollegen von der SPD haben es bereits gesagt – stehen mehr Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz des Bundes für unseren ÖPNV/SPNV zur Verfügung. Damit hat Nordrhein-Westfalen bei Weitem noch nicht den Anteil erreicht, der uns zusteht. Den werden wir erst im Jahr 2030 erreichen. Aber, lieber Herr Minister Groschek, wir sind schon auf dem richtigen Weg, und das ist doch auch schon etwas.

Mit dieser Gesetzesänderung wären Chancen verbunden gewesen, zu wesentlichen Verbesserungen im ÖPNV zu kommen. Die wurden bei der Einbringung des Gesetzentwurfs leider noch nicht genutzt. Ich möchte im Folgenden auf vier Positionen eingehen.

Zunächst zur pauschalierten Investitionsförderung. Im Jahr 2013 hatte die Koalition von SPD und Grünen diesen Betrag von 150 Millionen € auf 120 Millionen € reduziert. Dieser Fehler aus dem Jahr 2013 wird jetzt korrigiert, und wir landen in Zukunft wieder bei 150 Millionen € für Erneuerungs-, Neu- und Ausbaumaßnahmen. Das ist gut so; der Fehler im Jahr 2013 war überflüssig.

Ein wesentlicher Kritikpunkt der letzten Monate – und wir befassen uns schon seit Monaten mit diesem Gesetz – war die vorgesehene Befristung. Die Opposition, die Experten, die Verkehrsunternehmen und auch die vielen Sachverständigen in der Anhörung haben diese beklagt und gefordert: Wir brauchen Planungssicherheit. Warum diese Koalition so viele Monate gebraucht hat, um dieser Logik nachzugeben, ist uns unverständlich. Wir müssen aber immerhin anerkennen, dass die Koalition nach vielen Monaten nachgegeben hat. Auch hierbei liegen wir jetzt richtig.

Bei der landesweiten einheitlichen Fahrzeugförderung haben Sie Ihre Fehler zumindest teilweise, aber nicht, wie bei dem Punkt davor, in Gänze korrigiert. Herr Kollege Rehbaum hat die Schnellbusse angesprochen. Diese werden bei der SPNV-Pauschale finanziell nicht berücksichtigt. Das ist insbesondere mit Blick auf den ländlichen Raum ein Fehler; denn dort spielen die Schnellbusse, zum Beispiel im Hochsauerlandkreis, eine wesentliche Rolle. Wir müssten das Gesetz eigentlich noch korrigieren.

Das waren die vier Punkte zum Gesetz. Wir behandeln mit diesem Gesetz aber auch noch einen weiteren Antrag von SPD und Grünen. Diesen muss man in Verbindung mit einem weiteren Änderungsantrag zum Gesetz sehen, der das Thema „Ausbildungsverkehrspauschale“ betrifft.

Unter dem Strich geht es darum, wie wir den Wettbewerb in diesem Bereich definieren, und zwar einen Wettbewerb mit öffentlichen, kommunalen Unternehmen auf der einen und privaten Omnibusunternehmen auf der anderen Seite.

Die Position der FDP ist klar: Wir wollen einen fairen Wettbewerb zwischen beiden Beteiligten, und wir wollen das Gesetz und auch die Anträge so gestalten, dass beide Seiten faire Chancen bekommen. Da gehen Opposition und Koalition offensichtlich weit auseinander; denn Sie ziehen um die kommunalen Unternehmen, die auch wertvolle Arbeit leisten, einen großen Schutzzaun und lassen den privaten Unternehmen kaum noch Chancen, in diesem Wettbewerb zu gewinnen.

Das ist jedoch nicht allein die Position der FDP, sondern auch der VDV hat geschrieben, dass das Gleichgewicht zwischen öffentlicher und privater Einbringung von Verkehrsleistungen empfindlich gestört wird. Der NWO, der Verband Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen, spricht von fatalen Folgen, die diese Politik von SPD und Grünen nach sich ziehe. Der VRR, auch eine wichtige Stimme in Nordrhein-Westfalen, sieht Klageverfahren auf uns zukommen, bei denen wir schlechte Chancen hätten. Außerdem sieht er die privaten Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, in ihrer Existenz bedroht. Das schreibt der VRR, der übrigens auch auf einen funktionierenden Wettbewerb angewiesen ist.

Damit mir der Minister gleich nichts Falsches in den Mund legt, möchte ich noch einmal hervorheben: Wir sind für fairen Wettbewerb. Der Wettbewerb, den Sie hier anstoßen, ist aus unserer Sicht unfair. Er benachteiligt die Arbeitnehmer – und die Arbeitnehmer sind vielleicht auch Ihre Wählerinnen und Wähler – in diesen privaten Omnibusunternehmen. Wenn man die Mitarbeiter in diesen Unternehmen benachteiligt und deren Wünsche einfach beiseiteschiebt, dann ist man auch ein Stück weit unsozial, und das sollte die SPD in Nordrhein-Westfalen nicht sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Carsten Löcker [SPD]: Das ist doch dummes Zeug! Das ist doch Stuss!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Rasche. – Als nächster Redner spricht für die Piratenfraktion Herr Bayer. Sie haben das Wort, Herr Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Fahrgäste am Stream! Lieber Herr Minister Groschek, es freut mich, dass Sie mit dem Gesetzentwurf schon etliche Punkte aufgreifen und umsetzen wollen, die wir in der Enquetekommission zur Zukunft des Öffentlichen Personenverkehrs entwickelt haben, wie auch in CDU- und FDP-Pressemitteilungen zu lesen war. Es handelt sich zwar nur um ganz wenige Handlungsempfehlungen, immerhin geht es aber um notwendige Konzepte, Organisation, Ausbau, Elektromobilität und regionale Schnellbusverkehre.

Gerade bei den regionalen Schnellbusverkehren haben Sie jedoch etwas Entscheidendes vergessen. Es wird nämlich gar nicht definiert, was das genau ist. Außerdem wird das Ganze ohne einen direkten Haushaltsposten für regionale Schnellbusverkehre nicht funktionieren, jedenfalls nicht so schön. Deshalb haben wir diesbezüglich auch einen Haushaltsänderungsantrag gestellt, der aber leider abgelehnt wurde. Aus diesem Grund musste ich meine Rede etwas korrigieren; sonst hätte ich nämlich gelobt.

Wenn wir jetzt Regionalschnellbusverkehre mit Regionalisierungsmitteln bezahlen, dann nehmen wir das Geld dort weg, wo es dringend benötigt wird, nämlich bei den Regional- und S-Bahnen, die deutlich höhere Akzeptanzvorteile haben und eben nicht ersetzt, sondern ergänzt werden sollen.

Der Bund hat die Mittel gerade geringfügig erhöht, und zwar deshalb, weil die Bundesländer glaubhaft vermitteln konnten, dass sie die SPNV-Mittel dringend benötigen, und zwar zu Recht. Diese Glaubwürdigkeit zerstören Sie, wenn Sie an keiner Stelle bereit sind, eigene Mittel einzusetzen.

Das ganze ÖPNV-Gesetz gefällt sich leider darin, ein paar Tröpfchen auf den heißen Stein mehr zu bieten. Das Land leitet aber letztlich wieder nur Bundesmittel weiter. Ein echtes Engagement des Landes fehlt noch immer. Eine echte Verkehrswende, für die wir stehen und für die auch die Regierungskoalition immer zu stehen behauptet, braucht aber auch ein echtes Engagement.

Dabei wissen wir alle, dass der öffentliche Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen ganz dringend Investitionen braucht. Das wurde vorhin auch schon dargestellt. In den Kommunen werden derzeit die Nahverkehrspläne neu aufgestellt, und die dafür erstellten Gutachten zeigen die infrastrukturellen Defizite auf und machen deutlich, wie groß die Probleme vor Ort sind.

Herr Rehbaum hat uns nur die halbe Wahrheit gesagt. Ich glaube, der Lkw mit der Relaistechnik, der noch draußen steht, durfte nicht mit hinein. Also, es sieht teilweise wirklich schlimm aus. Besonders problematisch sind sicherlich die Stadtbahnsysteme, vor allem im Ruhrgebiet. Da ist die neue Fördermöglichkeit zwar besser als nichts, aber ich würde jetzt nicht behaupten, dass das jetzt wirklich die Lösung sei. Außerdem wissen wir noch nicht, was eigentlich mit den Entflechtungsmitteln passiert. Die Landesregierung bietet hier keine Sicherheit und gibt auch keine Antworten.

Erinnern Sie sich bitte daran, was ich hier immer erzähle, aber auch daran, was die Zukunftskommission des Ministeriums empfahl. Um die Ziele der Politik wirklich ernst nehmen zu können, brauchen wir – wie die Zukunftskommission sagt – 50 % bis 100 % mehr ÖPNV. Dafür ist dieses ÖPNV-Gesetz nicht gemacht. Es schreibt das Ist leicht aktualisiert fort und kümmert sich insofern wenig um echte Zielvorgaben oder gar um den notwendigen Paradigmenwechsel.

Dabei ist die Verkehrsfindung nur ein Faktor. Das ÖPNV-Gesetz forciert keine Entwicklung hin zu mehr Effizienz oder hin zu neuen Geschäftsmodellen, die die Fortentwicklung des ÖPNV in Zeiten autonomen Fahrens oder vernetzter Mobilität sicherstellen könnten. Die Frage ist auch, wie lange wir überhaupt noch die Verkehrsmittel so scharf trennen können, wie es das ÖPNV-Gesetz impliziert.

Fazit: Wir haben hier ein ÖPNV-Übergangsgesetz, und dafür ist es auch ganz okay. Ich empfehle jedoch eine baldige Neuauflage. Dazu haben wir heute flankierende Haushaltsänderungsanträge eingebracht, die dazu nützlich wären. Es ist wichtig, dass die Städte Alternativen zu Fahrverboten bekommen und dass das Land eine bessere Netzabdeckung erhält, gerade bei sinkenden Schüler- und Einwohnerzahlen. Dazu muss man den ÖPNV massiv ausbauen, und zwar als Gesamtkonzept mit dem ÖPNV als kommunaler Pflichtaufgabe – so sehen wir das – mit den entsprechenden Standards und Finanzierungen.

Was außerhalb der Finanzierungsfragen und strukturellen Fragen fehlt, ist ein von der Politik vorgegebenes übergeordnetes Ziel. Auch das ist wichtig. Darauf müsste ein solches ÖPNV-Gesetz erst einmal aufbauen. Solange es für die Unternehmen nur wichtig ist, die Fahrkilometer abzuspulen, solange Fahrgäste eher lästig und teuer sind und ein fahrscheinfreier Nahverkehr mit der Begründung abgelehnt wird, dass so etwas nicht möglich sei, weil dann viel mehr Menschen Bus und Bahn fahren würden – so lange ist klar, dass die Politik ihre sozialen, klimapolitischen, gesundheitspolitischen und auch verkehrspolitischen Ziele noch nicht in die Praxis übertragen konnte. Das aber muss passieren, und unser Gegenentwurf dazu heißt: Bus und Bahn fahrscheinfrei.

Noch kurz zu den Änderungsanträgen, die Herr Becker erwähnte. Darüber haben wir im Ausschuss schon abgestimmt; das müssen wir jetzt nicht mehr tun. Der CDU-Antrag ist solide recherchiert – meinen Glückwunsch dafür. In einigen Teilen könnte ich jedoch nicht zustimmen. Ich empfehle daher die Ablehnung. Zum – ich nenne ihn mal so – „Leverkusen-Antrag“ hingegen empfehle ich die Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Groschek das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Der Verkehrsminister empfindet das heutige Hohe Haus wirklich als eine vorweihnachtliche Veranstaltung: Herr Kollege Rasche wünscht mir soziale Gewissenhaftigkeit bei der SPD, Herr Laschet kritisiert mich, weil ich CSU-Dobrindt zu wenig kritisiere, und die Grünen haben mir heute Morgen einen Bagger geschenkt. Also, mehr Adventsstimmung kann es in diesem Haus eigentlich gar nicht geben.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Ich möchte mich trotzdem erst einmal herzlich bei den regierungstragenden Fraktionen bedanken, weil sie ein sehr gutes ÖPNV-Gesetz noch besser gemacht haben. Dieses ÖPNV-Gesetz ist eines der Glanzstücke dieser Regierung, der Regierung Hannelore Kraft,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Heiterkeit bei der CDU und FDP)

und nur möglich, weil wir Milliarden Euro zusätzlich an Regionalisierungsmitteln … – Soll ich es noch einmal wiederholen? Ein Glanzstück der Regierung Kraft. Genau!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Voussem, klatschen Sie doch vorsichtshalber mit! Man weiß ja nie.

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Also, wir haben Regionalisierungsmittel in Höhe von 5 Milliarden € zusätzlich reingeholt bis 2031. Wir haben das GVFG auf die Schiene gesetzt. Das wird weiterlaufen und Großvorhaben ermöglichen. Wir haben Entflechtungsmittel abgesichert, die eine Zeit lang unsicher erschienen – 260 Millionen € allein für unser Verkehrsressort innerhalb des Ministeriums. Warum das etwas länger gedauert hat, kann ich Ihnen auch erklären.

(Lachen von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Unsere Landesregierung ist ein lernendes System, und der Verkehrsminister hat sich entschieden, G9 zu machen und sich nicht durch G8 hetzen zu lassen – deshalb etwas mehr Sorgfalt bei dem Wandel der Positionen.

Unser neues ÖPNVG ist jedenfalls ein großer Schritt nach vorn. Es gibt Leistungsausweisungen; Erhalt und Ausbau der Infrastruktur werden besser gefördert; Barrierefreiheit und E-Mobilität sind als eigene Fördertatbestände vorhanden. So weit, so gut.

Wir haben erreicht, dass die Pauschale nach § 12 auch über 2019 hinaus abgesichert wird. Wir haben die Schienenverkehrspauschale bis 2032 geregelt und haben den Zweckverbänden Planungssicherheit gegeben. Wir haben sie bei den Gerechtigkeits- und Verteilparametern für die Mehrmittel mitgestalten lassen. Dabei haben wir die gleichen Parameter zugrunde gelegt, wie sie auch bei den Regionalisierungsmitteln zugrunde gelegt wurden. Die Zweckverbände haben das neue transparente Verteilsystem befürwortet, das wir festgelegt haben.

Nebenbei eine Bemerkung: Ihr Herz für die Bürgerbusse schlägt ja heute besonders intensiv.

(Henning Rehbaum [CDU]: Seit Langem!)

Das freut uns, weil der Vorschlag, den Sie gemacht haben, Gegenstand unserer Verordnung sein wird. Natürlich brauchen die Bürgerbusvereine mehr Geld – aber nicht um die Ehrenamtlichkeit zu verlassen, sondern um die Ehrenamtlichkeit zu belohnen und möglich zu machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das werden wir in der Verordnung abbilden. Das freut mich; denn es ist ein Hinweis darauf, dass wir im neuen Jahr – noch vor der Landtagswahl – eine viel größere Gemeinschaftskoalition abbilden können, als das manchmal der Fall zu sein scheint.

(Christof Rasche [FDP]: Besser als zu zweit!)

– Das kommt immer darauf an, wer am Lenker sitzt.

Wir haben die Reaktivierung von Strecken, wir haben regionale Schnellbusse zum ersten Mal als eigene Verkehrsperspektive abgesichert. Wir haben erklärt, dass die Revisionsklausel überflüssig ist, weil die Sicherheit Vorrang hat.

Außerdem haben wir gesagt: Der Plenarantrag, der die Bundesratsinitiative behandelt, ist wichtig, um auf diese Weise deutlich zu machen, dass wir keinen unfairen, keinen unlauteren Wettbewerb zulassen wollen. Wir wollen fairen Wettbewerb. Es freut mich, dass die beiden größeren Oppositionsfraktionen erklärt haben, dass sie es genauso sehen, wenn auch im Falle der FDP zum guten Schluss wieder mit einer sehr eigenwilligen Interpretation. Aber sei es drum – die breite Mehrheit in diesem Haus hat ein gemeinsames Wettbewerbsverständnis, und das ist auch gut so.

Deshalb freue ich mich darüber, dass wir nach einer sehr konstruktiven und anregenden Diskussion dieses Ergebnis erzielt haben. Ich möchte mich ganz ausdrücklich bei den Zweckverbänden und bei unserem Herrn Wille bedanken.

(Beifall)

Herr Wille in seiner Person steht wirklich für Expertise; er ist eine Persönlichkeit des ÖPNV. Wenn jemals eine Straßenbahn zum Denkmal werden könnte, sollte sie „Wille“ heißen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen guten Start in eine neue ÖPNV-Zukunft.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens ab über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache . Wer ist für diesen Änderungsantrag? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer ist dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Abgeordneten der FDP-Fraktion. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/13785 abgelehnt.

Ich lasse zweitens abstimmen über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache . Der Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr empfiehlt in Drucksache , den Gesetzentwurf Drucksache in der Fassung der Beschlüsse anzunehmen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf selbst. Wer ist für diese Beschlussempfehlung? Den darf ich um das Handzeichen bitten. – SPD, Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – FDP-Fraktion und Piratenfraktion. – Wer enthält sich der Stimme? – Die CDU-Fraktion. Weitere Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache in zweiter Lesung in der Fassung der Beschlüsse verabschiedet.

Drittens lasse ich abstimmen über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache . Die antragstellenden Koalitionsfraktionen haben direkte Abstimmung beantragt.

Zu der kommen wir dann auch, und zwar stimmen wir ab über den Inhalt des Antrags Drucksache . Wer ist für den Antrag der Koalitionsfraktionen? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Die FDP-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen der CDU-Fraktion. Damit ist der Antrag Drucksache angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe auf:


6  Zehntes Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/13261

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/13705

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13786

zweite Lesung

Alle Fraktionen des Hohen Hauses haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll (Anlage 1) zu geben. Somit kommen wir zur Abstimmung, und zwar erstens über den Gesetzentwurf Drucksache . Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache , den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache selbst. Wer ist für diesen Gesetzentwurf? Den darf ich um das Handzeichen bitten. – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU-Fraktion und Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Abgeordneten der FDP-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Zweitens stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache . Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist – nicht völlig überraschend – die CDU-Fraktion. – Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Die FDP-Fraktion. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache mit dem genannten Abstimmungsverhalten der Fraktionen abgelehnt.

Ich rufe auf:

7  Nordrhein-Westfalen unterstützt die Bestrebungen der Bundesregierung für ein härteres Vorgehen im Kampf gegen Wohnungseinbrecher

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13685

Auch hier haben sich alle fünf Fraktionen zwischenzeitlich darauf verständigt, den Antrag Drucksache an den Rechtsausschuss – federführend – sowie an den Innenausschuss zu überweisen mit der Maßgabe, die abschließende Aussprache und Abstimmung nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses durchzuführen.

Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen. Ich schließe die Beratung zu Tagesordnungspunkt 7.

Nun rufe ich auf:

8  Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbauordnung – BauO NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12119

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bauen, Wohnen,
Stadtentwicklung und Verkehr
Drucksache 16/13706

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13778

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
und der FDP
Drucksache 16/13784

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13779

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/13792

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion der bereits wartenden Kollegin Philipp das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Sarah Philipp (SPD): Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns heute – vorläufig – letztmalig mit der Landesbauordnung in diesem Parlament beschäftigen, geht es vermutlich allen so wie mir: Ich bin sehr froh darüber, dass dieser sehr lange, sehr intensive, aber auch sehr gute Prozess heute ein Ende findet.

Noch mehr bin ich froh darüber, dass sich das heute vorliegende Ergebnis wirklich sehen lassen kann. Die novellierte Landesbauordnung ist eine sehr gute Landesbauordnung für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Was regelt diese Landesbauordnung? Wofür ist sie eigentlich da? Die Landesbauordnung regelt alle Voraussetzungen, unter denen bauliche Anlagen errichtet oder verändert werden dürfen, was bei einer Änderung der Nutzung zu beachten ist und wie diese instand zu halten sind.

Die letzte umfangreiche Novellierung der Landesbauordnung wurde im Jahr 2000 durchgeführt; das ist also schon ein bisschen her. Seitdem haben sich für die Themenbereiche Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung an etlichen Stellen neue Herausforderungen ergeben, und neue Erkenntnisse sind gereift.

Die Landesregierung hat sich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das Ziel gesetzt, spürbare Erleichterungen und Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen zu erreichen und neue relevante Themen aufzunehmen. Um mein Fazit vorwegzunehmen: Das ist mit dieser neuen Landesbauordnung ausdrücklich gelungen.

Bevor ich inhaltlich konkreter auf ausgewählte Teilaspekte eingehen möchte, will ich zunächst noch einige Worte zum Verfahren verlieren, das diese neue Landesbauordnung durchlaufen hat. Seit Bekanntwerden des ersten Referentenentwurfs hat sich einiges getan. Das können wir heute sehen.

Die erste Verbändeanhörung, die ressortübergreifende Einbindung, die Konsultation der Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung und vieler weiterer Betroffener und Experten aus verschiedenen Bereichen – all das zeigt:

Dieser Vorlauf und vor allen Dingen die Anhörung, die im Oktober dieses Jahres im Landtag stattgefunden hat, haben dazu geführt, dass die breite Beteiligung an diesem Entwurf nicht nur reiner Selbstzweck gewesen ist, sondern dass noch viele Anliegen und konstruktive Hinweise berücksichtigt werden konnten. Dafür möchte ich mich im Namen meiner Fraktion ganz herzlich bei allen Beteiligten bedanken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es liegt in der Natur der Sache, dass es unter den angehörten Expertinnen und Experten widerstreitende Interessen gibt; das ist ganz normal. Aber grundsätzlich ist zu sagen, dass die Landesbauordnung Verbesserungen bringt, die eng mit der Praxis abgestimmt worden sind.

Welche Verbesserungen sind das im Einzelnen? Einen wichtigen Bereich können wir unter der Überschrift „Barrierefreiheit“ zusammenfassen.

Da gibt es zunächst die Anforderungen an öffentlich zugängliche bauliche Anlagen, von der Arztpraxis über Schulen bis hin zu Universitäten oder zu Supermärkten. Um endlich den Anforderungen gerecht zu werden, die die UN-Behindertenrechtskonvention an eine inklusive Gesellschaft stellt, soll bei künftigen Bauprojekten darauf geachtet werden, dass die entstehenden Anlagen für alle Menschen nutzbar sind.

Der zweite wichtige Bereich ist das barrierefreie Wohnen. Hierbei besteht – das wissen wir – dringende Notwendigkeit, die Zahl der barrierefreien Wohnungen deutlich zu steigern, nicht zuletzt um dem demografischen Wandel begegnen zu können. Wir müssen dafür sorgen, dass wir für ältere und eingeschränkte Menschen künftig genügend adäquaten Wohnraum zur Verfügung stellen können.

Hier setzt die Landesregierung wichtige Akzente. Die Pflicht zur Errichtung vollständig barrierefreier Wohnungen und auch die Einführung einer Quote für rollstuhlgerechte Wohnungen gehören dazu. Die R-Quo­te gilt nun bei Bauprojekten ab der neunten Wohnung. Das ist eine Veränderung zum Entwurf, so wie wir ihn heute vorliegen haben. Damit tragen wir den berechtigten Befürchtungen vor zu großen Kostensteigerungen in diesem Bereich Rechnung.

 Wir haben immer gesagt: Wohnraum muss nicht nur bedarfsgerecht sein, sondern er muss am Ende auch bezahlbar bleiben. – Das war unser großes Ziel. Dieser Ausgleich ist in der vorliegenden Landesbauordnung gelungen.

(Beifall von der SPD)

Positiv herauszuheben ist außerdem, dass künftig der Überblick über Angebot und Bedarf bei barrierefreien und rollstuhlgerechten Wohnungen auf eine valide Datengrundlage gestellt werden soll.

Ausdrücklich ist zu begrüßen, dass die Landesregierung dafür unter anderem eine Arbeitsgruppe zur Förderung von Barrierefreiheit im Bauministerium eingesetzt hat. Diese Arbeitsgruppe existiert nicht nur auf dem Papier, sondern sie hat bereits Anfang dieser Woche getagt. Damit hat sich insofern eine gute Sache durchgesetzt.

Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den sich Rot und Grün verständigt haben, ist die perspektivische Weiterentwicklung des Wohnraumförderprogramms unseres Landes dahin gehend, dass rollstuhlgerechte Wohnungen in Zukunft besonders über dieses Programm gefördert werden können. Das zeigt: Wir behalten den Wohnungsmarkt auch in diesem Bereich genau im Blick und werden, wenn nötig, auch noch nachsteuern können.

Der nächste Teilaspekt, den ich herausgreifen möchte, ist das Thema „Bauen mit Holz“. Durch die Anpassung der Landesbauordnung an das Brandschutzsystem der Musterbauordnung wird das Bauen mit Holz jetzt erheblich erleichtert. Aktuell liegt Nordrhein-Westfalen bundesweit hinter Baden-Württemberg und Bayern auf Platz drei bei den Genehmigungen von Bauten mit Holz. Das ist aus unserer Sicht noch ausbaufähig.

Gute Gründe sprechen dafür, Holz als Baustoff auch weiterhin zu fördern. Holzbau schützt das Klima und hat eine sehr gute Ökobilanz, wenn er nachhaltig betrieben wird. Holzbaulösungen sind heutzutage technisch und ökonomisch absolut konkurrenzfähig.

Deswegen wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Nordrhein-Westfalen als Holzbauland auch weiterhin fördern und unterstützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zuletzt möchte ich noch auf die Stellplatzvorschriften als weiteren wichtigen Einzelpunkt eingehen. Auch hier sieht die neue Landesbauordnung eine wichtige Änderung vor. Mit der Novelle entscheiden nun allein die Kommunen, ob und in welchem Maße die Errichtung von Pkw- und Fahrradabstellplätzen zu regeln ist. Seitens des Landes werden diesbezüglich in Zukunft keine Vorgaben mehr gemacht.

Das macht aus unserer Sicht Sinn, weil wir damit der Tatsache Rechnung tragen, dass die Frage, wie viele Stellplätze für ein Gebäude notwendig sind, maßgeblich von der städtebaulichen Konzeption und der örtlichen Verkehrsplanung beeinflusst werden.

All das sind Entscheidungen, die aus unserer Sicht in den Räten der Städte und in den Gemeinden fallen sollten. Deswegen sollen künftig die Experten vor Ort über die Anzahl der nötigen Stellplätze entscheiden können. Somit gewinnen die Kommunen eine wertvolle Handlungsmöglichkeit, um ihre städtebauliche Konzeption noch enger mit der Verkehrs- und Infrastrukturplanung in Einklang zu bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Die Landesregierung hat eine ausgewogene Novellierung der Landesbauordnung vorgelegt. Den demografischen Zwängen im Wohnungsbau wird Rechnung getragen, ohne dabei die Bezahlbarkeit aus dem Auge zu verlieren. Darüber hinaus werden öffentlich zugängliche bauliche Anlagen in Zukunft barrierefreier gestaltet. Über die Errichtung von Stellplätzen bestimmen künftig nicht mehr die Bauaufsichtsbehörden, sondern die Expertinnen und Experten vor Ort in den Räten; dort, wo die Entscheidung zu treffen ist.

Deswegen lässt sich zusammenfassend sagen, dass es der rot-grünen Landesregierung mit der vorliegenden Novelle gelungen ist, die Landesbauordnung fit für die Herausforderungen der kommenden Jahre zu machen. Wichtige Hinweise und Impulse aus der Praxis wurden bedacht und gezielt in diese Novelle aufgenommen. Die SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf natürlich gerne zustimmen. Ich kann nur dafür werben, dass Sie alle es uns gleichtun. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Philipp. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Hausmann das Wort.

Wilhelm Hausmann (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach vielen Jahren des Wartens liegt nun also die neue Landesbauordnung vor. Die Frage ist immer: Entspricht das, was erwartet wurde, in etwa dem, was vorgelegt wurde? Passt es zusammen, oder hat man das Ziel verfehlt?

Wir benötigen eine Landesbauordnung, die in diese Zeit passt und sich mit den vordringlichsten Themen wie dem Wohnungsbau intensiv auseinandersetzt. Wir brauchen eine Landesbauordnung, die das Thema „Baukostensteigerung“ im Blick hat, und die die Themen „Bürokratieabbau“ und „Bürokratiedschungel lichten“ gezielt angeht. Außerdem benötigen wir eine Landesbauordnung, die für Rechtssicherheit sorgt.

Eine Landesbauordnung, die unklare Definitionen hinterlässt, ist keine gute Landesbauordnung. Hier fallen uns schon die ersten Knackpunkte auf; denn bei wesentlichen Punkten drückt sich die Landesregierung darum herum, klare Vorgaben und Definitionen zu machen.

Ich nenne da mal das Thema „Barrierefreiheit“. Hier macht es sich die Landesregierung zu einfach. Benötigt wird eine klare Definition. Man muss erklären, worin die Unterschiede bei Begriffen wie „barrierefrei“, „barrierearm“, „rollstuhlgerecht,“ „behindertengerecht“ und „seniorengerecht“ liegen. Eine Antwort darauf sucht man in der Landesbauordnung jedoch vergeblich.

Wenn man einen unbestimmten Rechtsbegriff in ein Gesetz hineinschreibt, öffnet dies Tür und Tor für Rechtsstreitverfahren. Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Verwaltungsgerichte und zugleich ein Hindernis auf dem Baumarkt. Wir teilen die Forderung der Akteure am Wohnungsmarkt nach einem Erklärungsteil, den diese Landesbauordnung aber leider nicht aufweist.

Da ich gerade beim Thema „R-Quote“ bin, darf ich Ihnen sagen: Auch wir sind für rollstuhlgerechte Wohnungen. Wir sind aber für rollstuhlgerechte Wohnungen in richtiger Anzahl und an den Stellen, wo sie tatsächlich benötigt werden. Wir sind nicht dafür, rollstuhlgerechte Wohnungen per Quote festzulegen, egal, wo im Lande wir uns befinden. Wir müssen vielmehr prüfen, wo sie benötigt werden; denn das ist eine besonders teure Investition, die auch Auswirkungen auf alle umliegenden Wohnungen hat, weil sich tragende Wände und Grundrisse ganz entscheidend verschieben.

Die Fragen des Brandschutzes haben wir mehrfach angesprochen, zum Beispiel: Wie werden Rollstuhlfahrer im Brandfall gerettet? Das Treppenhaus steht nicht zur Verfügung, auch der Aufzug steht nicht zur Verfügung. – Diese Antworten sind Sie uns schuldig geblieben; die Fragen müssen aber zuerst beantwortet werden, bevor Sie solche Dinge verpflichtend hier hineinschreiben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir gehen davon aus, dass die R-Quote im Einzelfall zwischen 12 % und 22 % – da gehen die Schätzungen erfahrungsgemäß auseinander – an Mehrkosten für das einzelne Objekt ausmacht. Sie verlagern diese Problematik in der Diskussion auf die Kommune, die erklären muss, wie der Bauherr eventuell über andere Brandschutzmaßnahmen die Rettungswege darstellt und somit die erforderlichen Brandschutzaufgaben einhält. Solche Antworten bleiben Sie in der Landesbauordnung schuldig und verlagern das Ganze einfach auf die untere Ebene.

Wir haben noch eine Besonderheit – an diesem Punkt kann man sehr deutlich machen, wie unausgegoren Ihr Vorschlag ist –: Sie setzen jetzt die R-Quo­te für ein Haus mit mehr als acht Wohnungen fest; vorher waren es sechs Wohnungen. Man sieht an dem langsamen Zurückweichen der Quote, wie unsicher Sie selbst mit Ihren Festlegungen sind.

(Jochen Ott [SPD]: Och! Hören Sie auf! Das ist das parlamentarische Verfahren!)

– Herr Kollege Ott, nehmen wir doch mal einen Landstrich am Niederrhein mit Ortsteilen und vielen kleine Städten – da gibt es gar keine Acht- oder Zehnfamilienhäuser. Dort ist man dann nach Ihrer Definition in Zukunft rollstuhlwohnungsfrei. Daran haben Sie wahrscheinlich gar nicht gedacht. Daran sieht man, welchen Unfug Sie hier machen. De facto ist eine R-Quo­te im ländlichen Raum, wo es maximal Vier-, Fünf- oder Sechsfamilienhäuser gibt, absolut wirkungslos. Das zeigt, dass Ihre Sache von vorne bis hinten nicht zu Ende gedacht ist.

(Beifall von der CDU)

Kommen wir jetzt zu dem interessanten Teil der Genehmigungsverfahren. Ein Grund für die Wohnungsknappheit liegt darin, dass viel zu langsam viel zu wenige Wohnungen gebaut werden. Wir haben uns bei der Suche nach Hindernissen durchaus nicht nur an den Grundstücken und an den Fördermöglichkeiten festgehalten, sondern wir haben auch geschaut, wo es Hindernisse im Genehmigungsverfahren gibt.

Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt; denn wir haben gesehen, dass landesweit die Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau bis zu neun Monate oder sogar noch länger dauern. Damit können wir in dieser Zeit nicht leben. Wir wissen auch, dass nicht neun Monate lang an einem Bauantrag gearbeitet wird, sondern der Bauantrag liegt in den neun Monaten irgendwo herum. Die Ämter arbeiten sehr unabgestimmt, und da gibt es eine Menge Leerlauf. Dieser Leerlauf kostet Geld und Zeit; die Wohnungen kommen nicht an den Markt.

Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt, worin wir gesagt haben: Wir müssen an das Thema herangehen und mit den Kommunen darüber sprechen, wie wir das Verfahren auch im Sinne der Digitalisierung beschleunigen und voranbringen können. Das haben Sie hier in diesem Hause abgelehnt. Dieser Diskussion sind Sie aus dem Weg gegangen.

Ihr schlechtes Gewissen ruht jedoch offenbar nicht; denn in einem Ihrer noch einmal nachgebesserten Ad-hoc-Änderungsanträge des heutigen Tages ist das Thema auf einmal doch wieder aufgetaucht.

(Jochen Ott [SPD]: Wer hat seinen Antrag denn erst vor dem Plenum eingereicht? Ihr hättet doch euren Antrag mal vorher in die Diskussion bringen können!)

Sie wissen ganz genau, dass Sie die Realität verpasst haben und deutlich nachbessern müssen, damit Sie sich nicht komplett blamieren.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, der Minister spricht sehr gerne vom vertikalen Wohnen, vom vertikalen Dorf. Das ist ein Lieblingsthema von ihm.

Wir wissen auch, dass die Bundesregierung sagt: Jawohl, wir müssen etwas tun, damit wir in unseren Städten eine andere Dichte hinkriegen; diese Dichte, die wir in der klassisch gewachsenen europäischen Stadt auch durchaus schätzen, wenn wir nach Italien oder Frankreich fahren, eine Dichte, bei der Wohnen, Arbeiten, Cafés usw. gut zusammenpassen, weil eben auch die erforderliche Anzahl von Menschen da ist. Der Vorteil, in so einer Stadtszenerie zu wohnen, überwiegt gegenüber den Nachteilen, die man da durchaus an Lärm und anderen Sachen in Kauf nehmen muss.

Jetzt könnte man ja sagen: Wenn man das doch will – wir wollen die Grundstücke in der Stadt besser ausnutzen –, dann gehen wir auch bei der Neuaufstellung der Landesbauordnung diesen Weg mit und unterstützen den Weg, der im Bund gegangen wird.

Dieser Weg führt nun einmal an dem Thema „Abstandsflächen“ vorbei. Das haben wir gefordert. Nehmt die Musterbauordnung des Bundes und orientiert euch an den Abstandsflächen! Dann können wir in Zukunft in den Städten etwas dichter bauen,

(Jochen Ott [SPD]: Können wir so auch!)

ohne dass wir das Problem haben mit dem Brandschutz und mit der Belichtung. Denn das muss trotzdem nachgewiesen werden. Diese Gelegenheit haben Sie auch hier verpasst. Diese Möglichkeit, dichter zu bauen, städtische Grundstücke auszunutzen, haben Sie verpasst. Sie leisten auch hier nicht den erforderlichen Beitrag zu dem, was Sie in Ihren Reden ansonsten immer laut postulieren.

(Jochen Ott [SPD]: Das stimmt nicht!)

Dann ist auch noch die Frage: Wer passt auf der Baustelle auf, dass auch so gebaut wird, wie das in den Unterlagen drinsteht? Auch hier schießen Sie eindeutig am Ziel vorbei. Wir haben gefordert, dass man sagt, auch für ein Ein- oder Zweifamilienhaus müsse jemand, der qualifiziert ist, die Statik aufstellen, damit hier der Verbraucherschutz gewährleistet sei und damit die Sicherheit gegeben sei.

Aber wir brauchen dann auch einen qualifizierten Bauleiter, der entweder Architekt oder Ingenieur ist, der eine Berufshaftpflichtversicherung hat und der die Übereinstimmung gegenüber dem Bauamt erklärt, dass das, was draußen gebaut wird, die erforderlichen Bewehrungseisen hat, dass das fachlich so ausgeführt wird und auch korrekt in den Abmessungen ist ; so, wie es beim Bauamt eingereicht worden ist.

Meine Damen und Herren, das ist ein praxisnaher Weg. Er vermeidet viele andere Reparaturen, die mittlerweile beim Bauherrn Kosten verursachen, wie den zusätzlichen SiGeKo, der pro Bauvorhaben 3.000 bis 4.000 € kostet.

Sie haben stattdessen gesagt: Nein, Ein- und Zweifamilienhäuser müssen sogar noch bautechnisch geprüft werden. Das lässt das noch einmal 2.000 bis 3.000 € mehr kosten. Wir haben hier zwischen unseren Vorschlägen eine große Distanz. Bei einem normalen Einfamilienhaus drücken Sie dem Bauherrn 5.000 € mehr aufs Auge. Das ist sehr empfindlich. Das ist das Gegenteil von dem, was wir als Förderung von Wohnungsbau brauchen.

(Beifall von der CDU)

Wir haben auch das lange diskutierte Thema: Was ist denn eine vollständige Bauvorlage? Ich glaube, das ist das beliebteste Thema, wenn man überhaupt an die Bearbeitung von Bauanträgen denkt. Denn das weiß in Nordrhein-Westfalen kein Mensch. Der Gesetzgeber traut sich ja auch nicht, das in die Unterlagen reinzuschreiben. Es ist auch so, dass manche Städte das ja durchaus unterschiedlich auslegen.

Aber egal, wie das jetzt gehandhabt wird: Wir brauchen eine verlässliche Frist wie auch in der Musterbauordnung. Wenn Unterlagen eingereicht werden, ist innerhalb von acht oder zehn Tagen zu prüfen, ob diese Unterlagen vollständig sind. Oder brauchen wir – was nicht im Gesetz steht – aufgrund der Individualität jedes einzelnen Bauvorhabens vielleicht noch weitere Unterlagen, um das vernünftig beurteilen zu können, woran ja auch der Einreichende ein Interesse hat?

Das muss aber in einer verlässlichen, kurzen Frist dargestellt werden. Es muss auch schlussendlich dargestellt werden. Es kann nicht sein – was aber die Praxis im nordrhein-westfälischen Baualltag ist –, dass Monate später immer noch einmal Unterlagen nachverlangt werden und somit Bauvorhaben unerträglich in die Länge gezogen werden. Hierzu haben wir einen praktikablen Vorschlag gemacht, dem Sie leider nicht folgen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich komme erst einmal zum Schluss. Wir haben hier einen weiteren rot-grünen Bremsklotz am Wohnungsbau,

(Jochen Ott [SPD]: Falsch! Falsch!)

der nach vier Jahren hier gelandet ist und der leider nicht das bringt, was wir eigentlich heutzutage von einer fortschrittlichen Landesbauordnung erwarten.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Wir haben selber viele Vorschläge gemacht. Wir haben viele Vorschläge von Verbänden gehört. Die sind von Ihnen ignoriert worden. Bei einem Teil drückt Sie das schlechte Gewissen. Das erklärt Ihre beiden sehr mit heißer Nadel gestrickten Änderungsanträge, die noch hereingekommen sind.

Wir haben nach wie vor eine Landesbauordnung mit viel zu vielen komplizierten Baustandards und Vorschriften, die die Kosten in die Höhe treiben. Wir haben in der Landesbauordnung auch eine Ansammlung von Schwachstellen, die Rechtsunsicherheiten mit sich bringen und das Bauen in Nordrhein-Westfalen in großen Teilen auch rechtsunsicher machen.

Lassen Sie sich das noch einmal gesagt sein: Wenn ich Ihren ersten Antrag im Ausschuss sehe, der ja quasi nicht von Ihnen verfasst wurde, sondern bei dem Ihnen das Ministerium etwas vorschreibt, was man allein daran sieht, dass da redaktionelle Änderungsvorschläge zum Ministeriumstext gemacht werden, dann muss ich mich wirklich fragen: Wie intensiv haben Sie sich mit der Problematik der Bauwirtschaft und der Bauwilligen in Nordrhein-Westfalen auseinandergesetzt?

Ich kann aufgrund der Bilanz, die man jetzt bei dem, was hier vorgelegt worden ist, sieht, nur sagen: Sie haben sich nicht intensiv genug damit auseinandergesetzt.

(Jochen Ott [SPD]: Die CDU hat nicht einmal einen Antrag vorgelegt bis vorgestern!)

Viele, viele Probleme bleiben in Nordrhein-Westfalen ungelöst. Diese Chance haben Sie leider verpasst.

Wenn ich mir angucke, was Sie allein zum Beispiel – das will ich nicht vergessen – beim Thema „Stellplätze“ gemacht haben: Wir haben eben Frau Philipp gehört, die sich über das Thema „Stellplätze“ ausgelassen hat. Hier wird nach wie vor das Gericht in Nordrhein-Westfalen bemüht, um die Frage zu beantworten, wie Stellplätze zu gestalten sind.

Rechts und links vom Haus dürfen vier Autos vorbeifahren. Wenn Sie jetzt ein Zehnfamilienwohnhaus bauen, dann haben Sie zwei Stellplätze, die Sie nur mit Nachbarschaftszustimmung errichten können. Das ist ein klassisches Beispiel dafür, wie unvollendet und wie unvollständig Ihre Landesbauordnung ist und dass sie nicht zu Ende gedacht worden ist. Meine Damen und Herren, das müssen Sie sich einfach sagen lassen.

(Jochen Ott [SPD]: Trotzdem falsch!)

Sie werden sich nicht wundern: Wir lehnen diese Form einer Novelle der Landesbauordnung natürlich ab.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Hausmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Klocke das Wort.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist ja ein epochaler Tag heute hier im Plenum; nicht nur weil es kurz vor Weihnachten ist, sondern weil wir das ÖPNV-Gesetz verabschiedet haben – ein Gesetz, das lange öffentlich debattiert wurde und auch lange hier im Haus in der Diskussion stand. Heute kommen wir auch zu der abschließenden Beratung über die Landesbauordnung – ein Gesetzes, das man nur alle paar Jahre angeht. Das letzte Mal war das im Jahr 2000 der Fall.

Wir haben uns jetzt allerdings vorgenommen, eher eine Evaluation durchführen zu können als das früher der Fall war, weil wir meinen, dass sich im Baubereich so regelmäßig substanzielle Dinge ändern, dass man damit keine zehn, 15 Jahre warten muss und sollte.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, entschuldigen Sie, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen von Herrn Kollegen …

Arndt Klocke (GRÜNE): Ich habe gerade erst angefangen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ja, aber das ist ja eine Möglichkeit. Sie entscheiden ja, ob Sie das zulassen oder nicht.

Arndt Klocke (GRÜNE): Ich lasse sie zu.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Sie kommt von Herrn Kollegen Kerkhoff. – Nein, wer sitzt denn da am falschen Platz? – Niemand. Ist jemand aus Versehen an den Knopf gekommen? – Umso mehr gilt Ihnen der Dank für die vorauseilende Zulassung der Frage.

Arndt Klocke (GRÜNE): Dann mache ich einfach weiter. Vielleicht ergibt sich das gleich noch einmal.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Die Redezeit bekommen Sie dazu.

Arndt Klocke (GRÜNE): Lieber Kollege Hausmann, ehrlich gesagt war das jetzt sehr kurz gesprungen. Es war eine Mischung aus oppositioneller Rosinenpickerei und dem Versuch eines großen Wurfes, um der Landesregierung am Ende nachzuweisen, dass sie allgemein untätig ist. Ehrlich gesagt sind Sie meiner Ansicht nach viel zu schlau und viel zu sehr in der Materie, als dass dies Ihre Botschaft hätte sein können.

In den letzten Wochen und Monaten konnten wir bei vielen Verbändegesprächen und Podiumsdiskussionen sehr oft miteinander diskutieren. Selbstverständlich haben die die Landesregierung tragenden Fraktionen Anregungen aufgenommen.

(Zuruf von der CDU)

Ich bin jetzt seit sechs Jahren Parlamentarier und empfand, ehrlich gesagt, die Anhörung zur Landesbauordnung Ende Oktober 2016 als mit die sachlichste, substanziellste und informativste, die ich je erlebt habe. Natürlich haben wir noch zahlreiche Anregungen aufgenommen, auch in dem von uns jetzt vorgelegten Änderungsantrag.

Von keinem Verband wird uns vorgehalten, dass wir über jegliche Argumente hinweggegangen seien. Daher kann ich diesen Vorwurf nicht verstehen, und Sie müssten mir schon einmal Ross und Reiter nennen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es gibt Lob von der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, von der Bauindustrie und insbesondere – gucken Sie mal in den „Pressespiegel“ von heute hinein – von den Behindertenverbänden und den Verbänden für Menschen mit Handicap. Diese Verbände loben, dass es mit dieser Landesbauordnung im Vergleich zur gültigen auf jeden Fall einen Fortschritt gibt.

Natürlich haben wir nicht alles aufgenommen; denn es waren auch Dinge dabei, die wir nicht als sinnvoll erachtet haben. Dennoch kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass es angesichts dieser über 30 Verbände eine breite Stimmung im Land gibt, die sich in dem Motto zusammenfassen lässt: Wir haben das alles umsonst vorgetragen.

Drei Punkte, die aus meiner Sicht einen deutlichen Fortschritt gegenüber der bisherigen Bauordnung darstellen, will ich Ihnen nennen. Der erste Punkt ist das Bauen mit Holz – die Kollegin Philipp hat es eben angesprochen. Nordrhein-Westfalen ist bei diesem Thema, was die Rechtsgrundlage angeht, bislang bundesweit Schlusslicht; denn wir fallen selbst hinter die Musterbauordnung zurück.

Nordrhein-Westfalen ist ein Holzland und ein Holzbauland. Wir haben eine sehr aktive Wald- und Forstindustrie und könnten viel mehr an Holzbau genehmigen.

Deswegen haben wir in der neuen Landesbauordnung mit den entsprechenden Brandschutzvorschriften, die demnächst – also nach der Übergangsphase – gelten werden, wirtschaftliche Möglichkeiten für mittelständische Betriebe aus Nordrhein-Westfalen für mehrgeschossigen Holzbau geschaffen. Das wird intensiv nachgefragt, und es gibt eine große Szene von Firmen und Verbänden, die ihre Interessen deutlich gemacht haben.

In den nächsten Jahren wird Nordrhein-Westfalen im Bereich Holzbau deutlich aufholen und vorbildlich sein. Das regelt die neue Landesbauordnung, und das ist somit ein deutlicher Schritt nach vorne.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insbesondere über Sie von der CDU wundere ich mich, da Sie ja gerne die ländlichen Bereiche vertreten und uns aufgrund Ihrer guten Kontakte in die Forstwirtschaft bei anderen Themen eigentlich immer mit Informationen am Pult entgegenkommen. Herr Hausmann, in Ihrer Rede war nichts davon zu finden. Welchen Stellenwert hat das Thema „Bauen mit Holz“ für die CDU? Diesbezüglich sind Sie jede Antwort schuldig geblieben.

(Beifall von den GRÜNEN)

– Von Herrn Schemmer lasse ich dieses Mal keine Zwischenfrage zu. Das mache ich immer, aber das bringt nie etwas, und deswegen mache ich es dieses Mal nicht.

Herr Hausmann, der zweite Punkt betrifft ebenfalls Ihre Rede, wonach wir ein Hemmschuh der Bauindustrie sind und hier also nichts passiert.

Gegen diese Sichtweise sprechen wirklich alle Zahlen. Nordrhein-Westfalen ist deutscher Meister im sozialen Wohnungsbau. Im letzten Jahr haben wir 40 % mehr genehmigte Bauanträge gehabt. In diesem Jahr sind fast 150 % der Förderprogramme schon verausgabt. Bei der Wohnraumförderung haben wir von 800 Millionen € auf 1,1 Milliarden € aufgestockt. Dieses Geld wird auch ausgegeben. In den letzten Jahren wurden nie so viele Wohnungen gebaut wie jetzt. Deswegen geht Ihr Vorwurf ins Leere.

Auf der einen Seite fordern Sie in Ihrer Rede ein, dass der Hemmklotz weg muss, und auf der anderen Seite fordern Sie mehr Sicherheit. Sie müssen sich schon mal entscheiden! Entweder sind es einem zu viele Vorschriften, oder es sind zu wenige. Wenn Ihnen der Sicherheitsaspekt so wichtig ist, frage ich mich, warum Sie in Ihrem Änderungsantrag den Freistellungsbescheid fordern, den wir jetzt vor dem Hintergrund von baustatischer Sicherheit gegenüber der gültigen Bauordnung bewusst rausnehmen. Das ist für mich ein Widerspruch, und ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie das zum Thema machen.

Drittens komme ich zur Frage der Stellplätze. Wenn mich in den letzten Jahren ein Thema ereilt hat – auch als verkehrspolitischer Sprecher –, dann ist es die Unzufriedenheit mit der Regelung zur Stellplatzverordnung in der jetzigen Landesbauordnung. Es wird so zahlreich …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ich muss Sie noch mal unterbrechen, Herr Kollege. Diesmal ist es Herr Kollege Hausmann. Hat der bessere Karten?

Arndt Klocke (GRÜNE): Der hat bessere Karten.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Okay. – Herr Kollege Hausmann.

Wilhelm Hausmann (CDU): Herr Kollege! Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sehen Sie in unserem Antrag vielleicht auch, dass wir den qualifizierten Bauleiter gefordert und damit den Verbraucherschutz thematisiert haben?

Gerade bei der Genehmigungsfreistellung gibt es die offene Lücke, dass oft etwas gebaut wird, was nicht in den Planunterlagen stand. Dieses Problem soll in Zukunft mit jemandem, der eine Berufshaftpflichtversicherung hat und somit gegenüber dem Bauherrn, dem Verbraucher, unterschreibt, verbindlich geregelt werden. Deshalb möchte ich Ihnen diese Frage stellen, die zu dem Punkt passt, den Sie eben erwähnt haben.

Arndt Klocke (GRÜNE): Das habe ich gesehen. – Dennoch verstehe ich nicht, warum Sie trotzdem dafür plädieren, den Freistellungsbescheid beizubehalten. Dann hätten Sie auch auf unserer Seite anerkennen können, dass wir nach der Anhörung die Frage des Vieraugenprinzips bei der Bauabnahme mit aufgenommen haben. Dieses ist bei der Anhörung vonseiten der Bauindustrie mehrfach thematisiert worden.

Jetzt würde ich gerne auf die Stellplatzverordnung zu sprechen kommen. Zukünftig erlauben wir es den Kommunen, selbst darüber zu entscheiden. Wir geben das nicht mehr von Landesseite vor, sondern die Kommunen haben es in Zukunft in der Hand, individuelle Lösungen für die örtlichen Problemlagen zu finden. In der Abwägung finde ich das ehrlich gesagt überzeugend.

In Zukunft kann der Stadtrat von Münster mit einer individuellen Satzung, die er sich geben wird, entscheiden, wie er bei Baugebieten mit der Stellplatzfrage umgeht. Er muss das nicht wie bisher mit einer landesweiten Liste tun. Wir geben diese Entscheidungskompetenz in die Kommunen.

Von Parteien, die sonst immer gerne vorgeben, die Interessen der Kommunen zu vertreten, hätte ich mir an dieser Stelle mehr Unterstützung erwartet. Das ist ein Schritt zu mehr kommunaler Souveränität. Außerdem glaube ich, dass es auch verkehrspolitisch ein richtiger Schritt ist, weil man damit die Veränderung im Mobilitätsverhalten – insbesondere ein Stück weg vom MIV und vom Privat-Pkw und hin zu mehr Fahrradverkehr – individuell unterstützt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der letzte Punkt betrifft aus meiner Sicht die Frage der Inklusion. Hier haben wir eine R-Quote von neun. Sie kritisieren das. Da wären wir sozusagen im Suchflug. Wir haben das entsprechend nachjustiert, weil wir nach der Anhörung ausgewertet haben und glauben, dass wir mit unserem jetzigen Vorschlag – bei mehr als acht Wohnungen – näher an der Realität liegen.

Das Entscheidende aber ist das, was die Kollegin Philipp angesprochen hat, dass wir in Zukunft landesweite Zahlen darüber haben, was an rollstuhlgerechten Wohnungen in Nordrhein-Westfalen notwendig ist. Es war, ehrlich gesagt, auch eine überraschende Situation für mich, in der Anhörung zu erfahren, dass selbst die Sozialverbände hier keine validen Zahlen nennen konnten.

Es ist die Zukunftsaufgabe, dass die Kommunen angehalten sind – wie wir das jetzt mit dem Änderungsantrag deutlich machen –, in Zukunft klares Zahlenmaterial zur Planung vorzulegen. Das ist für uns alle, die auch kommunale Verantwortung haben, eine wirklich dringende Notwendigkeit, um im Baubereich besser planen zu können.

Auch vor dem Hintergrund einer Evaluation, die wir vorschlagen, mag es sein, dass wir in der nächsten Legislaturperiode zu der Ansicht kommen, dass diese Neunerquote, die Sie jetzt kritisieren, möglicherweise doch nicht die richtige ist. Dann kann man das entsprechend nachjustieren. Ich glaube aber, zum jetzigen Zeitpunkt ist es der richtige Vorschlag.

Ich sehe, dass die Redezeit zu Ende ist. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Ellerbrock das Wort.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Philipp, Ihr Werben um Zustimmung höre ich wohl, doch kann ich den Sirenenklängen nicht folgen. Dafür gibt es eine Menge Argumente.

Mit der Verabschiedung der vorliegenden Bauordnung, die wir auch im Ausschuss mehrfach diskutiert haben, verpasst die rot-grüne Landesregierung wiederum eine Möglichkeit, das Bauen in Nordrhein-Westfalen einfacher zu machen. Diese Landesbauordnung hat den Kurznamen „bau“, sie ist nämlich „b“ wie bürokratisch, „a“ wie anfällig für den Nachbesserungsbedarf und „u“ wie undurchdacht.

Sie ist bürokratisch, Herr Kollege Klocke, ich gehe gern darauf ein. Freistellungsverfahren? – Ja, bei einem zertifizierten Bauleiter. Wie Herr Kollege Hausmann schon dargestellt hat, ist das eine vernünftige Sache. Der Bürgermeister von Olfen hat deutlich gemacht: Ein Drittel der Anträge, die er hat, werden mittels eines Freistellungsverfahrens abgearbeitet. Das ist eine vernünftige Sache. Es führt zu weniger Bürokratie. Es ist ein schnelleres Verfahren. Nutzen wir die Chance!

Mir wurde kein vernünftiger Grund genannt, warum dieses Freistellungsverfahren gegen den Verbraucherschutz gerichtet sei und Sicherheitsbedenken vernachlässige. Nein, das ist ein vernünftiges Verfahren. Wir wollen gerade die Sicherheit stärken, indem der Bauleiter und der Tragwerksplaner, wie in dem Entschließungsantrag dargestellt, zertifiziert sind, fortgebildet sind und Haftpflichtversicherungen haben. Herr Kollege Hausmann, das, was Sie gesagt haben, kann ich genau so unterschreiben.

(Beifall von Lutz Lienenkämper [CDU])

Wir wollen auf alle Fälle dieses Freistellungsverfahren beibehalten. Hören wir auf mit dieser Mär rollstuhlgerechter Wohnungen! Jeder in diesem Saal will, dass mobilitätseingeschränkte Menschen ein vernünftiges Wohnungsangebot erhalten. Keiner will das schlechtreden. Das ist eine vernünftige Sache.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Kollegen von der SPD-Fraktion haben jetzt die Quote abgesenkt. Aber Quote ist Quote. Quote geht am Bedarf vorbei.

(Beifall von der FDP)

Wenn hier die Landesregierung oder Sie als regierungstragende Fraktionen eine Quote einführen, dann müssen Sie doch sagen, wie ungefähr der Bedarf ist.

(Zuruf von der SPD: Kennen Sie denn den Bedarf?)

Herr Pollmann hat das hier in der Anhörung ganz klar gesagt, nachdem wir ihn gefragt haben – das war auch der Erkenntniszugewinn vom Kollegen Klocke aus der Anhörung –, was die Bauwirtschaft schätzt. Da sagte er völlig zu Recht: Sie schreiben es doch rein. Die Landesregierung schreibt es doch rein. Die muss doch eine Vorstellung haben, doch nicht wir.

Es ist die Aufgabe der Landesregierung, hier einen Bedarf zu ermitteln. Und dann sollte man es den Kommunen überlassen, weil sie näher vor Ort sind, das in ihren Gebieten satzungsgemäß zu regeln. Das ist der richtige Weg, auf dem wir gehen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

– Frau Kollegin, wenn Sie eine Frage haben, wenden Sie sich bitte an den Sitzungsleiter. Der wird dann fragen, ob ich die Frage zulasse, und dann können wir weiter reden. Ansonsten gehen wir bitte nach draußen, dann können wir das danach machen, oder die Frage war unwichtig. Dann lassen wir es sein.

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh! Oh! – Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, Sie stellen hier Behauptungen auf, dass die Quote gerechtfertigt ist. Sie ist nicht gerechtfertigt, weil wir im Nebel herumstochern.

Der nächste Punkt betrifft die Stellplatzregelung. Das ist die undurchdachte Sache. Das hört sich gut an, ja. Sie wollen das auf die Kommunen überwälzen, damit sie auch die Rechtsunsicherheiten auf sich nehmen. Im Sommer hatte ich Ihnen, Herr Minister, eine Kleine Anfrage gestellt. Sie haben gesagt: Nichts da, Ellerbrock, Rechtsunsicherheiten gibt es da nicht. Na ja, dann haben wir die kommunalen Spitzenverbände gefragt, die unsere Auffassung völlig teilen. Darf ich das zitieren?

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ja.

Holger Ellerbrock (FDP): Gut. – Ich zitiere wörtlich:

„Durch den völligen Verzicht auf derartige Vorgaben droht eine Verschlechterung gegenüber der derzeitigen Rechtslage.“

Also nichts mit Verbesserung der Rechtslage, Verschlechterung der Rechtslage.

„Zudem stellt die Erhebung von Stellplatzablösebeträgen eine zweckgebundene Sonderabgabe dar, deren Grenzen vom Bundesverfassungsgericht eng gesteckt wurden. Es bestehen erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit von Stellplatzablösebeträgen, falls die bisherigen Voraussetzungen für eine gruppennützige Verwendung entfallen.“

Das lernt man im ersten Semester Verwaltungsrecht.

(Beifall von der FDP)

Es ist den kommunalen Behörden weder als Satzungsgeber noch als Bauaufsicht zumutbar, das hiermit verbundene Risiko zu tragen.

Meine Damen und Herren, es kommt zwar nicht oft vor, aber ich stimme hier den kommunalen Spitzenverbänden absolut zu. Wo sie recht haben, haben sie recht. Das muss man ganz klar sagen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das Aktionsbündnis „Impulse für den Wohnungsbau“ macht deutlich, dass bei einem Mehrfamilienhaus rund 100.000 Seiten Formulare zu lesen und zu bearbeiten sind. Es fordert, die Normenflut deutlich zu begrenzen. Dieses leistet diese Bauordnung nicht.

Das Aktionsbündnis für Bauen fordert deshalb: Orientiert euch mehr an der Musterbauordnung! Herr Minister Groschek, warum haben Sie das nicht gemacht? Das wäre doch wirklich ein richtiger Schritt gewesen. Sonst machen Sie doch zumindest im Ansatz vernünftige Sachen. Hätten Sie hier doch auch machen können!

(Jochen Ott [SPD]: Dann hätten Sie etwas anderes gefunden!)

Das, was Sie nach draußen geben, ist das Motto dieser Landesregierung: Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung durch mehr Detailregulierung. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir wollen. Deswegen lehnen wir diese Landesbauordnung so, wie sie ist, hier ab.

(Beifall von der FDP)

Lassen Sie mich noch deutlich machen – zu unseren Entschließungsanträgen ist der Kollege Hausmann schon darauf eingegangen –: Wichtig ist für uns die Qualifikation von Bauleiter und Tragwerksplaner. Das ist auf alle Fälle eine wichtige Sache, die wir drin haben müssen.

Wenn keine Vorgaben gemacht werden, denken Sie bitte daran: Wenn die Stellplatzabgabe in den allgemeinen Haushalt einfließen könnte, dann würden sich pfiffige Kämmerer vielleicht überlegen, eine möglichst hohe Stellplatzabgabe zu fordern, damit diese einen Teilbeitrag zur Sanierung des Haushalts leisten kann.

Oder ist das so völlig weltfremd? Nein, die Praxis belegt: Es ist so. Also vorsichtig! Wer eine Stellplatzabgabe fordert – die Kommunen sollen das machen –, der sollte eine gruppennützige Verwendung festschreiben, sonst führt das zu riesigen Schwierigkeiten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche denjenigen, die ich morgen nicht mehr sehe, schöne Weihnachten, eine ruhige Zeit zwischen den Jahren und vor allen Dingen Gesundheit in 2017. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. Ich gehe aber davon aus, dass wir alle uns morgen hier noch sehen werden. – Das nur am Rande.

Jetzt hat für die Piratenfraktion Herr Kollege Fricke das Wort. Bitte schön.

Stefan Fricke (PIRATEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Wir Piraten haben schon im Jahr 2012 auf eine Bauordnungsnovelle gedrängt. Wir Youngster sollten die Füße doch bitte noch etwas stillhalten; denn der Referentenentwurf würde bald kommen, lautete die Antwort. Das war 2012. Dann kamen 2013, 2014, 2015, und – heureka! – 2016 ist sie endlich da. Gut Ding will Weile haben, könnte man denken. Aber stimmt das immer? Nein. Die Bauordnungsnovelle bleibt weit hinter den erhofften und selbst hinter den nur erwarteten Annahmen zurück.

Es gibt gravierende inhaltliche Lücken und Kurzhüpferei, sogar üble handwerkliche Fehler. Respekt, das muss man erst einmal schaffen, vier Jahre über einer Bauordnung zu brüten und dann noch Fehler zu machen, die erst im Nachhinein mit großem Aufwand und mithilfe von Gerichten, bis hin zum EU-Gerichtshof, behoben werden können.

Der spektakulärste Mangel betrifft die Barrierefreiheit, also Menschen wie mich, in ein paar Jahren auch Sie alle. Dennoch wird der Bedarf allen Statistiken zuwider einfach um ein Drittel zurechtgestutzt.

In den Fachdebatten wird seit Jahren betont, wie wichtig eine praktikable Legaldefinition von Barrierefreiheit ist. Aber nein, wir reden über Krümmungsgrade von Gurken und Bananen. Was ist zum Beispiel mit der technischen Umsetzung der DIN-Norm 18040? Fehlanzeige! Es bleibt bei Gummibegriffen, die auszuhebeln ein Kinderspiel ist.

Seit Jahren erklären uns die Fachleute, dass es, vornehm ausgedrückt, nicht zielführend sei, zwischen echter Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer und Barrierefreiheit „light“ zu unterscheiden. Wo leben die Autoren dieses Bauordnungsentwurfs? Lesen sie Zeitung? Wir haben einen lebendigen Diskurs über barrierefreie Quartiere und inklusive Gesellschaft – offensichtlich Fremdwörter für die Herrschaften. Nein, das ist nicht gut.

Gut ist auch nicht, dass die Fraktionen von SPD und Grünen es in trauter Gemeinsamkeit für normal halten, Anträge anderer Fraktionen ohne ein einziges Wort der sachlichen Begründung grundsätzlich aus Prinzip abzulehnen. Zur Erinnerung: Wir reden hier über die Landesbauordnung, nicht über die Zukunft des Abendlandes, über zukunftsweisende Politik, mit der man kaum Wahlkampfdampf machen kann. Es ist das Ultimum an Sachlichkeit, das ich mir in diesem Hause vorstellen kann.

Wir Piraten haben bescheidene vier Antragsänderungen eingebracht, die von der Regierungskoalition, ohne sie auch nur mit einer sachlichen Begründung zu würdigen, abgebügelt wurden.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Richtig!)

Im Bügeln sind Sie wirklich gut. Aber man kann das auch anders sehen: als Arroganz der Macht. Wir sehen es immer wieder: Oppositionsparteien stellen einen Antrag, der wird diskussionsunlustig abgeblockt und kurze Zeit später von der Koalition fast wortgleich eingebracht und durchgewunken. Haben Sie jemals die Folgen dieses Handelns für unsere Demokratie bedacht?

Bei jeder Gelegenheit kehren Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, hervor, dass es nur um die Sache ginge, auf keinen Fall um Fraktions- oder Parteiinteressen. Dreimal kurz gelacht! Nur, mit solchen Methoden werden Sie Ihr verloren gegangenes Profil auf Kosten anderer demokratischer Parteien auch nicht schärfen können. Wen wundert da noch die Entwicklung unseres Parteienspektrums? – Na dann: Fröhliche Weihnachten und gute Nacht!

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Fricke. – Für die Landesregierung erteile ich sodann Minister Groschek das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst bedanke ich mich bei allen Beteiligten, selbst bei den Oppositionsfraktionen, auch wenn deren Beitrag zum guten Schluss nur etwas von Schmetterlingsjägern hatte.

Sie kennen das Bild, wenn diese mit dem Netz fischen und fischen. So war Herr Hausmann in den letzten beiden Wochen damit beschäftigt, noch irgendwelche Scheinargumente zu finden, die gegen die Landesbauordnung sprechen könnten. Aber es ist so wie mit den Schmetterlingen: Auf den ersten Blick wirken sie faszinierend, und dann sind sie schon verschwunden. – So wird es auch mit Ihren Änderungsanträgen passieren, Herr Hausmann.

Herr Klocke und Frau Philipp haben nämlich recht: Es gab selten eine so intensive Anhörung wie im Zusammenhang mit der Landesbauordnung. Es gab selten so wenig Basta und so viel Partizipation wie beim Erstellen des Entwurfs und bei den weiteren Diskussionen. Deshalb gelingt es Ihnen ja auch nicht, Frau Nörgel und Herrn Motzki gegen die Landesbauordnung zu mobilisieren. Die gibt es nämlich nicht, sondern es gibt mehr oder weniger lauten Beifall dafür. Den hätten Sie sich mitverdienen können, wenn Sie sich nicht so querulant aufgestellt hätten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber jeder ist seines Glückes Schmied. Der Minister kann vieles, er kann sich aber nicht um das Glück der Opposition kümmern.

Deshalb noch einmal zu der Landesbauordnung selbst: In der Fachwelt ist viel Gemeinsamkeit gestiftet worden. Wir haben beim Bauen mit Holz riesige Fortschritte gemacht. Wir haben Barrierefreiheit nicht nach dem Prinzip „Basta“, sondern nach Partizipation angelegt. Wir haben darauf verzichtet, quotal festzulegen, was bevorzugt wird. Die DIN-Norm jedenfalls entspricht nicht einer Rollstuhlgerechtigkeit à la NRW. Deshalb sind die beteiligten Bauunternehmen auch sehr erfreut, an diesem Arbeitsprozess mitwirken zu dürfen, weil sie schon nach der ersten Sitzung den festen Eindruck haben, dass hier etwas Gutes unter ihrer eigenen Mitwirkung entsteht und eine sehr praxisorientierte Regelung getroffen wird.

Bei der Stellplatzverordnung will ich sehr deutlich werden: Ja, wir wollen in der nächsten Wahlperiode auch mit dem Baustein „Stellplatzverordnung“ kommunalisieren und eine Verkehrswende in den Städten einleiten, die überfällig ist. Wir brauchen eine andere urbane Mobilität. Die alte Stellplatzverordnung ist hinderlich bei dem Errichten neuer Mobilitätsperspektiven in unseren Städten. Deshalb ist gut, wenn die alte Stellplatzverordnung durch einen landesweiten Verzicht und kommunale Verpflichtungen, sich selbst Gedanken zu machen, ersetzt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das digitale Defizit der Bauwirtschaft ist hinlänglich diskutiert. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das abgebaut wird. Im Bereich „BIM“ machen wir das sehr intensiv. Im Bereich „Digitalisierung der Bauverwaltung“ müssen wir den Kommunen helfen, schneller größere Fortschritte zu machen. Digitalisierte Bauverwaltungen nützen aber wenig, wenn die Antragsteller Analogantragsteller bleiben.

Wir werden auch beim ideellen und materiellen Umsetzen der Landesbauordnung helfen. Auch diesbezüglich wurde Hilfestellung in der Anhörung erbeten. Deshalb gibt es ja das Überleitungszeitfenster. Wir werden den Kommunen und den übrigen damit befassten Stellen helfen, die neue Landesbauordnung zu verinnerlichen und praxisgerecht anzuwenden.

Ende gut, alles gut! Deshalb möchte ich mich stellvertretend beim Staatssekretär von der Mühlen und Herrn Hindermann bedanken. Herr Hindermann wird oft als bärbeißig charakterisiert und von manchem, der ihn nicht näher kennenlernt, auch so empfunden. Herr Hindermann ist aber im Grunde das lebendige Kompendium der nordrhein-westfälischen Bauordnung, und sein Wort hat in der Fachwelt Gewicht. Jeder weiß: Egal ob mürrisch oder nicht, man kann sich zu 99,9 % blind auf sein Urteil zu einem Sachverhalt verlassen.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Deshalb: ein klarer Dank an Herrn Hindermann und den Staatssekretär. Sie haben die ganze Mühe auf sich genommen, die ich jetzt hier stellvertretend in Form des Druckwerks vertreten kann. Den Fraktionen danke ich, soweit sie geholfen haben, den Dialog zu verbreitern. Daran sind nicht alle beteiligt, sondern vor allen Rot-Grün. Das zeigt, auf welch solidem Fundament diese politische Partnerschaft begründet ist. Die Landesbauordnung ist eben auch ein Teil der Erfolgsgeschichte von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen, und Erfolgsgeschichten sollte man fortschreiben und nicht beenden.

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

In diesem Sinne ist auch die Landesbauordnung ein schöner Mosaikstein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Märchenstunde!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind natürlich nicht alles Scheinargumente, Herr Groschek. Ich glaube, dass Sie im Ministerium damit Mühe hatten.

Wir hatten eine intensive Anhörung, und wir hatten vorher und nachher sehr viele Gespräche, korrigiert wurden aber am Ende nur Kleinigkeiten.

Damit spreche ich direkt die Regierungsfaktionen an, die in Podiumsdiskussionen immer gesagt haben: Das mit den Abstandsflächen ist wirklich ein Problem, das mit den Aufzügen auch. Daran müssen wir arbeiten. – Aber letztendlich haben wir dann doch keine entsprechenden Änderungsanträge erhalten. Unsere Änderungsanträge wurden in dem Fall einfach ignoriert und weggestimmt, obwohl die anderen Oppositionsfraktionen an der Stelle gesagt haben: Das ist eine gute Sache. Dem stimmen wir zu.

Das größte Problem ist natürlich die Sache mit der Barrierefreiheit. Das konnte man auch mit Änderungsanträgen nicht mehr korrigieren. Weder weiß man, wie diese definiert ist, noch welche Definition dann wo gelten könnte. DIN 18040 steht zwar irgendwo, soll aber gar nicht zur Anwendung kommen, vor allem nicht da, wo es große Streitfragen hinsichtlich der R-Quote gibt. Das ist vielleicht eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen, aber keine akzeptable Regelung.

Es soll ja mit einer Rechtsverordnung nachher korrigiert werden, was in der Bauordnung unvollständig ist. Der Entschließungsantrag von Rot-Grün sagt, die valide Grundlage für die Bedarfsermittlung solle dann noch als Grundlage für eine Evaluation erstellt werden, und in Arbeitsgruppen sollten praktische Be­stim­mungen erarbeitet werden. Das hätte man alles lange vor Erstellung der Landesbauordnung machen sollen. Es müsste darin geregelt sein und nicht irgendwann einmal gemacht werden.

Die Regelungen zum Bauen mit Holz hat man zwar auch im Gegensatz zur alten Version verbessert, sie bleibt aber weit hinter anderen Vorbildern zurück. Auch das sieht man im Entschließungsantrag, wo extra noch einmal versucht wird, dort etwas draufzusetzen. Die Digitalisierung hatte man auch vergessen, sie steht ebenfalls im Entschließungsantrag.

Ich kann insofern auch diesen Entschließungsantrag nicht wirklich zustimmen.

Ich möchte jetzt vor allem auf die anderen Anträge, die uns noch vorliegen, eingehen. Zu dem Änderungsantrag von Rot-Grün: Ja, das lassen wir wieder zurückkorrigieren. Das ist in Ordnung. Ich würde empfehlen, dem zuzustimmen. Zu dem Änderungsantrag von CDU und FDP: Einiges daraus würde ich ablehnen. Deshalb empfehle ich auch insgesamt die Ablehnung.

Zu dem Entschließungsantrag der FDP: Bis auf die Quoten, die Sie sonst auch immer kritisieren, liebe FDP, ist der Antrag ganz gut. Ich glaube aber nicht, dass die Kommunen sich alle noch einmal erneut mit der Debatte um die R-Quote beschäftigen wollen, so wie wir es gemacht haben. Wenn wir noch nicht einmal in Anhörungen und Diskussionen alle Fragen beantworten konnten und nicht zu einem Ergebnis kommen, wie soll das dann eine Ebene tiefer gelöst werden? Ich glaube auch nicht, dass das Problem daran hängt.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Oliver Bayer (PIRATEN): Ich glaube nicht, dass sich das Problem lösen lässt, wenn wir es noch einmal an eine Ebene tiefer zurückgeben. Soviel zu meiner Empfehlung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die CDU-Fraktion spricht noch einmal Herr Kollege Hausmann.

Wilhelm Hausmann (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Minister dankbar, dass er am Ende noch mal als Resümee den besonderen Dank an eine Person aus seinem Ministerium kundgetan hat.

Ich kann mit Blick auf die Landesbauordnung nur sagen: Das kommt davon, wenn man blind auf jemanden vertraut. Wenn man selbst in seinem Ministerium ohne Ahnung umherwandelt, wenn die eigene Fraktion ohne Ahnung umherwandelt, dann hat man am Ende diese Landesbauordnung, die man hier vorstellt.

(Zurufe von den GRÜNEN – Lachen von Minister Michael Groschek)

Lieber Herr Minister, Sie hätten sich keinen Bagger schenken lassen sollen, eine Flasche Scheibenklar wäre vielleicht besser gewesen.

(Beifall von der CDU)

Ein Blick aus dem Haus auf die Realität im Lande hätte dem einen oder anderem die Augen geöffnet.

Wir sind nicht damit zufrieden – das sage ich klipp und klar –, dass ein Minister mit Schlagworten wie „BIM“ und „Digitalisierung“ um sich wirft, aber in der Realität nichts tut. Dass er nichts tut, sieht man an dieser Landesbauordnung und an den Reparaturanträgen, die heute von Rot-Grün gekommen sind, weil die Situation einfach zu peinlich war, um einiges weiter durchgehen zu lassen. Das ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren.

Man sieht auch, dass die Schlagworte nicht weiterhelfen. Denn Sie müssen als Hilfskonstruktion, um andere einzulullen, jetzt wieder Gespräche etwa mit Verbänden, mit Arbeitsgruppen führen, um sie alle bis zum Mai schön weiter bei der Stange zu halten. Danach ist es Ihnen wahrscheinlich wieder egal.

Meine Damen und Herren, das ist aus unserer Sicht keine tragfähige Politik. Sie hätten die Chance gehabt, mit dieser Landesbauordnung bürokratische Hindernisse für den Wohnungsbau aus dem Weg zu räumen, was Sie lange versprochen haben. Das Gegenteil ist der Fall. Man sieht ganz deutlich: Sie haben es versäumt, mit Ihrer Landesbauordnung Fakten zu liefern – von Fakten ist heute viel gesprochen worden – und Ihre Politik zu beweisen. Das haben Sie nicht getan.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, in Nordrhein-Westfalen werden viele Wohnungen gebaut. Aber es werden nicht mal so viele Sozialwohnungen neu gebaut, wie aus der Förderung herausfallen, um das mal klipp und klar zu sagen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Minister Michael Groschek: Wer hat denn privatisiert?)

Wir haben in Nordrhein-Westfalen noch lange nicht den Stand erreicht, den wir als Schwarz-Grün einmal erreicht hatten, als es um den Bau von geförderten Wohnungen ging. Das muss auch mal dazugesagt werden.

(Zurufe von der SPD)

Sie sind dabei, all das, was der Markt an Dynamik bietet, aus dem System zu nehmen. Sie profitieren vom momentanen Zinstief. Sobald die Zinsen steigen, werden wir auf dem Wohnungsmarkt eine Dramatik erleben, die eindeutig Ihre Schuld ist.

(Beifall von der CDU)

Wenn die Landesbauordnung in Kraft tritt, die mit einem Verzögerungszünder auf den Markt gebracht worden ist, sitzen Sie schon lange nicht mehr hier. Dann können Sie sich wieder neue Legenden ausdenken, wer wieder schuld daran ist: alle anderen, nur nicht Sie. – Das haben wir oft genug erlebt.

Unser Vorsitzender hat sich heute gefragt: Warum sitzen Sie eigentlich hier, wenn Sie immer die anderen dafür verantwortlich machen? – Es hätte in Ihrer Verantwortung gelegen, parallel zum günstigen Zinsstand eine Dynamik in den Wohnungsbau zu bringen, die unser Land nach vorne gebracht hätte. Das haben Sie verpasst; das steht heute für uns fest.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hausmann. – Für die FDP-Fraktion Herr Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Der Minister hat eben sein Haus gelobt. Ich möchte jetzt an einem besonderen Fall deutlich machen, dass es noch ein Primat der Politik gibt, und noch ein paar warme Worte zur SPD und zu den Grünen sagen.

Herr Minister, zur Brüstungshöhe von 1 m: Wir haben eine Kleine Anfrage gestellt, und Sie haben geantwortet: Die Brüstungshöhe muss unbedingt 1 m statt wie bislang 90 cm sein, weil jemand 1,85 m groß war und über eine Brüstung gefallen ist. Darauf kann nicht verzichtet werden. So Ihre Aussage.

Die Regierungskoalitionen haben einen Antrag eingebracht, sich wieder auf das Normalmaß zu beschränkten: 90 cm reichen aus. – Wir in Nordrhein-Westfalen sind zwar groß, aber nicht größer als die anderen. Ich sage: Chapeau! Das war eine vernünftige Sache. Diesen Punkt teilen wir ausdrücklich. – Danke.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die SPD-Fraktion Herr Kollege Ott.

Jochen Ott (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wegen der Weihnachtsfeier der SPD-Fraktion werde ich meinen Beitrag kurz halten. – Ich möchte auf dreierlei hinweisen:

Erstens. Lieber Wilhelm, ich schätze dich wirklich sehr, und ich glaube, es gibt eine Reihe von Dingen, bei denen wir in den vergangenen Monaten gesehen haben, dass wir inhaltlich nicht weit auseinander sind. Es geht aber nicht, hier Scheibenklar zu verteilen, gleichzeitig alles zu verkleistern und so zu tun, als ob man selber in den Debatten die ganze Zeit mit fantastischen Vorschlägen gekommen sei. Ihr habt keinen Antrag vorgelegt, kommt dann kurz vor Toresschluss und habt noch mal geguckt: Wo können wir noch wen abgreifen, der vielleicht eine Kleinstforderung nicht umgesetzt sieht?

Zweitens. Bei solchen Gesetzesinitiativen – darauf sind wir wirklich stolz – geht es darum, am Ende zu versuchen, einen Kompromiss zu finden, der möglichst viele mitnimmt. Wenn uns so viele Verbände loben und sagen: „Das habt Ihr gut gemacht“, kann dieser Weg nicht falsch gewesen sein. Deshalb ist das eine gute Landesbauordnung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie sorgt dafür, dass Bauen Vorfahrt hat, hält die Kostensteigerungen im Blick und sorgt vor allen Dingen dafür, dass NRW im Gegensatz zur Musterbauordnung des Bundes auf bestimmte Qualitäten setzt, Herr Ellerbrock. Diese Qualitäten, auf die wir setzen und die wir einführen wollen, gehören zu einer bestimmten Haltung, die diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen vertreten.

Drittens. Ich halte es für ausgesprochen wichtig, in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinzuweisen: Die Kommunen haben im Rahmen ihrer Bauleitplanungen die Möglichkeit, vieles zu gestalten. Die Kommunen haben auch eine besondere Verantwortung bei der Genehmigung.

Diese Verantwortung können sie nicht dauernd auf die Landesebene verschieben. Vielmehr steht in unserem Entschließungsantrag bewusst, dass wir uns in kürzester Zeit genau angucken werden: Wie laufen die einzelnen Punkte, die in der Anhörung kritisch diskutiert worden sind? – Wir werden uns also schon bald wieder mit dem Thema beschäftigen und schauen: Müssen wir nachsteuern oder nicht?

(Zuruf von Wilhelm Hausmann [CDU])

Das ist eine moderne Herangehensweise – gerade in einem Bereich, in dem sich so viel verändert. Eines ist klar: Mit diesem Minister und dieser Landesbauordnung hat Bauen Vorfahrt. Denn Nordrhein-Westfalen braucht dringend Wohnungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 8.

Wir kommen zur ersten von insgesamt fünf Abstimmungen. Wir stimmen erstens ab über den Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13778. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – CDU- und FDP-Fraktion. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Änderungsantrag Drucksache 16/13778 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir stimmen zweitens ab über den Änderungsantrag von CDU- und FDP-Fraktion Drucksache 16/13784. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das sind die antragstellenden Fraktionen, also CDU- und FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Änderungsantrag Drucksache 16/13784 von CDU und FDP mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur dritten Abstimmung, zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/12119. Der Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr empfiehlt in Drucksache 16/13708, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung in der soeben geänderten Fassung und nicht über den Gesetzentwurf selbst. Wer also der Beschlussempfehlung in der geänderten Fassung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – CDU-, FDP- und Piratenfraktion. Wer enthält sich? – Niemand. Dann ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/13708 unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucksache 16/13778 angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/12119 in der soeben geänderten Fassung in zweiter Lesung mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis verabschiedet worden.

Wir kommen zur vierten Abstimmung, jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13779. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – CDU-, FDP- und die Piratenfraktion. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/13779 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen zur fünften und letzten Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/13792. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – FDP- und CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Enthalten haben sich die Piraten. Damit ist der Entschließungsantrag der FDP Drucksache 16/13792 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt worden

Wir sind am Ende von Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe auf:

9  Gesetz zur Stärkung des Kreistags

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/12362

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kommunalpolitik
Drucksache 16/13707

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13780

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Dahm das Wort.

Christian Dahm (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass die in der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen geregelten Einflussmöglichkeiten unserer Kreistagsmitglieder auf die Geschäfte der Kreisverwaltung sowie die Organisation und das Führungspersonal der Kreisverwaltung deutlich hinter den Möglichkeiten der Ratsmitglieder in den Städten und Gemeinden zurückbleiben.

Weder hat der Kreistag die Möglichkeit, sich in Einzelfällen die Entscheidung über die Erledigung der ausschließlich den Landrätinnen und Landräten zugewiesenen Geschäfte der laufenden Verwaltung vorzubehalten, noch kann er – mit Ausnahme der Kreisdirektorin bzw. der Kreisdirektors – durch die Wahl und Bestellung von Beigeordneten auf die personelle und organisatorische Struktur der Kreisverwaltung in gleicher Weise wie bei einem Rat einer Gemeinde Einfluss nehmen. Das werden wir heute mit unserem Gesetzentwurf korrigieren, meine Damen und Herren. Wir stärken damit die Demokratie und die Partizipation.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Stärkung des Kreistags, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollen deshalb die Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten des Kreistages denen der Räte in Gemeinden angeglichen, und es sollen die gegenwärtig unterschiedlichen Regelungen der Kreisordnung und der Gemeindeordnung über Zuständigkeiten und Kompetenzen der verschiedenen Organe im Sinne einer Angleichung an diese Vorschriften harmonisiert werden.

Zusammengefasst kann ich feststellen, dass die Kreisordnung in folgenden Punkten geändert wird: Einführung einer Allzuständigkeit des Kreistags sowie eines Rückholrechts bei Geschäften der laufenden Verwaltung,

(Beifall von der SPD)

die Abschaffung des Kreisausschusses, die verpflichtende Bildung eines Hauptausschusses sowie die Option zur Wahl von Beigeordneten.

Die Einführung der Option, künftig auch bei den Kreisen Beigeordnete zu wählen, bedingt eine entsprechende Anpassung der Eingruppierungsverordnung.

Mit diesem Gesetz stärken wir die Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten der Kreistage und werten das ehrenamtliche Engagement in den Vertretungskörperschaften der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger deutlich auf. Damit wird, wie ich finde, die kommunale Selbstverwaltung in den Kreisen insgesamt gestärkt.

Ich will aber noch kurz auf die Anhörung und auch auf die Bedenken, die vonseiten einzelner Sachverständiger – insbesondere aber vonseiten des Landkreistages – vorgetragen worden sind, eingehen.

Wir tragen dem insgesamt Rechnung, indem wir mit unserem Änderungsantrag noch einmal sehr deutlich präzisiert haben, dass wir – ganz besonders was die Bereiche der unteren staatlichen Aufgaben des Landrates, der Kreispolizeibehörde sowie des staatlichen Schulamtes angeht – nicht dem Rückholrecht unterliegen. Deshalb haben wir hierzu in der letzten Woche im Ausschuss für Kommunalpolitik einen Änderungsantrag eingebracht.

Ich will noch kurz auf den Änderungsantrag der Piratenfraktion eingehen. Dazu sage ich in aller Deutlichkeit: Nur die Überschrift zu verändern, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich habe das letzte Woche auch schon im Ausschuss gesagt –, entspricht nicht unserem demokratischen und schon gar nicht unserem politischen Verständnis. Wir werden diesen Antrag selbstverständlich ablehnen.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, ich bin sicher, dass wir mit diesem Gesetzentwurf die Optionen und das kommunale Ehrenamt stärken. Wir werden daher diesem Gesetzentwurf heute in zweiter Lesung zustimmen. Damit stärken wir auch die Kreistage. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Thönnissen.

Ulla Thönnissen (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einer Frage beginnen: Sorgt das neue Gesetz, das Sie das „Gesetz zur Stärkung des Kreistags“ nennen, dafür, dass für den Bürger Verfahren schneller oder einfacher werden? Die Antwort gebe ich gerne selber: Nein, das tut es definitiv nicht.

(Beifall von der CDU)

Es sorgt allerdings für wesentlich höhere Kosten, die sich übrigens früher oder später in der Umlage für die regionsangehörigen Kommunen niederschlagen, und es ist zudem ausschließlich durch politische Interessen getrieben. Es dient ausschließlich dazu, den rot-grünen Koalitionsvertrag zu erfüllen – nicht mehr.

Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich Prof. Oebbecke, der in der Anhörung dazu Folgendes gesagt hat:

„Letztlich geht es hier um die Frage: Will ein Land, das ohnehin in seiner Performance punktuell schwächelt, sich noch ein paar weitere Steine in die Tasche stecken in der Hoffnung, dann schneller zu laufen? Oder ist das vielleicht nicht intelligent?“

Die CDU hält es in der Tat für nicht intelligent und wird deshalb – das wird sie nach der Diskussion im Ausschuss auch nicht verwundern – das Gesetz zur Schwächung der Landräte ablehnen. Ich will Ihnen das gerne noch weiter begründen.

Es gibt weder sachliche Gründe noch irgendwelche Erforderlichkeiten für die geplante Änderung der Kreisordnung. Niemand beschwert sich, und die Kreise nehmen die ihnen obliegenden Aufgaben sachgerecht, effizient und auch wirtschaftlich wahr. Voraussetzung dafür war und ist das gute Zusammenwirken von Landräten auf der einen und Kreistagen auf der anderen Seite. Und mit dem Versuch, zwei ungleiche Systeme gleichzumachen, provozieren Sie nur Konflikte, die es jetzt nicht gibt. Man kann zwei unterschiedliche Vertretungskörperschaften mit unterschiedlichen Strukturen nicht mal eben so zusammenführen. Ein Stadtrat ist eben kein Kreistag.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen keine zusätzliche Verlängerung von Verwaltungsverfahren. Wir sind für den Erhalt des Kreisausschusses. Er ist ein funktionierendes Gremium, in dem ein Interessenausgleich von kreisangehörigen Kommunen und Kreisen stattfindet. Zudem wäre die Abschaffung des Kreisausschusses eine unsinnige Beschneidung bürgerschaftlichen Engagements.

(Michael Hübner [SPD]: Muss man auch nicht!)

Wir sind für den Verzicht auf die optionale Einführung der Beigeordnetenverfassung. Ein jahrzehntelang bewährtes Modell auf Kreisebene soll jetzt verändert werden – ohne überzeugende Argumente, ohne Bedarf und ohne Erfordernis,

(Beifall von der CDU)

dafür mit erheblichen Mehrkosten, aber ohne Mehrwert. Alle nordrhein-westfälischen Landräte lehnen die Einführung einer Beigeordnetenverfassung auf Kreisebene ab, und die CDU-Fraktion schließt sich hier an.

Eine Bemerkung noch zum Rückholrecht des Kreistages: Kreistage haben heute bereits ein Rückholrecht, nur nicht bei Geschäften der laufenden Verwaltung. Das Rückholrecht besteht auch jetzt schon bei Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Wir reden hier über die Angelegenheiten der täglichen Verwaltungsarbeit, und wir reden nicht über spektakuläre Großvorhaben oder dergleichen Dinge. Da kann sich der Kreistag heute schon mit allen Dingen beschäftigen, die er für richtig hält.

Und auch wenn Sie – Herr Dahm hat es vorhin angedeutet – in Ihrem Änderungsantrag vom 9. Dezember das Rückholrecht einschränken, also einen Schritt in die richtige Richtung machen, so geht das in der Summe längst nicht weit genug.

Wir halten es daher bei unserem Fazit mit Prof. Oebbecke, der sagt: Es handelt sich um eine schlechte Gesetzgebung ohne sachlichen Grund.

(Beifall von der CDU)

Das Gesetz zur Stärkung des Kreistages ist ein Eingriff ohne Not in die Aufgaben und Zuständigkeiten der Landräte und Kreistage und gefährdet die Funktion und Arbeit der Kreise. Wir lehnen den Gesetzentwurf daher ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Thönnissen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Thönnissen, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Zunächst einmal sollten Sie sich vor Augen führen: Wir arbeiten weiter an dem Thema „Stärkung der kommunalen Demokratie“. Wir haben in diesem Jahr das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung eingebracht und auch hier verabschiedet.

Wir haben deutlich gemacht, dass wir nicht nur die Arbeitsbedingungen auf der Ebene der kreisfreien Städte und der Gemeindevertretungen der kreisangehörigen Gemeinden in den Räten verbessern wollen, sondern wir haben auch deutlich gemacht, dass wir die Arbeitssituation in den Kreistagen verändern wollen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, weshalb die Kreistage wesentlich weniger Rechte haben sollen, als wir sie heute in den kleinsten Gemeinden mit 4.000 oder 5.000 Einwohnern haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Selbstverständlich ist es so – deswegen haben wir in diesem Zusammenhang keine Begeisterungsstürme vonseiten der Landräte erwartet – … Man kann die weibliche Form hier nicht gebrauchen; denn es gibt ja keine Landrätinnen, aber das ist ein anderes Thema.

(André Kuper [CDU]: Doch, Frau Eva Irrgang!)

– In Nordrhein-Westfalen? – Danke für die Information. Selbstverständlich ist es so, dass, wenn man in die Kompetenzen der Hauptverwaltungsbeamten eingreift, das nicht unbedingt zur Zufriedenheit der beteiligten Personen ausgeht. Das hat natürlich auch die Anhörung gezeigt.

Wenn wir, wie Christian Dahm ausgeführt hat, die Allzuständigkeit des Kreistages hier noch einmal festschreiben, das Rückholrecht bei Geschäften der laufenden Verwaltung festschreiben, den Kreisausschuss abschaffen, die Bildung eines Hauptausschusses verpflichtend einführen und den Kreistagen die Option einräumen, zum einen Wahlbeigeordnete zu bestellen und zum Zweiten aber auch den Zuschnitt der Dezernate vorzunehmen, dann geht das natürlich mit Macht- und Kompetenzverlusten der Landräte einher. Es mag sein, dass das möglicherweise 20, 30, 40, 50 Jahre lang gut funktioniert hat, aber es spricht nicht dafür, hier Situationen herzustellen, in denen die Kreistage in ihren Rechten schlechter behandelt werden als die Gemeindevertretungen von großen und kleineren Gemeinden, überhaupt nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie vor diesem Hintergrund, Frau Thönnissen, von Konflikten sprechen, macht das deutlich, wie Sie zum Thema der kommunalen Selbstverwaltung stehen. Auch in der Anhörung ist deutlich gemacht worden, dass die Landräte in ihrer Weisheit maßgebend sind. Der Kreistag hat sowieso nicht viel zu sagen. Wir wollen keine Diskussionen, wie man sie möglicherweise in Stadträten erlebt, so mein Eindruck aus der Anhörung.

Schauen Sie sich einmal die Aufgabenbereiche der Kreise an. Vornehmlich handelt es sich um überörtliche Aufgaben. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich einmal die Verbandsversammlungen der beiden Landschaftsverbände anzuschauen. Auch dort werden vornehmlich überörtliche Aufgaben erfüllt. Selbstverständlich haben diese auch Rechte, die mit den Rechten von Ratsvertretern in Gemeindevertretungen vergleichbar sind.

Insofern war es höchste Zeit …

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Krüger, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage, ich vermute, bei Herrn Kollegen Deppe. Ist das richtig? – Ja.

Mario Krüger (GRÜNE): Gerne.

Rainer Deppe (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. Ausweislich Ihrer Biografie im Handbuch des Landtags kommen Sie aus einer Großstadt, einer kreisfreien Stadt. Halten Sie es für richtig, jemandem von uns, aus den Kreisen, der seit Jahrzehnten in der Kreispolitik tätig ist, erzählen zu müssen, wie man vernünftige Kreispolitik macht, zumal die Ergebnisse in den Landkreisen in der Regel für die Bevölkerung deutlich positiver ausfallen als in einer Stadt, zum Beispiel in der, aus der Sie kommen?

(Beifall von der CDU)

Mario Krüger (GRÜNE): Sie müssen nicht glauben, dass ich meine Erfahrungen ausschließlich aus meiner Heimatstadt Dortmund, einer kreisfreien Stadt, wie alle wissen, heranziehe. Selbstverständlich haben wir in diesem Zusammenhang mit unseren Vertretern in den Kreistagen selbst eine Vielzahl von Gesprächen geführt; diese haben das übrigens auch eingefordert. Nicht ohne Grund ist das seinerzeit

(Beifall von den GRÜNEN)

zwischen SPD und Grünen so vereinbart worden. Wir haben hier nämlich einen Handlungsbedarf gesehen.

(Zuruf von den GRÜNEN: So ist das!)

Sie machen sich zum Bock der Landräte, wir machen uns zum Anwalt der Kreistage. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss auch gestehen: Ich bin Kreisfreier, aber vielleicht kann ich mit dem Hinweis darauf, dass ich bestimmt acht Jahre journalistisch in Kreistagen sitzen musste,

(Minister Rainer Schmeltzer: Musste!)

um anschließend darüber zu berichten, meine Berechtigung unterstreichen, zu diesem Thema reden zu dürfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz zur Stärkung des Kreistages wird die Kreistage ohne Zweifel politischer machen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Kritiker sagen zwar – Frau Thönnissen hat das gerade unterstrichen –, es bestehe kein Handlungsbedarf, manche gehen sogar so weit, zu sagen: Ist doch alles bewährt, deshalb sollte man auch keinen Buchstaben ändern.

Doch dass die Kreise nun mittlerweile in unseren Breiten auf eine rund 200 Jahre währende Geschichte zurückblicken können, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Kreisordnungen von Reformern immer wieder mal neuen Zeiten angepasst worden sind. Nicht mehr und nicht weniger kann das heute zu Verabschiedende auch sein.

(Beifall von der FDP)

Wir Freien Demokraten haben das Gesetz bereits sehr früh nach Einbringung mit unseren Kommunalpolitikern in den Kreisen, in den Gremien der Vereinigung der liberalen Kommunalpolitiker, diskutiert. Eine große Mehrheit der Teilnehmer in diesen Runden hat das Gesetz positiv gesehen, und deshalb stimmen wir dem Gesetz heute auch zu.

Zweifel vonseiten der kommunalen Spitzenverbände, dass durch dieses Gesetz Verfahrensverzögerungen in den Kreisverwaltungen drohen, wurden, so finden wir, durch den im Kommunalausschuss eingebrachten Änderungsantrag ausgeräumt.

Damit ist auch klargestellt, dass die eröffnete Allzuständigkeit der Kreistage nur dann gilt, wenn Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung betroffen sind. Wenn ein Kreistag Aufgaben an sich ziehen will, die der Landrat bzw. die Kreisverwaltung als untere staatliche Aufsichtsbehörde ausübt, ist das eben nicht möglich, und diese Regelung ist auch richtig so.

Wichtig ist uns: Die Option der Kreistage zur Wahl von Beigeordneten als Wahlbeamte stärkt die Position der Kreistage. Das setzt auch Anreize für Experten aus der Wirtschaft, als Quereinsteiger in die Verwaltungsspitze gewählt werden zu können. Die Möglichkeit zur Wiederwahl stärkt sicherlich auch insgesamt die Motivation der Beigeordneten.

Die Möglichkeiten der Kreistage werden durch das Gesetz stärker den Möglichkeiten der Räte in den Städten und Gemeinden angeglichen. Das kann auch das kommunalpolitische Engagement in den Kreistagen attraktiver machen. Dieses Ziel unterstützen wir Liberale.

(Beifall von der FDP)

Anders als das kürzlich hier mit den Stimmen von CDU und Grünen beschlossene sogenannte Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, das schon in einigen Teilen eher eine Stärkung der großen Fraktionen darstellte und das die FDP aus diesem Grund auch abgelehnt hat, gibt das heute behandelte Gesetz tatsächlich Anlass zu der Hoffnung, dass die Kreise stärker politisch agieren und damit hoffentlich auch mehr Menschen dafür gewonnen werden können, sich um ein Mandat im Kreistag zu bewerben.

(Beifall von der FDP)

Insgesamt ist das Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung, weil es Kreistage und Stadt- und Gemeinderäte angleicht. Als FDP gehen wir diese Richtung deshalb auch wenige Monate vor der Landtagswahl ohne ideologische Scheu mit. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden vorhandene und fest definierte Rechte des Kreistages ersatzlos abgeschafft. Der Kreisausschuss, eines von drei Organen der bisherigen Kreisordnung, verschwindet einfach. Mit der Einführung von Wahlbeamten, den Beigeordneten, werden bei den kreisangehörigen Städten und Gemeinden Folgekosten in Millionenhöhe erzeugt. Schließlich zahlen diese durch die erhöhten Umlagen die Mehrkosten, die den Kreisen durch die Beigeordneten entstehen.

Warum eine Anpassung der Kreisordnung Nordrhein-Westfalen an die Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen notwendig oder sachlich geboten sei, haben Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, bisher nicht schlüssig darlegen können. Auch Ihre Ausführungen eben, Herr Dahm, haben nichts dazu beigetragen, warum da eine Notwendigkeit besteht. Zur Begründung wurde an anderer Stelle immer wieder auf Ihren Koalitionsvertrag verwiesen. Damit läge zwar nahe, auf einen Nutzen des Gesetzes für Personen aus dem Dunstkreis der Koalitionspartner zu schließen. Das würde ich aber natürlich niemandem unterstellen wollen.

Apropos Koalitionsvertrag: Da ist noch ein anderes Gesetz vereinbart, ein Transparenzgesetz. Bekommen wir das hier im Parlament auch noch in einem Hauruckverfahren vorgelegt wie das hier? Ich hoffe nicht. Denn wenn es genauso gemacht wäre wie dieses Gesetz zur Änderung der Kreisordnung, dann verzichten wir lieber darauf.

In der Anhörung zu diesem Gesetz zur Änderung der Kreisordnung – das wurde schon mehrfach gesagt – haben die unabhängigen Sachverständigen Ihren Entwurf jedenfalls in der Luft zerrissen. Bedenken gab es auch aus den Landkreisen, den kreisangehörigen Kommunen sowie von den kommunalen Spitzenverbänden. Der Tenor war, dass es sich hier um ein rein politisch motiviertes Gesetz handelt. Das wird auch dadurch deutlich, dass die andere, im kommunalen Bereich noch große Fraktion das Gesetz ablehnt. Frau Thönnissen hat es hier eben bestätigt.

Liebe Kollegen von Rot-Grün, noch vor Inkrafttreten mussten Sie zurückrudern, um die absehbaren Konflikte zwischen einer Eilzuständigkeit des Kreistages mit übertragenen Pflichtaufgaben, welche sich aus § 2 der Kreisordnung ergeben, zu vermeiden, und haben einen Änderungsantrag stellen müssen. Das ist peinlich, denke ich.

Die Nachteile einer zusätzlichen Befassung des Kreistages durch das Rückholrecht und damit erwartete Ausweitungen von Genehmigungsverfahren werden hier nicht nur aus unserer Sicht vernachlässigt und dürften den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen zusätzlich belasten.

Das wesentliche Element der hier mit aller Macht vorangetriebenen Änderungen dürften aber ohnehin die Bestrebungen zur kostenintensiven Schaffung von Stellen für Wahlbeamte sein. Mich lassen die „positiven Anmerkungen“ von Herrn Nückel eben doch aufhorchen, was da vielleicht erwartet wird.

Die Kosten für die Ausschreibungen, Anzeigenschaltungen, Einarbeitungszeiten und Übergabezeiten bei Wechseln bis hin zu den Kosten für Pensionen werden über die Kreisumlage natürlich die kreisangehörigen Kommunen belasten, ohne dass seitens des Landes für eine entsprechende Kostendeckung gesorgt wäre. Das ist Politik zulasten der Kommunen, und zwar ohne dass damit ein bestehendes Problem gelöst würde. Stattdessen werden neue Probleme geschaffen. Damit ist es ein schlechtes Gesetz und schlechte Politik.

Meine Damen und Herren, wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, der durch eine Änderung des Titels des Gesetzes klarstellen soll, welcher Effekt in der Praxis zu erwarten ist: Mehrheiten werden gestärkt. Nun ist das im Grunde genommen nichts Schlechtes; denn Mehrheiten entscheiden im demokratischen System, ganz klar.

Aber zu einer Stärkung demokratischer Prozesse auf Kreisebene gehört vor allem eine Stärkung von Minderheiten! Davon findet sich aber überhaupt gar nichts im Gesetz. Weder die Rechte der einzelnen Kreistagsabgeordneten noch die der Gruppen oder der kleinen Fraktionen werden gestärkt. Man könnte sich auch ein Einzelantragsrecht oder Beteiligungsrechte von Gruppen in dem neuen Hauptausschuss vorstellen. Aber all das findet im vorliegenden Entwurf keinen Eingang.

So bleibt das wesentliche Element dieses Gesetzentwurfs, über die Wahlmöglichkeit zur Einführung von Beigeordneten-Stellen in großem Stil Pöstchen zu kreieren, für deren Kosten die Kommunen die Zeche zahlen. Den Gesetzentwurf lehnen wir daher in der vorliegenden Form ab. Zu unserem Änderungsantrag empfehlen wir natürlich die Zustimmung. Denn das würde das Anliegen des Gesetzes klarer und wahrer machen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die wesentlichen Argumente zu diesem Gesetz zur Stärkung des Kreistages ausgetauscht worden sind.

Die Frage, die sich stellt: Werden die Landräte schwächer, wenn die Kreistage stärker werden? Ich glaube, das ist eine Furcht vor zu viel Demokratie. Dass diese Furcht unberechtigt ist, darauf haben nicht nur die regierungstragenden Fraktionen hingewiesen, sondern auch der Kollege Höne von der FDP-Fraktion. Ich zitiere ihn sinngemäß: Wenn die Kreistage politischer werden, dann ist das etwas, was uns Politikern gefällt. Meine Damen und Herren, ich finde, da hat Herr Höne von der FDP-Fraktion durchaus recht.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Es geht also nicht darum, Macht einzuschränken, sondern es geht darum, ehrenamtlichen Mandatsträgern in Kreistagen mehr Gestaltungsspielraum zu geben. Frau Thönnissen, das viel diskutierte Rückholrecht ist ein Instrument, das wir heute schon in der Gemeindeordnung für die Räte haben. Mein Eindruck ist, dass das äußerst zurückhaltend genutzt wird. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass die Kreistage mit diesem Rückholrecht zukünftig nicht verantwortungsvoll umgehen werden.

Die eigentliche Frage, die wir uns stellen müssten, meine Damen und Herren, lautet: Was haben die Bürgerinnen und Bürger davon? Wir als Landesregierung meinen, dass die Menschen im Kreis durch die Stärkung der Kreistage mehr Möglichkeiten haben, sich aktiv und konstruktiv in Gestaltungsprozesse des Kreistages einzubringen. Deshalb empfiehlt die Landesregierung, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich an dieser Stelle die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 9.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Änderungsantrag der Fraktionen der Piraten Drucksache 16/13780. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das sind die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP. Möchte sich jemand enthalten? – Der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist damit der Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/13780 abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/12362. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in Drucksache 16/13707, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf selbst.

Wer der Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP. Wer stimmt dagegen? – CDU, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Gibt es Enthaltungen im Haus? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/13707 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/12362 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

10 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kurorte im Land Nordrhein-Westfalen und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/13536


Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kommunalpolitik
Drucksache 16/13708 – Neudruck

zweite Lesung

Der Ihnen bereits verteilte Änderungsantrag Drucksache 16/13781 wurde gemäß unserer Geschäftsordnung zurückgezogen.

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Reden zu Protokoll   zu geben. Das ist auch erfolgt. (Anlage 2)

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung, und zwar über den Gesetzentwurf. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in Drucksache 16/13708 in der Fassung des Neudrucks, den Gesetzentwurf Drucksache 16/13536 unverändert anzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion, die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Möchte jemand dagegen stimmen? – Das ist nicht der Fall. Sich enthalten? – Auch nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/13536 in zweiter Lesung einstimmig angenommen und verabschiedet.

Ich rufe auf:

11 Gesetz zur Stärkung der Versorgung bei Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/13702

erste Lesung

Herr Minister Groschek hat in Vertretung von Herrn Finanzminister Dr. Walter-Borjans die Rede zu Protokoll gegeben. Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen. (Anlage 3)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/13702 an den Innenausschuss. Möchte jemand gegen diese Überweisung stimmen? – Sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir so überweisen, und die Gesetzesberatung nimmt ihren Lauf.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 12 aufrufe, möchte Herr Kollege Olejak zur Geschäftsordnung reden. Ich hatte vorhin ja schon einmal darauf hingewiesen, wie die Regeln zur Geschäftsordnungsdebatte sind. Bitte schön.

Marc Olejak (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Vorausschauend auf TOP 12 möchte ich nur ganz kurz anmerken: Falls Sie sich über das Verfahren wundern, dass wir eine gemeinsame Behandlung der ersten und zweiten Lesung ohne Debatte im großen Einvernehmen aller Fraktionen vornehmen, möchte ich darauf hinweisen, dass dies absolut zulässig und möglich ist. Wir haben uns im Vorfeld darauf verständigt. Von daher möchte ich mich für diesen großen Konsens bei allen bedanken. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Es ist etwas ungewöhnlich, weil das jetzt nicht zur Geschäftsordnung war. Die Spielregeln, die es für persönliche Erklärungen gibt … – Wie dem auch sei, vielleicht wollte Herr Olejak so freundlich sein und einen Teil dessen, was ich sonst vorgetragen hätte, übernehmen.

Dann rufe ich jetzt auf:

12 Gesetz zur Aufnahme der Deutschen Hochschule der Polizei in das Hochschulgesetz NRW (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13689 – Neudruck

erste Lesung

Und:

zweite Lesung

Wie Sie eben schon gehört haben, ist eine Aussprache nicht vorgesehen.

Wir kommen zur ersten und unmittelbar danach zur zweiten Lesung.

Ich komme daher zur Abstimmung im Rahmen der ersten Lesung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/13689 in der Fassung des Neudrucks. Wer diesem Gesetzentwurf in erster Lesung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, die Piratenfraktion sowie der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/13689Neudruckin erster Lesung angenommen.

Wie Sie gerade schon gehört haben, haben sich die Fraktionen darauf verständigt, die zweite Lesung in der heutigen Plenarsitzung unmittelbar im Anschluss an die erste Lesung durchzuführen. Rein formal und damit es hiermit auch kein Problem gibt, stelle ich fest, dass es hierzu keinen Widerspruch aus dem Haus gibt. – Das ist so.

Dann rufe ich jetzt die zweite Lesung des Gesetzentwurfs aller fünf im Landtag vertretenen Fraktionen auf.

Da wir gleich zur Abstimmung kommen können, führe ich diese jetzt auch durch. Wer dem Entwurf des Gesetzes zur Aufnahme der Deutschen Hochschule in das Hochschulgesetz NRW in zweiter Lesung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete Schulz stimmen zu. – Möchte jemand dagegen stimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Ebenfalls nicht. Dann ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/13689Neudruckin zweiter Lesung angenommen und verabschiedet, und zwar einstimmig.

Ich rufe auf:

13 Eine Minute vor Zwölf – Landesregierung muss die frühkindliche Bildung in unseren Kitas sicherstellen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/13683

Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Somit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/13683 an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen dann nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann sehen wir den Antrag in einer späteren Plenarsitzung wieder, weil wir so überwiesen haben.

Ich rufe auf:

14 Organstreitverfahren auf Antrag der Minderheit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV (Silvesternacht 2015) gegen die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen wegen Verweigerung der Vorlage bestimmter Informationen

VerfGH 12/16
Vorlage 16/4537

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/13666

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen damit direkt zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 16/13666, in dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof keine Stellung zu nehmen.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schulz. Möchte jemand dagegen stimmen? – Nein. Enthaltungen? – Ebenfalls nicht. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/13666 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

15 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 48
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 16/13710

Die Übersicht 48 enthält sieben Anträge, die vom Plenum gemäß § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung an einen Ausschuss zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden, sowie einen Entschließungsantrag. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nunmehr abstimmen über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen entsprechend der Ihnen vorliegenden Übersicht 48. Möchte jemand gegen die vorliegende Übersicht stimmen? – Sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben Sie die Übersicht zustimmend zur Kenntnis genommen.

Ich rufe auf:

16 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/50

Mit der Übersicht liegen Ihnen die entsprechenden Beschlüsse zu den Petitionen vor. Wird das Wort hierzu gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ist jemand mit den Beschlüssen nicht einverstanden? – Das ist auch nicht der Fall. Dann stelle ich gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass die Beschlüsse damit von Ihnen bestätigt wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende unserer heutigen Tagesordnung und des heutigen Plenartags angelangt.

Das Plenum beginnt morgen pünktlich um 10 Uhr.


Ich wünsche all denjenigen, die jetzt noch Weihnachtsfeiern haben, schöne Weihnachtsfeiern, und freue mich, Sie alle morgen wieder begrüßen zu können.

Der Plenartag ist beendet.

Schluss: 18:53 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage 1

Zu TOP 6 – Zehntes Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes – zu Protokoll gegebene Reden

Christian Dahm (SPD):

Die große Zahl von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern führte in den vergangenen zwei Jahren zu enormen Herausforderungen überall in Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Die Verteilung, Unterbringung und Versorgung war ein Kraftakt. Dafür danken wir den Kommunen an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich, ebenso wie den vielen Ehrenamtlichen, ohne deren Tatkraft und Engagement das nicht zu bewältigen gewesen wäre. Dieser Verantwortung haben sich die Kommunen gestellt und sie sind dabei von der Landesregierung nicht im Regen stehen gelassen worden.

Durch die Aufstockung der Mittel im Flüchtlingsaufnahmegesetz sind die finanziellen Folgen dieser Herausforderung abgefedert worden, sodass die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden, trotz beachtlicher Anstrengungen, zu keinem Zeitpunkt gefährdet waren.

Mit Hilfe finanzieller Anreize konnten vielerorts Landeseinrichtungen geschaffen werden.

Wir sind den Kommunen besonders dankbar, die sich bereit erklärt haben, Landesunterkünfte bereitzustellen.

Jetzt setzen wir mit diesem FlüAG die mit den kommunalen Spitzenverbänden verabredete Systemumstellung um. Das zeigt einmal mehr, dass wir ein verlässlicher Partner an der Seite der Kommunen sind.

Ab 2017 werden wir einen vollständigen Systemwechsel vollziehen. Künftig wird nicht mehr wie bislang eine Pauschale überwiesen, die sich nach Einwohnerzahl und Fläche richtet, sondern es wird ein Betrag ausgezahlt, der sich nach den tatsächlich vorhandenen Leistungsempfängern richtet.

Das neue elektronische Melderegister macht die personenscharfe Auszahlung möglich. Gemeinden können hierüber jeden Monat die aktuellen Zahlen von Bestand und Zuzug melden und bekommen den entsprechenden Betrag der FlüAG-Pauschale überwiesen.

Das sind gute Nachrichten für die Kommune. So stellen wir sicher, dass das Geld dorthin fließt, wo es auch wirklich benötigt wird. Das Geld folgt den Köpfen. 866 € pro Kopf – darin enthalten eine pauschale Erhöhung um 4 % – ist ein Betrag, der auch in der Qualität der Versorgung und Unterbringung einen hohen Standard ermöglicht, ohne dabei den Landeshaushalt überzustrapazieren.

Darum ist es ein guter Gesetzesentwurf, weil er ausgewogen ist und im Wesentlichen den berechtigten Forderungen der kommunalen Spitzenverbände nachkommt.

Bei Belastungsspitzen besteht in Zukunft die Möglichkeit, einen vorübergehenden Aufnahmestopp zu beantragen. In solchen Extremsituationen wird damit der zeitliche Druck genommen, sodass vor Ort die notwendigen Strukturen geschaffen werden können, um auf die veränderte Sachlage zu reagieren.

Das neue FlüAG wird außerdem gerechter:

Die Anrechnungsregeln von Landesplätzen für Flüchtlinge setzen wir herab, sodass es zu einer stärkeren Gleichverteilung bei den kommunalen Plätzen für Flüchtlinge kommt.

Schließlich wird die Auszahlung der Mittel präzisiert: nicht nur, weil die Gemeinden künftig nur noch für diejenigen Flüchtlinge Mittel erhalten, die sie auch tatsächlich aufgenommen haben, sondern auch, weil für Flüchtlinge, die es geschafft haben, sich einen eigenen Lebensunterhalt zu erarbeiten und nicht mehr auf die Unterstützung angewiesen sind, künftig keine Pauschale mehr überwiesen wird.

Mit diesem Gesetz schaffen wir gute Gelingensbedingungen.

Wir werden daher gleich zustimmen.

André Kuper (CDU):

Wenn man heute auf die Zeit zu den Anfängen der Flüchtlingskrise zurückguckt, muss man erkennen, dass durch den massiven Druck der Opposition und der Kommunen die Landesregierung – leider immer erst mit erheblicher Verspätung – bei der Pauschalerstattung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz reagiert hat. Im Jahr 2014 lag die Pauschale noch bei rund 6.170 €, aber auf Basis eines Stichtags von Flüchtlingszahlen, der weit in der Vergangenheit lag und damit maximal die Hälfte der Flüchtlinge berücksichtigte.

Schon damals war offensichtlich, dass das System des FlüAGs bei steigenden Zahlen nicht funktioniert. Denn bereits damals waren 50 % mehr Flüchtlinge im Land, als es die Erstattung vorsah. Erst mehr als zwei Jahre später kommt nun der Systemwechsel – dass endlich eine Auszahlung den tatsächlichen Zahlen folgt.

Allerdings ist auch diese Systemumstellung mit dem FlüAG 2017 mit gravierenden Fehlern behaftet und wiederum mit extremen Ungerechtigkeiten. Das macht das FlüAG – bei allen Besserungen, die wir der Landesregierung auch zugestehen – für uns aber nicht zustimmungsfähig! Das haben wir in einem Entschließungsantrag ausdrücklich dokumentiert.

Folgende Fehler sehen wir immer noch im System der Flüchtlingskostenerstattung in NRW:

1. Geduldete: Es werden lediglich „neue“ Geduldete für drei Monate berücksichtigt.

Einerseits lässt die Landesregierung die Unterstützung der Kommunen beim Vollzug der Ausreisepflicht vermissen, gleichzeitig aber wird den Kommunen die Kostentragung der Ausreisepflichtigen ab dem dritten Monat aufgebürdet. Mehr als 45.000 Ausreisepflichtige leben derzeit in Nordrhein-Westfalen, für die die Kommunen den Großteil der Kosten zu schultern haben. Die zukünftige Anrechnung nur von neu festgestellten Geduldeten und dann nur noch für drei Monate ist nicht ausreichend, da sich bis dahin keinesfalls realisiert hat, dass die Geduldeten innerhalb dieses Zeitraums tatsächlich zurückgeführt werden können.

Hier erwarten wir nicht nur eine Verlängerung des Zeitraums der Berücksichtigung der Geduldeten im Rahmen des FlüAG, sondern eine echte Unterstützung der Kommunen bei Rückführungen – am besten in Form einer Zentralisierung und Spezialisierung dieser enorm wichtigen Aufgabe!

2. Schwellenwert der Härtefallregelung: Eine Absenkung auf 15.000 € ist als echte Hilfe notwendig.

Wenn eine Kommune insgesamt 10.800 € pro Flüchtling pro Jahr erhält, kann es nicht sein, dass ein Härtefall nach dem Gesetz erst dann angenommen wird, wenn allein die gesundheitliche Betreuung mehr als das Dreifache dieser Summe kostet. Um eine echte Entlastung darzustellen, muss der Schwellenwert näher an der Jahrespauschale liegen. Wir haben auch einen HH-Antrag dazu eingebracht, ab einem Wert von 15.000 € die Anwendung des Härtefalls zuzulassen.

3. Fehlende Endabrechnung vor der Systemumstellung:

Bis Ende Oktober hat das Land allein in diesem Jahr den Kommunen mehr als 65.000 Asylbewerber zur Unterbringung und Versorgung zugewiesen. Das FlüAG aber lässt diese Personen völlig unberücksichtigt – da in diesem Jahr die Auszahlungen auf Basis der Zahlen zum 01.01.2016 erfolgten. Mit dem Systemwechsel findet keine Endabrechnung statt, die aber notwendig wäre, um den Kommunen ihre Aufwendungen richtig zu erstatten.

4. Anrechnung von Landesunterkünften: Hin- und Her bei den Anreizen im FlüAG für Landeseinrichtungen

Die Kommunen, die derzeit auf dem Gemeindegebiet die 79 Landeseinrichtungen mit 41.500 Plätzen betreiben lassen, haben im Vertrauen auf die Vorteile und bewusst ausgestalteten Anreize im FlüAG vor Ort die Standorte durchsetzen können. Das ist jetzt obsolet. Denn die Anrechnung auf die Quote wird massiv zusammengekürzt, und gleichzeitig erhalten die Kommunen künftig keinen Cent mehr aus dem FlüAG – anders als bisher!

Hier muss die Landesregierung eine einmalige Abmilderung schaffen und außerhalb des FlüAGs zumindest die besonderen Belastungen, die mit dem Betrieb einer Landesunterkunft einhergehen, finanziell berücksichtigen.

5. Ist-Kosten-Erhebung: Notwendiger Realitätscheck der FlüAG-Pauschale

Zu spät kommt auch die Ist-Kosten-Erhebung. Andere Länder sind hier schon weiter und haben ihre Erstattungshöhe überprüfen lassen, inkl. Begutachtung.

Weil das FlüAG mit dem Zehnten Änderungsgesetz zwar weiter verbessert wird, aber immer noch nicht gut ist und den Kommunen keine Auskömmlichkeit der Erstattung garantiert, lehnt die CDU-Fraktion aus den genannten Gründen dieses Gesetz ab. Unserem Entschließungsantrag stimmen wir zu.

Monika Düker (GRÜNE):

Das bereits zehnte Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes setzt in seiner vorliegenden Form den klaren Kurs der Unterstützung von Geflüchteten auf der einen und unserer Kommunen auf der anderen Seite fort. Daher setzt es die zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und den regierungstragenden Landtagsfraktionen beschlossene Vereinbarung aus dem Jahr 2015 zur Finanzierung von Flüchtlingskosten eins zu eins um.

Dem Gesetz vorausgehend sind umfangreiche Gespräche geführt worden – für die Vereinbarung von 2015, aber auch im weiteren Verfahren. Durch eine aufschlussreiche Anhörung, aber auch darüber hinaus, beruht das Gesetz daher auf den Ergebnissen eines breiten Beteiligungsprozesses und wird vor Ort auch funktionieren.

Zur Umsetzung der Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden haben wir in einer ersten Stufe das sogenannte Übergangsjahr 2016 geregelt, in dem wir noch keine Systemumstellung vornehmen konnten und den Kommunen eine Jahrespauschale pro in NRW lebendem Geflüchteten in Höhe von 10.000 € zur Verfügung stellten.

In einer zweiten Stufe erfolgt nun eine Systemumstellung auf eine echte Pro-Kopf-Pauschale. Damit lösen wir ein zum Teil unfaires System ab, in dem es aufgrund einer Trennung des Zuweisungsverfahrens und der Zahlung der FlüAG-Pauschalen im Extremfall dazu kommen konnte, dass Kommunen zwar die vollen Pauschalen, jedoch keine Geflüchteten zugewiesen bekamen.

Eine zweite Veränderung ergibt sich aus dem Umstand, dass es – wie das Jahr 2015 zeigte – in Ex­trem­situationen dazu kommen kann, dass Gemeinden aufgrund fehlender Unterbringungsplätze kurzfristig keine Geflüchteten mehr aufnehmen können. Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, führen wir daher eine faire Regelung im Zuweisungsverfahren für diese Situationen ein.

Nicht zuletzt werden die Anrechnungsregeln für Plätze in Landeseinrichtungen angepasst. Das Jahr 2015 zeigte, dass es im aktuellen System möglich war, dass Kommunen ohne Landeseinrichtungen aufgrund verzerrender Effekte deutlich mehr Geflüchtete aufnehmen mussten, als es das FlüAG vorsah. Auf der anderen Seite muss es weiterhin Anreize für Kommunen geben, das Land bei der Unterbringung zu unterstützen, und auch einen Ausgleich für die Nutzung der kommunalen Infrastruktur. Die neuen Regeln schaffen hier einen guten Ausgleich.

Dr. Joachim Stamp (FDP):

Das Flüchtlingsaufnahmegesetz 2017 ist besser als das FlüAG 2016.

Erstmals werden die tatsächlich in einer Kommune anwesenden Flüchtlinge bei der Kostenerstattung berücksichtigt.

Die Umstellung auf monatsscharfe Flüchtlingspauschalen für tatsächlich anwesende Flüchtlinge war bereits für das FlüAG 2016 die zentrale Forderung der FDP.

Besonders positiv auf die Finanzkraft der Kommunen wirkt diese Regel sich jedoch insbesondere bei steigenden und weniger bei sinkenden Flüchtlingszahlen aus.

Und da die Zahlen sinken, muss das Land den Kommunen im kommenden Jahr über das FlüAG trotz neuer Regel 500 Millionen € weniger überweisen.

Ein weiterer Fehler des FlüAG 2016 war es, dass Kommunen für Flüchtlinge in Landeseinrichtungen auf ihrem Gebiet volle Flüchtlingspauschalen bekommen haben, obwohl die Kosten für Flüchtlinge in Landeseinrichtungen direkt und komplett vom Land getragen werden.

Auch dieser Fehler wurde nun geheilt.

Kritisch sehen wir jedoch das drastische Abschmelzen der Anrechenbarkeit der Landeseinrichtungsplätze auf die Anzahl der kommunal aufzunehmenden Flüchtlinge.

Kommunen mit Landeseinrichtungen müssen künftig mehr Flüchtlinge kommunal aufnehmen, solche ohne Landeseinrichtung weniger.

Es ist fraglich, ob damit das Vorhalten von Landesplätzen für die Kommunen noch hinreichend attraktiv ist.

Schließlich wurde die Anrechenbarkeit der Plätze eingeführt, um die Kommunen zur Zustimmung der Errichtung von Landeseinrichtungen auf ihrem Gebiet zu bewegen.

Wir sehen hier auch einen Bruch des Vertrauensschutzes:

Denn schließlich haben die Kommunen der Schaffung von Landeseinrichtungen zugestimmt – in dem Glauben an einen doppelt so hohen Anrechnungsschlüssel.

Zwiespältig sind auch die Neuregelungen für abgelehnte Asylbewerber zu bewerten.

Zwar wird jetzt erstmals analog zum Bund für abgelehnte Asylbewerber die monatliche Pauschale für drei Monate weitergewährt.

Dafür fällt aber die bisher für Geduldete gezahlte Jahrespauschale weg.

Für die 45.000 Geduldeten in Nordrhein-Westfalen bekommen die Kommunen in Zukunft keinen Cent.

Außerdem hat die Vergangenheit gezeigt, dass abgelehnte Asylbewerber in der Regel nicht nach drei Monaten das Land wieder verlassen hatten.

Auch hier bleiben die Kommunen auf den Kosten sitzen.

Seit 2014 fordert die FDP zudem die Übernahme der Krankenkosten für Flüchtlinge durch das Land, wenn sie im Einzelfall 10.000 € im Jahr übersteigen.

Auch das ist noch nicht umgesetzt.

In Summe: Das FlüAG 2017 bringt deutliche Verbesserungen für die Kommunen, ohne deren Kosten der Flüchtlingsunterbringung – wie von uns gefordert – vollständig zu decken.

Deswegen wird die FDP-Fraktion sich zu diesem Gesetzentwurf enthalten.

Was den Entschließungsantrag der CDU angeht, findet dort vieles unsere Zustimmung.

Allerdings erschließt sich uns die Weisheit von zusätzlichen Zahlungen an Kommunen, die Landeseinrichtungen beherbergen, nicht ganz.

Entscheidend ist hier aus unserer Sicht die Anrechnung auf die Anzahl der kommunal aufzunehmenden Flüchtlinge.

Das wurde diesen Kommunen versprochen.

Und das sollten sie auch bekommen.

Deswegen stimmt die FDP-Fraktion auch beim Entschließungsantrag der CDU mit Enthaltung.

Frank Herrmann (PIRATEN):

Heute reden wir beim Zehnten Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes mindestens zum zehnten Mal über Geld, welches die Kommunen brauchen, und über Geld, dass das Land nicht geben kann oder will oder das vom Bund kommen soll, aber irgendwo anders verschwindet.

Lassen sie mich zunächst kurz etwas zum Entschließungsantrag der CDU-Fraktion sagen. Ihr Ansinnen, dass Kommunen alle notwendigen kommunalen Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten erstattet bekommen, ist gut und richtig. Auch die Absenkung der Antragsgrenze für Krankheitskosten von 35.000 € auf 15.000 € ist eine Entlastung.

Kein Verständnis haben wir aber für den Vorschlag, das Land solle sich stärker an der Versorgung von Geduldeten beteiligen und die Absenkung dieser Kosten gleichzeitig als Sparziel zu definieren, welches durch die Intensivierung von Abschiebungen zu erreichen wäre. Mit dieser Intention die Hilfe für Geduldete zu stärken, können wir auf keinen Fall mittragen und lehnen Ihren Antrag daher ab. Denn es gibt viele gute Gründe, Duldungen auszusprechen, und es sind nicht wenige Menschen, die schon viele Jahre hier nur geduldet sind – teilweise auch zehn Jahre und länger. Diese Menschen brauchen ein Bleiberecht, keine Abschiebung!

Ein Bleiberecht, damit sie endlich arbeiten dürfen, Steuern zahlen und sich integrieren können. Da aber hier im Land und im Bund nicht gehandelt wird, bleiben alle Kosten für die Versorgung der Menschen weiter an den Städten und Gemeinden hängen.

Hier muss das Land weiter nachsteuern und die Kommunen noch weiter entlasten, aber eben nicht durch Abschiebungen; denn das ist der falsche Weg!

Bei einem zehnten Gesetz kann man ja auf die Idee kommen, das da schon viel vorher gewesen sein muss. Aber eines fehlt bis heute in dem Gesetz: die Definition von Mindeststandards für Versorgung und Unterbringung!

Da waren nicht nur die Baracken in Mönchenglad-bach oder die schimmeligen Abbruchhäuser in Marl und in vielen anderen Städten, in denen Kommunen Flüchtlinge unterbringen.

Ganz aktuell hier um die Ecke an der Berger Allee haben sich noch letzte Woche Flüchtlinge gemeldet, sehr höflich und zurückhaltend. Sie haben berichtet, das sie mit teilweise drei Generationen in kleinen Zimmern leben, als Alleinreisende mit 17 Personen in einem Raum! Nicht aufhalten in einem Raum, sondern leben!

Und das teilweise seit 13 Monaten!

Sie wünschen sich mehr Privatsphäre, und das zu Recht, wie ich finde! Und genau dafür fordern wir Mindeststandards für Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten.

Und das nicht nur heute, sondern seitdem wir hier in den Landtag eingezogen sind.

Aber auch heute zieht sich die Landesregierung wieder aus der Verantwortung!

Das ist eine Schande!

Man kann sich auch wundern, warum es nicht mehr Unruhe in den Unterbringungen gibt, bei den Vorfällen, die immer wieder bekannt werden.

Ich möchte Sie noch auf einen anderen Aspekt aufmerksam machen, für den die Definition von Mindeststandards wichtig wäre: die öffentliche Wahrnehmung!

Sie führen hier endlos Diskussionen um Millionen- und Milliardenbeträge, die Bund, Land und Kommunen hin- und herschieben, jeder mit dem Ziel, so wenig wie möglich abzugeben und so viel wie möglich zu behalten.

Auf allen Ebenen haben Sie Arbeitsgruppen, die sich mit nichts anderem als dem Geschachere beschäftigen, die jeweils Handelnden in gutem Licht dastehen zu lassen, aber möglichst wenig dafür zu leisten. Die Geflüchteten bleiben da zu oft auf der Strecke.

Es gibt aber noch eine andere Gruppe von Menschen. Die hört nur auf die Höhe der Beträge, sieht nur Euro-Zeichen und meint, Millionen gehen an die Flüchtlinge.

Auch hier helfen Mindeststandards! Nämlich um deutlich zu machen, das hier keine Schlösser für die Unterbringung gebaut werden und die Geflüchteten nicht von goldenen Tellern essen! Transparenz und Klarheit sind notwendig, um deutlich zu machen, was für uns ordentliche und menschenwürdige Unterbringung ist.

Stattdessen verschwenden Sie durch Nichtstun oder auch ständiges Umplanen Millionenbeträge und liefern sich Bieterwettbewerbe mit den Kommunen um Containerunterbringungen und zahlen x-fach überhöhte Preise!

Deshalb, regeln Sie endlich die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge im ganzen Land, auch in den Kommunen, so wie wir es schon seit 2013 gefordert haben.

Führen Sie Mindeststandards ein.

Sie haben jetzt noch mal die Gelegenheit, wenn die Abrechnung im nächsten Jahr auf eine Spitzabrechnung umgestellt wird.

Solange Mindeststandards nicht definiert sind, ist ein Gesetz, welches die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen regeln soll, für uns nicht zustimmungsfähig!

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Viel ist bereits zu den Änderungen im Flüchtlingsaufnahmegesetz gesagt worden.

Wir setzen damit Punkt für Punkt die Einigung um, die wir vor knapp einem Jahr mit allen kommunalen Spitzenverbänden erzielt haben – sei es die Umstellung der FlüAG-Pauschale auf eine monatliche Auszahlung pro zugewiesenem und tatsächlich anwesendem Flüchtling in der Kommune, sei es die nochmalige Erhöhung der Pauschale um 4%.

Im kommenden Jahr folgt das Geld den Köpfen.

Auch – und der Hinweis ist mir noch einmal wichtig – für Geduldete, die eigentlich zur Ausreise verpflichtet sind. Hier zahlt das Land für die Dauer von drei Monaten nach Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht und ist damit vertragstreu.

Frau Scharrenbach, es ist Ihr gutes Recht, hier eine stärkere Beteiligung an den Kosten der Kommunen zu fordern.

Es wäre nur hilfreich, wenn Sie diese Forderung an den richtigen Adressaten formulieren würden:

Als Land planen wir im Jahr 2016 mit 4,6 Milliarden € an flüchtlingsbedingten Ausgaben.

Davon ist der Großteil – nämlich mehr als 2,8 Milliarden € – in Form von Zuweisungen an unsere Kommunen eingeplant.

Der Bund beteiligt sich mit gerade einmal 1,78 Milliarden € – das ist gerade mal so viel, dass es zur Deckung unserer eigenen Landesausgaben in diesem Bereich reicht.

Wir – und damit meine ich die Länder – betonen schon lange: Wir sind bereit, 50 % beizutragen. Dann soll aber gefälligst auch der Bund die andere Hälfte tragen. Davon, Frau Scharrenbach, sind wir in diesem Jahr noch weit entfernt.

Wir als Land leiten nicht nur alle Einnahmen aus der Beteiligung des Bundes an unsere Kommunen weiter – wir geben das 1,6-fache davon weiter!

Und im nächsten Jahr das 2,7-fache.

Wenn Sie also Forderungen stellen, dann tun Sie das doch mal in Richtung Ihres Parteikollegen Herrn Schäuble.


Anlage 2

Zu TOP 10 – Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kurorte im Land Nordrhein-Westfalen und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften – zu Protokoll gegebene Reden

Christian Dahm (SPD):

Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über Kurorte im Land NRW (KOG) erfolgen notwendige Anpassungen, die sich aus der Änderung der Trägerschaft des Staatsbades Meinberg ergeben.

Mit dem daraus resultierenden Wegfall der Zuständigkeit des Landesverbandes Lippe für das Staatsbad Meinberg ist es erforderlich, die Erhebung der Kurbeiträge in der Stadt Horn-Bad Meinberg neu zu regeln.

Durch die Aufhebung der Sonderregelungen für das Staatsbad Meinberg im KOG finden unmittelbar die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes des Landes NRW (KAG) zur Erhebung von Kurbeiträgen Anwendung. Dadurch wird es der Stadt Horn-Bad Meinberg ermöglicht, eine für die Erhebung von Kurbeiträgen erforderliche Satzung nach § 11 KAG zu erlassen.

Mit dem Gesetzentwurf erfolgen zudem notwendige Folgeänderungen in § 11 KAG.

Außerdem wird mit dem Gesetzentwurf einer entsprechenden Anregung des Landkreistags und des Städte- und Gemeindebundes gefolgt, den Gemeinden die Möglichkeit zu eröffnen, das für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags relevante Gemeindegebiet selbst zu bestimmen. Davon werden zumindest Bad Waldliesborn und weitere Städte in Kürze bereits Gebrauch machen. Ich danke daher meiner Kollegin Frau Marlies Stotz MdL, die sich hier besonders eingebracht hat, um diese rechtliche Vorschrift zu ermöglichen.

Zudem wird mit dem Gesetzentwurf im Gemeindeprüfungsanstaltsgesetz (GPAG) zur Reduzierung von Verteilungsungerechtigkeiten die Möglichkeit der Verlängerung des Zeitraums der Ausgleichspflicht von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen geschaffen.

Eine abschließende Befassung zum Gesetzentwurf erfolgte im Ausschuss für Kommunalpolitik am 9. Dezember 2016 unmittelbar nach Auswertung der zuvor eingegangenen Stellungnahmen. Wir haben dazu die kommunalen Spitzenverbände schriftlich angehört, die diese Regelungen begrüßen.

Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde im Ausschuss für Kommunalpolitik in der gleichen Sitzung mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.

Insofern empfehle ich dem Landtag heute, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Jens-Peter Nettekoven (CDU):

Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kurorte im Land NRW (KOG) werden notwendige Anpassungen, die sich aus der Änderung der Trägerschaft des Staatsbades Meinberg ergeben, vollzogen. Mit dem Wegfall der Zuständigkeit des Landesverbandes Lippe für das Staatsbad Meinberg ist die Neuregelung der Erhebung der Kurbeiträge in der Stadt Horn-Bad Meinberg erforderlich.

Die Trägerschaft des Landesverbandes Lippe als Nachfolger des Landes Lippe begründete die Entbehrlichkeit einer staatlichen Anerkennung des Kurortes Bad Meinberg. Durch die Übernahme des Staatsbades Bad Meinberg durch die Neue Staatsbad Meinberg GmbH, eine hundertprozentigen Tochter der Stadt Horn-Bad Meinberg, besteht die Trägerschaft des Landesverbandes Lippe nicht mehr.

Damit gelten auch für die Stadt Horn-Bad Meinberg die allgemeinen Regelungen des KOG über die staatliche Anerkennung als Kurort. Durch die Aufhebung der Sonderregelungen für das Staatsbad Meinberg im KOG finden unmittelbar die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes des Landes NRW (KAG) zur Erhebung von Kurbeiträgen Anwendung. Dadurch wird es der Stadt Horn-Bad Meinberg ermöglicht, eine für die Erhebung von Kurbeiträgen erforderliche Satzung nach § 11 KAG zu erlassen.

Hinweisen möchte ich vor diesem Hintergrund insbesondere auf die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände NRW, die die Änderung in Artikel 1 und 2 ausdrücklich begrüßen. Allerdings erachten sie den Artikel 3, die Änderung des Gemeindeprüfungsanstaltsgesetzes (GPA-Gesetz), als nicht notwendig, da die Problembeschreibung keine Besonderheit sei. Zusätzlich notwendig hingegen sei die Verlängerung des Gesetzes zur Beschleunigung der Aufstellung kommunaler Gesamtabschlüsse über den 30. Juni 2017 hinaus.

Die Fraktion der CDU stimmt dem Gesetzentwurf zu.

Mario Krüger (GRÜNE):

Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über Kurorte im Land NRW (KOG) erfolgen notwendige Anpassungen, die sich aus der Änderung der Trägerschaft des Staatsbades Meinberg ergeben.

Durch die Aufhebung der Sonderregelungen für das Staatsbad Meinberg im KOG finden unmittelbar die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes des Landes NRW (KAG) zur Erhebung von Kurbeiträgen Anwendung. Dadurch wird es der Stadt Horn-Bad Meinberg ermöglicht, eine für die Erhebung von Kurbeiträgen erforderliche Satzung nach § 11 KAG zu erlassen.

Außerdem wird mit dem Gesetzentwurf einer entsprechenden Anregung des Landkreistags und des Städte- und Gemeindebundes gefolgt, den Gemeinden die Möglichkeit zu eröffnen, das für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags relevante Gemeindegebiet selbst zu bestimmen. Dieser kann zukünftig auch für einzelne Ortsteile und muss nicht mehr für das gesamte Gemeindegebiet erhoben werden.

Zudem wird mit dem Gesetzentwurf im Gemeindeprüfungsanstaltsgesetz (GPAG) zur Reduzierung von Verteilungsungerechtigkeiten die Möglichkeit der Verlängerung des Zeitraums der Ausgleichspflicht von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen geschaffen.

Diese Änderungen stärken die kommunale Selbstverwaltung, und deshalb tragen wir sie gerne mit.

Henning Höne (FDP):

Der vorliegende Gesetzentwurf führt die notwendigen Anpassungen im Gesetz über Kurorte im Land NRW herbei, die sich aus der Änderung der Trägerschaft des Staatsbades Meinberg ergeben.

Wir begrüßen, dass den Städten und Gemeinden darüber hinaus die Möglichkeit gegeben werden soll, die für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages relevanten Gemeindegebiete in Zukunft selbst bestimmen zu dürfen.

In diesem Zusammenhang kann ich mich nur der Aussage, die die kommunalen Spitzenverbände in ihrer Stellungnahme vom 6. Dezember 2016 getätigt haben, anschließen: „Hierdurch wird ein hoher Flexibilisierungsgrad erreicht, welcher es den Kommunen ermöglicht, den besonderen örtlichen Verhältnissen bei der Bestimmung des Erhebungsgebietes Rechnung zu tragen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass gerade im ländlichen Raum mit Gemeinden, die flächenmäßig groß und dabei strukturell sehr unterschiedlich aufgestellt sind, eine Erhebung im gesamten Gemeindegebiet nicht ermessens- bzw. ,steuergerecht‘ erscheint“ (S.2).

Wir werden dem vorliegenden Gesetzentwurf daher zustimmen.

Torsten Sommer (PIRATEN):

Durch den vorgesehenen § 11 Abs. 5 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) wird der Forderung der kommunalen Spitzenverbände entsprochen, den Kommunen die Möglichkeit zu eröffnen, die Fremdenverkehrsbeitragserhebung auf Teile des Gemeindegebietes zu beschränken.

Dieser Forderung nach einer Gemeindegebietsbeschränkungsmöglichkeit ist aus Gründen der Zweckmäßigkeit nachzukommen. Gerade vor dem Hintergrund einer flächenmäßig großen Kommune im kreisangehörigen Raum wäre es nicht hinnehmbar, wenn Unternehmungen von einer Abgabe betroffen wären, die nicht dem eigentlichen Zweck der Kurabgabe entspräche.

Zudem wird damit den Gemeinden auch ein Steuerungsinstrument an die Hand gegeben, um das Gemeindegebiet in Räume aufteilen zu können, die der gesamten Entwicklung entsprechen, womit mögliche Konflikte in einem gesamten Gemeindegebiet erheblich reduziert werden.

Auf die gleiche Richtung hat auch der Heilbäderverband Nordrhein-Westfalen abgehoben. Nach dessen Aussage würde mit der vorgeschlagenen Formulierung eine seit einiger Zeit bestehende rechtliche Unsicherheit für deren Mitgliedsorte in praktikabler Weise beseitigt werden.

Die kommunalen Spitzenverbände hatten dann zwar noch in der schriftlichen Anhörung die Forderung, dass der Gemeindeprüfungsanstalt die Möglichkeit eingeräumt werden soll, den Zeitraum für den Ausgleich von Kostenüberdeckungen und Kostenunterdeckungen gem. § 6 Abs. 2 Satz 3 des Kommunalabgabengesetzes NRW angemessen zu verlängern, für nicht ganz durchgreifend angesehen.

Damit der Kalkulationszeitraum nicht völlig offen bliebe, sei zu berücksichtigen, dass zumindest der Maximalzeitraum einer „angemessenen Verlängerung“ ebenfalls im Gesetz zu regeln sei.

Nichtsdestotrotz könne man den Gesetzentwurf auch in dieser Form beschließen, weil unter anderem der Adressatenkreis für die Gebührenbescheide der GPA gleich bliebe.

Nachdem im Ausschuss für Kommunalpolitik schon eine Einstimmigkeit bzgl. des Gesetzes geherrscht hatte, kann ich meiner Fraktion auch für das Plenum eine Zustimmung zum Gesetz empfehlen.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter:

Die nordrhein-westfälischen Kur- und Erholungs­orte sind für Nordrhein-Westfalen etablierte Gesundheitsstandorte mit langer Tradition, Erfahrung und Kompetenz. Sie leisten aber auch einen wesentlichen Beitrag für den Erhalt von qualifizierten Arbeitsplätzen und die Förderung der lokalen Wirtschaft vor allem im ländlichen Raum.

Die steigenden quantitativen Versorgungsbedarfe und die wachsenden qualitativen Anforderungen, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben, erfordern eine große Veränderungsbereitschaft der Kurorte und die Entwicklung neuer Konzepte – insbesondere auch, um sich im bundesweiten Wettbewerb behaupten zu können.

Die gesetzlichen Regelungen müssen den Kommunen die Spielräume geben, den Prozess der Neuorientierung und Profilierung auf Basis der individuellen örtlichen Rahmenbedingungen zu gestalten.

Der vorliegende Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen ist dazu ein wichtiger Baustein. Er trägt unter anderem den notwendigen Anpassungen Rechnung, die sich aus dem Wegfall der Zuständigkeit des Landesverbandes Lippe für das Staatsbad Meinberg ergeben.

Die bisherigen Sonderregelungen für das Staatsbad Meinberg im Kurortegesetz und in der Folge auch im Kommunalabgabengesetz sind mit der Änderung der Trägerschaft hinfällig geworden.

Damit finden für die Stadt Horn-Bad Meinberg neben den allgemeinen Regelungen des Kurortegesetzes die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes zur Erhebung von Kurbeiträgen Anwendung. Dadurch wird es der Stadt Horn-Bad Meinberg ermöglicht, die für die Erhebung von Kurbeiträgen erforderlichen kommunalrechtlichen Regelungen selbst zu treffen.

Weitere vorgesehene Änderungen im Kommunalabgabengesetz eröffnen den Gemeinden die Möglichkeit, das für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags relevante Gemeindegebiet selbst zu bestimmen. Die speziellen örtlichen Verhältnisse können auf diese Weise aufgegriffen werden und die bisherigen komplizierten Berechnungs- und Erhebungsverfahren dadurch entfallen.

Damit wird auch einer entsprechenden Anregung des Landkreistags und des Städte- und Gemeindebundes Rechnung getragen.

Zusätzlich wird mit dem Gesetzentwurf im Gemeindeprüfungsanstaltsgesetz die Möglichkeit der Verlängerung des Zeitraums der Ausgleichspflicht von Kostenüber- und Kostenunterdeckungen geschaffen und so Gebührengerechtigkeit hergestellt, unabhängig davon, ob Kommunen zu Beginn oder am Ende eines Prüfungsturnus von der Gemeindeprüfungsanstalt geprüft werden.

Die Landesregierung begrüßt daher die vorgesehenen Gesetzesänderungen.


Anlage 3

Zu TOP 11 – Gesetz zur Stärkung der Versorgung bei Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften – zu Protokoll gegebene Rede

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister:

Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber das Pflegeversicherungsrecht zum 1. Januar 2017 umfassend reformiert.

Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, der das Versorgungsrecht des Landes an die Neuregelungen des Bundes anpasst und weiterentwickelt.

Zur Stärkung der privaten Pflegeleistungen durch unsere Beamtinnen und Beamten soll ein pauschaler Pflegezuschlag von 2 € und ein Kinderpflegeergänzungszuschlag von 1 € pro Monat für höchstens 59 Monate gezahlt werden.

Das heißt: Die bisher gestuften Pflegezuschläge werden durch einen einheitlichen pauschalen Zuschlag ersetzt.

Diesen Pflegezuschlag erhalten alle Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger, die Menschen auf privater Basis rentenversicherungspflichtig gepflegt haben, aber die Voraussetzungen für einen Rentenbezug nicht oder noch nicht erfüllen Die Höhe des Zuschlags orientiert sich am bisherigen Höchstbetrag.

Damit leistet das Land einen wichtigen Beitrag, um private Pflegeleistungen zu stärken, die Betroffenen zu unterstützen und sie von komplizierten Nachweispflichten zu entlasten.

Des Weiteren setzen wir mit dem Gesetzentwurf die von der Ministerpräsidentin in der Woche des Respekts angekündigte Übernahme von uneinbringlichen Schmerzensgeldforderungen um. Mit der Regelung wollen wir auch unseren Respekt gegenüber unseren Beamtinnen und Beamten zum Ausdruck bringen. Im Falle des Schadensfalls sollen sie nicht sich selbst überlassen bleiben. Wir werden bei den Tarifbeschäftigten des Landes ebenso verfahren.

Darüber hinaus wollen wir die Zulagen für unsere Spezialeinsatzkräfte der Polizei und für weitere Gruppen des Polizeidienstes erhöhen und an die gestiegenen Anforderungen anpassen.

Auch wollen wir unsere Schulleiterinnen und Schulleiter an Grund- und Hauptschulen zukünftig mit A14 besser bezahlen. Damit werden die Schulleiterstellen attraktiver, und wir bilden auch besoldungsrechtlich ab, dass es sich um anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeiten mit Führungsverantwortung handelt.

Um den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen, wollen wir erfahrene Beamtinnen und Beamte dazu motivieren, auch über die Altersgrenze hinaus weiter zu arbeiten. Sie sollen einen Zuschlag von 10 % zusätzlich zu ihrem Grundgehalt bekommen.

Schließlich enthält der Gesetzentwurf noch Regelungen zur Digitalisierung und zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes und technische Korrekturen und Klarstellungen im Landesrecht.

Ich empfehle die Einbringung in die weiteren Beratungen.