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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/12

16. Wahlperiode

08.11.2012

12. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 8. November 2012

Mitteilungen der Präsidentin. 661

1   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/300

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 16/1200 bis 16/1207,
16/1209 bis 16/1215 und 16/1220

zweite Lesung

Und:

Finanzplanung 2011 bis 2015 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/301

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/1221

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2012 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2012 – GFG 2012)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/302

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/1217

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Errichtung eines Fonds des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Gesetzes zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen (Stärkungspaktfondsgesetz)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/176

Beschlussempfehlung
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/1238

zweite Lesung. 661

     Einzelplan 02
Ministerpräsidentin. 662

     Teilbereich
Ministerpräsidentin und Staatskanzlei 662

Werner Jostmeier (CDU) 662

Markus Töns (SPD) 663

Christof Rasche (FDP) 665

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 665

Michele Marsching (PIRATEN) 667

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 668

     Teilbereich
Landesplanung. 669

Hendrik Schmitz (CDU) 669

Rainer Schmeltzer (SPD) 670

Holger Ellerbrock (FDP) 671

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE) 673

Michele Marsching (PIRATEN) 674

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 674

     Teilbereich
Europa und Eine Welt 675

Henning Rehbaum (CDU) 675

Markus Töns (SPD) 676

Holger Ellerbrock (FDP) 677

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 678

Nico Kern (PIRATEN) 679

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 680

     Teilbereich
Medien. 681

Thorsten Schick (CDU) 681

Alexander Vogt (SPD) 682

Thomas Nückel (FDP) 683

Oliver Keymis (GRÜNE) 684

Daniel Schwerd (PIRATEN) 685

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 686

Ergebnis. 687

     Einzelplan 14
Ministerium für Wirtschaft, Energie,
Industrie, Mittelstand und Handwerk. 687

     Teilbereich
Wirtschaft, Industrie,
Mittelstand und Handwerk. 687

Hendrik Wüst (CDU) 688

Elisabeth Müller-Witt (SPD) 689

Ralph Bombis (FDP) 690

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) 691

Daniel Schwerd (PIRATEN) 692

Minister Garrelt Duin. 694

     Teilbereich
Energie. 696

Thomas Kufen (CDU) 696

Guido van den Berg (SPD) 697

Dietmar Brockes (FDP) 698

Wibke Brems (GRÜNE) 699

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 700

Minister Garrelt Duin. 701

Abstimmung siehe
Ergebnis zu Einzelplan 07

     Einzelplan 07
Ministerium für Familie, Kinder,
Jugend, Kultur und Sport 703

     Teilbereich
Familie, Kinder und Jugend. 703

Bernhard Tenhumberg (CDU) 703

Wolfgang Jörg (SPD) 704

Marcel Hafke (FDP) 705

Andrea Asch (GRÜNE) 707

Daniel Düngel (PIRATEN) 708

Ministerin Ute Schäfer 709

Bernhard Tenhumberg (CDU) 710

     Teilbereich
Kultur 711

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 711

Andreas Bialas (SPD) 712

Ingola Schmitz (FDP) 714

Oliver Keymis (GRÜNE) 715

Frank Herrmann (PIRATEN) 716

Ministerin Ute Schäfer 717

     Teilbereich
Sport 719

Holger Müller (CDU) 719

Rainer Bischoff (SPD) 720

Marc Lürbke (FDP) 721

Josefine Paul (GRÜNE) 722

Lukas Lamla (PIRATEN) 723

Ministerin Ute Schäfer 724

Ergebnis. 725

Ergebnis zu Einzelplan 14. 725

     Einzelplan 11
Ministerium für Arbeit,
Integration und Soziales. 725

     Teilbereich
Arbeit und berufliche Weiterbildung. 725

Walter Kern (CDU) 726

Rainer Bischoff (SPD) 727

Ulrich Alda (FDP) 728

Martina Maaßen (GRÜNE) 729

Torsten Sommer (PIRATEN) 730

Minister Guntram Schneider 731

     Teilbereich
Integration. 731

Serap Güler (CDU) 732

Bernhard von Grünberg (SPD) 733

Dr. Joachim Stamp (FDP) 734

Jutta Velte (GRÜNE) 735

Simone Brand (PIRATEN) 736

Minister Guntram Schneider 737

     Teilbereich
Soziales. 739

Claudia Middendorf (CDU) 739

Michael Scheffler (SPD) 739

Ulrich Alda (FDP) 740

Andrea Asch (GRÜNE) 742

Olaf Wegner (PIRATEN) 743

Minister Guntram Schneider 743

Ergebnis. 744

     Einzelplan 15
Ministerium für Gesundheit,
Emanzipation, Pflege und Alter 744

     Teilbereich
Gesundheit, Pflege und Alter 744

Peter Preuß (CDU) 744

Angela Lück (SPD) 746

Susanne Schneider (FDP) 748

Arif Ünal (GRÜNE) 749

Lukas Lamla (PIRATEN) 751

Ministerin Barbara Steffens. 752

     Teilbereich
Emanzipation. 754

Regina van Dinther (CDU) 754

Gerda Kieninger (SPD) 756

Susanne Schneider (FDP) 757

Josefine Paul (GRÜNE) 758

Birgit Rydlewski (PIRATEN) 759

Ministerin Barbara Steffens. 760

Ergebnis. 761

     Einzelplan 09
Ministerium für Bauen, Wohnen,
Stadtentwicklung und Verkehr 761

     Teilbereich
Bauen und Wohnen. 761

Klaus Voussem (CDU) 761

Reiner Breuer (SPD) 762

Holger Ellerbrock (FDP) 763

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) 765

Oliver Bayer (PIRATEN) 766

Minister Michael Groschek. 767

     Teilbereich
Stadtentwicklung und Verkehr 769

Arne Moritz (CDU) 769

Reiner Breuer (SPD) 770

Christof Rasche (FDP) 771

Arndt Klocke (GRÜNE) 772

Oliver Bayer (PIRATEN) 774

Minister Michael Groschek. 775

Ergebnis. 776

Schlussabstimmung zweite Lesung. 776

2   Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1264

erste Lesung

In Verbindung mit:

Anforderungen an eine neu zu erstellende Verordnung zur Selbstüberwachung von Abwasseranlagen – Selbstüberwachungsverordnung – SüwAbw

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1265

Und:

Dichtheitsprüfung bürgerfreundlich umsetzen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1270 – Neudruck. 777

Norbert Meesters (SPD) 777

Hans Christian Markert (GRÜNE) 778

Henning Höne (FDP) 780

Josef Hovenjürgen (CDU) 781

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 782

Minister Johannes Remmel 783

Ergebnis. 785

3   Nordrhein-Westfalens Wirtschaft braucht Freiräume statt neuer Abgaben und mehr Bürokratie

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1277. 785


Ergebnis. 785

4   Freie Lernmaterialien fördern!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/1253. 786

Ergebnis. 786

5   Neuausrichtung der EU-Struktur­för­der­politik für NRW nach 2013

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1263. 786

Markus Töns (SPD) 786

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 787

Ilka von Boeselager (CDU) 787

Dietmar Brockes (FDP) 787

Stefan Fricke (PIRATEN) 788

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 788

Ergebnis. 789

6   Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG)

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1167

erste Lesung. 789

Kirstin Korte (CDU) 789

Thomas Stotko (SPD) 790

Verena Schäffer (GRÜNE) 791

Marc Lürbke (FDP) 792

Lukas Lamla (PIRATEN) 793

Minister Ralf Jäger 793

Ergebnis. 794

7   Anerkennungsgesetz Nordrhein-Westfa­len

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/1188

erste Lesung. 794

Minister Guntram Schneider 794

Daniela Jansen (SPD) 795

Matthias Kerkhoff (CDU) 796

Arif Ünal (GRÜNE) 796

Ulrich Alda (FDP) 797

Torsten Sommer (PIRATEN) 797

Ergebnis. 797

Entschuldigt waren:

Minister Thomas Kutschaty

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans

Hans-Peter Müller (SPD)

Lisa Steinmann (SPD)

Christian Haardt (CDU)

Werner Jostmeier (CDU)          
(ab 11:00 Uhr)

Klaus Kaiser (CDU)

Andrea Asch (GRÜNE) 
(ab 18:00 Uhr)

Horst Becker (GRÜNE) 
(bis 12:30 Uhr)

Dr. Ingo Wolf (FDP)


Beginn: 10:03 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, der zwölften Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein besonderer Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wie immer in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben auch heute Glückwünsche zum Geburtstag auszusprechen. Die Kollegin Andrea Ursula Asch wird heute ein Jahr älter. Sie ist Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herzlichen Glückwunsch, Frau Kollegin Asch!

(Allgemeiner Beifall)

Sie werden im Kreis der Kolleginnen und Kollegen heute eine schönen, aber auch einen langen Ple­nartag erleben, wie die Tagesordnung deutlich macht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein. Heute Vormittag und heute Nachmittag setzen wir die gestern begonnene Haushaltsberatung zu den Einzelplänen fort.

Ich rufe auf:

1   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/300

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 16/1200 bis 16/1207,
16/1209 bis 16/1215 und 16/1220

zweite Lesung

Und:

Finanzplanung 2011 bis 2015 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/301

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/1221

In Verbindung mit:


Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2012 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2012 – GFG 2012)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/302

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/1217

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Errichtung eines Fonds des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Gesetzes zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen (Stärkungspaktfondsgesetz)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/176

Beschlussempfehlung
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/1238

zweite Lesung

Zum Ablauf der heutigen Haushaltsplanberatung möchte ich an das erinnern, was wir bereits gestern vorgetragen haben:

Die Reihenfolge der Einzelpläne sowie die vorgeschlagenen Redezeiten können Sie der Tagesordnung entnehmen.

Nach Beendigung der Beratung über einen Einzelplan erfolgt die Abstimmung über diesen Einzelplan. Liegen Änderungsanträge vor, wird, bevor wir über den Einzelplan abstimmen, über diese abgestimmt.

Vor der Gesamtabstimmung ist noch die Abstimmung über den Einzelplan 20 nachzuholen.

Die Gesamtabstimmung über den Haushaltsplan 2012 in zweiter Lesung erfolgt heute am späten Nachmittag mit der Abstimmung über das Haushaltsgesetz.

Heute ist auch über die Rücküberweisung des Haushaltsgesetzes und des GFGs zu entscheiden.

Letztlich – ganz wichtig –: Zwischen 12:30 Uhr und 14 Uhr finden heute verabredungsgemäß keine Abstimmungen statt.

Nach all diesen Vorbemerkungen rufe ich auf:

     Einzelplan 02
Ministerpräsidentin

Der Einzelplan 02 umfasst die Teilbereiche „Ministerpräsidentin und Staatskanzlei“, „Landesplanung“, „Europa und Eine Welt“ sowie „Medien“. Ich weise Sie auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1202 hin.

Ich eröffne die Beratung für den

     Teilbereich
Ministerpräsidentin und Staatskanzlei

und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Jost­meier das Wort.

Werner Jostmeier (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren auch an den Bildschirmen!

(Heiterkeit – Zuruf von den PIRATEN)

– Ja, gestern sagten Sie: an den Streams zu Hause.

(Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Ich wollte darauf hingewiesen, dass es für „Streams“ auch ein deutsches Wort gibt, man also die Debatte an den Bildschirmen verfolgen kann.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir beraten den Haushalt der Ministerpräsidentin, den Haushalt der Staatskanzlei und damit den Haushalt der Regierungschefin. Ich will in kurzen Worten, losgelöst von dem Zahlenwerk, begründen, weshalb die CDU diesem Haushalt nicht zustimmen wird.

Erstens. Noch nie zuvor wurde von einer Landesregierung das Parlamentsrecht, das Haushaltsrecht und die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen so missachtet wie von dieser Regierung. Zunächst einmal haben wir den Nachtragshaushalt 2010, der nicht nur krachend vom Landesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist, sondern dessen Vollzug sogar in einem einmaligen Vorgang in Nordrhein-Westfalen, in der Bundesrepublik durch Verfügung verboten worden ist.

In der vergangenen Woche ist der Haushalt 2012 vom Landesverfassungsgericht gerügt worden, weil er zu spät vorgelegt worden ist. Wörtlich heißt es dort: Durch verspätete Vorlage ist das parlamentarische Budgetrecht verletzt worden. Meine Damen und Herren, wenn Sie die Sonn- und Weihnachtstage wegnehmen, dann haben wir nicht einmal mehr 40 Tage, die zum Jahr 2012 gehören. Damit haben die Beratungen bestenfalls noch historischen Charakter. Die Landesregierung missachtet,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

wie in den vergangenen zwei Jahren zuvor, den nordrhein-westfälischen Landtag, Frau Beer, und den Haushaltsgesetzgeber.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, ich verweise auf die Antrittsrede, die unsere Präsidentin unmittelbar nach ihrer Wahl hier im Hause gehalten hat.

Die Frau Präsidentin hat auf die Bedeutung des Verfassungsorgans Landtag hingewiesen. Sie hat auf die demokratischen Spielregeln bei der Gesetzgebung hingewiesen. Fast wörtlich hat sie gesagt: Erst das Parlament, dann die Regierung. Erst der Landtag, dann die Staatskanzlei.

(Beifall von der CDU und von Stefan Zimkeit [SPD])

Die Landesregierung hat durch Missachtung dieses Budgetrechts, durch Missachtung dieser demokratischen Spielregeln genau das Gegenteil getan. Unter anderem deshalb stimmen wir diesem Haushalt nicht zu.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Jostmeier, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber der Kollege Herter würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Werner Jostmeier (CDU): Herr Herter, ich möchte gerne eben diesen Punkt noch zu Ende bringen. Dann will ich das gerne tun.

Ein weiterer Punkt ist die WestLB. Meine Damen und Herren, seit November vergangenen Jahres wusste jedermann, dass die eine Milliarde für die Abwicklung der WestLB in den Haushalt gehört. Zur Haushaltswahrheit und zur Haushaltsklarheit hätte es gehört, diese eine Milliarde zusätzlicher Kosten für das Land Nordrhein-Westfalen in den Haushalt einzustellen.

Aus politisch-taktischem Kalkül hat die Landesregierung das nicht getan. Dann kam die vorgezogene Neuwahl, nicht zuletzt, weil wir gegen den Haushalt gestimmt haben. Die Regierung war kaum im Amt, da musste der Hauptausschuss provisorisch gebildet werden. Es musste eine Sondersitzung des Hauptausschusses stattfinden. Es musste eine Sondersitzung des Parlamentes stattfinden, weil nämlich genau diese eine Milliarde nachträglich in den Haushalt hineingebracht werden musste.

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine Missachtung des Parlamentes, das ist nicht nur eine Missachtung demokratischer Spielregeln, das ist eine Missachtung der Wählerinnen und Wähler des Landes Nordrhein-Westfalen. Und das grenzt an Wahlbetrug.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Noch einen zweiten Punkt:

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

– Herr Herter, kein Problem.

Mit diesem Haushalt verstößt die Landesregierung gegen die Interessen Nordrhein-Westfalens und insbesondere gegen die Interessen der jungen Generation.

Wir haben ein Steueraufkommen wie selten zuvor im Land Nordrhein-Westfalen. Dennoch sind in diesem Haushalt 4,6 Milliarden € neue Schulden vorgesehen. Alle anderen Bundesländer, Frau Ministerpräsidentin, machen das Gegenteil: Bayern hat einen ausgeglichenen Haushalt, Baden-Württemberg hat unter Rot-Grün fast einen ausgeglichenen Haushalt, genauso Sachsen, Thüringen, selbst Mecklenburg-Vorpommern.

Am Wochenende haben wir gehört, dass der Bund wahrscheinlich schon im Jahre 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen wird.

(Zurufe und Lachen von der SPD)

Nur Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege, macht genau das Gegenteil. Bei der Schuldenbremse …

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Jostmeier, Ihre Redezeit ist zu Ende. Sie haben jetzt noch eine Chance, weiterzureden, nämlich indem Sie doch die Zwischenfrage zulassen.

Werner Jostmeier (CDU): Die Schuldenbremse wird so nicht kommen, weil das Land Nordrhein-Westfalen sie nicht einhalten kann. Damit schaden dieser Haushalt und diese Regierung dem Land Nordrhein-Westfalen, und deshalb stimmen wir nicht zu.

Wenn ich jetzt noch darf, Frau Präsidentin, würde ich Herrn Herter gerne zu Wort kommen lassen.

(Marc Herter [SPD]: Herr Jostmeier, so gehen wir nicht miteinander um!)

Präsidentin Carina Gödecke: Zwiegespräche machen wir hier nicht. Kollege Herter hat auf die Zwischenfrage verzichtet. Kollege Jostmeier hat seine Rede beendet. – Vielen Dank, Herr Kollege Jostmeier, …

Werner Jostmeier (CDU): Ich bedanke mich.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: … für Ihren Redebeitrag.

Der nächste Redner ist Herr Kollege Töns von der SPD-Fraktion.

Markus Töns (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Werner Jostmeier, die Wahlniederlage aus Mai dieses Jahres schmerzt wohl noch ziemlich.

(Beifall von der SPD)

Ich kann es durchaus verstehen, dass eine solche Wahlniederlage schmerzt, aber irgendwann muss man sich damit abfinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt 2010 war eine Abrechnung mit den absolut misslungenen Haushaltsjahren unter Rüttgers und Linssen. Und das musste auch geschehen.

(Beifall von der SPD)

Zur Wahrheit und Klarheit gehört auch – das muss man auch einmal sagen –, dass Sie dem Haushalt 2012 ja hätten zustimmen können. Aber irgendwie haben Sie das ja nicht gemacht. Wir bekamen Neuwahlen, und jetzt sitzen Sie richtig festgemauert in der Opposition. Das ist ziemlich dumm gelaufen.

(Beifall von der SPD)

Bei dem Thema „WestLB“ wäre ich an Ihrer Stelle doch sehr, sehr still.

(Zurufe von der CDU)

Denn wer trägt hier die Verantwortung, wenn nicht der Finanzminister Linssen? Wer trägt hier die Verantwortung? Also bitte sehr, sehr still an der Stelle!

An eine Sache möchte ich Sie auch noch erinnern. Haushaltsberatungen unter der Landesregierung Rüttgers und Linssen waren hier mehr als abenteuerlich. Eine Missachtung des Parlaments war das in weiten Teilen auch. Das muss man einfach einmal zur Klarheit dazu sagen. Also halten Sie bitte schön den Ball flach.

Werner Jostmeier, eine Frage noch: Warum haben Sie eigentlich nicht zum Haushalt der Ministerpräsidentin gesprochen? Ich werde Ihnen das gleich sagen, warum nicht, nämlich weil das ein maßvoller und vernünftiger Haushaltsentwurf ist. Genau das ist nämlich Ihr Problem. Der Einzelplan 02, der Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin, ist ein Beispiel für solide Haushaltspolitik. Man kann diesen Haushaltsansatz auch als verantwortungsbewusst bezeichnen, wie im Übrigen den gesamten Haushalt 2012.

Man denke nur zurück an den ehemaligen Ministerpräsidenten. Wir hatten Jürgen Rüttgers. Wir hatten fünf verlorene Jahre in Nordrhein-Westfalen, was auch die Politik der Staatskanzlei betraf.

Lieber Kollege Hegemann, ich sage Ihnen ganz deutlich: Rüttgers hat sich zu Beginn seiner Amtszeit üppig mit Personal eingedeckt.

(Lachen und Zurufe von der CDU – Gegenrufe von der SPD)

23 Stellen sind hier geschaffen worden, und zwar für Wahlkampfvertraute und für JU-Mitglieder. So war das doch 2005.

(Beifall von der SPD)

Von Sparwillen war doch bei Ihnen nichts zu spüren, wie übrigens bei der ganzen damaligen schwarz-gelben Landesregierung nicht. Rüttgers und Linssen waren die größten Schuldenmacher, die dieses Land je erlebt hat.

(Beifall von der SPD – Lachen von der FDP)

Darüber hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen, gönnte sich die Staatskanzlei auch noch teure Veranstaltungen zu Repräsentationszwecken wie die berühmt-berüchtigten Petersberger Conventions. Hier wurden mehr als 800.000 € für 1.000 Gäste ausgegeben. Bei Champagner und Häppchen wurde dann versucht, die damalige Landesregierung ins rechte Licht zu rücken. Ich sage Ihnen: Das ist auch gelungen. Die Landesregierung unter Jürgen Rüttgers ist damals ins rechte Licht gerückt worden.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Töns.

Markus Töns (SPD): Die Presse hat über die eigentliche Veranstaltung nicht berichtet, außer im Nachhinein über die Kosten. Dann ist deutlich geworden, was man eigentlich will. Man hat sich mit Promis getroffen, um ein bisschen Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Aber Landespolitik ist dabei überhaupt nicht herübergekommen.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Töns, entschuldigen Sie bitte. Der Kollege Jostmeier möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

(Lachen von der SPD)

Markus Töns (SPD): Ja, bitte.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Zwischenfrage ist zugelassen, Kollege Jostmeier.

Werner Jostmeier (CDU): Dafür vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Töns, vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade zu den Ausgaben und Kosten gesagt haben, frage ich Sie, ob Sie die „Bild“-Nachricht von gestern kennen, wonach die Landesregierung im letzten Jahr 5 Millionen € nur für PR-Agenturen gezahlt hat. Ist Ihnen das bekannt?

(Beifall von der CDU)

Markus Töns (SPD): Lieber Kollege Jostmeier, hier hat niemand kritisiert, dass eine Landesregierung PR-Maßnahmen macht. Was wir kritisiert haben, was wir auch weiterhin an der alten Landesregierung kritisieren, ist, dass man bei 1.000 Prominenten mit Häppchen und Champagner versucht hat, PR-Arbeit zu machen, die im Übrigen versandet ist, bis auf die Tatsache, dass es zu einem Skandal wurde.

(Beifall von der SPD)

Genau das ist Ihr Problem gewesen: Sie haben nicht verstanden, wie man Politik in diesem Land macht. Darum sind Sie auch 2010 abgewählt worden.

(Beifall von der SPD)

Der Haushalt der Ministerpräsidentin sinkt im Vergleich zum Vorjahr übrigens auf 119 Millionen €. Hier wird maßvoll mit Mitteln umgegangen, und das vor dem Hintergrund der zu erledigenden Aufgaben. Die sind nicht geringer geworden. Gerade von NRW wird seit 2010 viel erwartet. Wir sind nun einmal das größte und wichtigste Bundesland.

Wie Sie sicherlich wissen, ist die Staatskanzlei nicht gerade üppig mit Personal ausgestattet. Gerade vor diesem Hintergrund ist die Arbeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht hoch genug einzuschätzen. Das will ich an dieser Stelle auch noch einmal betonen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Gerade von der Staatskanzlei wird eine besondere Leistungsfähigkeit erwartet.

Insgeheim scheinen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition und gerade auch von der CDU, die Arbeit der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hoch einzuschätzen. Anders ist wohl die Tatsache, dass Sie keine Anträge gestellt haben, nicht zu bewerten. Aber da sind Sie nicht alleine: Die Menschen in unserem Land schätzen die Arbeit von Hannelore Kraft. Die Menschen wissen, dass sie eine Ministerpräsidentin für alle Nordrhein-Westfalen ist.

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist nach unserer Überzeugung maßvoll und verantwortungsbewusst und ein gutes Zeichen für NRW. – Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Rasche.

Christof Rasche (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Töns, als Sie begonnen haben, hatte ich schon vermutet, Sie hätten das Datum verwechselt, 11.11. statt 8.11. Ein großes Gelächter hier im Plenarsaal. Aber hinterher wurde es dann ja richtig staatsmännisch, und es passte am Ende dann ja doch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus Sicht der FDP ist es wenig zielführend, sich noch im November eines Jahres ausführlich mit dem Einzelplan 02, dem Haushalt der Ministerpräsidentin, zu beschäftigen. Diese Aufgabe kommt schon bald für das Haushaltsjahr 2013 zu einem weit früheren Zeitpunkt auf uns zu. Dann werden wir uns ausführlich mit den Zahlen beschäftigen. Dann, meine Damen und Herren, macht es auch Sinn, eventuell Änderungsanträge zu stellen. Denn in diesem Jahr ist in Wahrheit doch schon alles gelaufen.

Verantwortung trägt die Ministerpräsidentin aber nicht nur für den Einzelplan 02, sondern sie trägt natürlich diese Verantwortung für den Gesamthaushalt des Landes Nordrhein-Westfalen. 4,6 Milliarden € Kreditaufnahme bei Rekordsteuereinnahmen, eine mittelfristige Finanzplanung, die so angelegt ist, dass sie zum Verfassungsbruch führt – während in anderen Bundesländern gespart wird, erleben wir hier in Nordrhein-Westfalen immer noch die Finanzierung von Wahlgeschenken auf Pump, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen erwarten von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, eine seriöse Finanzpolitik und definitiv keine Schuldenpolitik, verbunden mit unzumutbaren und ungerechten Belastungen für künftige Generationen. „Künftige Generationen“, das ist ein gutes Stichwort; denn sie haben es verdient, dass die aktuelle Politik von SPD und Grünen so ausgerichtet ist, dass diese langfristig Arbeitsplätze und Wohlstand in Nordrhein-Westfalen sichert.

Ein Klimaschutzgesetz muss also so ausgerichtet sein, dass es der Umwelt effektiv nutzt, aber nicht ganz überwiegend zu Bürokratie und zu einer Belastung von Wohlstand und Arbeitsplätzen führt. Eine bedarfsgerechte und aktive Infrastrukturpolitik für alle Verkehrsträger in Nordrhein-Westfalen ist notwendig für Wohlstand und Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen. Eine rationale Energiepolitik, die für sicheren und bezahlbaren Strom in unserem Land sorgt, ist unverzichtbar.

In all diesen Bereichen überziehen die Kollegen der Grünen mit ihren Zielen und teilweise mit ihrer Blockade. Der Kollege Holger Müller hat es gestern – wie es eigentlich nur er kann – wunderschön formuliert. Er sagte, es sei halt nicht immer leicht mit einem Koalitionspartner wie den Grünen.

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

– Ja, Herr Priggen, so ist das halt. – Frau Ministerpräsidentin, neben einer seriösen Finanzpolitik haben Rahmenbedingungen für Wohlstand und sichere Arbeitsplätze die zentrale Bedeutung für unser Land. Die FDP wird sich insbesondere für diese Ziele einsetzen und Sie, Frau Ministerpräsidentin, als konstruktiver Partner begleiten – kritisch, wenn es etwas zu kritisieren gibt, zustimmend, wenn es in der Sache richtig ist und Sie die Sache richtig anpacken. Alles, meine Damen und Herren, für ein starkes Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Fraktionsvorsitzende hat mich aufgefordert, zum Tagesordnungspunkt zu reden. Das werde ich versuchen und mich dabei von einigen Beiträgen absetzen. Ich muss nur eines ganz ruhig richtigstellen, was die Verfassungsklage anbetrifft. Die Verfassungsklage, die in Münster entschieden worden ist, richtete sich gegen die Einbringung des Haushaltes im Dezember 2011. Sie ist gerügt worden, das sei zu spät gewesen. Das müssen wir anerkennen.

Dieser Haushaltsentwurf ist aber mit Ihren Stimmen im März dieses Jahres abgelehnt worden. Daraufhin gab es – ich denke, Sie erinnern sich daran – Neuwahlen im Mai dieses Jahres mit einem ganz interessanten Ergebnis insbesondere für die CDU. Dann hat es im Juni eine Regierungsbildung gegeben. Der Finanzminister hat in der erstmöglichen Sitzung nach der Sommerpause – also nach Regierungsbildung, nach Umressortierung – den Haushalt hier im Landtag eingebracht.

Es ging technisch gar nicht anders. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, die Abgeordneten aus dem Urlaub zu holen, den Plenarsaal nicht umzubauen und vielleicht zwei Wochen früher zu tagen. Das hätte man vielleicht noch machen können. Ich glaube aber nicht, dass das in Ihrem bzw. in unserem Interesse hätte sein können. Ich stelle fest: Dieser Haushaltsentwurf, der heute auf dem Tisch liegt, ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den Landtag eingebracht worden, wird zügig beraten und so schnell wie möglich – zumindest nach unserer Auffassung – in drei Wochen dann auch verabschiedet werden. Deswegen ist das Verfahren absolut verfassungskonform.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In Vorbereitung auf die Rede hatte ich überlegt: Was könnte denn kommen? Ich hatte spekuliert: Vielleicht kommen Sie mit Steinbrück oder anderen Geschichten. Das möchte ich allerdings, weil die Debatte gestern gelaufen ist, zum Anlass nehmen – weil Sie immer politisch gefragt haben –, drei Dinge klarzustellen: Erstens. Wir halten es nicht für richtig, dass Stadtwerke und andere hohe Honorare in dieser Größenordnung an wen auch immer auszahlen.

(Beifall von der CDU)

Zweitens gilt aber auch eine Nagelprobe. Da können Sie als CDU und vor allem die FDP sich gut in die Debatte einbringen. Wir wollen Transparenz nicht nur über die Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Da müssen wir einen Schritt weiterkommen. Ich bin sehr gespannt, was der Kollege Orth – das gilt auch für andere Kolleginnen und Kollegen der FDP – in diesem Zusammenhang tun wird.

Drittens wollen wir auch Transparenz darüber haben, welche Zuflüsse die Parteien haben. Gestern hat der Kollege Witzel – in Bezug auf den BLB mit einer verschwurbelten Debatte – immer laut gesagt, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer sei. Es ist aber die Frage, ob die Parteien die besseren Unternehmer sind und ob es sich da nicht um Geflechte handelt, die Scheinzuführungen zu Parteien verdecken sollen. Auch darüber müssen wir uns in diesem Parlament unterhalten.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Ich bin sehr froh, dass der Ältestenrat eine entsprechende Anhörung auf den Weg gebracht hat. Dann bringen wir einmal Transparenz in die Kiste, Herr Kollege Lindner, wer von wem unterstützt wird und mit welchem Geld Parteiarbeit machen kann. Das ist nämlich auch sehr interessant.

Eines will ich noch zu der Debatte sagen, die jetzt im Land und im Bunde geführt wird: Es ist doch gut, dass da Transparenz hineingekommen ist, damit klar wird, wo die Gelder fließen, damit man daraus auch die Konsequenzen ziehen kann. Das muss aber auch für die Abgeordneten und für die gelten, die den Mund so dick aufgeblasen haben, nämlich unter anderem Ihr Generalsekretär Döring. Der muss dann auch pfeifen, wenn es darum geht, Gesetze zu machen und Transparenzregeln einzuhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Mostofizadeh, der Kollege Hegemann würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Immer gerne.

Lothar Hegemann (CDU): Herr Kollege, Sie haben jetzt mehrfach unterstellt, dass es ein Dickicht bei Parteien gebe, das dringend geöffnet werden muss, weil es nach Ihren Aussagen wohl eine Umwegfinanzierung darstellt. Das ist nach geltendem Recht ein Fall für den Staatsanwalt. Dann sagen Sie, wann und wo, und machen eine Anzeige. Alles andere ist eine Unterstellung von Straftaten, die Sie sich sehr wohl überlegen sollten. Ich frage Sie: Haben Sie Informationen, die ausreichen, um den Staatsanwalt zu informieren?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Hegemann, ich empfehle Ihnen – wir führen ja ein Wortprotokoll über diese Debatte –, sich meine Worte sehr genau anzugucken. Ich habe gesagt: Wir brauchen Transparenz darüber, wie sich Parteien finanzieren, wie die Zuflüsse zu den Parteien kommen.

(Zurufe von der CDU)

– Das können wir gemeinsam nachgucken.

(Armin Laschet [CDU]: Wir reden über den Etat der Ministerpräsidentin! Sie hat Sie ermahnt, kein dummes Zeug zu reden!)

– Herr Laschet, soll ich jetzt auf die Frage von Herrn Hegemann oder auf Ihren Einwurf antworten?

(Weitere Zurufe von der CDU)

Um auf Herrn Hegemann zurückzukommen: Ich bin dafür, dass wir Transparenz darüber haben, welche Parteien sich wie finanzieren, dass wir auch Obergrenzen einführen. Da muss der Bundestag entsprechende Regelungen treffen.

Ich habe nicht unterstellt, dass sich Parteien nach heute geltendem Recht unrechtmäßig finanzieren. Ich möchte aber gerne wissen – darauf hat auch die Öffentlichkeit ein Anrecht –, wie sie sich finanzieren.

Sollten sich Parteien über Untreuetatbestände oder andere Geschichten finanzieren, dann ist das eine Sache für den Staatsanwalt. Das habe ich aber nicht zu bewerten. Das habe ich auch nicht in den Raum gestellt.

(Widerspruch von der CDU)

Sollte ich davon Kenntnis haben – davon können Sie ausgehen, Herr Kollege Hegemann –, dann würde ich auch Strafanzeige stellen. Wenn dem so ist und ich entsprechende Nachweise hätte, dann würde ich das selbstverständlich tun. Aber das würde jeder andere Kollege hier im Raum selbstverständlich – davon gehe ich aus – auch tun.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Mostofizadeh, es gibt den Wunsch nach einer zweiten Zwischenfrage, und zwar von Herrn Kollegen Lindner.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte schön.

Christian Lindner (FDP): Vielen Dank, Herr Kollege.

Erstens: Wären Sie bei der Erhöhung der Transparenz auch dafür, dass beispielsweise das Rückkehrrecht in zuvor ausgeübte Berufe ausgewiesen wird, wie es gegenwärtig im Deutschen Bundestag diskutiert wird?

Und zweitens: Ist Ihnen bekannt, dass die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein Kreuzfahrtschiff unterhält, das unlängst

(Beifall von der FDP und der CDU)

von griechischen Beamten festgehalten worden ist, weil es noch Zahlungen zu leisten gab?

Präsidentin Carina Gödecke: Bevor Sie antworten, Herr Kollege Mostofizadeh, möchte ich den Kollegen Lindner noch einmal an die Regeln, die er kennen sollte, erinnern, dass nämlich die Zwischenfrage eine Frage beinhaltet. Die Aufzählung „erstens und zweitens“ macht deutlich, dass Sie zwei Fragen gestellt haben.

(Christian Lindner [FDP]: Ich verzichte auf die Frage unter Ziffer 2!)

– Herr Lindner, Sie können sich jetzt leider nicht aussuchen, welche Frage Sie gestellt haben wollen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Lindner, mir ist der Sachverhalt nicht im Detail bekannt. Aber ich habe davon gelesen – Punkt.

(Zurufe – Heiterkeit)

Ich möchte auch zum Schluss kommen

(Beifall von der CDU)

und nur noch einen Aspekt anführen, weil Kollege Jostmeier hier mit Wahlbetrug und anderen Geschichten

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

und der Kollege Rasche mit Versprechungen auf Pump gekommen ist. Wenn das Betreuungsgeld kein Versprechen auf Pump ist, wenn das keine unsinnige Finanzierung mit Sondereffekten ist, was überhaupt nicht zu teilen ist, dann weiß ich auch nicht, wobei mich vor allem ein Punkt richtig ärgert …

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

– Herr Kollege Rasche, weil das für den Bundesrat von entscheidender Bedeutung ist: Die FDP hier im Land Nordrhein-Westfalen hat bis 2012 immer erklärt, die Steuerbefreiung für Hoteliers müsse sein. Dann hat Herr Lindner irgendwann gesagt, das wäre Unsinn,

(Christian Lindner [FDP]: 2010 habe ich das schon gesagt!)

um jetzt im Bundesrat den Antrag von Schleswig-Holstein, den Nordrhein-Westfalen unterstützt, nicht unterstützen zu wollen. Das ist doch ein Zickzackkurs der FDP – zum Schaden des Landes, zum Schaden der Kommunen, zum Schaden unseres Haushaltes. Sie sind aus meiner Sicht die unglaubwürdigste Fraktion, die hier im Landtag sitzt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Piratenfraktion spricht Kollege Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ja, auch lieber Stream!

(Zurufe)

Wenn ich hier ganz neutral herumsitze und mir so die Reden anhöre, dann muss ich mich fragen: Habe ich vergessen, ein Ticket für die Zirkusveranstaltung hier zu lösen?

(Beifall von den PIRATEN)

In der letzten Rede – Entschuldigung, Herr Mostofizadeh – habe ich nicht ein Wort zum Haushalt, zum Einzelplan 02 gehört, nicht ein Wort, nicht ein einziges!

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP – Zurufe von den GRÜNEN)

Ich möchte mich gerne an unsere Anträge halten, die wir zum Einzelplan 02 gestellt haben, und nicht über irgendwelche Wahlniederlagen und ein ominöses Früher reden. Bezüglich der WestLB sollten Sie im Übrigen alle den Ball flach halten. Hier einseitig die Schuld zuzuweisen, finde ich nicht richtig.

Ich will auch nicht noch einmal sagen, dass schon alles gelaufen ist. Ich halte mich tatsächlich an unsere Anträge. Im Einzelplan 02 im Bereich der Ministerpräsidentin ging es darum, dass wir eine Erhöhung des Budgets vorgeschlagen haben, um eine Abteilung einzurichten, die sich mit dem Thema „Open Government“ beschäftigt. Denn die Ministerpräsidentin hat im Rahmen der Regierungserklärung gesagt, dass das Thema „Open Government jetzt Chefsache wäre – ihr Thema – und dass die Staatskanzlei hier federführend wäre. Das habe ich in der vergangenen Legislaturperiode auch lesen können. Aber was ist seitdem passiert? Nichts, nur hohle Worte und keine Taten!

(Beifall von den PIRATEN)

Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore hat einmal gesagt, dass die – ich zitiere – globale Informationsinfrastruktur nicht bloß eine Metapher für eine funktionierende Demokratie sein wird. Tatsächlich wird sie das Funktionieren der Demokratie verbessern, indem sie die Teilhabemöglichkeit für die Bürger erweitert. – Zitat Ende.

Fraglich ist nur für mich, wie das in NRW gelingen soll, wenn die Landesregierung untätig bleibt, denn konkrete Pläne oder einen Zeitplan haben Sie bis jetzt nicht vorgelegt. Im Hauptausschuss wurde unser Budgetantrag abgelehnt, der einen Facharbeitskreis ermöglicht hätte, um das Thema zeitnah anzugehen. Hier im Plenum haben wir gesagt, dass eine Abteilung bei IT.NRW eingerichtet werden soll, die sich mit der entsprechenden Veröffentlichung von Daten befassen soll. Auch das wollten Sie nicht.

Eine Erklärung, wieso Sie den Antrag abgelehnt haben, habe ich auch nicht gehört. Fehlanzeige! Das, meine Damen und Herren Kollegen, wäre immerhin ein erster Schritt in Richtung echter Transparenz gewesen.

Der Landesbetrieb Information und Technik hat zahlreiche Daten digital zur Verfügung. Konkret haben wir Piraten schon im letzten Jahr die Veröffentlichung einiger dieser Daten zum Thema „kommunale Haushalte“ gefordert. Das wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Daten aus einigen Kommunen noch fehlen würden. Entschuldigung! Würden Sie es als Entschuldigung akzeptieren, wenn Sie eine Anfrage stellen, auf die geantwortet wird: Es tut mir leid, ich habe nicht alle Daten, ihr kriegt jetzt gar keine Antwort?

Veröffentlichen Sie doch diese Daten und fügen Sie die fehlenden Daten einfach später hinzu!

(Beifall von den PIRATEN)

Solange wir nicht mit so kleinen Schritten beginnen, sind das hier alles nur Ankündigungen und heiße Luft. Ich verweise dazu gerne noch einmal auf die Visualisierung des Haushaltes durch unsere Fraktion.

Der Kollege Bolte von den Grünen hat sich zuletzt so geäußert, dass er froh sei, dass die Open-Government-Strategie der Landesregierung ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz und zu mehr Beteiligung im digitalen Zeitalter sei. Ich glaube nicht, dass wir von demselben reden. Ich sehe da keinen Anstoß, keinen Schritt in diese Richtung. Gibt es dafür Gutachten, Vorschläge, Pläne? Nein! Gibt es darüber Diskussionen, und wenn ja, wo? Und warum werden wir an diesen Diskussionen nicht beteiligt?

Wollten Sie nicht die Regierung der Einladung sein? Das habe ich so im Ohr. Jeder Antrag der Opposition zu dem Thema „Open Government“ wurde bisher abgelehnt. Was hat das bitte mit konstruktiver Zusammenarbeit und Einladung zu tun?

(Beifall von den PIRATEN)

Ich kann nur wiederum vorschlagen und bitte darum, dass Sie bei diesem Thema mit uns zusammenarbeiten. Wir haben die Expertise dazu, und sie ist sogar kostenlos.

(Beifall von den PIRATEN – Heiterkeit von Christof Rasche [FDP])

Rufen Sie diese Expertise ab!

Um noch einmal Al Gore zu zitieren – mit Verlaub –: Das Internet bringt Folgen, die sogar größer sind als Fußball. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren das Wort.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine gewiefte Öffentlichkeitsarbeiterin würde diese Rede sicherlich mit einem Paukenschlag eröffnen, nämlich: Ministerpräsidentin spart bei sich selbst zuerst. Ihr Etat für das Haushaltsjahr 2012 sinkt gegenüber dem Vorjahresplan um über 1 % – und das bei einer Inflationsrate von rund 2 %, einem prognostizierten Steuermehraufkommen von 7,1 % und einer Steigerung des Gesamthaushaltsentwurfs von 6,4 %.

Mir, meine Damen und Herren, liegt da das Unaufgeregte deutlich mehr. Sie kennen mich inzwischen. Ich möchte deshalb einige wenige Fakten überbringen. In der Tat verabschieden wir das Haushaltsgesetz 2012 spät. Das ist nicht nur für das Parlament unbefriedigend, sondern auch für die Landesregierung. 2013 wird das besser sein. Dann nämlich werden sich die politischen Schwerpunktsetzungen der Ministerpräsidentin aus ihrer Regierungserklärung niederschlagen.

Hier und jetzt geht es um die „Zweitfassung“ des Entwurfs 2012 und allein darum, vom Parlament beinahe schon nachträglich für das fast abgelaufene Kalenderjahr die notwendige gesetzliche Ermächtigung einzuholen.

Meine Damen und Herren, der Haushaltsplanentwurf 2012 der Ministerpräsidentin enthält folgerichtig keinerlei teure Überraschungen. Im Einzelnen sind dies die bereits mit dem Haushalt 2011 festgelegten Aufgaben und Politikschwerpunkte, deren Bearbeitung sich die Ministerpräsidentin selbst vorbehalten hat bzw. die zu meinen Aufgaben gehören.

Die Staatskanzlei geht diese Aufgaben auch weiterhin ohne neue Stellen an. Sie verzichtet auch im Entwurf 2012 weiterhin und konsequent seit Regierungsübernahme durch Frau Ministerpräsidentin Kraft auf die Einrichtung zusätzlicher Stellen. Das ist in der Tat anders als bei der schwarz-gelben Vorgängerregierung.

Meine Damen und Herren, diese Aufgaben werden ohne zusätzliche Haushaltsmittel angegangen. Im Saldo fällt ihr Gesamtetat von 119 Millionen € gegenüber dem Vorjahr sogar um 1,3 Millionen € geringer aus. Auf der anderen Seite muss man aber auch die Inflationsrate von zurzeit rund 2 % sowie die den Etat belastenden Kostentreiber der linearen Besoldungs-, Vergütungs- und Indexsteigerungen sehen. Das ist Ihnen allen bekannt. Deswegen meine ich, dass sich diese Absenkung des Gesamtvolumens gegenüber 2011 schon als ein beachtlicher Konsolidierungserfolg sehen lassen kann.

Lassen Sie mich, weil das angesprochen worden ist, auf das Thema „Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit“ eingehen. Dieser Ansatz, meine Damen und Herren, ist seit 2006 unverändert. Er war zu Zeiten der vorherigen Legislaturperiode im Ist-Ergebnis allerdings etwas höher und lag zwischen 1,8 und 1,9 Millionen €. Vergleicht man das aber mit anderen Bundesländern, kann man sehr deutlich sehen, wie maßvoll wir hier die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit einsetzen. Bayern hat 2,5 Millionen € im Ansatz für 2011. Sachsen ist ein Viertel so groß wie Nordrhein-Westfalen, aber dort kommt man auf fast 1 Million € für die Öffentlichkeitsarbeit.

Sie sollten auch nicht vergessen – das will ich in Richtung Piraten sagen –, dass wir in der Tat in diesem Zusammenhang auch erste Aktivitäten des Open Government einbezogen haben. Das haben wir bisher mit Bordmitteln

(Abgeordnete der GRÜNEN zeigen auf die PIRATEN – Heiterkeit)

gemacht. So war es beispielsweise auch bei mir im Bereich „Europa und Eine Welt“ und im Medienbereich. Das ist dort inbegriffen. Wir haben aber die Ansätze für 2012 nicht zu erhöhen, weil im Augenblick keine weiteren operativen Aufgaben anstehen und wir erst in 2013 zu weiteren Schritten kommen werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte nur noch einen Hinweis als Beispiel dafür geben, wie sich die konzeptionelle Änderung unserer Arbeit auch im Haushalt niederschlägt. Die Opposition ist ansonsten in keiner Weise auf die einzelnen Bereiche eingegangen.

Ich spreche die wissenschaftliche Beratung an, wobei wir feststellen können, dass wir die Mittel kürzen, gleichzeitig diese Mittel aber einsetzen, um Konzepte für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung erarbeiten zu lassen, die dann in der Umsetzung dazu beitragen werden, allen Kindern und Jugendlichen eine Chance zu geben und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken, getreu dem Motto: kein Kind zurückhalten, Armut bekämpfen, Chancen erweitern.

Das begleitet uns bei all unseren Haushaltsansätzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin Schwall-Düren. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin Schwall-Düren hat ihre Redezeit um etwa 40 Sekunden überzogen. Gibt es den Wunsch, diese zusätzliche Redezeit für die Fraktionen zu nutzen? – Das ist nicht der Fall. Dann sind wir am Ende der Beratungen zum Teilbereich „Ministerpräsidentin und Staatskanzlei“ des Einzelplans 02.

Ich rufe auf:

     Teilbereich
Landesplanung

Ich erteile für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Schmitz das Wort.

Hendrik Schmitz (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Supermärkte verkaufen seit zwei Monaten Spekulatius und Printen, am Wochenende gehen in meinem Wahlkreis die Martinszüge, der erste Glühwein wird verkauft, und das Jahr neigt sich seinem Ende entgegen. Umso absurder ist für mich die Tatsache, dass wir uns hier nun mit dem Haushalt für das Jahr 2012 beschäftigen müssen. In diesem Zusammenhang von einem Plan zu sprechen, wird den Tatsachen nicht gerecht, suggerieren Sie so doch die Illusion, man könne noch Einfluss auf die Verwendung der Mittel haben.

Wenn dieser Haushalt durch dieses Parlament verabschiedet wird, sind bereits elf Zwölftel der Gelder ausgegeben. Wir sprechen also nicht vom Haushaltsvollzug und nicht von einer Planung. Dies hat seine Gründe nicht nur in der Neuwahl in der ersten Jahreshälfte, sondern bereits in der verspäteten Vorlage des Haushaltsentwurfes durch die damalige Minderheitsregierung. Das ist die normative Kraft des Faktischen. Die sollten auch Sie akzeptieren.

(Beifall von der CDU)

Auch den Kollegen der regierungstragenden Fraktionen muss doch bewusst sein, dass durch das verspätete Einbringen des Haushaltes das Königsrecht des Parlamentes, das Budgetrecht, mit Füßen getreten wird. Als Parlamentsneuling muss ich deutlich sagen, dass Sie in dieser Frage wohl eine andere Auffassung von Parlamentarismus haben als ich.

(Beifall von der CDU)

Da uns nun der Haushalt vorliegt, will ich mich mit einigen Worten dem Einzelplan 02 und dem dortigen Posten Landesplanung widmen. Wie dem Einzelplan zu entnehmen ist, haben Sie in diesem Jahr 2 Millionen € für die Landesplanung ausgegeben, wohlgemerkt: nur für die Verwaltung. Es stellt sich mir die Frage, was Sie mit diesem Geld umgesetzt haben.

Ich bin seit Mai Mitglied dieses Landtages. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht zu schauen, was Sie in den vergangenen Jahren als Regierung angehen wollten. Ausgangspunkt war für mich dabei der Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2010. Darin verkünden Sie vollmundig, die Landesplanung zu novellieren, und mit großer Außenwirkung wurde der Bereich der Landesplanung im Zuge der damaligen Regierungsbildung der Staatskanzlei unterstellt. Dieser Bereich wurde also zur Chefsache gemacht.

Aber nach meiner Kenntnis folgte dieser Ankündigung keine näher ausgestaltete Charakterisierung dieses Vorhabens gegenüber dem damaligen Landtag. Ende des Jahres 2011 ist in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 30. November schließlich nochmals bekräftigt worden, die Landesregierung strebe eine große Novellierung der Landesplanung an. Ein Kabinettsbeschluss mit anschließender Offenlage des Landesentwicklungsplanes wurde dann für den Beginn des Jahres 2012 in Aussicht gestellt. Auch auf diese Ankündigung ist mir keine weitere Konkretisierung der Vorhaben gegenüber dem Landtag bekannt. Im August schließlich wurde im Rahmen einer Pressekonferenz zumindest die Novellierung des Teilplanes „Großflächiger Einzelhandel“ für diesen Winter annonciert.

Meine Damen und Herren, seit über zweieinhalb Jahren planen Sie nun Ihre Novelle, haben 2 Millionen € allein in diesem Jahr ausgegeben und haben es nicht für nötig gehalten, den Landtag auch nur einmal über ihre Pläne zu informieren. Mir stellt sich da die Frage, ob Sie das nicht können oder ob Sie das nicht wollen.

(Beifall von der CDU)

Ich kann an dieser Stelle nur sagen, dass es höchste Zeit wird. Den Kommunen brennt es unter den Nägeln. Sie brauchen dringend klare Verhältnisse. Nach dem Auslaufen des LEPro Ende 2011 besteht keine rechtliche Klarheit und Sicherheit mehr. Landauf, landab warten die Kommunen auf die Novelle des Teilplanes „Großflächiger Einzelhandel“. Die Kommunen treibt die berechtigte Sorge, dass ihre Innenstädte durch den großflächigen Einzelhandel auf der grünen Wiese ausgetrocknet werden. Wir diskutieren über Outletcenter in Remscheid, in Ochtrup, in Bad Münstereifel oder über die Ansiedlung von Großprojekten wie zum Beispiel den Ikea-Home-Parks. Aber Sie lassen an der Stelle die Kommunen alleine. Die brauchen dringend das notwendige Handwerkszeug. Sie lassen aber ein gesamtes weiteres Jahr ins Land ziehen.

Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben und legen Sie uns diese Novelle im Parlament vor. Ich hoffe inständig, dass Sie mit diesem Etatposten nicht einfach weitere 2 Millionen € zum Fenster hinausgeblasen, sondern diese sinnvoll für unser Land und unsere Kommunen eingesetzt haben. Allein der Glaube fehlt mir an dieser Stelle.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich nehme zur Kenntnis, dass ich in der laufenden Wahlperiode nicht eine einzige Vorlage der Landesregierung zur Landesplanung finden kann. Ich fordere Sie daher auf: Informieren Sie das Parlament endlich über Ihre Pläne, zeigen Sie uns, dass Sie Ihren vielfältigen Ankündigungen auch Ergebnisse folgen lassen. Dann können wir hier darüber diskutieren. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Schmeltzer.

Rainer Schmeltzer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schmitz, es freut mich ja, dass Sie zumindest schon einmal zur Kenntnis genommen haben, dass es schon vor zwei Monaten Printen und Spekulatius in den Regalen gab. Es zeigt, dass Sie sich mit Weihnachtsgeschenken und Weihnachtsvorbereitungen mehr beschäftigen als mit der Landeshaushaltspolitik.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das ist aber auch das Einzige, was man zustimmend zur Kenntnis nehmen kann. Auch wenn Sie als Neuling erst seit Mai diesem Parlament angehören, haben Sie wohl vergessen, dass es in diesem Jahr auch einen 14. März gegeben hat, deswegen beraten wir erst heute den Haushaltsplan 2012 in zweiter Lesung. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte man diesen Haushaltsplan schon längst verabschiedet. Das wissen Sie. Wenn Sie aber keine Pläne zur Kenntnis nehmen, dann haben Sie definitiv auch nicht zur Kenntnis genommen, dass wir einen sehr umfangreichen und detailliert formulierten Koalitionsvertrag haben. Darin steht einiges zur Landesplanung. Lesen bildet, Herr Kollege Schmitz. Das gilt insbesondere auch für den Koalitionsvertrag.

An einer Stelle haben Sie recht: Ausgangspunkt war das Jahr 2010, war die Wahl 2010 und war das, was dann folgte. Als SPD und Grüne im Jahre 2010 die Landesregierung übernommen haben, fanden wir in der Raumordnung und in der Landesplanung eine Großbaustelle mit verlorenen Gerichtsprozessen und unerledigten Aufgaben vor. Sie haben ja die Themen angesprochen, die ich nur noch einmal mit den negativen Gerichtsurteilen in Verbindung bringen will. So gab es ein verlorenes Gerichtsverfahren zum Beispiel vor dem Verfassungsgerichtshof in Sachen Factory-Outlet-Center Ochtrup. Es gab ein negatives Gerichtsurteil zum Beispiel vor dem OVG Münster für das Planungsverfahren Kraftwerk Datteln 4. Ferner gab es unerledigte Vorhaben wie zum Beispiel die von CDU und FDP groß angekündigte, aber nie erreichte Schaffung eines einheitlichen und zukunftsfesten Landesplanungsrechts durch die inhaltliche Zusammenfassung von Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplan.

Die neue Landesregierung – das ist ja nach der Wahrnehmung seit 2010 der Fall – hat seit ihrem Amtsantritt in den vergangenen knapp zweieinhalb Jahren schon sehr kluge Weichenstellungen vorgenommen. Auch da gilt, Herr Kollege Schmitz, Lesen bildet.

Erstens. Das Thema Landesplanung und Raumordnung ist kein Unterthema irgendeiner Spezialpolitik mehr, sondern Sie ist dort angesiedelt, wo die übergreifenden Punkte miteinander vernetzt werden müssen, nämlich in der Staatskanzlei, also da, wo es auch hingehört. Das ist richtig. So wird deutlich, dass die Planung und die Ordnung des Raums ein ressortübergreifendes Thema ist.

Zweitens. Bei der Großbaustelle des Steinkohlekraftwerks Datteln, die die heutige Opposition uns in ihrer Regierungszeit aus Überheblichkeit und Ignoranz überlassen hat, gilt jetzt das Prinzip des Vertrauensschutzes. Planungsrechtlich bedeutet dies ganz konkret: Sofern der RVR eine Regionalplan­darstellung des Kraftwerksstandorts Datteln beschließt, wird die Landesregierung die vorgesehene Rechtsprüfung auch durchführen.

Drittens. Die Landesregierung hat im April dieses Jahres entschieden, vor der Veröffentlichung des neuen, umfassenden Landesentwicklungsplans die landesplanerischen Regelungen zum großflächigen Einzelhandel in einem Sachlichen Teilplan vorzuziehen. Das haben Sie zwar angesprochen, aber anscheinend an dieser Stelle wieder nicht zur Kenntnis genommen. Mit den in diesem Entwurf enthaltenen Regelungen werden die Innenstädte, Stadt- und Ortsteilzentren gestärkt werden, und das zentrenschädliche Bauen auf der grünen Wiese wird verhindert. Die Landesregierung sammelt damit auch die Trümmerhaufen ein, die CDU und FDP nach dem Ochtrup-Urteil des Verfassungsgerichtshofs hinterlassen hatten. Sie wollten damals nicht lernen. Offensichtlich haben Sie es – das haben Sie eben bewiesen – bis heute nicht getan.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Landesregierung von SPD und Grünen wird auch die von Schwarz-Gelb immer versprochene, aber nicht gehaltene inhaltliche Zusammenfassung von Landesentwicklungsplan und Landesentwicklungsprogramm auf den Weg bringen. Sie wird einen Entwurf für einen neuen, umfassenden Landesentwicklungsplan vorlegen. Der Sachliche Teilplan Großflächiger Einzelhandel wird dann zu einem späteren Zeitpunkt in den Gesamtlandesentwicklungsplan rechtssicher eingeführt.

Genau diese Vorgehensweise in Sachen großflächiger Einzelhandel hat heute Morgen beim Frühstück mit dem Handelsverband eine deutliche Zustimmung bekommen. Wer dagewesen wäre, hätte das auch hören können.

Die Themen, bei denen es im Vergleich zum derzeitigen Landesentwicklungsplan und Landesentwicklungsprogramm den größten Aktualisierungsbedarf gibt, liegen auf der Hand: erstens Anpassung an den Bevölkerungsrückgang, zweitens sparsame Flächeninanspruchnahme und drittens Klimaschutz sowie Anpassung an den Klimawandel. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns gemeinsam zu stellen haben und die hinterher in vielen Fachpolitiken umgesetzt werden müssen.

Die Landesplanung ist zwar finanziell mit rund 2 Millionen € ein relativ kleiner Bereich im Haushalt. Sie ist aber von strategischer Bedeutung bei der Bewältigung der großen Herausforderungen der Zukunft und somit unerlässlich für die Zukunft Nordrhein-Westfalens.

Unabhängig davon, was Sie zur Kenntnis genommen haben oder nicht, Herr Kollege Schmitz, wäre es ratsam, sich in diesen Prozess einzubringen; denn dann kommen wir dahin, wo Sie zwar mit Worten hinwollten, aber nie haben Taten folgen lassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ist ein besonderer Tag. Richten Sie doch bitte einmal Ihre Augen auf das Zentrum dieses Hauses: Kollege Laschet und Kollege Priggen einvernehmlich als zukunftsorientierte, landesplanerisch gewünschte Konfiguration.

(Ein Abgeordneter gestikuliert.)

– Nein, das ist ein Scheibenwischer. Wenn Sie so etwas machen würden, wäre das ja eine Beleidigung. – Aber das Bild ist ein schönes Bild. Der 11.11. ist doch nah.

(Christian Lindner [FDP]: Ein Traum wird wahr!)

Meine Damen und Herren, der Kollege Schmeltzer hat noch einmal deutlich gemacht, welche Aufgaben die Landesplanung hat: überörtlich zusammenfassend und übergeordnet. Die Fachplanungen werden zusammen in die Schaltstelle der Landesregierung gegeben. Deswegen ist es auch richtig – ich betone das gerne –, dass die Landesplanung in der Staatskanzlei angesiedelt ist. Das war eine richtige Entscheidung. Dies soll auch so bleiben. Hier ist die Schaltstelle des Landes für die strategischen Ziele und für die Problemlösungen, die da anstehen.

Wenn das richtig ist – und ich meine, dass es richtig ist –, verstehe ich allerdings eins nicht: dass diese Landesregierung ein Klimaschutzgesetz nach außen gibt, dessen Ziele zu beachten sind und somit in der Landesplanung gar nicht mehr untereinander abgewogen werden können, weil hier letztendlich ein Landesklimaschutzplan erstellt wird, dem sich alles andere unterzuordnen hat. Das kann nicht richtig sein. Entweder ist die Landesplanung übergeordnet zusammenfassend – dann ist es eine Klimaschutzfachplanung, die sich dem anzupassen hat –, oder es ist umgekehrt. Schwanz und Hund und Wedeln haben hier etwas miteinander zu tun.

(Beifall von der FDP)

Gleichwohl stelle ich fest: Dort, wo sie ist, ist sie richtig angesiedelt.

Im Übrigen kann ich nicht nachvollziehen, dass wir als Industrieland Nordrhein-Westfalen die Problematik der Anpassung an den Klimawandel hier mit einem Klimaschutzplan angehen. Wenn es richtig ist, dass 2,71 % der weltweiten CO2-Emissionen bei uns in Deutschland, davon dann 1 % in NRW, stattfinden, ist doch die Vorbildfunktion fraglich. Wenn es richtig ist, dass wir einen europaweit gedeckelten Emissionshandel haben, machen wir „Sparen, koste es, was es wolle“, und alle anderen Länder freuen sich, weil sie preiswert CO2-Zertifikate kaufen können.

Da ist vieles unausgegoren. Frau Ministerpräsidentin, wenn wir die Landesplanung wirklich als strategisches Instrument nutzen, schaffen wir es ja vielleicht, hier einiges gerade zu rücken. Wenn man sich auf diesen Weg begibt, werden wir uns sicherlich gerne beteiligen.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Ellerbrock, vom Kollegen Schmeltzer gibt es den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Gestatten Sie sie?

Holger Ellerbrock (FDP): Dem Kollegen Schmeltzer immer. Ich habe ihn immer geschätzt als Darstellung eines richtigen SPD-Funktionärs.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Bitte schön.

Rainer Schmeltzer (SPD): Ich überlege noch, ob das ein Kompliment war. Ich lese das noch einmal nach, Herr Kollege Ellerbrock. – Ich habe gerade sehr aufmerksam Ihre Ausführungen in Verbindung mit Klimaschutzplan und Landesentwicklungsplan sowie Ihre Schlussfolgerungen zur Kenntnis genommen. Daraus ergibt sich für mich folgende Frage: Sind Ihnen die konkreten Inhalte des Klimaschutzplans und des Landesentwicklungsplans schon bekannt, sodass Sie diese Schlussfolgerungen ziehen können? Oder woher nehmen Sie Ihre Erkenntnisse?

Holger Ellerbrock (FDP): Wenn Sie richtig zugehört hätten, hätten Sie bemerkt, dass ich das Klimaschutzgesetz und nicht den Klimaschutzplan genannt habe.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist nachzulesen!)

Deswegen geht Ihre Frage fehl. Zuhören ist auch eine Fähigkeit. Deswegen ist das, was ich eben gesagt habe, durchaus als Kompliment zu verstehen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dafür haben wir ja ein Protokoll!)

Meine Damen und Herren, wir haben auch die sogenannten FOC – Stichwort: großflächiger Einzelhandel – angesprochen. Das ist eine schwierige Kiste. Ich befürchte, dass die Landesregierung hier ein vergiftetes Danaergeschenk der Kommunen aufgegriffen hat – mit den zahlreichen Detailregelungen, die spätestens in dem umfassenden Ausführungserlass erfolgen müssen. Die Stellungnahmen dazu sind positiv wie negativ. Allerdings führen die vielen darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe nach meiner Erfahrung dazu, dass bald Klagen vorliegen werden.

(Beifall von der FDP)

Wichtig ist aber eines: Wenn wir einen Landesentwicklungsplan haben, Frau Ministerpräsidentin, und das als strategische Planung verstehen, müssen wir uns doch auch im Zusammenhang mit dem Klimaproblem fragen, worauf es bei der Energiewende ankommt. An allererster Stelle kommt es auf Speichertechnologien an – da sind Talsperren vielleicht eine Flächensache –, vor allem aber: Wie bekomme ich erneuerbare Energien in die Verbrauchszentren? – Ich muss also Leitungstrassen haben.

Da bitte ich Sie doch, den Gedanken noch einmal aufzugreifen und ihm nachzugehen – ich habe es, glaube ich, hier schon zweimal dargestellt –: Kann es in einem Industrieland wie Nordrhein-Westfalen nicht sinnvoll sein, dass wir in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft Leitungstrassen definieren – Planung ist ja nur so gut wie die Umsetzung – und die Landesplanung und die Regionalplanung als Serviceleistung ausbauen dergestalt, dass wir diese Trassen bei Bedarf auch verfügbar machen können?

Dafür könnten wir zum Beispiel, Frau Ministerpräsidentin, auch die NRW.BANK als Infrastrukturbank nutzen. Es könnten so Verträge mit Grundeigentümern dahin gehend geschlossen werden, für den Fall der Inanspruchnahme auf Einreden zu verzichten, und über eine Preisgleitklausel auch schon die Verkaufspreise dargestellt werden. Das wäre eine Serviceleistung, die wir sicherlich zusammen mit der Industrie im Sinne der strategischen Ausrichtung Nordrhein-Westfalens sinnvoll gestalten könnten.

Die Menschen dafür haben Sie sowohl in der Landesplanungsbehörde wie in den Regionalplanungsbehörden bei den Bezirksregierungen. Die können solche Moderationen machen; die können das. Nutzen wir die Chance und geben wir denen die Freiheiten und die Aufgabenstellung, das zu tun. Dann können wir auch in dem Bereich Energiewende in ganz praktischen Schritten mit dem Serviceinstrument Landesplanung vorankommen.

Ich bitte Sie also, zu überlegen: Ist es richtig, die Landesplanung zu Grabe zu tragen und eine Klimaschutzplanung zu machen, der sich alles unterzuordnen hat? Oder ist Landesplanung nach wie vor eine strategische Ausrichtung des Landes? – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen spricht Herr Kollege Goldmann.

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ja gestehen, dass es mich mit großer Freude erfüllt, mich in meiner ersten Rede vor und in diesem Hohen Hause dem Thema Landesentwicklungsplan widmen zu dürfen – gehören doch Landesplanung und Raumordnung neben dem Haushaltsrecht zu den Königsdisziplinen eines jeden Landesparlamentes.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es erfüllt mich auch mit großer Genugtuung, dass nach nunmehr 17 Jahren der aktuell noch gültige LEP aus dem Jahre 1995 eine qualitative Fortentwicklung erfahren wird, die sich sehen lassen kann – legt der LEP doch die mittelfristigen strategischen Ziele zur räumlichen Entwicklung des Landes für ein Zeitfenster von rund 15 Jahren fest. Natürlich ist Nordrhein-Westfalen kein sogenannter weißer Fleck. Nordrhein-Westfalen ist überplant. So baut der kommende LEP auf frühere LEPs und den flächendeckend vorliegenden Regionalplänen auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir einige fachliche Hinweise zum LEP. Mit Blick auf das von meinen Vorrednern Gesagte habe ich den Eindruck, dass es durchaus Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Strukturen und der Aufgabenerfüllung, was den LEP angeht, gibt.

Die Landesentwicklungsplanung stellt viele Weichen für die Zukunft unseres Landes. Der LEP gibt die Richtung vor, die später durch die Regional- und Bauleitplanung im Sinne des Gegenstromprinzips konkretisiert wird. Hierbei geht es insbesondere um eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt.

Selbstverständlich ist, dass es einer vertrauensvollen Kooperation zwischen allen Planungsebenen bedarf. Ich unterstelle einmal, dass die Notwendigkeit zur Fortschreibung und Aktualisierung des LEP von allen politischen Kräften dieses Hauses einvernehmlich gesehen wird. Dennoch wird es sicherlich – da gebe ich mich keinen Illusionen hin – auch bei diesem Thema zu kontroversen Auseinandersetzungen in der Sache kommen.

Die Ressortabstimmung zur aktuellen LEP-Planung – das werden Sie wissen – ist weitestgehend abgeschlossen, sodass davon auszugehen ist, dass nach Beschluss der Landesregierung das gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsverfahren noch in 2012 eingeleitet und in 2013 weitestgehend durchgeführt werden wird.

Wie Sie dem Koalitionsvertrag entnehmen konnten und worauf Kollege Schmeltzer schon hingewiesen hat, ist das vorrangige formale Ziel des neuen LEP die inhaltliche Zusammenfassung des alten Landesentwicklungsprogramms und des Landesentwicklungsplans in einem Planwerk. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie sicher: Die rot-grüne Koalition wird sich die Chance, grundsätzliche Maßstäbe zu setzen und wegweisende Weichenstellungen vorzunehmen, nicht nehmen lassen.

Ich möchte Ihnen angesichts der kurzen Redezeit wenigstens stichwortartig drei Schwerpunkte zum LEP 2025 kurz vorstellen, die uns im anstehenden Beteiligungsverfahren wesentlich begleiten werden.

Gerade wurde es schon angesprochen: Klimaplan, Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel werden in diesem LEP erstmalig formulierte eigenständige Ziele bzw. Grundsätze der Raumordnung sein. In NRW emittieren wir rund ein Drittel der bundesweiten Treibhausgase. NRW ist damit in einer besonderen Verantwortung zum Beispiel im Hinblick auf die Ausweisung von Standorten zur Nutzung und Speicherung erneuerbarer Energien, aber auch was die Ausweisung von Trassen für zusätzlich benötigte Energieleitungen angeht.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Weiterer wesentlicher Schwerpunkt ist das Ziel des Flächensparens. Dem Leitbild folgend, in NRW den täglichen Flächenverbrauch bis zum Jahre 2020 auf fünf Hektar und langfristig auf null zu reduzieren, trägt der neue LEP der zu erwartenden Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung Rechnung. Aber natürlich wird der LEP, um allen Befürchtungen vorzugreifen, für eine bedarfsgerechte Flächensicherung für die Bereiche Wohnen, Gewerbe und Industrie sorgen.

Ein weiteres grünes Thema, dem man sich mittlerweile nicht verschließen kann und dessen zentrale Position im LEP mich deshalb besonders freut, ist das Ziel des Ressourcenschutzes und der ökologischen Nachhaltigkeit, beispielhaft in der räumlichen Festlegung für die Sicherung und den Abbau oberflächennaher Bodenschätze für nicht energetische Rohstoffe durch vorgegebene Versorgungszeiträume. Hierdurch werden wir die Rohstoffversorgung in NRW langfristig absichern können.

Als Sprecher für Landesentwicklungsfragen der grünen Fraktion dieses Landtags sehe ich, dass die Staatskanzlei auf einem guten Weg ist. Ich freue mich insbesondere auf einen konstruktiven Dialog mit den Verbänden, mit den kommunalen Vertretern sowie mit der Bürgerschaft. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goldmann. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Abgeordnete Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! „Ich habe keine Lust, über irgendwelche Altlasten zu reden“, das habe ich hier gehört. „Wir gegen ihr“ hörte sich schon wieder an, als wenn ich Karten kaufen müsste. – Das Klimaschutzgesetz war Thema.

Wir hätten so schön reden können über offenere Planungsverfahren, über Bürgerbeteiligung im Landesentwicklungsplan. Das haben wir nicht. Keine Fraktion hat irgendeinen Antrag gestellt. Anscheinend ist das Ding zustimmungsfähig.

Wir haben damit kein Problem. Wir beantragen Einzelabstimmung zu dem Einzelplan 02 und werden diesem Punkt zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Raumordnung rückt leider regelmäßig immer erst dann in das Bewusstsein, wenn über die Abwägung unterschiedlicher Ansprüche an den Raum bzw. über die Zulässigkeit bestimmter Vorhaben gestritten wird. Dadurch entsteht leicht der falsche Eindruck, Raumordnung sei restriktiv und behindere die wirtschaftliche Entwicklung.

Tatsächlich aber werden durch die rahmensetzenden Festlegungen der Landes- und Regionalplanung in der Regel zeitraubende Auseinandersetzungen in den nachfolgenden Zulassungen und Genehmigungen vermieden. Außerdem können durch diese Festsetzungen zum Teil immense Schäden vorsorgend vermieden werden. Man kann als Beispiel auf das raumordnerisch gebotene Freihalten hochwassergefährdeter Bereiche hinweisen.

Meine Damen und Herren, durch die Auflösung des Landtags im März dieses Jahres ist auch die Arbeit am Entwurf des LEP unterbrochen worden. Zurzeit läuft die Ressortabstimmung. Wegen der unterbrochenen Arbeiten am Gesamt-LEP wurde aber ein sachlicher Teilplan „Großflächiger Einzelhandel“ vorgezogen ins Verfahren gegeben, um zu diesem wichtigen Sachbereich möglichst schnell Planungssicherheit zu schaffen. Herr Schmeltzer hat schon darauf hingewiesen, dass hier die Vorgängerregierung versagt hat.

Das Beteiligungsverfahren hierzu ist abgeschlossen. Zurzeit werden die Stellungnahmen ausgewertet. Dabei wird zu entscheiden sein, ob stringentere Vorgaben notwendig sind oder ob den Kommunen weiterer Entscheidungsspielraum einzuräumen ist.

Wir wollen eine rechtssichere Regelung erreichen, die unsere Innenstädte in ihrer zentralen Versorgungsfunktion stärkt.

Ich möchte auch kurz einen Hinweis auf die finanzielle Ausstattung dieser Planungsarbeit geben. Es ist anzumerken, dass von den 2 Millionen € der Landesplanung ca. 1,2 Millionen € durch langfristige Verpflichtungen, insbesondere zur Finanzierung des RVR als staatlicher Regionalplanungsbehörde und für Leistungen des Geologischen Dienstes gebunden sind. Die frei verfügbaren Mittel der Landesplanungsbehörde für Gutachten, Anwaltsleistungen und andere Sachausgaben sind insofern wie bisher ausgesprochen bescheiden.

Meine Damen und Herren, um in NRW ein einheitliches und zukunftsfestes Planungsrecht zu schaffen, ist vorgesehen, zukünftig Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplanung zusammenzuführen. Nachhaltige Raumentwicklung und veränderte gesellschaftliche Erfordernisse an die Nutzung des Raumes sollen eine stärkere Fokussierung erfahren. Diese Fokussierung hat Herr Schmeltzer schon dargelegt. Ich kann das nur unterstreichen und brauche es nicht zu wiederholen.

Zum Verfahrensablauf im Einzelnen möchte ich aber darauf hinweisen, dass sich der LEP-Entwurf zurzeit in der Schlussphase der Ressortabstimmung befindet und dass der Landtag selbstverständlich zeitnah über den Kabinettsbeschluss informiert wird. Daran schließt sich ein aufwendiges Beteiligungsverfahren an. Alle Kommunen und relevanten Organisationen werden um Stellungnahme gebeten. Außerdem – das will ich betonen, Herr Marsching – findet eine allgemeine Öffentlichkeitsbeteiligung im Zuge eines Onlineverfahrens statt.

Die formelle Befassung des Landtages ist in dem gesetzlich geregelten Verfahren zur Aufstellung des neuen LEP nach Abschluss des Beteiligungsverfahrens vorgesehen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein paar Anmerkungen zur Landesplanung und zum Klimaschutz machen. – Herr Ellerbrock, es ist richtig, dass wir ausreichende Speicherkapazitäten und intelligente Netze zur Umsetzung der Energiewende und dem Umstieg auf erneuerbare Energien benötigen. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Netzausbau schaffen wir in Übereinstimmung mit dem Bundesrecht über Raumordnungsverfahren, wobei der LEP hierzu keine konkreten räumlichen Vorgaben machen kann.

Das Thema „Klimaschutz“ soll mit der Novelle des LEP als besonderer Abschnitt zusammen mit der Klimafolgenanpassung und parallel auch in den einzelnen Fachkapiteln in die Landesplanung aufgenommen werden. Ohne dass ich jetzt hier wegen der abgelaufenen Redezeit auf weitere Details eingehen kann, können Sie sicher sein, dass es unser Bestreben ist, die Klimaschutzziele, die landesentwicklungspolitischen Ziele in großer Übereinstimmung, in großer Sachlichkeit und mit großer Öffentlichkeitsbeteiligung voranzubringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Zu dem Teilbereich Landesplanung liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen damit zum    

     Teilbereich
Europa und Eine Welt

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Rehbaum von der CDU-Fraktion zu seiner Jungfernrede.

(Beifall von der CDU)

Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, das ist meine erste Rede in diesem Hohen Haus. Und diese Haushaltsberatungen sind schon gewöhnungsbedürftig. In meiner bisherigen Tätigkeit war ich für die pünktliche Einbringung der Wirtschaftspläne einer größeren kommunalen Unternehmensgruppe zuständig. Unser Aufsichtsrat bestand auf eine frühzeitige Einbringung des Haushalts noch im alten Jahr, spätestens aber Anfang Januar.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Für die rechtzeitige Einbringung haben die Mitarbeiter samt Geschäftsführung zwischen Oktober und Dezember oft bis in die tiefe Nacht gearbeitet.

Unter dieser Regierung ist das allerdings anders. Da dürfen wir über einen Haushalt beraten, der sich schon längst erledigt hat – und das bis in die tiefe Nacht.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Fest steht: Die rot-grüne Landesregierung hat das größte Bundesland Deutschlands mehr als zehn Monate im finanziellen Blindflug und ohne Rückendeckung des Parlaments geführt.

(Beifall von der CDU)

Zum Teilhaushalt Europa und Eine Welt.

Wir müssen leider feststellen, dass die rot-grüne Landesregierung in diesem Bereich Prioritäten in die falsche Richtung verschiebt, die Abgeordneten allerdings gleichzeitig mit gegenteiligen Aussagen ablenkt. Seit dem Regierungswechsel 2010 ist der Haushalt für Europa und Eine Welt um 720.000 € angestiegen. Ob dies von der Regierung bewusst gewollt war oder aus Versehen passiert ist – beides ist nicht zu akzeptieren. Und wieder finden wir hier eine Haushaltsposition, bei der das zuständige Ministerium nicht zum Abbau der Neuverschuldung beiträgt.

Obwohl sie beteuert, die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern im Beneluxraum gehöre – Zitat – zu den Schwerpunkten der europäischen Beziehungen des Landes NRW – Zitatende –, hat die Regierung im selben Zeitraum die Mittel für die Pflege der Beziehungen zu unseren direkten Nachbarstaaten Belgien und Holland sowie zu Luxemburg um fast 60.000 € gekürzt. Dies ist das falsche Signal.

(Beifall von der CDU)

Für unsere Nachbarn muss eine solche Umschichtung fast wie ein Affront wirken: hier die Kürzung der Mittel für gute nachbarschaftliche Beziehungen, dort der massive Ausbau von Projekten in der großen weiten Welt mit einer Mittelausweitung von mehr als einer halben Million Euro.

Die CDU begrüßt vernünftige Beziehungen zu Frankreich, Polen, Großbritannien, den USA und Israel. Ein gesunder Dialog zu diesen Staaten steht uns als größtes deutsches Bundesland gut zu Gesicht.

Interessant ist an dieser Stelle: Den von der CDU-geführten Landesregierung ins Leben gerufenen Deutsch-Französischen Dialog hatten Sie bereits 2011 gestrichen, ersetzten ihn aber nur ein Jahr später durch den sogenannten Frankreich-NRW-Dialog – allerdings für schlappe 70.000 € mehr. So viel also zu Häppchen und Sekt, Herr Töns!

(Beifall von der CDU)

Über die Frage, ob ein Bundesland mitten in Europa sein Engagement zu seinen Nachbarländern in diesen Zeiten verringern und sich dafür vermehrt in der Dritten Welt engagieren sollte, kann man geteilter Meinung sein. Wir als CDU sind der Auffassung, dass die Pflege der nachbarschaftlichen Beziehungen, insbesondere zu Belgien und den Niederlanden, absolute Priorität haben muss.

Beim Eisernen Rhein hätten wir bereits um einiges weiter sein können, wenn das zuständige Ministerium den Kontakt nach Brüssel und Den Haag lebendig gehalten hätte. Aber was will man erwarten, wenn die Beneluxstaaten bereits im Haushalt wie ein Stiefkind behandelt werden.

Fazit: Der Gesamtetat für Europa und Eine Welt ist aus dem Ruder gelaufen. Wir können keinerlei Kraftanstrengung erkennen. Außerdem setzt der Haushalt 2012 abgesehen von kleinsten kosmetischen Korrekturen leider die Verschiebung der Schwerpunkte in die falsche Richtung fort: mehr Eine-Welt-Projekte mit hohem Mittelzuwachs auf Kosten wichtiger Nachbarschaftspflege mit Belgien und Holland, an der die Landesregierung offensichtlich wenig Interesse hat.

Die CDU-Fraktion lehnt den Teilhaushalt 2012 für Europa und Eine Welt unter solchen Vorzeichen ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Rehbaum. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Töns.

Markus Töns (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rehbaum, erst einmal beglückwünsche ich Sie zu Ihrer Jungfernrede heute hier –

(Allgemeiner Beifall – Henning Rehbaum [CDU]: Danke!)

wenn sie inhaltlich auch am Thema vorbeigeht.

(Allgemeine Heiterkeit)

Aber darüber lässt sich an der einen oder anderen Stelle ja auch noch diskutieren. Wir können das ja mal machen. Ob es beispielsweise bei deutsch-französischen Gesprächen Champagner gab, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es den auf dem Petersberg gab. Und das ist, glaube ich, ein entscheidender Unterschied.

Es lässt sich viel sagen zu Ihrer Rede. Ich will jetzt trotzdem ein paar Kernpunkte des Haushalts im Zuständigkeitsbereich des MBEM ansprechen.

Seit dem Regierungswechsel 2010 bekommen Europapolitik und Eine-Welt-Politik nach unserer Überzeugung wieder den Stellenwert, den diese Politikfelder auch verdienen. NRW macht endlich wieder Europapolitik und nutzt seinen Sachverstand in europäischen Fragen. Das war lange nicht der Fall, Herr Kollege. Es war dringend notwendig, da den Schalter umzulegen.

Wir haben nun endlich eine Ministerin, die in Brüssel ankommt, die in Brüssel wahrgenommen wird und dort Gespräche führt. Wir haben eine Ministerpräsidentin, die sich in Brüssel auskennt und dort Gespräche führt. Wir haben Minister, die das tun. Das hat es unter der schwarz-gelben Landesregierung lange Zeit nicht gegeben.

(Widerspruch von Karl-Josef Laumann [CDU])

– Sie wissen das sehr genau, Herr Laumann.

Das ist notwendig vor dem Hintergrund der Bedeutung NRWs innerhalb der Europäischen Union. Da gebe ich Ihnen recht. Wir sind im Übrigen die größte Region Europas. Wir sind somit auch die größte Region mit Gesetzgebungskompetenz innerhalb der EU und haben deshalb auch besonderes Gewicht. Insofern sage ich auch: Die Landesvertretung in Brüssel ist endlich wieder gut aufgestellt und nimmt ihre Rolle als sogenannte Botschaft NRWs wahr.

Aber von entscheidender Bedeutung ist – das macht, glaube ich, den Politikunterschied klar –, dass die Landesvertretung wieder als Frühwarnbehörde innerhalb des Systems der Europäischen Union agiert. Frühzeitig zu erkennen, wo die Probleme liegen, was für Nordrhein-Westfalen wichtig ist und wie wir es angehen können, das hat es nicht gegeben. Es war im Prinzip eine Veranstaltungsbehörde. Unter Ihrer Ägide ist die Landesvertretung leider nicht der Verantwortung gerecht worden, wie sie es hätte tun müssen.

Lassen Sie mich grundsätzlich etwas zum Haushalt sagen: Das Ressort verfügt insgesamt nur über begrenzte Mittel. In den Kapiteln Europa, Internationale Angelegenheiten und Eine Welt sowie Landesvertretung Brüssel umfasst unser Budget insgesamt 13,7 Millionen €. Das sind exakt 0,23 % des Gesamthaushalts bzw. 11,5 % des Einzelplans 02. Aber auch damit können wir wichtige Vorhaben entschieden angehen, und das machen wir.

An dieser Stelle könnte man eine Menge aufzählen, wie zum Beispiel die Stärkung der Europaschulen, die Weiterentwicklung der internationalen Zusammenarbeit, die Weiterentwicklung der Beziehungen zum Beneluxraum. Da haben wir nicht den Fehler gemacht, wie Sie in Ihrer Regierungszeit, indem Sie erklärt haben: Wir wollen dem Beneluxraum beitreten.

(Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren: Worüber die sich heute noch wundern!)

– Worüber die sich heute – richtigerweise – noch wundern und was auch rechtlich überhaupt nicht möglich ist. Das muss man wissen.

Wir intensivieren die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im sogenannten regionalen Weimarer Dreieck.

Von besonderer Bedeutung ist für uns gerade in diesem Haushalt aber das Thema der Europafähigkeit der Kommunen. Die Städte und Gemeinden müssen weiter fit gemacht werden für die Anforderungen, die in Europa auf sie warten. Eine Landesregierung darf die Kommunen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben nicht alleinlassen, und das tut diese Landesregierung auch nicht. Die Europaministerin kümmert sich um die Belange der Kommunen. Im Übrigen nimmt die gesamte Landesregierung die Kommunen seit 2010 endlich wieder ernst, und zwar nicht nur in dieser Frage, aber hier ganz besonders. Das war unter Schwarz-Gelb nicht der Fall.

Genauso ist in den Fokus gerückt, die Landesverwaltung europapolitisch zu stärken. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt; das macht heute eine moderne Landesverwaltung aus.

In der Eine-Welt-Politik werden wir unserer Verantwortung genauso gerecht. So haben wir die Zusammenarbeit mit den Regionen Mpumalanga und Ghana verstärkt. Das Koordinatorenprogramm wird weitergeführt. Die Landesregierung unterstützt auch die Initiativen zum fairen Handel, wie zum Beispiel die Messe FA!R in Dortmund. Wir stärken die kommunale Entwicklungszusammenarbeit, und wir sorgen dafür, dass der internationale Standort Bonn seine Bedeutung behält, was nicht ganz einfach ist. So haben wir in diesem Jahr die dritte Bonner Konferenz für Entwicklungspolitik unterstützt.

Wir werden weiter darauf achten, dass wichtige entwicklungspolitische Impulse von NRW ausgehen, und das nicht mit mehr Personal, sondern mit einem soliden Haushaltsentwurf 2012. Das zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Den werden wir weiter beschreiten. – Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Töns, ich kann Ihnen bescheinigen, dass Sie eine selektive Wahrnehmung der Realität haben. Die Landesvertretung in Brüssel war und ist unsere Außenschaltstelle für Europa. Sie hat unter Schwarz-Gelb hervorragend gearbeitet. Wenn Sie nicht mitbekommen haben, dass die Minister Pinkwart und Wolf regelmäßig vor Ort waren, mag das vielleicht an der beschränkten Zeitungsauswahl liegen, die Ihnen zur Verfügung stand. Das kann so nicht stehen bleiben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Vor Ort zu sein hat nichts mit Qualität zu tun!)

Frau Dr. Schwall-Düren, ich will ausdrücklich sagen: Ich kritisiere nicht die Ausgaben im Kapitel 02 030, Verbesserung der Europafähigkeit. Jeder Euro, den wir da anlegen, ist gut angelegt. Wir liegen in einer zentralen Region Europas und müssen die Kommunikationsfähigkeit mit den Nachbarn stärken. Darauf bezieht sich keinerlei Kritik: das will ich hervorheben.

Damit will ich betonen: Wir als FDP sind nicht europamüde. Wir haben keine Euro-Krise, sondern eine Staatsschuldenkrise. Wir alle haben über unsere Verhältnisse gelebt. Der Fiskalpakt ist ein Exportmodell Deutschlands für andere Länder. Wir hoffen, die Staatsschuldenkrise damit lenken und steuern zu können. Allerdings: Wer anderen Leuten aufbürdet, zu sparen, muss das auch selbst tun. Unseren Haushalt bei sprudelnden Steuerquellen mit einer Nettoneuverschuldung weiter hochzufahren, ist sicherlich der falsche Weg.

Im Kapitel 02 040, Internationale Angelegenheiten und Eine Welt, reduzieren Sie nicht, sondern satteln noch 145.000 € obendrauf. Die Nicht-EU-Auslands­beziehungen wurden hochgefahren. Was ist da gemacht worden? – Workshops, Konferenzen. Gut, dass man drüber gesprochen hat. Wir fragen uns oft: Was ist denn konkret herausgekommen? Im Gegensatz dazu – das ist das Gefährliche – wird die Unterstützung des Amerika Hauses in Köln zurückgefahren. – Vorsicht an der Bahnsteigkante!

Meine Damen und Herren, die kommunale Entwicklungsarbeit zu fördern, ist gut gemeint. Aber das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern eben gut gemeint. Die Mittel werden nicht abgerufen, weil die Kommunen selbst die Mittel nicht haben oder auch nicht das Interesse. Wenn ich unseren Staatsaufbau noch einigermaßen im Kopf habe, dann ist der Bund für die Auslandsbeziehungen zuständig. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sitzt in Nordrhein-Westfalen. Wir verfügen also über hervorragende Vernetzungsmöglichkeiten mit den hochkompetenten Sachverständigen. Den Etat Kommunale Zusammenarbeit hätte man gerade in Kenntnis der beschränkten Leistungsfähigkeit der Kommunen zurückfahren sollen. Die Aufgabenverteilung in Bezug auf den Bund ist ganz klar.

Dann gibt es – Herr Töns hat es auch angesprochen – die Koordinatoren für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Was ist denn die Aufgabe der Koordinatoren? – Die Koordinatoren geben Anstöße für global verantwortlich und vernetztes Denken und Handeln, thematisieren Fragen der Entwicklungszusammenarbeit in der Öffentlichkeit, interessieren für eine weltoffene Gesellschaft und aktivieren zu einem Eine-Welt-Engagement. Sie vernetzen die Akteure und schaffen dabei neue Möglichkeiten des Engagements. Der Begriff „heiße Luft“, der hier drinsteht, ist ein Begriff, von dem ich als Verwaltungsmensch schon weiß, wie ich ihn zu interpretieren habe: Viel, viel heiße Luft! – Und was ist dabei herausgekommen?

(Beifall von der FDP)

Was für Mittel sind das? 880.000 € für 23 Koordinatoren sind pro Koordinator 38.000 €, die dieser für seine Koordinationstätigkeit bekommt. Dabei handelt es sich um Personal- und Sachkostenzuschüsse. Das muss man ebenfalls berücksichtigen. Aber für ein Jahresgehalt von 38.000 € oder ein Monatsgehalt von gut 3.000 € muss ein normaler Arbeitnehmer relativ lange arbeiten, ohne dass wir …

(Widerspruch von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Natürlich sind dort Drittmittel enthalten. Aber man muss nicht alle Drittmittel aufgreifen, wenn das keinen konkreten Hintergrund hat.

Mein Kollege Wolf nennt das immer in der ihm eignen Art der Kurzfassung und prägnanten Darstellung ein „Eine-Welt-Consulting zu Luxusbedingungen auf Staatskosten“. In einem anderen Haushalt gibt es den Europäischen Fonds für Regionalentwicklung und Bildungszusammenarbeit, aus dem 4 Milliarden € von Europa zu uns zurückfließen. Müssen wir das noch unterstützen, selbst wenn es sich um Komplementärmittel handelt? Man muss nicht jedes Mittel aufgreifen, wenn man selbst insolvent und dem Sparen verpflichtet ist.

Meine Damen und Herren, wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen, das uns andere hinhalten. Es gibt dort viele Leute, darunter Gutmenschen und gute Menschen. Nur: Der Unterschied zwischen „Gutmenschen“ und „guten Menschen“ ist der, dass die guten Menschen Geld geben, das sie selbst erarbeitet und versteuert haben. Hier aber sind viele Gutmenschen dabei, die öffentliches Geld schön verteilen wollen. Dafür reichen wir nicht die Hand. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

(Zwischen Holger Ellerbrock [FDP] und Stefan Engstfeld [GRÜNE] findet ein heftiger Wortwechsel statt.)

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Kollege Ellerbrock, ich sage es Ihnen einmal von hier aus: Ich lasse mich von Ihnen sehr gerne als „Gutmensch“ beschimpfen. Dazu stehe ich. Die Leute, die sich dort engagieren, leisten eine wertvolle Arbeit. Immer wieder Ihre Masche und Leier, die Sie auch vor zehn Jahren schon erzählt haben könnten! Wir haben das Koordinatorenprogramm vor ca. zehn Jahren unter Rot-Grün eingeführt. Es hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Wir werden es weiter stabilisieren. Es ist absolut vernünftig, das so zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Es war eben nicht vernünftig!)

Meine Damen und Herren, die Krise in Europa ist immer noch allgegenwärtig. Tagtäglich gibt es neue, positive wie negative Nachrichten, politische Willenskundgebungen, gute und schlechte Lösungsvorschläge. Doch über all diese übergreifenden und oft nur allzu abstrakten Themen hinweg dürfen wir nicht vergessen, dass Europa vor Ort beginnt, in den Kommunen und hier im Land. Hier gilt es, den Funken eines friedlichen und nachhaltigen Europagedankens zu zünden und vor dem Erlöschen zu bewahren.

Im Herzen Europas gelegen, hat Nordrhein-Westfalen den Vorteil, geographisch gleich vier Gründungsstaaten der Europäischen Integration um sich herum zu haben. Sowohl Frankreich als auch den Benelux-Staaten ist unser Land sehr verbunden. Die Ministerpräsidentin war letztens noch dort. Hinzu kommt der enge und intensive Kontakt zu Polen.

Wir pflegen mit Sorgfalt unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass wir dabei unkritisch jede Entwicklung in unseren Nachbarstaaten hinnehmen müssen. Damit die Intensivierung unserer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu unseren europäischen Nachbarn weiter vorangebracht werden kann, wurden bestehende Landesmittel umgeschichtet, sodass in diesen Bereichen weitere 110.000 € bereitstehen. Das finden wir sehr erfreulich.

Die Krise in Europa hat uns nämlich gezeigt: Grenzüberschreitende und internationale Zusammenarbeit und Solidarität sind wichtig, um den erreichten ideellen und materiellen Wohlstand in Europa zu halten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahr ist erfolgreich beendet worden. Ich bin sicher, dass die Veranstaltungen, die in diesem Rahmen stattgefunden haben, die Beziehungen zu unserem Nachbarn Polen nachhaltig verbessern konnten.

Im Jahr 2013 steht das 50-jährige Bestehen des Élysée-Vertrages vor der Tür. Auch hierfür sind Haushaltsmittel eingestellt. Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft und unsere Partnerregion Nord-Pas-de-Calais.

Meine Damen und Herren, der Kollege Töns hat es bereits ausgeführt: Wir müssen im Europabereich mit vergleichsweise sehr kleinen Beträgen zurechtkommen. Der mit rund 2,8 Millionen € geringe Anteil des Europakapitels am Gesamthaushalt von nicht einmal 0,005 % macht deutlich: Hier lassen sich keine relevanten Summen einsparen. Jeder gestrichene Euro kann hier das Aus für eine Maßnahme bedeuten, von denen es ohnehin schon viel zu wenige gibt.

Auf eigene europapolitische Maßnahmen kann man aber nicht verzichten. Ich möchte alle anderen Fraktionen dazu einladen, gemeinsam mit uns am „Haus Europa“ zu bauen und mit Blick auf den kommenden Haushalt 2013 nicht auf unrealistische Einsparvorschläge zu setzen.

Meine Damen und Herren, genauso, wie Europa vor Ort beginnt, liegt auch der wichtige Beitrag der Eine-Welt-Politik. Herr Kollege Rehbaum, vielleicht machen Sie einmal mit dem Kollegen Laschet einen Termin bei Miserior in Aachen aus und lassen sich dort die begrifflichen Unterschiede zwischen „Dritter Welt“ und „Einer Welt“ erklären. Trotzdem: Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede!

Bei uns vor Ort in den Kommunen liegt auch ein wichtiger Baustein der Eine-Welt-Politik. Im Zuge ihrer Städtepartnerschaften und örtlichen Eine-Welt-Initiativen, aus denen so zahlreiche Organisationen und Vereine in NRW hervorgegangen sind, kommt ihnen eine zentrale Bedeutung einer internationalen Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu. Das Land muss gewährleisten, dass dies in Zukunft weiter möglich ist.

Ich bin froh, dass wir für die diesjährige 3. Bonner Konferenz für Entwicklungspolitik die notwendigen Mittel von 220.000 € aufbringen konnten. Die Konferenz fand bereits im Januar statt und war mit rund 800 Teilnehmern ein voller Erfolg in Richtung auf eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Eine-Welt-Politik.

Die wichtigste, wenngleich nicht überraschende Erkenntnis war: Eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit beginnt vor Ort!

Mit knapp 6,5 Millionen € liegt der diesbezügliche Anteil für die Eine-Welt-Arbeit am Gesamthaushalt bei rund 0,01 %.

Umso erfreulicher ist es, dass wir das gestiegene Niveau von 2011 im Haushalt 2012 fortschreiben konnten.

Die Eine-Welt-Arbeit wird in Nordrhein-Westfalen durch ein bundesweit einmaliges Programm gefördert. Mit Impulsen aus 15 Regionalstellen – ich spreche von „Impulsen“, Herr Kollege Ellerbrock – und acht Fachstellen wird die entwicklungspolitische Bildungsarbeit im Land gestärkt und weiterentwickelt. Die Koordinatoren geben Anstöße für global verantwortliches und vernetztes Denken und Handeln, thematisieren Eine-Welt-Fragen in der Öffentlichkeit, wecken das Interesse für eine weltoffene Gesellschaft und motivieren zum Eine-Welt-Engagement. Sie vernetzen die Akteure und schaffen damit neue Möglichkeiten des Engagements. Mit Multiplikatoren aus allen gesellschaftlichen Bereichen setzen sie Bildungsprojekte in die Tat um und beraten Akteure dabei, ihr Engagement wirkungsvoll weiterzuentwickeln.

Gut, dass es hier durch den Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen Rückenwind gibt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende.

Sie sehen an diesen ausgewählten Beispielen: Nordrhein-Westfalen wird mit diesem Haushalt seiner Internationalität, seiner europäischen und seiner globalen Verantwortung weiterhin gerecht, und das ist auch gut so. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die Piratenfraktion spricht Kollege Kern.

Nico Kern (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste im Saal und im Stream! Ich habe gestern bereits festgestellt, es muss noch viel getan werden zur Überwindung der europäischen Krise. Wir Piraten bleiben dabei: Die Lösung kann nur in einer Rückbesinnung auf die Belange der Bürger in Europa liegen

(Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

und nicht in immer mehr Machtkonzentration in Brüssel. Europa muss in den Regionen nah am Bürger und direktdemokratisch stattfinden. Nordrhein-Westfalen als größte Region innerhalb der Union kann den richtigen Kurs setzen und voranschreiten.

Die Landesregierung hat dies laut Koalitionsvertrag auch erkannt, in dem es heißt – ich zitiere mit Verlaub –:

„Wir wollen das aktive Engagement in und für Europa erleichtern und dazu die notwendigen Voraussetzungen schaffen.“

Das sind schöne Worte. Wir werden sehr genau darauf achten, wie die Landesregierung diesen Ansprüchen gerecht werden will.

Der Haushaltsentwurf sieht zum Beispiel moderate Mehrausgaben zur Förderung der Europafähigkeit der Kommunen vor. Dies ist ein richtiger Ansatz. Nur: Ein öffentlicher Auszeichnungswettbewerb für europaaktive Kommunen kann unserer Ansicht nach nicht die Lösung aller Probleme sein; sie ist nur ein Baustein. Ich vermisse ein wenig die klaren inhaltlichen Leitlinien. Diskussionsrunden und Infobroschüren ersetzen keine europapolitische Landesstrategie.

Ähnlich sieht es bei der Eine-Welt-Politik aus. Außer wohlklingenden Allgemeinplätzen haben wir zur Ausgestaltung der Entwicklungspolitik des Landes bisher nicht viel gehört. Wir erwarten gespannt die neue Eine-Welt-Strategie, die uns im Landtag noch dieses Jahr vorgestellt werden soll.

Dennoch möchte ich betonen: Wir Piraten unterstützen ausdrücklich die europa- und entwicklungspolitische Grundausrichtung der Landesregierung. Nun müssen Sie jedoch den Worten auch Taten folgen lassen. Kurzum: Die Landesregierung wird sich nicht an den Zahlenspielen im Haushaltsentwurf messen lassen müssen, sondern an der Qualität der daraus entstehenden Politik. Auf die konstruktive Mitarbeit der Piraten können Sie dabei zählen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Land in Deutschland, in Europa und in der Welt. Entsprechend müssen wir unsere Interessen vertreten, aber auch Verantwortung übernehmen. Wenn wir das Thema „Europapolitik“ nehmen, so geschieht das vor allen Dingen in drei Elementen – ich nenne das die drei Ks –: Koordination, Kooperation und Kommunikation.

Dazu ist festzuhalten, die Mitgestaltung der Europäischen Union, wie von Ihnen angesprochen, Herr Kern, erfolgt hier in der Landesverwaltung mit ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ohne weitgehende zusätzliche Mittel und in der Landesvertretung in Brüssel. Es geht um Informations- und Lobbyarbeit. Es geht um die Vorbereitung von Bundesratsstellungnahmen, um auf die weitere europäische Entwicklung Einfluss zu nehmen. Es geht um Subsidiaritätsprüfungen und vieles andere mehr. Es geht darum, dass wir mit den anderen Akteuren zusammenarbeiten und das kommunizieren, was in Europa gestaltet werden muss, welche Chancen wir haben, welche Notwendigkeiten und Risiken bestehen.

Dazu haben wir verschiedene Ansätze. Genannt worden ist schon die weitere Zertifizierung und Vernetzung der Europaschulen, ein ganz wichtiges Feld, in dem den jungen Menschen deutlich wird, welche Chancen sie haben. Sie werden aber auch qualifiziert über das Angebot an Mehrsprachigkeit, über interkulturelle Kompetenz, über Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und über Austauschprogramme.

Und es geht um die Stärkung der Europaaktivitäten der Kommunen, damit sie einerseits ihre Interessen einbringen, von den europäischen Programmen profitieren, aber ihrerseits auch Kommunikation mit den Bürgern und Bürgerinnen betreiben können.

Nicht zuletzt geht es um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Benelux, Polen und Frankreich.

Es ist darauf hingewiesen worden, dass wir in all den Jahren immer wieder unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt haben. Das war im vergangenen Jahr bis Mitte 2012 das Polen-NRW-Jahr, und jetzt steht das Jubiläum des Élysée-Vertrags an. Wir werden insbesondere mit unserer Partnerregion Nord-Pas de Calais einige Akzente setzen.

Es ist aber überhaupt nicht so, dass es irgendeine Vernachlässigung unserer Zusammenarbeit im Beneluxraum gegeben hätte. Da haben wir die Euregios. Wir haben die Zusammenarbeit mit den Niederlanden in der Cross-Initiative. Wir sind über eine Zusammenarbeit mit der Benelux-Union vernetzt.

Und meine Damen und Herren, um ein Beispiel zu nennen, jetzt gibt es zum ersten Mal Bewegung beim Eisernen Rhein, weil die Ministerpräsidentin gerade in diesen Tagen Gespräche geführt hat – genauso wie andere Ressortkollegen in der Vergangenheit. Wir haben eine neue Offenheit gefunden und würden uns sehr freuen, wenn Sie bei der Bundesregierung unsere Position mit unterstützen würden, damit der einstimmige Antrag des Landtags dort Gehör findet, dass wir auf die historische Trasse verzichten müssen und bei der A 52 eine sinnvolle Alternative haben.

Lassen Sie mich noch kurz zum Bereich der internationalen Zusammenarbeit kommen. Auch dort gilt, dass wir unsere Interessen vertreten und Verantwortung übernehmen müssen. Ein Wort zur Dritten Bonner Konferenz der Entwicklungspolitik: Sie hätte ursprünglich im vergangenen Jahr stattfinden sollen, konnte aber erst in diesem Jahr stattfinden. Deshalb haben wir hier einen entsprechenden Haushaltsaufwuchs gehabt. Das ist die Erklärung. Herr Engstfeld hat darauf hingewiesen, welche positiven Implikationen diese Konferenz gebracht hat.

Lassen Sie mich das Koordinatorenprogramm noch einmal ansprechen. Es ist so erfolgreich, dass der Bund das jetzt kopieren will.

Lieber Herr Ellerbrock, ich muss Ihnen schon sagen: Der Begriff „Gutmensch“ ist im Jahr 2011 als zweites Unwort des Jahres charakterisiert worden. Sie sollten sich wirklich überlegen, ob Sie die Ehrenamtlichen in diesem Bereich mit einem solchen Begriff beschweren.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Lassen Sie mich noch kurz etwas sagen: Die Zusammenarbeit mit Israel hat für uns ein ganz großes Gewicht. Aber auch die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Gebieten ist uns wichtig, weil wir dort mithelfen wollen, die Staatswerdung und die gesellschaftliche Weiterentwicklung voranzubringen.

Ganz zum Schluss: Gerade eben habe ich mit dem Generalkonsul der Vereinigten Staaten gesprochen und habe ihm noch einmal versichert, dass wir nicht nur großen Wert auf die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten legen, sondern auch das Amerika Haus weiter unterstützen werden. Allerdings, lieber Herr Ellerbrock, hat die Vorgängerregierung festgelegt, dass wir eine degressive Unterstützung vornehmen werden. Wir sind eingetreten für die bisherige Finanzierung des Auswärtigen Amtes der Vereinigten Staaten, und wir wollen mithelfen, dass jetzt mit privaten Partnern diese Arbeit fortgesetzt wird.

Erlauben Sie mir aber an dieser Stelle dem amerikanischen Volk auch einen herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl von Präsident Obama auszusprechen und auch alles Gute für die kommende Amtszeit zu wünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich finde, dass das eine gute Perspektive ist, nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch weltweit und damit auch für uns in Europa, in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen. Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die Landesregierung hat gerade ihre Redezeit um gut eine Minute überzogen. Gibt es weitere Wortmeldungen vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Damit sind wir am Ende des Abschnittes „Europa und Eine Welt“.

Ich rufe nun auf den

     Teilbereich
Medien

und erteile dem Abgeordneten Schick für die CDU-Fraktion das Wort.

(Beifall von der CDU)

Thorsten Schick (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie lassen keine Gelegenheit aus, um das besondere Gewicht des Medienstand­ortes Nordrhein-Westfalen herauszustreichen. Dieser Einschätzung kann ich mich ausdrücklich anschließen.

Aus diesem Grund bin ich allerdings mehr als enttäuscht, wenn ich die Agenda betrachte, die Sie in den kommenden Monaten in Angriff nehmen wollen. Bis auf einige Symbolprojekte herrscht weitgehende Taten- und Sprachlosigkeit, die weit über die Zahlen des vorgelegten Haushaltsplanes hinausgehen.

Das ist umso schlimmer, weil Ihr Haus, verehrte Frau Ministerin, sich über Moderation bei bestimmten Prozessen auszeichnet, weil an vielen Stellen – das sei zugestanden – direkte Eingriffsmöglichkeiten fehlen. Das entbindet Sie aber nicht der Pflicht, zumindest mit Ideen Prozesse anzuschieben. Diese Aufgabe vernachlässigen Sie aber sträflich. Aus meiner Sicht sind Sie ein medienpolitisches U-Boot, das abtaucht und mit dem Periskop beobachtet, was über Wasser und an Land passiert.

(Beifall von der CDU)

Einzig ein paar Luftblasen in Form von angekündigten Gesetzgebungsvorhaben tauchen an der Oberfläche auf.

Das lässt sich auch anhand einiger Beispiele überschriftenartig verdeutlichen: Funkstille beim Thema „Radio“. Dabei ist das gute alte Radio immer noch das Medium, das nach dem Fernsehen am intensivsten genutzt wird. Im Augenblick werden wieder einmal Schritte zur Digitalisierung des Radios vorgenommen, doch weder zur Einführung von DABplus noch zur Vergabe der freigewordenen UKW-Frequenzen haben Sie bislang klar Stellung bezogen. Die Prozesse plätschern vor sich hin, weil Schwung und Rückenwind aus Ihrem Hause fehlen.

(Beifall von der CDU)

Viele Überschriften, wenig Inhalte. Wir sind beim Thema „Zeitung“. Immer wieder wird von Ihnen in Sonntagsreden die Bedeutung der Zeitungslandschaft für Nordrhein-Westfalen herausgestrichen. Was fällt Ihnen dann unter der Woche ein? – Außer der Unterstützung von Bildungsmaßnahmen für Lokaljournalisten habe ich bislang wenig gehört. Die Initiative wird kaum reichen, um Auflagenverluste auch nur ein wenig aufzufangen. Doch nicht nur die große Idee fehlt, auch im Kleinen hakt es. Gerne haben sich Vertreter der Landesregierung beim Fototermin zum Start des Projektes „ZeitungsZeit“ ablichten lassen. Doch nach einem Organisationswechsel läuft das Projekt im Augenblick nur schleppend. Auch da wäre eine Moderation aus Ihrem Hause sicherlich angezeigt.

Die nächste Überschrift: Lange Leitung beim Thema „Internet“. – Medienkompetenz ist Ihr großes Thema. Aber nicht alle Haushalte in NRW haben auch die Möglichkeit, das Internet in akzeptabler Geschwindigkeit zu nutzen. Sie möchten NRW zum Medienkompetenzland Nummer eins machen. Wichtig wäre, Nordrhein-Westfalen aber auch zum Mediennutzungsland Nummer eins zu entwickeln; doch auch da stockt es. Es gibt immer noch weiße Flecken. Rund 20 % der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen müssen mit Übertragungsgeschwindigkeiten von unter 16 MB zufrieden sein. Dabei gibt es neue Entwicklungen. LTE sei hier nur angesprochen. Gerade die großen Mobilfunknetzbetreiber sitzen in Nordrhein-Westfalen. Sie haben die entsprechende Nähe, um dort Prozesse in Gang zu setzen.

Aber der LTE-Ausbau an der niederländischen Grenze stockt, weil angeblich Frequenzen kollidieren. Wenn ein Ministerium hier Möglichkeiten hätte, diesen Prozess zu begleiten, dann doch Ihr Ministerium.

Das letzte Beispiel möchte ich mit „Medienstandort abgetaucht“ überschreiben. Weit über Nordrhein-Westfalen hinaus hat das Medienforum eine ganz, ganz große Bedeutung für die Medienlandschaft in Deutschland. Aber während die Konkurrenzveranstaltungen, die Münchener Medientage oder die Medienwoche Berlin-Brandenburg in den Kalendern der politischen und medienpolitischen Entscheidungsträger vermerkt sind, fehlt hier das Datum für die entsprechende Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen für das Medienforum NRW. Auch da besteht entsprechender Handlungsbedarf.

Fazit: Dem Medienhaushalt werden wir nicht zustimmen. Die Fakten sind bekannt. Das Haushaltsjahr ist zu fünf Sechsteln verstrichen. Die Mittel sind weitgehend verausgabt. Und damit ist das Parlament seinem Budgetrecht auch in diesem Bereich beraubt.

Außerdem entwickeln sich Medienschaffende und die Medienpolitik auseinander. Medienschaffende stehen in Nordrhein-Westfalen für Ideenreichtum, für Kreativität und Mut. Ihre Politik zeichnet sich durch Ideenlosigkeit und Mutlosigkeit aus. Ein Nein zum Haushalt ist daher folgerichtig.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Vogt.

Alexander Vogt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schick, ich habe ein bisschen den Eindruck, dass wir in unterschiedlichen Bundesländern leben. NRW ist in den Bereichen Medien und Kommunikation gut aufgestellt. Wir haben mehr als 65.000 Unternehmen, die wichtige und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen. NRW ist auch deutschlandweit der umsatzstärkste Standort.

Der internationale Wettbewerb in einzelnen Bereichen nimmt aber zu. Darum werden gute Rahmenbedingungen für Medienunternehmen immer wichtiger.

Eine Rahmenbedingung betrifft die Förderung von Kreativität. Wir haben mit der neu ausgerichteten Film- und Medienstiftung ein Förderinstrument geschaffen, das nicht nur Kino- und TV-Produktionen unterstützt, sondern auch den immer stärker werdenden Games-Bereich. Die ersten Projekte hier sind sehr vielversprechend. Die Neuausrichtung der Stiftung ist richtig. Schon jetzt macht die Computerspielbranche mehr als 2 Milliarden € Umsatz im Jahr.

Aber auch die Filmförderung kann sich sehen lassen. Insbesondere bei den TV-Produktionen ist NRW Nummer eins. Ein Drittel aller TV-Minuten kommt aus NRW.

Neben vielen erfolgreichen Filmen präsentiert auch das Medienforum unser Land und bietet die Möglichkeit, aktuelle politische Themen zu diskutieren. Das wird auch in den nächsten Jahren fortgesetzt.

Eine weitere Bedingung für ein starkes Medienland NRW sind gut aufgestellte Verlage, die die ökonomische Grundlage für unabhängige Journalistinnen und Journalisten bieten. Der Zeitungsmarkt in NRW ist noch immer sehr vielfältig aufgestellt. Zeitungen sind wichtig und sie werden verstärkt online gelesen. Gleichzeitig gehen jedoch die Auflagen der Printzeitungen in vielen Bereichen zurück.

Die Sicherstellung insbesondere von Lokaljournalismus ist eine Aufgabe zukünftiger Politik. Hierzu soll in NRW eine Stiftung mit dem Titel „Vielfalt und Partizipation“ beitragen. Erste Gespräche über die Entwicklung einer solchen, natürlich staatsfern organisierten Stiftung laufen bereits. Eine Stärkung des lokalen Journalismus heißt gleichzeitig eine Stärkung der Demokratie vor Ort.

Wenn wir auf den Rundfunk blicken, können wir sehen, dass sich das duale Rundfunksystem über Jahre bewährt hat. Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender wurde durch das neue Beitragsmodell auf eine zeitgemäße Grundlage gestellt. Die Regelung, dass nach sieben Tagen Online-Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender gelöscht werden müssen, ist für viele künftige Beitragszahler nicht nachvollziehbar. Diese Regelung muss geändert werden.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Gremien stärken, die die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Sender beaufsichtigen. Wir wollen also beim WDR den Rundfunkrat und den Verwaltungsrat unabhängiger machen. Ähnliches gilt für die Medienkommission bei der Landesanstalt für Medien.

Die weiter voranschreitende Digitalisierung unserer Gesellschaft bietet beides, Chancen und Risiken. Die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft wissenschaftlich und unabhängig zu diskutieren, soll verstärkt in NRW stattfinden. Das Grimme-Institut soll zukünftig zu einem Diskursforum für die digitale Gesellschaft weiterentwickelt werden.

Die Chancen der Digitalisierung zu nutzen heißt für uns auch im Sinne von Open Government, mehr Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zuzulassen und mehr Informationen und Daten der Verwaltung frei zur Verfügung zu stellen.

Ein weiterer wichtiger Punkt der NRW-Medienpolitik ist die Medienkompetenz. Kindern und Jugendlichen den sicheren und kritischen Umgang mit Medien beizubringen, ist hierbei das Ziel. Insbesondere bei der Nutzung der neuen Medien sollen Kinder lernen, die Chancen zu nutzen und die Risiken zu minimieren.

Wir haben in NRW den Medienpass auf den Weg gebracht – mit Erfolg. Bereits jetzt wollen sich 835 Schulen in den Klassen 3 und 4 beteiligen. Wir wollen diese Medienkompetenzförderung auf weiterführende Schulen ausweiten. Diese Kompetenzvermittlung ist uns wichtig. Nur über die Schulen können wir auch wirklich die Kinder erreichen, die von zu Hause eben nicht die Möglichkeit haben, den Umgang mit Medien zu erlernen.

Auch die Landesanstalt für Medien arbeitet bei der Vermittlung von Medienkompetenz schon vorbildlich. Die LfM bietet jetzt schon eine Fülle von Unterstützungsleistungen für Kindergärten und Schulen an. Diese Aufgabe hier weiter zu konzentrieren ist sinnvoll.

Der Tag der Medienkompetenz hier im Landtag, der fraktionsübergreifend beschlossen wurde und der Ende dieses Monats stattfinden wird, zeigt, dass das Thema in NRW ernst genommen wird.

Meine Damen und Herren, NRW ist im Medienbereich gut aufgestellt. Wir wollen Kreativität weiter fördern, die Vielfalt unserer Medienlandschaft sichern und die Medienkompetenz insbesondere von Kindern und Jugendlichen stärken.

Mit dem Haushalt und unseren Vorhaben legen wir hierfür die richtige Grundlage. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Mediennutzer an den Empfangsgeräten da draußen! Kaum ein Bereich hat so viel mit Kommunikation zu tun, aber in NRW wird charmant an den Problemen vorbeigeredet. Dafür feiert sich die Koalition – das haben wir gerade gehört – mit Dingen, die nicht einmal so richtig auf ihrem Mist gewachsen sind. Klar: Wer würde etwas gegen Medienkompetenz sagen, gegen den Medienpass? Da gibt es natürlich viele Akteure, die daran mitgewirkt haben. Sie haben sich dann auch noch in diesem Bereich wieder Hilfe von außen geholt. Ich glaube, 65.000 allein für externe Konzeptionen, okay.

Der Medienpass ist eine wichtige und gute Sache. Trotzdem: Bei der Umsetzung gibt es, glaube ich, doch Probleme. Sind die Zahlen wirklich so gut, wie Sie sie werten? Wie ist es mit den Lehrern, die sich zunehmend auch darüber beklagen, dass sie sich nicht ausreichend qualifiziert fühlen? Da hilft dann auch der Materialschwall nicht, den Sie denen zuschicken. Trotzdem wünsche ich dem Projekt Medienpass viel Erfolg.

Die sprachlichen Sättigungsbeilagen rund um das Thema „Medienkompetenz“, das Sie immer gerne bringen, erwecken aber doch immer den Eindruck, dass Sie in den Medien nur Gefahren sehen. Es liegen aber auch viele Chancen in diesem Bereich. Rot-Grün würde – so ist mein Eindruck – gerne ständig den Gefällt-mir-nicht-Button drücken, wenn es ihn gäbe.

Das liegt aber auch vielleicht daran, dass zweieinhalb Jahre hinter uns liegen, in denen im Grunde die Landesregierung durch medienpolitische Untätigkeit auffiel und deshalb NRW als Medienland in Deutschland auch keine besondere Ausstrahlung hat. Da fällt ja eher Kurt Beck in Mainz mehr auf.

Zur Entwicklung der Medienbranche in NRW hat die Landesregierung scheinbar wenig zu sagen. In Reden wird zwar immer wieder die Medienkonvergenz beschworen, aber irgendwie macht die NRW-Medienpolitik den Eindruck, als sei sie davon überrascht worden. Das ist dann der „Surprised-Button“.

Die AGFAs dieser Welt – Amazon, Google, Facebook und Apple – greifen natürlich die traditionellen Anbieter an. Die Medien in unserem Land aber unter analoger Philosophie stark reguliert. Dieser Philosophie der kleinteiligen Regulierung fühlen sich die verantwortlichen Medienpolitiker der Landesregierung verbunden. Da wird beispielsweise die Existenz kleiner Lokal-TV-Pflänzchen zum Anlass genommen, sich über ein Übermaß an Meinungsmacht zu sorgen; aber schon allein die Existenz dieser kleinen Sender ist eigentlich ein Zugewinn an Vielfalt im lokalen Fernsehmarkt. Den Verlegern gebührt eigentlich Dank für ihr Engagement.

(Beifall von der FDP)

Derweil feiert sich die Landesregierung in Pressemitteilungen, beispielsweise damit, dass sie sagt: NRW ist TV-Filmland Nummer eins. Das steht in einer Studie. Die Studie aber handelt von 2009 und 2010, war also eher ein Erfolg der schwarz-gelben Regierung. Das hat allerdings auch die Union in der letzten Ausschusssitzung in ihrer Bescheidenheit zunächst nicht recht bemerkt.

Medienpolitik ist Standortpolitik. Da kann man sich nicht darauf ausruhen, dass es zwei große TV-Riesen in Köln gibt. Die Lage der unabhängigen Produzenten auch in NRW ist, was den Vergleich mit der zunehmenden Anzahl der Tochterfirmen der Öffentlich-Rechtlichen angeht, sehr schwierig. Preisdumping und nicht transparente Auftragsvergabe sind die Vorwürfe aus der Szene. Wo bleibt da die Moderation der Landesregierung?

Bei den Problemen Versorgung mit LTE – der Kollege Schick hat es gerade gesagt – nicht nur in Grenzgebieten, mit schnellem Internet in städtischen Randlagen und selbst in Ballungsräumen – Herr Vogt, Ihr Wahlkreis lässt grüßen – taucht die Landesregierung ab.

(Beifall von der FDP)

Was haben die aktuellen Medienprobleme mit dem Haushalt zu tun? Eben leider nicht viel. Hohe Ansätze für Beratung und Sachverständige zeigen: Es reicht nicht, sich Ideen einfach nur erkaufen zu wollen. Klar, es ist müßig, heute über etwas zu reden, was schon ausgegeben wurde.

Immerhin aber kennen wir – das ist der Vorteil – das Ergebnis, und das ist mäßig. Beispiel sind die Kosten für das NRW-Medienforum im letzten Juni. Ausgestaltung und Relevanz kann man schon kritisch hinterfragen. Macht es Sinn, so viel Geld in den Ausbau von Gipswänden zu investieren? Wie lieblos Sie mit dem Thema „Medienforum NRW“ umgehen, wurde bei den Münchener Medientagen besonders peinlich deutlich. Alle Medienveranstaltungen in Deutschland 2013 sind terminiert, nur – Herr Schick hat es gerade auch angedeutet – für das Medienforum NRW, das eigentlich traditionell im ersten Halbjahr stattfindet, gibt es noch keinen Termin. Langfristige Planung sieht anders aus.

(Beifall von der FDP)

Ein anderer Bereich: Film wird vielfach mehr als Games gefördert. Dabei ist die Games-Industrie einer der am schnellsten wachsenden Branchen. Die Förderung ist zwar für die erfolgreichen Unternehmen nicht notwendig, aber wir brauchen schon lange gezielte Maßnahmen im Bereich Ausbildung, wovon nicht nur Start-ups profitieren würden. Auf dem Games-Kongress in Köln im Sommer wurde beklagt, es drohe, dass es für die Themen „Gestaltung“, „Design“ und „narrative Modelle“ hierzulande zu wenig Entwickler geben werde. Das kann den Standort NRW sehr gefährden. Wir haben seit 2010 schon viele Ankündigungen von rot-grünen Medienpolitikern gehört, was man so anpacken will. Netzpolitik und Medien kamen leider schon in der Regierungserklärung im September nicht konkret vor. Konkret wird ab 1. Januar für die Gebührenzahler die Medienabgabe.

Verwundert hat mich in diesem Zusammenhang der kleine Hilferufbrief von Herrn Eumann an die Intendantin des WDR, den Frischlingen im Landtag doch einmal zu erklären, wieso und warum. Die Intendantin wird sich höchstwahrscheinlich gefragt haben: Warum soll ich jetzt auch noch den Job des Staatssekretärs mit übernehmen?

(Beifall von der FDP)

Sie merken: Es regt sich Unmut. Wir wissen, was wir den Bürgern auf die vielen Briefe antworten müssen. Die beschweren sich nämlich genau über die Ungerechtigkeiten bzw. Punkte, die wir Ihnen eigentlich schon vor der Ratifizierung vorgelegt hatten: die Doppelbelastung für Zuschauer, die Mehrbelastung für viele Unternehmen und natürlich der weitreichende Datenabgleich sowie weitere angekündigte Datenerhebungen. Das erzürnt nicht nur die Datenschützer. Sie wollten die Argumente damals nicht zur Kenntnis nehmen. Jetzt müssen Sie eben Briefe schreiben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist eine Haushaltsberatung zur zweiten Lesung des Haushaltes 2012 und damit eine, die uns alle vor die Frage stellt: Was können wir denn im Haushalt eigentlich noch diskutieren? Wir sind uns hier in diesem Hohen Hause einig darüber, dass dies, bedingt durch die besonderen historischen Umstände, die das Land Nordrhein-Westfalen in 2012 erlebt hat, auch eine besondere haushalterische Situation ist. Der Haushalt ist zu gut 11/12 bereits verausgabt. Wir haben eine Situation, in der wir jetzt hier als Parlament dafür sorgen müssen, dass das Ganze innerhalb des Jahres auch einem Haushaltsgesetz folgt. Dieses zu verabschieden, stehen wir heute hier zusammen und diskutieren darüber.

Ich habe mit Interesse gehört, Herr Kollege Nückel und andere, was Sie zu kritisieren haben. Ich finde, gerade im Bereich der Medienpolitik ist es immer besonders schwer, die Dinge so pauschal in eine andere Richtung zu bringen. Es ist, finde ich, schwierig zu sagen: Das alles war in den fünf Jahren, wo wir mehrheitlich eine Regierung gestellt haben, unheimlich toll, und eineinhalb Jahre später ist es dann alles unheimlich schlecht. Das kann nicht sein. Es kann auch nicht sein, dass es vorher alles nicht gab. Als dann Herr Rüttgers fünf Jahre regiert hat, gab es alles, alles war prima, und jetzt gibt es das alles wieder nicht mehr. Diese Art der Betrachtung politischer Zusammenhänge langweilt, glaube ich, die Leute eher,

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

weil sie das Gefühl haben bzw. haben müssen, dass es nicht sein kann, dass innerhalb einer Kontinuität von Regierungen, die sich zum Teil – jedenfalls für die Leute von außen betrachtet – gar nicht so stark unterscheiden, plötzlich das eine so furchtbar und das andere dann wieder so toll gewesen sein soll.

(Christian Lindner [FDP]: Das gilt aber auch umgekehrt!)

– Oh, er ist da! Guten Morgen, Herr Lindner! Schön. Sie haben recht. Es gilt umgekehrt auch.

(Christian Lindner [FDP]: Ich bin zwei Stunden da, wie lange Sie?)

– Es gilt umgekehrt auch. Wenn Sie eine Frage haben, melden Sie sich bitte einfach noch einmal. – Es ist aber trotzdem wichtig zu sehen, dass eben eine gewisse Kontinuität herrscht. Deshalb bin ich für meine Fraktion hier und sage: Wir sind froh, dass wir auch im Haushalt 2012 mit Blick auf die Medienpolitik Kontinuität zeigen konnten und Entwicklungspotenziale weiterführen, die wir für wichtig halten. Das hat sowohl etwas mit den Fragen der digitalen Entwicklung zu tun als auch mit der Film- und Medienstiftung. Es hat auch etwas mit dem schon vielfach erwähnten und zu Recht gelobtem Medienpass zu tun, und es hat etwas damit zu tun, dass insgesamt die Kooperation sowohl auf der Ebene der Landesanstalt für Medien als auch mit den verschiedenen großen Playern – wie dem Grimme-Institut und anderen – nach wie vor sehr gut läuft.

Das Land ist medienpolitisch gut aufgestellt. Es läuft auch sehr gut. Wir haben über 300.000 Menschen, die in diesem Kreativbereich nach wie vor beschäftigt sind. Und wir haben eine sehr lebendige Film- und Produzentinnenlandschaft, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Wir konkurrieren mit Standorten wie Berlin, Hamburg, München und sind da weit vorne weg. Und das soll auch so bleiben.

Insofern sollten wir es nicht schlechterreden, als es ist. Wir brauchen es aber auch nicht gesünder und schöner zu reden, als es ist. Stattdessen sollten wir einen realistischen Blick auf die Dinge werfen. Das wurde auch mit dem Entwurf des Haushalts 2012 so getan.

Ich kann Ihnen sagen: Wir werden dem Haushalt in zweiter, vermutlich sogar in dritter Lesung zustimmen, auch im Medienbereich, mit der Überzeugung, dass wir das, was wir uns vorgenommen haben, was Sie zum Teil auch nachlesen konnten und hier aufgeführt haben, nämlich im Rahmen unserer Koalitionsvereinbarung, Zug um Zug umsetzen werden – wie die Novelle des Landesmediengesetzes, die Novelle des WDR-Gesetzes –, alles in Richtung Open Government und Open Data, so wie wir es zum Teil in Anträgen ins Hohe Haus eingebracht haben.

Die Alarmstimmung etwas herunter, Sachlichkeit in die Debatte bringen und gemeinsam gucken, den Medienstandort nicht durch zu kontroverse Diskussionen über die eigentlich unstrittigen Themen zu gefährden, um die interessante Debatte über den Medienstandort hier im Hohen Hause wie auch an anderen Stellen konstruktiv fortzuführen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Rängen, an den Volksempfängern und den neuartigen Rundfunkgeräten.

Nordrhein-Westfalen ist der führende Medien- und Kreativwirtschaftsstandort Deutschlands. Hier sind über 60.000 Unternehmen mit über 350.000 Mitarbeitern angesiedelt. Neben dem Wirtschaftsfaktor sind Medien auch ein zentraler Kulturfaktor unseres Landes. Die digitalen Medien stellen einen ebenso wichtigen Teil unserer Medienlandschaft dar wie Zeitungen, Fernsehen und andere klassische Medien.

Die Bedeutung dieser digitalen Medien steigt ständig. Allein die Software- und Games-Branche ist in Nordrhein-Westfalen seit 2008 um 30 % gewachsen. Der Umsatz dieses Bereiches ist in Nordrhein-Westfalen bereits heute höher als der von Film- und Musikindustrie zusammengenommen. Der Bereich der digitalen Medien ist vor allem auch ein Innovationsmotor, der für positive Effekte in allen anderen Branchen sorgt. Für die Piratenpartei ist dieser Bereich die Quelle der digitalen Revolution, die wir derzeit erleben und die sich auf alle Lebensbereiche ausdehnt.

In diesem Sektor finden sich die Chancen zukünftiger Technologien und Konzepte, aus denen dann Nutzen für alle Menschen und nicht zuletzt auch neue Arbeitsplätze entstehen. Umso wichtiger ist es für uns, dort Vielfalt, Kreativität und Unabhängigkeit zu sichern und zu fördern sowie den Netzausbau voranzutreiben.

Der Medienhaushalt des Landes im Jahre 2012 beträgt rund 21,7 Millionen €. Davon werden 16,6 Millionen € für die Förderung der Film- und Fernsehinfrastruktur ausgegeben. Uns Piraten ist die Schwerpunktsetzung allein auf Film und Fernsehen deutlich zu einseitig.

(Beifall von den PIRATEN)

Zwar wird die Filmstiftung NRW derzeit zu einer Film- und Medienstiftung ausgebaut; bisher hat mir die Ministerin jedoch noch keine Antwort auf meine Frage gegeben, wie sich die finanzielle Förderung von Film- und Medienstiftung NRW in Zukunft auf den Bereich Film sowie die übrigen Medien verteilen wird.

Eines der Hauptprobleme des gesamten Haushaltes ist die mangelnde Transparenz. Große Teile der Haushaltsmittel fließen in Stiftungen, landeseigene Betriebe und Institute, die Förderaufgaben des Landes übernehmen. Wie die Gelder dort tatsächlich ausgegeben werden, ob der Förderzweck erreicht wird, ob die durchgeführten Evaluationen zu Konsequenzen führen und welche Kriterien für die Förderung überhaupt angelegt werden, bleibt im Dunkeln.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Sie sitzen doch mit in der Stiftung!)

Wir Piraten wünschen uns eine stärkere Förderung der neuen Medien sowie eine Ausweitung des Förderprogramms „innovativer audiovisueller Inhalte“ sowie im Netzausbau.

Ein Kernpunkt der Medienpolitik muss aus Sicht der Piraten die Vermittlung von Medienkompetenz sein. Medienkompetenz umfasst dabei nicht nur die technische Kompetenz, sondern besonders die Medienkritik, also die kritische Bewertung von Inhalten. Ein weiterer wichtiger Teil betrifft die Mediengestaltung, also die Fähigkeit zur kreativen Partizipation an interaktiven Medien.

Hier begrüßen wir die Entscheidung der Landesregierung, einen Schwerpunkt auf die Vermittlung von Medienkompetenz zu legen. Dies soll durch das Grimme-Institut geschehen. Allerdings hat die Landesregierung ihre Pläne noch nicht weiter konkretisiert. Das Netzpferdchen reicht uns da nicht aus.

Ich möchte Sie bitten, Ihre Vorstellungen für die Neuausrichtung des Grimme-Instituts möglichst bald öffentlich zu machen. Wir Piraten sind gerne bereit, uns an diesem Prozess zu beteiligen. Als selbstverständlich sehen wir dabei an, dass der Umgang mit den zugewiesenen Mitteln durch das Grimme-Institut klar und nachvollziehbar gestaltet wird.

Solange die von uns geforderte Transparenz der Institute und Stiftungen nicht besteht, die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel nicht belegt ist und die genauen Pläne der Landesregierung uns nicht bekannt sind, ist der Haushaltsentwurf für uns nicht zustimmungsfähig. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns sicher alle darüber einig, wie wichtig die Medien- und Telekommunikation für unser Land Nordrhein-Westfalen ist. Deswegen verfolgen wir in Kapitel 02 200 – Medien – vor allen Dingen drei Ziele:

Wir wollen Kompetenz vermitteln, Qualität und Vielfalt fördern und den Medienstandort Nordrhein-Westfalen stärken. Herr Nückel, vielleicht können Sie daran schon sehen: Es geht nicht darum, dass Sie Potemkinsche Dörfer aufbauen, welche Sorgen und Ängste wir mit den neuen Medien verbinden. Nein, es geht darum, dass wir die Chancen dieser neuen Medien nutzen.

Ich will das an drei wichtigen Beispielen deutlich machen: Medienpass NRW, Internetportal zur Medienqualifizierung und Tag der Medienkompetenz.

Dass die moderne Medienwelt unser Leben rasant verändert hat und deswegen die Förderung der Medienkompetenz eine ganz wichtige Bildungsaufgabe ist, wird kaum von jemandem bestritten. Teilhabe setzt heute den selbstbestimmten und kritischen Umgang mit Medien voraus. Das bedeutet die Fähigkeit, Medien zu nutzen, Medieninhalte zu analysieren und zu beurteilen sowie selbst Medieninhalte zu schaffen.

In der Tat geht es nicht darum, darüber zu wehklagen, welche Gefahren mit Medien verbunden sind, sondern dafür zu sorgen, dass junge Menschen selbstbestimmt mit diesen Medien umgehen können. Deswegen initiiere, fördere und unterstütze ich Projekte und Initiativen, die sich an Bürgerinnen und Bürger sowie Multiplikatoren richten. Ein Beispiel ist der Tag der Medienkompetenz im Landtag am 26. November. Gemeinsam wollen wir die Themen „Lernen“, „Vertrauen“ und „Partizipieren“ diskutieren. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich ebenfalls aktiv beteiligen.

Zweites Beispiel: Medienpass NRW. Mit Frau Kollegin Löhrmann war ich gestern in einer Grundschule, und wir konnten dort die Ergebnisse der Pilotphase kennenlernen. Sie wären erstaunt gewesen, mit welchem Engagement und mit welcher Konzentration uns Grundschulkinder ihr Projekt einer Kinderrechterecherche über das Netz mit einer Präsentation vorgetragen haben. Dort sind wirklich sehr erfolgreich die Qualifikationen erworben worden, die kindgerecht für dieses Alter zu erwerben sind.

Die Rückmeldung der Kolleginnen und Kollegen ist durchaus positiv: Mit dem zur Verfügung gestellten Material kann gut gearbeitet werden. Die Verbreiterung des Projektes zeigt den Erfolg dieser Initiative. Deswegen werden wir es auch auf die Sekundarstufe ausdehnen – zunächst auf die fünften und sechsten Klassen, und dann wird es weitergehen.

Nächstes Beispiel: Internetportal Medienqualifizierung. Dieses Portal soll versierte Fachkräfte an den Standort NRW binden, neuen Talenten den Weg in die Branche ebnen und die Personalentwicklung der Unternehmen unterstützen. Wir wollen transparente, unabhängige und aktuelle Informationen bieten, die in der Medien- und Kommunikationsbranche gebraucht werden.

Meine Damen und Herren, ich nenne weiterhin das Thema „Qualität und Vielfalt fördern“. Denn dabei geht es nicht nur um Kinofilmdigitalisierung, sondern dabei geht es vor allen Dingen darum, die Digitalisierung im Medienland über Initiativen voranzubringen sowie die neuen Unternehmen und Start-ups zu unterstützen, damit sie hier Games, interaktives Fernsehen, Bildungs- und Entertainmentangebote erfolgreich starten können.

Dazu trägt auch die Arbeit der Film- und Medienstiftung bei, die selbstverständlich heute noch 70 % ihrer Mittel in die Filmförderung gibt. Das waren im vergangenen Jahr immerhin 30,5 Millionen €. Sie stellt aber darüber hinaus inzwischen schon Hunderttausende zur Verfügung, um im weiteren Bereich der digitalen Medien Förderungen vornehmen zu können.

Unverzichtbar ist in der Tat das Medienforum. Herr Nückel, ich kann Ihnen heute mitteilen: Am 5. Juni 2013 wird erneut das Medienforum stattfinden, und es werden sich sicherlich wieder zahlreiche Fachexperten aus dem In- und Ausland treffen, um sich dort auszutauschen und neue Initiativen in den Medienmarkt zu geben.

Herr Präsident, erlauben Sie mir, zum Abschluss dieser Debatte noch ein kleines Resümee zu ziehen. Ich habe aus dieser Debatte die Schlussfolgerung gezogen, dass es über alle richtigen und wichtigen Dissenspunkte hinaus, die wir haben, eine Bereitschaft gibt, heute das Haushaltsgesetz 2012 zu verabschieden. Das tut den Leistungsempfängerinnen und ?empfängern im Lande gut, das tut dem Ansehen unserer Arbeit bei den Bürgerinnen und Bürgern gut, und – viel wichtiger – das ist notwendig für eine gedeihliche Entwicklung unseres schönen Landes Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um eine Minute überzogen. Ich teile das mit, mir liegen aber keine weiteren Wortmeldungen vor. – Damit ist auch die Beratung zum Teilbereich Medien abgeschlossen. Wir sind am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1202 die unveränderte Annahme des Einzelplans 02. Zu diesem ist für alle Teilbereiche der heutigen Beratung Einzelabstimmung von der Fraktion der Piraten beantragt worden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt jetzt fünf Abstimmungen. Wir haben viermal eine Einzelabstimmung zu den einzelnen Teilbereichen des Einzelplans 02, und wir führen danach eine Gesamtabstimmung durch.

Wir kommen nun zur Einzelabstimmung über den Teilbereich „Ministerpräsidentin und Staatskanzlei“. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Teilbereich mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU, der FDP und der Piraten angenommen.

Wir kommen zweitens zur Einzelabstimmung über den Teilbereich „Landesplanung“. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Teilbereich mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten gegen die Stimmen der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion angenommen worden.

Wir kommen drittens zur Einzelabstimmung über den Teilbereich „Europa und Eine Welt“. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Teilbereich mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten gegen die Stimmen der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion angenommen worden.

Ich rufe viertens die Einzelabstimmung für den Teilbereich „Medien“ des Einzelplanes 02 auf. Wer kann dem seine Zustimmung geben? – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Teilbereich mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP bei Enthaltung der Piraten angenommen.

Ich rufe nunmehr auf die Gesamtabstimmung über den Einzelplan 02. Wer dem Einzelplan 02 seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Der Einzelplan 02 hat eine Mehrheit mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU, FDP und der Piraten gefunden. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/1202 angenommen und der Einzelplan 02 heute verabschiedet worden.

Ich rufe nun auf:

     Einzelplan 14
Ministerium für Wirtschaft, Energie,
Industrie, Mittelstand und Handwerk

und zwar zunächst den

     Teilbereich
Wirtschaft, Industrie,
Mittelstand und Handwerk

Ich gebe den Hinweis auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1214 zum Einzelplan 14.

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Abgeordneten Wüst von der CDU-Fraktion das Wort.

(Beifall von der CDU)

Hendrik Wüst (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, Herr Präsident, zunächst einen Hinweis, den ich jetzt eigentlich dem Falschen gebe. Mir ist heute aufgefallen, dass mehrere Kollegen ihre Jungfernrede gehalten haben, ohne dass darauf vorher hingewiesen wurde. Ich fand das früher einen schönen Brauch. Vielleicht kann man es in den nächsten Sitzungen, wenn es dann noch erste Reden gibt, wieder so handhaben, wie das früher der Fall war.

(Allgemeiner Beifall)

Nun zur Sache: Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zunächst ein ehrlich gemeintes Kompliment an die Fraktionen von SPD und Grünen. Sie haben gestern bis in den späten Abend die Mehrheit garantiert. Ich finde, dafür sollten Sie von der Landesregierung ein bisschen mehr Respekt verlangen. Etwas mehr Selbstbewusstsein der die Regierung tragenden Fraktionen täte dem ganzen Haus gut. Ende November den Haushalt eines Jahres zu beschließen, tritt die Königsrechte des Parlaments mit Füßen. Etwas mehr Selbstbewusstsein Ihrerseits in dieser Hinsicht täte dem ganzen Parlament gut.

Die Debatte ist also mehr eine Rückschau auf das wirtschaftspolitische Jahr 2012, geprägt vom Wechsel im Amt. Der Ruhesessel der Jahre 2010 bis 2012 soll vergessen gemacht werden. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Hannover können wir hier jetzt Herrn Duin begrüßen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter Wüst, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Priggen zulassen?

Hendrik Wüst (CDU): Sehr gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Priggen, bitte sehr.

Reiner Priggen (GRÜNE): Danke schön, Herr Kollege Wüst. – Herr Kollege Wüst, einmal angenommen, bei der Landtagswahl im Mai hätte die CDU die absolute Mehrheit erreicht und Sie wären im Juli Finanzminister geworden, wann hätten Sie den Haushalt eingereicht und wann wäre er verabschiedet worden?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Hendrik Wüst (CDU): Ich kann Ihnen sagen, Herr Priggen, ich hätte in jedem Fall einen ausgeglichenen Haushalt eingereicht.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Herr Minister Duin, ich will Sie auch in diesem Plenum noch einmal herzlich willkommen heißen. Das, was wir von Ihnen in den letzten Wochen gehört haben, vermag zu gefallen, und es soll wohl auch Wirtschaft, Mittelstand und Handwerk in Nordrhein-Westfalen gefallen. Die Haushaltsdebatte ist allerdings auch immer Anlass, in die Details zu gehen. Obwohl in den letzten zwei Jahren keine Impulse aus Ihrem neuen Hause gekommen sind, sind die Personalkosten im Vergleich zu 2010 um 3 Millionen € gestiegen. Die Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen wird bis heute üppig verwaltet, nicht mehr.

Verwaltungskosten gibt es auch bei dem wesentlichen Punkt, nämlich bei den Ziel-2-, bei den EFRE-Mitteln. Sie sind um 2,5 Millionen € gestiegen, obwohl bereits Mitte 2011 das Vergabeverfahren ausgesetzt wurde. In der Sache gibt es einen Stillstand bei steigenden Kosten. Sie kennen alle die Binsenweisheit, dass Stillstand immer Rückschritt bedeutet. Deswegen haben all jene, die in der Wirtschaftspolitik keine positiven Akzente setzen, die letzten Jahre weidlich ausgenutzt.

Ich hätte es, Herr Minister Duin, als Affront angesehen, in der ersten Kabinettssitzung gleich das Klimaschutzgesetz vor den Latz geknallt zu kriegen. Dieses vergiftete Begrüßungsgeschenk von Herrn Remmel hängt Ihnen jetzt an.

(Beifall von der CDU)

Sie hätten es jedenfalls nicht klaglos hinnehmen sollen. Kein anderes Politikfeld eignet sich so wenig für Kirchturmdenken wie der Klimaschutz. Deswegen ist dieses Klimaschutzgesetz zum Scheitern verurteilt.

Wenn Sie ein wenig den Rhein hinaufschauen, dann sehen Sie in Neuss-Norf die Aluminiumproduktion. Daimler Benz hat angekündigt, bei jedem Modellwechsel jedes Auto um 100 kg leichter zu machen. Das geht nicht ohne moderne Verbundstoffe oder eben Aluminium. Es wird also in Deutschland auch in Zukunft der energieintensive Grundstoff Aluminium verbaut werden.

Das Klimaschutzgesetz, das Sie hingenommen haben, führt dazu, dass es immer schwieriger wird, diesen Grundstoff Aluminium hier herzustellen. Er wird in Zukunft aus Indien und China importiert werden, wo nicht nur mehr Energie aufgewendet werden muss, weil die dortigen Anlagen nicht auf dem hiesigen Niveau sind, sondern auch die Energie viel schmutziger hergestellt wird.

(Beifall von der CDU)

Wir riskieren also Arbeitsplätze bei uns in Nordrhein-Westfalen, und der Klimaschutz hat nichts davon, unter Umständen zahlt er sogar drauf.

Mit diesem Klimaschutzgesetz hat Herr Remmel alles in die Hand bekommen, um die Deindustrialisierung voranzutreiben, obwohl wir alle wissen, dass gerade die Industrie eine der starken Säulen in der Krise in den letzten Monaten und Jahren war. Da passt Handeln und Reden nicht zusammen.

(Beifall von der CDU)

Das Gleiche ist zum Thema „Handwerk“ zu sagen. Das Handwerk war die zweite starke Säule in der Krise.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Ganz Europa schaut auf uns – gerade die Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit –, sieht sich das duale Ausbildungssystem im Handwerk an. Die Spanier schicken uns junge Leute zur Ausbildung. Erste Pilotprojekte sind dazu angelaufen. Und was passiert bei uns? – Seit 2004, seit der Clement‘schen Novelle, hat sich die Zahl der Betriebsleiter im Handwerk ohne Meisterbrief verdoppelt. Die Folgen davon werden wir erst in einigen Jahren absehen können. Aber wir sollten uns schon heute mit diesem Thema auseinandersetzen, weil aus Europa wieder der Versuch gemacht wird, an dieses gute System heranzugehen.

Herr Minister Duin, ich fordere Sie auf: Nehmen Sie sich dieses Thema noch einmal vor. Ich habe Ihnen mit einer Kleinen Anfrage Gelegenheit gegeben, das zu tun. Sie ist ziemlich barsch abgetan worden. Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam daran arbeiten könnten.

(Beifall von der CDU)

In Kurzform: Herr Minister, Ihre ersten Auftritte sind von Wirtschaft, Mittelstand und Handwerk mit Sympathie aufgenommen worden. Die ersten Ergebnisse führen allerdings dazu, dass ich sagen muss: Der erste Lack ist schon ab. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Wüst. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Müller-Witt.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte unsere sozialdemokratische Wirtschaftspolitik einmal kurz mit drei Begriffen umreißen: ökonomisch leistungsfähig, ökologisch verträglich und sozial gerecht. Das ist der Dreiklang, der die sozialdemokratische Wirtschaftspolitik charakterisiert. Nur ein ausbalanciertes Verhältnis aller drei Maximen garantiert nachhaltiges Wirtschaftswachstum.

Die derzeitige Konjunkturlage kann als noch zufriedenstellend bezeichnet werden, wenn auch nicht übersehen werden darf, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise insgesamt längst nicht als überwunden angesehen werden kann. So ist zwar das Niveau von 2005/2006 wieder erreicht worden, aber noch nicht der Wert von Anfang 2008. Die kürzlich veröffentlichten neuesten Konjunkturzahlen, die bundesweit auf ein abgeschwächtes Wachstum hindeuten, unterstreichen die zurückhaltende Entwicklung noch einmal.

Umso mehr Bedeutung erhält das wirtschaftspolitische Instrumentarium, was seinen Ausdruck im vorliegenden Haushalt findet. Im Gegensatz zum wirtschaftsliberalen Laissez-faire wollen wir Impulse setzen, die der Realwirtschaft neue Wachstumschancen eröffnen und bestehende zukunftsträchtige Strukturen unterstützen – angefangen bei Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, aus denen sich neue Cluster entwickeln können. Sie tragen zur technologischen Weiterentwicklung bei und bedürfen der Unterstützung des Landes.

Ein wesentlicher Faktor für das im Vergleich zu anderen gute Abschneiden bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise ist unser ausgeprägter Mittelstand. Ja, Herr Wüst, den Mittelstand haben wir auch im Fokus – den Mittelstand, der das Fundament unseres Erfolges darstellt. Mit dem jetzt vorliegenden Mittelstandsgesetz zeigt unsere Landesregierung, welche Bedeutung sie dem Mittelstand beimisst.

Die kürzlich durchgeführte Anhörung zum Gesetzentwurf zeichnete sich durch nahezu einhellige Zustimmung aus. Die Presseveröffentlichungen der Opposition dagegen waren bemerkenswert. Man konnte fast den Eindruck haben, dass Sie bei einer anderen Veranstaltung waren. Aber vielleicht wollten Sie nur verdrängen, dass dieses Gesetz fast unisono begrüßt wurde.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die klar definierten Förderziele unterstreichen noch einmal die Bedeutung des Mittelstandes im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Der Mittelstand bildet mit seinem 99%igen Anteil am Gesamtunternehmensbestand das Fundament unserer Wirtschaft. Er trägt weitgehend die Lasten der Ausbildung von Fachkräften und beschäftigt einen Großteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Hier gilt es, die vielfach vorhandenen Potenziale der KMU bezüglich Forschung und Entwicklung zu heben und zu unterstützen. Aus diesem Grunde sind fördernde und damit auch steuernde Landesprogramme unverzichtbar.

Mit der auf viel Zustimmung gestoßenen Clearingstelle soll den oft beschworenen Reibungsverlusten im Zusammenwirken von öffentlicher Verwaltung und Mittelstand Rechnung getragen werden. Es handelt sich gewissermaßen um eine permanente Evaluation von Verwaltungsabläufen mit dem Ziel, sie optimal an die Bedürfnisse der Betroffenen anzupassen.

KMU, mittelständische Industrie und Großindustrie bilden das wirtschaftliche Profil unseres Landes. Dabei stellen Mittelstand und Industrie keineswegs Gegensätze dar. Dessen sind wir uns bewusst und bekennen uns ganz klar zum Industriestandort NRW. Hier ist die industrielle Herzkammer Deutschlands.

Diese Industrieregion unterliegt einem bis heute nicht beendeten Strukturwandel, der durch gezieltes politisches Handeln begleitet und gestaltet werden muss. Dabei müssen sowohl Produktentwicklung als auch Anpassung der Produktionsverfahren in den Fokus genommen werden. Innovationen zu unterstützen und neue Marktchancen zu ermöglichen, ist eine Aufgabe nachhaltiger Wirtschaftspolitik. Ressourcen effizient einzusetzen und technologischen Fortschritt zu generieren, ist eine andere Aufgabe zukunftsorientierter Wirtschaftspolitik.

Im vorliegenden Haushalt ist dies genau nachgezeichnet. Er zeichnet sich durch einen perspektivisch verantwortlichen, an der Zukunftsfähigkeit unseres Landes orientierten Einsatz von Fördermitteln aus.

Dies gilt auch für den Einsatz der Regionalisierungsmittel des Bundes und der EFRE-Mittel. Dort läuft im Jahre 2013 die laufende Förderperiode aus. Die nächste Förderperiode ab 2014 wird weiteren Erfolg zeigen.

Der heute zur Debatte stehende und bereits fast abgearbeitete Haushaltsplan 2012 zeichnet sich aus durch einen gut ausbalancierten Einsatz der Haushaltsmittel zur Förderung von Strukturwandel, wo es erforderlich ist, zur Stärkung, wo sie geboten ist, und zum Setzen von Impulsen, wo Zukunftsstrategien dies sinnvoll erscheinen lassen. Es ist also ein Haushaltsplan, der Perspektiven eröffnet. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Bombis.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen auf der Tribüne und anderswo! Sehr geehrter Herr Minister, ich hatte inzwischen bei zahlreichen unterschiedlichen Anlässen Gelegenheit, Ihnen zuzuhören – zuletzt noch im Ausschuss anlässlich Ihrer sogenannten kleinen Regierungserklärung.

Ich wiederhole gerne meinen schon mehrfach geäußerten Eindruck: Die großen Linien, die Sie vortragen, und die Überschriften Ihrer Politik bewerten wir als FDP-Fraktion durchaus positiv.

Aber ich will nicht verhehlen – das muss ich auch wiederholen –, dass sich dieser Eindruck aufgrund des konkreten Regierungshandelns bisher leider nicht bestätigt. Ich möchte das an drei kurzen Beispielen verdeutlichen, die Sie gerne auch immer wieder selber nennen und die ich in dem Zusammenhang für sehr plakativ halte.

Sie benennen die Industrie als wesentliches Fundament unserer nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Da haben Sie die FDP an Ihrer Seite. Aber ich füge hinzu: Wenn diese Regierung – das war bereits bei der Minderheitsregierung der Fall – durch eine überflüssige Umweltgesetzgebung, durch das jetzt vorliegende Klimaschutzgesetz, das ja durchaus auch von Ihnen nahe stehenden und uns gar nicht so nahe stehenden Gruppen kritisiert wird, durch diese Politik dieses an sich richtige Ziel konterkariert, wenn sie durch die Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts, durch die geplante Kiesabgabe und Ähnliches vor allem die Industrie in unserem Bundesland, in Deutschland, in Europa und in der Welt mit Wettbewerbsnachteilen ausstattet, die nicht einmal zum Nutzen der Umwelt sind, dann, Herr Minister – es ist schon angeklungen –, werden Sie dabei nicht die Unterstützung der FDP-Fraktion bekommen können.

(Beifall von der FDP)

Ich nenne als zweiten Punkt die Position zu Mittelstand und Handwerk – eine Position, die uns als FDP sehr wichtig ist und bei der wir grundsätzlich gerne zur Unterstützung bereitstünden. Wenn aber als eine der ersten Handlungen in der letzten Legislaturperiode durch die rot-grüne Minderheitsregierung das Gemeindewirtschaftsrecht nachteilig für den Mittelstand revidiert worden ist, wenn Beschränkungen für den Einzelhandel durch eine völlig überflüssige Restriktion der Ladenöffnungszeiten angedacht werden, nach denen niemand gerufen hat, wenn Bürokratie vor allem kleine Betriebe und das Handwerk, etwa durch das Tariftreue- und Vergabegesetz, belastet, wenn dann auch noch ein Nichtraucherschutzgesetz ohne verantwortbare Ausnahmen für selbstverantwortliche Erwachsene einen Teil der Gastronomen bedroht, wenn schließlich die Erhöhung der Grunderwerbsteuer zum Nachteil von Freiberuflern und Familienunternehmen oder eine gegen die Tourismusbranche gerichtete Bettensteuer eingeführt werden, dann sehen wir in all diesen Punkten, so leid es uns tut, keine positiven Aspekte für Mittelstand und Handwerk, Herr Minister.

(Beifall von der FDP)

Dagegen stellen Sie nur ein Mittelstandsgesetz, das – es sei mir verziehen – zwar positiv im ersten Schritt von vielen Verbänden angenommen worden ist, bei dem aber auch negativ dargelegt worden ist, was alles noch fehlt in diesem Gesetz und wie unkonkret es in vielen Punkten noch ist. Wir haben große Zweifel, dass vor dem Hintergrund des Vorgenannten dieses Gesetz wirklich positiv für den Mittelstand wirken kann. Wir werden es sehr genau beobachten.

(Beifall von der FDP)

Diese Politik können wir bisher jedenfalls nicht stützen.

Ich möchte schließlich ein Zitat von Ihnen, Herr Duin, in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses zum Anlass nehmen, einen dritten wichtigen Punkt aufzurufen. Sie haben gesagt, Berlin und Brüssel dürften sich nicht von den Finanzmärkten länger treiben lassen. – Da bin ich durchaus bei Ihnen. Aber dann hätten Sie im Kabinett, Herr Minister, diesem Haushalt nicht zustimmen dürfen. Denn dieser Haushalt ist insgesamt ein Schuldenhaushalt ohne erkennbare Bereitschaft zur perspektivischen Entschuldung. Sie lassen sich doch immer weiter treiben. Das schafft kein Vertrauen in den Finanz-und Wirtschaftsplatz Nordrhein-Westfalen. Gerade in diesen Zeiten und nach den Erfahrungen der Finanzkrise – das muss man doch sagen – dürfen wir diese bestehende Verschuldung nicht ignorieren und durch neue Schulden diese Lage nicht sogar noch verschlimmern und vertiefen. Das entzieht dem Wirtschaftsstandort viel stärker die Grundlage, als man sie durch Imagekampagnen oder gelungene Slogans wiederherstellen könnte.

Die beste Visitenkarte für einen nachhaltig verlässlichen Wirtschaftsstandort ist eine solide Haushaltspolitik, ist ein Staat, der seine Stärke daraus zieht, sich auf die wirklich wichtigen Themen für die wirklich hilfsbedürftigen Menschen zu konzentrieren.

Dazu, Herr Minister, passt ein weiteres Zitat des Abgeordneten Garrelt Duin im Deutschen Bundestag vom 21. Januar 2010. Da haben Sie gesagt – ich glaube, das können wir als FDP durchaus unterschreiben –:

„Auch ich will keinen fetten, selbstgerechten, die Menschen bevormundenden oder ihre Freiheit beschränkenden Staat, jedoch einen handlungsfähigen und – ich füge hinzu – auch einen von den Bürgerinnen und Bürgern anerkann­ten Staat, also einen Staat, der seine Reputation nicht aufs Spiel setzt.“

(Beifall von der FDP)

Diesem Ziel, Herr Minister, können wir uns ohne Weiteres anschließen. Sie werden dieses Ziel aber nicht erreichen, wenn Sie weiterhin nur ein wirtschaftsfreundliches Aushängeschild eines insgesamt wirtschaftsunfreundlichen, die Menschen bevormundenden oder eben ihre Freiheit beschränkenden Regierungshandelns sind. Für dieses Regierungshandeln können Sie, zumindest bisher, nicht die Zustimmung einer echten liberalen Fraktion erwarten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der FDP: Bravo!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bombis. – Für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen spricht nun Frau Schneckenburger.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren jetzt den Einzelplan des Wirtschaftsministeriums. Das ist natürlich immer auch die Stunde der Opposition, die zu einer Generalabrechnung einlädt. Sie müsste allerdings in der Sache doch ein bisschen fundierter sein als das, was jetzt an rhetorischen Floskeln vorgetragen worden ist.

(Lebhafter Widerspruch von der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Wahrscheinlich leisten Sie das jetzt!)

Herr Wüst, Sie haben hier ein düsteres Bild des Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen gezeichnet. Die Daten und Fakten geben aber ein völlig anderes Bild her. Nordrhein-Westfalen ist nicht nur ein starker Wirtschaftsstandort in der Bundesrepublik und in Europa; Nordrhein-Westfalen ist auch relativ gut durch die Krise gekommen. Es gab schwierige Phasen hier, gerade für die Mittelständler, aber wir sind in der Summe als Bundesland gut durch die Krise gekommen. Das ist die Aufstellung zum jetzigen Zeitpunkt. Mit der muss man sich auseinandersetzen. Wenn man sich dann so hinstellt wie Sie eben, Herr Wüst, und ein Bild zu zeichnen versucht, als ob der Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen im Kern bedroht sei, dann wird man den Zukunftsaufgaben nicht gerecht.

Das, was Sie eben vorgetragen haben, gerade in Ihren Ausführungen zum Klimaschutzgesetz, ist im Grunde genommen ein Plädoyer auch für Strukturkonservatismus. Ich glaube, man kommt auch wirtschaftspolitisch in diesem Land überhaupt nicht weiter, wenn man sich an überkommenen Strukturen festklammert und versucht, sie in Beton zu meißeln; denn man steigt niemals zweimal in denselben Fluss.

Gerade ein Wirtschaftsland, das sich innovativ aufstellen will, das für die Zukunft vorsorgen will und auch dafür Sorge tragen will, dass die Aufgaben Energieeffizienz und Innovation so in Angriff genommen werden, dass wir international konkurrenzfähig sind, ein solches Land muss notwendig und zwingend schauen, wo die Effizienzpotenziale sind. Das Klimaschutzgesetz wird für dieses Land nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch wirtschaftlich einen Vorteil bringen. Da bin ich ganz sicher.

Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Land. Darauf ist mehrfach hingewiesen worden: Es hat starke kleine und mittlere Unternehmen, die in der Krise dafür gesorgt haben, dass wir als Land Kurs gehalten haben.

Das Mittelstandsgesetz trägt dem auch Rechnung. Es tut mir sehr leid, Herr Bombis, aber es ist anders, als Sie eben beschrieben haben. Die mittelständischen Unternehmen haben gesagt: Herzlichen Dank dafür, dass wir in einen so hervorragenden Beratungsprozess einbezogen worden sind. Sie sind von Anfang an in diesem Prozess der Entwicklung des Gesetzes mitgenommen worden.

(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Es war ein dialogorientiertes Verfahren. Das ist auch eine der Linien der Politik der Landesregierung. Insofern sind die Rückmeldungen aus den Unternehmen komplett andere, als Sie sie darstellen.

Es ist so eine Art Wunschvorstellung der FDP, dass sie sich an der Seite der kleinen und mittleren Unternehmen aufstellt. Wenn Sie aber ein bisschen mehr das Gespräch suchen würden, würden Sie, glaube ich, auch an der Stelle hören, dass sehr viel Lob in Richtung des Wirtschaftsministeriums für den Prozess insgesamt vorhanden ist. Das gilt übrigens auch für das Gesetz an sich, weil der Mittelstand das begreift als Angebot der Landesregierung, gemeinsam diesen schwierigen Prozess wirtschaftspolitischer Weiterentwicklung des Landes miteinander zu gehen.

(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Es macht keinen Sinn, diese Regierung als mittelstandsfeindlich darzustellen. Es macht übrigens auch keinen Sinn, hier noch einmal das Ladenöffnungsgesetz als Ausweis von Mittelstandsfeindlichkeit zu zitieren. Wir hatten heute Morgen – ich weiß gar nicht, ob Sie dabei waren – ein Gespräch mit dem Einzelhandelsverband. Der Einzelhandelsverband hat gesagt: Das ist eine Reform mit Augenmaß, die Sie da planen.

(Widerspruch von Dietmar Brockes [FDP])

Das ist eine Reform, mit der der Einzelhandel gut leben kann. Und am Sonntagsschutz hat der Einzelhandel auch ein Interesse. Es tut mir leid, es geht leider in die Irre.

(Unruhe)

Die Aufregung können wir vielleicht gleich unterbringen. – Ich möchte einen Punkt nennen, der hier nicht genannt worden ist. Wir haben einen enormen Fachkräftebedarf in Nordrhein-Westfalen. Das ist in der Tat eine der großen Herausforderungen für die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Darum ist es gut, dass das Land seine Bildungspolitik auch darauf ausgerichtet hat, mehr in der Spitze und mehr in der Breite zu fördern, dafür zu sorgen, dass die gut ausgebildeten, qualifizierten Fachkräfte in diesem Land für die Unternehmen zur Verfügung stehen. Denn das ist eine Ressource, die sie absolut dringend brauchen.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass die Konturen in diesem Haushalt richtig gesetzt sind. Nordrhein-Westfalen ist gut aufgestellt als Land der kleinen und mittelständischen Unternehmen und als zukunftsfähiger Industriestandort. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneckenburger. – Für die Fraktion der Piraten spricht nun Herr Kollege Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe noch ausharrende Abgeordnete! Wenn man in einem Auto geradewegs auf eine Wand zurast, dann ist weitere Beschleunigung nicht besonders hilfreich. Exakt so verhält es sich mit ständig steigendem Wachstum bei begrenzten Ressourcen.

Wir Piraten unterstützen eine Wirtschaftspolitik, die sich an Nachhaltigkeit orientiert, statt an quantitativem Wachstum. Entsprechend sollten wir das BIP als alleinigen Wohlstandindikator hinter uns lassen. Wirtschaftsförderung darf nicht nur das pure Wirtschaftswachstum, sondern muss Nachhaltigkeit und den Nutzen der Wirtschaft für alle Menschen fördern.

Leider ist die Wirtschaftsförderung in diesem Land undurchsichtig gestaltet. Der diesbezügliche Haushalt fließt überwiegend in Institute, Stiftungen und landeseigene Betriebe, die die Wirtschaftsförderung konkret betreiben sollen. Die Verwendung dieses Geldes muss man sich mühsam zusammensammeln aus diversen Veröffentlichungen dieser Stellen mit höchst unterschiedlicher Qualität und Aussagekraft. Über die angewendeten Kriterien und über den Erfolg von Wirtschaftsförderung ist wenig bekannt.

Wir Piraten fordern, dass für alle Stellen, die solche staatlichen Aufgaben wahrnehmen, dieselben hohen Anforderungen an Transparenz und Partizipation gelten müssen wie für den Staat selbst. Für den kommenden Haushalt erwarten wir entsprechend deutlich klarere Informationen in offenen Formaten. Legen Sie alle Daten offen!

(Beifall von den PIRATEN)

Die Gestaltung des Haushalts für das Wirtschaftsministerium ist alles andere als transparent. Es gibt einen Posten mit dem Namen „Tourismus und Kreativwirtschaft“, für den immerhin 2,3 Millionen € vorgesehen sind. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass hiervon nur rund 375.000 € in die Kreativwirtschaft fließen. Für jede Person, die in der Kreativwirtschaft beschäftigt ist, gibt die Regierung damit im Jahr ungefähr 1 € aus. Das ist natürlich viel zu wenig.

Ich frage mich, warum Sie diese Ausgaben für die Kreativwirtschaft mit denen für Tourismus vermischen. Solche Verschleierungsaktionen tragen nicht zur Klarheit des Haushaltes bei.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Regierung hat für das laufende Jahr 150.000 € für die Clearingstelle Mittelstand eingeplant, die im Rahmen des Mittelstandsförderungsgesetzes eingerichtet werden soll. Doch das Mittelstandsförderungsgesetz ist noch gar nicht verabschiedet.

Laut Aussage des Ministers wird die Clearingstelle nicht vor 2013 ihre Arbeit aufnehmen. Warum planen Sie dann bereits in diesem Haushalt Geld dafür ein? Wir Piraten haben im Haushalts- und Finanzausschuss einen Antrag eingereicht, um diesen überflüssigen Posten zu streichen.

Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben diesen Antrag ohne jede Begründung abgelehnt. Genauso sind Sie übrigens mit allen anderen Anträgen zum Haushalt umgegangen. Vermutlich haben Sie sie nicht einmal gelesen. So viel zu Ihrer vorgeblichen Bereitschaft zu konstruktiver Zusammenarbeit.

Im Grunde ist es aber müßig, über einen Haushalt zu debattieren, der schon zu 90 % verfrühstückt ist. Denn der Haushaltsentwurf wurde von der Regierung spät vorgelegt. Die Ausgaben für 2012 wurden längst getätigt. Wenn wir hier heute diskutieren, ist es in Wirklichkeit eine Scheindebatte. Die Regierung hat längst Fakten geschaffen und das Geld so verteilt, wie sie es für richtig hält. Das Parlament hat zum jetzigen Zeitpunkt keine Möglichkeiten mehr, steuernd einzugreifen.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Die Regierungsfraktionen tragen dieses Handeln der Regierung durch ihre Zustimmung mit.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Priggen?

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ich habe noch zwei Sätze, dann bin ich fertig.

Vizepräsident Oliver Keymis: Dann möchten Sie die Frage zulassen?

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ja, dann lasse ich die Frage zu.

Vizepräsident Oliver Keymis: Gut.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass der Haushalt des nächsten Jahres auch zu spät vorgelegt werden wird. Das Parlament in NRW hatte noch nie so wenig zu sagen wie heute. Diese Haushaltsdebatte ist nur noch die Simulation von Demokratie. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Priggen, Ihre Zwischenfrage. Bitte schön.

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Kollege, schönen Dank für die Gelegenheit, die Frage zu stellen. Ich überlege einfach ganz nüchtern: Sie sind durch die Neuwahl in den Landtag gekommen.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ja.

Reiner Priggen (GRÜNE): Angenommen, Sie wären im Juli Finanzminister geworden. Sie hätten dann mit Ihrem Haus den Haushalt aufstellen müssen. Das ist ein Arbeitsverfahren, das, wenn es eingearbeitet ist und gut läuft, zwei Monate dauert. Dann hätten Sie den Haushalt allerfrühestens Ende September in den Landtag einbringen können. Dann hätte er in die Ausschüsse gehen müssen.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Frage!)

Sie haben kritisiert, dass das undemokratisch, intransparent und sonst was ist. Meine Frage ist nun: Wie hätten Sie es denn bei diesen Abläufen schneller gemacht? Oder wollen Sie das nicht doch ein Stück zurücknehmen, weil es von den Abläufen her – selbst bei aller Anstrengung, ohne Sommerpause – objektiv gar nicht anders gegangen wäre?

Daniel Schwerd (PIRATEN): Mir fehlt die Frage, ich weiß nicht, worauf ich antworten soll.

Reiner Priggen (GRÜNE): Das ist meine Frage: Wie hätten Sie es anders gemacht? Wie hätten Sie es geschafft? Oder müssten Sie nicht zugeben, dass das gar nicht anders gegangen wäre, auch wenn Sie sich angestrengt hätten?

Vizepräsident Oliver Keymis: Eine Frage, Herr Kollege Priggen! Die ist gestellt. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben die Möglichkeit, zu antworten.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Es ist etwas schwierig, da jetzt die Frage herauszufinden.

(Zurufe von der SPD: Nein!)

Aber Ihnen ist ja klar: Dieses Jahr ist nicht vom Himmel gefallen. Es war ja schon in 2010 bekannt, dass es ein Jahr 2011 geben würde. Und 2011 ist bekannt, dass es ein Jahr 2012 geben wird.

(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN)

Es ist auch nicht so, als hätten Sie nicht gewusst, dass Sie einen Haushalt aufzustellen haben; denn Sie waren ja bereits vorher in der Regierung.

(Daniela Schneckenburger [GRÜNE]: Schon mal was von Wahlen gehört?)

Der fällt nicht vom Himmel, den hätten Sie einreichen können. Sie ziehen sich so oft darauf zurück, dass Sie den Haushalt im Prinzip nicht groß verändert haben. Wo also ist das Problem gewesen, ihn unmittelbar nach der Konstituierung einzubringen?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Schwerd, es gibt noch eine zweite Zwischenfrage. Würden Sie die noch zulassen im Rahmen Ihrer verbliebenen Redezeit?

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ja sicher, wir haben ja sonst nichts weiter zu tun.

Vizepräsident Oliver Keymis: Der Herr Kollege Schmeltzer stellt die Frage. Bitte schön.

Rainer Schmeltzer (SPD): Herr Kollege Schwerd, unter Bezugnahme auf die Zeitabläufe, die der Kollege Priggen versucht hat Ihnen darzulegen – das haben Sie ja ganz offensichtlich nicht nachvollziehen können –, haben Sie darauf hingewiesen, dass der Haushalt spät vorgelegt wurde. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass dieser Haushalt bereits zu Anfang dieses Jahres beraten wurde und dass Sie, wenn er denn verabschiedet worden wäre, heute nicht in der Lage wären, zu diesem Haushalt zu reden?

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ja, da kamen nur dummerweise diese Wahlen dazwischen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Warum denn?)

Das sehe ich auch ein. Aber wenn Sie sagen: „Der Haushalt lag doch schon vor“, warum haben Sie ihn nicht unmittelbar nach der Konstituierung eingebracht?

(Marc Herter [SPD]: Weil das gesetzlich nicht zulässig ist!)

– Na so was!

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie sollten sich mal mit den parlamentarischen Gepflogenheiten auseinandersetzen!)

– Und Sie sollten mal überlegen, ob Ihnen das immer so gefällt, sich als Regierungsfraktionen entmündigen zu lassen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Als nächster Redner ist angekündigt und nach unserer Geschäftsordnung auch so vorgesehen der Landesminister für die zuständigen Fragen. Herr Wirtschaftsminister Duin, bitte schön.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Vielen Dank für die Beiträge, die die Vorredner hier geleistet haben. Ich denke, das ist in der Tat der Moment, noch einmal kurz auf die wirtschaftliche Lage in Europa, in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen zu gucken und festzustellen, dass sie angesichts der Umwälzungen und der Gefahren, die insbesondere im Euroraum lauern oder sich auch schon realisiert haben, erstaunlich stabil geblieben ist.

Das ist zum einen der Weitsicht von Unternehmen zu danken

(Beifall von Thomas Kufen [CDU])

und zum anderen dem Fleiß und der Flexibilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nämlich diesen schwierigen Situationen, die wir in den letzten Jahren hatten und die es auch jetzt gibt, entsprechend entgegengetreten sind. – Das ist der erste Punkt. Das hat gar nichts damit zu tun, was wir hier im Haushalt an Initiativen machen, sondern das passiert in den Unternehmen selbst.

Wir haben jetzt eine Prognose, die im Grunde eine Seitwärtsbewegung darstellt. Deswegen müssen wir in Nordrhein-Westfalen vorausschauende Politik machen, eben auch im Bereich der Wirtschaft. Und das ist meines Erachtens durch diesen Haushalt sehr, sehr deutlich unterlegt.

Im Mittelpunkt stehen dabei fünf Punkte. Auf andere, die in der Debatte bisher eine Rolle gespielt haben, insbesondere, Herr Wüst, das Thema „Aluminium“ und Ähnliches, kommen wir sicherlich gleich in der zweiten Runde, wenn es um das Thema „Energie“ geht, zu sprechen. Ich will fünf Punkte nennen, die im Haushalt im Mittelpunkt stehen.

Erstens: Handwerk. 186.000 Betriebe haben wir im Handwerk in Nordrhein-Westfalen mit über 1,1 Millionen Arbeitsplätzen. Die politische Basis, um das Handwerk zu unterstützen, ist die Handwerksinitiative, die wir auch nicht – wie uns das oft vorgeworfen wird – irgendwo in Hinterzimmern, in irgendeinem Ministerium oder in einer Landtagsfraktion entworfen haben, sondern die wir gemeinsam mit dem Handwerk auf den Weg gebracht haben. Wir werden das mit einem Fortschrittsplan entsprechend weiterentwickeln.

Ich will auf einen Teil, der ganz zentral ist und der in diesem Haushalt eine wichtige Funktion hat, hinweisen: Das ist die Meistergründungsprämie. Wir geben im Jahre 2012 für diesen Bereich 6 Millionen € aus. Ich werde am Samstag in Köln die 15.000ste Meistergründungsprämie quasi symbolisch durch eine Urkunde überreichen. Durch die Meistergründungsprämie werden in Nordrhein-Westfalen 75.000 Arbeitsplätze geschaffen und gesichert. Deswegen ist das Geld, das wir für die Meistergründungsprämie in die Hand nehmen, hervorragend angelegtes Geld, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Darüber hinaus gibt es für das Handwerk eine Förderung von fast 3 Millionen €: für die Beratung und für die Institution.

Der zweite Schwerpunkt ist der Mittelstand. Das kann ich an dieser Stelle etwas kürzer machen, weil auf das Mittelstandsförderungsgesetz hier schon von vielen Rednern hingewiesen wurde. Klar ist – das bitte ich die Opposition zur Kenntnis zu nehmen –, dass in der Anhörung eine ganz deutliche Zustimmung zu den Eckpunkten des Mittelstandsförderungs­gesetzes zum Ausdruck gebracht wurde.

Der dritte Punkt, der im Haushalt zentral und mir auch ein ganz persönliches Anliegen ist – das wissen die, mit denen ich jetzt schon öfter gemeinsam Veranstaltungen gemacht habe –, ist das Thema „Gründungen“. Da gibt es die Kampagne „Wir machen Gründer groß“, mit der wir Gründerinnen und Gründern symbolisch ein Denkmal gesetzt haben. Gerade in der Landeshauptstadt steht zum Abschluss dieser Kampagne eine junge Frau – sie hat sich vor drei Jahren selbstständig gemacht, Design studiert, ist aber auch gelernte Schneiderin und hat den Weg in die Selbständigkeit gemacht – stellvertretend für die Menschen, die sich trauen, in die Selbstständigkeit hineinzugehen.

Mit Beratung schaffen es rund 80 % der Menschen, die in die Selbstständigkeit gehen, ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu entwickeln. Ohne Beratung scheitert die Hälfte. Das zeigt, dass wir mit dem Geld, das wir ausgeben, auch für die Unterstützung der STARTERCENTER NRW, auf dem richtigen Weg sind. Ob das Handwerker sind, ob das Kreative sind, ob das Akademiker sind – wer auch immer sich auf diesen Weg macht, braucht die Unterstützung durch die Politik. Wir müssen ihnen Mut machen, sich selbstständig zu machen, und wir müssen Ihnen das Handwerkszeug zur Verfügung geben. Denn: Die Geschäftsidee ist oft da. Aber wie man mit Banken, mit Behörden und all diesen Dingen umgeht, das ist bei ihnen oft nicht ganz so ausgeprägt. Deswegen leisten die STARTERCENTER eine wichtige Arbeit.

Wir bauen weiter Hemmnisse ab – auch das findet sich im Haushalt wieder –, indem wir den Formularserver NRW ausbauen und damit echtes E-Government für Gründungen ins Leben setzen, sodass wirklich alles online erledigt werden kann. Genau das kommt in Gesprächen mit jungen Gründerinnen und Gründern immer wieder zum Ausdruck.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Abschließend zwei Punkte – gestern stand viel in den Zeitungen, und auch heute in den Debatten wurde viel darüber gesprochen, dass Geld für Kampagnen usw. ausgegeben wird –: Die Mittel, die das Wirtschaftsministerium dafür zur Verfügung stellt, sind zu einem überwiegenden Teil in der Geschäftsstelle „Dialog schafft Zukunft“ angelegt.

Wir haben diese Geschäftsstelle nicht einfach so gegründet, damit wir Hochglanzbroschüren auf den Markt bringen können, sondern es geht darum, vor Ort Akzeptanz, Verständnis und einen wirklichen Dialog für Großvorhaben und Investitionen zu schaffen. Die Geschäftsstelle legt noch in diesem Monat einen richtigen Werkzeugkasten vor. Da wird erfolgreich gearbeitet, damit wir die Dinge im Sinne des Standortes Nordrhein-Westfalen umsetzen können und sie nicht an Skepsis und Widerständen scheitern. Hier wird etwas auf den Tisch gelegt, das Kommunen und Unternehmen in die Lage versetzt, den Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe zu führen. Das ist sinnvoll investiertes Geld.

(Beifall von der SPD)

Last, but not least zum Schwerpunkt Außenwirtschaft: Wir geben fast 4 Millionen € für die Außenwirtschaftsförderung aus, 1,76 Millionen € für Leitmessen im Inland und fast 12 Millionen € für das Standortmarketing. Dass darüber vonseiten der Opposition nicht weiter gesprochen wird, dass auch das richtig und gut investiertes Geld im Haushalt des Wirtschaftsministeriums ist, finde ich schon bedenklich.

Denn wir müssen ein gemeinsames Interesse daran haben, nicht über Hochglanzbroschüren und in Überschriften zu reden, sondern wir müssen unterfüttert Werbung für den Standort NRW machen. Wir sollten ihn nicht schlechtreden. Deswegen sollten wir uns verabreden, den Standort NRW nach außen so attraktiv wie möglich zu gestalten, damit möglichst viele Investitionen in diesem Land getätigt werden und möglichst viele Menschen gute Arbeit in Nordrhein-Westfalen finden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um knapp zwei Minuten überzogen. Gleichwohl liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Debatte zum Teilbereich Wirtschaft, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Einzelplans 14 schließen kann.

Ich rufe im Anschluss auf:

     Teilbereich
Energie

Ich eröffne die Debatte und erteile als erstem Redner Herrn Kollegen Kufen für die CDU-Fraktion das Wort.

Thomas Kufen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Zuschauer auf den Tribünenplätzen! Herr Minister, Sie sind neu in Nordrhein-Westfalen. Sicherlich haben Sie schon einmal genauso werbend über ein anderes Bundesland gesprochen. Ich will Ihnen aber durchaus zugestehen und attestieren, dass Sie als Wirtschaftsminister gerade sehr glaubwürdig für Nordrhein-Westfalen geworben haben.

Vor gut einem Jahr, als der Haushalt 2012 kurz vor Weihnachten 2011 zum ersten Mal eingebracht wurde, haben Sie gewiss nicht daran gedacht, dass Sie an dieser Stelle stehen würden – ich übrigens auch nicht. Das verbindet uns. Sie waren gerade ein Jahr zuvor als Landesvorsitzender der SPD in Niedersachsen zurückgetreten. Heute sind Sie Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen.

Mit Blick auf den Einzelplan, den wir jetzt beraten, muss ich allerdings feststellen, dass der Titel „Energieminister“ sehr spärlich vertreten ist. Energiepolitik wird eben nicht nur in Ihrem Hause gemacht, sondern auch über die Landesplanung in der Staatskanzlei und vor allen Dingen – das immer mehr – im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz.

Herr Minister, stolz wie Bolle haben Sie im Wirtschaftsausschuss erzählt, dass die Zusammenarbeit mit Minister Remmel prima klappe, anders als wir das immer vermutet hätten. Ich habe den Eindruck, die Arbeitsteilung zwischen Ihnen und Herrn Minister Remmel klappt deshalb so besonders gut, weil Sie die Interviews machen und Herr Remmel die Verordnungen. Ich weiß nicht, ob das auf Dauer gut geht. Ich weiß auch noch nicht, ob eine andere Arbeitsteilung für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen am Ende nicht besser wäre. Dafür kennen wir uns noch zu wenig.

Mit Blick auf den Energieetat kann ich nur feststellen, dass weder der Haushalt noch die Struktur, so wie die Landesregierung das Thema „Energiewende“ stemmen will, der großen Herausforderung gerecht werden. Da werden Sie nacharbeiten müssen.

Die Energiewende ist die größte wirtschaftspolitische Herausforderung, vor der wir seit dem Wiederaufbau stehen, und eine große umweltpolitische Herausforderung. Das Gelingen der Energiewende ist wichtig, weil sie Chancen bietet, wirtschaftlichen Erfolg und Umweltschutz vernünftig miteinander zu verbinden. Umweltschutz und Klimaschutz haben dann eine Chance, wenn die Wirtschaft nicht abgewürgt wird. Die Wirtschaft braucht eine funktionierende und stabile Umwelt. Mit dem Gelingen der Energiewende können wir zeigen, dass Klimaschutz funktionieren kann. Auch die CDU nimmt das Klimaproblem ernst.

Das Gelingen der Energiewende ist die Voraussetzung dafür, dass wir zukünftig im globalen Wettbewerb bestehen und den Treiber für die Zukunftsmärkte, die Umweltwirtschaft, nutzen können. Dazu brauchen wir aber auch weniger Planwirtschaft und mehr Marktwirtschaft, damit wir den Innovationsdruck gerade in dem Bereich weiter aufrechterhalten.

Deshalb wäre es gerade für Nordrhein-Westfalen als Industrie? und Energieland Nummer eins töricht, wenn wir einen Keil zwischen die braune Industrie, die Old Economy, und die grüne Industrie, die Green Economy, treiben würden. Am Ende brauchen wir beide.

Klassisch fallen Ihnen zum Thema „Energiewende“ immer zwei Worte ein: Klimaschutzgesetz und Masterplan. Lassen Sie mich darauf eingehen, Herr Minister.

Das Klimaschutzgesetz – das ist die gedrängte Erkenntnis aus der Anhörung – ist am Ende verfassungsrechtlich bedenklich, die CO2-Reduzierung fraglich, und die Auswirkungen für Nordrhein-Westfalen, solange wir den Klimaschutzplan nicht kennen, sind gar nicht kalkulierbar. Genau das ist die Insellösung, die Sie von anderen Bundesländern nicht wollen. Deshalb haben Sie einen falschen Weg eingeschlagen.

Meine Erfahrung ist: Masterpläne fordern immer diejenigen, die selber keinen Plan haben. Es kann bei der Energiewende auch keinen Masterplan geben, weil es keine Blaupause gibt. Wir wollen mit echter Pionierarbeit beginnen, auch weil es in den nächsten Jahren technische Sprünge geben muss. Wir setzen gerade darauf, dass engagierte Ingenieurinnen und Ingenieure an dieser Frage mitwirken und es nicht Politikern oder Ideologen überlassen, wie wir die Energiewende stemmen. In dieser Hinsicht also können wir uns bisher nirgendwo etwas abschauen.

Herr Minister, Sie aber fordern wacker den Masterplan. In der Juli-Ausgabe des Magazins „FOCUS“ konnte man noch lesen: „Wer ein Drittel des deutschen Stroms produziert, muss den Anspruch haben, für ganz Deutschland einen Masterplan zu entwickeln, …“ „Duin will keine Insellösungen“, sondern den großen Wurf!

Herr Minister, die „Westfälischen Nachrichten“ fragen Sie ein paar Tage später: Wie sieht der konkrete Masterplan aus? – Duin sagt:

„Wir müssen zwei Dinge tun. Zum einen müssen wir festlegen, was wir in den nächsten Jahren umsetzen wollen …

Als Zweites müssen wir es endlich schaffen, dass wir uns nicht lange an einzelnen Baustellen festkämpfen wie bei der Solarförderung, sondern müssen die Dinge zusammen sehen und die Wechselwirkungen der Einzelentscheidungen betrachten. Diese Mühe hat sich bisher niemand gemacht, darum habe ich diese Aufgabe früh in meinem Ministerium angestoßen. Zum Herbst werden wir … Eckpunkte sehen.“

Herr Minister, wo sind diese Eckpunkte? Wo ist denn der „Masterplan NRW“? Sie erkennen: Sie springen zu kurz.

Wir stehen zur Energiewende und im Interesse Nordrhein-Westfalens zum Erfolg der „Energiewende made in Germany“.

Keine Frage: Dazu brauchen wir mehr Koordination zwischen dem Bund und den Ländern, zwischen den Ländern untereinander und übrigens auch mehr Koordinierung zwischen dem Land und seinen Kommunen, Herr Minister. Dort ist übrigens Ihr weißer Fleck. Denn dazu haben Sie bisher noch nichts geliefert.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Thomas Kufen (CDU): Das will ich gerne tun. – Ich denke, wir haben noch viel Gelegenheit, über dieses Thema zu sprechen.

Mein letzter Punkt ist etwas, was im Zusammenhang mit der Energiewende viele Bürgerinnen und Bürger interessiert: Alles muss bezahlbar sein – für Verbraucher und Unternehmen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, ich habe …

Thomas Kufen (CDU): Das sichert Akzeptanz und Versorgungssicherheit. Darüber wollen wir weiter mit Ihnen diskutieren. – Herr Präsident, vielen Dank, dass ich mein Schlusswort noch vortragen durfte.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Kufen. – Ich erteile für die SPD-Fraktion nunmehr das Wort Herrn Abgeordneten van den Berg. Bitte schön.

Guido van den Berg (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Energiewende ist ein Begriff, der die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land bewegt. Das ist schon erwähnt worden. Dieser Begriff ist neu und hat die Gewichte verschoben.

Neben dem Thema „Klimaschutz“ sind in die Debatte deutlicher die Aspekte „Versorgungssicherheit“ und „Energiepreise“ hineingestoßen. Das begrüßen wir außerordentlich. Wir in NRW können aus dieser Energiewende etwas Gutes machen und dieses Wort zu einem richtigen Kompetenzbegriff weiterentwickeln.

Ich habe vor ein paar Tagen mit NRW.INVEST gesprochen, deren Vertreter mir berichtet haben, wie sie in der Region Fukushima unterwegs sind und es ihnen dort gelingt, mit dem Begriff „Energiewende“ als Marke aufzutreten und für technologische Lösungen aus Nordrhein-Westfalen zu werben, für Know-how aus Nordrhein-Westfalen und für das, wir bei uns entwickeln, um die Energiewende zu gestalten. Das ist eine riesige Chance für unser Land, die wir nutzen sollten.

(Beifall von der SPD)

NRW ist ein klassisches Industrieland, ein klassisches Energieland, der größte Kraftwerksstandort in Deutschland, der größte Stromlieferant. Nordrhein-Westfalen ist aber auch Ideenschmiede. Bei uns werden neue Prozesse und neue Produkte entwickelt. Hier gibt es Forschungseinrichtungen. Hier können wir mit dieser Energiewende etwas gestalten. Wir müssen das Selbstverständnis dafür entwickeln, Ausrüster und Know-how-Geber für viele Teile der Welt zu sein, die auch Energiehunger haben – etwa wegen des Bevölkerungswachstums und ähnlicher Dinge.

Meine Damen und Herren, ich habe dem Kollegen Kufen eben aufmerksam zugehört. Ein bisschen vermisst habe ich, dass man dann, wenn man über Versäumnisse spricht oder Sachen einfordert, auch auf die Brüche der Vergangenheit eingehen muss, die damit zusammenhängen.

(Beifall von Dietmar Bell [SPD])

Das Problem der Energiewende, meine Damen und Herren, hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir in diesem Bereich ein Hü und Hott hatten. Es war Ihre Regierung in Berlin, die die Laufzeitverlängerungen 2010 für Schrottmeiler auf den Weg gebracht hat, anschließend dann aber zurückgesprungen ist. Ich will zwar nicht die Historie aufarbeiten, aber dennoch einen Punkt deutlich herausarbeiten: Wenn wir über Versorgungssicherheit sprechen und vor allen Dingen darüber, dass Industrie Planbarkeit braucht, dann dürfen wir nicht eine Politik nach dem Motto „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ machen. Das aber ist passiert, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Ich will einen Begriff des Ministers aufgreifen, der davon gesprochen hat, dass wir einen „Masterplan Energie“ benötigen. Das hat er abgegrenzt von der Planwirtschaft; um Planwirtschaft geht es nicht, so der Minister ganz klar. Das ist entscheidend.

Wir müssen jetzt zusehen, dass wir die Dinge zueinander bringen, und zwar nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern gemeinsam mit den anderen Bundesländern und dem Bund.

Das bedeutet: Wir brauchen stabilitätssichernde Mechanismen im Erzeugungsbereich. Es muss uns aber darüber hinaus gelingen, Unternehmen dazu zu bringen, in dieses System abschaltbare Lasten einzubringen.

Wir brauchen intelligente Netze. Das ist ebenfalls angeklungen. Wir brauchen diese Netze eben nicht nur für die großen Trassen, sondern wir brauchen sie ebenso für die Produktion vor Ort in den dortigen Verteilnetzen, weil sich dieser Energiemarkt gerade vor Ort verändert.

Unser Ziel – das sage ich von dieser Stelle aus für die Sozialdemokraten sehr deutlich – ist, dass Energiewende weiter nicht nur als ein Förderprogramm für Häuslebesitzer begriffen wird, sondern auch die Mieter in Nordrhein-Westfalen können davon profitieren können. Das aber setzt voraus, dass es uns gelingt, moderne Steuerungstechniken in die Haushalte zu bringen und örtliche Netze zu ertüchtigen. Das gehört dazu.

Und – auch das haben Sie vergessen –: Die Kommunen spielen eine Rolle.

(Thomas Kufen [CDU]: Die habe ich doch genannt!)

Zum § 107 haben Sie nichts gesagt. Sie hätten erklären können, dass es eine Fehlentscheidung der nordrhein-westfälischen CDU war, sich dort gegen die Entwicklung zu stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Widerspruch von Thomas Kufen [CDU])

– Ich glaube es nicht, Herr Kufen! – Herr Kufen, wenn wir uns jetzt mit dem Thema „EEG“ beschäftigen wollen, hilft es uns nicht weiter, so zu tun, als wären Extrempositionen eine Lösung für die ganze Geschichte. Es muss uns vielmehr gelingen, das EEG zukunftsfest zu machen, sprich: Speichertechnologien zu integrieren, Mitnahmeeffekte zu verhindern und Standort für energieintensive Industrie zu bleiben, meine Damen und Herren. Das ist der Wille der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, obwohl meine Redezeitanzeige schon blinkt, will ich noch einen Punkt anbringen: Bei einem vollständigen Umbau in Richtung erneuerbarer Energien ist wichtig, dass wir für eine Strecke auch noch die konventionellen und fossilen Energieträger brauchen werden. Wir werden in Nordrhein-Westfalen auch auf die Braunkohle setzen müssen, um diese Energiewende zu gestalten. Wir werden genehmigte Abbaugebiete fortsetzen müssen. Wir werden aber den Strukturwandel in dieser Region auch vorantreiben müssen. Dafür sind wir mit der „Innovationsregion Rheinisches Revier“ unterwegs und nehmen gerade das erzeugende Unternehmen in die Pflicht.

Der wichtigste Punkt zum Schluss: Auch Strom, der nicht gebraucht wird, spart Kosten. Wenn Strom teurer wird, der Verbrauch aber sinkt, bleibt die Stromrechnung gleich. Deswegen muss auch über Energieeffizienz gesprochen werden. Das ist die beste Energiequelle. Denn Wind und Sonne schicken uns keine Rechnung.

Die Energieversorgungsunternehmen stehen vor der Herausforderung, zu erkennen, dass sie in diesem Land nicht mehr nur Energieversorger sind, sondern Dienstleister werden müssen, um erfolgreich auf dem Markt zu bestehen.

Das ist eine große Herausforderung. Wir packen sie in diesem Haushalt, in diesem Einzelplan an, und ich empfehle Ihnen die Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege van den Berg. Das war Ihre erste Rede im Plenum des Landtags Nordrhein-Westfalen. Dazu darf ich Ihnen im Namen des Hohen Hauses herzlich gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Schon sind wir beim nächsten Redner. Ich erteile Herrn Kollegen Brockes für die FDP-Fraktion das Wort.

Dietmar Brockes (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Ich bin gespannt!)

Wir diskutieren gerade den Bereich Energiepolitik des Haushaltsentwurfs als eigenständigen Teilbereich. So zu verfahren, begrüße ich ausdrücklich. Denn die Energiepolitik ist für Nordrhein-Westfalen ein zentrales Thema.

Die Umsetzung der Energiewende stellt uns vor große Herausforderungen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der alle aufgerufen sind, einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Deshalb haben wir als FDP-Fraktion auch den Antrag „Mit mehr Marktwirtschaft die Energiewende aktiv gestalten – Verantwortung für den Energie- und Industriestandort Nordrhein-Westfalen übernehmen“ ins parlamentarische Verfahren eingebracht. Morgen wird der Antrag offiziell auf der Tagesordnung stehen.

In der aktuellen Diskussion muss wieder stärker ins Bewusstsein kommen, dass die Energiepolitik gleichgewichtig auf drei Säulen ruht: Umwelt- und Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit der Stromversorgung. In den letzten Jahren hatte man nämlich den Eindruck, dass man einseitig nur auf den Klimaschutz achtet.

Aber wir wissen alle: Auch ein einbeiniger Melkschemel kann alleine nicht stehen, sondern benötigt zusätzlich zwei gesunde Füße der Bäuerin oder des Bauern, weil er ansonsten umkippt. Genauso ist es auch in der Energiepolitik. Um Akzeptanz für die Energiewende zu erhalten, dürfen weder Stromkosten aufgrund von volkswirtschaftlich ineffizienten Investitionen ausufern noch Engpässe bei der Stromversorgung auftreten.

Für die Versorgungssicherheit bedeutet das: Solange wir die Frage der Stromspeicherung nicht zufriedenstellend gelöst haben, können wir auf neue und flexible Kohle- und Gaskraftwerke nicht verzichten.

(Beifall von der FDP)

Herr van den Berg, da sind wir sehr nahe beieinander. – Ich sehe aber kein Anzeichen dafür, dass die Landesregierung die Rahmenbedingungen für den Bau neuer Kraftwerke, die wir spätestens Ende dieses Jahrzehnts benötigen, tatsächlich verbessert. Herr Minister Duin hat zwar öffentlich erklärt, dass die Energiewende vom Neubau hochmoderner Kraftwerke wie Datteln 4 und Grevenbroich-Neurath abhängt, aber während Frau Ministerpräsidentin Kraft bei der Einweihung des weltweit modernsten Braunkohlekraftwerks in Neurath die Notwendigkeit klimafreundlicher Kraftwerke betont, bleibt ihr grüner Koalitionspartner der Feierstunde bewusst fern und reiht sich in die kleine Protestgruppe vor dem Kraftwerkszaun ein.

(Beifall von der FDP)

Unterschiedlicher können die Positionen gar nicht sein.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Welche Position sich dabei durchsetzt, das sehen wir leider bei den gerade laufenden Beratungen zum Klimaschutzgesetz, was eben bereits angesprochen wurde.

Ich komme zu bezahlbaren Strompreisen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien auf Basis des EEGs führt dazu, dass ein täglich größerer Anteil der Stromerzeugung nicht mehr dem Marktgeschehen ausgesetzt ist. Nicht soziale Marktwirtschaft, nicht Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, sondern der Gesetzgeber durch garantierte Vergütungssätze – und das über einen Zeitraum von 20 Jahren. Das ist der Systemfehler bei der Förderung der Erneuerbaren, der die Stromkosten für die Bürgerinnen und Bürger nach oben treibt.

Es hilft auch nicht, von diesem Dilemma abzulenken, indem Frau Kollegin Brems und die Herren Trittin und Priggen von den Grünen die Befreiung von der EEG-Umlage in den Vordergrund rücken, sie als Kostentreiber anprangern und dabei auch noch Beispiele bringen, die von der EEG-Umlage ausgenommen sind. Frau Kollegin Brems, Ihr Kollege Trittin hat sich da korrigiert. Aber Sie haben sich von Ihren falschen Beispielen noch nicht distanziert.

(Beifall von der FDP)

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei Ihnen auf Unkenntnis basiert. Ich glaube eher, Sie haben bewusst versucht, Falschinformationen zu streuen.

Lassen Sie mich das kurz weiter ausführen. Das EEG ist inzwischen mit über 4.000 Vergütungskategorien extrem aus dem Ruder gelaufen. Wir haben uns geradezu verheddert und den Blick auf das große Ganze verloren. Das müssen wir ändern.

Wir dürfen auch nicht 16 Energiewenden in 16 Bundesländern machen plus eine Energiewende der Bundesregierung. Wir müssen einheitlich gemeinsam handeln. Herr Minister Duin, Sie betonen das zu Recht. Wenn dann anschließend Ihr grüner Kollege Remmel aber wieder bekundet, Nordrhein-Westfalen halte an seinen Ausbauzielen fest, ist das nicht der richtige Weg einer gemeinsamen Politik.

Ich komme zum Schluss. Ich glaube, dass viele Punkte unseres Antrags mit den Ausführungen des Energieministers übereinstimmen. In Wirklichkeit wird jedoch die Energiepolitik in dieser Landesregierung leider durch die falschen Positionen des Umweltministers vorgegeben, und das muss sich ändern. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Brems das Wort.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Kohle hat Nordrhein-Westfalen zu dem gemacht, was es heute ist. Was ist die Konsequenz daraus? Weiterhin auf das, und zwar ausschließlich auf das setzen, was einen groß und stark gemacht hat, es beibehalten, um weiterhin stark zu bleiben?

In der Wirtschaft gibt es genügend Beispiele, dass genau das nicht immer das Richtige ist. Ich finde, ein besonders eindrucksvolles ist die Firma Kodak. Über Jahrzehnte war sie Technologieführer. Dann hat diese Firma die Entwicklung zur Digitalfotografie komplett verschlafen, die Chance nicht genutzt, sich selbst neu zu erfinden, und ist jetzt insolvent.

Mir zeigt dieses Beispiel zwei Dinge: Man muss mutig sein, sein eigenes Erfolgsmodell auch einmal infrage zu stellen, und es ist wichtig, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Nordrhein-Westfalen muss jetzt die Energiewende anpacken, nicht warten, bis uns andere dabei überholen. Wir müssen die positiven Aspekte der erneuerbaren Energien sehen und auch nutzen.

Die erneuerbaren Energien sind die einzigen Energieträger auf unserer Stromrechnung, bei denen alle Kosten dargestellt werden. Es gibt dort keine versteckten Subventionen von Atommüllendlagerung, Steinkohle und vielem mehr, die wir alle mit unseren Steuern zahlen und die die fossilen und nuklearen Energieträger nur günstig erscheinen lassen, obwohl sie es nicht sind.

Es ist klar: Die Preise für die erneuerbaren Energien werden in den nächsten Jahren weiter sinken. Es ist auch klar: Die Preise für die fossilen Energieträger werden weiter steigen. So sorgt die Energiewende in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen für Preisstabilität in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.

Nordrhein-Westfalen hat in der Branche „erneuerbare Energien“ mittlerweile mehr als 26.000 Arbeitsplätze und schon einen Umsatz von 8 Milliarden €. Erwartet wird für dieses Jahr ein Umsatz von 8,7 Milliarden €. Es ist ein unglaublicher Wirtschaftsfaktor, den man hier auf keinen Fall unter den Tisch fallen lassen sollte.

Noch ein Punkt zum Thema „Kommunale Wertschöpfung“. Ein Beispiel: Eine Zwei-Megawatt-Windkraftanlage bringt, wenn der Betreiber in der Kommune ansässig ist – und genau dazu verhilft die Landesregierung auch den Kommunen –, in 20 Jahren 1,2 Millionen € Wertschöpfung für die Kommune, und zwar ein einzelnes Windrad.

Nimmt man all diese positiven Aspekte zusammen, haben wir immer noch nicht über den für den Klimaschutz wichtigsten Aspekt gesprochen, die CO2-Neutralität. Ohne eine konsequente Energiewende bei Strom, Wärme, Verkehr in Nordrhein-Westfalen kann diese aktuelle Bundesregierung ihre Klimaschutzziele absolut vergessen.

Lieber Herr Kufen, ich sehe diese ganzen positiven Aspekte nicht rosarot oder gar ideologisch, sondern als Ingenieurin technisch-pragmatisch. Und ebenso sehe ich die mit der Energiewende verbundenen Herausforderungen wie beispielsweise die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, der wir mit intelligenten Netzen, Speicherungen und dem Netzausbau begegnen müssen, absolut pragmatisch und technisch und absolut lösbar.

Klar ist – darüber sind wir uns, denke ich, alle einig –, dass wir für den Übergang flexible Kraftwerke brauchen. Und da stellt diese Landesregierung auf jeden Fall die richtigen Weichen.

Hier ganz in der Nähe, in Düsseldorf, wird eines der modernsten Gaskraftwerke entstehen. Auch an weiteren Stellen unterstützen wir diese Entwicklung.

Zu den Herausforderungen gehört natürlich auch, dass der Industriestandort und vor allen Dingen die energieintensive Industrie in Nordrhein-Westfalen natürlich mitgenommen werden müssen. Das schaffen wir aber nicht, lieber Herr Brockes, mit wilden Netzentgeltbefreiungen oder Befreiungen von der EEG-Umlage ohne Sinn und Verstand. Man muss sich vielmehr ganz genau ansehen, welche Firmen wo in welchem Wettbewerb stehen. Welche Firmen sind wirklich energieintensiv? Da muss man ganz genau hinschauen und darf nicht einfach wild die Kosten auf die Allgemeinheit abwälzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein wichtiger Aspekt – ich habe ihn eben schon genannt –: Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird zur Preisstabilität beitragen und so auch zur langfristigen Preisstabilität für die Industrie in Nordrhein-Westfalen.

Sehr geehrte Damen und Herren, erkennen wir die Zeichen der Zeit! Erfinden wir Nordrhein-Westfalen neu und gestalten so den Strukturwandel aktiv mit und nutzen die Chance, Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft zu einem Erfolgsmodell in Sachen Energie zu machen! – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die Piratenfraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Schmalenbach das Wort.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Wie Sie wissen, bin ich Pirat und begrüße daher auch die Menschen im Stream. Und bevor Sie wieder lachen: Eines habe ich bereits gelernt: Die Reden hier halten wir oft nicht für das Plenum. Denn darin hört oft kaum jemand zu. Ich wundere mich schon sehr, was hier gestern vor sich ging. Ein bisschen habe ich mich mittlerweile zwar daran gewöhnt, dass hier keine Debatte stattfindet, sondern das Plenum vor allem für gegenseitige Anschuldigungen herhalten muss.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, sprechen Sie bitte zur Sache. Wir sind bei den Haushaltsberatungen.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Dass wir aber den Haushalt 2012 im November 2012 in epischer Breite nutzen, um darzustellen, wie unfähig, degeneriert, gedächtnisschwach oder von mir aus wie realitätsverweigernd die jeweils andere Seite ist, kann ich ehrlich gesagt kaum fassen.

Uns wurde mehrfach vorgehalten, dass unsere Anträge zum Haushalt 2012 obsolet seien. Gleichzeitig wird hier aber in einer Verbissenheit argumentiert und beschuldigt, dass man schon die Frage stellen darf, wofür dieses Spektakel hier veranstaltet wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, ich hätte dazu eine dringende Bitte – und dann komme ich auch zum Thema –: Können wir das bitte ändern? Können wir bitte nach vorne schauen und gemeinsam an Lösungen arbeiten? Ich hielte es im Sinne der Bürger und vor allem im Sinne des Vertrauens, das der Bürger der Politik entgegenbringen sollte, für den deutlich besseren Weg.

(Beifall von den PIRATEN)

In Deutschland stehen wir vor der bemerkenswerten Situation, dass alle Parteien von der Energiewende reden. Hinter dieser vermeintlichen Einigkeit herrscht aber eine große Uneinigkeit, wie die Energiewende bewältigt werden sollte. Denn auch in NRW sind gravierende Zukunftsprobleme zu lösen.

Die Piraten stellen sich ausdrücklich hinter die Ziele der Landesregierung in Bezug auf die Energiewende, den Netzausbau und den Klimaschutz. Dennoch sehen wir noch viel Handlungsbedarf.

Unser erklärtes Ziel für Nordrhein-Westfalen ist es, Monopol- und Oligopolbildungen, die dem Gemeinwohl schaden, durch die Schaffung transparenter Marktstrukturen aufzulösen. Die Folgen kommerzieller Energiegewinnung, ihre wahren Kosten und umweltbelastenden Auswirkungen sollen verpflichtend offen gelegt werden. Direkte oder indirekte Subventionen, die dem Gemeinwohl schaden, müssen abgeschafft werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien das Prinzip der Nachhaltigkeit berücksichtigt und nicht in Konkurrenz zu anderen Umweltzielen steht. Der Umstieg auf die erneuerbaren Energien soll dabei so weit wie möglich dezentral und unter öffentlicher Kontrolle stattfinden.

Zum Umstieg auf erneuerbare Energien gehört für uns auch eine neutrale Netzgesellschaft, die sich dem Ausbau der erneuerbaren Energien anpasst und nicht umgekehrt.

Außerdem werden wir uns dafür einsetzen, dass eine Stärkung von Forschung und Entwicklung im Bereich der Speichertechnologie stattfinden wird. Dabei sind viele flexible, redundante und kleine Projekte Großprojekten unbedingt vorzuziehen. Ziel muss es sein, eine Vielfalt innovativer lokaler Energieerzeuger aufzubauen. Deshalb ist es uns ein besonderes Anliegen, dass die Netze intelligenter werden, wobei Datenschutz und Transparenz gewährleistet werden müssen.

Ein Skandal sind unterdessen die ungerechten Belastungen, die aus der im EEG festgelegten Umlage resultieren. Mit der Umlage finanzieren alle Stromkunden, auch Hartz-IV-Empfängerinnen und ?Emp­fän­ger, die Energie aus erneuerbaren Quellen. Energiearmut betrifft immer mehr einkommensschwa­che Haushalte. So gibt es inzwischen 800.000 Haushalte, denen die Stromzufuhr gesperrt wurde. Das ist eine stille soziale Katastrophe.

(Beifall von den PIRATEN)

Für die energieintensive Industrie allerdings gibt es weitgehende Befreiungsregelungen bei der Umlage. Wir kritisieren hier die harte Grenze, ab der Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden. Dies bietet einen Anreiz, absichtlich mehr Strom zu verbrauchen, nur um über die Berechnungsgrenze zu kommen.

(Beifall von den PIRATEN)

Würden alle Stromverbraucher an den Energiewendekosten angemessener beteiligt werden, könnte der Strompreis heute eigentlich sinken.

Wir fordern die Landesregierung ausdrücklich auf, sich auch mit finanziellen Mitteln und mit Taten und nicht nur mit Worten dafür einzusetzen. Wenn man mehr Geld ausgeben will, muss man an anderen Stellen sparen. Deshalb haben wir Piraten in unserem Änderungsantrag die Streichung der Mittel für die Stilllegung des Kernkraftwerkes THTR-300 in Hamm-Uentrop gefordert. Für die entstehenden Kosten muss der Betreiber aufkommen und nicht die Allgemeinheit. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Das war auch Ihre erste Rede im Plenum des Landtags Nordrhein-Westfalen. Dazu möchte ich Ihnen im Namen des Hohen Hauses sehr herzlich gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Für die Landesregierung spricht nun der zuständige Minister für Wirtschaft und Energie. Herr Minister Duin, Sie haben das Wort.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Gäste! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eines will ich zu Beginn noch einmal sagen, nämlich dass ich der festen Überzeugung bin, dass wir in Deutschland und eben mit einem entscheidenden Beitrag aus Nordrhein-Westfalen heraus diese Energiewende schaffen können, schaffen werden, weil die technischen Voraussetzungen da sind, die finanziellen Bedingungen da sind, wir das Know-how haben, die Wissenschaftler.

Aber was es auch braucht, ist eine wirkliche Begeisterung für dieses Projekt der Energiewende. Ich hatte nicht den Eindruck, dass in allen Redebeiträgen nicht nur hier im Landtag, sondern auch an anderen Stellen, wo wir diese Debatten haben, diese Begeisterung da ist. Das ist eine Vorreiterrolle, die wir gesellschaftlich gewollt hier einnehmen innerhalb der gesamten Welt. Das müssen wir auch einmal zum Ausdruck bringen. Wir tun immer so, als ob wir hier die mühselig Beladenen sind, und diskutieren immer, was alles so schiefgehen kann. Wir müssen das auch einmal zum Ausdruck bringen.

Ich habe gerade noch einmal die Umfrage, die gestern veröffentlicht worden ist, gesehen. Nach wie vor sagen zwei Drittel der Menschen in der deutschen Bevölkerung, dass sie diesen Weg für richtig halten, der dort eingeschlagen worden ist nach der Katastrophe von Fukushima.

Politik muss sagen: Wir wollen mit Begeisterung dieses Projekt zum Gelingen bringen. Wir reden darüber, wie wir es zur Lösung bringen. Wir blockieren uns nicht auf den verschiedenen Ebenen, was dann am Ende nämlich dazu führen könnte, dass es tatsächlich zu unüberwindbaren Schwierigkeiten kommt.

(Beifall von der SPD)

Auf diesem Weg geht es – das ist gerade schon genannt worden – dahin, dass wir langfristige Planbarkeit und Investitionssicherheit bekommen, weil eben der Staat diese Dinge ja nicht alle selber macht, sondern weil es eine ganze Reihe von Unternehmen gibt, die sich in diesem Bereich auf den Weg gemacht haben.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kufen von der CDU?

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Gerne.

Thomas Kufen (CDU): Herr Minister, Sie haben gerade die Umfrage von gestern angesprochen. Würden Sie uns die Freude machen, uns zur Kenntnis zu geben, wie die SPD abschneidet in der Umfrage, was die Garantie für bezahlbare Preise und das Gelingen der Energiewende angeht?

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Ich habe gesehen, dass es wie bei der Sonntagsfrage auch dort nach wie vor ein Ranking gibt, das Sie vorne sieht, das uns auf Platz 2 sieht. Aber das bezieht sich ja nur auf diejenigen, die es den Parteien überhaupt zutrauen.

Der besorgniserregendste Wert in dieser Umfrage ist, dass, glaube ich, 49 % – korrigieren Sie mich – der Meinung sind, dass die Parteien es nicht hinkriegen.

Deswegen habe ich diesen ersten Punkt gesagt, weil wir zu oft in öffentlichen Debatten den Eindruck erwecken, als wenn es hier nur um gegenseitige Vorwürfe und gegenseitige Blockaden ginge und nicht darum, eine gemeinsame Anstrengung über Partei-, über Ländergrenzen, über Institutionsebenen hinweg auf den Weg zu bringen, damit es in Deutschland eine gelungene Energiewende gibt. Das ist der Punkt, der mir Sorgen macht,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

weswegen ich die Umfrage auch genau gelesen habe.

Ich bin davon überzeugt, dass wir für das Gelingen eine Verabredung brauchen, wer was wann zu tun hat. Wenn die Frage, wer was wann zu tun hat und in welche Richtung diese Dinge gehen sollen, mit einem Wort umschrieben wird, dann sind Sie bei dem Wort „Masterplan“. Deswegen verstehe ich auch nach wie vor nicht, warum Herr Altmaier und viele andere sich immer gegen dieses Wort wehren. Es geht erst einmal darum, zu verabreden, wie wir die nächsten Schritte gehen.

Aus meiner Sicht bzw. aus Sicht der Landesregierung gehört ganz zentral dazu – das ist ganz entscheidend; dazu verweise ich auf die Beschlussfassung aller 16 Ministerpräsidenten bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz –, dass wir uns die Finanzierung der erneuerbaren Energien ansehen. Wir wollen das Ziel der Vollversorgung – das ist auch durch die Rednerinnen und Redner der Koalition heute noch einmal zum Ausdruck gebracht worden – durch erneuerbare Energien erreichen. Auf dem Weg dorthin werden wir aber auch über das Thema der Finanzierung – also über die Reform eines EEGs – ganz offen sprechen müssen. Wir werden darüber reden müssen, wie wir sicherstellen, dass auch weiterhin in konventionelle Kraftwerke investiert wird und diese – das wäre der schlimmste Fall – jetzt nicht auch noch stillgelegt werden.

Kraftwerkparkerneuerung ist ein Beitrag zum Klimaschutz und zur Versorgungssicherheit. Deswegen ist es völlig richtig, was auch Herr van den Berg gesagt hat, dass wir eine solche Erneuerung des Kraftwerkparks auch in Nordrhein-Westfalen brauchen. Das gehört alles mit zu den Dingen, die wir dabei betrachten müssen.

Lassen Sie mich aber ganz ausdrücklich noch einmal etwas zu den Energieintensiven – weil auch Herr Wüst das in der vorherigen Debatte angesprochen hat – sagen. Es gibt Tatbestände, die dazu führen, dass energieintensiven Industrien Erleichterungen zugestanden werden müssen. Das ist schon unter Rot-Grün in Berlin – und danach fortgesetzt – so verabredet worden. Es gab aber innerhalb der letzten Monate bzw. des letzten Jahres eine Erweiterung dieser Tatbestände, die genau zu der öffentlichen Debatte, die wir jetzt gerade haben, geführt hat. Wenn nämlich Mitnahmeeffekte organisiert werden, wenn es nicht mehr darum geht, dass eine Industrie im internationalen Wettbewerb steht, sondern dass irgendein Rechenzentrum von bestimmten Belastungen befreit werden soll, müssen wir uns das in gemeinsamem Interesse – auch dem der energieintensiven Industrien – genau ansehen. Es geht darum, dass wir etwas für die Bereiche Aluminium, Stahl und Grundstoffchemie tun, aber eben nicht für das, was es an Ausuferungen gibt.

Es ist mein täglicher Job – das wissen Sie auch –, mich genau darum zu kümmern, dass die gerade genannten Branchen bzw. Unternehmen hier in Nordrhein-Westfalen eine Perspektive haben. Das hat nichts damit zu tun, dass wir uns hier gegenseitig Vorwürfe machen, sondern es ist mein Appell: Rufen Sie Ihre Leute in Berlin an! Es geht – das wissen Sie – um das Thema „abschaltbare Lasten“. Wir warten seit ewigen Zeiten auf eine Verordnung, die das klar regelt, damit auch solche Unternehmen ihren Beitrag zur Netzstabilität bringen können. Das ist vor dem kommenden Winter existenziell wichtig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Rufen Sie Ihre Leute an! Wir haben seit wenigen Wochen eine Einigung auf der europäischen Ebene über die Kompensierung der zusätzlichen Kosten durch den Emmissionshandel.

Darum ist lange gerungen worden. Alle wollten 100 %. Es sind nur 85 % geworden. Jetzt bedarf es einer Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben gestern die Zeitung aufgeschlagen, und was haben wir gelesen? Bundesumweltministerium und Bundeswirtschaftsministerium haben sich in den Haaren und bekommen keine Einigung hin. Die Entscheidung hier wenige Kilometer weiter in Neuss, dass die Produktion wieder hochgefahren worden ist, wurde in der klaren Erwartung getroffen, dass es auch auf der Bundesebene zu einer entsprechenden Regelung kommt. Es nutzt nichts, wenn es in Brüssel verabredet wurde, in Deutschland aber nicht umgesetzt wird.

Tun Sie etwas, damit die sich nicht noch lange herumstreiten, sondern damit hier für die nordrhein-westfälischen Unternehmen endlich das klare Signal kommt: Wir können weitermachen, wir können investieren, wir können an diesem Standort bleiben und müssen dieses Land mittelfristig nicht verlassen. Es ist Ihre Aufgabe, mit dafür zu sorgen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor. Gemäß der interfraktionellen Vereinbarung wird die Abstimmung über den Einzelplan 14 zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, sodass wir jetzt direkt in den Einzelplan 07 einsteigen können, den ich hiermit aufrufe.

     Einzelplan 07
Ministerium für Familie, Kinder,
Jugend, Kultur und Sport

Es handelt sich dabei um drei Teilbereiche, nämlich „Familie, Kinder und Jugend“, „Kultur“ und „Sport“. Diese drei Teilbereiche werden separat debattiert.

Wir steigen ein in den

     Teilbereich
Familie, Kinder und Jugend

Ich eröffne die Beratung und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Tenhumberg das Wort. Bitte schön.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Monate rot-grüne vorläufige Haushaltsführung, zehn Monate keine gestaltende Politik in Nordrhein-Westfalen, zehn Monate ohne Fortschritt, keine Innovation, zehn Monate Stillstand und Rückschritt, zehn Monate verlorene Zeit für die Kinder und Jugendlichen in unserem Bundesland.

In vielen Bereichen ist Nordrhein-Westfalen in der Nation das Schlusslicht mit der Folge, dass unsere Kinder und Jugendlichen weniger Chancen und Möglichkeiten haben als die Kinder im Rest Deutschlands.

Zehn Monate Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen, das heißt verlorene Zeit für unsere Jugend. Rot-Grün, meine Damen und Herren, ist die Erfindung der Langsamkeit. Den Haushalt verfassungswidrig erst im November des laufenden Haushaltsjahres einzubringen, ist eine grobe Missachtung des Rechts dieses Parlamentes. Kann sich denn bei einer so langen Vorlaufzeit wenigstens das Ergebnis sehen lassen?

(Wolfgang Jörg [SPD]: Das Wahlergebnis, ja!)

Nein, Fehlanzeige auf der ganzen Linie.

Wie 2011 gibt es auch 2012 – das ist letztlich nur eine Kopie – Schuldenaufnahme zulasten der künftigen Generationen. Es gibt keinen erkennbaren Willen, die Zukunftschancen für unsere Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Im Gegenteil: Rot-Grün bürdet den Kindern Lasten auf, die die Zukunft düster aussehen lassen.

Neben den ungeklärten Fragen „Wer pflegt uns morgen?“, „Wie kann die Infrastruktur für die zukünftige Generation erhalten bleiben?“, „Wie sollen die jungen Leute aus welchem Einkommen selber vorsorgen?“ bürdet Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen den Kindern und Jugendlichen überproportional zusätzliche Lasten auf. Schulden, Schulden, Schulden. Die junge Generation hier in Nordrhein-Westfalen muss diese unverantwortliche rot-grüne Chaospolitik ausbaden. Dass es auch anders geht, haben wir bewiesen.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Auch andere Bundesländer beweisen das.

Ich weiß, dass insbesondere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen immer Probleme hat, Zahlen zu lesen. Schauen Sie sich aber die Zahlen von 2005 bis 2010 an, und Sie werden feststellen, dass wir haushalterisch für Kinder und Jugendliche in fünf Jahren wesentlich mehr gemacht haben als Sie in 39 Jahren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen kann es nicht und will es anscheinend auch gar nicht. Rot-Grün ruiniert die Zukunft der jungen Generation. Rot-Grün senkt die Standards zum Beispiel in den Kitas.

(Demonstrativer Beifall von Britta Altenkamp [SPD])

Rot-Grün verhindert Bildungschancen. Rot-grün ist sprachlos mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft und der Gegenwart.

(Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Meine Güte!)

Meine Damen und Herren, der Haushaltsplanentwurf 2012 der rot-grünen Landesregierung stellt ein Armutszeugnis dar. Der Haushaltsplanentwurf ist daher aus kinder- und jugendpolitischer Sicht abzulehnen. Und das werden wir auch tun. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Jörg.

Wolfgang Jörg (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Pharmaindustrie für verrückte Pillen machen kann! Anders kann ich mir diese Ansprache nicht erklären. Oder? Unglaublich!

Fünf Jahre lang Schwarz-Gelb, um es nur noch mal in Erinnerung zu rufen, lieber Bernhard Tenhumberg, mein lieber Kollege. Das bedeutete zum Beispiel das Kinderbildungsgesetz. Da war der Name schon ein Fake. Nichts an Bildung war darin. Es war ein Spar- und Verwahrgesetz. Wir hatten Zehntausende vor dem Landtag, die demonstriert haben, Hunderttausende im ganzen Land. Dann kam die Wahl 2010, die Quittung dafür, dass man im U3-Bereich keinen Schritt weitergekommen ist, dass man den Kommunen das Geld nicht gegeben hat. Wir haben gestern darüber gesprochen, dass man null Euro in den Bereich investiert hat. Da gab es die erste Klatsche.

Der Ministerpräsident kam abhanden, und zwar in einer Art und Weise, dass er selbst nicht einmal mehr Interviews geben wollte. Peinlich! Zwei Jahre später, als klar wurde, was Rot-Grün vorhat, bekommen wir ein Ergebnis, das sich wirklich sehen lassen kann, und die CDU verliert dramatisch. Wie man sich nach dieser Geschichte und angesichts des Niedergangs der CDU hier hinstellen und eine solche Rede halten kann, ist mir völlig schleierhaft.

(Beifall von der SPD)

Ein bisschen mehr Demut!

Wir haben in Nordrhein-Westfalen – wir haben es gestern gehört – eine Pro-Kopf-Verschuldung, die sich auch im Ländervergleich gut sehen lassen kann. Wir haben auch in unserem Haushalt Konsolidierungsmaßnahmen. Wir haben heute in den Nachrichten hören können, dass wir unser Sparziel wahrscheinlich sogar eher erreichen. Die Argumentationsstränge, die da von Ihnen aufgezeigt werden, halten nicht einmal eine Sekunde einem Druck stand. Das fällt alles in sich zusammen. Lieber Bernhard Tenhumberg, da habe ich mehr erwartet, auch mehr inhaltliche Auseinandersetzung beispielsweise damit, dass wir 100 Millionen € mehr in die Betreuung der unter Dreijährigen gesteckt haben.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hafke zulassen?

Wolfgang Jörg (SPD): Ja, selbstverständlich.

Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank. – Nun wird es immer so dargestellt, dass die schwarz-gelbe Landesregierung in der U3-Betreuung gar nichts gemacht hätte. Mich würde interessieren, ob die SPD zur Kenntnis genommen hat, dass zwischen 2005 und 2010 die Zahl der U3-Betreuungsplätze von knapp 12.000 auf über 80.000 Plätze erhöht wurde, und wem die SPD-Fraktion das zuschreibt.

Wolfgang Jörg (SPD): Ja, das haben wir zur Kenntnis genommen, lieber Marcel Hafke. Wir sind den Kommunen und dem Bund auch ausgesprochen dankbar dafür, dass sie sich so engagiert haben, wobei das Land nachweislich null Euro dazugetan hat. Auf dem Krippengipfel gab es

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

– herzlichen Dank für die Steilvorlage! – eine Vereinbarung: Ein Drittel zahlt der Bund, ein Drittel zahlt das Land, und ein Drittel zahlen die Kommunen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Und von den Bundesmitteln wurde noch etwas abgezogen!)

Marcel, ich habe damit gerechnet, dass solche Zwischenfragen kommen. Deshalb möchte ich noch einmal – mir glaubst du ja wahrscheinlich aus parteitaktischen Gründen nicht; das verstehe ich – die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern zitieren. Darin konnte man lesen:

„So investierte Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2010 keinen einzigen Euro aus Landesmitteln in den Ausbau U3.“

(Zuruf von der SPD: Das ist Ihre Bilanz!)

„Erst mit der Wahl Hannelore Krafts begann das Land, sich zu engagieren.“

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Hört, hört! Recht haben die Kollegen aus dieser Redaktion. Genauso ist das. Uns das heute vorzuwerfen, ist lächerlich.

Wir haben 100 Millionen € in der ersten KiBiz-Revision zusätzlich in den U3-Bereich gesteckt, weil wir sagen: Wir brauchen mehr Personal. Wir haben den Bereich für die Kinderpflegerinnen, die viele Aufgaben haben, wieder geöffnet. Wir haben das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt, um die Lasten der Eltern für die Ausbildung ihrer Kinder spürbar zu senken. Letztendlich haben wir alle etwas von der Ausbildung unserer Kinder: die Kinderlosen, die Rentner. Alle haben etwas davon. Wir sagen: Wir dürfen die Lasten der Ausbildung nicht nur den Eltern übertragen, Bildung muss steuerfinanziert und nicht gebührenfinanziert sein.

Wir nehmen uns vor, sobald wir mehr Einkommen haben – auf Deutsch gesagt, wenn wir nächstes Jahr die Bundestagswahlen gewonnen haben –, dann werden wir auch weitere Kindergartenjahre freistellen. Da bin ich ganz sicher.

(Beifall von der SPD)

Wir haben unser Versprechen gehalten, den Landesjugendplan auf 100 Millionen € zu erhöhen.

(Beifall von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Wir wollen aber nicht nur das Geld geben, sondern wir wollen jetzt auch mit den Verbänden darüber sprechen, was mit dem Geld passiert, wenn die Schule sich immer weiter ausbreitet, wenn Jugendarbeit immer weniger wird, wenn Lernen und Bildung immer mit Schule verwechselt werden. Das müssen wir diskutieren. Deshalb werden wir inhaltlich über Jugendpolitik reden.

Das haben Sie fünf Jahre nicht gemacht, lieber Bernhard Tenhumberg. Sie haben nicht nur nicht inhaltlich darüber geredet, Sie haben auch die eigenen Wahlversprechen nicht eingehalten. Du in Person hast versprochen: Wir erhöhen das wieder auf 100 Millionen €. – Nichts ist passiert. Das ist eure Bilanz. Unsere Bilanz kann sich dagegen sehen lassen.

(Zuruf von Bernhard Tenhumberg [CDU])

Noch mal: Wir waren mit unserer Politik nach zwei Jahren auf dem Prüfstand. Wenn wir uns hier Dinge erzählen, ist das die eine Sache. Aber der Wähler hat sich angeguckt, was wir gemacht haben. Wir hatten eine überragende Kandidatin, aber wir hatten auch überragende Ergebnisse. Deshalb stehen wir heute mit dieser breiten Mehrheit hier.

Bernhard, wenn man den Niedergang der CDU sieht – ihr habt jetzt die maßgeblich Verantwortlichen wieder in Spitzenpositionen gewählt: Herrn Laschet, Herrn Laumann, lasch und lau –, dann kann man so nicht auftreten, dann muss man ein bisschen bescheidener hier stehen und kooperativer werden; denn ich glaube, dass wir beide, lieber Bernhard Tenhumberg, auch viele Gemeinsamkeiten haben, auf die wir bauen sollten.

Wir haben die Familienbildung gestärkt und sie mit mehr Geld ausgestattet, weil wir haushalterisch immer nach dem gleichen Prinzip verfahren: Wir müssen auf der einen Seite konsolidieren, aber wir müssen dort investieren, wo die Zukunft unseres Landes gefährdet ist. Dafür gibt es keine bessere Möglichkeit als bei Kindern, bei Bildung und bei Familien.

(Beifall von der SPD und Stefan Engstfeld [GRÜNE])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte kommen Sie zum Schluss, Herr Abgeordneter.

Wolfgang Jörg (SPD): Ich sehe, dass meine Redezeit abgelaufen ist.

Wir werden morgen noch einmal die Gelegenheit haben, die Familienpolitik der CDU zu besprechen. Man bekommt Tränen in die Augen, wenn man sieht, was da bundespolitisch passiert. Bernhard, da sind wir Sozis nicht die Einzigen, sondern das sagen alle.

Ich bin gespannt, was du morgen antworten wirst, wenn du überhaupt dazu reden wirst. Vielleicht machst du es ja nicht einmal. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich gibt es zwei zentrale Bemerkungen zu dieser Einzelplanberatung.

Erstens. Wir reden über etwas, was es schon zu elf Zwölfteln gar nicht mehr gibt.

(Gordan Dudas [SPD]: Dafür sind Sie doch verantwortlich!)

Zweitens. Die Kernbotschaft Ihres Haushalts geht völlig am Bedarf vorbei. Familienfreundlichkeit ist mehr als nur finanzielle Entlastung.

(Bernhard Tenhumberg [CDU]: Richtig!)

Das haben Sie hier gemacht, nämlich eine völlige Verschiebung der Prioritäten: weg von Verbesserungen für die Familien, hin zu einer reinen Gefälligkeitspolitik. Ihre sozialen Wohltaten sind nämlich im Ergebnis nur teuer.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Frau Schäfer und liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot und Grün, ich wiederhole das immer wieder gern für Sie: Priorisierung ist das Stichwort. Ganz Europa redet über Schuldensenkung, über Konsolidierung und über Zukunftsperspektiven, aber die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen macht neue Schulden für nutzlose Wahlgeschenke.

Deutschland hat die Schuldenbremse erfunden. Die FDP treibt die Bundesregierung zu Recht zu einem schuldenfreien Haushalt an.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Aber die FDP führt das Betreuungsgeld ein! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Das ist nun mal so. Sie können sich aufregen und sich ein Vorbild an der Bundesregierung nehmen.

Die Landesregierung in NRW macht genau das Gegenteil und bringt nutzlose Wahlgeschenke auf den Weg.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE] – Weitere Zurufe von der SPD)

Jetzt kommen Sie wieder mit Ihrer Präventionspolitik.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Tatsächlich sieht es aber doch so aus: Ihr Prinzip der Gleichzeitigkeit ohne Schwerpunktsetzung ist gescheitert.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Ihre teure Beitragsfreiheit frisst Mittel, die bei den drängenden Aufgaben fehlen. Von der Politik im Betreuungsbereich sollten zuerst die Kinder profitieren – gerade die berufstätigen und alleinerziehenden Eltern sowie natürlich die Erzieherinnen und Erzieher. Aber welche Wirkung hat die Beitragsfreiheit? Gar keine.

(Ingrid Hack [SPD]: Dann horchen Sie doch mal in die Kommunen!)

Kein Kind geht zusätzlich in den Kindergarten. Keine Mutter wird damit zusätzlich in den Beruf zurückkehren. Keine Erzieherin wird besser bezahlt. Aber eine Wirkung hat die Beitragsfreiheit: Die Gutverdiener freuen sich, denn sie werden entlastet.

(Ingrid Hack [SPD]: Das muss Sie doch freuen!)

Familienpolitisch ist die Prioritätensetzung völlig falsch. Der U3-Ausbau ist weit von der Nachfragedeckung entfernt.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Die Qualitätsverbesserungen bleiben fast völlig auf der Strecke.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie bitte. Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dudas zulassen wollen?

Marcel Hafke (FDP): Sehr gerne.

Gordan Dudas (SPD): Zu Ihren Ausführungen möchte ich fragen: Sind Sie der Meinung, dass das in Berlin mit der FDP verabschiedete Betreuungsgeld dazu beitragen wird, dass mehr Kinder in die Kindertagesstätte gehen werden?

Marcel Hafke (FDP): Wir werden morgen darüber noch ausführlich diskutieren.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ein Ja oder Nein reicht!)

Aber ich kann festhalten: Wenn man wirklich eine Wahlfreiheit haben will, müsste sie so aussehen, dass jedes Kind und alle Eltern in Nordrhein-Westfalen tatsächlich die Wahl haben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Ingrid Hack [SPD]: Das war nicht die Frage!)

Das ist nicht der Fall, weil in Nordrhein-Westfalen über 30.000 Betreuungsplätze fehlen. So sieht die Realität hier aus. Dann kann man sich nicht hinstellen und von Wahlfreiheit sprechen.

Im Übrigen hat man in einer Koalition nicht immer die Mehrheit und muss manchmal auch Kompromisse eingehen. Ich werde das mit einem Argument der morgigen Debatte schon einmal vorwegnehmen. Ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, wer eigentlich das Thema „Betreuungsgeld“ ins KiföG geschrieben hat, nämlich die CDU/CSU und die SPD. Also brauchen Sie sich gar nicht zu großen Reden aufzuschwingen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich darf zum U3-Ausbau noch einige Sätze sagen. In Nordrhein-Westfalen fehlt mir ein Ausbauplan. Viele Kommunen sagen ganz offen: Wir werden es nicht schaffen, die notwendigen Plätze bereitzustellen. Landesweit – das habe ich gerade schon erwähnt – fehlen 30.000 Plätze, wenn nicht sogar noch mehr.

Ich finde es richtig, dass Sie, Frau Schäfer, auch dem Städte- und Gemeindebund gegenüber klargestellt haben: Am Rechtsanspruch wird nicht gerüttelt. – Aber dann müssen Sie auch für die Kommunen, die nicht wissen, wie sie das schaffen sollen, Antworten parat haben. Eine E-Mail-Adresse oder eine Hotline allein werden dafür nicht ausreichen.

Unverständlich war für mich auch das Verfahren beim zusätzlichen Geld, das der Bund bereitstellen wird. Sie rufen bei jeder Gelegenheit nach Bundesgeldern, um Ihre Probleme in Nordrhein-Westfalen zu lösen.

(Beifall von Bernhard Tenhumberg [CDU])

Ich hatte erwartet, dass die Probleme im Dialog schnell gelöst werden. Es hat lange gedauert; ich meine, es hätte schneller gehen können. Denn ich bin der Auffassung, dass man sich diese parteipolitischen Scharmützel hätte ersparen können. Es ist wichtig, dass das Geld bei den Kommunen und damit im Ergebnis bei den Familien auch tatsächlich ankommt.

Anstatt hier über ein Zwölftel des Haushalts zu sprechen, sollten wir den Blick vielleicht eher nach vorne richten. Die letzten Monate bis zum Rechtsanspruch dürfen nicht aus Hoffen und Bangen, sondern müssen aus dem Abarbeiten eines realistischen Ausbauplans bestehen.

Wir brauchen Qualitätsverbesserungen in den Kitas und eine Stärkung der Tagespflege. Sinnvoll wäre auch eine Debatte über betriebliche Kitas und privatgewerbliche Träger. Frau Schäfer, Sie haben kürzlich ganz plötzlich die Betriebskitas entdeckt und viele warme Worte verteilt. Jetzt freue ich mich auf entsprechende Taten.

Sie sind überdies auch für die Jugendpolitik zuständig. Außer einer plakativen Großveranstaltung haben wir bislang hier nicht so viel gehört. Wenn Sie von SPD und Grünen schon bei uns abschreiben, möchte ich doch darum bitten, dass Sie es tatsächlich irgendwann umsetzen, eine Unterstützungsstelle für die Jugendbeteiligung einrichten sowie den Weg noch weiter in Richtung der FDP gehen und ein Jugendparlament schaffen, damit die Jugendlichen an der Landespolitik teilnehmen können.

(Beifall von der FDP)

Die Familien haben mehr als Ihre Mangelverwaltung in Kinderbetreuungsfragen verdient. Politik muss kraftvoll nach vorne gehen. Gern werden wir das beim Haushalt 2013 noch einmal überprüfen.

Sie werden uns an Ihrer Seite haben, wenn es darum geht, eine familienfreundliche Politik zu gestalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und Bernhard Tenhumberg [CDU])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich nun das Wort Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Meine Damen und Herren! Liebe Besucherinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gilt noch immer das leicht abgewandelte Sprichwort, Herr Hafke: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Schweinen schmeißen“.

(Lachen von der FDP)

Genau das haben Sie getan. Wenn wir uns anschauen, welche familienpolitische, sozialpolitische und gleichstellungspolitische Katastrophe die FDP Anfang der Woche im Bundestag mit dem Betreuungsgeld auf den Weg gebracht hat, dann können Sie uns nicht vorwerfen, dass unsere kinder- und familienfreundliche Politik die falsche Politik wäre.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Hafke, dafür sind Sie der absolut Falsche.

Wenn wir darüber reden, wo Ressourcen gut eingesetzt sind, dann richtet sich das auch wieder genau gegen Sie. Sie haben wider besseres Wissen zugestimmt, haben sich eine teure Maßnahme abhandeln lassen.. Zu der 1 Milliarde € kommen noch die Kosten für die Praxisgebühr. Die CDU hat das durchgesetzt, um Wahlgeschenke an Herrn Seehofer zu geben. Das sind aber teure Maßnahmen, weil das welche sind, die nicht bei den Familien ankommen, sondern vollkommen ins Leere gehen, weil sie eine falsche Politik bedeuten. Sie haben jedes Recht verwirkt, sich hier über die rot-grüne Haushaltspolitik im Familienbereich aufzuregen.

Da wir gerade beim Aufregen sind, folgende Anmerkung: Manchmal ist es ja so, lieber Bernhard Tenhumberg von der CDU, dass dann, wenn die Diskrepanz zwischen dem, was man sagt, und den großen Worte, die man benutzt, und dem, was man tut und was man vor allen Dingen in eigener Regierungsverantwortung getan hat, zu groß wird, das einfach nur noch lächerlich wirkt. Deshalb konnten wir bei Ihrem Beitrag einfach nur noch lachen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollten eigentlich – das hatten wir uns vorgenommen – nicht so sehr in die Vergangenheit schauen. Aber wenn Sie immer wieder das Fass aufmachen, dann muss das alles noch einmal gesagt werden. Die Regierung Rüttgers hat nicht nur das Sparverwahrgesetz, das KiBiz, auf den Weg gebracht und die Standards in den Kitas heruntergefahren, sondern sie hat noch etwas anderes getan. Rüttgers hat das Jahr 2006 zum Jahr des Kindes ausgerufen, aber im gleichen Jahr sind die Leistungen für Familien, Kinder und Eltern um 20 % gekürzt worden. Das ging mit dem Rasenmäher quer über alle familienpolitischen Leistungen. Das ist das Gegenteil von dem, was Sie hier verkünden. Das ist das Gegenteil von dem gewesen, was ihr immer in schönen großen Leitartikeln und Überschriften den Menschen verkauft habt.

Meine Damen und Herren, wir machen ehrliche Politik und tun, was wir angekündigt und vereinbart haben. Das spiegelt sich eins zu eins in diesem Haushalt wider. Wir haben nämlich gesagt: Rot-Grün und die Regierung, die wir tragen, stellen die Kinder in den Mittelpunkt der Politik, und wollen vom Kind aus denken. Genau das spiegelt sich wider. Von 2010 bis 2011 haben wir den Haushalt für Kinder und Jugendliche um 50 % erhöht. Diese Zahl kann sich sehen lassen. Wir haben den Ansatz von 1,2 Milliarden € auf 1,8 Milliarden € angehoben. Das ist genau der Unterschied zu dem, was die schwarz-gelbe Koalition unter Rüttgers gemacht hat. Wir haben Wort gehalten. Wir haben den Kinder- und Jugendförderplan um 100 Millionen € aufgestockt. Damit haben wir ein Versprechen gehalten, was wir in der Opposition abgegeben haben.

Wir haben aber noch etwas mehr gemacht. Wir haben nämlich etwas umgesetzt, was immer wieder von den Jugendverbänden kritisiert worden ist, dass nämlich die jahrgangsübergreifende Förderung schwierig ist, und haben in diesen Haushalt Verpflichtungsermächtigungen hineingeschrieben, damit die Jugendverbände besser mit dem Geld jahrgangsübergreifend arbeiten können. Das ist konkrete Hilfe für die Kinder und Jugendlichen in diesem Land.

Uns als Grüne ist immer die Qualität besonders wichtig. Wir haben mit den Mitteln, die wir eingesetzt haben, deutliche Verbesserungen in den Kitas herbeigeführt. Wir haben mit dem U3-Zuschlag in den Kitas eine personelle Entlastung geschaffen. Wir haben es ermöglicht, dass die Ergänzungskräfte, die Kinderpflegerinnen, wieder eingesetzt werden können. Die personellen Standards haben sich tatsächlich in den Einrichtungen und in der täglichen Arbeit verbessert. Das kommt den Kindern und den Erzieherinnen und Erziehern in den Einrichtungen zugute.

Wir haben in diesem Haushalt auch die Gelder für den Kinderschutz ausgeweitet, und zwar auf 200.000 €. Damit stärken wir das Kompetenzzentrum Kinderschutz. Wir wissen alle, dass wir im Bereich der frühen Hilfen und der Prävention die wichtige Arbeit der Kinderschutzzentren unterstützen wollen und müssen. Das haben wir mit eigenen Mitteln getan. Ich denke, auch das ist eine wesentliche Verbesserung, die wir auf diesem Gebiet erzielt haben.

Im Bereich der Fachkräfte – bei diesem Thema wird immer gesagt, dass es einen Mehrbedarf gibt – haben wir in den Kitas 4.000 Fachkräfte mehr als vor zwei Jahren.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte langsam zum Schluss.

Andrea Asch (GRÜNE): Alles in allem ist das eine gute Bilanz. Mit diesem Haushalt zeigen wir – ich kann das nur noch einmal sagen –, dass wir die Koalition sind, die familienfreundlich, die kinderfreundlich ist und die die Kinder in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Asch. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Düngel das Wort.

Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer auf der Tribüne und an den gebührenpflichtigen neuartigen Rundfunkgeräten!

(Heiterkeit)

– Ja, wir ziehen das durch. Sie werden sich daran gewöhnen.

Diejenigen unter Ihnen, die Kinder haben, kennen das. Ich bin zurzeit zu Hause mit meiner Tochter Emma in Taschengeldverhandlungen.

(Zuruf von der FDP: Wollen wir gar nicht wissen! – Heiterkeit!)

– Das ist nicht schlimm. Ich erzähle es Ihnen trotzdem.

Ich habe meiner Tochter vorgeschlagen, nächstes Jahr einmal darüber zu reden, was sie denn dieses Jahr noch an Taschengeld bekommen wird. Sie werden sich wundern: Meine Tochter war davon nicht allzu sehr begeistert.

Was hat das hier mit der Haushaltsdebatte zu tun? Wir haben das heute schon einige Male gehört, und ich verspreche, dass ich das auch nicht weiter großartig strapazieren will. Wir wissen, dass wir über einen Haushalt reden, der nahezu aufgebraucht ist. Ich hoffe, dass wir irgendwann mit dieser Tradition brechen können. Für den Haushalt 2013 werden wir das ja auch nicht mehr hinbekommen, weil er ebenfalls nicht rechtzeitig beraten und verabschiedet werden kann. Auch das wissen wir. Aber vielleicht schaffen wir es 2014, liebe Landesregierung. Schauen wir einmal. Vielleicht kriegen wir das irgendwie gemeinsam hin.

Sehen wir uns den vorliegenden Entwurf in ein paar Punkten etwas genauer an und sehen wir auf den Kinder- und Jugendförderplan. Frau Asch hatte gerade erwähnt, Rot-Grün habe dort etwas draufgelegt. Das ist absolut richtig.

(Andrea Asch [GRÜNE]: 25 Millionen!)

Aber ausgegeben wurde in der Tat nicht alles. 2011 sind zum Beispiel von den veranschlagten 100 Millionen € 13 Millionen € am Ende ihrem Zweck nicht zugeführt worden. Auch in diesem Jahr sind nach unseren Informationen bisher offensichtlich rund 90 oder 95 % ausgegeben worden. Da sind wir auf einem guten Weg. Das ist schon einmal wieder ein bisschen mehr. Aber ganz richtig ist das Ganze noch nicht.

Ich habe zwei Kleine Anfragen dazu gestellt. Die Beantwortungsfrist läuft mit dem heutigen Tage ab. Bis jetzt habe ich noch keine Antwort erhalten. Frau Schäfer, vielleicht kommt in den nächsten Tagen da noch etwas.

Wie auch immer – wir brauchen wohl keine Expertenanhörung durchzuführen, um festzustellen, dass dieses Geld vor Ort tatsächlich dringend gebraucht wird. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

Eben habe ich über Taschengeldverhandlungen gesprochen. Ich bezweifle, dass meine Tochter begeistert wäre, wenn ich ihr zwar sagte, sie bekomme jetzt 15 €, ihr aber tatsächlich nur 12 € zahlte. Davon hat sie nichts. Da fehlen am Ende einfach 3 €, die sie ganz gerne hätte.

In Ihrer kleinen Regierungserklärung im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend sprachen Sie, Frau Ministerin Schäfer, von Anpassungen im vorzulegenden Kinder- und Jugendförderplan für diese Legislaturperiode. Ich hoffe, dass Sie damit nicht meinten, die Beträge gegebenenfalls zu kürzen, sondern sie tatsächlich sinnvoll anpassen wollen.

„Kein Kind zurücklassen“ – auch das lesen wir ganz häufig im Koalitionsvertrag. Mit Minderausgaben werden wir dieses Ziel natürlich nicht erreichen. Vor Ort werden Jugendzentren geschlossen. Allerorts fehlt Geld in der Jugendsozialarbeit. Viele Jugendliche sind bereits zurückgelassen worden.

Beim U3-Ausbau – darüber haben wir uns gerade schon ein bisschen unterhalten – ist noch eine ganze Menge nachzuholen. Selbstverständlich begrüßen wir als Piratenfraktion den gestern eingereichten Antrag. Dem entsprechenden Gesetzentwurf haben wir gestern auch zugestimmt. Wir Piraten sind die Fraktion, die sinnvollen Anträgen am Ende tatsächlich zustimmt.

Ob das gesteckte Ziel damit erreicht wird, ist fraglich. Frau Ministerin Schäfer, wir müssen darauf achten, dass beim Ausbau der Krippenplätze nicht unter dem Strich die Qualität leidet. Sie selber betonen das immer wieder. Ich habe da meine Zweifel. Aber wir werden das mit Sicherheit genau beobachten.

Für uns Piraten hat die frühkindliche Bildung einen hohen Stellenwert. Sie investieren rund 142 Millionen € für die Beitragsfreiheit im dritten Kindergartenjahr. Da sind wir auf einem gemeinsamen, richtigen Weg. Das ist unser Ziel. Unser Ziel ist die komplette Beitragsfreiheit – auch im Bereich der frühkindlichen Bildung. Darüber werden wir in den nächsten Monaten sicherlich noch weiter debattieren. Ich werde gerne Ihr Angebot der ausgestreckten Hand, das die Ministerpräsidentin und Sie selber schon betont haben, annehmen. Ich hoffe, dass diese Redewendung dann auch tatsächlich mit Leben gefüllt wird.

Apropos ausgestreckte Hand: Keine Sorge; meine Tochter Emma wird sich auf ihre Eltern verlassen können. Sie wird ihre 15 € bekommen.

Ich fordere auch Sie als Landesregierung und Sie als Ministerin, Frau Schäfer, auf, verlässlicher Partner für die Menschen in unserem Land zu sein. Reichen Sie Ihre Entwürfe, zum Beispiel den Haushaltsentwurf, künftig zeitnah ein. Und vor allen Dingen: Greifen Sie sinnvolle Anregungen parteiübergreifend auf, und lassen Sie uns diese gemeinsam umsetzen. Das funktioniert und tut am Ende dann auch nicht weh. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Schäfer das Wort.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ganz herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne! Lassen Sie mich, weil die Gäste auf der Tribüne wechseln, eingangs noch einmal die Anmerkung machen: Dass wir diesen Haushalt so spät beraten, hat damit zu tun, dass die CDU und die FDP dem Haushalt 2012 nicht zugestimmt hatten.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der FDP – Zurufe von der CDU)

Aufgrund der anschließenden Neuwahl ließen die zeitlichen Abläufe gar nichts anderes zu, als dass wir jetzt erneut über den Haushalt 2012 diskutieren müssen. – Das sei einfach einmal zum Verständnis unserer Gäste hier im Landtag gesagt.

Vorweg möchte ich noch eine Anmerkung zu der Beitragsfreiheit machen, die Herr Hafke erneut kritisiert hat. Herr Hafke, nur zu Ihrer Information: In Bayern haben CSU und FDP gerade die Beitragsfreiheit in der Kita beschlossen.

(Marcel Hafke [FDP]: Die haben auch keine Schulden, Frau Schäfer!)

Es gibt auch andere Mitglieder Ihrer Partei, die durchaus den Blick in dieser Weise nach vorne richten.

Wenn Sie dann behaupten, die FDP habe dazu beigetragen, die Finanzen im Bund zu konsolidieren, erinnere ich nur daran, dass das wirklich unsinnige Betreuungsgeld die Steuerzahler dieses Landes 1,26 Milliarden € kosten wird – von niemandem gewünscht, schlicht und einfach dem Geschacher geschuldet. Das verstehen Sie unter Konsolidierung.

Da gehen wir in Nordrhein-Westfalen einen anderen Weg. Ich glaube, in einem sind wir uns einig – im Ziel finden wir uns ja immer nah beieinander –: Kinder, Jugendliche und Familien brauchen die beste Bildung und auch die besten Chancen. – Diese Landesregierung und die sie tragende Koalition haben in den letzten zwei Jahren unter Beweis gestellt, dass sie hier auf mehr Bildung, auf mehr Teilhabe und auf

(Marcel Hafke [FDP]: Mehr Schulden setzen!)

mehr Prävention in Nordrhein-Westfalen setzen. Das tun wir.

Jetzt schauen wir uns einmal ganz konkret an, was wir gemacht haben. Das eine oder andere ist schon angesprochen worden. Ich will noch einmal deutlich machen, dass wir den Kinder- und Jugendförderplan in diesem Haushaltsjahr mit 100 Millionen € fortgeschrieben haben. In der Tat sind 95 % davon in die Jugendverbände und in die Einrichtungen der Jugendarbeit geflossen. Herr Hafke, natürlich ist es wichtig, auch im Landtag mit Jugendlichen zu debattieren. Aber die eigentliche Jugendarbeit findet vor Ort in den Kommunen statt. Da unterstützen wir Strukturen, Projekte und offene Türen so gut, wie wir das können. Dafür werden die Gelder auch sehr sinnvoll eingesetzt.

(Beifall von der SPD)

Insofern kann man sagen, dass unsere Jugendpolitik bei den Menschen in Nordrhein-Westfalen eine hohe Zustimmung und eine hohe Akzeptanz gefunden hat.

Auch im Bereich der Familienpolitik haben wir die Ansätze zur Unterstützung der Familien im Jahr 2011 um 4 Millionen € angehoben. Dieses angehobene Niveau führen wir auch in 2012 fort. Das heißt: Wir investieren in Nordrhein-Westfalen ca. 44 Millionen € in den Bereich der Familien. Dieses Geld investieren wir da, wo die Familien es brauchen: für Beratung und Unterstützung, und zwar möglichst früh, um dann auch gute Weichenstellungen in den Familien ermöglichen zu können. Ich denke, auch das ist gut angelegtes Geld.

Ein klarer Schwerpunkt ist bei uns natürlich die frühe Bildung und der U3-Ausbau. Wir haben die Aufholjagd gestartet. Sie zeigt erste Erfolge. Natürlich können wir noch nicht zufrieden sein. Man muss aber auch sagen: Die jetzt in der Statistik des Bundes ausgewiesenen Zahlen sind schlicht und einfach aus dem letzten Kindergartenjahr. Wir finanzieren im laufenden Kindergartenjahr seit dem 1. August dieses Jahres 117.000 Plätze. Diese Plätze finanzieren wir für die Träger, für die Kommunen – Platz für Platz.

Ich verhehle nicht, dass uns 27.000 Plätze fehlen bis zur Erfüllung der 32-%-Marke, die im Durchschnitt für Nordrhein-Westfalen errechnet wurde. Jetzt gibt es eine neue Größenordnung von 33,9 %. Es kommen also noch Plätze dazu. Die werden wir auch finanzieren. Aber an der Stelle hätte ich gerne den Anteil des Bundes für das Betreuungsgeld für die Investitionen in Plätze in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann hätten die Eltern eine echte Wahlfreiheit.

Ich will daran erinnern, dass wir hier einige Baustellen aufräumen mussten und dass die Kommunen Planungssicherheit für ihre Investitionen brauchten. Sie haben händeringend auf dieses Gesetz gewartet, das wir gestern hier fast einstimmig verabschiedet haben, was ihre Betriebskosten finanziert. Sie haben händeringend darauf gewartet. Ich zitiere aus den „Aachener Nachrichten“ vom heutigen Tage den Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Bernd Jürgen Schneider. Er sagt:

„Die Kommunen haben viel Zeit verloren, weil die Frage der Konnexität im Jahre 2010 erst durch den Verfassungsgerichtshof geklärt werden musste.“

Das ist Ihre Erblast, die wir aufräumen mussten. Das hat Zeit gekostet. Aber wir haben auch an der Stelle gehandelt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir nehmen hier Landesgeld in die Hand – mit dem Bundesgeld zusammen – und investieren noch einmal 1,4 Milliarden € bis 2018 und tun das auch darüber hinaus, weil wir uns in diesem Gesetz verpflichtet haben, jeden weiteren Platz zu finanzieren und die Betriebskostenzuschüsse entsprechend zu steigern.

Verlässlichkeit ist der zentrale Punkt beim U3-Ausbau. Diese Landesregierung steht zu der Verpflichtung, dass der Ausbau nur gemeinsam mit den Kommunen, mit den Trägern, mit dem Land, aber auch gerne mit dem Bund zu stemmen ist. In diesem Sinne arbeiten wir weiter für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Nordrhein-Westfalen und für eine gute Zukunft unserer Kinder und unserer Jugendlichen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die CDU-Fraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Tenhumberg zu Wort gemeldet.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit das einmal klargestellt wird – nicht, dass das hier im Raum stehen bleibt –: Auch wir sind natürlich für eine gute Zukunft für Kinder und Jugendliche. Ich unterstelle uns allen, dass das niemand hier im Parlament infrage stellt und wir uns darin einig sind.

Aber, Frau Asch, Sie verstehen es manchmal, einen Erfolg zu verkaufen, der gar nicht vorhanden ist. Sie werfen einfach in den Raum: Für 4.000 Erzieherinnen haben wir neue Stellen geschaffen. – Frau Asch, das ist doch viel zu wenig! Das ist ein Qualitätsverlust, den Sie hier fabrizieren. Wir brauchen im nächsten Jahr mehr als 9.000 Erzieherinnen, wenn wir den Standard halten wollen. Das ist Ihnen bewusst. Aber darauf geben Sie gar keine Antwort. Sie geben keine Antwort; Sie sind an dieser Stelle völlig sprachlos.

Wenn Sie dann noch berechnen, dass jährlich mindestens 2.000 Erzieherinnen ausscheiden und dass Sie das 5. Schulrechtsänderungsgesetz gemacht haben und dafür keine Stellen zur Verfügung gestellt haben, dann ist das einfach nur peinlich.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich finde es vonseiten der Regierung nicht angemessen, wenn man sagt, es sei ganz normal, dass der Haushaltsplan jetzt erst eingebracht wird. Die Regierung ist im Mai gewählt worden.

(Zuruf von der SPD: Der Landtag!)

– Der Landtag ist gewählt worden. Herr Kollege, da haben Sie recht. – Im Mai. Jetzt haben wir November. Der Haushaltsplan, der jetzt vorgelegt worden ist, ist fast eine Kopie von dem, der im Februar vorgelegt worden ist. Halten Sie es für normal, ihn erst jetzt einzureichen? – Ich weiß nicht, was Sie unter Normalität verstehen; entschuldigen Sie bitte!

Sie führen dann an, dass in Bayern die Beitragsfreiheit eingeführt worden ist. Ja, der Unterschied zwischen Nordrhein-Westfalen und Bayern ist: Die Bayern können sich das erlauben. Die finanzieren das nicht zulasten der Zukunftsfähigkeit der Kinder, sondern aus laufenden Einnahmen. Sie machen das über Kredite und belasten damit die Zukunftsfähigkeit der Kinder.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mostofizadeh zulassen?

Bernhard Tenhumberg (CDU): Da meine Redezeit zu Ende ist, will ich schließen und eine abschließende Bemerkung machen.

Der Belastungsausgleich ist von uns allen gemeinsam im Parlament so beurteilt worden, wie wir ihn damals verabschiedet haben. Sie haben da genauso gut falsch gelegen wie wir auch. Der Verfassungsgerichtshof hat das anders bewertet. Dann sind normalerweise von der Regierung und auch vom Parlament die Konsequenzen zu ziehen. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Uns da mit Vorwürfen zu überschütten, ist völlig fehl am Platze. Aber so ist die Regierung: Andere sind immer schuld, der Bund ist schuld. Die Platte muss allmählich verkratzt sein – so oft, wie ich mir das anhören muss. Es wird langweilig. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Tenhumberg. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung zum Teilbereich Familie, Kinder und Jugend des Einzelplans 07.

Wir kommen zum

     Teilbereich
Kultur

Ich eröffne die Beratung und erteile zunächst für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Prof. Sternberg das Wort.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ohne rechten Zusammenhang behandeln wir jetzt den Bereich Kultur in dem Etat des Gemischtwarenministeriums.

Es ist nach wie vor nur schwer verständlich, warum die Ministerpräsidentin nicht wenigstens die Stelle eines Staatssekretärs für Kultur eingerichtet hat.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wer bezahlt das denn alles?)

Außer öffentlichen Gesprächen ist zurzeit keine Kulturpolitik in Nordrhein-Westfalen erkennbar. Wie ist eigentlich die Vision?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wer finanziert das denn, Herr Kollege?)

Wie kann man eigentlich künftig Innovationen in der Kulturpolitik sichern, wenn in Zeiten knapper Kassen in den Städten gespart wird?

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Etat. Das Hauptproblem dieses Etats ist das heutige Datum. Der Grund für die Verspätung – es ist sechs Wochen vor Weihnachten – ist eben nur zum Teil, Frau Ministerin, die Neuwahl. Ganz wesentlich liegt es an der verspäteten Einbringung. Es ist eine Verspätung mit Ansage, die wir hier erleben.

(Beifall von der CDU)

Erst im Dezember 2011, dem spätesten möglichen Termin, den Etat einzubringen, heißt, die Probleme in Kauf zu nehmen. Das Verfassungsgericht in Münster hat vor zehn Tagen

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nein, hat es nicht!)

festgestellt, dass die späte Einbringung dieses Etats verfassungswidrig war.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wir reden über eine andere Einbringung, Herr Kollege! Sie verstehen das einfach nicht!)

Und der Haushalt 2013 wird wieder so spät eingebracht. Warum ist das eigentlich für die Kulturmenschen so problematisch? – Die Pressemeldung eines Verbandes schon vor einigen Monaten machte das ganz drastisch deutlich. Da wurde gesagt, dass die Projektanträge bis zum Ende des Jahres hängen, und dann würden diejenigen am Ende des Jahres einen Geldsegen bekommen können. Dann heißt es dazu: Bis zu diesem Feuerwerk gab und gibt es viele, die das nicht überleben. – So ist es. Es hat viele gegeben, die auf Projektmittel angewiesen waren, die das nicht überlebt haben.

Statt der normalen Freigabe der Projektmittel zum 1. Mai war es schon im vergangenen Jahr schwer, die vorhandenen Haushaltsmittel nach Freigabe auch auszugeben. Die müssen bis zum 31. Dezember abgerechnet sein. Da blieben Mittel übrig, und die Kulturleute im Land hatten das Nachsehen.

In diesem Jahr ist es ganz katastrophal. Im kommenden Jahr wird es absehbar wieder nicht normal zugehen. Die engagierten Beamten in der Kulturabteilung sind zu bedauern, denn sie werden kaum in der Lage sein, ihre Mittel ordnungsgemäß auszugeben. Das Nachsehen dabei haben die Künstlerinnen und Künstler.

Meine Damen und Herren, von den Summen her: keine wesentliche Kritik. Die 100%ige Erhöhung der Mittel aus der Regierungszeit von Jürgen Rüttgers ist nicht rückgängig gemacht worden. Es ist sogar etwas mehr geworden. Das ist positiv.

Blicken wir auf einzelne Positionen. Es gibt eine Position im Etat in Höhe von 7,5 Millionen €, die unter dem Titel „Bibliotheken“ als Steigerung bei den Bibliotheken geparkt sind. Sie stellen offensichtlich eine Art Verfügungsmasse dar. Ob das mit den Grund­sätzen von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu vereinbaren ist, sei als Frage gestellt. Es heißt im Kommentar zu diesem Titel merkwürdig unscharf, es könnte aus dieser Titelgruppe – ich zitiere – „auch aus anderen Sparten zur Vorbereitung des geplanten“ – ich ergänze: nach wie vor ominösen – „Kulturfördergesetzes finanziert und gefördert werden“. Das heißt: Es ist ein Titel für alles und nichts. Ich wüsste gern, wofür diese Mittel im ablaufenden Jahr ausgegeben wurden und ausgegeben werden.

Wir haben eine Neuordnung im Etat im Bereich Musik. Das ist sachgerecht und vernünftig. Da ist jetzt auch JeKi aufgenommen worden. Aber wir können nicht der Reduktion des Projektes JeKi auf das Ruhrgebiet zustimmen. Dieser größte Feldversuch der kulturellen Bildung in Deutschland war das erste und größte Projekt der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 und war nur aus diesen Gründen – Versuchscharakter und Kulturhauptstadt – in der Reduktion auf diesen Raum zu verantworten.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Deckungsvorschlag, Herr Kollege!)

Der Städte- und Gemeindebund und der Städtetag haben sich in dieser Frage schon vor Monaten sehr eindeutig positioniert. Wir haben seit 2009 die ersten 600.000 € für erste Projekte für die landesweite Ausdehnung bereitgestellt. Meine Damen und Herren, das Projekt JeKi ist zu evaluieren, anzupassen, meinetwegen auch zu reduzieren, zu verändern. Das alles kann man machen. Aber eine Begrenzung auf das Ruhrgebiet ist nicht zu rechtfertigen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Auch insgesamt findet sich im Etat eine merkwürdige regionale Unausgewogenheit zugunsten des Ruhrgebiets.

Nicht akzeptieren können wir auch die klammheimliche Streichung von Aufgaben, die auf klaren Beschlüssen des Landtages beruhen. In der vorvorigen Ausschusssitzung mussten wir auf unsere Nachfrage hin erfahren, dass die je dreijährige Exzellenzförderung für nordrhein-westfälische Theater schlicht gestrichen wurde. Der Hinweis auf eine neuerliche Steigerungsrate für kommunale Theater verfängt dabei gar nicht, weil es sich um eine ganz andere Frage handelt.

In der letzten Sitzung des Ausschusses erfuhren wir – wieder auf unsere Nachfrage –, dass der kulturelle Ehrenamtspreis „DER DANK“, der speziell für kulturelle ehrenamtliche Initiativen ausgeschrieben ist, zwar im Etat steht, aber als spezifischer Kulturehrenamtspreis nicht verliehen werden wird.

Meine Damen und Herren, das finden wir empörend. Frau Ministerin, so geht man nicht mit gültigen Beschlüssen des Landtages um.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Vor allem wegen dieser Punkte können wir auch diesem Bestandteil des Einzelplanes nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Sternberg. – Für die Fraktion der SPD spricht nun der Kollege Bialas.

Andreas Bialas (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Mitglieder des Kulturrates auf der Tribüne!

Sie müssen sich schon einmal überlegen, wofür Sie sich entscheiden. Wir haben hier ca. fünf Minuten vorher gehört, dass wir uns mit mehr Schulden und Mehrausgaben ständig an unserer Jugend, an unserer Zukunft und sonstigen versündigen. Und fünf Minuten später höre ich dann Sätze wie: Jeder mehr ausgegebene Euro in dem Bereich ist wichtig. Da gebe ich Ihnen sogar recht. Aber, auch Sie müssen wahrnehmen, dass es eine Regierung gibt – dass es ein Land gibt –, die den Schuldenausgleich irgendwann hinbekommen muss. Da kann es leider keinen Bereich geben, der von diesen Überlegungen ausgenommen ist.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Je länger Sie ständig darauf herumreiten, dass diese Regierung nicht den Sparwillen hat, umso stärker machen Sie den Druck in jedem einzelnen Etatbereich.

Zum Haushalt kann man sagen: Er ist bereits weitestgehend ausgegeben. Ich bin dem Ministerium sehr dankbar dafür, dass es darum gekämpft hat, auch in dieser schwierigen Haushaltssituation immer wieder zu sehen, wann frühestmöglich die Margen freigegeben werden können, weil gerade wir im hohen Maße von Produktförderungen abhängig sind.

Die Verabschiedung des Haushalts 2012 – das ist richtig – kommt sehr spät. Das hat mehrere Gründe. Viele sind angeführt worden. Aber es waren auch einige Projekte nicht möglich. Es gehört zur Aufrichtigkeit und zur Ehrlichkeit dazu, sich an dieser Stelle bei den Künstlerinnen und Künstlern einmal zu entschuldigen, die von Projektmitteln abhängig sind und die auch auf den schwankenden Wogen des Jahres 2012 mitschwimmen mussten und auch mitgeschwommen sind.

Ich kann Ihnen aber auch sagen: Das wird sich ändern. Wir haben dieses Jahr eine Wahl mit klaren Mehrheiten gehabt. Wir werden in eine ganz normale Rhythmik der Haushaltseinbringung kommen, und wir werden ein Kulturgesetz auf den Weg bringen, welches die Berechenbarkeit, die Planbarkeit und auch die Längerfristigkeit für die Kultur gewähren wird.

An dieser Stelle müsste man quasi fragen: Wie war er denn nun, der Haushalt? – Er war ausgewogen von erhalten und bewahren. Er war ausgewogen im Bereich vermitteln und darstellen und er war ausgewogen im Bereich von schaffen und entwickeln. Er hat Spitzenkultur, Breitenkultur, professionelle Darsteller und Laiendarsteller berücksichtigt, aber auch ein angemessenes Verhältnis gefunden zwischen dem Bereich der städtischen Kultur und der regionalen Kulturförderung. Um es kurz zu sagen: So viel Geld war noch nie im Kulturhaushalt wie 2012. Es wurde sehr vernünftig ausgegeben.

Ich möchte der Ministerin an dieser Stelle danken, dass sie gerade in der Zeit unserer parlamentarischen Abwesenheit diesen Weg unserer rot-grünen Kulturpolitik konsequent weitergegangen ist. Ich möchte auch dafür danken, dass sie in einem sehr, sehr hohen Maße die Dialogfähigkeit und die Dialogbereitschaft mit der Kulturszene hergestellt hat. An dieser Stelle noch einmal meinen Dank an den mittlerweile leider in den Ruhestand gegangenen Staatssekretär Herrn Prof. Dr. Schäfer.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

– Ja, da kann man immer mal klatschen.

Ich danke aber auch, dass konsequent das Kulturgesetz weiter in der Erarbeitung stattgefunden hat.

Ich bin noch für eines sehr dankbar, Frau Ministern, nämlich dass Sie mit am Kabinettstisch sitzen und mit entscheiden können, auch hier in diesem Haus in dem Bereich der konsequenten Sanierung unserer Kommunalfinanzen. Denn ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass nur finanziell gesunde Städte eine weiterhin lebendige Kultur in unserem Lande gewährleisten können. Das ist eine sehr differenzierte Auffassung der Kulturfinanzierung; denn man kann nicht immer nur sich hinstellen und sagen: „Ich gieße ein wenig die Blätter oben“, und unten die Wurzeln verdorren lassen.

Einen Bereich unserer Kulturpolitik möchte ich noch ansprechen: Das ist die kulturelle Bildung. Hier geht es nicht um die Pädagogisierung von Kunst und Kultur, hier geht es um etwas ganz anderes. Das zentrale Projekt unserer Kulturpolitik bleibt der Ausbau der kulturellen Bildung. Für uns ist kulturelle Bildung eine Voraussetzung für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen, am politischen, am kulturellen Leben. Kulturelle Bildung prägt die Persönlichkeit eines jeden Einzelnen; denn kulturelle Bildung entwickelt gerade auch die sozialen, politischen, kreativen und ästhetischen Kompetenzen der Menschen – Kompetenzen, die wir zwingend und immer verstärkter in der Welt von heute und morgen brauchen. Diese Kompetenzen werden der wesentliche Baustein einer zukünftigen Behauptung auf dem Arbeitsmarkt, aber auch in unserer Gesellschaft sein. Daher ist kulturelle Bildung ein elementarer Teil unserer Kulturpolitik und wird von uns auch als Menschenrecht verstanden.

Insofern wollen wir die Teilhabe an und die Zugänge zu Kunst und Kultur als wesentlichen Bestandteil und Baustein unserer vorsorgenden Politik sehen. Das ist auch ein wesentlicher Bestandteil unseres Demokratie­verständnisses, weil hierüber vor allem – das ist wichtig – Chancengleichheit und Teilhabemöglichkeiten hergestellt werden.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Andreas Bialas (SPD): Deswegen werden wir auch in diesem Bereich weiter investieren.

Lassen Sie mich noch kurz etwas zur weiteren Entwicklung in der Kultur sagen. Wir werden Kultur auch unter dem Gesichtspunkt der Schuldenbremse sehen müssen. Wir werden uns dieser Diskussion nicht verschließen. Wir werden uns nicht wegducken. Aber wir werden klare Linien aufzeigen.

Die Kultur in NRW ist in rot-grünen Händen und damit in guten Händen aufgehoben. Das bleibt auch in schwierigen Zeiten so. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Schmitz. Ich hörte, dass es Ihre erste Plenarrede sein wird, Frau Schmitz. Dann darf ich Ihnen viel Erfolg wünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Ingola Schmitz (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie möchten Sie leben? Selbstbestimmt? Selbstbestimmt – mit kultureller Identität!

Wie entsteht kulturelle Identität, die von bloß gekannter Kultur zu unterscheiden ist? Die kenntnisreiche und kritische Aneignung von Kultur geschieht in der Bildung. Der Schlüssel zu allem ist dabei die Sprache; denn sie verwandelt die Welt als Tohuwabohu in eine Welt verständlichen Geschehens.

Aber Kenntnis allein genügt nicht. Erst wenn meine eigene Sprache durch das Lesen von Literatur reicher, differenzierter und selbstständiger wird, bin ich auf dem Weg, eine kulturelle Identität zu entwickeln.

So sind wir uns darin einig, dass die kulturelle Bildung im Zentrum einer zukunftsorientierten Kulturpolitik stehen muss – damit sie Bestandteil unserer Bildung werde.

Wir begrüßen es sehr, dass die durch FDP und CDU deutlich aufgestockten Mittel zur Förderung des Kulturbereichs auch weiterhin ungekürzt zur Verfügung stehen.

(Beifall von der FDP)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Entwicklung kultureller Identität bedarf der Nachhaltigkeit. Um Nachhaltigkeit zu erzielen, müssen wirksame Strukturen entwickelt werden. Deshalb hätten wir uns im Kulturhaushalt mehr systematische Förderansätze gewünscht: um vor allem in diesem wichtigen Bereich der kulturellen Bildung mit beschränkten finanziellen Mitteln voranzukommen.

Was geschah stattdessen? Sehr zu unserem Bedauern müssen wir zusehen, wie bereits im Frühjahr im Haushaltsplan, insbesondere im Erläuterungsband, folgende Zeilen zum Projekt JeKi verankert wurden – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Eine Ausweitung auf das gesamte Land Nordrhein-Westfalen wird daher 2012 nicht weiter verfolgt.“

Dem neuen Erläuterungsband zum Haushalt 2012 dürfen wir entnehmen – ich zitiere wiederum mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Aus diesem Titel werden nur noch bereits in der Vergangenheit bewilligte Modellprojekte finanziert. Langfristig sollen Modellprojekte auch außerhalb des Ruhrgebiets über die Stiftung abgewickelt werden.“

Letztlich bedeutet das: Eine Ausweitung des erfolgreichen Projektes wird es nicht geben.

Sehr geehrte Frau Ministerin Schäfer, die Verantwortung wälzen Sie wie selbstverständlich auf die Stiftung JeKi ab. JeKi – eine Aufgabe, die sichtlich Ihren ganzen Regierungsapparat überfordert hat. Im gleichen Atemzug wollen Sie uns aber erklären, dass gerade die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen im Fokus Ihrer Politik stünde. Sicher: Sie haben mit dem sogenannten Kulturrucksack ein neues Projekt begonnen. Wir haben jedoch lange genug auf Ihre Erklärung gewartet, was Sie dabei konkret vorhaben.

Neue Ideen sind uns dennoch stets sehr willkommen. Sie können sicher sein, dass wir für gute und sinnvolle Konzepte immer ein offenes Ohr und die Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit haben.

Das gilt eingeschränkt auch für Ihre jüngst bekanntgegebene Absicht, den Musikunterricht im Ganztag auszubauen. Schade, dass die Halbtagsschulen hier als Stiefkinder behandelt werden und zurückstehen müssen. Ist das chancengerecht?

Sehr geehrte Frau Ministerin, was bedeutet Ihre Initiative aber für den Landeshaushalt? – Sie stellen fest, dass eine schrittweise Ausweitung des Projektes JeKi finanziell nicht tragbar sei, und lassen es deshalb auslaufen. Gleichzeitig stoßen Sie aber ein neues Kulturrucksackprojekt an und statten es bereits zu Beginn mit 3 Millionen € aus. Es scheint, als wollten Sie das schwarz-gelbe JeKi-Programm zugunsten Ihres eigenen, des Kulturrucksacks, schlicht ausbluten lassen.

(Beifall von der FDP)

Die Neuordnung innerhalb des Haushaltsplans lässt diesen Schluss zumindest zu. Die Titelgruppe 77 reduziert sich auf null, die Mittel werden in ein Gesamtpaket der Titelgruppe 60 verlagert. Oder vielleicht versteckt?

Sehr geehrte Frau Ministerin, wäre es nicht …

Vizepräsident Daniel Düngel: Frau Kollegin Schmitz, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bialas aus der SPD-Fraktion zulassen?

Ingola Schmitz (FDP): Danke schön. Ich möchte meine Rede fortführen.

Vizepräsident Daniel Düngel: Dann kommen Sie bitte zum Ende. Die Redezeit ist schon abgelaufen.

Ingola Schmitz (FDP): Sehr geehrte Frau Ministerin, wäre es nicht sinnvoller gewesen, anstatt neue Projekte strukturlos in das Land zu streuen, zunächst die heranwachsenden Pflänzchen zu pflegen, die bereits aus der guten Saat entstanden waren?

Bei der aufmerksamen Lektüre des Haushaltsplans erscheint mir ein weiterer Aspekt fraglich. In den nordrhein-westfälischen Landestheatern verschwinden scheinbar plötzlich Mitarbeiter und tauchen Monate später wieder auf. Dieses Rätsel ergibt sich zumindest im Vergleich der Beschäftigtenangaben des Jahres 2011 zwischen dem alten und dem neuen Haushaltsplan 2012. Im alten Entwurf finden wir beispielsweise bei der Burghofbühne Dinslaken eine Tarifbeschäftigtenzahl von 23 für 2011, der neue Entwurf weist für das gleiche Jahr plötzlich 24 aus.

Vizepräsident Daniel Düngel: Frau Schmitz, ich darf Sie noch einmal bitten, zum Ende zu kommen.

Ingola Schmitz (FDP): Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie werden verstehen, dass wir dem Kulturetat aufgrund dieser Mängel nicht zustimmen können. Ohne System und Konzept werden wir im kulturellen Bereich auf der Stelle treten. Eindeutig muss im Hinblick auf den Haushalt 2013 dringend nachgearbeitet werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz und Gratulation zu Ihrer Jungfernrede im Plenum.

(Allgemeiner Beifall)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – das ist mir eine besondere Ehre – spricht Herr Kollege Keymis.

(Zurufe: Oh!)

Oliver Keymis (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Herr Präsident, das sind frühe Lorbeeren; es ist ja auch noch nicht so spät. – Zum Kulturetat 2012 möchte ich nur kurz sprechen, da dieser im Wesentlichen schon verausgabt wurde. Das in diesem Fall aber kein Problem; denn wir sind froh, dass wir, obwohl sich das Parlament am 14. März 2012 auflösen musste – dafür haben wir gemeinsam gestimmt – und dann Neuwahlen stattfanden, trotzdem eine Regierung hatten, die in der Lage war, mit einem Etatentwurf weiter zu agieren, der schon im März 2012 eingebracht war. Dieser Entwurf sah für die Kultur etwa 196 Millionen € Fördermittel vor. Das ist ein sehr schönes Volumen und das größte, das jemals für die Kultur von Landesseite zur Verfügung stand.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir alle wissen, dass diese Mittel im Verhältnis zu dem, was unsere Kommunen für die Kultur leisten, nicht hoch sind. Die Kommunen Nordrhein-Westfalens leisten mit gut 80 % den Löwenanteil und sind damit kulturell weitaus stärker engagiert, als es das Land jemals sein kann. Deshalb sind wir froh, dass wir mit diesem Etat unseren Beitrag zu der Vielfalt, zu dem Reichtum und zu dem, was das Land kulturell ausmacht, leisten können.

Das ist immer noch eine ganze Menge, Herr Kollege Prof. Dr. Sternberg. Das wissen Sie. Denn Sie haben am Ende der Einbringung der „Kleinen Regierungserklärung“ der Kulturministerin im Kultur? und Medienausschuss gesagt: Es ist viel Schönes, Wahres und Richtiges dabei, und das ist gut so. – Deshalb ist es schade, dass Sie dem Etat nicht zustimmen können. Aus meiner und offenbar auch aus Ihrer Sicht ist es kein schlechter Kulturetat.

Ich will auch die kleinen Mäkeleien nicht näher bewerten, die man immer so hat. Wenn man regiert, hat man das Ganze zu verteidigen, wenn man opponiert, hat man es zu kritisieren. Diese Rollen wechseln ab und an. Wir erinnern uns gut an die Zeit, in der Schwarz-Gelb die Regierungsmehrheit hatte und erfreulicherweise einen guten Beitrag zum Kulturetat leisten konnte. Wir als Opposition haben das damals immer gewürdigt.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

An dem Punkt sollten wir weiterhin fair miteinander umgehen. Das gilt dann aber auch umgekehrt. Wenn wir wirklich über den größten Kulturförderetat miteinander sprechen, den wir bisher hatten, dann sollte die Opposition das entsprechend anerkennen. Dann wirkt manches, über das gerade gemäkelt wurde, doch etwas klein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will Ihre erste Rede nicht besonders kritisieren, Frau Kollegin Schmitz, aber Sie sollten sich nicht zu lange bei den Stellen des Dinslakener Landestheaters aufhalten, zumal wenn sich die Zahl von 23 auf 24 verändert hat. Das ist kein Bereich, der uns in der Kulturförderung wesentlich belastet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Landestheater wiederum kann jede Stelle brauchen, um es offen zu sagen. Insofern sind sie sicher froh, dass sie mit einer Person mehr agieren können. Ich habe sogar den Verdacht, es könnte sich um eine Stelle handeln, die etwas mit Kinder? und Jugendkultur zu tun hat, weil sich all unsere Einrichtungen derzeit sehr stark bemühen, das Programm für Kinder und Jugendliche auszuweiten. Das beste Beispiel stand gerade gestern in der Presseschau: Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, unser landeseigenes Institut, hat eine eigene Kunstwerkstatt für Kinder und Jugendliche eingerichtet. Genau das sind die Modelle, weswegen es sich immer wieder lohnt, Kulturpolitik voranzutreiben.

Frau Ministerin, ich will Ihnen persönlich, aber auch der Abteilung sehr herzlich danken, dass Sie in der Lage waren, den Vollzug im Laufe des Jahres zu organisieren, dass wir gemeinsam erleben konnten, wie die Mittel für die Kultur im Wesentlichen abgeflossen sind. Auch da: Ich bin froh, Herr Kollege Sternberg, dass Sie nicht mehr das Wort „Katastrophe“ im Mund führen, wie noch im Ausschuss, sondern die Kritik heute etwas anders dimensioniert vorgetragen haben.

Es sind nicht sehr viele Projekte ausgefallen, weil der Etat nicht bewirtschaftet wurde. Der Etat ist bereits – das wurde heute oft bemängelt – zu etwa 95 % verausgabt. Will heißen: Das, was wir uns Anfang des Jahres gemeinsam vorgenommen hatten, ist auch im Bereich der Kultur an die Empfängerinnen und Empfänger geflossen. Es konnte genau das in Nordrhein-Westfalen weitergeführt werden, was uns seit vielen Jahren stolz auf dieses Land macht, nämlich eine breite, vielfältige, interessante und in der Dichte weltweit fast einmalige Kultur. Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung dafür, dass das so bleibt; Kollege Bialas hat dankenswerter­weise darauf hingewiesen.

Die Schuldenbremse liegt vor uns. In allen Reden hier im Hohen Haus wird seit Stunden gefordert – gestern wie heute –: Ihr müsst mehr sparen. – Wir werden uns der Diskussion stellen, auch was den Kulturetat angeht. Das sage ich in aller Klarheit. Seit zwölf Jahren trete ich immer wieder für dieses Thema an das Pult und habe immer gesagt: Wir müssen mehr für die Kultur tun. Ich hoffe, dass wir das im Grundsatz so beibehalten. Wenn es notwendig ist, werden wir aber auch in dem Bereich einen Beitrag zum Sparen leisten. An der Stelle diskutieren wir weiter, wenn der Haushaltsentwurf 2013 vorliegt.

Für meine Fraktion sage ich: Wir stimmen dem Haushalt 2012 zu, auch dem Teilhaushalt Kultur. Ich freue mich auf die weiteren Debatten und konstruktiven Gespräche mit allen hier im Hohen Hause und draußen im Land. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die Piratenfraktion spricht nun der Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Empore und im Stream! Ich freue mich, dass Sie an der Kultur hier im Parlament teilhaben wollen.

„Ohne Abweichung von der Norm ist Fortschritt nicht möglich.“ Die Sängerin Sarah Connor hat Recht; vor allem wenn es um die kulturelle Bildung heranwachsender Generationen geht. Künstlerische Förderung, die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur gehören essenziell zur Herausbildung einer gut abgerundeten Persönlichkeit.

Kulturell gebildete Menschen gelten als geistreich, innovativ und inspirierend. Durch kulturelle Bildung lernt man nicht nur das rein materialistische Prinzip von Ursache und Wirkung kennen, sondern erfährt auch, wie die Menschheit diese Ursachen und Wirkungen interpretiert und mit ihnen umgeht. Man lernt, Normen und Regeln zu hinterfragen und spielerisch mit ihnen umzugehen.

Für uns Piraten ist dies die Quintessenz einer guten Bildung: Fragen stellen, gestalten und Visionen haben dürfen, ohne gleich zum Arzt geschickt zu werden.

Frau Ministerin Schäfer, Sie scheinen dies verinnerlicht zu haben. Denn die Töpfe für die Kulturförderung in NRW sind um rund 8 Millionen € angewachsen. Daher könnte man davon ausgehen, dass nur wenige Millionen Euro zusätzlich in die Kulturförderung fließen, aber uns Kürzungen zum Glück erspart bleiben. Das könnte ein schöner Ausblick sein.

Doch der Schein trügt: 8 Millionen €, Frau Schäfer, sind – auf gut rheinisch gesagt – „Killefit“. Das gilt vor allen Dingen dann, wenn man sich die Verpflichtungsermächtigungen, also die Veranschlagung für das kommende Haushaltsjahr, ansieht. Dort fallen rund 62 Millionen € weg. Das sind aber genau die Gelder, mit denen beispielsweise kulturelle Träger oder Projekte für das nächste Jahr rechnen. Wir fragen: Wo fallen diese Gelder weg? Laufen einfach so viele Projekte aus? Werden diese Projekte erfolgreich fertiggestellt? Oder möchte sich die Landesregierung einfach gewisser Kosten entledigen? – Wir gehen sogar so weit zu sagen, dass dies im eigentlichen Sinne keine Kosten, sondern Investitionen sind, und zwar Investitionen in Kultur, die dringend getätigt werden müssen.

Ohne kulturelle Bildung und Förderung ist es für einen jungen Menschen schwer, eine eigenständige und gut abgerundete Persönlichkeit zu werden. Gerade die Konfrontation mit Kunst, die vom Normbruch in verschiedenster Art lebt, regt die Phantasie der Menschen an. Durch die Auseinandersetzung mit Traditionen aller Art und überlieferten Werken aus der Pop- und Hochkultur entwickelt man seine Vorlieben, eine kulturelle Identität und somit einen Sinn für Herkunft und Zukunft.

Auch kulturgeographisch ist es wichtig, manchmal von Normen oder eben Gewohnheiten abzuweichen. Die Metropolen am Rhein und vor allem an der Ruhr werden mit Leuchttürmen und großen Projekten noch und nöcher bedacht. Dort gibt es spannende Dinge mitzubekommen – auch als Kind oder Jugendlicher: Schüler aus dem Ruhrgebiet können mit dem Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ ihre musikalischen Fähigkeiten entdecken und dank Fördermitteln ohne große Hürden ein Instrument erlernen.

Zum Kulturhauptstadtjahr wurden gerade hier große Hoffnungen auch in der Fläche geweckt. Aber diese Hoffnungen wurden jetzt leider enttäuscht. Zwar werden die wenigen Regionen außerhalb des Ruhrgebiets, in denen dieses Projekt getestet wird, weiterhin mitfinanziert; jedoch ist das langfristig nicht ausreichend. Die Förderung eines Kindes sollte nicht vom Wohnort abhängen.

An dieser Stelle möchte ich einmal die Super Nanny zitieren:

(Unruhe von der CDU)

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel!“ Aber wo sollen diese Wurzeln schlagen und die Flügel wachsen, wenn zu wenig Geld für die Förderung vorhanden ist? In Neuss etwa schrumpft die Musikschule. In Wuppertal gehen die Theater zugrunde.

(Andreas Bialas [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Wohnorte der Kinder sind die einzelnen Kommunen. Die Kommunen, die nicht durch Leuchtturmförderprojekte gesegnet sind, haben oft das Nachsehen für sich und ihre Bevölkerung. Aber auch ein Dorf oder eine Kleinstadt im Sauerland lebt von der Kultur als Standortfaktor. Wo es kulturell gebildete Menschen gibt, gibt es eine lebendige Kultur, die weitere Menschen anzieht und somit auch steigende wirtschaftliche Investitionen. Das ist einer der über 9.000 Gründe, aus denen wir heraus die Erhöhung des Verbundsatzes um 1 % fordern, Herr Bialas.

So hätten die Kommunen mehr Freiheiten, könnten auch für freiwillige Ausgaben ihre Gelder großzügiger einsetzen, statt ihre Kultur vor Ort totzusparen.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Kind im Sauerland soll nicht nur die schöne Landschaft genießen können oder Skifahren lernen, sondern auch – ohne weit fahren zu müssen – über den lokalen Tellerrand hinausblicken können. Daher fordern wir, den Zugang zur Kultur durch Digitalisierung zu vereinfachen. Gerade hier hat man es oft mit Problemfeldern wie dem veralteten Urheberrecht oder versteckten Lizenzen zu tun. Schon alleine das Gebiet der rechtsfreien Werke und ihre Zugänglichmachung in digitaler Form durch Bibliotheken ist juristisch noch ein Minenfeld, das es zu ändern gilt.

Schließlich sollte Bildung Vorrang vor rein monetären Interessen haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Geld allein reicht nicht, um zu wissen, dass das eingangs erwähnte Zitat nicht von Sarah Connor, sondern von Frank Zappa stammt und eben Goethe von Wurzeln und Flügeln für Kinder sprach, nicht die Super Nanny.

(Beifall und Lachen von den PIRATEN)

Wir werden für das kommende Haushaltsjahr Vorschläge einbringen, damit die geforderten Aufgaben bewältigt werden können. Wir hoffen, dass das auch beachtet wird.

Am aktuellen Haushalt ist nichts mehr zu ändern. Das Geld ist ausgegeben. – Ich danke Ihnen!

(Beifall von den PIRATEN und von Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU])

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schäfer.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich, dass wir in der Einschätzung einig sind, dass Nordrhein-Westfalen ein sehr, sehr starkes Kulturland ist und wir diese Stärke gemeinsam erhalten und weiterentwickeln wollen.

Für die Landesregierung möchte ich deutlich machen: Mit dem Haushalt 2012 setzen wir im Kulturbereich klare Prioritäten.

Um eine Frage gleich zu beantworten, Herr Herrmann: Wenn wir in den Verpflichtungsermächtigungen weniger angesetzt haben, hat das damit zu tun, dass wir Betriebs- und Personalkostenzuschüsse demnächst nicht mit VEs unterlegen wollen. Das bedeutet keine automatische Einsparung an irgendeiner Stelle. Das möchte ich noch einmal ganz deutlich machen.

Betonen möchte ich, dass es mir sehr wichtig ist, dass wir nach wie vor die kulturelle Bildung stärken. Wir wollen, dass alle Menschen in Nordrhein-Westfalen an Kunst und Kultur teilhaben können. Dabei sind die frühen Begegnungen mit Kunst und Kultur die ganz prägenden. Gemeinsam mit den Kommunen in Nordrhein-Westfalen wollen wir dieses Land zu einem Kinder- und Jugendkulturland machen. In diese Richtung sind wir schon ziemlich gut unterwegs. Das ist uns gerade noch einmal im Ausschuss der Kultusministerkonferenz attestiert worden, die sich speziell mit dem Thema der kulturellen Bildung in Deutschland befassen will und die dabei viele Projekte in Nordrhein-Westfalen als beispielhaft bezeichnet. Auch darüber können wir uns gemeinsam freuen. Das ist eine Entwicklung, die wir gemeinsam erarbeitet haben.

Wir brauchen aber in dem Bereich der kulturellen Bildung interessante altersgemäße kulturelle Angebote, die nicht nur erreichbar, sondern auch bezahlbar sind. Deswegen haben wir den Kulturrucksack Nordrhein-Westfalen entwickelt, den wir auch 2012 noch einmal mit 3 Millionen € ausstatten.

Liebe Frau Schmitz, Sie können gerne noch einmal im Internet unter www.kulturrucksack.nrw.de nachschauen, was die Kommunen inzwischen mit unserer Unterstützung und in Kooperation miteinander auf die Beine gestellt haben, um gute Angebote für eine ganz besondere Zielgruppe bereitzuhalten, nämlich für die 10- bis 14-Jährigen. Es war uns ein zentrales Anliegen, diese Zielgruppe gesondert anzusprechen.

Wir setzen das erfolgreiche Programm Kultur und Schule fort, und wir werden natürlich auch das Programm „Jedem Kind ein Instrument“ fortführen, aber wir wollen es flexibler gestalten.

An dieser Stelle möchte ich einhaken, weil die Frage „Warum weiten wir JeKi nicht auf das ganze Land aus?“ in einigen Beiträgen ein besonderes Thema war. Frau Schmitz, Sie sind die erste Legislaturperiode in diesem Landtag. Ich muss Ihnen sagen, dass wir 2010 bei der Übernahme dieses Projekts feststellen mussten, dass das laufende Projekt absolut unterfinanziert war.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das heißt, es war überhaupt nicht möglich, einen Schritt darüberhinauszugehen. Wir mussten dieses Projekt erst einmal stabilisieren und haben dies insgesamt mit 4 Millionen € getan. Das nur zur Klarheit und Wahrheit.

Eine Ausweitung auf das Land – das haben Sie selber noch in Erinnerung – würde 60 bis 70 Millionen € kosten. Ich warte auf die Anträge der CDU, wenn Ihnen das so wichtig ist. Sie können diese Anträge in den Landtag einbringen, und dann debattieren wir noch einmal darüber, ob wir das leisten können, ja oder nein. Ich sage, zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir das nicht leisten. So viel zur Wahrheit und Klarheit.

Ich möchte noch einmal deutlich betonen, eine breite kulturelle Teilhabe ist ohne eine künstlerische Avantgarde, ohne Spitzenkunst nicht denkbar. Als herausragende Beispiele seien diesmal benannt die RuhrTriennale, die gerade unter dem Intendanten Heiner Goebbels in einer sehr spannenden Ausrichtung stattgefunden hat, und die wunderbare Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, die aller Beachtung wert ist und international in einer großen Liga mitspielen kann.

Wir wollen auch als Land weiter unseren Beitrag dazu leisten, die einzigartige Theater- und Orchesterlandschaft zu erhalten. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Theaterkonferenz hat sich sehr bewährt, und wir setzen sie fort. Erstmals gibt es damit einen langfristig angelegten gemeinsamen Dialog und Diskurs zu Fragen der kommunalen Theater- und Orchesterentwicklung in Nordrhein-Westfalen. Auch in diesen schwierigen Zeiten haben wir im letzten Jahr für den Theaterpakt 4,5 Millionen € zusätzlich aufgebracht. Diesen Betrag stellen wir auch 2012 wieder in den Haushalt ein.

Eine ausgesprochene Unterstützung finden auch unsere Landestheater und ?orchester; das möchte ich ganz deutlich betonen.

„Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“ war das Motto der Kulturhauptstadt 2010 nach Karl Ernst Osthaus. Das bleibt weiter ein wichtiges kulturpolitisches Thema für uns.

Unser Förderbereich „Kultur und kreative Ökonomie“ soll die komplexen Prozesse des ökonomischen und gesellschaftlichen Wandels in den Regionen und in den Kommunen mit künstlerischen Projekten unterstützen.

Es ist auch angesprochen worden, dass der Kulturhaushalt des Landes relativ klein ist. Das ist historisch begründet. Wir wollen aber dafür Sorge tragen, weiterhin die Förderung von Kunst und Kultur als Gemeinschaftsaufgabe in Nordrhein-Westfalen zu bewahren. Diese Partnerschaft ist mir sehr wichtig.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Für die Kulturaufgaben, die vom Land und den Kommunen in gemeinsamer Verantwortung getragen werden, wollen wir einen Rahmen schaffen. Wir werden deshalb die Arbeit an unserem Kulturfördergesetz, die durch die Neuwahl unterbrochen wurde, fortsetzen und durch dieses neue Gesetz entsprechende Akzente setzen. Es soll die Kulturförderung planvoller und transparenter machen. Das vorhandene Geld soll effizient und zukunftsgerichtet eingesetzt werden. Und wir wollen die breit und vielfältig gewachsene Kulturlandschaft des Landes mit ihren Strukturen erhalten. Das werden wir im Landtag gemeinsam debattieren, und ich freue mich auf die Debatte rund um das Kulturfördergesetz, weil es den Blick für die landespolitischen Aufgaben in Kunst und Kultur schärft.

Abschließend noch mal: Wir investieren mit diesem Haushalt 2012 weiter zielgerichtet in die Kultur und die Kunst unseres Landes Nordrhein-Westfalen. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen in den entsprechenden Ausschüssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin Schäfer. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ministerin hat ihre Redezeit um 1 Minute 30 Sekunden überzogen. Gibt es bei jemandem den Wunsch, ebenfalls noch zu reden? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung zum Teilbereich Kultur.

Ich rufe auf den

     Teilbereich
Sport

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Müller das Wort.

Holger Müller (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Ministerin Ute Schäfer hat sich auf ihrem Platz nach hinten umgedreht.)

– Frau Schäfer, hier bin ich!

(Heiterkeit)

Frau Schäfer, Sie haben ein gutes Stichwort geliefert. Sie haben in Ihrer letzten Rede gesagt, dass Sie klare Prioritäten setzen. Das stimmt. Rot-Grün hat eben abgefeiert, dass es der größte Kulturetat aller Zeiten sei. Und beim Sport hat sich nichts geändert. Sie haben also klare Prioritäten gesetzt: Kultur vor Sport.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Quatsch doch nicht immer dazwischen!

(Heiterkeit – Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Es ist durchgängig ein beliebtes Motto der rot-grünen Landesregierung, wenn irgendetwas nicht klappt oder nicht gut läuft, sind grundsätzlich die anderen schuld.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich will mal ein paar Punkte aufzählen. Die Landesregierung hat den Pakt für den Sport abgeschlossen. Eine Riesenänderung, bei der schwarz-gelben Landesregierung hieß es: Bündnis für Sport.

(Zuruf von den GRÜNEN: Aber ohne Geld!)

Das ist auch nichts Neues, schuld sind die anderen, Schwarz-Gelb.

Sie feiern, dass Sie 18 Sportschulen einrichten wollen. Die Idee, fünf Sportschulen aufzumachen, war von Schwarz-Gelb – übrigens bis 2010 von Rot-Grün erbittert bekämpft.

(Beifall von der CDU)

So kann man auch sehen, dass ein Regierungswechsel partiell Einsicht fördert.

Nächster Punkt: „1000 mal 1000“. Wir haben alle Vereine mit verschiedenen Dingen gefördert. Sie haben das auf den Ganztag umgestrickt. Schuld sind die anderen, auch Schwarz-Gelb. Denn auch die Idee stammt von uns.

Quietschfidel, die Aktion für Immer-Schwimmer. Das war alles von Schwarz-Gelb.

Jetzt werfe ich Ihnen das überhaupt nicht vor. Aber als wir das aufgeschrieben haben, ist mir ein altes Lied eingefallen. Das singe ich jetzt nicht, aber den Text kennen Sie noch: „Es ist alles nur geklaut.“ – Ein bisschen anders gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Den Haushaltsplan Sport braucht man eigentlich auch nicht mehr groß zu lesen, denn wenn man ihn zweimal gelesen hat, kennt man ihn auswendig: keine neuen zündenden Ideen.

Dabei, Frau Ministerin, gibt es ein großes Thema, das sie vielleicht noch anpacken. Das ist die Inklusion, die auch im Sport eine große Rolle spielt. Da schaue ich in den Koalitionsvertrag und lese dann, …

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Gute Idee!)

– Doch soll man lesen. Feindbeobachtung ist wichtig, Herr Mostofizadeh, das wissen Sie doch.

(Heiterkeit)

Dann lese ich in diesem Koalitionsvertrag, dass die Landesregierung dafür sorgen wird, dass bei überregionalen Bauprojekten barrierefrei gebaut wird. – Das ist grandios. Ich wüsste jetzt im Moment kein überregionales großes Bauprojekt, aber immerhin, es könnte ja kommen.

Aber das Problem liegt doch nicht bei dem überregionalen großen Bauprojekt. Das Problem liegt bei der Inklusion vor Ort.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Diese Frage ist doch entscheidend. Da wäre ich Ihnen schon dankbar, würden Sie das in der nächsten Zeit angehen und nicht so große plakative Sätze in den Raum stellen.

An dieser Stelle – da sind wir uns sicherlich einig – muss man Dank sagen – Dank an die Zigtausend Ehrenamtlichen im Lande, die wir teilweise auch ehren. Da gibt es auch die Übungsleiterpauschale. Es wäre im Übrigen schön, wenn man die erhöhen könnte.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Auch das warten wir ab.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung die Steuerfreibetragsgrenze auch für die Übungsleiter, für die ehrenamtlich Tätigen, vor Jahren erhöht hat und – das ist wichtig – sie jetzt weiter erhöhen wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Ministerin, auch hier sind natürlich die anderen schuld, nämlich Schwarz-Gelb.

Zum Abschluss möchte ich mich beim LSB bedanken, der der Dachverband aller Verbände und Vereine ist und eine gute Arbeit leistet. Darüber sind wir uns bestimmt alle einig. Er hat die Unterstützung der Landesregierung, aber wie in den vergangenen Jahren auch die der CDU-Fraktion.

Abschließend kann ich nur sagen: Es wäre so schön, wenn Sie wirklich einmal etwas Neues brächten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Bischoff.

Rainer Bischoff (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Müller, ich habe auf meinen Kalender gesehen, ob wir schon den Elften im Elften haben. Wir haben ihn noch nicht; wir haben ihn erst in drei Tagen. Sie haben immer einen gewissen Unterhaltungseffekt.

(Zuruf von Holger Müller [CDU])

– Ja, den haben Sie regelmäßig; das schaffen Sie das ganze Jahr über.

Nur: Ich habe nicht erkannt, wo die Konsequenz liegt. Man muss wissen, dass die CDU-Fraktion zu diesem Haushalt im Sportausschuss erklärt hat, sie lehne ihn ab, weil sie den Haushalt insgesamt ablehne – also sportpolitisch keine Aspekte sehe, warum sie ihn ablehnen sollte.

Jetzt hat Herr Müller hier erklärt: Alles ist von Schwarz-Gelb geklaut. Das stimmt zwar nicht, aber wenn es die Logik des Herrn Müller ist, müssen Sie dem Haushalt doch gleich zustimmen; das nehme ich doch an. Wenn alles von Schwarz-Gelb ist, dann ist es doch wunderbar. Dann müssen Sie doch zufrieden sein. Ich bin gespannt, wie Sie sich bei der Abstimmung verhalten. Eine Logik hat Ihre Rede nicht, will ich damit sagen. Das kann man wahrlich nicht behaupten.

Dass Sie als Abgeordneter, der die Regierung kontrollieren soll, das Studium des Koalitionsvertrages der Regierung als Feindbeobachtung bezeichnen, ist auch ein bisschen verwunderlich, finde ich. Diese Kontrolle gehört genauso zu Ihren wie zu meinen Aufgaben. Dazu muss man lesen, was die Regierung vorhat.

Ich erkenne in Ihrem Reden jedenfalls keine Konsequenz, um es freundlich zu formulieren. Ich höre Ihrerseits nur Schlagworte.

(Zuruf von der CDU)

– Ich habe das Recht auf freie Rede und gehe auf den Vorredner ein. Das ist hier eigentlich so üblich. Im Sinne einer lebhaften Debatte sollte man das auch versuchen.

(Zuruf von der CDU)

– Ja, ich fange jetzt mit dem an, was ich mir vorgenommen habe. – Die Opposition, stelle ich fest, hat keine Gründe, den Sporthaushalt abzulehnen. Deswegen kann ich mich bei der Begründung vergleichsweise kurz fassen.

Die Ausgaben in den operativen Bereichen werden vom Haushalt 2011 überrollt. Eine Steigerung um 8,2 Millionen € haben wir bei den Strukturförderungen, sprich: den Förderungen des Breitensports, des LSB, der Sportstiftung NRW. Das ist etwas, was sich in finanziell schwierigen Zeiten sehr gut sehen lassen kann und was übrigens die Sportlerfamilie durchaus auch anerkennt. Das kann man gar nicht anders sagen.

Ich kann auch dem Landessportbund für seine Arbeit danken, und ich finde es wichtig, wie er auf die Arbeit des Parlamentes in Sachen Haushalt reagiert: Wenn man mit Vertretern des LSB Gespräche führt, spürt man durchaus Anerkennung der Sportlerfamilie für das, was wir hier mit diesem Haushalt leisten.

Das vorhandene Volumen ist aber auch notwendig, weil in der Tat noch eine Reihe von wichtigen Aufgaben vor uns liegen. Sie haben das Thema „Inklusion“ angesprochen. Daran arbeiten wir emsig. Ich habe für diese Debatte gerade ein Gespräch mit den Behindertensportverbänden des Landes Nordrhein-Westfalen zu diesem Thema unterbrechen müssen.

Ein weiteres wichtiges Feld heißt „Gewalt im Sport“. Der Ausdruck ist plakativ. Die Phänomene sind aber sehr unterschiedlich – da sind wir uns wohl relativ einig –: Das, was bei Fortuna Düsseldorf im Sommer geschehen ist, ist völlig anders zu bewerten als die Vorkommnisse in Dortmund. Die Sache „Pyrotechnik“, die in den Stadien abgebrannt wird, ist wieder etwas anderes.

Gewaltphänomene gibt es aber auch im Breitensport; und sie werden immer stärker. In meinem Fußballkreis beispielsweise werden immer mehr Spiele durch die Schiedsrichter abgebrochen, weil es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Wir verzeichnen auch Versuche von Einflussnahmen durch Naziorganisationen auf Fanstrukturen. Auch diesbezüglich müssen wir sehr hellhörig sein.

Ein weiterer Punkt ist sicherlich die Stärkung des Ehrenamtes.

Was den nächsten Punkt anbelangt, haben Sie ja erwähnt, dass wir damit in Kontinuität zu Ihnen ständen, was wiederum Ihre Zustimmung zwingend macht. Es ist das Programm „Quietschfidel“, bei dem es darum geht, den Menschen Schwimmkenntnisse beizubringen. Auch das ist ausgesprochen notwendig.

Alles das sind Schwerpunkte, mit denen wir uns in Zukunft weiter beschäftigen werden. Es bleibt also eine Menge zu tun. Das wissen wir, die wir uns mit dem Sport befassen. Wir packen es an. Ich bin gespannt, wie sich die CDU gleich bei der Abstimmung verhält. Nach Ihren Äußerungen müssten Sie ja zustimmen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion ist ja durchaus lebhaft. Das wird dem Thema „Sport“ auch gerecht. Letztlich aber gibt es Politikfelder, die strittiger und emotionaler diskutiert werden. Ich denke, wir haben in Bezug auf den Sport hier durchaus auch Gemeinsamkeiten zwischen den Fraktionen. Das tut dem Sportland Nummer eins gut, wenn wir in vielen Fragen einig sind.

(Beifall von der FDP)

Natürlich haben wir auch feine Unterschiede.

Aber ich darf als durchaus positiv feststellen, dass es nach wie vor – Herr Müller hat das sehr schön ausgeführt – eine gewisse Kontinuität in den Sporthaushalten gibt. Das gilt übrigens nicht nur seit 2010, sondern auch für die Jahre davor. Aber das ist auch nur die eine Seite der Medaille.

Damit komme ich zum Aber. Denn wenn ich zum Beispiel darüber nachdenke, mit welcher Vehemenz Sie, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, noch zu Oppositionszeiten eine Planungssicherheit bei der Finanzausstattung des Landessportbundes angemahnt haben – Sie haben das Thema ja auch deutlich in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben –, dann ist es doch schon etwas ernüchternd, dass wir in diesem Punkt auf der Habenseite noch nichts verbuchen können.

Bitte verstehen Sie mich richtig: Wir Freie Demokraten würden es sehr begrüßen, wenn wir als Land gegenüber dem Landessportbund eine verlässlichere Finanzierung gewährleisten könnten. Das ist ganz klar. Wir alle wissen um die diesbezüglichen Probleme und Schwierigkeiten. Allerdings müssen Sie Ihren Ankündigungen dann auch Taten folgen lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Das Gleiche gilt übrigens auch bei der Frage „Erhöhung der Übungsleiterpauschale“. Auch das hat Herr Müller dankenswerterweise schon angesprochen. Hier muss man konstatieren: Zu Oppositionszeiten haben Sie große Worte geschwungen, aber während der Zeit Ihrer Minderheitsregierung letztlich keinen Finger gerührt. Jetzt, im Haushalt 2012, ebenfalls Fehlanzeige. Das, meine Damen und Herren, ist in Anbetracht Ihrer Forderung ganz sicher kein glaubwürdiges Handeln in dieser Frage.

(Beifall von der FDP)

Es kann – das haben wir im Ausschuss am Dienstag schon gehört – auch eine kleine Anerkennung gegenüber den Übungsleitern schon eine große Wirkung zeigen. Sie müssten eigentlich fähig und in der Lage sein, durch eine Einsparung an anderer Stelle hier einen kleinen Schritt voranzuschreiten.

Meine Damen und Herren, ebenfalls muss ich das Programm „1000 mal 1000“ ansprechen, neuerdings mehr tituliert als „Sport im Ganztag“. Ich weiß, „1000 mal 1000“ ist nicht so unbedingt Ihr Lieblingsthema. Aber dabei hat es doch nachweislich vielen Sportvereinen in Nordrhein-Westfalen einen echten Gewinn gebracht. Das sehen wir auch daran, dass Sie dieses erfolgreiche Programm eines liberalen Sportministers jetzt – wie soll ich sagen? – heimlich, still und leise für andere Aufgaben verwenden. Es ist aus Ihrer Sicht sicher geschickt gemacht, keine Frage.

Übrigens will ich betonen, dass wir Liberale der weiteren Vernetzung von Sport und Schule auch einen hohen Stellenwert beimessen. Aber dass das jetzt und in Zukunft auf Kosten der Vereine geschehen soll, das können wir nicht unterstützen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Noch einmal – ich erläutere das gerne –: Unser Programm hatte einen völlig anderen Ansatz. Es war als echte Hilfe für die Vereine gedacht. Darin lag auch der Erfolg des Programms.

Jetzt schneiden Sie vielen Vereinen den Weg zur Teilhabe an dieser guten Idee leider ab. Es gibt nämlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, tatsächlich Sportvereine in unserem Land, die weder den Willen noch die Möglichkeit haben, sich als Partner im Ganztag anzubieten. Das vernachlässigen Sie hier dann leider sträflich.

Wenn wir schon bei den Vereinen sind: Wenn Sie im Koalitionsvertrag schreiben, dass Sie neue Entwicklungen im Sport – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – auch außerhalb traditioneller Vereinsstrukturen unterstützen wollen – Zitat Ende –, dann macht mich das schon ein wenig stutzig.

Meine Damen und Herren, für uns Liberale ist Individualismus ein hohes Gut. Das gilt auch im Sport, keine Frage. Aber ich bitte zu bedenken: Bei dem einen oder anderen Vereins- oder Verbandsvertreter sorgen derlei Bemerkungen durchaus für Irritationen. Ich sage offen: Ich kann das ganz gut verstehen. Denn wie soll man sich das genau vorstellen? Ich lasse da gerne meiner Fantasie etwas freien Lauf. Oder, freundlich formuliert: Da gibt es mit Sicherheit noch erheblichen Klärungsbedarf.

Aber, Frau Ministerin, all dies werden wir sicher intensiv besprechen und klären, unter anderem dann, wenn wir uns mit dem Haushalt auseinandersetzen, der eben noch nicht zu elf Zwölfteln verausgabt ist, das heißt: der eine längere Halbwertzeit als wenige Wochen hat. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Paul das Wort.

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Müller, Herr Lürbke, ich muss natürlich mit dem anfangen, was Sie hier vorgelegt haben, vorgetragen haben.

Mehr Geld für den LSB hat es gegeben, in diesem Jahr 8 Millionen mehr. Das wissen auch Sie, wenn Sie den Haushalt richtig lesen. Und die Planungssicherheit, wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben, bleibt doch unser Ziel, und zwar im Dialog mit dem LSB. Diesen Dialog führen wir auch im Moment.

Herr Müller, wenn Sie sagen, das, was wir „Pakt für den Sport“ nennen, hätte es auch bei Ihnen schon gegeben, nur unter dem Titel „Bündnis für den Sport“, will ich Ihnen einmal den qualitativen Unterschied nennen. Der „Pakt für den Sport“ ist endlich einmal mit Geld hinterlegt und nicht nur mit warmen Worten wie das schwarz-gelbe „Bündnis für den Sport“.

Wenn wir schon bei „1000 mal 1000“ sind, Ihrem absoluten Lieblingsthema, weil Ihnen sonst im Grunde genommen eigentlich nichts einfällt, weil wir so einig sind über die Ausrichtung der Sportförderung in Nordrhein-Westfalen, dann will ich Ihnen auch dazu noch einmal unsere Einschätzung vortragen. Wir haben mit dem Programm „1000 mal 1000“ neue Prioritäten gesetzt, statt mit der Gießkanne durchs Land zu gehen.

(Beifall von der SPD)

Das, was Sie hier ins Feld führen, Herr Müller, das sind Phantomschmerzen und nichts anderes.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Denn die Fokussierung eines solchen Projekts wie „1000 mal 1000“, ausgestattet – wenn man das einmal ausrechnet – mit 1 Million €, auf den „Sport im Ganztag“ ist doch sinnvoll und notwendig angesichts der großen Herausforderungen, denen sich der organisierte Sport doch durch den Ganztag gegenübersieht. Es gilt doch vor allem, hier die Chancen zu nutzen, die sich für den organisierten Sport, aber eben auch für die Schulen durch den Ganztag ergeben. Ich halte es nach wie vor für sinnvoll und richtig, da solche Prioritäten zu setzen.

(Beifall von der SPD)

Weil Sie vorhin beklagt haben, es fehlte Ihnen Innovation, will ich Sie doch einmal kurz mitnehmen auf eine kleine Reise durch den Landessportplan. Dabei werden wir, glaube ich, sehen, dass im Landessportplan durchaus viel Innovation ist. Denn er verbindet bzw. fasst zusammen alle Ausgaben der Landesregierung für den Sport. Wir finden da Posten aus gleich sieben Ministerien, egal, ob wir jetzt von Bildung reden, von Wissenschaft, von Integration, von der Förderung des Ehrenamtes oder kommunalem Städtebau, also klassischem Sportstättenbau oder allgemeinen Bewegungsgelegenheiten. Wir sehen: Überall hat der Sport seinen berechtigten Platz.

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, das man auch mit Blick auf die Reihenfolge des Redesettings hier als ein solches sehen kann: Wir stellen in diesem Jahr wieder die notwendigen Mittel für das Programm „Mehr Chancen für Frauen und Mädchen im Sport“ bereit. Dabei geht es um Frauen in Führungspositionen im Sport, um Gewalt gegen Mädchen und Frauen, um die Verhinderung dieser Gewalt sowie auch darum, Frauen mit Zuwanderungsgeschichte stärker in bestehende Sportstrukturen einzubeziehen.

Wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben, Frau Ministerin: Vielleicht sollte man zusätzlich aufnehmen: „Mehr Frauen in die Sportpolitik“. Ich fühle mich an der Stelle immer relativ vereinsamt und bin froh, dass zumindest Sie mich unterstützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Kollege Bischoff hat das Thema „Inklusion“ schon angesprochen. Und damit sind wir bei „Innovation“. Sie haben „Inklusion“ eher wieder als Schreckensszenario aufgebaut, während es für uns ein sehr, sehr wichtiger Bereich ist. Sie haben recht mit Ihrer Aussage, Inklusion müsse in erster Linie vor Ort geschehen. Das ist klar. Wir werden uns aber darüber verständigen müssen, wie das langsam von unten aufwachsen kann. Das kann man nicht von oben überstülpen. Auf diesen Weg hat sich die Landesregierung mit der vor Kurzem in Köln unter anderem von ihr durchgeführten Tagung zu dem Komplex „Inklusion durch Sport“ begeben. Auch der Sport wird einen wichtigen Beitrag zur Inklusion für NRW leisten können.

Ich glaube, dass schon diese kleinen Beispiele deutlich machen, dass Sport eben mehr ist als Kunstrasen und Tartanbahn. Dieser Haushaltsentwurf der Landesregierung trägt unserem breiten gesellschaftlichen Anspruch im Bereich Sport durchaus Rechnung.

Darüber hinaus freue ich mich über die diversen herausragenden Strukturen im Bereich Sport in unserem Land, die Strahlkraft über NRW hinaus besitzen. Zu nennen sind neben anderen das Deutsche Sport & und Olympia Museum in Köln, die Deutsche Sporthochschule in Köln, die Sportstiftung und die vielen Sportstätten mit überregionaler Bedeutung, für deren Erhalt und Modernisierung wir auch in diesem Jahr wieder einen zweistelligen Millionenbetrag zur Verfügung stellen.

Wir sind auch – das darf man auch nicht vergessen – immer wieder Gastgeberland für sportliche Großveranstaltungen. Es ist uns dabei immer wieder gelungen, uns als sportbegeistertes Land, als faire, offene und tolerante Gastgeber und – natürlich auch – Gastgeberinnen zu präsentieren. Das wird auch in den nächsten Jahren so sein. NRW ist und bleibt – sowohl was das Zuschauen als auch das aktive Teilnehmen angeht – Sportland Nummer eins. Darauf können wir, glaube ich, alle miteinander zu Recht stolz sein.

Für eine erfolgreiche Sportpolitik bedarf es allerdings auch kompetenter und verlässlicher Partner. Die sind hier schon aufgeführt worden. Auch ich will noch einmal darauf eingehen, dass der Landessportbund natürlich unser erster und wichtigster Ansprechpartner für unsere Arbeit ist, die oftmals – bei all dem, was Politik sich immer erhofft, was Sport leisten soll – ambitioniert erscheint. Im LSB aber haben wir einen Partner gefunden, der seine Kräfte mit uns gemeinsam für einen Sport in der Mitte der Gesellschaft einbringt.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen paar kleinen Anmerkungen die Bedeutung des Sports für NRW deutlich machen. Wir brauchen den Sport als Partner, aber umgekehrt braucht der Sport natürlich auch eine verlässliche Politik als Partner. Ich denke, in diesem Haushalt ist es uns gelungen, die notwendigen Mittel bereitzustellen, damit der Sport seine Potenziale ausschöpfen kann. Diese Mittel werden wir auch in Zukunft – auch vor dem Hintergrund einer in den nächsten Jahren nicht leichter werdenden Finanzlage – bereitstellen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die Piraten hat Herr Kollege Lamla das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Kommen wir zum Sport: Das Jahr 2012 war aus sportlicher Sicht für NRW – auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele – ein sehr erfolgreiches Jahr.

Aus der von Frau Schäfer abgegebenen Kleinen Regierungserklärung lesen wir einige ambitionierte Schwerpunkte heraus, zum Beispiel aus Sätzen wie „Sport für alle“, „Kinder und Jugendliche als besondere Zielgruppen“. Wir lesen dort von dem Integrationspotenzial des Sports, vom Festhalten an der Sportpauschale, von der Zusammenarbeit mit dem Landessportbund sowie vom vielschichtigen Fördersystem für Spitzensportler. Das alles hört sich – das muss man sagen – ziemlich toll an.

Nordrhein-Westfalen ist im Vergleich zu den anderen Bundesländern mit ziemlich hoher Kompetenz ausgestattet. Das ist unter anderem ein Verdienst des sehr gut organisierten Landessportbundes, der sportwissenschaftlichen Institute und nicht zuletzt der über 20.000 größtenteils ehrenamtlich organisierten Sportvereine. Das nämlich ist die Wurzel, das Kernpotenzial des Sports, und zwar seit Jahrzehnten.

Wir müssen versuchen, dieses Kernpotenzial für andere Bereiche nutzbar zu machen. Es muss gelingen, auf der einen Seite die Kernstrukturen zu stärken und auf der anderen Seite neue Perspektiven zuzulassen, um nicht von der gesellschaftlichen Veränderung überholt zu werden. Es muss gelingen, dass Integration und Inklusion im Sport nicht nur Worthülsen bleiben, sondern mit Inhalten gefüllt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Auch muss es gelingen, über die Sportförderung ein Bewusstsein für gesundheitsfördernde Maßnahmen zu schaffen. Damit meinen wir nicht das plakative Verweisen auf die Floskel, man müsse mehr Sport treiben, dann würde man gesund bleiben. Das ist einfach zu wenig. Vielmehr muss es eine ehrliche Debatte über folgende Fragen geben: Was können Vereine im Kontext sozialer Integration und gesundheitsfördernder Maßnahmen leisten? Wo kann gezielt unterstützt werden?

All diese Aufgaben – getreu dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn – dem Landessportbund zu übertragen, kann keine Alternative im Sinne einer nachhaltigen und verantwortungsbewussten Sportförderung sein, meine Damen und Herren.

(Beifall von den PIRATEN)

Kinder und Jugendliche werden als besondere Zielgruppe immer wieder hervorgehoben. Das ist richtig und wichtig. Als Beispiel nenne ich die 500 Bewegungskindergärten, die im Laufe der letzten Jahre errichtet wurden. Das sind auf den ersten Blick viele. Es ist auch ein guter Ansatz.

Bei genauerem Hinsehen und einer ehrlichen Debatte jedoch sind andere – vor allem niedrigschwellige – Maßnahmen notwendig, um mehr Kinder für Sport und Bewegung zu begeistern. Grundsätzlich gilt: Begeisterung für niedrigschwellige, leicht zugängliche Sportangebote ist der Schlüssel zur Bewältigung einer der sportpolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Aber nicht nur Kinder und Jugendliche sind als besondere Zielgruppen anzusehen. Es gilt, gerade im Hinblick auf die Veränderung der Altersstruktur ältere Personen und Hochbetagte in Bewegung zu halten und Strukturen zu schaffen, die über Seniorenvereine hinausreichen. Das Thema „Integration“ respektive „Inklusion“ ist bei den Piraten tatsächlich ein Dauerthema. Wir sehen, dass es im Sport große Potenziale gibt, um Menschen mit Migrationshintergrund und/oder einer körperlichen bzw. geistigen Einschränkung am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.

Sportvereine und Migrantenorganisationen können dazu einen großen Beitrag leisten, wenn sie von professionellen Strukturen unterstützt werden. Leistungssport und Breitensport können die mit den gesellschaftlichen Veränderungen einhergehenden neuen Anforderungen an die Sportförderung nicht zufriedenstellend stützen.

Vor diesem Hintergrund ist es eine Sache der Politik, sich für neue Perspektiven zu öffnen. Offene, fernab von Vereinsstrukturen für jedermann frei zugängliche Sportangebote sind ein Weg, um auf neue Bedürfnisse einzugehen. Kooperationen sind ein anderer Weg, Vereine und andere Institutionen an Lösungen arbeiten zu lassen. Neue Bedürfnisse, die in der Mitte der Gesellschaft entstehen, aufzugreifen und angemessene Angebote dafür zu entwickeln, sind ein Weg, um mit diesen neuen Herausforderungen umzugehen.

Dazu gehört es übrigens auch, sich einmal anzuhören, was die Fußballfans denn so zu sagen haben, denn diese befinden sich momentan in einer Gewaltdebatte und werden dort stigmatisiert. Das haben wir bereits in den letzten Wochen zweimal gemacht, Herr Jäger.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir sehen es aber auch als unsere Aufgabe an, hier mitzuarbeiten, Ideen zu entwickeln, um auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts im Sinne des Sports angemessen zu reagieren. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schäfer.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Haushalt 2012 für den Sport verfolgen wir unsere sportpolitischen Ziele konsequent weiter und statten sie auch mit den notwendigen Mitteln aus. Und diese Ziele sind in der letzten Debatte im Sportausschuss unisono von allen Fraktionen gewürdigt worden. Darüber habe ich mich im Sportausschuss auch sehr gefreut.

Herr Müller, Sie haben jetzt einen etwas anderen Akzent gesetzt nach dem Motto: Es ist ja alles nur geklaut. Gibt es überhaupt etwas Neues? – Das fand ich ein bisschen schade, weil wir uns in der Sache mit Blick auf die Dinge, die wir tun, relativ einig waren und alles tun wollen, um weiterhin dafür Sorge zu tragen, dass NRW das Sportland Nummer eins bleibt. Das ist uns bis jetzt allen gemeinsam sehr gut gelungen.

Wir sichern die Sportförderung des Landes auf hohem Niveau. Das Sportkapitel weist dafür rund 13,5 Millionen € mehr aus als im Vorjahr, einmal, weil das nationale Fußballmuseum in Dortmund finanziert werden muss, und weil wir natürlich mehr Einnahmen aus Konzessionserlösen haben. Daraus speist sich also diese Summe. Das ist auch gut so für den Sport.

Insofern verstehe ich Sie nicht so ganz, wenn Sie sagen, ich würde klare Prioritäten bei der Kultur setzen und nicht beim Sport. Ich finde, man sollte diese beiden Felder auf keinen Fall gegeneinander ausspielen. Wir müssen beides im Blick behalten, weil Kultur und Sport besonders wichtig sind für unsere Kommunen. Sie machen sie lebens- und liebenswert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wichtigstes sportpolitisches Thema bleibt natürlich die Erschließung der bildungs-, der integrations- und gesundheitspolitischen Potenziale des Sportes. Wir brauchen Rahmenbedingungen, damit wir für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen den Zugang zu Sport und Bewegung ermöglichen können.

Dafür haben wir einen geborenen Partner, der uns bei dieser Aufgabe unterstützt: Das ist der Landessportbund Nordrhein-Westfalen, mit dem wir einen Pakt für den Sport begonnen haben, den wir auch weiterentwickeln wollen. Wir sind in den Gesprächen. Wir wollen den Landessportbund auf Dauer verlässlich unterstützen und diese Unterstützung auch mit Geld unterlegen. Das macht den Unterschied aus. Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten wollen wir das Ganze begleiten.

Im Übrigen gibt es eine zentrale Herausforderung für alle Sportvereine in Nordrhein-Westfalen, die auch der Landessportbund intensiv inhaltlich begleitet. Dabei geht es um Folgendes: Wenn wir unsere Schulen zu Ganztagsschulen entwickeln wollen – das wollen wir; daran führt auch kein Weg vorbei, denn das ist der Weg in die Zukunft –, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Kooperation mit den Sportvereinen in besonderer Weise läuft. Denn die Sportvereine wollen Nachwuchs. Dafür ist eine Zusammenarbeit von Sportvereinen und Schulen in besonderer Weise wichtig.

Wir haben es geschafft, dass es inzwischen ca. 70 Stellen in Nordrhein-Westfalen gibt, die sich speziell dieser Kooperation von Schule und Sportvereinen widmen, über den Landessportbund getragen. Ich finde, das ist genau der richtige Weg, wie man hier die Nahtstellen noch enger verknüpfen kann. Das Ganze begleiten wir mit 2,8 Millionen € jährlich.

Deswegen haben wir auch das Programm „1000 mal 1000“ auf Sport im Ganztag konzentriert, weil wir genau hier eine große Herausforderung für die Zukunft sehen. Ich glaube, das ist die richtige Entscheidung, dieses Programm in diese Richtung hin weiterzuentwickeln.

Wir stärken auch die Sportstättenförderung in den Kommunen nach wie vor, denn die Kommunen sind die größten Sportförderer in unserem Land. Wir stellen ihnen mit der Sportpauschale auch dieses Jahr wieder 50 Millionen € im GFG zur Verfügung.

Zum Thema „Inklusion“ möchte ich anmerken: Das beschäftigt uns alle, das beschäftigt natürlich auch die Kommunen in besonderer Weise. Ich weiß nicht, ob Sie teilnehmen konnten: Wir als Landesregierung haben gerade einen großen Kongress in Köln unterstützt, der sich genau dem Thema „Inklusion und Sport“ gewidmet hat, um zu diskutieren, Wege aufzuzeigen, was man tun kann, wie man Dinge weiterentwickeln kann. Vielleicht nehmen Sie sich das nächste Mal die Zeit, einfach dazuzukommen. Alle sind herzlich eingeladen.

Im Bereich Leistungssport wollen wir unser gut funktionierendes Verbundsystem Schule und Leistungssport weiter ausbauen und investieren in den Aufbau der NRW-Sportschulen, aber auch in die Sportschulen der Verbände und hier insbesondere in die Sportschule Wedau.

Auch ich möchte an dieser Stelle abschließend einen Dank aussprechen. Ich möchte dem Landessportbund, stellvertretend für unsere vielen Kooperationspartner im gemeinnützigen Sport, danken. Es ist eine wunderbare, gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Deswegen konnten wir auch gemeinsam in diesem Jahr vieles voranbringen.

Den Mitgliedern des Sportausschusses möchte ich herzlich für Ihre Unterstützung danken und freue mich auf eine weiterhin konstruktive Zusammenarbeit. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin Schäfer. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kann ich die Beratung zum Einzelplan 07 schließen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 07, und zwar zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/1320. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und den Piraten. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Änderungsantrag mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Damit kommen wir zweitens zur Abstimmung über den jetzt so geänderten Einzelplan 07. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt uns in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1207, den Einzelplan 07 unverändert anzunehmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – Die Piraten. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Einzelplan 07 verabschiedet.

Bevor wir den Einzelplan 11 aufrufen, komme ich zur Abstimmung über Einzelplan 14, den wir vorhin debattiert, aber aufgrund der Verabredung bezüglich der Mittagszeit noch nicht abgestimmt haben. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1214, den Einzelplan 14 unverändert anzunehmen. Wer möchte dieser Beschlussempfehlung folgen? – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer möchte widersprechen? – Die Fraktionen von CDU, von FDP und von den Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Einzelplan 14 verabschiedet.

Wir kommen nun zum

     Einzelplan 11
Ministerium für Arbeit,
Integration und Soziales

Er hat folgende Teilbereiche: „Arbeit und berufliche Weiterbildung“, „Integration“ und „Soziales“.

Ich verweise auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1211 und eröffne die Beratung.

Wir beraten zuerst den

     Teilbereich
Arbeit und berufliche Weiterbildung

Für die CDU-Fraktion wird Herr Kollege Kern sprechen. Herr Kern, vielleicht warten Sie einfach, bis die Kollegen draußen sind; dann ist es etwas ruhiger. Ich würde mir diese Ruhe gönnen, Herr Kollege Kern.

Dann noch die Bitte an die Reihen der Landesregierung, insbesondere die zweite und dritte Reihe, sich gleich nicht wieder so laut zu unterhalten, schon gar nicht von der einen zur anderen Reihe. Das stört beim Zuhören.

Bitte sehr, Herr Kollege.

Walter Kern (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Im Plenarsaal ist nach der Renovierung der Teppich hervorragend und nahtlos verlegt worden. Das muss ein Akademiker gemacht haben.

Was schließen wir daraus? Die Menschen haben unterschiedliche Begabungen. Die Arbeitswelt braucht unterschiedliche Begabungen. Wir als Politiker haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle unterschiedlichen Menschen im Rahmen ihrer individuellen Fähigkeiten am Arbeitsleben teilnehmen können: der Stipendiat genauso wie der Behinderte, der junge Mensch genauso wie der ältere Arbeitnehmer, Bürger mit guten und Bürger mit schlechteren Startbedingungen.

Sie von den Regierungsfraktionen können viel dafür tun, dass Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen weiterhin sicher bestehen und zukünftig auch neue Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden können. Die Verantwortung dafür liegt in Nordrhein-Westfalen nun schon seit einiger Zeit bei Ihnen.

Dazu zählt insbesondere auch die Berücksichtigung der unterschiedlichen Arbeitsmarktsituationen im Lande. Das kann nicht mit dem Prinzip Gießkanne beantwortet werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Düsseldorf sind anders als in Duisburg, in Ostwestfalen-Lippe oder im Siegerland. Die gleichen Herausforderungen haben wir bei den Chancen der Beschäftigung und der Ausbildung. Auch sie sind regional sehr unterschiedlich.

Meine Damen und Herren, wir sind uns einig: Der demografische Wandel wird die Arbeitsplatzsituation Nordrhein-Westfalens in erheblicher Weise beeinflussen. Mehr denn je brauchen wir deshalb zukünftig die Arbeitskraft älterer Arbeitnehmer. Langfristig stehen weniger junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt drängen, in den nächsten Jahrzehnten ins Haus. Diese jungen Mitbürger will ich heute einmal besonders betrachten. Der Wettbewerb der Zukunft um junge Menschen hat schon begonnen. Zuvor aber gibt es noch einmal eine Riesenchance auch für die Arbeitgeber.

Aktuell sind die Herausforderungen des doppelten Abiturjahrgangs zu meistern, der natürlich auch bewirkt, dass viele stärkere die schwächeren Bewerber verdrängen. Das ist unser gemeinsames Problem. Der doppelte Abiturjahrgang wirkt sich nicht nur an den Hochschulen, sondern insbesondere auch am Ausbildungsmarkt aus. Das wird viel zu wenig diskutiert.

Mit dieser Situation gesamtgesellschaftlich verantwortlich umzugehen, ist die Aufgabe der nächsten Jahre. Hierbei hat die Landesregierung erhebliche Versäumnisse. Sie entwickelt eher wie in vielen anderen Gebieten die Dynamik einer Schnecke.

Wer von Ihnen, meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, glaubt denn, dass junge Menschen, die heute nicht am Arbeitsleben teilnehmen dürfen, morgen solidarisch gegenüber der älteren Bevölkerung sein werden und sie vielleicht aufopferungsvoll pflegen? Wer von Ihnen glaubt denn, dass ein Jugendlicher von der Stärke unserer Demokratie und unserer sozialen Marktwirtschaft überzeugt ist, wenn wir ihn auf der Straße stehenlassen?

Jeder junge Mensch hat berechtigterweise einen Anspruch, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Es ist sehr wohl eine Frage der Menschenwürde, von eigener Arbeit leben zu können.

Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben alle gemeinsam die Aufgabe, dass unsere jungen Mitbürgerinnen und Mitbürger – egal, ob sie Frau oder Mann, gesund oder behindert, studierfähig oder praktisch begabt, mit Zuwanderungsgeschichte oder ohne sind – Lebensperspektiven bekommen. Diese Chance hängt unabdingbar mit Beschäftigung zusammen.

(Karl Schultheis [SPD]: Und mit guter Bezahlung!)

Hierfür ist jeder von uns auch persönlich verantwortlich. Ich fordere an dieser Stelle – ich glaube, im Namen aller – die Ausbilder auf, zu prüfen, ob sie zusätzliche Ausbildungsplätze im nächsten Jahr zur Verfügung stellen können.

Meine Damen und Herren, wir haben im Haushalt ESF-Mittel aus Europa. Wir haben Bundesmittel. Es stehen Landesmittel zur Verfügung. Wünschenswert ist – das wurde auch vom Minister gesagt –, bei der Vergabe von Fördermitteln eine größere Transparenz herzustellen.

Gestatten Sie mir zum Schluss vier kurze Bemerkungen. Damit kein Jugendlicher durch das Sieb fällt, möchte ich nochmals daran erinnern, dass wir mit dem Schüler-Online-System in Nordrhein-Westfalen eine hervorragende Möglichkeit haben, eine individuelle Versorgung der Jugendlichen sicherzustellen und gleichzeitig Fehlplanungen in den Berufskollegs zu vermeiden. Andere Bundesländer nutzen das System flächendeckend.

Zweitens. Gerade die duale Berufsausbildung im ländlichen Bereich bedarf einer Stärkung. Dazu kommt von Ihrer Landesregierung zurzeit zu wenig. Wir müssen im ländlichen Bereich nämlich darauf achten, dass uns die Ausbildung vor Ort auch noch gelingt.

Drittens. Mehr als bisher muss in den Focus der aktiven Arbeit des Ministeriums die Förderung älterer Beschäftigter gestellt werden. Das gilt zum Beispiel für die Gesundheitsprävention, wo es zwar Ansätze gibt, wo wir aber mehr PS auf die Straße bringen müssen.

Viertens. Die Beschäftigung von Behinderten ist sicher eine Aufgabenstellung, bei der der Minister jederzeit mit der Unterstützung der Opposition rechnen kann.

Alfred Herrhausen hat einmal gesagt: Man muss es nicht nur wollen, sondern auch können. Man muss es nicht nur können, sondern auch tun. – Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wir werden Sie an Ihrem Tun messen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bischoff.

Rainer Bischoff (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kern sieht mich jetzt ein bisschen ratlos. Ich habe eben für mich in Anspruch genommen, als ich zum Bereich Sport gesprochen habe, dass ich auf das erwidern will, was die Vorredner gesagt haben, weil ich das gemäß der Statue, die wir im Eingangsbereich stehen haben, „Wort und Widerwort“, für ein Element des Parlamentarismus halte. Dazu gab es aus der CDU Zwischenrufe, in denen bezweifelt worden ist, ob das klug wäre. Ich bleibe aber bei meiner Ansicht.

Nur: Bei Herr Kern fällt mir nichts ein. Sie haben Allgemeines vorgetragen, aber ich weiß nicht, was Sie an dem Haushalt kritisiert haben. Eigentlich gar nichts, wenn ich das richtig gehört habe. Ich habe gelernt, dass Akademiker wahrscheinlich keine Teppiche verlegen. Da gebe ich Ihnen recht. Allerdings sitzt hinter mir in der SPD-Fraktion ein Akademiker, der gesagt hat, er könne das auch.

Ich habe das Gefühl – zumindest gilt das, was die CDU angeht, nach der ich jedes Mal die Ehre habe zu reden –, dass Opposition bei ihr gar nicht stattfindet. Herr Müller hat eben erzählt, wir würden alles machen, wie die CDU das will. Ich habe deshalb gefragt, warum er dann den Haushalt ablehnt. Jetzt höre ich gar keine Kritik. Es fällt mir jedenfalls etwas schwer, auf den Vorredner einzugehen. Bei Ihnen ist offensichtlich außer heißer Luft nichts vorhanden.

Aus meiner Sicht ist der von der Landesregierung vorgelegte Haushalt eine Fortführung der erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik der letzten zwei Jahre. Er signalisiert Kontinuität. Es gibt eine große Kontinuität bei den Angeboten auf hohem Niveau, bei den Schwerpunktthemen, die wir arbeitsmarktpolitisch bearbeitet haben, im Bereich der Projekte und Initiativen, die erfolgreich waren. Sie haben sich bewährt und müssen weitergeführt werden.

Darüber hinaus gibt es natürlich neue Problemlagen, woraus sich Notwendigkeiten ergeben, darauf zu reagieren.

Ich empfehle auch, sich die arbeitsmarktpolitischen Zahlen der letzten Monate noch einmal anzusehen. Da deucht nicht nur Gutes, was Nordrhein-Westfalen angeht.

Ich will deshalb noch einige Schwerpunkte aufführen, bei denen ich denke, dass es ganz wichtig ist, an diesen kontinuierlich und intensiv weiter zu arbeiten. Das betrifft einmal sicherlich den Übergang von der Schule in den Beruf. Den haben Sie, Herr Kern, angesprochen, allerdings positiv. Wir sind an der Aufgabe. Es geht darum, flächendeckend bis 2017 ein verändertes System einzuführen, Reformen behutsam durchzuführen, Maßnahmen einzusparen und neue Vorgaben zu machen. Ich finde es gut, dass die CDU – ich meine das jetzt ohne jeden Zweifel – sich auf den Weg begibt und diesen Prozess mitgeht.

Wir haben das Thema „Fachkräftebedarf“. Ich will das deutlicher aussprechen. Herr Kern, Sie haben für mehr Lehrstellen geworben. Ich will das deutlicher sagen. Wir haben in diesem Bereich einen Rückschlag, weil diejenigen Arbeitgeber, die mir auf jeder Veranstaltung sonntags erzählen, dass der Fachkräftebedarf jetzt ein ganz wichtiges Thema darstelle, die positiv wahrnehmen, dass das Land und die Landespolitik eine erfolgreiche Fachkräfteinitiative starten, offensichtlich montags dabei sind, Ausbildungsplätze einzusparen. Das ergibt keinen Sinn.

Wir haben nach einer Veröffentlichung bei den Ausbildungsplatzzahlen landesweit einen Rückgang von fast 2 %. Es passt überhaupt nicht zusammen, wenn diejenigen, die das Problem am lautesten beklagen, offensichtlich am wenigsten zu dessen Behebung tun. Ich finde, wir sollten das in der Diskussion der Fachkräfteinitiative noch einmal laut sagen und deutlich betonen, dass die ersten, die etwas tun müssen, die Arbeitgeber sind, weil die die Fachkräfte brauchen. Wir wollen Ihnen dabei helfen, aber Sie müssen sich auch selber helfen.

Der Abbau prekärer Beschäftigung ist ein Thema, das sich bei uns seit Jahren durch die Agenda der Arbeitsmarktpolitik zieht. Das will ich jetzt gar nicht weiter ausführen. Wir haben wohl morgen um 11:35 Uhr, Herr Rasche, hier eine interessante Diskussion zum Thema „Abbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse durch ein Tariftreuegesetz“. Ich habe Ihre Pressemitteilung dazu gelesen. Ich freue mich schon auf die Diskussion. Es wird hochinteressant, zu erfahren, ob Sie für gute Arbeit sind, ob Sie für faire Löhne eintreten oder ob Sie Dumpinglöhne bevorzugen. Aber das besprechen wir morgen. Wir haben dazu jedenfalls eine klare Position; das kann ich schon einmal sagen.

Beim Thema „Arbeitsschutz“ sind wir unterwegs. Wir müssen da einen hohen Anteil dessen wieder aufbauen, was die Personalkürzungsorgien der Vorvorgängerregierung, die von 2005 bis 2010 regiert hat, durch das Herunterfahren des Personalbestandes zerstört haben. Das ist eine perspektivische Aufgabe. Die SPD-Fraktion wird darauf sicherlich bei der Einbringung des Haushaltes 2013 ein Auge haben, um perspektivisch einen Schritt voranzukommen.

Ich komme zu meinem letzten Aspekt, weil dann meine Redezeit vorbei sein wird: Es geht um den Bereich der Kurzarbeit. Möglicherweise können wir gemeinsam initiativ werden. Wir wollen selbstverständlich mit dem Ministerium, aber vielleicht auch mit der Opposition, dass die günstige Kurzarbeiterregelung für 18 Monate möglichst wieder durch Verordnung der Bundesarbeitsministerin wieder eingeführt wird, damit wir den drohenden Gefahren in verschiedenen Branchen entgegenwirken können.

Wir haben viel zu tun. Ich habe nur ein paar Punkte ausführen können. Die SPD und Rot-Grün werden die Aufgaben anpacken. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Alda.

Ulrich Alda (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Besucher! Ich möchte zunächst einmal die allgemeine Lage am Arbeitsmarkt für Nordrhein-Westfalen beleuchten. Die Lage auf dem nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkt ist nicht mehr ganz so positiv zu bewerten – da stimme ich Ihnen zu – wie noch in der ersten Jahreshälfte. Die Arbeitslosenquote ist im Laufe des Jahres um 0,2 Prozentpunkte auf 7,9 % gestiegen. Das ist zurückzuführen auf die nachlassende Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes aufgrund der schwächeren Konjunktur.

Trotzdem bleiben wir dabei: Die Situation ist insgesamt als stabil zu bezeichnen. Deshalb können wir einen gewissen Aktionismus der Regierung, der zu bestimmten Fragen veranstaltet wird, einfach nicht verstehen.

Wenn die Regierung sagt, das Kurzarbeitergeld habe sich in der Vergangenheit bewährt, so sind wir uns darin einig. Nur ein inflationärer Gebrauch, wie von der Landesregierung gefordert, empfiehlt sich nicht unter dem Aspekt, dass das auch bezahlbar sein muss. Ein Nebenaspekt ist, dass das Ganze auch bezahlbar sein muss. Deswegen sollten wir es tatsächlich für die Krisen übrig lassen.

Sehr geehrter Herr Minister Schneider, ich bin neu im Parlament und habe hier meine Eindrücke gewonnen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Alles, was mit Ihrer Unterschrift aus Ihrem Hause kommt, lässt Sie als einen Berufspessimisten dastehen, der immer mit Skepsis in die Zukunft blickt. Dabei schätze ich Sie grundsätzlich anders ein. Ich habe mich auch erkundigt. Sie sind doch ein fröhlicher, sympathischer, lebensfroher Mensch.

(Minister Guntram Schneider: Ja!)

Verbessern Sie mich, wenn das nicht stimmt.

(Beifall von der FDP)

Daher sollte man an diesem Punkt doch einmal sehen, wie es geht, und dann einfach gucken, dass wir die Probleme hier gemeinsam angehen.

Lassen Sie mich jetzt bitte zu der zukunftsorientierten Arbeitsmarktpolitik kommen. Zu dieser gehört es, die Ursachen für mögliche Krisen so früh wie möglich aufzuspüren.

Die Fachkräftesicherung, die von meinen Vorrednern schon angesprochen worden ist, spielt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle. Immer mehr Arbeitgebern wird klar, dass die Innovationsfähigkeit und somit die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens davon abhängt, ob ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Ein flächendeckender Fachkräftemangel existiert derzeit nicht. Jedoch sind einige Branchen akut betroffen. Das Phänomen erscheint am Horizont, scheint aber kein Scheinriese zu sein, sondern kommt ganz langsam auf uns zu. Daher müssen wir das ganze Arbeitspotenzial der Bevölkerung nutzen. Dazu gehören folgende Punkte:

Wir müssen mehr Jugendliche in Ausbildung bringen.

Wir müssen altersgerechte Arbeitsplätze für ältere Beschäftigte schaffen. Hier liegt für mich das größte Potenzial.

Wir müssen die Fort- und Weiterbildung in den Betrieben ausbauen – auch derjenigen, die bisher als Ungelernte arbeiten; denn sie werden in Zukunft Maschinen bekommen, für die sie eine Ausbildung benötigen.

Last, but not least: Die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse muss erleichtert werden.

(Beifall von der FDP)

Ein weiterer wichtiger Baustein ist die gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Zu diesem Punkt werden wir in diesem Hause ja später noch diskutieren.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass ich als einer derjenigen, die kein Rückkehrrecht haben, noch in der Praxis tätig bin und aus manchen Betrieben schon höre, dass jetzt viel mehr rationalisiert werden soll. Man will Automatisierung einsetzen, um diese Problematik zu überwinden. Da möchte ich doch sagen: Lassen Sie uns zusammenarbeiten und lieber hier die Leute schulen.

Die Zahl der Bewerber um Ausbildungsplätze ist um 6,5 % gestiegen, während die Zahl der Lehrstellen leider tendenziell etwas gesunken ist. Ich will nicht hoffen, Herr Minister, dass der regierungsamtlich verbreitete Pessimismus hier auf die ersten Arbeitgeber durchschlägt und diese nicht mehr ausbilden wollen.

Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Besetzung von Ausbildungsstellen in den nächsten Jahren dennoch spürbar schwieriger werden. Deshalb sind die Anstrengungen, die seitens der Landesregierung gemeinsam mit den Partnern im Ausbildungskonsens NRW übernommen werden, um beim Übergang von der Schule zum Beruf früher anzusetzen – sprich: achtes Schuljahr – und diesen auch qualitativ zu verbessern, im Grundsatz richtig.

Trotzdem wird es nicht ohne Weiteres gelingen, auf diese Weise alle Jugendlichen mitzunehmen. Mangelnde Ausbildungsreife ist immer noch das Ausbildungshemmnis Nummer eins. Defizite finden sich nicht nur bei der Allgemeinbildung, sondern auch bei den sozialen Kompetenzen und insbesondere bei den sprachlichen Fähigkeiten. Ein kleines Beispiel: Wenn Sie in Hagen – ich habe es persönlich erlebt – jemanden fragen, was er denn in der Zukunft machen möchte, antwortet er nicht: „Ich möchte zum Käthe-Kollwitz-Berufskolleg gehen, um mich auf mein späteres Berufsleben vorzubereiten“, sondern sagt: Ich geh Käthe. – Das ist die Praxis, die einem von der sprachlichen Kompetenz her heute begegnet.

Auf Instrumente wie das Werkstattjahr für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz kann aus obigen Gründen nach wie vor nicht verzichtet werden. Dies hat die Regierung auch angekündigt.

Trotzdem ist zu fragen, was sich seit dieser Ankündigung getan hat und ob es gelungen ist, die Zahl der vorzeitigen Abbrüche des Werkstattjahres zu verringern und eine größere Zahl von Jugendlichen in Ausbildung zu bringen. Da wir jetzt beim Thema „Haushalt“ sind, frage ich: Werden hier nicht auch Geld und die Lebensjahre der jungen Leute verschwendet?

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

– Ich komme sofort zum Ende. – Die Landesregierung kritisiert gebetsmühlenartig die Verbesserung bei den 400?€-Jobs, bemängelt den fehlenden Mindestlohn und betet für die Vermögensteuer. Dazu könnten wir noch vieles sagen. Das würde aber den Zeitrahmen deutlich sprengen. Wir appellieren hier an Sie, den Tarifpartnern und den Menschen zu vertrauen. Wir tun das. Die Erfolge sind in den Beschäftigungsstatistiken abzulesen. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berufliche Erstausbildung ist der Grundstein für ein zukunftssicherndes Erwerbsleben und beugt brüchigen Erwerbsbiografien vor. Die Neugestaltung des Übergangsmanagements Schule/Beruf ist zwingend notwendig. Unsere Fraktion steht geschlossen hinter diesem Anliegen, legt aber dennoch Wert darauf, nicht unbegründet und radikal bisherige Förderinstrumentarien zusammenzustreichen.

Eine für alle Beteiligten nachvollziehbare Überprüfung des alten Systems und eine transparente, begründbare Einführung neuer Förderstrukturen sind unabdingbar. Die Neugestaltung des Übergangsmanagements Schule/Beruf ist jedoch ein längerer Prozess, bei dem wir alle beteiligten Organisationen im Bereich Arbeit, Schule und Jugendhilfe an einen Tisch holen sollten.

Besonders hervorheben möchten wir Grünen bei den zusätzlichen Förderangeboten die Teilzeitberufsausbildung. Insbesondere für alleinerziehende junge Mütter ist dies ein Weg der Integration in den Arbeitsmarkt; denn das Angebot einer Vollzeitausbildung und passender Kinderbetreuung ist in vielen Kommunen Mangelware, gerade im ländlichen Raum. Hier sollte aus grüner Sicht ein Schwerpunkt gebildet werden; denn allzu oft landen Kinder unter drei Jahren deshalb im Hartz?IV-Bezug, weil es den Eltern oder den jungen Müttern an Ausbildung und Arbeit fehlt. Kinderarmut findet hier ihren Anfang.

Ein bisheriges Stiefkind in der politischen Debatte ist der Arbeitsschutz. Wir begrüßen es sehr, dass Herr Minister Schneider sich für auskömmliche Sachmittel und ausreichendes Personal einsetzen will.

Hier möchte ich insbesondere auf die zunehmenden Erkrankungen im psychischen Bereich hinweisen. Wir sollten uns im Fachausschuss zukünftig mehr mit den Stressfaktoren, den Erschöpfungszuständen und dem sogenannten Burn-out-Syndrom beschäftigen. Es ist dringend geboten, wirkungsvolle Ansatzpunkte zur Vorbeugung und Vermeidung zu entwickeln.

Die Fachkräfteinitiative NRW, die bereits mehrfach angesprochen wurde, ist ein weiterer Weg, um mehr Erwerbspersonen dauerhaft in Arbeit und in unsere Sozialversicherungssysteme zu bringen. Dies ist gerade in Bezug auf die derzeitige Diskussion um Altersarmut und Überprüfung unseres Rentensystems dringend notwendig. Bei den Frauen und den Migranten liegen hier erhebliche Potenziale brach.

Hinweisen möchte ich aber auch auf die unerträgliche Ausweitung prekärer Beschäftigung. Im Sinne des Fachkräfteprogramms muss den Unternehmen vor Ort klar werden, dass die Ausweitung von Minijobs, Leiharbeit, befristeten Beschäftigungen und Teilzeit nicht der richtige Weg ist, um dringend benötigte qualifizierte Fachkräfte an sich zu binden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Hier ist ein grundsätzliches Umdenken zwingend erforderlich. In diesem Feld der fairen und guten Arbeit sehe ich uns alle gefordert.

Auch weiterhin begrüßen wir Grünen sehr, wenn sich unsere Landesregierung auf Bundesebene für die Eindämmung prekärer Beschäftigung einsetzt. Insbesondere sei hier der Mindestlohn genannt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Hier kann sich das Arbeitsministerium einer intensiven Unterstützung durch die grüne Fraktion sicher sein.

Ein besonderes grünes Anliegen ist die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Hierzu gehört zum einen die weitere Förderperiode der Erwerbslosen-Beratungsstellen und Arbeitslosenzentren, als weiteres Instrumentarium aber auch die öffentlich geförderte Beschäftigung.

Mit dem Projekt „sozialer Arbeitsmarkt“ bietet sich eine Chance, Menschen mit unterschiedlichsten Belastungen eine Teilhabe zu ermöglichen. Uns Grünen ist bewusst, dass wir in unserem Land nur einen Anstoß geben können. Klares Ziel und damit auch Paradigmawechsel ist es jedoch, dass wir keinen diskriminierenden, ausgrenzenden zweiten, dritten, vierten oder fünften Arbeitsmarkt mehr wollen. Es gibt für uns Grüne nur einen Arbeitsmarkt, den ersten. Dort gibt es nicht geförderte und geförderte Arbeitsplätze.

Viele Bundesländer sind uns gefolgt und haben Ähnliches auf den Weg gebracht. Eine Bundesratsinitiative zur öffentlichen Beschäftigung ist aktuell in der Debatte. Der Anfang ist durch Rot-Grün in NRW gemacht. Bedauerlicherweise, Herr Kern, ist das ohne die männlichen CDA-Recken in der CDU geschehen. Wir haben damals Ihre Unterstützung vermisst, als wir hier den sozialen Arbeitsmarkt plenar eingebracht haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Gruppe der Langzeitarbeitslosen kommt in Ihrem Redebeitrag leider nicht vor. Für Menschen, die arbeitsfern sind, haben Sie keinen Blick mehr – den hatten Sie einmal.

Wir gehen, meine Damen und Herren, davon aus, dass wir spätestens im Herbst 2013 ein bundesweit gefördertes Instrument der öffentlich geförderten Beschäftigung haben.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Maaßen.

Martina Maaßen (GRÜNE): Und ich gehe davon aus, dass dies ohne Frau von der Leyen geschehen wird. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Maaßen.

In Richtung der Bänke der Landesregierung möchte ich meine Bitte, die jetzt keinen appellativen, sondern einen auffordernden Charakter hat, wiederholen. Wenn das Innenministerium Raum für eine Bürobesprechung benötigt, dann empfehle ich meinen Empfangsraum.

(Allgemeiner Beifall)

Ich bitte das Innenministerium, meine humoristisch gemeinte Einlassung jetzt ernst zu nehmen und das Parlament nicht zu stören.

Herr Kollege Sommer von den Piraten.

Torsten Sommer (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und im Livestream! Der jetzt vorliegende Haushalt beinhaltet im Einzelplan 11 leider zu wenig initiative Elemente und Impulse. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, gegen die Erosion der typischen Beschäftigungsverhältnisse vorzugehen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht nicht nur immer weiter auseinander, sondern auch immer schneller.

Die sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnisse – Aufstocker, Minijobs, aber auch schlecht bezahlte Leiharbeit – verdrängen nach und nach die normalen Arbeitsverhältnisse, die zu einem selbstbestimmten Leben taugen. Diese atypischen Beschäftigungsverhältnisse dürfen nicht länger durch Vorteile bei Besteuerung und Sozialabgaben gefördert werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Hier muss die Landesregierung auch im Bundesrat initiativ werden. Wenn wir es ernst meinen und Politik für Menschen in diesem Lande machen wollen, müssen wir diese Rahmenbedingungen ändern.

Aber auch hier auf Landesebene brauchen wir viel mehr Initiativen, als es bisher geschehen und geplant ist. Wir benötigen zum Beispiel erheblich mehr Möglichkeiten zur Qualifizierung. Lebenslanges Lernen und berufliche Weiterbildung dürfen nicht nur eine Forderung der Politik bleiben. Politik muss auch die entsprechenden Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für die Menschen in diesem Land schaffen.

(Beifall von den PIRATEN)

Denn nur mit qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern können wir im internationalen Wettbewerb bestehen. Für diese und weitere Initiativen steht die Piratenfraktion gerne zur Beratung und Umsetzung zur Verfügung. Wir wollen schließlich nicht in dem althergebrachten Scheuklappendenken verharren. Dafür gibt es andere Parteien. Wir Piraten wollen und werden weiterhin politische Lösungen erarbeiten und zur Übernahme anbieten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Schneider das Wort.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die aus meiner Sicht sehr sachliche und konstruktive Diskussion. Besonders bedanke ich mich bei Herrn Alda. In der Tat bin ich ein lebensfroher Mensch. Manche fügen hinzu: mit barocken Zügen.

(Heiterkeit)

Aber dies kann ja nicht alles sein. Ich habe gelernt: Wenn Optimismus keine Substanz hat, dann wird daraus Propaganda. – Das darf gerade in der Arbeitsmarktpolitik nicht geschehen. Deshalb sollten wir positive Entwicklungen sehr deutlich machen, aber auch negative Verhältnisse benennen, um sie gemeinsam zu überwinden.

Mehrmals ist in der Diskussion das neue Übergangssystem von der Schule in den Beruf angesprochen worden. Dieses neue Übergangssystem ist ein zentrales Projekt unserer Landesregierung. Wir setzen hierfür etwa 70 Millionen € ein, auch Mittel des Bundes, der Bundesagentur für Arbeit und natürlich auch anderer Ressorts.

Ich denke, dieses neue Übergangssystem wird sich ein Stück weit auch selbst finanzieren, weil wir zum Beispiel unnötige Warteschleifen auflösen wollen, um die jungen Leute eher in die duale Berufsausbildung oder zum Studium zu bringen. Hier geht es auch um handfeste finanzpolitische Fragestellungen.

Wir wollen – und darauf ist auch hingewiesen worden – natürlich das duale System stärken. Ich tue dies bei jeder Gelegenheit. Informieren Sie sich bei den Handwerksorganisationen. Gerade in diesem Punkt ist die Landesregierung ein solider und verlässlicher Ansprechpartner, der sehr viel gemeinsam mit Handwerk, Handel und Industrie leistet.

Wir müssen unser duales System erhalten, weil die in anderen Ländern vorhandene erhebliche Jugendarbeitslosigkeit unter anderem darauf beruht, dass die Qualifikation in vielen Ländern nicht mit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes übereinstimmt. Dann kommt es eben zur Arbeitslosigkeit.

Meine Damen und Herren, faire Arbeit, Arbeit gestalten – das ist auch ein Credo dieser Landesregierung. Wir werden eine Initiative „Faire Arbeit und fairer Wettbewerb“ gemeinsam mit den Sozialpartnern und mit anderen am Wirtschaftsleben Beteiligten in den nächsten Wochen auf den Weg bringen. Wir wollen auch ein Programm „Arbeit gestalten“ vor allem mit den Sozialpartnern realisieren, weil eines auch klar ist: Wenn die Menschen länger arbeiten sollen, dann müssen erstens die Arbeitsplätze hierfür vorhanden sein und zweitens müssen die Menschen länger im Erwerbsprozess gesund bleiben können. Deshalb ist es notwendig, auch hier verstärkte Initiativen zu ergreifen.

Meine Damen und Herren, besonders – darauf hat die Kollegin Maaßen hingewiesen – liegt uns der Arbeitsschutz und damit auch ein Stück weit die Arbeitsgestaltung am Herzen. Wir sind hier dabei, unverantwortliche Kürzungen aus der Zeit der schwarz-gelben Regierung wegzuräumen und zu überwinden. Sie haben über die sogenannte Verwaltungsstrukturreform 20 % des Personals beim staatlichen Arbeitsschutz abgebaut. Wir müssen jetzt unter schwierigen finanziellen Verhältnissen hier wieder aufbauen. Wir beginnen dies mit verstärkter Ausbildung der Menschen, die zukünftig im Arbeitsschutz tätig sein sollen. Wir vereinbaren neue Aktivitäten mit den bei den Regierungspräsidien tätigen Arbeitsschutzkolleginnen und -kollegen in Richtung verstärkte Kontrolle. Wie notwendig das ist, zeigt der Fall Envio in Dortmund.

Ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir haben in zweieinhalb Jahren in der Arbeitsmarktpolitik vieles erreicht. Das wird auch auf Bundesebene gewürdigt, auch von Landesregierungen, die einer anderen Farbenlehre entsprechen. Ich würde mich freuen, wenn wir unsere Arbeitsmarktpolitik möglichst versehen könnten mit einer breiten politischen Grundlage, damit wir das verwirklichen können, was jedem Menschen zusteht, über Arbeit den Lebensunterhalt zu finanzieren und Teilhabe an Gesellschaft und an Politik zu haben. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Schneider. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Minister Schneider hat die Redezeit um ca. eine Minute überzogen. Wünscht jemand von den Fraktionen noch zu reden?

(Zuruf von der CDU)

Das ist nicht der Fall. Dann können wir damit die Beratungen über den Teilbereich Arbeit und berufliche Weiterbildung im Einzelplan 11 schließen.

Ich rufe auf den

     Teilbereich
Integration

Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Güler von der CDU-Fraktion.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Serap Güler (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss an dieser Stelle ganz offen und ehrlich gestehen, dass es mir schwerfällt, den Gesamtansatz zum Haushaltskapitel gesellschaftliche Teilhabe und Integration Zugewanderter zu kritisieren. Sicherlich kann man auf der einen Seite durchaus monieren, dass diese 28 Millionen €, über die wir jetzt sprechen, bei einem Haushalt von 58,8 Milliarden € eher mickrig erscheinen. Auf der anderen Seite ist mir jedoch auch klar, dass dies nicht alles ist, was das Land für die Integrationspolitik im Haushaltsjahr 2012 eingeplant oder mittlerweile bereits ausgegeben hat. Deshalb: Chapeau an dieser Stelle. Auch hier sparen Sie nicht.

Das, was wir alle aber ebenso gut wissen, ist, dass eine erfolgreiche Integrationspolitik eben nicht kaufbar ist. Für eine gute Integrationspolitik muss man eben ein bisschen mehr machen, als einfach nur Geld auszugeben. Ihre integrationspolitische Bilanz ist hierfür das beste Beispiel. Integrationspolitik braucht Ideen. Sie braucht Ziele. Ähnlich haben Sie es, Herr Minister Schneider, im Rahmen der Haushaltsdebatte 2011 formuliert. Sie sagten – ich zitiere –: Das Geld, das wir nicht haben, versuchen wir durch Kreativität und Fantasie in der Politik auszugleichen.

(Zuruf: Wo denn?)

Ich frage mich nun, ob die 10 Millionen €, die Sie auf den Etat 2012 draufschlagen, ein Eingeständnis dafür sind, dass es Ihnen an Kreativität und Fantasie in der Integrationspolitik fehlt und dass es Ihnen an Ideen fehlt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ihrem Vorgänger wird gern von Ihrer Partei und auch von Ihrem Koalitionspartner vorgeworfen, er sei der Mann der schönen Worte gewesen, hätte diesen aber keine Taten folgen lassen. Nun seien wir doch bitte einmal ehrlich. Wenn Sie, Herr Minister, heute durch das Land ziehen und voller Stolz verkünden, NRW sei das Integrationsland Nummer eins, dann ist das nicht Ihr Verdienst, sondern das Ihres Vorgängers und das von Thomas Kufen.

(Beifall von der CDU)

Doch auch Sie, Herr Minister – und das muss ich hier auch gestehen –, sind sehr wohl ein Mann der schönen Worte. Sie sind ein Mann, der im Nu die Herzen des Publikums erobern kann, doch nur und ausschließlich, wenn es um das Thema „doppelte Staatsbürgerschaft“ geht. Das ist ein Thema, für das Sie sich vehement einsetzen, und gleichzeitig eines – wie gut ein Drittel des Kapitels „Integration“ in Ihrem Koalitionsvertrag –, das gar nicht in Ihrer Kompetenz liegt.

Kreativ ist es zudem auch nicht. Ihre Partei geht damit nun seit mehr als einem Jahrzehnt bei Migranten auf Stimmenfang.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ein Hauch von Kreativität kann man mit verdammt viel Fantasie bei den Kommunalen Integrationszentren erkennen. Wie gesagt: mit Fantasie! Die KIZ, die Sie als neue Akzente in NRW verkaufen, sind lediglich eine Verschmelzung der RAA und des Programms „KOMM-IN“. Eine Verschmelzung, aber keine neue Idee!

(Minister Guntram Schneider: Das hätten Sie machen müssen!)

Ich frage mich wirklich, ob man für diese Verschmelzung nun mehr Geld ausgeben muss. Die Kommunen scheinen von den KIZ so sehr „begeistert“ zu sein, dass Ihnen bis heute kein einziger Antrag vorliegt, obwohl die Frist am 31. Oktober abgelaufen ist.

(Beifall von der CDU)

Dabei geht es mir gar nicht darum, dass Sie das Geld lieber hätten sparen sollen.

(Ingrid Hack [SPD]: Lesen Sie mal die Protokolle, Frau Güler! Da steht etwas anderes drin!)

Nein, Sie hätten es für etwas ausgeben können, was Ihnen angeblich wirklich am Herzen liegt, zum Beispiel für Ihre Einbürgerungsoffensive. Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Thema „doppelte Staatsbürgerschaft“ nicht der einzige Grund dafür ist, dass wir so wenige Einbürgerungen haben. Ein weiteres Hindernis sind die Kosten. Warum stecken Sie das Geld nicht hier rein und übernehmen als Land einen Teil der 250 €, die eine Einbürgerung kostet? Das wäre kreativ. Ihre Offensive wäre somit wirklich innovativ, und Ihr Einsatz wäre fulminant gewesen. So aber sind es, wenn überhaupt, nur Ihre Reden zum Thema „doppelte Staatsbürgerschaft“.

Kurzum: Sie geben mehr Geld aus – nicht als Wohltat, sondern einfach weil Ihnen die Ideen fehlen. Und die Ideen fehlen Ihnen, weil Ihnen dieses Thema nicht am Herzen liegt.

Während Integration für uns Chefsache ist, verliert es unter dieser Landesregierung zunehmend an Bedeutung. Das Paradebeispiel dafür lieferte die Regierungschefin in ihrer Regierungserklärung. Nicht nur, dass sie dieses Thema noch weit hinter das Thema „Artenschutz“ stellte, nein, sie widmete sich dem Thema und somit den 4 Millionen Menschen, die dieses Thema aus nächster Nähe betrifft, gerade mal eine Minute.

(Widerspruch von der SPD – Walter Kern [CDU]: Wo ist sie eigentlich?)

Ich möchte zum Schluss noch ganz kurz auf ein weiteres Thema eingehen. Wie Sie wissen, liebe Kollegen, haben wir uns hier vor Kurzem alle gemeinsam massiv über die Postkartenaktion auf der Keupstraße aufgeregt. Ich erinnere mich an die Pressemitteilung der Kollegen Herrn von Grünberg und Frau Velte, an den pressewirksamen Auftritt des Herrn Kollegen Ünal auf der Keupstraße.

Wie Sie wissen, war ich bei diesem Thema voll und ganz bei Ihnen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Oh! Das ist ja toll!)

Auch ich fand diese Aktion unmöglich. Auch ich habe die Händler vor Ort besucht – allerdings ohne die Presse – und daraufhin dem Bundesinnenminister ein Schreiben geschickt, in dem ich ihm mangelnde Sensibilität vorgeworfen und um Aufklärung gebeten habe. Diese habe ich Anfang dieser Woche bekommen. Ich darf Ihnen aus dem Antwortschreiben des Bundesinnenministers Folgendes zitieren:

Für die Verteilung der Gratispostkarten haben wir in Abstimmung mit dem Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW

(Zurufe von der CDU: Oh!)

die Städte und Stadtteile in NRW ausgewählt, in denen eine Verteilung der Gratispostkarten als sinnvoll erachtet wurde.

(Britta Altenkamp [SPD]: Erklären Sie mal, was das beweist!)

Während Ihr Innenminister die Stecknadel auf die Karte setzt, echauffieren Sie sich vor der Öffentlichkeit über eine Aktion, die diese Landesregierung letztendlich mitgetragen hat.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Serap Güler (CDU): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zu so viel Doppelmoral fällt mir wirklich nichts mehr ein. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Güler. Das war Ihre erste Rede, Ihre Jungfernrede im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Herr Kollege von Grünberg.

Bernhard von Grünberg (SPD): Liebe Frau Güler, alle Fraktionen haben sich geschworen, Integrationspolitik gemeinsam zu machen.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich verstehe Ihre Rede nun wirklich nicht. Am Anfang sagen Sie „Chapeau“ gegenüber der Landesregierung, dass in diesen schwierigen Zeiten 10 Millionen € mehr eingesetzt werden. Und es ist ehrenwert, dass Sie „Chapeau“ sagen. Dann aber sagen Sie, unsere Arbeit sei kleinkariert, irgendwie alles ganz falsch und fantasielos.

Ich weiß nicht, inwieweit es fantasielos ist, wenn wir den Kommunen zusätzlich – zusätzlich! – Geld geben, damit sie vor Ort die Integrationsbemühungen – und die kann man vor allen Dingen vor Ort machen – fortsetzen und steigern können. Es ist ganz entscheidend, dass man vor Ort etwas entwickelt. Die Menschen dürfen nicht einfach nur das Geld vom Land nehmen. Voraussetzung dafür ist, dass eigene Vorstellungen entwickelt werden, wie man Integration vor Ort, und zwar flächendeckend, hinbekommen kann. Das ist der Ausdruck dafür, dass wir kreative Vorstellungen vor allen Dingen in den Kommunen erreichen wollen.

Bisher haben wir die RAA gehabt und auch gefördert. Aber wir setzen, wie gesagt, allein in diesem Titel 10 Millionen € mehr ein, weil wir sagen: Die RAA-Konstruktion springt zu kurz, denn sie hat nur an der Bildung angesetzt. – Natürlich ist die Bildung ein ganz entscheidender Punkt. Es geht aber um die Frage der integrativen Arbeit in allen Bereichen der Kommunalverwaltung, nicht nur im Bildungsbereich. Deswegen ist es richtig, Kommunale Integrationszentren einzurichten: damit die Kommunen in diesem Bereich umfassend arbeiten.

Im Übrigen ist es nicht so, dass nur diese 10 Millionen € hinzukommen. Denn aus dem Schuletat kommen noch jeweils zwei Stellen drauf. Und natürlich sind auch unsere Arbeit im Kindergartenbereich – das dritte Kindergartenjahr ist kostenlos – und die Veränderung der Schulstruktur ein ganz wesentlicher Beitrag zur Integration. Deswegen kann man diesen Titel nicht alleine sehen, sondern muss insgesamt die Anstrengungen sehen, die wir 2012 durchführen.

Wir wollen jetzt auch erstmalig – das ist ganz wesentlich; ich verstehe auch nicht, warum Sie sagen, da sei keine Kreativität – die Selbsthilfe von Migrantenselbsthilfeorganisationen stärken. Wir wollen, dass die Kolleginnen und Kollegen nun selber stark werden und wir ihnen durch diese Gelder beim Starkwerden helfen. Das ist doch auch ganz entscheidend. Wir wollen dem Landesintegrationsrat 100.000 € mehr geben, damit er das alles koordinieren kann.

Wir haben noch eine Menge zu tun in diesen Bereichen. Daher brauchen wir Einigkeit.

Herr Kollege Laschet, Sie haben sicherlich Ihre Verdienste innerhalb der CDU, jedenfalls in Nordrhein-Westfalen. Sie sagten: Das ist auch unser Thema. Diese Art von Wahlkämpfen, die wir in der Vergangenheit gehabt haben, sollte es nicht mehr geben. – Das ist sehr verdienstvoll.

Auch bei dem einen oder anderen aus unserer Fraktion lag schon einmal ein Wort daneben. Aber wir brauchen das Zusammenstehen auf Bundesebene. Herr Laschet, Sie sind jetzt Landesvorsitzender. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie auf Bundesebene das auf den Weg bringen, was wir dringend brauchen, nämlich die doppelte Staatsangehörigkeit, damit die Leute nicht mit Übernahme der deutschen ihre alte Staatsangehörigkeit abgeben und damit ihre Herkunft verleugnen müssen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Natürlich geht es auch um die Frage von Erschwernissen bei der Einbürgerung, die zum Beispiel im Transferleistungsbezug usw. liegen. Sie wissen ganz genau, warum das nicht funktioniert. Es liegt nicht nur an den 250 €, wie Sie vorgetragen haben.

Dasselbe gilt für das Wahlrecht. Auch da brauchen wir das Bekenntnis der CDU, dass es nicht angehen kann, einer Bevölkerungsgruppe, die seit Jahren und Jahrzehnten hier ist, keine Art von Wahlrecht zu geben. Das kann doch gar nicht sein. Wir sind doch nicht im 19. Jahrhundert. Dazu müssen Sie doch beitragen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Herr Laschet, Sie verlassen jetzt den Raum. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie bei Ihren Kollegen auf Bundesebene dafür werben, die Probleme gemeinsam anzugehen und nicht nur Schiebepolitik zu machen: Ihr seid ja ganz schlimm und fantasielos.

Frau Güler, ich bitte Sie: Kommen Sie zurück auf den gemeinsamen Weg, dann werden wir in dem Bereich eine vernünftige Politik erreichen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege von Grünberg. – Für die FDP-Landtagsfraktion spricht Herr Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege von Grünberg, Sie haben die Einheit der Fraktionen in der Integrationspolitik beschworen. Das mag selbstverständlich für die Ziele gelten, aber ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe nirgendwo unterschrieben, dass ich der Integrationspolitik der Landesregierung bedingungslos und unkritisch folge. Deswegen werde ich das hier entsprechend charakterisieren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir hatten in Deutschland lange Zeit eine Art Große Koalition von Integrationsverweigerern. Auf der eine Seite hatte die Union, hatten die Konservativen die Haltung: Deutschland ist kein Einwanderungsland. Ich kann mich noch bis tief in die 80er?, teilweise 90er-Jahre an regelmäßige Textbausteine erinnern. Auf der anderen Seite war eine multikulturalistische Linke mit Parolen unterwegs wie: Liebe Ausländer, lasst uns mit diesen Deutschen nicht alleine. Es wurde gesagt: Jeder Fremde, der kommt, ist automatisch eine Bereicherung. – Aus dieser Perspektive heraus ist die Notwendigkeit von aktiver Integrationspolitik negiert worden. Wir hatten wenige wie die großartige Lieselotte Funcke, die ich nach Ihrem Tod gerne noch einmal erwähnen möchte, die frühzeitig die Notwendigkeit aktiver Integrationspolitik erkannt haben.

Trotz der Integrationsverweigerung, die wir in weiten Teilen der Politik hatten, ist es aber falsch, zu behaupten, wie es der bekannte Sozialdemokrat Buschkowsky in seinem Buch getan hat: Neukölln ist überall. – Wer sagt, Neukölln sei überall, der weckt Ängste und Ressentiments. Es gibt Tausende gelungene Integrationsbeispiele, gerade in Nordrhein-Westfalen.

Aus meiner Sicht wäre es umgekehrt aber auch fahrlässig, zu sagen: Neukölln ist nur in Neukölln. Denn es gehört zu einer ehrlichen Debatte, dass wir uns eingestehen: In einigen Bereichen haben wir zunehmend Probleme, was bestimmte Entwicklungen zu Parallelgesellschaften in Stadtteilen angeht, was ethnisch strukturierte Jugendbanden angeht und auch was einen deutlich wachsenden religiösen Fundamentalismus angeht.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Unfassbar!)

Diese Probleme machen vielen Menschen Angst. Sie müssen offen angesprochen werden, damit wir ihnen umgekehrt offensiv begegnen können. Denn wer Ängste nicht ernst nimmt, sorgt dafür, dass Vorurteile und Xenophobie weiter wachsen. Viele Zuwanderer, die Vorurteilen und Ressentiments im Alltag begegnen – bei der Jobsuche, am Wohnungsmarkt –, leiden darunter. Wenn wir beispielsweise hören, dass ein Drittel der türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürger trotz einer hohen beruflichen Qualifikation keine angemessene Arbeitsstelle findet und viele Betriebe nach wie vor Mitarbeiter ohne Migrationshintergrund bevorzugen, dann ist das besorgniserregend und für uns Liberale nicht hinnehmbar.

(Beifall von der FDP)

Für uns Liberale ist es nicht entscheidend, wie jemand aussieht, wo er herkommt, was er isst und trinkt, ob oder an welche Religion er glaubt. Für uns Liberale zählt, ob Menschen bereit sind, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren und sie gemeinsam voranzubringen. Umgekehrt sind wir als Aufnahmegesellschaft gefordert, Zuwanderern alle Möglichkeiten zu bieten, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Die viel beschworene Willkommenskultur muss sich auch in Rahmenbedingungen manifestieren, zu denen wir hier konkret beitragen können.

Darum gibt es die Notwendigkeit einer aktiven Integrationspolitik in beide Richtungen, gerade bei uns in Nordrhein-Westfalen, wo mehr als jeder Fünfte eine Zuwanderungsgeschichte hat. Die christlich-liberale Regierung hat hier zwischen 2005 und 2010 mit dem ersten Integrationsminister, einem aktiven Integrationsbeauftragten, einem Integrationsbeirat und der Förderung zahlreicher Projekte neue Maßstäbe gesetzt. Leider haben Sie, Herr Minister Schneider, den Integrationsbeirat ersatzlos gestrichen und die Stelle des Integrationsbeauftragten nicht adäquat besetzt. Integration ist nach meinem Empfinden gerade in den letzten zwei Jahren zu einem Nebenthema geworden.

Das gilt auch für eines der wesentlichen Themen, nämlich die frühkindliche Sprachförderung. Wir haben zwischen 2005 und 2010 mit den Sprachstandstests für alle Vierjährigen, mit der entsprechenden Sprachförderung etwas auf den Weg gebracht. Von Rot-Grün ist dazu immer wieder viel Kritik geübt worden. Ich frage Sie umgekehrt: Wo waren Sie in den letzten zwei Jahren? Wo haben Sie die frühkindliche Sprachförderung weiterentwickelt? Da ist einfach nicht viel passiert.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben das Integrationsgesetz gemeinsam in diesem Haus auf den Weg gebracht. Dafür wurden jetzt zusätzliche Mittel, die wir auch begrüßen, in den Haushalt eingestellt. Nun müssen wir sehen, dass die Haushaltsmittel effizient genutzt werden und richtig ankommen. Das gilt auch für die eben schon angesprochenen Kommunalen Integrationszentren. Hier müssen wir vor Ort mehr Flexibilität ermöglichen, damit andere Strukturen, in denen bereits gute Integrationsarbeit geleistet wird, durch die neuen Kommunalen Integrationszentren nicht an den Rand gedrängt werden. Es gibt also noch eine Menge zu tun. Ich wünsche mir eine ganze Reihe neuer Impulse.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege!

Dr. Joachim Stamp (FDP): Ich weiß, meine Zeit ist hier und jetzt abgelaufen.

(Zuruf von den PIRATEN: Gott sei Dank!)

Wir sind insgesamt der Meinung, von Rot-Grün könnte noch deutlich mehr kommen. Deswegen bitte ich Sie um Nachsicht, Herr Schneider, dass wir den Haushalt auch an dieser Stelle ablehnen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Velte das Wort.

Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! NRW ist ein Land der Vielfalt. Ich denke, dass es damit auch ein Land der Fantasie ist, und finde es ausdrücklich richtig, dass über die Kommunalen Integrationszentren das Geld, das wir mehr für Integration ausgeben wollen, an die Menschen in den Kommunen geht, wo die Fantasie ist, wo das zivilgesellschaftliche Engagement liegt. Ich kann es überhaupt nicht verstehen, dass die liebe Frau Güler ein so schlechtes Bild von den Menschen in den Kommunen hat.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Herr Dr. Stamp, Sie verstehe ich natürlich auch nicht. Sie loben das Kommunale Integrationszentrum zu Recht. Ich denke, dass wir Seite an Seite darauf achten werden, dass das gelingt. Trotzdem lehnen Sie den Haushalt, dessen Schwerpunkt das Kommunale Integrationszentrum ist, ab. Das kann ich zwar nicht verstehen, aber wer weiß: Vielleicht lerne ich das noch. Ich bin ja hier neu und lerne noch dazu.

NRW lebt von den Menschen. Wir sind ein Land der Vielfalt und das Einwanderungsland Nummer 1. Insgesamt müssen wir weiter daran arbeiten, dass die Integrationsprozesse in unserem Land nach vorne geführt werden. Angesichts dessen finde ich es kontraproduktiv, dass der Konsens, der in Sachen Integrationspolitik über all die Jahre über viele Regierungen hinweg bestanden hat, durch Frau Güler mit einer sehr detailorientierten, spitzfindigen und zum Teil falschen Rede aufgekündigt zu werden droht.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir müssen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens die Integration weiterentwickeln. Wir müssen sie zum Beispiel in der Bildung weiterentwickeln. Denn auch dort gibt es – das ist mehrfach erwähnt worden – Benachteiligungen. Weiterentwickeln müssen wir sie in Stadtentwicklungsprozessen, im Quartiersmanagement, in den Verwaltungen, den Medien und nicht zuletzt den Parteien. Überall dort sind Migrantinnen und Migranten gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung unterrepräsentiert. Deutlich wird das nicht nur hier im Landtag, sondern auch in den Räten.

Eine neue Studie „Vielfalt sucht Rat“ des Max-Planck-Instituts weist nach: Von den Ratsmitgliedern der Grünen in den Kommunalparlamenten haben 8 % einen Migrationshintergrund. Das ist bei den Linken ähnlich. Bei der SPD sind es 5 %. Bei FDP und CDU sind es nur 2 %. Sie müssen schauen, dass Sie sich weiterentwickeln. Das müssen wir alle. Das belegt sehr deutlich, dass es mit der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten nicht weit her ist und wir bislang in allen unseren Strukturen viel Zeit mit Sonntagsreden, Lippenbekenntnissen und ideologischen Diskussionen verschwendet haben.

In diesem Haushalt wollen wir deswegen ein deutliches Zeichen dafür setzen, dass wir die Integration und die Notwendigkeiten, die wir vor Ort erkannt haben und die von den Kommunen an uns herangetragen worden sind, ernst nehmen. Ich möchte eine Lanze für die Kreise brechen. Frau Güler, Herr Dr. Stamp, es ist wirklich neu, dass wir nicht nur von den kreisfreien Städten reden, sondern dass wir Integrationsprozesse über die Kommunalen Integrationszentren in den Kreisen anstoßen wollen. Das ist wichtig, um so einen Gestaltungsprozess in Gang zu bringen.

In diesem Sinne halte ich es für sehr gut, dass wir für kommunale Integrationsarbeit insgesamt 10 Millionen € mehr ausgeben. Das ist richtig und wichtig. Das sage ich bewusst als Kommunalvertreterin.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, dass es ebenso wichtig ist, im Landtag gemeinsam darauf hinzuwirken, dass wir mehr und mehr verstehen, dass Integration eine Querschnittsaufgabe ist. Ich habe als Neuling den Haushaltsreden sehr intensiv zugehört. In kaum einer Haushaltsrede ist das Wort „Integration“ ausgesprochen worden. Dabei haben wir in vielen Einzelplänen dieses Landeshaushalts Mittel eingestellt. Wir haben zum Beispiel im Haushalt für Schule und Weiterbildung 300 Millionen € stehen, die auch für Integration genutzt werden. Wir haben in den Einzelplan für die Kultur Integrationsmittel eingestellt. Wir haben überall Integrationsmittel – insgesamt 5 % des Haushalts. Ich finde, dass dieses Hohe Haus und die Ministerien häufiger darüber sprechen sollten, damit wir Integration in diesem Haus auch leben. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Velte. – Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Kollegin Brand.

Simone Brand (PIRATEN) : Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! 0,052 %, das ist der Anteil am Gesamthaushalt, den die Koalition der Integrationspolitik in NRW zumisst. Obwohl man daran schon deutlich erkennt, welchen Stellenwert erfolgreiche Integrationspolitik für unsere Landesregierung hat, gibt es dennoch auch viel Gutes zu vermelden: Die Verabschiedung des Integrations- und Teilhabegesetzes und darüber hinaus die Einrichtung der Kommunalen Integrationszentren ist äußerst positiv zu bewerten, auch wenn wir alle um die Umsetzungsprobleme wissen.

Die vorgesehenen Gelder von knapp 10 Millionen € müssen aber auch wirklich in die Einrichtung von Kommunalen Integrationszentren fließen. Die Verpflichtungsermächtigung für 2013 beträgt lediglich 2 Millionen €. Vor dem Hintergrund, dass bisher nicht ein Integrationszentrum eingerichtet wurde, verwundert die Summe ein wenig. Wir werden darauf achten, dass es der Landesregierung an der Stelle auch wirklich ernst ist.

Integration bedeutet aber auch Gerechtigkeit und Teilhabe. In erster Linie geht es dabei aber um Bildungsgerechtigkeit. Sie nennen es Integration und Bildung. Aber spätestens seit der Veröffentlichung der Studie über den Grundschulleistungsvergleich, weiß auch der Letzte, dass es um Kinder in Migrantenfamilien nicht so gut bestellt ist. Der Bildungserfolg hängt leider sehr stark von der sozialen Herkunft des Schülers ab. Gleichzeitig ist das Armutsrisiko bei Migrantenfamilien im Verhältnis viel höher als bei deutschen Familien. Daraus folgt unweigerlich, dass Migrantenkinder in NRW bei Weitem nicht die gleichen Chancen haben. Hier muss noch einiges getan werden.

Wir haben zwei Anträge gestellt – nicht in diesem Einzelplan, aber Integration betrifft viele Einzelpläne –, die darauf abzielen, diese Chancengleichheit wenigstens ansatzweise in Angriff zu nehmen: die Erhöhung der Gelder für den herkunftssprachlichen Unterricht zum einen und die Migrantenhilfe zum anderen.

Integrationspolitik ist für uns Piraten vor allem eine Politik der Wahrnehmung, der Wahrnehmung in der Bevölkerung, wie Integration vonseiten der Politik angegangen wird – sei es im Umgang mit Migranten, bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus oder im Umgang mit Flüchtlingen und deren Angehörigen.

Ein negatives Beispiel präsentierte gerade wieder Berlin. Erst durch intensive Bemühungen der örtlichen Piraten kam es bei den Gesprächen mit demonstrierenden Flüchtlingen vor dem Brandenburger Tor zu Fortschritten. Bis zu unserem Eingreifen war es dort eher Politik, den im Hungerstreik befindlichen Demonstranten bei Minusgraden auch noch die Decken zu entwenden.

Da es aus weltpolitischer Sicht immer wieder zu einem Anstieg von Flüchtlingsströmen kommen wird, müssen wir die Kommunen in ihrem Bestreben, menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen, stärker unterstützen. Wie ich gerade erwähnt habe, ist Integration eine Sache der Wahrnehmung. Glauben Sie mir, die Bevölkerung nimmt deutlich wahr, wenn Flüchtlingsheime aus allen Nähten platzen oder wenn Flüchtlinge containerweise von Düsseldorf aus abgeschoben werden. Wie soll hier eine positive Wahrnehmung zum Umgang mit Flüchtlingen entstehen?

Auch das halbherzige Vorgehen gegen Rechtsextremismus beeinflusst die Wahrnehmung in der Bevölkerung.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Vielleicht sollten Sie mal etwas wahrnehmen!)

Wir Piraten sprechen uns deutlich dafür aus, weitere Maßnahmen beim Kampf gegen Rechtsextremismus in Angriff zu nehmen. Das Acht-Punkte-Programm der Landesregierung sehen wir nur als einen Anfang. Oder halten Sie 35 neue Polizisten in ganz Nordrhein-Westfalen für ausreichend?

Sie sprechen von einer Aufgabenübertragung an die Landeszentrale für Bildung. Wieso unser Antrag zur Erhöhung der Mittel für diese Landeszentrale bei Enthaltung der FDP abgelehnt wurde, erschließt sich uns in diesem Zusammenhang nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

In besonderem Maße spiegelt der Umgang von deutschen Behörden mit Migration das Bild wider, ob und wie Integration funktioniert. Wir setzen uns für einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten ein. Aus diesem Grund wollen wir eine Erleichterung für den Übergang in einen dauerhaften Aufenthaltsstatus.

Es geht dabei auch um die Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen und den Zugang zum Arbeitsmarkt. Mit dem Berufsqualifikationsanerkennungsgesetz wurde auf Bundesebene die Grundlage geschaffen, ein einheitliches Verfahren einzurichten. Am Ende der heutigen Plenarsitzung wird es um das Anerkennungsgesetz gehen, das wir Piraten ausdrücklich unterstützen. Allerdings fehlt uns hier noch ein gesetzlicher Beratungsanspruch. Denn Beratung für Migranten ist der wichtigste Baustein bei der Erschließung des deutschen Arbeitsmarkts.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Simone Brand (PIRATEN): Ich komme zum Ende. Danke. – Als letzten Punkt möchte ich noch die doppelte Staatsbürgerschaft ansprechen. Hierzu gab es im letzten Jahr eine Bundesratsinitiative der SPD-Länder und Baden-Württembergs, die leider im November letzten Jahres abgeschmettert wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum denn nicht auf ein Neues? Wenn es Ihnen mit der Integration im Sinne der Identität der Migranten wirklich ernst ist, appelliere ich an alle Fraktionen, sich an einem gemeinsamen Antrag zu einer neuen Bundesratsinitiative für die Abschaffung der Optionspflicht zu beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schneider.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Güler, ich verstehe ja, dass jeder integrationspolitische Redebeitrag seitens der CDU-Fraktion mit einem herzlichen Dank an Exminister Laschet beginnt.

(Heiterkeit von Ibrahim Yetim [SPD])

Sie machen daraus geradezu einen säkularisierten Gottesdienst. Das ist ganz bemerkenswert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet hatte in seiner Öffentlichkeitsarbeit einen Vorteil: Er kannte sich stets sehr gut aus und konnte sich bei der Integrationspolitik immer mit seiner Partei reiben. Das machte ihn sehr interessant.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Quatsch!)

– Dann sind Sie ja, Herr Oppositionsführer, für das kommunale Wahlrecht. Bevor Sie „Quatsch“ sagen, mal nachdenken – vielleicht über Hörstel hinaus!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Langsam reicht es aber! Ich habe diesen Vorteil nicht. Ich stimme in der Integrationspolitik mit meiner Partei völlig überein. Das ist doch hervorragend.

Nun zur Sache: Sie haben in mehreren Punkten die Halbwahrheit, vielleicht auch die Unwahrheit gesagt. Darauf kommen wir noch zurück. Natürlich gibt es Anträge für die Bildung von kommunalen Integrationszentren – zwischenzeitlich acht an der Zahl. Ich habe dies auch in der letzten Ausschusssitzung, in der Sie zugegen waren, angekündigt. Sie werden auch die entsprechenden Unterlagen bekommen.

Natürlich gehen wir mit Kreativität und Fantasie vor. Das beinhaltet auch, dass wir sehr schnell zu den doppelten Staatsbürgerschaften kommen müssen, um die Menschen dazu zu bewegen, unsere deutsche Staatsbürgerschaft verstärkt anzunehmen. Das benötigen wir doch. Da haben wir in der Tat Zahlen, die nicht gerade gut sind. Wir haben erhebliche Rückgänge bei der Übernahme der deutschen Staatsangehörigkeit. Das muss sich ändern.

Wenn Sie sagen, ich bin nicht derjenige, der das Teilhabe- und Integrationsgesetz gemacht hat, haben Sie natürlich recht. Politik ist etwas Prozesshaftes. Da hat nie jemand das ursprüngliche Recht oder das Glück gehabt, etwas auf den Weg zu bringen. Es waren immer mehrere. Vielleicht unterscheidet uns auch diese unterschiedliche Auffassung von Politik. Politik wird immer von mehreren Menschen gemacht. Wenn Sie mit Ihren Integrationspolitikern kommen, möchte ich den Namen Liselotte Funcke, eine hervorragende Integrationsbeauftragte, nennen. Einer der ersten in diesem Land war der ehemalige Ministerpräsident dieses Landes, Heinz Kühn.

(Beifall von der SPD)

Den darf man doch auch nicht vergessen. Was soll diese gegenseitige Aufrechnung?

In einer Frage bin ich Ihnen sehr böse, und zwar was diese unsägliche Postkartenaktion angeht. Übrigens Ihre Kritik am Bundesinnenminister ist sehr gut, ausgezeichnet. Es ist nicht einfach, so etwas zu machen. Sie unterstellen jedoch der nordrhein-westfälischen Landesregierung, dass diese unsägliche Postkartenaktion mit unserem Innenministerium abgesprochen war.

(Serap Güler [CDU]: Ich kann Ihnen das Schreiben gerne zeigen!)

Wir werden das prüfen. Ich weiß, dass es nicht so war. Und ich erwarte, wenn die Wahrheit ans Licht kommt, dass Sie sich von diesem Pult aus vor der nordrhein-westfälischen Öffentlichkeit entschuldigen.

(Beifall von der SPD – Serap Güler [CDU]: Oder andersherum! – Zuruf von Bernhard Schemmer [CDU])

Wir werden darauf zurückkommen. So kann man nicht – Jungfernrede hin oder her – miteinander umgehen, jedenfalls nicht in einem demokratisch gewählten Parlament.

(Beifall von der SPD)

Ich will nur noch zwei, drei Anmerkungen zu unserem Haushalt machen. 10 Millionen € angesichts der Finanzsituation mehr für die Integrationspolitik bereitzustellen, ist schon gut und wichtig. Diejenigen, die jetzt „Chapeau!“ sagen, hätten, wenn es nicht so gekommen wäre, gesagt: Der Mann hat keine Durchsetzungskraft. Was macht er denn da überhaupt?

Also, ich verstehe Ihre Rolle in der Opposition. Wir sollten hier als Regierung sehr gelassen sein und unseren integrationspolitischen Kurs weiter betreiben und fortführen. Diese erprobte Integrationspolitik wird im Übrigen auch zum Beispiel von Frau Prof. Böhmer, von den Migrantenorganisationen in Nordrhein-Westfalen und von allen aus der sogenannten Szene gelobt. Lesen Sie einmal die Migrantenpresse. Schauen Sie sich das Wahlverhalten der Menschen mit Migrationshintergrund in diesem Lande an, dann werden Sie …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stamp?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Minister, Sie haben gerade erwähnt, wie wichtig es Ihnen sei, dass die Politik der Landesregierung mit den verschiedenen Vertretern der Verbände abgestimmt sei und möglichst überparteilich angelegt stattfinden soll. Ich frage Sie deswegen: Warum haben Sie dann den überparteilichen Integrationsbeirat des Ministeriums ersatzlos aufgelöst?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein gut funktionierenden Landesintegrationsrat, der sehr eng mit dem Integrationsministerium zusammenarbeitet und der im Übrigen mit 100.000 € pro Jahr unterstützt wird. Das ist gut angelegtes Geld. Hier holen wir uns den Sachverstand der Migrantinnen und Migranten selbst.

Wenn Sie mich näher kennenlernen, dann werden Sie feststellen: Ich lege großen Wert darauf, dass die Migranten über ihre Organisationen nicht mehr Objekte von Politik sind, sondern Subjekte, die auch mitgestalten. Das ist eine ganz einfache Sache.

(Beifall von der SPD)

Ich meine, es ist uns nicht vorzuwerfen, dass wir hier zu wenig die unmittelbar Betroffenen einbeziehen. Ich kann Ihnen nur sagen, die kommunalen Integrationszentren werden Schritt für Schritt realisiert. Wir arbeiten hier sehr eng auch mit freien Trägern zusammen. Es gibt keinen Stillstand in der Integrationspolitik. Wir haben keinen Beauftragten mehr, wir haben eine Staatssekretärin dafür.

Der ehemalige Beauftragte, Herr Kufen, ist auf meinen Vorschlag hin in den Vorstand des Zentrums für Türkeistudien und Integration gewählt worden. Wir lassen hier niemanden zurück. Machen Sie sich da mal keine Sorgen! Das bekommen wir auch weiterhin hin.

Ich verstehe, wenn manche gegen diesen Haushalt stimmen werden. Dennoch bitte ich um Ihre Zustimmung, weil Integrationspolitik der Kick ist, der letztlich dieses Land, diese Gesellschaft ein Stück weit zusammenhalten muss. Da sollten wir wirklich, ohne jemanden zu überfordern, an einem Strang ziehen. Auch wir beide, Frau Güler, kommen uns schon noch näher. – Danke schön.

(Heiterkeit – Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister Schneider. Die Landesregierung hat ihre Redezeit um zwei Minuten überzogen. Ich frage: Gibt es zu dem Teilabschnitt Integration noch Wortmeldungen? – Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Dann rufe ich den

     Teilbereich
Soziales

auf und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Mid­dendorf von der CDU-Fraktion.

Claudia Middendorf (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Zuschauertribüne! Sehr geehrter Herr Minister Schneider! Mit den aktuellen Haushaltsberatungen befinden wir uns bereits fast am Ende. Das haben wir gestern gehört, das haben wir heute gehört. Aber nichtsdestotrotz ist es einfach ärgerlich, dass die Rolle des Landtags als Haushaltsgesetzgeber sicherlich eine andere ist als jetzt.

Es ist auch deshalb ärgerlich, weil der heutigen Diskussion dadurch die richtige Grundlage fehlt. Das Haushaltsjahr ist schließlich fast vorbei. Wichtige und notwendige Veränderungen an diesem Entwurf würden ohnehin keine Wirkung mehr finden.

Schauen wir jetzt zum Sozialbereich. Die Koalition von SPD und Grünen hat in ihrer Koalitionsvereinbarung und der Regierungserklärung der Bekämpfung von Armut allerhöchste Priorität eingeräumt. Herr Minister Schneider hat diesen Aspekt bei der Haushaltseinführung im Fachausschuss des Landtags auch besonders betont.

Die Zahlen vom Sozialbericht 2012 zeigen uns, dass demnach jeder siebte Einwohner in Nordrhein-Westfalen einkommensarm ist. Die Risikoquote bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist von 19,9 % 2010 auf 21,6 % 2011 gestiegen.

Im Sozialetat finden wir als einzigen Punkt zur Bekämpfung von Kinderarmut den Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“. Dabei muss man sich doch fragen, auf wen dieses Konzept überhaupt zurückgeht. Es war Minister Laumann, der mit „Kein Kind ohne Mahlzeit“ die Initiative ergriffen hat. Diese Initiative führen Sie jetzt weiter.

Was fehlt uns jetzt beim Sozialetat? Hier lautet die Antwort klar und deutlich: Eigene Zielvorstellungen von Herrn Minister Schneider. – Aber das kennen wir ja bereits. In den letzten zwei Jahren hatten Sie ja da auch keine konkreten Vorstellungen.

Nehmen wir doch einmal das Thema „Armut“, das ich gerade schon aufgezeigt hatte. Hier fordere ich Sie auf, endlich die hervorgehobenen Bereiche auch unter unterschiedlichen Aspekten zu betrachten: Altersarmut, Kinderarmut, Armutsrisiko durch Pflegebedürftigkeit. Was passiert? – Nichts.

Auch im Bereich „Inklusion“ gibt es nichts Neues in Nordrhein-Westfalen. Der Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ wird als Allzweckmittel im Etat aufgeführt. Ebenso wird die Unterstützung der Betreuungsvereine zur Stärkung des Ehrenamts mit aufgeführt. Auch hier, Herr Minister Schneider, fehlen Konzepte, die über Dialogveranstaltungen hinausgehen und eine konkrete Umsetzung überhaupt möglich machen.

Herr Minister Schneider, Sie haben in der Ausschusseinbringung des Haushalts gesagt, dass Sie mit dem Haushaltsentwurf 2012 zeigen, dass Sie handlungsfähig sind. Dann handeln Sie auch endlich und beweisen Sie, dass Sie echten Gestaltungswillen haben. Ich erwarte von Ihnen Konkretisierungen, Zielvorstellungen und Lösungsansätze, was Sie in den einzelnen Bereichen umsetzen wollen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir dazu nichts gehört.

Fazit: Es fehlen uns schlicht und ergreifend die Grundlagen, über die wir heute diskutieren können. Also zeigen Sie uns auf, was Sie im nächsten Jahr und in den nächsten Jahren gestalten wollen! – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Middendorf. – Für die SPD-Fraktion spricht der Herr Kollege Scheffler.

Michael Scheffler (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten arbeiten für ein solidarisches und soziales Nordrhein-Westfalen. Wir treten ein für ein soziales Fundament, das die Bürgergesellschaft, die darauf gründet, auch trägt. Dabei arbeiten bei uns in Nordrhein-Westfalen ganz viele Menschen mit: die Wohlfahrts- und Sozialverbände, die Kirchen, die Gewerkschaften und viele ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger. Ohne sie wäre unsere Gesellschaft ärmer. Den vielen Frauen und Männern, die sich haupt- und ehrenamtlich in den unterschiedlichen Sozialbereichen betätigen, sind wir alle zu großem Dank verpflichtet. Ohne sie können und wollen wir in Nordrhein-Westfalen auch keine Sozialpolitik gestalten.

Meine Damen und Herren, am 31. Oktober hat uns Minister Schneider im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales darüber informiert, dass von den Geldern, die der Bund für das Bildungs- und Teilhabepaket zur Verfügung stellt, etwa 51,8 % abgeflossen sind. Das ist uns in der Tat viel zu wenig. Aber ich sage Ihnen auch: Wenn das Ministerium nicht eine so gute Arbeitshilfe entwickelt hätte, wäre diese Zahl noch geringer ausgefallen.

Meine Damen und Herren, diese Zahl zeigt uns eines auch ganz deutlich: Das Bildungs- und Teilhabepaket hat erhebliche Webfehler. Ich habe gelesen, dass Herr Preuß als sozialpolitischer Sprecher die Schuld für den geringen Mittelabfluss dem Ministerium ans Knie nageln wollte, wie man so schön sagt.

Ich kann nur sagen, meine Damen und Herren: Was soll das MAIS in Düsseldorf an einem schlechten Berliner Gesetz ändern? Da gibt es nicht viel zu ändern. Da gibt es höchstens eine generelle Revision. Ich sage ganz deutlich: Dieses Bildungs- und Teilhabepaket ist zu kompliziert, ist bürokratisch und praxisfern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Den Kindern wird trotz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Geld vorenthalten. Ich sage – wie ich schon häufig hier im Haus gesagt habe –: Es wäre viel besser, dieses Geld in die Infrastruktur, an die Einrichtungen und Schulen und Kindertageseinrichtungen zu geben. Dass dies der richtige Weg ist, wird auch dadurch deutlich, dass die Anteile für Lernförderung bei 6,1 % und kulturelle Teilhabe bei 6,4 % liegen. Meine Damen und Herren, auch hier wird Kindern Geld vorenthalten, das vom Bundesverfassungsgericht vorgesehen war.

Ich sage Ihnen: Wir treten als SPD ganz klar dafür ein, dass Familien und Kinder nicht zu Bittstellern gemacht werden, sondern wir fordern eine dauerhafte Absicherung. Deshalb werben wir sehr nachhaltig für eine Kindergrundsicherung, die den Familien eine solide und verlässliche Einkommensbasis bietet.

Ich sage auch, meine Damen und Herren: Die Schulsozialarbeiter, die im Kompromiss beim Bildungs- und Teilhabepaket verabredet worden sind, müssen auch über das Jahr 2012/2013 hinaus fortfinanziert werden, weil die an den Schulen eine gute Arbeit leisten. Auf die dürfen und können wir nicht verzichten, wenn wir etwas Gutes für die Zukunft unserer Kinder tun wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen als SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich, dass die Landesregierung ein Handlungskonzept zur Bekämpfung der Armut erarbeiten wird. Der Landessozialbericht hat in der Tat deutlich gemacht, dass es auch in Nordrhein-Westfalen eine hohe Armutsgefährdung gibt, 2,8 Millionen einkommensarme Menschen, darunter 643.000 Jugendliche.

Die Kollegin Middendorf hat eben gesagt, in Nordrhein-Westfalen fehlen Konzepte. Ich sage Ihnen: Nordrhein-Westfalen ist keine Insel. Der Hauptgrund für Armut sind nach wie vor geringe Löhne und prekäre Beschäftigung. Deswegen wollen wir als SPD einen flächendeckenden Mindestlohn, von dem die Menschen leben können. Ich fordere Sie auf: Machen Sie das endlich auf Bundesebene mit! Dann geht es nämlich vielen Menschen, die arm sind, besser, Meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wer Armut nachhaltig bekämpfen will, der muss früh ansetzen. Zentrales Instrument zur Armutsbekämpfung ist die Bildung. Mit unserer Politik mit dem präventiven Ansatz ermöglichen wir gleiche Bildungschancen für alle. Beitragsfreiheit in der Kita, Ganztagsschulen, verbesserter Übergang von Schule und Beruf und ein gebührenfreies Studium gehören dazu.

In Bildung für alle zu investieren ist, meine Damen und Herren, die beste Armutsprävention. Diesen politischen Weg werden wir auch in den kommenden Jahren weiter gehen. Ich hoffe, dass wir auch im Bund Mehrheitsverhältnisse bekommen, die uns auf diesem Weg deutlich und klar unterstützen werden.

Meine Damen und Herren, damit unterscheiden wir uns auch ganz klar von der Politik von Frau von der Leyen, die in Sonntagsreden die Altersarmut beklagt und werktags die Minijobs auf 450 € anhebt. Damit erhöht sie das Armutsrisiko insbesondere für Frauen. Minijob heißt dann nämlich auch Minirente.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema wird uns in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen. Das ist die Umsetzung der UN-Behinderten­rechts­konvention. Dies betrachten wir als eine Querschnittsaufgabe. Inklusion kann nicht verordnet werden, sondern muss auf allen Ebenen – in Bund, Ländern und Kommunen – Thema sein. Sie gehört in die Mitte der Gesellschaft.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, ich darf an Ihre Redezeit erinnern.

Michael Scheffler (SPD): Gemeinsam mit den Betroffenen und den Verbänden der Menschen mit Behinderung wollen wir aus dem Nebeneinander ein Miteinander machen. Ich fordere alle hier im Hause auf, dabei mitzutun und uns dabei zu helfen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Scheffler. – Für die Fraktion der FDP spricht der Herr Kollege Alda.

Ulrich Alda (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren, Zuschauer sind nicht mehr da. – Sie werden sich daran gewöhnen müssen: Ich habe vier Monate nicht gesprochen, jetzt bin ich dafür umso häufiger dran.

Sehr geehrter Herr Minister, ich bin auch schon wieder da und spreche jetzt zur sozialen Lage. Kollege Scheffler, wir fahren häufiger zusammen mit dem Zug. Trotzdem haben wir Differenzen. Die haben Sie gerade schon genannt. Ich werde sie noch kurz anreißen.

Zur allgemeinen Lage: Die Landesregierung weist regelmäßig auf ihren präventiven Ansatz bei der Armutsbekämpfung hin. Vor allen Dingen das Wohl der Kinder liegt ihr nach eigenem Bekunden sehr am Herzen. Angesichts der Ergebnisse des neuesten Sozialberichts NRW möchte ich für die FDP Folgendes sagen: Primär auf Umverteilung zu setzen, wie Sie das machen, wird die Probleme nicht lösen, sondern damit behandelt man lediglich die Symptome. Selbstverständlich gilt für die FDP, dass wir Menschen, die tatsächlich arm sind, unmittelbar helfen wollen. Das werden wir auch finanziell machen.

Dennoch ist die vordringliche Aufgabe der Politik, die Ursachen von Armut und vor allen Dingen der auch von meinen Vorrednern zitierten Kinderarmut zu bekämpfen.

Eine gute und umfassende Bildung für alle Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer Herkunft – das nur zur Diskussion im vorherigen Block – bietet dazu die beste Voraussetzung. Hierzu bedarf es eben nicht nur der Selbsterkenntnis der Betroffenen, sondern einer größeren Chancengleichheit beim Zugang zu Bildungs- und Kulturangeboten.

Was haben wir da an gemeinsamen Instrumenten? Um Kinder aus einkommensschwachen Verhältnissen gezielt zu unterstützen, wurde das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung – Herr Scheffler, bevor Sie eine Zwischenfrage stellen, ich weiß, aufgrund eines Gerichtsurteils – auf den Weg gebracht. Trotzdem muss ich darauf hinweisen, dass da vorher nichts war. Ich möchte daran erinnern, wie skeptisch die Landesregierung diesem so wichtigen Vorhaben über längere Zeit begegnet ist. Staatssekretär Schäffer – ist er da? Nein! – hat vergangene Woche im Ausschuss vorgetragen, dass nur 51 % der Mittel abgerufen werden. Wir waren uns, glaube ich, einig, dass da – insbesondere auch bei der Verteilung – mehr getan werden muss.

Wenn man auf pragmatische Weise Verbesserungen erzielen kann, um die Inanspruchnahme dieser Landesregierung zu erhöhen, so sind wir dafür offen. Uns allen sollte es am Herzen liegen, alle Möglichkeiten zu ergreifen, um die Teilhabechancen gerade dieser Kinder zu stärken.

(Beifall von der FDP)

Damit komme ich zu einem weiteren sozialpolitischen Thema. NRW ist bislang das einzige Bundesland, das über eine integrierte Wohnungsnotfallberichterstattung und somit über Daten und Fakten hinsichtlich des Ausmaßes und der Struktur von Wohnungsnotfällen verfügt. Eine gute Datenlage trägt entscheidend dazu bei, die Zielgenauigkeit sozialpolitischer Maßnahmen zu erhöhen. Es ist dennoch zwingend erforderlich, nicht nur unmittelbare Hilfen zur Verfügung zu stellen, sondern, meine Damen und Herren, vor allen Dingen das Problem der Wohnungslosigkeit so anzugehen, dass es nach Möglichkeit gar nicht erst entsteht. Dazu haben wir die Basis in den Statistiken. Das ist natürlich eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, bei der wir Ihnen aber auch gerne Unterstützung bieten.

Das dritte Thema ist die Inklusion. Sie wurde schon vorhin von meinen Vorrednern und auch in den vorhergehenden Kapiteln angesprochen. Was die Politik für Menschen mit Behinderung angeht, so gibt es, Herr Minister, traditionell wenig Streitpunkte hier im Haus zwischen Regierung und Opposition.

Inzwischen liegt der Aktionsplan der Landesregierung „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ vor. Man sieht, dass die Landesregierung nicht bei null anfangen musste. Schon zu Zeiten der schwarz-gelben Landesregierung wurden bedeutsame Grundlagen für die Weiterentwicklung auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen gelegt.

Im Landesprogramm „Teilhabe für alle“, das in dieser Zeit entstanden ist, wurden bereits ressortübergreifende Aktivitäten gebündelt und zielorientiert weiterentwickelt. Maßnahmen zur Inklusion betreffen alle gesellschaftlichen Ebenen; das wurde vorhin auch schon gesagt. Sie reichen von der schulischen Inklusion über den Abbau von Barrieren in öffentlichen Gebäuden und die Verbesserung der Mobilität bis hin zu bedarfsgerechten Arbeitsplätzen – nach Möglichkeit, Frau Kollegin Maaßen, auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das sehen wir auch so.

(Beifall von der FDP)

Inklusion ist ein langfristiger Prozess, der die gesamte Gesellschaft betrifft. Um nachhaltige Veränderungen zu erzielen, ist das Bohren dicker Bretter in vielen Bereichen erforderlich.

Aber auch die Barrieren in den Köpfen müssen weiter abgebaut werden.

(Beifall von der FDP)

Ich glaube, dass unsere Gesellschaft dort noch nicht so ganz weit ist. Auch da sollten wir an einem Strang ziehen.

Auch wenn es eine große Aufgabe ist: Kleine Schritte sind gefragt. Ich frage bei großen Projekten immer: Leute, wie isst man einen Elefanten? – Ich empfehle: Stück für Stück! Das werden wir in dem Fall auch anwenden.

(Beifall von der FDP)

Strukturen zu verändern und passgenauer zu gestalten, ist eine Sache; aber Inklusion bedeutet auch, dass wir Menschen mit Behinderungen mehr zutrauen sollten und dass wir sie eben nicht durch eine übertriebene Fürsorge entmündigen.

Auf Seite 14 des Aktionsplans wird ausdrücklich betont, dass die UN-Behindertenrechtskonvention keine neuen Rechte bzw. Spezialrechte für Menschen mit Behinderung normiert. Vielmehr sollten bestehende Menschenrechte aus der Perspektive behinderter Menschen erläutert werden. Mehr Ursachenanalyse bei der Problembewältigung und mehr Maßnahmen zur Förderung der Selbstbestimmung – wir als Liberale legen sehr viel Wert darauf – von Bürgerinnen und Bürgern sind im Übrigen für die gesamte Sozialpolitik der Landesregierung wünschenswert. – Vielen Dank.

Eine kleine Entschuldigung: Da sitzen doch noch Zuschauer.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landessozialpolitik umfasst zwei große Bereiche. Der eine ist die Armutsbekämpfung, der andere Bereich ist die Inklusion von Menschen mit Behinderungen.

Mit Blick auf die Armutsbekämpfung müssen wir feststellen: Die soziale Schere in unserem gesamten Land geht immer weiter auseinander. Es gibt immer mehr verfestigte Armut, und es gibt einen immer größeren Unterschied zwischen den Menschen in unserem Land, die viel und sehr viel Einkommen und Vermögen haben, und Menschen, die arm sind oder unterhalb der Armutsgrenze liegen.

Deshalb ist es wichtig – wir begrüßen das als grüne Fraktion –, dass Minister Schneider angekündigt hat, ein Handlungskonzept zur Armutsbekämpfung und gegen soziale Ausgrenzung vorzulegen. In der Tat können wir Armut nicht eindimensional begegnen, sondern wir müssen in einem komplexen Maßnahmenkatalog die Armutsursachen bekämpfen. Wir wissen dabei natürlich auch, dass wir in der Landespolitik vor allem in dieser Frage maßgeblich von den bundespolitischen Rahmenbedingungen abhängen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das bedeutet, meine Damen und Herren, dass die auf Bundesebene erfolgte Ausweitung der Verdienstgrenze bei Minijobs – Kollege Scheffler hat es eben schon erwähnt –, die Ausweitung der Leiharbeit und niedrige Regelsätze Armut verfestigen. All das macht es uns hier auf Landesebene schwer, Maßnahmen gegen die Armut zu ergreifen.

Wir brauchen deswegen von der Bundesebene bundesweit gültige strukturelle Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Das betrifft die Regelsätze, und das betrifft vor allem eine grundsätzliche Lösung auf dem Problemfeld der bedrückenden Kinderarmut. Auch das hat Kollege Scheffler eben schon angesprochen.

Wir, SPD und Grüne, wollen – das haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben – grundsätzlich das Problem „Kinderarmut“ über eine Kindergrundsicherung lösen. Das ist der richtige Weg.

(Beifall von Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wir haben hier in Nordrhein-Westfalen den Härtefallfonds aufgelegt. Mit diesem Härtefallfonds, ausgestattet mit 3,5 Millionen €, wollen wir vor allen Dingen die Lücken füllen, die das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung offenlässt. Und diese Lücken sind sehr groß.

Wir müssen feststellen, dass dieses Bildungs- und Teilhabepaket nicht nur ein Bürokratiemonster ist, das die Kommunen in der Durchsetzung und in der Ausführung außerordentlich belastet, sondern dass von dieser nicht gerade üppigen Summe von 96 Millionen € für die gesamte Bundesrepublik bis jetzt lediglich 51 % bei den Kindern angekommen sind. Meine Damen und Herren, das ist beschämend, und es zeigt, dass das Grundkonzept dieses Bildungs- und Teilhabepaketes grundsätzlich falsch angelegt ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn wir uns anschauen, dass das Geld zu einem sehr großen Teil – zu 37 % – in das warme Mittagessen fließt, und feststellen, dass bei der dringend erforderlichen Lernförderung für die benachteiligten Kinder gerade mal 6,1 % landen und für die soziale und kulturelle Teilhabe nur 6,4 % in Anspruch genommen werden, dann sehen wir, dass dieses gesamte Paket falsche Politik ist. Wir können auf Landesebene jetzt nur ein Stück kompensieren.

Letztendlich muss es Ziel sein, auf Bundesebene dieses Paket zu überführen in grundsätzliche Lösungen, nämlich Infrastrukturverbesserungen für die Kinder, die in Armut leben, zu erreichen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zum zweiten großen Komplex, zur Inklusion: Unser Ziel ist – es ist das gemeinsame Ziel; ich freue mich sehr, dass wir in diesem Bereich fraktionsübergreifend zusammenarbeiten – die Verwirklichung des Menschenrechtes Inklusion. Und das wollen wir gemeinsam mit den Menschen mit Behinderungen erreichen. Wir wollen sie mit einer breiten Beteiligung mit in das Instrument „Aktionsplan Inklusion“ der Landesregierung, das zentrale Instrument, hineinnehmen.

In einem auf zehn Jahre angelegten Prozess wollen wir in allen gesellschaftlichen Bereichen den Zugang für Menschen mit Behinderung ermöglichen, Barrierefreiheit schaffen. Und Barrierefreiheit, meine Damen und Herren – das wissen wir –, bedeutet vor allen Dingen, die Barriere in den Köpfen zu beseitigen. Es bedeutet, die baulichen Barrieren zu beseitigen. Es bedeutet, die Barrieren vor allen Dingen auch in der Kommunikation zu beseitigen, um Menschen tatsächlich vollständige Teilhabe zukommen zu lassen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Wir sind auf einem guten Weg. 6,8 Millionen € stehen dafür im Haushaltsentwurf. Ich kann nur hoffen, dass Sie von den Oppositionsfraktionen, wenn wir diesen Weg gemeinsam gehen wollen, diesem Teil des Haushalts zustimmen, damit wir wirklich das gemeinsame Ziel Inklusion realisieren können. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Piratenfraktion spricht nun Herr Wegner.

Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen auf der Tribüne und im Stream! Ich möchte mich jetzt gar nicht lange über den Einzelplan 11 und den Teilbereich Soziales auslassen.

William Shakespeare schrieb einmal: „Wer Worte macht, tut wenig.“ Ich muss sagen: Hier im Landtag werden zu viele Worte über einen gelaufenen Haushaltsplan gemacht.

Daher möchte ich nur auf drei Aspekte hinweisen.

Zum einen reden wir hier über einen Haushalt, der zum Zeitpunkt der möglichen Verabschiedung schon fast vollständig ausgegeben ist.

(Unruhe)

Ich käme mir, ehrlich gesagt, lächerlich vor, wenn ich jetzt auf Einzelheiten eingehen würde, denn ich schaue lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit.

Der zweite Aspekt: Ich finde sehr vieles unter dem Titel „zur Weiterleitung von Bundesmitteln“. Daran können und möchten wir natürlich auch nichts ändern.

Zu guter Letzt kündige ich an, dass wir im Haushaltsjahr 2013 sehr genau hinschauen werden. Wir werden die Landesregierung daran messen, wie die zukünftige Entwicklung der Armut in Nordrhein-Westfalen verläuft. Dabei ist es uns egal, ob es die Alters-, Kinder- oder sonstige Armut ist. Wir werden genau hinschauen.

Mehr Worte brauche ich heute nicht.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU – Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Noch einen Satz: Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft rechtzeitig über Haushaltsentwürfe beraten können. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kollege Wegner. – Nun spricht für die Landesregierung der für diesen Einzelplan zuständige Minister Schneider.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unserer Koalitionsvereinbarung und dann auch in der Regierungserklärung unserer Ministerpräsidentin wurde die Bekämpfung der Armut als eine zentrale und auch landespolitische Herausforderung bezeichnet.

Dies wurde auch durch eine sehr intensive Diskussion im Landeskabinett aufgrund der Vorlage unseres Sozialberichtes unterstützt, der auch Armuts- und Reichtumsbericht genannt werden kann; vielleicht ist das die bessere Bezeichnung.

Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, dass in Nordrhein-Westfalen das Vorhandensein von zwei Kindern in einer Familie zum Armutsrisiko wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist ein Skandal erster Güte. Das können wir uns auch ökonomisch gar nicht leisten.

Deshalb steht bei der Bekämpfung der Armut die Kinderarmut ganz oben an. Sie muss bekämpft werden. Dies ist allerdings nicht nur – davon bin ich zutiefst überzeugt – ein materielles Problem. Wir kennen auch Bildungsarmut und emotionale Armut. Armut hat vielfältige Facetten. Das muss in einem Gesamtkonzept gegen die Armut in NRW berücksichtigt werden.

Wir werden dieses Konzept natürlich in enger Absprache mit allen Ministerien in diesem Lande – ich hoffe, im nächsten Frühjahr – vorlegen können. Das wird ein hartes Stück Arbeit, weil die zentralen Entscheidungen zur Bekämpfung der Armut nicht in Düsseldorf, sondern in Berlin fallen. Darüber können wir nicht hinwegsehen; das ist so.

(Zustimmung von Ingrid Hack [SPD])

Der Oppositionsführer, der jetzt nicht mehr da ist, hat die laufende Legislaturperiode in Berlin als sozialpolitisch leere Zeit bezeichnet. Da ist nichts passiert, auch nicht im Hinblick auf die Bekämpfung der Armut.

Ich kann allen zustimmen, die Kritik am Bildungs- und Teilhabepaket geübt haben. Denn es weist wichtige Webfehler auf, die dazu führen, dass diejenigen, die es nötig hätten, die Leistungen aus diesem Paket zu wenig in Anspruch nehmen.

Bürokratischer Höhepunkt ist dabei die Beantragung und Inanspruchnahme von Bildungshilfen, insbesondere von Nachhilfeunterricht. Ich kann das nicht im Einzelnen darstellen. Es muss sich schon um bemerkenswerte Menschen handeln, die so viel Bürokratie aufbauen, um Kindern vermeintlich zu helfen. Wir haben gegengehalten und eine hervorragende Arbeitshilfe auf den Weg gebracht, die auch Maßstäbe für andere Bundesländer gesetzt hat und die kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Als weiterer Punkt wurde ebenfalls schon die Bekämpfung der Wohnungslosigkeit angesprochen. In der Tat: Wir haben eine umfassende Datei. In mehreren Anläufen hat das Land Nordrhein-Westfalen den Versuch unternommen, zu einer Datei auf Bundesebene zu kommen. Wir haben hierfür aus welchen Gründen auch immer keine Mehrheit gefunden. Wir werden es bei der diesjährigen Arbeits- und Sozialministerkonferenz wieder versuchen.

Die 1,12 Millionen €, die zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit bereitgestellt sind, sind nicht viel, stellen aber doch einen wichtigen Ansatz dar, um den Ärmsten der Armen zu helfen.

Zum Thema „Inklusion“ ist Folgendes zu sagen: Frau Middendorf, Sie beklagen das Nichtvorhandensein von Konzepten. Wir haben in unserem Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ 21 Aktionsfelder mit mehr als 100 Maßnahmen entwickelt. Da finden Sie die Konzepte, die Sie so vermissen. Im Übrigen ist dieser Plan nicht das Werk von Einzelnen oder einer Arbeitsgruppe, sondern dieses Konzept ist in enger Abstimmung mit den Behindertenverbänden und mit der interessierten Öffentlichkeit entwickelt worden.

Besonders liegt mir persönlich die Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Menschen mit Behinderungen am Herzen. Deshalb werden wir – das Kabinett hat die notwendigen Beschlüsse gefasst – 1.000 zusätzliche sogenannte Außenarbeitsplätze zur Verfügung stellen. Das ist kein Pappenstiel; das ist sehr wichtig.

Wir wollen natürlich die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen weiter fördern. Zwischenzeitlich befinden sich 64.000 Menschen in diesen Werkstätten, also mehr, als Thyssen-Krupp in NRW beschäftigt. Weil das so ist, wollen wir vor allem auch sogenannte Integrationsunternehmen fördern und ausbauen, die sich letztlich mit dem, was dort produziert wird, am ersten Arbeitsmarkt und an den Absatzmärkten beweisen müssen. Dass dies funktioniert, zeigen sehr viele hervorragende Beispiele.

Wir haben für das Thema „Inklusion“ 6,8 Millionen € im Haushalt 2012 zur Verfügung gestellt. Aber das ist nur eine Seite. In allen Haushalten aller Ministerien sind Mittel für dieses Thema vorhanden.

Die Inklusion soll in einem Zeitraum von zehn Jahren realisiert werden. Das ist ein sehr anspruchsvolles Ziel. Ich muss Ihnen sagen, je mehr man sich mit dieser Materie beschäftigt, desto länger werden die Zeitläufe, die man einschätzen kann, um Inklusion, letztendlich ein gesellschaftspolitisches Ziel – hier geht es nicht um irgendeine behindertenpolitische Dimension –, in Nordrhein-Westfalen und in der gesamten Republik umzusetzen.

Die Bekämpfung von Armut beginnt mit dem In-Ordnung-Bringen unseres Erwerbssystems. Daran arbeiten wir auch im Bereich Soziales in unserem Ministerium. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Zum Schluss möchte ich der Kollegin Asch herzlich zum Geburtstag gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Schneider. Das war sehr nett. Das Plenum hat das heute Morgen auch schon getan.

Damit sind wir am Ende der Beratung zu dem Teilbereich Soziales im Einzelplan 11.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt uns in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 16/1211, den Einzelplan 11 unverändert anzunehmen. Wer stimmt dem zu? – SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP und drei Mitglieder der Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Der Großteil der Piratenfraktion enthält sich der Stimme. Damit ist bei diesem festgestellten Ergebnis die Beschlussempfehlung angenommen und der Einzelplan 11 verabschiedet.

Wir kommen zu dem nächsten Einzelplan:

     Einzelplan 15
Ministerium für Gesundheit,
Emanzipation, Pflege und Alter

Ich darf auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1215 hinweisen. Ich rufe auf den

     Teilbereich
Gesundheit, Pflege und Alter

Für die CDU-Fraktion spricht zunächst der Kollege Preuß.

Peter Preuß (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gesundheit ist ein hohes Gut. Für jeden einzelnen unserer Bürgerinnen und Bürger ist das persönliche Wohlbefinden von großer Bedeutung. Die Messlatte, die die Bürgerinnen und Bürger an das Gesundheitswesen anlegen, ist enorm hoch.

Wir müssen uns stets fragen: Sind die Wege zur Gesundheit für alle geöffnet, ist die notwendige medizinische Versorgung der Menschen optimal gewährleistet, gleich, ob Sie in der Stadt oder auf dem Lande wohnen? Wie können mehr Ärzte ausgebildet werden? Wie werden wir im Alter leben? – Das sind zentrale Fragen.

Politik muss dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen hierfür gegeben sind. Strukturen und Systeme müssen nicht nur erhalten bleiben, sondern auch weiterentwickelt werden. Politik muss sich den Herausforderungen stellen, die sich insbesondere aufgrund der demografischen Entwicklung, aber auch aufgrund der Entwicklung der Medizintechnik ergeben.

Vor diesem Hintergrund ist es ein gesundheitspolitisches Desaster, dass die Landesregierung den Haushalt für 2012 erst jetzt vorlegt, wo er doch keinerlei Wirkungen mehr entfalten kann. Es ist allerdings auch kein Trost, wenn man feststellt, dass er auch bei früherer Vorlage ohnehin keine Wirkung entfaltet hätte und auch keinerlei Signalwirkungen in Sachen Gesundheitspolitik für die Zukunft enthält.

Für diesen Haushalt gilt: Es gibt keine Impulse, es gibt keine Perspektiven, es gibt keine Innovationen, es gibt keine Lösungen für Probleme, und es gibt keine Gründe, darauf zu vertrauen, dass diese Landesregierung Probleme lösen könnte.

Es ist bei allem technischen Know-how der heutigen Medizin Sache der Politik und hier namentlich der Ministerpräsidentin und deren Ministerin für Gesundheit, den Menschen in Nordrhein-Westfalen glaubhaft zu vermitteln, das jeder Bürger sicher sein kann, im Krankheits- oder Pflegefall medizinisch und pflegerisch auch in Zukunft gut versorgt zu werden. Dazu darf niemand ins Ausland gehen müssen. Da reichen, sehr geehrte Frau Ministerin Steffens, nicht nur hilfesuchende Pressemitteilungen, sondern es bedarf vor allem sichtbaren Handelns.

Sie müssen sagen, wie Sie und mit welchen Anreizen Sie die medizinische Versorgung im ländlichen Raum sicherstellen wollen, sodass jeder im Bedarfsfall wohnortnah wenigstens seinen Hausarzt aufsuchen kann. Sie müssen sagen, wie die medizinischen Leistungen gemäß Ihres Koalitionsvertrages in der Fläche, also für jedermann, bei gleichzeitiger Spezialisierung in den medizinischen Leistungen erbracht werden können. Das Sie es vereinbart haben, ist eine Sache. Papier ist aber offensichtlich geduldig. Sie müssen sagen, wie.

Bei der Frage nach dem Konzept: Fehlanzeige.

Sie müssen sagen, mit welcher Anzahl an Betten die Krankenhäuser rechnen können – ich meine damit den Krankenhausbedarfsplan –, damit die Krankenhäuser sicher und verlässlich planen können, um endlich die Unsicherheit zu beenden.

Konzept? – Fehlanzeige!

Sie müssen sagen, wie die finanziellen Rahmenbedingungen zukünftig sein werden, wie Spitzenmedizin und wie optimale medizinische Versorgung und Pflege gewährleistet und bezahlbar bleiben sollen.

Konzept? – Fehlanzeige!

Sie müssen sagen, wie Sie mit Blick auf die demografische Entwicklung Fachkräfte für den Pflegeberuf und den ärztlichen Dienst gewinnen wollen, wie Sie die Ausbildung von Ärzten sicherstellen wollen.

Konzept? – Fehlanzeige!

Statt Antworten zu geben, taucht die Landesregierung ab. Es wird fabuliert. Der Mensch stehe im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik, nicht Strukturen und Systeme, heißt es. – Natürlich steht der Mensch im Mittelpunkt. Wer denn sonst? Aber genau das ist das Problem. Sie sind nämlich der Meinung, Sie würden vom Menschen her denken, verändern und schaffen aber keine Strukturen und Systeme. Diese brauchen wir aber, damit der Mensch im Mittelpunkt einer funktionierenden Medizin stehen kann. Ohne Strukturen und Systeme geht es nicht. Diese müssen dringend den geänderten Rahmenbedingungen und Herausforderungen angepasst werden.

Die damalige CDU-geführte Landesregierung hat schon vor Jahren den Handlungsbedarf erkannt und das Aktionsprogramm zur Stärkung der hausärztlichen Medizin und Versorgung auf den Weg gebracht. Dies war ein erster wichtiger Schritt. Doch seit 2010 ist die Landesregierung auf diesem Weg einfach stehen geblieben, obwohl das Hausärztekonzept Wirkung gezeigt hat.

Dabei schafft das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Rahmenbedingungen für die ärztliche Versorgung in Deutschland. Dieses Gesetz steuert gerade den demografiebedingten Versorgungsengpässen entgegen.

Jetzt gibt es im Sinne der Fortentwicklung des Hausärztekonzepts die Möglichkeit, neue Maßnahmen zu installieren, die junge Ärzte veranlassen könnten, sich auf dem Lande niederzulassen. Hier sind zum Beispiel Schaffung finanzieller Anreize, Nutzung der Infrastruktur, Rückkehrmöglichkeiten, Zulassungsgarantien, flexible Ausgestaltung der Bedarfsplanung, Aufgabe des Wohnsitzprinzips und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu nennen. Was diese Weiterentwicklung angeht:

Konzept? – Fehlanzeige!

(Ministerin Barbara Steffens: Dafür ist doch der Bund zuständig!)

Von Frau Ministerin Steffens hören wir nichts. Im Gegenteil!

Akuten Handlungsbedarf gibt es gemäß einer Studie des Berliner Forschungsinstituts IGES in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel im Bereich der neurologischen Frührehabilitation von Schlaganfallpatienten. Nordrhein-Westfalen ist hier wieder einmal Schlusslicht. Die Ministerin bestreitet das.

Ich muss ehrlich gestehen: Aufgrund bestimmter Vorgaben konnte man das eigentlich auch glauben. Wir haben uns aber gefragt, warum „Westpol“ drei Mal über dieses Thema berichtet hat. In der Tat sind für die Frühreha nicht ausreichend Betten vorhanden. Die in vielen Fällen notwendige Frührehabilitation von Schlaganfallpatienten ist in vielen Krankenhäusern wegen der hohen Spezialisierung der Reha nicht gewährleistet. Deshalb werden auch mehr Betten in den Rehakliniken benötigt.

Frau Ministerin, Sie sprechen immer wieder von neuen Wohn- und Pflegeformen, vom sogenannten Wohnen im Quartier. Da werden im Bereich Pflege Mittel für die Entwicklung von Quartieren eingestellt, die im Zweifel auch nicht ausreichen dürften.

Was ist aber die Konzeption? Unter welchen Voraussetzungen und mit welchen konkreten Zielen sollen die Mittel ausgegeben werden? Was ist überhaupt ein Quartier? Wo ist der konzeptionelle Rahmen? Wie sollen die ohnehin klammen Kommunen in Zukunft Quartiere schaffen, wenn sie nicht einmal wissen, was das ist und ob und wie das Land sie dabei finanziell unterstützt? Es stellt sich zum Beispiel die Frage, wie die erforderlichen Grundstücke bezahlt werden sollen. Gerade die Preise für innenstadtnahe Grundstücke sind sehr hoch.

Auch im Bereich der Altenpflegeausbildung erweist sich das Handeln der Landesregierung als Chaos. Mit der Umlagefinanzierung wollten wir gemeinsam erreichen, dass sich mehr Menschen bereitfinden, den Pflegeberuf zu erlernen. Das war auch wirklich ein Erfolg, wie sich jetzt herausstellt. Eine beträchtliche Anzahl von Menschen strebt eine Ausbildung in der Pflege an.

Das Ministerium hat nun aber nichts Eiligeres zu tun gehabt, als den Fachseminaren mitzuteilen, dass nicht alle Seminarplätze gefördert werden können. Auf Nachfrage im Ausschuss erklärte die Ministerin dann, dass die Finanzierung selbstverständlich gesichert sei. Einen Tag später wurde den Fachseminaren schriftlich mitgeteilt, dass nicht alle Plätze gefördert werden können. Inzwischen scheint der Punkt allerdings geregelt zu sein. Dieses unkoordinierte Vorgehen hat zu einer erheblichen Verunsicherung bei den Beteiligten geführt. Das können wir so nicht hinnehmen.

Es wird deutlich: Egal, ob bei medizinischer Versorgung, Pflege, Leben im Alter oder der Krankenhausrahmenplanung, die irgendwann mal kommen soll – der Haushalt 2012 gibt keine Antworten auf die Zukunftsprobleme. Das ist ein Beleg dafür, dass die Landesregierung auf dem wichtigen Feld „Gesundheit“ nichts bewegt. Geld wird in Nordrhein-Westfalen ausgegeben; es werden angeblich gute Schulden zum Wohle aller gemacht, und das nicht zu knapp; aber erreicht wird nichts.

So traurig die Geschichte auch ist: Wir dürfen uns keine Hoffnungen machen. Mit dieser Landesregierung wird es kein Happy End, sondern den Worst Case geben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Preuß. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Lück.

Angela Lück (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Preuß, als man Ihnen eben zuhören durfte, hatte man den Eindruck: Sie stehen hier gar nicht mit den Beinen auf der Erde. Sie sind vor allen Dingen noch nie im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags Nordrhein-Westfalen gewesen; denn alle die Dinge, die Sie hier aufgeführt haben – „Konzept? – Fehlanzeige!“ –, haben wir im Ausschuss ausführlich besprochen. Ich werde gleich noch näher darauf eingehen.

Grundsätzlich muss man aber auch noch einmal an unseren Koalitionsvertrag erinnern und deutlich machen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen einen gleichen, gleichermaßen uneingeschränkten Zugang zu gesundheitlicher und medizinischer Versorgung haben.

Unsere Gesundheitspolitik wird in Sachen Gesundheit, Pflege und Alter nachhaltig und erfolgreich sein, Herr Preuß. Sie führt nämlich zu einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und ohne Hürden zugänglichen gesundheitlichen und medizinischen Versorgung für alle, und zwar von der Prävention bis hin zur Palliativmedizin, unabhängig von dem jeweiligen sozialen Status, dem Alter, der Herkunft oder dem Geschlecht.

Der demografische Wandel sowie die geschlechter- und herkunftsdifferenzierte Gesundheitsversorgung sind Aufgabe und Herausforderung unserer Zeit. Das gilt besonders im Hinblick auf ländliche Regionen und sozial benachteiligte Stadtteile.

Unsere nordrhein-westfälische Gesundheitswirtschaft wurde in der Vergangenheit eher vernachlässigt, ist aber mit über 1 Million Beschäftigten im Gesundheitswesen eine Wachstumsbranche sowie Jobmotor – auch im Hinblick auf die wachsenden bedarfsgerechten und die Individualität wahrenden Wohn- und Pflegeformen. Deshalb gilt es, im Bereich der öffentlichen Gesundheit für stabile Strukturen und verlässliche Standards mit Sicherheitsgarantien auch für die Krankenhausplanung zu sorgen.

Wir alle wissen, dass dies lediglich im Rahmen der eingeschränkten Möglichkeiten, der verfassungsrechtlich stark beschränkten Kompetenzen eines Landes möglich ist. Herr Preuß, auch Sie wissen das. Viele Dinge, von denen Sie vorhin gesagt haben, sie passierten nicht bei uns in Nordrhein-Westfalen, hängen auch an unserer bundespolitischen Gesundheitspolitik. Das wissen Sie. Dann hier so einen Aufschlag zu machen, finde ich schon sehr bedenklich.

Aber wir werden den Herausforderungen hier in Nordrhein-Westfalen mit dem vorgelegten Haushaltsplan begegnen. Da geht es zum Beispiel um die Weiterentwicklung der Pflege- und Versorgungsstrukturen. Wir wollen den Menschen in Nordrhein-Westfalen ermöglichen, im Alter länger selbstbestimmt in der eigenen häuslichen Umgebung zu bleiben.

Die Umsetzung einer zukunftsgerichteten Alten- und Pflegepolitik muss vor allem auf der lokalen Ebene erfolgen. Hier wird das direkte Wohn- und Lebensfeld bedarfsgerecht gestaltet. Die Kommunen brauchen Unterstützung, um die Pflege- und Versorgungsstrukturen im Sinne einer stärkeren Quartiersausrichtung weiterzuentwickeln. Beim Ausbau neuer Wohnformen wie Altenwohngemeinschaften, Mehr-Generationen-Wohnungen und Wohnungen mit Versorgungssicherheit tragen die Kommunen eine große Verantwortung. Sie brauchen dazu eine nachhaltige Unterstützung.

Dabei geht es aber nicht nur um die Menschen mit Pflegebedarf, sondern auch um die Menschen, die in Altersarmut leben oder davon bedroht sind. Wir wollen allen älteren Menschen ein selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Dazu gehört auch die Versorgung und die Verbesserung der Hospiz- und Palliativmedizin.

Es geht aber auch um die Gesundheit von Menschen mit Migrationsgeschichte. Sie haben in unserem Gesundheitssystem immer noch massive sprachliche und kulturelle Probleme, denen wir begegnen werden.

In der Mitte unserer Gesellschaft soll jeder Bürger und jede Bürgerin bis ins hohe Alter selbstbestimmt und aktiv sein Leben gestalten können. Auch im Falle einer Pflegebedürftigkeit oder Behinderung soll jeder die Hilfe bekommen können, die er benötigt, und zwar unabhängig von seinem Einkommen.

Zurzeit gibt es bei uns in Nordrhein-Westfalen gut 1 Million pflegebedürftiger Menschen. Bis 2050 wird sich diese Zahl verdoppeln – eine dramatische Entwicklung. Demgegenüber steht der sich abzeichnende dramatische Fachkräftemangel bei uns in der Pflege.

Umso erfreulicher – Herr Preuß, das haben Sie auch erkannt – ist es, dass wir es geschafft haben, die Ausbildungsplätze in der Altenpflege deutlich auszubauen. Mit der Einführung der Ausbildungsumlage haben wir die Finanzierung der Altenpflegeausbildung gerechter auf alle Schultern der Beteiligten gelegt. Die Anzahl der ausbildungsbereiten stationären Einrichtungen und ambulanten Dienste hat bereits in diesem Jahr eine deutliche Steigerung bei den Ausbildungsplätzen erreicht. Durch eine verlässliche Landesförderung konnte schon in diesem Jahr die Zahl der Ausbildungsplätze von 9.300 im letzten Jahr bis heute um über 2.000 erhöht werden. Damit wird ein entscheidender Beitrag zur Bekämpfung der drohenden Pflegenot in Nordrhein-Westfalen geleistet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die 380 Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen stehen in dem Spannungsfeld, die eigene Wirtschaftlichkeit und eine gute Behandlungsqualität in Einklang zu bringen. Das gilt für Krankenhäuser der wohnortnahen Grundversorgung wie auch für Krankenhäuser der Maximalversorgung und die Spezialzentren. Für die Bürgerinnen und Bürger muss eine flächendeckende Versorgung insbesondere im ländlichen Raum sichergestellt sein. Das wird uns der Krankenhausplan, der zurzeit noch überarbeitet wird, auch zeigen.

Zur finanziellen Unterstützung der Krankenhäuser wird es weiterhin die pauschale Förderung des Landes mit dem Sonderfonds Krankenhäuser geben. Das erweitert den finanziellen Spielraum der Einrichtungen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Sicherstellung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum und in städtischen Problemgebieten. Hier gibt es verschiedene Maßnahmen, Herr Preuß, die wir haben und die auch weitergeführt werden. Da ist zum Beispiel das Hausärzteprogramm oder auch die Anwerbung von ausländischen Ärzten und Ärztinnen. Das ist im Haushalt abgesichert.

Zum Schwerpunkt Hygiene! Herr Laumann, mit der Novellierung des Krankenhausgesetzes 2007 hat es leider in den Häusern bei uns im Land eine Absenkung der Sicherheitsstandards gegeben, nämlich dadurch, dass Sie die Hygienekommissionen für die Krankenhäuser einfach gestrichen haben. Dadurch und aus vielen wirtschaftlichen Aspekten hat der Standard in den Krankenhäusern leider abgenommen. Aber gerade die Krankenhäuser und die in Krankenhäusern erworbenen Erkrankungen sind für die Patientinnen und Patienten problematisch, abgesehen von den Kosten fürs Gesundheitssystem. Das ist nicht nur in Nordrhein-Westfalen so.

Herr Preuß, auch in diesem Fall wäre es wichtig, die Bundesregierung auch von ihrer Seite noch einmal aufzufordern, die Krankenhäuser bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, insbesondere der Krankenhaushygiene, auch zu unterstützen.

Auf Landesebene werden wir deshalb die Aus- und Weiterbildung im Fachbereich Hygiene fördern, eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten und ein flächendeckendes Frühwarnsystem für multiresistente Erreger aufbauen. Außerdem werden wir die Hygienefachkräfte auch in Einrichtungen der ambulanten pflegerischen Versorgung vorschreiben. Damit werden wir die landesseitigen Möglichkeiten nutzen, um trotz Fachkräftemangels und fehlenden Hygienefachpersonals vermeidbare Pflege- und Hygienemängel zu reduzieren.

Ich habe hier nur einige prägnante Ziele aufgeführt, um deutlich zu machen, dass wir mit diesem Haushalt einen großen Schritt in die richtige Richtung gehen. Mir wäre sehr daran gelegen, Herr Preuß, wenn Sie und Ihre Fraktion die Augen aufmachen und das auch erkennen würden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Kollegin Lück. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Landtags­fraktion hat den Anspruch, die Arbeit der Landesregierung im wichtigen und sensiblen Bereich der Gesundheitspolitik konstruktiv, aber auch kritisch zu begleiten.

Wir setzen uns dafür ein, dass die Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Alter zielgenauer und treffsicherer werden und gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung auch bezahlbar bleiben.

Besonderen Wert legt die Landesregierung nach eigenem Bekunden auf eine patientenorientierte Gesundheitspolitik, die geschlechtergerecht ausgestaltet ist. Aus Sicht der FDP-Fraktion muss es bei einer wahrhaft geschlechtergerechten Gesundheitspolitik aber darum gehen, die spezifischen Versorgungsbedarfe von Jungen und Mädchen bzw. Männern und Frauen gleichermaßen zu berücksichtigen.

(Beifall von der FDP)

Denn es zeigt sich, dass der Handlungsbedarf gerade bei Jungen und Männern unterschätzt wurde. Die derzeitigen gesundheitlichen Angebote sind leider nur unzureichend auf die spezifischen Risiken und Bedürfnisse zugeschnitten. Deshalb werden sie zu selten in Anspruch genommen mit entsprechenden Folgen.

Dass ein Kompetenzzentrum „Frauen und Gesundheit“, wie es der Einzelplan 15 vorsieht, kaum die richtige Antwort darauf sein kann, liegt auf der Hand, wird aber trotzdem von Juni 2012 bis Dezember 2014 mit rund 567.000 € gefördert.

Ein solches Kompetenzzentrum hat jedoch im vergangenen Monat auf dem Gesundheitscampus in Bochum seine Arbeit aufgenommen. Ministerin Steffens hat diese Gelegenheit genutzt, um erneut klarzustellen, dass die frauenspezifischen gesundheitlichen Aspekte noch stärker in den Fokus rücken müssen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der FDP ist das entschieden zu einseitig. Wir wollen nicht, dass der Bedarf bei Frauen und Mädchen gegen den Bedarf bei Jungen und Männern ausgespielt wird.

(Beifall von der FDP)

Sie brauchen für beide Gruppen, gerade in der Prävention, angemessene Instrumente, weil es bei der Entstehung von Krankheiten nachweislich geschlechtsspezifische Unterschiede gibt.

Besonders aus diesem Grund hat die FDP-Fraktion eine Kleine Anfrage zur Suizidprävention von Männern gestellt, weil es laut Landesgesundheitsbericht 2011 insbesondere in der Gruppe der älteren Männer eine steigende Anzahl an Suizidfällen gibt.

Ein die Gesundheitspolitik auch immer wieder beschäftigendes Thema ist die Drogen- und Suchtproblematik. Vor allem das Thema „Alkohol und dessen Missbrauch“ gerade bei Jugendlichen steht im Vordergrund. Nach Information der Krankenkasse DAK Gesundheit, die sich auf das Statistische Landesamt beruft, wurden im Jahr 2011 6.548 junge Menschen im Alter zwischen zehn und 20 Jahren mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. Im Vergleich zu 2012 ist das ein Anstieg von 4,3 %. Auffallend ist, dass 595 Mädchen im Alter zwischen zehn und 15 Jahren stationär behandelt wurden. Bei den Jungen waren es nur – wenn man hier überhaupt von „nur“ sprechen kann – 474.

Es zeigt sich allerdings insgesamt, dass das sogenannte Koma-Trinken nach wie vor ein besonderes Problem von jungen Männern ist.

(Zuruf: Das stimmt doch gar nicht!)

Dieses Beispiel soll Ihnen abermals deutlich machen, wie wichtig es ist, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei allen gesundheitlichen Maßnahmen zu berücksichtigen.

Die FDP-Landtagsfraktion hat in diesem Zusammenhang bereits für die Ausschusssitzung Ende September einen Bericht der Landesregierung angefordert. Es bleibt festzuhalten, dass es unser gemeinsames Ziel sein muss, das Koma-Trinken wirksam zu bekämpfen.

Besondere Aufmerksamkeit muss die Landesregierung aber auch den neuen synthetischen Drogen schenken, die in Deutschland auf dem Vormarsch sind und deren gesundheitliche und soziale Folgen schwerwiegend sind. Neben den von der Bundesregierung angestoßenen sinnvollen Maßnahmen hat auch die Landesregierung ein Landeskonzept gegen Sucht in Form einer Gemeinschaftsinitiative vorgelegt. Dies soll die Basis sein für einen späteren Aktionsplan Sucht.

Die FDP möchte ihr Augenmerk hier vor allem auf die Sicherung eines einfachen Zugangs zu den Therapieangeboten sowie auf die Stärkung der Selbsthilfe legen.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Frau Ministerin Steffens hat hier bereits einiges versprochen. Ich bin gespannt, was in Zukunft davon tatsächlich umgesetzt wird. Vor allem stelle ich mir die Frage, inwieweit es einer neu eingerichteten Landesfachstelle Sucht NRW bedarf. Erst recht bezweifele ich die Sinnhaftigkeit der Wiedereinrichtung der Fachstelle Frauen und Sucht.

(Beifall von der FDP)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Laut unserer Landesregierung soll Gesundheitspolitik nicht nur geschlechtergerecht, sondern auch menschlicher werden. Deshalb wurde zum ersten Mal in Nordrhein-Westfalen eine Patientenbeauftragte berufen. Am 1. Mai hat Frau Dr. Lehmann ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Aufgabe ist es, sich darum zu kümmern, dass die Interessen der Patientinnen und Patienten in unserem Land respektiert und berücksichtigt werden.

Am 19. September berichtete das Ministerium in einer Pressemitteilung, dass bereits 200 Patienten Kontakt zu Frau Dr. Lehmann aufgenommen hätten. Nochmals: 200 Patienten in knapp fünf Monaten! Zum Vergleich: Das leistet ein Hausarzt schon an den ersten beiden Tagen im Quartal.

(Ministerin Barbara Steffens: Nein!)

Für die Maßnahme Patientenbeauftragte sind aber ganze 400.000 € im Haushaltsjahr 2012 vorgesehen. Das versprochene Konzept, das diese finanzielle Investition in Zeiten knapper Kassen rechtfertigt, lässt jedoch weiter auf sich warten. Auch auf der Homepage der Patientenbeauftragten sucht man es vergebens. Hier liest man vor allem den Slogan: Menschen zuerst. Menschen zuerst – das will ich doch hoffen, wenn wir hier über Humanmedizin sprechen.

Wir werden daher in Zukunft die Arbeit der Patientenbeauftragten sehr kritisch beäugen und dabei immer wieder die Effektivitäts- und die Effizienzfrage stellen.

Im Vorwort des Erläuterungsbandes zum Einzelplan 15 schreiben Sie, liebe Frau Ministerin, das MGEPA wolle dazu beitragen, dass alle Menschen in Nordrhein-Westfalen ihr Leben so weit wie möglich selbstbestimmt gestalten könnten. Ich musste diese Zeilen glatt mehrfach lesen, da das neue Nichtraucherschutzgesetz – oder nennen wir es besser Ihr radikales Rauchverbot – doch gerade aus Ihrem Ministerium stammt.

(Zuruf von der SPD: Konsequent!)

Ich frage Sie: Trägt dieses Verbot zu einer größeren Selbstbestimmung bei? Wird hier der Mensch in den Mittelpunkt gestellt, wie Sie es bei vielerlei Gelegenheit betonen,

(Ministerin Barbara Steffens: Ja!)

oder wird hier lediglich einer überzogenen und entmündigenden Verbotskultur gehuldigt?

(Beifall von der FDP)

Eine Politik der Selbstbestimmung und der Toleranz, sehr geehrte Damen und Herren, sollte man nicht nur verkünden, sondern man sollte sie auch leben.

(Zuruf: Genau!)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie uns zum Bereich Pflege kommen. Die Einführung eines Ausgleichsverfahrens in der Altenpflegeausbildung hat hier offenbar zu so großer Nachfrage nach Ausbildungsplätzen geführt, dass selbst die Ministerin über die Entwicklung verblüfft war.

Selbstverständlich sind Anreize, die dazu führen, dass sich mehr junge Menschen für den Beruf in der Pflege entscheiden, wichtig. Gleichwohl ist die Umlage organisatorisch aufwendig und vor allem kostspielig. Besser wäre es, das Problem des schon jetzt existierenden Fachkräftemangels komplexer und ganzheitlicher anzugehen, beispielsweise über eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Klar ist natürlich, dass den Trägern und Einrichtungsleitungen dabei eine hohe Verantwortung zukommt.

Bei den Heimen ist es uns wichtig, dass verstärkt auf die Selbstbestimmungsrechte der Bewohner geachtet wird. So muss dem Normalitätsprinzip bei der Modernisierung bestehender Heimstrukturen ein größeres Gewicht zukommen. Ich rufe gerne in Erinnerung, dass dieses eines der zentralen Ziele des vom Landtag mit breiter Mehrheit verabschiedeten Wohn- und Teilhabegesetzes gewesen ist.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, diesem Haushalt, der eine überflüssige Institution nach der anderen vorsieht, wo sonst an allen Ecken und Enden im Gesundheitsbereich Mittel fehlen, kann die FDP-Fraktion nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneider. – Für die grüne Fraktion spricht nun Herr Kollege Ünal.

Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch vor dem Hintergrund einer sehr schwierigen Haushaltssituation wird die rot-grüne Koalition im Bereich „Gesundheit und Pflege“ einen Schwerpunkt legen, wie wir es bereits 2011 gemacht haben.

Dabei werden wir – erstens – die Maßnahmen zur Sicherung einer ortsnahen gesundheitlichen Versorgung weiterführen.

Zweitens werden wir Gesundheitsprävention, Aidshilfe und Drogenhilfe weiter verstärken und zusätzliche Angebote machen, mit denen wir bestimmte Zielgruppen besser als bisher erreichen können.

Drittens wollen wir die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen verbessern und hierfür auch die Kooperation mit Jugend- und Familienhilfe sowie Schule stärken.

Viertens wollen wir den Ausbau der neuen Wohn- und Pflegeformen weiterentwickeln und das selbstständige Wohnen mit Versorgungssicherheit für Menschen mit Unterstützungsbedarf auch im Rahmen von Quartierskonzepten befördern.

Meine Damen und Herren, mit der Einführung der Altenpflegeumlage hat die rot-grüne Landesregierung einen wichtigen und – wie sich bereits jetzt zeigt – sehr erfolgreichen Impuls zur Steigerung der Ausbildungsaktivitäten in der Altenpflege gestartet.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Scheffler [SPD])

Erinnern wir uns: Am Ende der Regierungszeit von Schwarz-Gelb hatten wir in NRW 8.730 landesgeförderte Schulplätze in diesem Bereich. Im Sommer 2011 konnten wir die Zahl der landesgeförderten Schulplätze schon auf 9.300 steigern. Für August dieses Jahres lagen dann bereits Anträge für 11.088 Plätze vor, im Dezember werden es sogar fast 13.700 sein.

Die Dynamik dieser Entwicklung bei Bereitstellung und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in der Altenpflege wurde durch die Ausbildungs­umlage ausgelöst, die wir zuvor eingeführt hatten. Diese Entwicklung ist hoch erfreulich, zeigt sie doch, dass wir mit den richtigen Rahmenbedingungen neue, zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen können. Das ist ein toller Erfolg.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die rot-grüne Landesregierung wird allein in diesem Jahr über 7,2 Millionen € mehr für die Altenpflegeausbildung bereitstellen als die schwarz-gelbe Vorgängerregierung.

Meine Damen und Herren, die Sicherung der wohnortnahen Versorgung ist eine der zentralen Herausforderungen der Gesundheitspolitik. Herr Preuß hat uns in seiner Rede Konzeptlosigkeit vorgeworfen, obwohl NRW ein genaues Konzept zur hausärztlichen Versorgung im ländlichen Bereich und auch zur fachärztlichen Versorgung in Großstädten vorgelegt hat. Wir haben allein 2,5 Millionen € zur Verfügung gestellt, um die Versorgung im ländlichen Bereich sicherstellen zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein weiteres Ziel sind der Ausbau der Gemeindepsychiatrie, die Sicherstellung der wohnortnahen Gesundheitsstrukturen, die an den Bedürfnissen der psychisch erkrankten Menschen ausgerichtet sind, und die Vernetzung der Hilfen, die diesen Menschen ein vermehrt eigenständiges und sozial integriertes Leben ermöglichen.

Einen Schwerpunkt legen wir dabei auf die Verbesserung der psychosozialen Hilfen für Kinder und Jugendliche. Hiermit wollen wir erreichen, dass die seelische Gesundheit der jungen Menschen gestärkt und den psychischen Störungen frühzeitig entgegengewirkt wird. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien besser als bisher gesundheitlich versorgt werden, unter anderen indem wir dazu beitragen, die Gesundheitsförderung für sie zu verbessern und die Zugänge zu erleichtern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen den Ursachen der steigenden Zahl psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen begegnen. Mit der Landesinitiative „Erhalt und Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ ist hierzu schon ein erster Schritt getan worden.

Auch hier müssen die Familien mit Migrationshintergrund besser als bisher erreicht werden. Deshalb wollen wir auch Maßnahmen unterstützen, die die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte verbessert. Hierzu gehören unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung von interkulturellen Kompetenzen in Gesundheitseinrichtungen, zur Verringerung der Sprach- und Kulturbarrieren, zur Thematik der weiblichen Genitalverstümmelung und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen.

Meine Damen und Herren, wie schon im vergangenen Jahr sind auch in 2012 mehr als 4,5 Millionen € für die Aidsprävention in den Haushalt eingestellt. Mit den zusätzlichen Geldern, die wir in 2010 hierfür bereitgestellt haben, wollen wir Maßnahmen für zielgruppenspezifische Prävention, Beratung und Nachsorgemaßnahmen unterstützen und verbessern, weil die Prävention der einzig gangbare Weg bei der Bekämpfung von Aids ist.

Gleiches gilt auch für die Sucht? und Drogenhilfe, die Sie kritisiert haben. Wir halten es zudem für notwendig, Suchthilfeangebote zu fördern, die auf die unterschiedlichen Bedarfe von Frauen und Männern ausgerichtet sind und mit denen Menschen mit Migrationshintergrund besser erreicht werden.

Meine Damen und Herren, wir müssen Menschen, die auf Pflege und Unterstützung angewiesen sind, helfen, damit sie weiterhin selbstbestimmt in ihrem vertrauten Wohnumfeld leben können. Hierzu wollen wir die Angebote ausweiten. Deshalb werden wir Quartierkonzepte befördern, mit denen auch für die Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, eine Versorgungssicherheit in ihrem Wohnquartier geschaffen werden kann. Damit wollen wir dem weiteren Ausbau größerer stationärer Einrichtungen ein bisschen entgegenwirken und einen Paradigmenwechsel schaffen weg von den großen Einrichtungen hin zu überschaubaren Wohn? und Versorgungsformen dort, wo die Menschen leben und weiter leben wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dies trägt dem Wunsch vieler Menschen Rechnung, auch bei Pflegebedarf in ihrem gewohnten Wohnumfeld leben zu können. Um diese Ziele erreichen zu können, haben wir trotz großer Schwierigkeiten im Haushalt sehr viele Gelder bereitgestellt. Aber der Bereich „Gesundheit und Pflege“ braucht auch Ihre Unterstützung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die Piratenfraktion steht Herr Kollege Lamla bereit.

Lukas Lamla (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Landtagspräsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Als ich mich auf die Rede vorbereitet habe, wusste ich nicht so richtig, wo ich anfangen sollte. Denn in kaum einem politischen Bereich wurde in den letzten Jahren – verzeihen Sie mir das Wortspiel – so viel herumgedoktert wie in der Gesundheitspolitik. Seit der verkorksten Gesundheitsreform von Frau Ulla Schmidt hat jeder mal hier und da an der Schraube gedreht, aber der große Wurf war bisher nicht dabei, sonst sähe es in dem Bereich wesentlich weniger dunkel aus als heute. Wo also anfangen?

Im Rahmen der Vorbereitung auf die Rede unterhielt ich mich auch mit unseren Mitarbeitern. Einer erzählte mir die Geschichte seiner Großmutter, die wohl kaum typischer sein kann. Mit einem Mal wurde mir klar, worum es hier eigentlich geht. In meinem beruflichen Werdegang habe ich mit der Situation im Gesundheitsbereich zwar schon einige Erfahrung sammeln können, aber selten wurde klarer als an diesem Beispiel, welche Probleme da vorliegen.

Ich komme auf das Beispiel zurück: Die Großmutter unseres Mitarbeiters, nennen wir sie Frau Koch, ist momentan 87 Jahre alt und lebt in einem Altenpflegeheim. Früher waren 87 Jahre die Ausnahme, heute jedoch eher die Regel. Alleine daran werden die Probleme des demografischen Wandels deutlich. Die Menschen werden tatsächlich immer älter. Als Frau Koch noch jünger war, war sie als Verkäuferin in einem großen Kaufhaus tätig und hat in diesem Beruf, wie so viele andere auch, 40 Jahre lang gearbeitet. Sie hat also 40 Jahre lang volle Sozialversicherungs? und Rentenbeiträge gezahlt. Jetzt im Heim bezieht sie zusätzlich zu ihrer Rente Sozialhilfe, weil sie aus eigener Kraft – trotz Pflegestufe 3 – keinen Pflegeplatz finanzieren kann. Als Verkäuferin konnte sie es sich auch nie leisten, ein Haus zu bauen oder großartiges Vermögen anzusparen. Ich brauche Ihnen allen nicht zu sagen, dass die Verdienstsituation der Verkäuferinnen heutzutage nicht anders aussieht.

Aber auch die Pflegekräfte, die wirklich alles geben, bekommen nicht mehr Gehalt als eine Verkäuferin, und sie leisten sehr viel. Durch die Situation von Frau Koch bekommen sie jeden Tag bei der Arbeit vor Augen geführt, wie ihre eigene Situation später einmal aussehen wird. Nach dem aktuellen Rentenkonzept – übrigens von der SPD – werden sie später alle in Altersarmut leben und auf Transferleistungen angewiesen sein, selbst wenn sie ihr komplettes Arbeitsleben Vollzeit und sozialversicherungspflichtig in der Pflege tätig waren. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn sich die Motivation der Pflegerinnen und Pfleger in Grenzen halten würde.

Dennoch kann man in diesem speziellen Fall nicht über das Verhalten des Pflegepersonals klagen. Sicherlich gibt es hier und dort einiges zu verbessern, aber wenn man das Pflegepersonal fragt, warum sie das Ganze jeden Tag aufs Neue tun, bekommt man immer die gleiche Antwort: Sie mögen bzw. lieben ihren Job sogar. Sie würden nur ganz gerne fair bezahlt werden und die Wertschätzung erfahren, die sie mit solch einem harten Beruf auch verdient haben.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie die Zwischenfrage einer Kollegin?

Lukas Lamla (PIRATEN): Nein, ich habe noch einiges an Text. Die Kollegin kann nachher zu mir kommen. – Danke schön.

Vizepräsident Oliver Keymis: Nicht. Gut.

Lukas Lamla (PIRATEN): Da hilft es allerdings nicht, wenn in einem Schnellschussverfahren – zum Beispiel nach der Pleite einer großen Firma – immer wieder postuliert wird: Sollen die entlassenen Mitarbeiter doch auf Pflege umschulen, dadurch bekommt man sie schneller auf den Arbeitsmarkt. – Mit Verlaub, diese Behauptung ist eine Frechheit. Einem verantwortungsbewussten Politiker muss klar sein, dass man für einen Beruf in der Pflege nicht nur geboren sein, sondern auch eine anspruchsvolle Ausbildung machen muss. Eine kurze Umschulung schont zwar kurzfristig die Arbeitslosenzahlen, damit erreicht man aber nicht wirklich etwas. Ganz im Gegenteil: Man diskreditiert gleichzeitig einen ganzen Berufszweig.

(Beifall von den PIRATEN)

Von Ihnen, Frau Ministerin, werden dennoch gute Impulse gesetzt. Mit dem sogenannten Ausgleichsverfahren haben Sie sanften Druck auf die Pflegeindustrie ausgeübt, damit diese mehr Ausbildungsplätze schafft. Dort hieß es: entweder ausbilden oder zahlen!

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Die ca. 2.000 Auszubildenden mehr im Pflegebereich scheinen Ihnen da durchaus recht zu geben. Auch durch die finanzielle Unterstützung der Fachseminare mit mehr als 40 Millionen € haben Sie einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Allerdings wundere ich mich, dass Sie sich darüber beklagen, dass es für diese Unterstützung keinen guten gesetzlichen Rahmen gebe. Sie sind doch in der Regierung. Lassen Sie uns zusammen an diesem gesetzlichen Rahmen arbeiten! Wir Piraten unterstützen Sie ganz gerne dabei, denn das ist hier wirklich nötig.

Lassen Sie mich wieder auf die eben genannte Großmutter unseres Mitarbeiters zurückkommen. Wegen ihrer zunehmenden Demenz hat sie leider eine Alterspsychose entwickelt. Sie lebt täglich in der Angst vor Pflegern, vor Ärzten, vor Mitbewohnern und inzwischen sogar vor ihrer eigenen Schwiegertochter. Leider wurde es dadurch notwendig, dass Frau Koch vorübergehend in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden musste. Die Zustände in dieser Klinik schienen wirklich erschreckend gewesen zu sein: überfordertes Personal, unterbesetzte Stationen, teilweise werden Patienten auf Betten fixiert in Fluren untergebracht, weil die Psychiatrien einfach maßlos überbelegt sind. Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern werden unter diesen Umständen in einem Raum – man muss es so sagen – zusammengepfercht.

Sicherlich kann man sich an der Stelle damit herausreden, dass die Leute immer älter werden, es immer mehr Fälle von Demenz gibt und deshalb neue Plätze geschaffen werden müssen. Aber den demografischen Wandel gibt es nicht wirklich erst seit gestern. Man hat es einfach verpennt.

Immer wieder gibt die Landesregierung wie im Übrigen auch die Bundesregierung viele Millionen Euro für die Rettung von angeblich systemrelevanten Strukturen wie zum Beispiel Banken aus. Demgegenüber herrschen in der Pflege Tag für Tag Bedingungen, wie ich sie am realen Beispiel von Frau Koch gerade geschildert habe. Sie ist bei weitem kein Einzelfall.

Es ist Zeit zu handeln. Wir werden sehr gerne die Regierung in ihrem guten Bestreben dabei unterstützen, die Situation zu verbessern.

Zum Schluss noch einige Worte an die Pflegerinnen und Pfleger, die tagtäglich mit den Folgen der Gesundheitspolitik auskommen müssen: Nicht nur Banken sind systemrelevant, sondern Sie alle sind systemrelevant! Vielen Dank von dieser Stelle aus für Ihren großartigen Einsatz am Menschen! – Ich danke auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Steffens.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lamla, ich werde Ihnen zum Problem mit der älteren Dame Frau Koch zumindest in einem Punkt vorab schon sagen können, dass wir gerade versuchen, Lösungen zu finden. Wir befinden uns im letzten Prozess der Krankenhausrahmenplanung und hatten gerade die letzte Sitzung des entsprechenden Ausschusses. Es ist klar, dass wir im Bereich der psychiatrischen und der stationären Versorgung in Nordrhein-Westfalen mehr Betten bewilligen wollen und auch müssen. Das Verfahren kann ich gerne noch einmal in Ruhe erklären. Es ist relativ schwierig, weil natürlich zum einen die Kostenträger, also die Kassenseite, nachvollziehbar kein Interesse an einer Ausweitung haben. Zum anderen haben wir in der Vergangenheit einen breiten Diskurs geführt, den wir auch in Zukunft führen müssen, wie wir stationäre Aufenthalte durch andere Strukturen und Konzepte vermeiden können.

Es gibt viele Patienten, die heute in die Psychiatrie stationär eingewiesen und dort untergebracht werden, die mit viel niedrigschwelligeren häuslichen Konzepten versorgt werden könnten. Darüber werden wir im Ausschuss noch intensiv diskutieren.

Ich möchte gerne mit dem Thema „Pflege und Alter“ einsteigen. Einige Vorredner haben schon einiges zum überwältigenden Erfolg bezüglich der Altenpflegeausbildung gesagt. Der einzige, der ein bisschen daran herumkritisiert hat, waren Sie, Herr Preuß. Ich will Ihnen gerne noch einmal erklären, warum die Probleme überhaupt entstanden sind.

Seitdem ich Ministerin bin, habe ich in Nordrhein-Westfalen viele Termine bei stationären, ambulanten Trägern, bei Privaten und freien Wohlfahrtsverbänden gemacht. Denn alle haben mir gesagt, es sei ihr größtes Problem, junge Menschen nicht dazu bewegt zu bekommen, in die Pflege zu gehen. Alle haben gesagt, sie würden darum ringen, Ausbildungskräfte zu bekommen, die sie allerdings nicht bekämen.

Sie wissen, dass auch unter Ihrer Regierung die Altenpflegeausbildung eine freiwillige Leistung des Landes war, also eine Leistung, die nicht mit überplanmäßigen Ausgaben finanziert werden kann, sondern zu der wir nur den von uns realistisch geplanten Haushaltsansatz nutzen können.

Nachdem ich so viele Veranstaltungen hatte, um Menschen zu motivieren, haben wir gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden darüber nachgedacht, wie die Umlage wohl wirken könne. Wir haben uns ein extrem hohes Ziel gesteckt: Wir gehen davon aus, dass wir es mit ganz viel Anstrengung vielleicht schaffen könnten, 1.500 zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen und zu besetzen. Das ist ein Ziel gewesen, von dem mir viele gesagt haben, es sei absolut unrealistisch.

Aber dieses Ziel haben wir weit übertroffen: Wir haben von den Trägern, die alle gesagt haben, es gebe keine Auszubildenden, niemanden, der das machen wolle, plötzlich erfahren, dass sie mehr als 2.100 zusätzliche junge Menschen in der Ausbildung haben, weil wir die Umlage eingeführt haben.

Dass wir – weil es keine Pflichtaufgabe ist – dafür im Haushalt nicht die komplette Summe eingesetzt haben, ja, das war ein Fehler. Aber ich kann nur sagen: Wir haben innerhalb weniger Tage Lösungen für die Fachseminare geschaffen.

Herr Preuß, statt die Größe zu haben und zu sagen, dass es die rot-grüne Landesregierung geschafft hat, statt 32 Millionen € 38,45 Millionen € für die Altenpflege einzusetzen und zusätzlich 2.100 zusätzliche Altenpflegefachkräfte auszubilden, beschweren Sie sich, dass es einen Brief und an der einen oder anderen Stelle Verwirrung gab. Ja, es gab Verwirrung, weil Fachseminare Kurse begonnen hatten, ohne eine Bewilligung zu haben. Auch das ist bedauerlich, war aber nicht unser Verschulden. Ich finde nur, dass wir den Erfolg nicht kleinreden dürfen. Wir sind nämlich das einzige Bundesland, das in der Form einen Zuwachs an Auszubildenden hat und es schafft, endlich ausreichend Pflegefachkräfte auszubilden. Dafür hätte ich auch von Ihnen ein bisschen Anerkennung erwartet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte aber bei der Altenpolitik noch auf einen Punkt eingehen, Herr Preuß. Auch da haben Sie mit Ihrem Redebeitrag schon deutlich gemacht, dass Sie vielleicht in den letzten Jahren die Pflegepolitik in Nordrhein-Westfalen nicht so ganz verfolgt haben. Sie haben doch damals als CDU-Fraktion in der Opposition selber eine Enquetekommission „Zukunft der Pflege“ beantragt. Seitdem diskutieren wir in Nordrhein-Westfalen über Quartierentwicklung. Wenn Sie im Moment im Land Nordrhein-Westfalen zu Veranstaltungen egal welcher Träger gehen, dann werden Sie sehen, dass alle über die Entwicklung von Quartieren reden, aber niemand die Fragen, die Sie gestellt haben, aufwirft, weil sie nicht relevant sind.

Quartiere entwickeln heißt, dass Menschen da, wo sie leben, auch in Zukunft leben bleiben können, wenn sie Unterstützungsbedarfe haben. Das hat weder etwas mit Grundstücken noch mit Grundstückspreisen zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass die ältere Dame – in dem Beispiel eben war es Frau Koch – in ihrer Wohnung, in der sie ein Leben lang gelebt hat, auch alt werden kann. Wir müssen gemeinsam mit den Menschen im Quartier, gemeinsam mit den Strukturen die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen in ihrem Quartier alt werden können.

Sie kennen das Bild: Einen alten Baum verpflanzt man nicht und einen alten Menschen auch nicht. Aber die Rahmenbedingungen in unseren Städten, in unseren Kommunen sind andere. Menschen werden immer noch verpflanzt, weil die Rahmenbedingungen nicht passen. Das müssen wir gemeinsam ändern. Gehen Sie also auch da nicht in Fundamentalopposition, indem Sie sagen: „Alles falsch!“, sondern gestalten Sie vielmehr mit uns gemeinsam den Prozess, weil vor Ort Ihre Menschen, Ihre Kommunen, Ihre Bürgermeister, Ihre Oberbürgermeister den Weg schon längst mit uns gemeinsam gehen. Erkundigen Sie sich! Versuchen Sie, mit uns an einem Strang zu ziehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In der Gesundheitspolitik will ich in Anbetracht der Zeit nicht auf alle Punkte eingehen. Denn über die Krankenhausrahmenplanung werden wir intensiv diskutieren. Sie haben eben erwähnt, dass wir sie endlich vorlegen sollen. Ja, wir haben sie fertig; wir hatten letzte Woche die letzte Sitzung.

Herr Preuß, ja, wir haben als Land die Aufgabe, die Sicherstellung des stationären Sektors zu garantieren. Aber im ambulanten Bereich, den Sie so heftig kritisiert haben, ist die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung Aufgabe der Selbstverwaltung. Die können wir unterstützen. Das tun wir auch mit dem von Ihnen mehrfach zitierten Hausarztprogramm, das wir zu einem Hausarztaktionsprogramm gemacht haben. Wir haben es weiterentwickelt, haben Ärztinnen und Ärzte aus Österreich und anderen Ländern geworben, machen Jobmessen, machen Kooperationen. Wir haben versucht, über den Bundesrat die Zugangsvoraussetzungen bzw. die Studienrahmenbedingungen zu verändern, sodass wir zu mehr Hausärzten im Abschluss kommen.

Wir haben vieles getan. Vor allen Dingen haben wir vom Bund gefordert, dass endlich Schluss damit ist, dass auf der einen Seite die Länder stationär planen und auf der anderen Seite, davon losgelöst, die Selbstverwaltung ambulant plant. Wir wollten endlich verbindlich sektorübergreifend planen können. Das hat aber Ihre Bundesregierung nicht gewollt.

Ihre Vorwürfe, Herr Preuß, dass es irgendwo zu Versorgungsdefiziten im ambulanten Bereich kommt, sind richtig. Aber die Adressatin ist falsch. Richten Sie die Vorwürfe bitte an Herrn Bahr! Er muss den Ländern Rahmenbedingungen ermöglichen, damit sie diese Punkte verbindlich mit den Akteuren regeln können. In Nordrhein-Westfalen haben sich zwar alle Akteure mit uns an den Tisch gesetzt und wollen für die Menschen sektorübergreifend planen, aber letztendlich fehlt ein verbindliches Instrument.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich gehe noch auf zwei Punkte ein, die Frau Schneider angesprochen hat. Ich finde das Signal gut, dass Sie deutlich sagen, Sie wollen den Haushalt, die Politik konstruktiv begleiten. Sie haben eine Reihe von Punkten genannt, die bedeutsam sind und bei denen es in unserer Politik wichtige Ansätze gibt.

Sie haben zwar beklagt, dass wir aus Ihrer Sicht ein bisschen zu viel frauenspezifische Maßnahmen machen, aber in der Gesundheitspolitik ist das aus vielen Gründen immer noch notwendig, egal, ob es früher die Zulassung von Medikamenten war, die nur an Männern erprobt waren, ob es die Symptome beim Herzinfarkt waren, bei denen man immer nur die männlichen kannte. Es gibt vieles, was wir in der frauenspezifischen Gesundheitspolitik nachholen müssen.

Ich finde es aber falsch, die beiden Bereiche gegeneinander auszuspielen. Wir müssen die bestmögliche Gesundheitsversorgung für Männer und die bestmögliche Gesundheitsversorgung für Frauen haben. Es geht nicht um ein Entweder-oder sondern um ein Sowohl-als-auch. Deswegen müssen wir alles, was wir im Gesundheitssystem machen, immer mit dem Genderblick betrachten: Was heißt das für Männer? Was heißt das für Frauen? Dann wird Gesundheitspolitik effektiv. Darin stimmen wir überein.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie das unterstützen wollen, machen Sie doch mal einen konstruktiven Vorschlag, wie wir ergänzend für die Männergesundheit Kompetenzen erwerben und akquirieren können! Ich bin dabei, weil ich glaube, dass wir noch vieles mehr gebrauchen könnten. Wenn das auch noch haushaltstechnisch unterstützt würde, wäre das sehr schön.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Abschließend das Thema „Nichtraucherschutz“, das, nachdem Sie es angesprochen haben, nicht fehlen darf. Frau Schneider, Selbstbestimmung und Nichtraucherschutz sind völlig kompatibel. Nur, wir meinen zwei verschiedene Gruppen von Menschen.

Ich möchte, dass Kinder, dass Menschen, die ihre Gesundheit nicht gefährden wollen, selbstbestimmt in Nordrhein-Westfalen leben können und nicht von Rauchern davon ausgeschlossen werden.

Sie möchten Selbstbestimmung für die Raucher. Selbstbestimmung für die Raucher heißt für mich, sie dürfen sich selbst gefährden. Aber wenn Fremdgefährdung gegeben ist, wenn ein Raucher durch sein Rauchen einen anderen Menschen in seiner Gesundheit gefährdet, hat Selbstbestimmung ihre Grenzen. Also ganz deutlich: Selbstbestimmung für jeden und vor allen Dingen für die, die ihre Gesundheit schützen wollen. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen zum Teilbereich Gesundheit, Pflege und Alter des Einzelplans liegen mir nicht vor.

Wir kommen damit zum

     Teilbereich
Emanzipation

Ich erteile für die CDU-Fraktion Frau Kollegin van Dinther das Wort.

Regina van Dinther (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim vorletzten Einzelplan, der heute beraten wird, muss ich mich der Kritik anschließen, dass es für ein Parlament eigentlich unzumutbar ist, im November den Haushalt für das laufende Jahr zu beraten.

Alle Angebote, miteinander Sparanstrengungen zu machen, wurden ausgeschlagen. Ich frage mich, was Sie nun eigentlich mit Ihrer neuen Mehrheit anfangen wollen. Worauf warten Sie eigentlich? Wer soll denn wohl die Unannehmlichkeiten verkünden, die notwendig sind, um das Ziel der Schuldenbremse zu erreichen?

Meine Damen und Herren, ich habe hier aufmerksam zugehört, und die Arroganz einiger Redner, die ich vernommen habe, wird wohl noch vergehen. Eigentlich wäre Demut und das Bemühen um ein Miteinander angesagt gewesen. Stattdessen haben Sie in diesen Tagen viele Türen zugeschlagen.

Der verabredete Tenor der Reden der Regierungsparteien wird Ihnen – so denke ich – nicht mehr lange Spaß machen.

Wer die ersten Jahre einer Regierungszeit nicht für unangenehme Entscheidungen nutzt, wer die jetzt sprudelnden Steuerquellen auch noch verbraucht und den Schuldenberg anhäuft, der macht Fehler, die später nur durch größeren Verzicht auszugleichen sind.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie ziehen durch das Land, meine Damen und Herren, und erklären den irreführenden Begriff der guten Schulden, der vorsorgenden Investition in Bildung. Doch was machen Sie? – Sie geben das Geld für die Einlösung von Wahlgeschenken aus, das Geld, das wir gar nicht haben. In Bildung investieren Sie nicht.

Schauen wir doch genau hin: Sie entlasten mit ein paar Hundert Millionen Euro Eltern, eher die gut verdienenden, die die Bildungsausgaben für ihre Kinder auch genauso gut steuerlich geltend machen könnten. Da, wo aber das Geld dringend benötigt würde, produzieren Sie Notstand, zum Beispiel an den Hochschulen. Denn dort gibt es ohne Studienbeiträge wesentlich schlechtere Bedingungen. Das Studium wird voller, es wird schlechter, es dauert länger. Hilfen oder besondere Angebote fallen weg. Viele Abiturienten müssen das Land verlassen, und endlose Warteschleifen erwarten sie. Das kostet den Familien und vor allem den jungen Leuten wesentlich mehr, als die nachgelagerten Studienbeiträge abverlangt hätten. Und es trifft in voller Härte die Ärmeren. Denn Studentenwohnen wird teurer, und die BAföG-Anträge werden nur schleppend bearbeitet. Das ist vorsorgende Bildungspolitik? Mehr brauche ich dazu gar nicht zu sagen.

Bei der U3-Betreuung machen Sie dort weiter, wo Sie uns nach zehn rot-grünen Jahren ganze 11.000 Plätze hinterlassen hatten. Jetzt sind wir wieder Schlusslicht aller Bundesländer.

(Zuruf von der SPD: Wo ist denn das Thema „Emanzipation“?)

Fast die Hälfte der Eltern werden ihre Kinder nicht unterbekommen. Diese werden begeistert sein, wenn sie ihre Weiterbeschäftigung aufkündigen müssen.

Meine Damen und Herren, die Erzieherinnen stöhnen unter der Last der zu erwartenden Qualitätseinbrüche.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wo ist das Thema?)

Denn am Ende drohen größere Gruppen und noch mehr Belastung. Schon jetzt ergreifen zu wenige junge Menschen diese Ausbildung. Sie ahnen vermutlich, was auf sie zukommt – vorsorgende Bildungspolitik.

Die inklusive Schule macht allen vor Ort Angst. Zu wenige Antworten auf berechtigte Fragen. Betroffene vermuten eher Einsparungsabsichten als innovative neue Wege, Kindern mit Behinderung bestmögliche Begleitung zu geben.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigen Sie, Frau Abgeordnete, dass ich Sie unterbreche. Aber es gibt …

Regina van Dinther (CDU): Nein, ich möchte im Zusammenhang vortragen.

Meine Damen und Herren, das alles trifft vor allen Dingen Frauen,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Sie haben ja gleich noch Redezeit –, und zwar unorganisierte, eher ruhige, die ihren Unmut nicht so laut artikulieren: Mütter, Arbeitnehmerinnen, Studentinnen, Erzieherinnen, Lehrerinnen, Hochschulfrauen. Daher sagen wir das und stehen wir den Betroffenen zur Seite.

Meine Damen und Herren, auch weitere Wahlgeschenke sind für uns in diesem Haushalt verzichtbar. Im Frauen-Haushalt ist das vor allem die Wiedereinführung der Kompetenzzentren Frau und Beruf. Wir leiden nicht unter fehlenden Beratungseinrichtungen in diesem Land, aber unter der Lösungsabsicht ganz konkreter Benachteiligungen. Wir hatten daher kommunale Projekte zur Förderung von Frauen mit Migrationsgeschichte gefördert. Wer diese Frauen stark macht, der spart viel Geld an anderen Stellen und ermöglicht bessere Aufstiegschancen ganzer Familien.

Wir brauchen auch eine bessere Berufs- und Studienorientierung an der Bildungseinrichtung, an der die Mädchen in der Überzahl sind, unseren Gymnasien. Hier werden die Weichen für erfolgreiche Zukunftsentwicklungen der Mädchen gestellt.

Die Arbeitsagenturen stellen ihre Arbeit spürbar um. Von der Mangelverwaltung im Jobangebot laufen wir in eine Zeit hinein, in der Arbeitskräfte Mangelware sein werden. Dies ist die richtige Stelle, um strategisch die Frauen besser in den Fokus zu bringen und Ihnen einen bunten Strauß an Chancen zu eröffnen.

Die Frauen werden zu den Gewinnerinnen der neuen Zeit werden. Kompetenzzentren werden da nur wenig machen. Wir haben dafür Kammern, Innungen, Verbände, Arbeitsagenturen. Lassen wir diese doch einfach ihren Job machen, und begleiten wir diese. Ebenen haben wir genug.

Deutlich machen möchte ich die Bereitschaft der CDU, das große Kapitel der Gewalt im Konsens zu bearbeiten. Wir sind froh darüber, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine flächendeckende Versorgung mit Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen haben, dass im Gewaltschutzgesetz sichergestellt ist, dass Polizei und Behörden bei häuslicher Gewalt einschreiten müssen, und dass das Instrument der Wohnungsverweisung endlich auch die trifft, von denen die Gewalt ausgeht.

Meine Fraktion bedankt sich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, der Sozialämter und der Polizei, bei vielen ehrenamtlichen Helferinnen, die vor Ort eine bedrückende Arbeit tun müssen. Auch hier finanziell Farbe zu bekennen, halten wir für richtig.

Ich bekenne mich auch ausdrücklich zu der Verpflichtung der Politik, meine Damen und Herren, aber auch der Gesellschaft, zu einem diskriminierungsfreien Umgang mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Transgender zu kommen. Aus politischer Vernunft …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Regina van Dinther (CDU): Nein, ich habe vier Minuten.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Leider wird durch ein technisches Versehen die Redezeit falsch angezeigt. Aber wie Sie sich erinnern werden, haben die Fraktionen gemeinsam fünf Minuten Redezeit verabredet.

Regina van Dinther (CDU): Okay. – Aus politischer Vernunft und christlicher Überzeugung werde ich mich daher dafür einsetzen, dass Gottes bunte Schöpfung auch in unterschiedlicher sexueller Orientierung geachtet wird.

In unserem Land muss Unrecht gegenüber so betroffenen Menschen, entspringend einem menschenverachtenden totalitären Regime, als solches auch benannt werden.

Ich sage dies wohl wissend, dass es noch ein weiter Weg sein wird und dass sich viele Bürgerinnen und Bürger und auch Politiker schwer tun werden, mit den Veränderungen umzugehen, die sich da ergeben müssen.

Wenn wir aber gemeinsam auf die Menschenwürde, auf den Rechtsstaat stolz sind, die wir in unserem Land ja garantieren und die wir im Grundgesetz und in der Landesverfassung auch festgeschrieben haben, dann lassen sich all diese Fragen lösen und auch die Veränderungen tragen.

Meine Damen und Herren, kurzum: Es gibt noch viel zu tun.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Abgeordnete, es tut mir leid, aber Sie müssen jetzt bitte zum Ende kommen.

Regina van Dinther (CDU): Ich komme zum Schluss: Wir lehnen den Haushalt aus den genannten Gründen ab, sind aber bereit, uns der Diskussion um viele Politikfelder zu stellen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Kieninger das Wort.

Gerda Kieninger (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau van Dinther, wenn Sie sich auf den Einzelplan 15 Kapitel 15 035 konzentriert hätten, wären Sie sicherlich mit Ihrer Redezeit sehr gut ausgekommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte mich ganz herzlich bedanken für Ihr Angebot, im Bereich Gewalt gegen Frauen konstruktiv mitzuarbeiten. Ich glaube, das sollten wir alle gemeinsam tun. Denn das ist ganz wichtig.

Die rot-grüne Koalition hat bereits mit dem Haushalt 2011 die Schwerpunkte für die Arbeit im Bereich Frauen, Gleichstellung und Emanzipation gesetzt.

Wir haben die zweite Fachstelle in den Frauenhäusern wieder eingerichtet, ein ganz, ganz wichtiger Bereich, damit die Beratung stimmt.

Wir haben die in fünf Jahren überrollten Bereiche der Beratungsstruktur für Frauen und Mädchen wieder finanziell aufgestockt. Wir sind froh, dass wir im 12er-Haushalt dieses auch wieder alles geschrieben sehen.

Aber einen Punkt möchte ich an dieser Stelle auch noch loswerden, Frau van Dinther. Sie sprachen davon, dass der Haushalt jetzt erst verabschiedet wird. Ja, das ist richtig. Hätten wir ihn eher verabschiedet, wären Sie gar nicht dabei gewesen – das muss man an dieser Stelle auch feststellen –,

(Beifall von der SPD)

wie viele andere auch hier im Hause, die das heute und gestern immer wieder bemängelt haben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wir hätten das alles schon im März verabschieden können!)

– So ist es, Frau Beer. Wir hätten es im März machen können. Aber da waren Sie nicht dazu bereit, andere auch nicht. Von daher sind wir jetzt an dieser Stelle angelangt.

Wir konnten gestern der „Westfälischen Rundschau“ entnehmen, dass in vielen Bereichen der Frauenhäuser auch heute noch Platzmangel herrscht. Wir müssen also zusehen, dass wir da Abhilfe schaffen, damit jede Frau, die es braucht, auch einen Platz im Frauenhaus bekommt.

Deswegen bin ich froh, dass die Landesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, mit dem der Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus überprüft und geschaut werden soll, wie man dieses letztendlich umsetzen kann.

Wir haben die 2006 abgeschafften Regionalstellen Frau und Beruf in neuer Form als Kompetenzzentren in 16 Arbeitsmarktregionen des Landes wieder auf den Weg gebracht. Ziel ist es, neue Zugänge zum Arbeitsmarkt zu schaffen, Gründerinnen zu unterstützen, Hemmnisse beim Berufseinstieg zu reduzieren und Berufsorientierung zu unterstützen.

Vor allen Dingen ist eines ganz wichtig, nämlich die Vernetzung. Die Vernetzung wollte die gelb-schwarze Landesregierung nämlich nicht, als sie die Regionalstellen abgeschafft hat. Sie wollte nicht, dass im Land miteinander gearbeitet wird, dass alle von den besten Projekten profitieren können. Nein, sie wollte einzelne Projekte und möglichst geheim, damit man sie nicht flächendeckend über das Land ziehen konnte. Das war der Unterschied zu den Kompetenzzentren, die wir jetzt einrichten.

Wir sind froh, dass wir dies tun. Denn damit machen wir deutlich, dass wir die Probleme angehen.

Ein Problem ist beispielsweise Entgeltungleichheit. Auch wenn jetzt der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen von 23 % auf 22 % gesunken ist, haben wir immer noch viel zu tun. Denn wenn dieser Unterschied jährlich um 1 % sinkt, müssen wir noch 22 Jahre warten. Dazu bin ich nicht bereit.

(Beifall von der SPD)

Sie haben richtigerweise das Thema „Fachkräftemangel“ angesprochen. Ja, auch da müssen wir eingreifen. Das ist richtig. Das ist eine Chance für Frauen. Aber wir müssen dabei auch die Chance nutzen, dass sich etwas verändert, nämlich dass wir auch familiengerechte Arbeitszeitmodelle haben. Dafür sorgen die Kompetenzzentren.

Frauen in Führungspositionen: Ich bin froh, dass wir jetzt eine Bundesratsentscheidung haben, auch wenn ich es lieber gesehen hätte, dass wir den nordrhein-westfälischen Vorschlag genommen hätten. Jetzt haben wir den aus Hamburg. Ich bin sehr gespannt, wie das letztendlich umgesetzt wird, da wir ja schon sofort nach dem Beschluss hörten, dass CDU und FDP dieses eigentlich gar nicht umsetzen wollen, was da im Bundesrat beschlossen wurde.

Stattdessen wird jetzt eine Herdprämie eingeführt, damit man Frauen daran hindert, frühzeitig wieder in den Beruf zu gehen.

Noch schlimmer ist: Bei den Minijobs wird die Grenze von 400 auf 450 € erhöht, um Frauen davon abzuhalten, auf den Arbeitsmarkt zu kommen.

Im Bereich LSBTTI haben wir den Ansatz um 200.000 € erhöht.

Wir haben den Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und gegen Homophobie und Transphobie auf den Weg gebracht. Das ist eine Querschnittsaufgabe und muss in allen Häusern mit bearbeitet werden. Unter dem Motto „Nur Respekt Wirkt“ haben wir eine Akzeptanzkampagne auf den Weg gebracht.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Einzelplan 15 im Bereich Frauen, Gleichstellung und Emanzipation beträgt ganz genau 0,5 Promille des Gesamthaushaltes. 0,5 Promille! Ich finde, dieses Thema sollte uns allen diese 0,5 Promille Wert sein. Ich glaube, an der Stelle gibt es auch nichts mehr zu kürzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Jetzt spricht zu uns für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum vorliegenden Einzelplan 15, Teilbereich Emanzipation, müssen wir gar nicht viel sagen. Viel hat sich gegenüber dem vergangenen Haushaltsjahr nicht geändert. Man könnte auch von altem Wein in neuen Schläuchen sprechen. Das zeigt sich nicht nur in den neuen Haushaltszahlen, sondern auch, Frau Ministerin Steffens, wenn Sie sich einmal die Ergebnisse Ihrer Politik des vergangenen Jahres ansehen. Ganze Mittelpakete wurden bis ins Frühjahr dieses Jahres gar nicht oder nur in Teilbereichen abgerufen. Ich möchte nur auf die Mittel für die vierte Frauenhausstelle oder den Etat für Täterarbeit hinweisen. Die Entwicklung hier werden wir gerade vor dem Hintergrund der neuen Zahlen zum Themenbereich „Häusliche Gewalt“ regelmäßig bei Ihnen abfragen und beobachten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was zeigt diese Erkenntnis auch im Nachhinein? Es reicht nicht aus, einfach nur mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Ein Mehr an Geld ersetzt kein Konzept.

(Beifall von der FDP)

Frau Ministerin Steffens, diese Konzeptlosigkeit zieht sich anscheinend durch Ihre ganze Politik.

(Beifall von der FDP)

Das zeigt sich – um noch ein weiteres Beispiel aufzuführen – ganz deutlich im Bereich des sogenannten „Kompetenzzentrum Frau und Beruf“. Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass die FDP-Fraktion diesen Mittelansatz, der im Grunde nichts anderes ist als eine Regionalstelle Reloaded in der Version 2.0, nach wie vor ablehnt.

(Beifall von der FDP)

Aber was haben Sie sich verbal ins Zeug gelegt, und wie schnell wollten Sie all die so dringend erforderlichen Einrichtungen entstehen lassen! Passiert ist erst einmal wenig.

Sie haben versucht, zu erklären, warum das alles doch nicht so schnell über die Bühne gehen konnte. Es war auch in Ordnung, dass sie wenigstens daran gedacht haben, dass man solche Pläne rechtmäßig und nachhaltig umsetzen sollte. Aber mit Verlaub, Frau Ministerin, wenn Sie eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion nach der Effektivität ihrer Programme damit beantworten, dass Kompetenzzentren von den Frauen nicht besucht werden und man deswegen nicht sagen könne, wie vielen Frauen hierdurch geholfen wurde, zeigt mir das allerdings, dass Sie sich wenig Gedanken um den tatsächlichen Nutzen dieser Einrichtung machen.

(Beifall von der FDP)

Natürlich haben Sie – das ist uns schon klar – hier keine Direktberatungsangebote geschaffen. Wir erwarten aber von der Landesregierung bzw. von Ihnen, dass Sie die Effektivität Ihrer Projekte sinnvoll und transparent aufschlüsseln. Sie erfreuen sich anscheinend aber nur an Ihrer neuen Einrichtung. Rückmeldungen zur Effizienz von außen – beispielsweise aus den Unternehmen, die durch die Kompetenzzentren angesprochen werden sollten – scheinen Sie überhaupt nicht zu interessieren. Oder vielleicht sind sie auch gar nicht gewünscht.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, sicherlich ist der kleine Emanzipationsetat nicht dazu geeignet, große Konsolidierungssprünge zu machen. Das bestreiten wir auch gar nicht. Wenn man aber nur wenig Geld zur Verfügung hat, muss man zusehen, dass man das Wenige effektiv einsetzt.

(Beifall von der FDP)

Gerade wenn wir den Blick auf die Kompetenzzentren richten, hätten wir uns einen sinnvolleren Mittel­einsatz bzw. -ansatz vorstellen können. Wir haben uns unlängst darauf verständigt, gemeinsame Lösungswege im Bereich „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ zu erarbeiten. Das war ein notwendiger, ein wichtiger Schritt zur Erarbeitung zielführender Konzepte. Hier werden wir für die Umsetzung der Arbeitsergebnisse Gelder benötigen – Gelder, die jetzt durch den Aufbau unnötiger Doppelstrukturen und Verteilmechanismen nach dem Gießkannenprinzip verschwendet werden.

(Beifall von der FDP)

Nutzen Sie die Mittel lieber dort, wo es wirklich brennt, mit sinnvollen Konzepten. Dann hat auch die FDP kein Problem mit diesem Haushalt. So wie er hier vorliegt – ideologiegetrieben, dafür konzeptlos, ziellos und planlos –, können wir ihm nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. Ich wollte Sie noch fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kieninger zulassen wollen; aber Sie waren zu schnell für mich. Vielleicht können die beiden Kolleginnen das noch bilateral nacharbeiten. – Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Paul das Wort. Bitte schön.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau van Dinther, Ihr Beitrag stand wohl unter dem Motto „Frauen sind Menschen, die vom Haushalt auch betroffen sind“.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist auffallend richtig – allerdings war es am Thema auch relativ vorbei.

Ich möchte zunächst einmal mit der Feststellung beginnen, dass der Haushaltsansatz im Bereich Emanzipation gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben ist. Das mag jetzt nicht so wahnsinnig innovativ klingen, ist aber aus dem Grund erwähnenswert, weil sich auch in diesem Haushaltsentwurf widerspiegelt – Sie werden gleich noch an einigen Beispielen sehen, was ich damit genauer meine –, dass die rot-grüne Landesregierung dem Bereich Emanzipation die Bedeutung wiedergegeben hat, die ihm zusteht. Das hat sie auch mit finanziellen Mitteln hinterlegt. Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die dies belegen. Ich möchte aber nur ein paar Beispiele aufgreifen.

Erstens. Rot-Grün setzt sich konsequent für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein. Bereits 2010 haben wir deshalb die von Schwarz-Gelb gestrichene vierte Frauenhausstelle wieder eingesetzt; denn leider sind der Schutz und die sichere Zufluchtsmöglichkeit für von Gewalt betroffenen Frauen und ihrer Kinder auch heute noch immer eine dringende Notwendigkeit.

Trotz angespannter Haushaltslage ist dieser Schutz aus unserer Sicht eine gesellschaftliche Pflichtaufgabe. Wir haben eine Verantwortung für diese Frauen, der wir perspektivisch auch darüber gerecht werden wollen, dass wir eine verlässliche und rechtssichere Finanzierungsstruktur für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen schaffen wollen.

Zweitens. Auch bei den „Kompetenzzentren Frau und Beruf“ haben wir in etwas veränderter Form eine Struktur wiederbelebt, die durch die Vorgängerregierung ersatzlos gestrichen worden war. Auch wenn sich Frau Schneider an dieser Stelle als durchaus beratungsresistent erweist, will ich noch einmal darauf eingehen. Im Fokus der Kompetenzzentren steht nicht die individuelle Beratung, sondern die Beratung der Unternehmen und der Strukturen vor Ort. Mittlerweile – um Ihren Bedenken Rechnung zu tragen, dass das Geld gar nicht verausgabt wird – konnte ein Großteil der Kompetenzzentren in nahezu allen Arbeitsmarktregionen NRWs erfolgreich gestaltet werden.

Ich gebe Ihnen noch einen kleinen Reisetipp mit auf den Weg: Fahren Sie doch einmal in meine Heimatstadt Münster und informieren Sie sich dort über die fruchtbare Zusammenarbeit der Kompetenzzentren beispielsweise mit den Kammern, die sie übrigens auch durch die dunkle Zeit der landespolitischen Ignoranz hindurch mit großem Engagement getragen haben. Dort haben Sie diese Strukturen aufrechterhalten. Unterhalten Sie sich einmal mit diesen Frauen! Dann wird Ihnen vielleicht auch klar, wofür wir diese Struktur brauchen und warum diese Strukturen erfolgreich arbeiten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Drittens – das ist in der Erarbeitung zwar weniger haushaltsrelevant, dafür politisch umso wichtiger –: die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes, LGG. Damit Nordrhein-Westfalen auch im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern eine Vorreiterrolle einnimmt, brauchen wir novelliertes LGG. Im Detail werden wir das hier noch öfter diskutieren und beraten. Deswegen gehe ich darauf jetzt nicht weiter ein.

(Ralf Witzel [FDP]: Das führt dann wahrscheinlich zu noch mehr Quoten und individueller Ungleichbehandlung!)

Viertens. Dass Gesundheit und Krankheit auch eine Geschlechterdimension haben, ist für diejenigen, die sich damit beschäftigten, nichts Neues. Im vorangegangenen Teil ist das schon angeklungen. Trotzdem stehen wir bei der grundsätzlichen und durchgängigen Verankerung der Geschlechterperspektive im Gesundheitsbereich noch am Anfang.

Nicht zuletzt soll hier die Einrichtung des Kompetenzzentrums „Frauen und Gesundheit NRW“ einen Beitrag leisten. Etatisiert ist dieses Kompetenzzentrum zwar im Gesundheitsbereich; es soll hier aber trotzdem Erwähnung finden, weil sich Emanzipationspolitik eben nicht auf einen einzelnen Haushaltsbereich beschränken lässt.

Fünftens. Und das gilt auch – und damit komme ich zu meinem letzten Punkt – selbstverständlich für den Bereich LSBTTI. Mit dem Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie sind wir einen wichtigen Schritt zu mehr Akzeptanz unterschiedlicher sexueller und geschlechtlicher Identitäten gegangen. Dabei ist vor dem Hintergrund knapper Kassen klar, dass wir die dort niedergelegten Maßnahmen, die allesamt richtig und wichtig sind, nur Schritt für Schritt werden umsetzen können.

Einige wichtige Projekte haben wir allerdings auch schon auf den Weg gebracht. Als Beispiel will ich hier die Kampagne „anders und gleich – Nur Respekt Wirkt“ oder aber die Unterstützung so wichtiger und erfolgreicher Projekte wie „SchLAu“ oder „Schule ohne Homophobie“ nennen.

Auch für diesen Bereich lässt sich deutlich machen, dass die Landesregierung den Begriff Querschnittsthema nicht quasi als kleines Feigenblatt benutzt, um große Sonntagsreden zu schwingen, und am Ende gar in den Bereichen nichts zu tun, sondern diesen Bereich, die Querschnittsthemen, die Sie sich vorgenommen hat, auch mit Leben füllt. Ob in den Bereichen Schule, Jugend, Integration oder eben auch im Emanzipationsministerium: Hier werden für eine offene, bunte und vielfältige Gesellschaft alle Anstrengungen unternommen. Im Aktionsplan wird diesem Anspruch mit konkreten Projekten und auch mit den dafür nötigen Mitteln Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren, Emanzipation ist kein Selbstläufer. Sie will getragen und gestaltet, aber auch finanziert werden. Dass dies auch in finanziell weniger üppigen Zeiten möglich ist – wenn man will und wenn man weiß, wie man seine Prioritäten setzen möchte –, zeigt dieser Haushaltsentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die Piratenfraktion erteile ich nunmehr Frau Kollegin Rydlewski das Wort.

Birgit Rydlewski (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Konfuzius hat einmal gesagt: Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu machen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir hier miteinander Pläne machen können. Denn die wesentlichen politischen Vorhaben der Landesregierung im Bereich Frauen und Gleichstellungspolitik kann ich so unterschreiben.

Es ging an vielen Stellen hier um selbstbestimmtes Leben zum Beispiel im Bereich Kultur. Erst recht gilt das, was für Kultur gilt, auch bei der Selbstbestimmung der geschlechtlichen und sexuellen Identität und Orientierung. Selbstbestimmung bedeutet für uns in diesem Zusammenhang, dass wir fremdbestimmte Zuordnungen zu einem Geschlecht oder zu Geschlechterrollen ablehnen, zum Beispiel wenn staatliche Behörden Menschen durch die Feststellung des Merkmals Geschlechts in Schubladen stecken.

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Geschlechterrolle, der sexuellen Identität oder Orientierung ist Unrecht. Gesellschaftsstrukturen, die sich aus Geschlechterrollenbildern ergeben, werden dem Individuum nicht gerecht und müssen überwunden werden. Geschlechtliche oder sexuelle Orientierung dürfen nicht als Krankheit oder Perversion eingestuft werden. Einzig das Strafrecht setzt hier gesellschaftlich anerkannte Grenzen.

In vielen Ländern der Welt werden Menschen wegen ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität diskriminiert oder kriminalisiert. Wenn solche Verfolgung im Herkunftsland von staatlicher oder nicht staatlicher Seite betrieben wird, muss sie als Asylgrund anerkannt werden.

Selbstbestimmung ist uns auch dann wichtig, wenn es um Formen des menschlichen Zusammenlebens geht. Wir Piraten bekennen uns zum Pluralismus des Zusammenlebens. Dieser Pluralismus ist für viele Menschen längst Bestandteil ihres Lebens. Es wäre schön, wenn auch Politik endlich dieser Vielfalt der Lebensstile gerecht werden würde und eine wirklich freie Entscheidung für die individuell gewünschte Form des Zusammenlebens ermöglicht.

Die Piraten setzen sich deshalb für die vollständige rechtliche Gleichstellung von Ehe und eingetragener Partnerschaft ein. Dabei ist die eingetragene Partnerschaft für alle Formen der Partnerschaft zu öffnen.

Ich darf noch einmal das Ministerium zitieren, genauer gesagt, den „NRW-Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“:

„Erklärtes Ziel ist es deshalb, Diskriminierung zu bekämpfen und Wertschätzung zu schaffen, um damit den Grundstein für eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe der unterschiedlichen Lebensweisen und Formen zu legen.“

Das klingt fast „piratig“. Wir haben daher auch positiv zur Kenntnis genommen, dass die Mittel zur Förderung der Politik für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Transgender in der Titelgruppe 75 im Haushaltsjahr 2011 gegenüber dem Vorjahr um 210.000 € auf 863.400 € aufgestockt wurden und der Haushaltsentwurf der Landesregierung für das Haushaltsjahr 2012, der nun auch Intersexuelle nennt, eine Förderung in gleicher Höhe vorsieht. Das ist aus unserer Sicht zumindest schon einmal der richtige Weg.

Um zum Ausgangszitat zurückzukommen: Ich glaube, dass wir uns über das Grundsätzliche einig sind. Deswegen sind wir gerne bereit, gemeinsam weitere Pläne zu machen. Ich hoffe, dass wir dabei auch über piratische Forderungen Einigkeit erzielen, die über die Ziele der Landesregierung hinausgehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Steffens das Wort.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Erstes ganz herzlichen Dank für das Angebot der Piraten. Ich glaube schon, dass es, wenn es eine grundsätzliche Einigkeit gibt, wirklich Sinn macht, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, zumal die Aufgaben, die wir im Bereich Emanzipation vor uns haben, keine kleinen Aufgaben sind, insbesondere wenn wir uns den Gewaltschutzbereich angucken, wo sie massiv sind. Wir haben gerade eben gesehen, dass es hier im Plenum nicht unbedingt Einigkeit in aller Breite gibt.

Vorab noch eine Bemerkung: Frau van Dinther, ich fand es ein Stück weit erschreckend, was Sie am Anfang Ihrer Rede gesagt haben, auch wenn es gar nicht um die Frauenpolitik ging. Sie haben nämlich einen ganz entscheidenden Satz gesagt: In den ersten Jahren müsse man die unangenehmen Entscheidungen treffen – nicht am Ende der Legislaturperiode.

Ich glaube: Wenn man politische Verantwortung hat, muss man immer, wenn es ansteht, unangenehme Entscheidungen treffen. Was Sie eben gesagt haben, ist genau das, was Sie unter Schwarz-Gelb gemacht haben: Sie haben am Anfang massiv gekürzt und am Ende Geschenke verteilt. Wir aber wollen eine durchgängige konsistente Politik über alle Jahre machen

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

und nicht kurzfristig nach den potenziellen Wählerinnen und Wählern.

(Ralf Witzel [FDP]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Es gibt einen zweiten Punkt, den ich ganz wichtig finde. Darüber sollten wir noch einmal ganz intensiv reden. Ich spreche vom Irrglauben in diesem Raum bezüglich der Frage, was die Kompetenzzentren „Frau und Beruf“ eigentlich sollen. Das ist bei der FDP der Fall, wo nach wie vor die Einzelberatung immer noch im Hintergrund steht. Denn sonst, Frau Schneider, hätten Sie nicht immer wieder sowohl in der Kleinen Anfrage als auch heute zu den Einzelfallberatungen gefragt, wie viele Frauen diese erreichen.

Sie wissen doch: Wenn man Strukturen verändern will, hat man keine messbare Größe, wie viele Frauen das unmittelbar und direkt erreicht. Wenn man in die Strukturen geht, weiß man, dass man Veränderungen bewirkt, dass man Unternehmen verändert und dass man den Gedanken, wie Frauen wieder oder neu in den Beruf integriert werden können, verändert. Sie ersehen daran, dass wir jetzt bei den Kompetenzzentren ganz unterschiedliche Konstrukte haben: mit Kammern, mit Innungen.

Das ist nämlich gerade nicht unser Konzept, wie es Frau van Dinther eben wieder meinte, dass wir ein Nebeneinander von Beratungsstrukturen haben. Nein, wir haben ein Vernetzen der bestehenden Strukturen, und wir erleben in Nordrhein-Westfalen ganz deutlich, dass diejenigen, Frau van Dinther, die Beratungen im Einzelfall machen, sich darüber freuen, dass es die Kompetenzzentren gibt. Sie rufen sie ab, um effizienter in ihrer Arbeit zu werden. Aber auch unter Schwarz-Gelb hatten Sie nicht verstanden, welche Ziele wir haben.

Ich freue mich trotzdem darüber, dass es heute auch das Angebot der CDU gab, bezüglich der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Nordrhein-Westfalen zumindest zu versuchen, an einem Strang zu ziehen. Wir wissen, dass unter Schwarz-Gelb die zweite Fachkraftstelle für Frauenhäuser abgebaut worden ist. Wir mussten wieder das Geld in die Hand nehmen, um Frauen, die von Gewalt betroffen sind, zu helfen. Darüber hatten wir in der Vergangenheit keinen Konsens.

Wenn wir aber im zweiten Bereich der Prävention über die Unterbringung hinaus, bei der es wahrscheinlich auch weiterhin Dissens geben wird, einen Konsens hinbekommen und sich auch die CDU-Fraktion an unserem Landesaktionsplan gegen Gewalt beteiligen will, würde ich mich sehr darüber freuen. Denn es gibt viele Aufgaben, die wir in Nordrhein-Westfalen nicht allein lösen können. Zum Beispiel wäre die Frage, ob wir eine gesetzliche Finanzierungsregel für die Frauenhäuser bekommen, viel besser gemeinsam auf Bundesebene zu lösen. Ich freue mich sehr, wenn Sie uns dabei unterstützen. Denn wir können effizienter und effektiver sein, wenn wir geschlossen als gesamtes Parlament auf den Bund und die Bundesregierung an entsprechender Stelle Einfluss nehmen.

Ich möchte aber auch neben dem Gewaltschutz und der Integration von Frauen ins Berufsleben auf den dritten wesentlichen Bereich eingehen, den auch heute die eine oder andere Rednerin angesprochen hat, nämlich den Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie.

In Nordrhein-Westfalen ist es ein einmaliger Prozess, dass wir gemeinsam mit sämtlichen Akteurinnen und Akteuren, also mit denjenigen in NGOs, die seit Jahren die Arbeit machen und in der Vergangenheit immer wieder unter Nichtfinanzierung, Nichtbeachtung und Nichtakzeptanz gelitten haben, diesen Aktionsplan aufgestellt haben.

Ich würde mich freuen, wenn die Umsetzung wirklich gemeinsam geschieht, wie es eben angeklungen ist, wenn es in alle Kommunen heruntergebrochen und an allen Stellen durchgetragen wird. Denn wir wissen, dass die Homo- und Transphobie, die in Nordrhein-Westfalen nach wie vor besteht, nicht einfach nur durch einen Haushaltsansatz zu bekämpfen ist, sondern dass Menschen das wirklich aus Überzeugung vor Ort tragen müssen.

Ich freue mich sehr, Frau van Dinther, wenn Ihre Fraktion das auch mittragen würde. Dann können wir es schaffen, die Stimmung in Nordrhein-Westfalen zu verändern. Dann würde der Aktionsplan auch wirklich tragen. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Da zu diesem Teilbereich des Einzelplans keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, schließe ich die Beratungen zum Einzelplan 15.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1215, den Einzelplan 15 unverändert anzunehmen. Ich darf fragen, wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit stelle ich fest, dass die Beschlussempfehlung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU und FDP bei Enthaltung der Piratenfraktion angenommen ist. Damit ist der Einzelplan 15 verabschiedet.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Beratung von

     Einzelplan 09
Ministerium für Bauen, Wohnen,    
Stadtentwicklung und Verkehr

Dieser Einzelplan ist in die Teilbereiche „Bauen und Wohnen“ sowie „Stadtentwicklung und Verkehr“ unterteilt.

Ich weise hin auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1209 und eröffne die Beratung zum

     Teilbereich
Bauen und Wohnen

Ich erteile als erstem Redner Herrn Kollegen Voussem von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Klaus Voussem (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Haushaltsjahr ist zu fünf Sechsteln vorbei. Damit haben die Beratungen der letzten beiden Tage – das ist bereits mehrfach gesagt worden – allenfalls noch historischen Charakter. Wichtige und notwendige Veränderungen an diesem Entwurf können überhaupt keine Wirkung mehr entfalten.

Lassen Sie mich gleichwohl einen grundsätzlicheren Blick auf die Bau- und Wohnraumpolitik der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen werfen. Rot-Grün hat geradezu einen pathologischen Drang, alle Maßnahmen der CDU-geführten Vorgängerregierung rückgängig zu machen. Beim sozialen Wohnungsbau, sehr geehrter Herr Minister Groschek, hat Ihr Vorgänger im Amt den Rückfall in alte sozialdemokratische Förderpolitik organisiert. Er hat den Kahlschlag der Eigentumsförderung vollzogen. Statt 400 Millionen € im Jahr 2010 stehen im Haushalt 2012 nur noch 200 Millionen € für zinsgünstige Darlehen zur Verfügung.

(Zuruf von der SPD: Genau richtig!)

Vor allem jungen Familien mit Kindern wird so der Bau und Erwerb der eigenen vier Wände erschwert.

(Beifall von der CDU)

Im Januar 2012 hat die Landesregierung dann noch ein weiteres überflüssiges Relikt aus der sozialistischen Mottenkiste hervorgeholt,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

die Kündigungssperrfristverordnung. Die CDU-geführte Vorgängerregierung hatte diese richtigerweise 2006 außer Kraft gesetzt, denn die Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen ist bundesgesetzlich im BGB geregelt. Deshalb gibt es in Nordrhein-Westfalen überhaupt keinen Grund für eine darüber hinausgehende Regelung. Die Kündigungssperrfrist wird nun in bestimmten Kommunen in Nordrhein-Westfalen auf bis zu 8 Jahre ausgedehnt. Wer, meine sehr geehrten Damen und Herren, wagt es denn noch, unter solchen Bedingungen für die eigene Nutzung eine vermietete Wohnung oder ein Haus zu kaufen?

Viel sinnvoller wäre es, wenn Sie, Herr Minister Groschek, eine vernünftige Wohnraumförderpolitik vorlegen könnten. Allerdings lässt das, was man über ihre Planungen hört, Schlimmstes befürchten.

Ein weiteres Beispiel für die rückwärtsorientierte Politik der Minderheitsregierung war das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen. Mit diesem unsinnigen Gesetz wurden zwei schon überwunden geglaubte Instrumente wieder neu geregelt. Erstens das Zweckentfremdungsgebot und zweitens die striktere Regelung der Überlassung von öffentlich geförderten Mietwohnungen an Berechtigte.

Die damalige CDU/FDP-Regierung hatte diese Vorschriften bewusst aufgegeben, erstens um Bewegung in den Wohnungsmarkt zu bekommen und zweitens um der Verwahrlosung von Wohngebäuden in Zentrumsnähe entgegenzuwirken. Diese Wiedereinführung war nicht nur überflüssig, für die örtliche Wohnraumversorgung war sie sogar schädlich. Aber vielleicht werden Sie, Herr Minister Groschek, als neuer Ressortchef andere Akzente setzen. Die CDU würde das jedenfalls begrüßen; wir würden Sie dabei auch unterstützen.

Aber man würde dieser Landesregierung nicht gerecht, meine Damen und Herren, wenn man Ihre Wohnungs- und Baupolitik nur als rückwärtsgewandt bezeichnen würde. Einen weiteren Kritikpunkt der Vergangenheit müssen Sie sich ebenfalls zu Herzen nehmen und die damit verbundenen Widersprüche endlich auflösen. Es sind für das Jahr 2012 wieder lediglich 850 Millionen € im Wohnraumförderungsprogramm vorgesehen.

SPD und Grüne – man erinnere sich – hatten sich als Oppositionsfraktionen sogar für eine gesetzliche Verankerung der Mindestfördersumme von 1 Milliarde € für die soziale Wohnraumförderung ausgesprochen. Unter der CDU-geführten Vorgängerregierung ist demgegenüber zuletzt deutlich über 1 Milliarde € in die Wohnraumförderung investiert worden.

(Jochen Ott [SPD]: Aber zulasten der Zukunft!)

Nun bleiben Sie ebenso wie die Minderheitsregierung weit hinter dieser Fördersumme zurück.

Was hier vorgelegt wird, ist erneut ein eklatanter Widerspruch zu früheren Forderungen von SPD und Grünen. Herr Minister, das ist Ihre Chance, neue Akzente zu setzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Breuer.

Reiner Breuer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Voussem, bei den baupolitischen Nebelkerzen, die Sie hier geschmissen haben, hätten eigentlich die Rauchmelder angehen müssen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Die Rauchmelderpflicht kommt ja bald. Aber es wird sich bis dahin der Nebel verzogen haben, wenn ich hier noch einmal einiges geradegerückt habe. Denn trotz schwieriger Haushaltslage sind wir handlungsfähig, und wir gestalten unsere Kommunen und Regionen. Wir haben keinen Stillstand trotz Schuldenbremse.

Wir gestalten unsere heimatlichen Regionen, die Städte und Gemeinden mit Augenmaß und mit dem Blick auf das Wesentliche. Wir stellen uns den sozialen Schieflagen, dem demografischen Wandel und dem Klimaschutz gleichermaßen. Dabei nutzen wir die Instrumente der Städtebauförderung und sichern trotz rückläufiger Bundesmittel 170 Projekte für eine nachhaltige, soziale und ökologische Entwicklung in unseren Kommunen.

In diesem Jahr werden immerhin über 100 Millionen € Eigenmittel vom Land Nordrhein-Westfalen aufgewendet, um mit Investitionen die kommunale Infrastruktur an den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wandel anzupassen. Dabei leistet die Städtebauförderung ein Vielfaches dessen, was sie kostet. 1 € Städtebauförderung führt bekanntermaßen zu etwa 8 € Investitionen. Die Städtebauförderung nimmt damit auch einen wichtigen Stellenwert für die Bauwirtschaft und das Handwerk vor Ort ein. Sie ist damit zugleich ein langjähriges und bewährtes Instrument zur Förderung der Baukonjunktur.

Besonders wichtig sind für uns die Programmteile „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau West“, die in NRW entwickelt wurden und bundesweit ein Erfolgsrezept zur sozialen Stabilisierung von Quartieren geworden sind.

Wir verstehen die soziale Stadt als eine umfassende Klammer einer vorsorgenden und nachhaltigen Stadtentwicklung. Wir sind uns sicher, dass wir noch stärker darauf achten müssen, dass diese Förderung mit anderen geförderten Maßnahmen insbesondere im sozialen Wohnungsbau verknüpft wird.

Es muss noch stärker eine sozialräumliche Orientierung der Förderung von Maßnahmen stattfinden, und die Besonderheiten eines Quartiers und eines Stadtteiles müssen berücksichtigt werden.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Wir wollen das Ressortdenken aufbrechen und integrierte Planungsansätze umsetzen und in unsere Städtebaupolitik enger einbinden.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Dies machen wir auch schon in der sozialen Wohnraumförderung. Für dieses Jahr werden wir wieder 850 Millionen € bereitstellen. Es geht ja auch nicht um die Höhe der Summe, sondern um die Effizienz des Einsatzes der Mittel, lieber Herr Voussem.

(Beifall von der SPD)

Sie haben in den vergangenen Jahren die Mittel fehlgeleitet. Das, was Sie an Eigentumsförderung geleistet haben, ist nicht effektiv, es ist eine verkappte Eigenheimzulage, die sie hier gegeben haben, ohne Steuerung und mit reinen Mitnahmeeffekten. Das wollten wir beenden und das haben wir beendet.

(Beifall von der SPD)

Wenn die Wohnungsbaumittel nicht sofort vollständig abfließen werden, liegt das sicherlich daran, dass wir eine Niedrigzinsphase haben, die auch noch fortdauern wird.

Zur Verunsicherung der Investoren trägt wahrscheinlich ebenfalls bei, dass die steuerliche Förderung der energetischen Sanierung durch den Bund weiterhin nicht geklärt ist. Solange keine Einigung vorliegt, werden die Eigentümer zurückhaltend bleiben. Auch höhere technische Standards für die energetische Sanierung wirken sicher abschreckend.

Gleichwohl bleiben die Kommunen und die Wohnungswirtschaft besonders in der Verantwortung, sich der Frage des Mangels an bezahlbarem Wohnraum anzunehmen. Neben der ständigen Optimierung von Förderbestimmungen durch das Land müssen auch die Kommunen und die Wohnungsunternehmen sich der Gemeinschaftsaufgabe stellen, mehr bezahlbaren Wohnraum anzubieten. Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten müssen daher auch die Kommunen Wohnbauflächen bereitstellen, sozialen Wohnungsbau von Investoren einfordern und vertraglich oder städtebaulich sichern.

Meine Damen und Herren, um preiswert und auch gut wohnen zu können, müssen wir nicht nur neuen Wohnraum schaffen, sondern auch der kommunalen Wohnungsaufsicht das notwendige Rechtsinstrumentarium an die Hand geben, um dem Zerfall und der Vernachlässigung von bestehendem Wohnraum wirksam entgegentreten zu können. Dies machen wir über die Enquetekommission. Wir haben aber auch schon wirksame Initiativen auf Bundesebene ergriffen.

Die nachhaltige Entwicklung unserer Kommunen und Regionen hat insbesondere durch die Bereitstellung von Zuschüssen und Darlehen aus Mitteln des Städtebaus und der Wohnraumförderung ein solides finanzpolitisches Fundament. Wir werden dieses Fundament erhalten und auf diesem Fundament unsere Politik mit Blick auf die knapper werdenden Mittel effektiver und wirksamer einsetzen müssen. Auch hier werden wir Prioritäten setzen.

Die Landesregierung hat mit ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 auch beim Fachbereich Bauen und Wohnen den richtigen Weg eingeschlagen. Die SPD-Fraktion wird diesen Weg mitgehen. Wir laden Sie herzlich ein, dies ebenfalls zu tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Ellerbrock das Wort.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir sechs Anmerkungen.

Erstens. Herr Groschek, Sie haben einmal deutlich gesagt – dafür gebührt Ihnen mein Respekt –:

„Mein Ressort trägt zudem durch die Mittelabsenkungen in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2016 zu einem wesentlichen Teil zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung des Landes bei.“

Das ist ehrlich. Das verdient Respekt. Wer das so deutlich sagt, kommt unserer Zielrichtung, zu sparen – Stichwort: Senkung der Nettoneuverschuldung –, sehr nahe. Deswegen: Respekt, dass Sie das hier gesagt haben! Was richtig ist, ist richtig – unabhängig von der Farbe.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Zweitens. Wenn man allerdings einen reduzierten Haushalt hat, muss man sich natürlich über Umschichtungen Gedanken machen. Da haben wir sicherlich unterschiedliche Sichtweisen. Der Kollege Voussem hat eben schon darauf hingewiesen, dass gerade bei der Wohnraumförderung unterschiedliche Ansätze bestehen. Die FDP hat zuletzt 1,1 Milliarden € für die Wohnraumförderung bereitgestellt. Dann kam von Ihnen, Herr Ott, der merkwürdige Zwischenruf: Aber zulasten der Zukunft! – Wer jetzt bei sprudelnden Steuerquellen die Nettoneuverschuldung als gute Schulden bezeichnet und 1,1 Milliarden € Wohnraumförderung als „zulasten der Zukunft“ kritisiert, muss sich fragen, wie sein Wertegebäude aufgebaut ist.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Totaler Quatsch! Es ging doch um Eigenheimförderung! Das ist eine völlig unwirtschaftliche Fehlallokation!)

Als Nächstes müssen wir im Auge behalten, dass der Kollege von Grünberg sogar gefordert hat, die 1 Milliarde € gesetzlich festzuschreiben und sie gegebenenfalls mit Haushaltsmitteln aufzustocken. Das ist sicherlich eine Frage, über die man reden kann. Allerdings bezieht sich die Eigentumsförderung vor allen Dingen, wenn ich das richtig verstanden habe, auf kinderreiche Familien:

(Jochen Ott [SPD]: Zu Ihrer Zeit ja nicht!)

Eigentumswohnungen, Eigenheime und Genossenschaftsanteile.

(Jochen Ott [SPD]: Ohne Grenzen!)

– Herr Kollege, wenn Sie etwas erzählen wollen, gehen Sie zu Ihrem Friseur oder gucken Sie zu Hause in den Spiegel. Das ist da besser als hier.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Sie müssen sich schon mit den Fakten auseinandersetzen! Außerdem brauche ich keinen Friseur mehr!)

Drittens. Herr Groschek, wir könnten hier jetzt sagen, dass diese Eigenheim- und Eigentumsförderung auch eine soziale Komponente hat; denn wer in seiner Berufszeit Eigentum schafft – egal ob über Genossenschaftsanteile, Eigentumswohnungen oder Eigenheime –, lebt im Alter in der eigenen Wohnung. Für die Kommunen bedeutet das bei niedrigen Einkommen auch eine Entlastung; denn sie müssen dann gegebenenfalls nur Hilfe zum Lebensunterhalt und keine Mietkostenzuschüsse mehr zahlen.

(Beifall von Bernhard Schemmer [CDU])

Viertens. Ich sehe aber eine sehr große Gefahr darin, dass das Land auseinanderklafft. Sie konzentrieren sich derzeit – kurzfristig durchaus angemessen – auf den Bau von bezahlbaren Wohnungen in den Ballungsgebieten. Im Land sieht das ganz anders aus. In den ländlichen Regionen steht die Eigentumsfrage im Vordergrund. Das muss austariert werden. Unserer Überzeugung nach ist es bei Ihnen nicht hinreichend austariert.

(Beifall von der FDP)

Fünftens. Sie sprechen auch neue Finanzinvestoren bei Problemimmobilien an. – Ja, das ist ein Problem. Deswegen gibt es auch die Enquetekommission. Verwundert hat allerdings, dass Sie, ohne dass wir in der Enquetekommission einen abschließenden Beitrag zu diesen Überlegungen entworfen oder gar verabschiedet hätten, schon eine Bundesratsinitiative eingebracht haben, die darauf abzielt – was meiner Meinung nach vom Inhalt her durchaus vernünftig ist –, dass eine Kommune bei heruntergewirtschaftetem Wohnraum eventuell eine Abrissverfügung durchsetzen kann. Vom Inhalt her können wir gerne darüber reden. Dass Sie so vorgegangen sind, bevor wir in der Enquetekommission in dieser gemeinsamen Zielrichtung etwas gemacht haben, ist aber schade. Das war nicht in Ordnung.

Sechstens. Wir müssen natürlich auch fragen: Wer hat das Problem mitverursacht? – Ich erinnere mich noch gut daran, dass im alten Landtagsgebäude ein SPD-Fraktionsvorsitzender, Friedhelm Farthmann, in Bezug auf die Neue Heimat markante Punkte gesetzt hat, indem er das Verhalten der Neuen Heimat gerade bei solchen Problemimmobilien deutlich gebrandmarkt hat. Dann sind große Teile dieser Wohnungsbestände in kommunalen Besitz übergegangen. Die Kommunen haben sich um die dort vorhandenen Problemimmobilien nicht sehr gekümmert und waren froh, wenn sie sie abstoßen konnten – teilweise auch an ganz windige Unternehmen. Jetzt bitten diese Kommunen das Land um Hilfe beim Rückkauf dieser Immobilien.

Ich glaube, dass das nicht der richtige Weg ist. Denjenigen, der das Ganze mitverursacht hat, sollen wir unterstützen, damit er es dann wieder übernimmt? – Dabei wollen wir nicht mitmachen. Das kann nicht richtig sein.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist auch nicht die richtige Sachdarstellung! – Jochen Ott [SPD]: Ich glaube, Sie haben es einfach nicht verstanden!)

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang will ich noch Folgendes ansprechen: Vor gar nicht langer Zeit hat das Land Nordrhein-Westfalen die LEG verkauft und eine Sozialcharta durchgesetzt, die die Vorgängerregierung nicht durchsetzen konnte. Wie sind wir hier beschimpft worden bis zum Gehtnichtmehr!

(Jochen Ott [SPD]: Das ist legendär!)

Ich glaube, wenn wir bei diesen Problemimmobilien diese Sozialcharta, die wir bei der LEG durchgesetzt haben, hätten und dort durchsetzen könnten, wären wir sehr viel weiter.

(Vereinzelt Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Ich führe Sie mal durch die Siedlung, damit Sie wissen, worüber Sie reden!)

– Ein getroffener Hund bellt.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Ellerbrock, kommen Sie bitte zum Ende. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Holger Ellerbrock (FDP): Danke schön.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist das Problem: Sie reden wie der Blinde von der Farbe!)

– Unter Tierschutzgesichtspunkten möchte ich das Bellen des Hundes auslaufen lassen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Kollegin Schneckenburger.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist schon eine ziemlich erstaunliche Debatte, muss ich sagen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zum einen ist sie das deswegen, weil die Wohnungsbauförderung gar nicht im Landeshaushalt behandelt wird. – Aber gut, Schwamm drüber.

Ich will einmal feststellen, vor allem in Richtung der Herren, die sich hier über die Wohnungsbauförderungspolitik des Landes gerade so intensiv beklagt haben: Wir haben hier einen ausgesprochen ambitionierten Haushalt auf dem Tisch des Hauses liegen, und zwar aus folgendem Grund:

(Lachen von der CDU)

Auf dem Weg der Haushaltskonsolidierung ist es besonders problematisch – Herr Schemmer, hören Sie ruhig mal zu; es geht jetzt um Ihren Herrn Ramses, wie Sie ihn immer so gerne nennen –, dass Ihr Herr Ramses, nämlich Minister Ramsauer im Bund, sich der Finanzierungsverantwortung für die Stadtentwicklung entzieht. Das tut er, das tut der Bund bereits seit zwei Haushalten. Dem müssen Sie sich einfach einmal stellen.

(Bernhard Schemmer [CDU] winkt ab.)

Er bedient sich nämlich eines ganz simplen Tricks. Wie macht man Haushaltskonsolidierung? – Man schiebt die Lasten einfach nach unten. Für die Städtebauförderung heißt das, das auf Bundesebene gekürzt wird, dass Ramsauer gekürzt hat. Das ist unter zwei grundlegenden Aspekten ein erhebliches Problem.

Erstens. Es handelt sich um ein hoch erfolgreiches Programm. Die Städtebauförderung ist eines der Erfolgsprojekte als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Wir brauchen das Programm auch. Es ist gerade der integrierte Ansatz in dem Programm, der seinen Erfolg ausmacht. Gerade da, wo es Stadtteilen schlecht geht, wo Stadtteile Probleme haben, wirkt dieses Programm. Das ist ein Grund, warum man es dringend kompensatorisch in Nordrhein-Westfalen braucht. Wir brauchen es insbesondere in Kommunen mit strukturellen Problemen, die problematische Stadtquartiere haben.

Der zweite Punkt ist die Tatsache, dass die Städtebauförderung ein wirtschaftliches Erfolgsprogramm ist. Jeder Euro, der in der Städtebauförderung ausgegeben wird, zahlt sich mit acht privaten Euro im Grunde genommen wieder zurück; denn jeder öffentliche Euro löst acht Euro privater Investitionen aus. Es ist ein Programm, das einen Selbstzahlungs- und Rückzahlungseffekt über die Steuereinnahmen hat, die dann wieder in die Kasse des Herrn Ramsauer gehen. Es ist also, ehrlich gesagt, eine haushaltspolitische Dummheit, ausgerechnet die Axt an die Städtebauförderung im Bund zu legen, und es ist vor allen Dingen eine volkswirtschaftliche Dummheit.

Ich sage aber auch in aller Deutlichkeit: Es wird als Land gar nicht möglich sein, für alle Ewigkeit die Ausfälle an Bundesmitteln aus eigener Kraft zu stemmen. Der Konsolidierungsdruck in Nordrhein-Westfalen wird es nicht möglich machen, die Fehlentscheidungen auf Bundesebene auszubügeln.

Dann will ich einmal zur Wohnungsbauförderung kommen. Dazu wird hier von Ihnen ein ewiges Theaterstück aufgeführt,

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

immer mit der gleichen Melodie und der gleichen Platte: Geben Sie mehr in die Wohnungsbauförderung, dann kann man mehr Eigenheime bauen, dann geht es Nordrhein-Westfalen besser! – Und dann lassen Sie Ihren Fraktionsvorsitzenden verkünden, wir könnten nicht konsolidieren. Irgendwo muss man sich einmal entscheiden, meine Herren, finde ich.

(Beifall von der SPD)

Tatsächlich ist es so, dass Sie – das gehört zur Wahrheit auch dazu – die Wohnungsbauförderung überbucht haben und dafür gesorgt haben, dass die Förderung des Landes in Form zinsgünstiger Darlehen in Regionen geht, in denen Sie meinen, dass dort besonders viel Eigenheimbau notwendig sei. Wir haben die Korrektur dieser Fehlentwicklung eingeleitet, um das Wohnungsbauvermögen zu konsolidieren.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Das ist die ganze Wahrheit. Wir werden die Konsolidierung auch weitertragen und werden die Mittel auch politisch zielgerichtet einsetzen. Denn wenn es schon geringere Mittel in Nordrhein-Westfalen gibt – das ist so, wenn man sich auf den Weg der Haushaltskonsolidierung macht –, dann muss man auch dafür sorgen, dass das Geld an die richtigen Stellen kommt. Dann muss man es dahin geben, wo der Druck groß ist und wo Wohnungsbauförderung gebraucht wird. Und das ist dort, wo die Not der Mieterinnen und Mieter groß ist, nämlich in den hochverdichteten Ballungsräumen, in denen die Mieten durch die Decke gehen.

Jetzt kommen wir zu Herrn Ellerbrock und seinem schönen Märchen über die LEG-Sozialcharta.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Gerne!)

Es ist in der Tat eines der interessanten Rührstücke, die hier aufgeführt wurden. Herr Ellerbrock, Sie sollten wissen, dass die LEG-Sozialcharta Rahmenbedingungen setzt, aber dass diese Rahmenbedingungen bei Weitem nicht über dem liegen,

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

was ansonsten bei vielen der Private-Equity-dominierten Wohnungsunternehmen üblich ist. In der Tat kann man nicht die Fehlentwicklungen durch Sozialcharten aufheben.

Sie sind jetzt ja auch Mitglied der Enquetekommission. Wir haben dort doch die ganze Misere auf dem Tisch liegen. Wir sehen doch, was sich in Nordrhein-Westfalen in den Stadtquartieren abspielt. Da muss man meines Erachtens noch einmal gemeinsam sorgfältig überlegen, was wir an Instrumenten brauchen,

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

um mit dieser Fehlentwicklung umzugehen. Wir werden sicherlich nicht den großen Schalter finden, den man umlegen kann, aber wir werden alle Rechtsinstrumente prüfen.

Von daher glaube ich, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir eine interessante Debatte vor uns haben, dass der Haushaltsplan insgesamt aber die Weichen für Nordrhein-Westfalen richtig stellt. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die Piratenfraktion spricht der Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer hier und anderswo! Liebe Mediennutzer! Politik muss langfristige gesellschaftliche Entwicklungen rechtzeitig erkennen und den Wandel unterstützen und steuern. Wer protektionistisch handelt und Veränderungen ignoriert, verschläft die Wende.

Wir Piraten erkennen, dass sich die gesellschaftlichen Bedürfnisse wandeln. Dabei wird die Teilhabe in allen Politikfeldern zum zentralen Thema. Teilhabe wird zukünftig eine höhere Priorität haben als Eigentum. Das betrifft zwar auch Patente und sogenanntes geistiges Eigentum, aber auch und vor allem eben die Felder dieses Einzelplans.

Wohnen und Mobilität sind Grundrechte und müssen bezahlbar sein. Ja, sozialer Wohnungsbau bzw. soziale Wohnungssanierung und die Verbesserung des sozialen Bestandes sind wichtiger als Eigenheimförderung –

(Beifall von den PIRATEN)

Eigenheimförderung, die uns in der Vergangenheit nur Zersiedlung und ein Aufblähen der Infrastruktur gebracht hat.

Richtigerweise setzt die Regierung statt auf Eigenheimförderung eher auf sozialen Wohnungsbau. Auf Herrn Schemmer antwortete Herr Minister Groschek im Ausschuss zur Eigentumsförderung, es gäbe ja Riester. Ich weiß nicht, ob Sie sicher sind, dass das Eigentum eine sichere Altersvorsorge ist. Ich lasse das einmal im Raum stehen.

Fördermittel allein reichen aber noch nicht. Die Regierung möchte Prioritäten in angespannten Wohnungsmärkten setzen. Allerdings muss das Land dabei auch selbst Vorbild sein und bei seinen eigenen Liegenschaften vernünftige Quoten für sozialen Wohnungsbau fordern, wenn das möglich ist, und nicht 5 % wie bei der Ulmer Höh‘ in Düsseldorf.

Ich weiß, ich rutsche ein bisschen ins Kommunale ab. Ich habe heute gelesen, dass der FDP-Fraktionsvorsitzende – ich meine nicht Herrn Lindner, sondern den im Rat der Stadt Düsseldorf – mittlerweile auch eine Quote von 20 bis 25 % andenkt.

(Zuruf: Nein!)

Düsseldorf, die Problemstadt beim Abrufen der Fördermittel: Da liegen Anspruch und Wirklichkeit der Landesregierung auseinander. Die scharfe Kritik des Ministers an der Wohnungspolitik der Stadt Düsseldorf bleibt unglaubwürdig, wenn das bei eigenen Liegenschaften anders gehandhabt wird.

Zu oft zieht sich die Landesregierung vor der eigenen Verantwortung zurück, gibt allein der Bundesregierung die Schuld. Wir hatten eben schon gehört, zum Beispiel beim Programm „Soziale Stadt“: Das Programm Soziale Stadt wird getragen vom Bund und den Ländern. In der Praxis leitet das Land die Gelder des Bundes weiter. Der Bund hat nun die Mittel stark gekürzt. Die bisherigen Projekte waren allerdings im Schnitt sehr erfolgreich.

Zudem sind die Investitionen in solche Städtebauprojekte kein verlorenes Geld. Herr Breuer hat es bereits gesagt und Frau Schneckenburger auch: Je nach Berechnung löst 1 € an Städtebaufördermitteln bis zu 8 € an Investitionen aus.

Minister Groschek sieht das Programm „Soziale Stadt“ als Kernelement seiner vorsorgenden Politik bezüglich des demografischen Wandels, der Lebensqualität und so weiter. Er bezeichnet die Kürzung des Programms durch den Bund als unverantwortlich und gesellschaftspolitische Erbsünde.

Wir möchten den Minister in seiner und die Landesregierung in ihrer Arbeit unterstützen, indem wir die Aufstockung der Mittel durch Landesmittel auf zumindest das Niveau von 2010 vorschlagen. Das Land muss selbst Verantwortung übernehmen, wenn es sich nicht auf den Bund verlassen kann.

Das gleiche Prinzip gilt auch für den „Stadtumbau West“. Auch hier zeigt sich die für die rot-grüne Regierung typische Kombination aus guten Absichten und fehlender Entschlossenheit. Auch hier haben wir beantragt, das Budget wieder auf den Stand von 2010 aufzustocken.

Übernehmen Sie Verantwortung. Wenn Sie jetzt mit dem Argument „zu teuer“ kommen, warten wir einmal ab, wie die Empfehlung der Enquetekommission in 2013 aussehen wird – nicht dass uns Nachsorge mal wieder mehr kostet als Vorsorge.

(Beifall von den PIRATEN)

Verfehlen Sie Ihr Ziel präventiver Politik nicht!

Wir Piraten erwarten von der Landesregierung die Umsetzung der im rot-grünen Koalitionsvertrag festgeschriebenen wohnungs- und sozialpolitischen Ziele. Wir stellen fest, die Ziele des Koalitionsvertrages sind eine schöne Absichtserklärung. Diese schöne Absichtserklärung zeigt sich nicht immer in den Handlungen der Regierung. Sie zeigt sich auch nicht in dem hier vorliegenden Haushalt. In Bezug auf die eigene Unterlassung versteckt sich die Regierung hinter den Fehlern der Bundespolitik.

Unter den Aspekten werden wir dem Einzelplan nicht ohne unsere vorgeschlagenen Änderungen – auch wenn es nur wenige sind angesichts dessen, dass es schon so spät im Jahr ist – zustimmen können. Wir werden den Einzelplan ablehnen. Das zumindest ist meine Empfehlung an die Fraktion. Vielleicht möchten Sie allerdings doch noch das Programm „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau West“ ein bisschen aufstocken. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung erhält nun das Wort Herr Minister Groschek.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Ich beginne mit Ihnen, Herr Bayer. Ja, ich möchte – ich möchte noch viel mehr als Sie qua Antrag vorschlagen, aber so ist das. In Zeiten der Schuldenbremse muss man sehen, was praktisch möglich und realisierbar ist. Deshalb habe ich sehr wohl einen eigenen landespolitischen Gestaltungsanspruch, den wir auch Haushalt für Haushalt intensiver ablesbar machen.

Bei diesem Haushalt war das leider im Wesentlichen noch nicht möglich, weil die Einbringung des Haushaltes – auch des 09er-Haushaltes – quasi schon seine Vollzugsmeldung war. Grund dafür war die Neuwahl. Die wiederum ist ja hier im Haus unterschiedlich glücklich oder unglücklich aufgenommen worden – in Ihrem Fall wahrscheinlich mit hohem Glück, Herr Kollege Bayer.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt zur Frage Teilhabe und Wohnen. – Ja, Sie haben recht: Teilhabe ist wichtiger als Eigentum, wird tendenziell wichtiger. Wir kommen gleich beim Verkehr darauf zu sprechen.

Ich finde einen Hinweis ganz wichtig. Hier muss eine breite Mehrheit davon überzeugt sein, dass Wohnen ein soziales Grundrecht ist und bleibt und dass Wohnen nicht zur Ware verkommen darf, erst recht nicht zur Ramschware.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist meine felsenfeste Überzeugung, die sich auch dem Koalitionsvertrag entnehmen lässt.

„Soziale Stadt“ ist für mich mehr als ein Programmausschnitt. „Soziale Stadt“ ist für mich die auch geistige Fortsetzung des europäischen Stadtideals, im Grunde der Kern unserer Struktur-, Bevölkerungs- und Kulturgeschichte in Europa. Ich glaube, dass sich „Soziale Stadt“ auch ausdrückt in einer aufgeklärten Stadt von mündigen Bürgern. In einer solchen Stadt darf es keine Stadtmauern geben. Da muss Platz sein für Reiche und Arme, für hier Geborene und Zugezogene. Ghettoisierung – weder im Elend noch im Luxus – kommt als Perspektive der „Sozialen Stadt“ nicht infrage. Da sind wir ganz nah beieinander.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Jetzt möchte ich mit Ihnen beginnen, Herr Voussem. Eigentlich hatten wir sehr gute Diskussionsansätze. – Wo ist er gerade? Ich sehe ihn nicht.

(Jochen Ott [SPD]: Er schwänzt!)

– Ach so. Ich glaube wirklich, dass es eine Reihe von Ansatzpunkten gibt, bei denen Sie im Grunde bei sich selbst und ihren Diskussionsbeiträgen im Ausschuss bleiben können und sollten und nicht in eine Rhetorik „Schemmer light“ verfallen sollten. Sie im Original sind doch besser!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben vom Kahlschlag bei der Eigentumsförderung gesprochen. Das, was Sie Kahlschlag nennen, kommt erst noch, weil meine Akzentuierung hier noch gar nicht ablesbar ist. Meine Akzentuierung ist eine deutlich andere bei der Eigentumsförderung als die Ihre oder auch als die meines Amtsvorgängers.

Ich will das auch begründen. Ich finde es auch im Nachhinein noch unverantwortlich, wie im Grunde Gemeinschaftsvermögen verschleudert wurde, als in einem Jahr 600 Millionen € an Krediten für Eigentumsförderung ausgegeben wurden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das war nachhaltig falsch. Warum? – Weil in niedrigen Zinsphasen, die es schon damals gab, natürlich auch die Vermögensfrage problematisch wird!

Herr Ellerbrock, Sie wissen doch wie ich, dass es auch im ländlichen Raum im Grunde eine Phobie gibt, nämlich bei vielen Handwerksmeistern, bei vielen kleinen Gewerbetreibenden, bei Landwirten. Die haben sich ihr Häuschen abgespart, haben es jetzt durchfinanziert und erleben aufgrund des demografischen Wandels, der Landflucht, dass auf einmal ihre vermeintliche Altersversorgung in der Sonne schmilzt – wie die Immobilienblase in den USA.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Denen muss man doch ein Stück Sicherheit geben, aber nicht dadurch, dass man ihnen in der Nachbarschaft Reihenhaussiedlungen aufs Feld setzt, sondern dadurch, dass man Kerne im ländlichen Raum konzentriert und verhindert, dass unsinnigerweise noch mehr Eigentum an falschen Stellen gefördert wird. Das ist doch die plausible Perspektive.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, wir werden weiter fördern – in einer gemeinsamen Tradition; wenn das nur eine sozialdemokratische wäre, wäre es mir auch recht. Aber wir müssen neben dem Fördern auch fordern.

(Beifall von Christof Rasche [FDP])

Das heißt übersetzt: das Ordnungsrecht einsetzen gegen die, die sich nicht an die sozialen Spielregeln unserer sozialen Marktwirtschaft halten.

(Beifall von der SPD)

Ich entschuldige mich, vielleicht an der Enquetekommission vorbei gehandelt zu haben. Ich will Sie ja gerne im Boot behalten, mich in das Boot der Enquetekommission setzen. Wir werden noch gemeinsam einiges auf den Weg bringen.

Aber alleine das neue, verschärfte politische Anspracheklima hat dazu geführt, dass sowohl die eine große Heuschrecke wie die andere große Heuschrecke gesagt haben: Lieber Minister, wir sind gar nicht so, wir würden herzlich gerne mit Ihnen reden und Sie vom Gegenteil überzeugen. – Da sage ich: Herzlich eingeladen! Ich rede mit jedem, auch mit Ihnen, wenn das der sozialen Wirklichkeit vielleicht einen Verbesserungssprung verschafft. Also: Auch mit denen gibt es einen Dialog; denn ich bin daran interessiert, dass die betroffenen Menschen in eine bessere Lage versetzt werden, und veranstalte hier keine ideologischen Schattenboxkämpfe.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Meine Redezeit ist zu Ende. Aber, Herr Ellerbrock – ein paar Anmerkungen habe ich zu Ihren kritischen oder sachdienlichen Hinweisen gemacht –, eines noch: Wir leben in Nordrhein-Westfalen bezogen auf den Wohnungsmarkt ein bisschen wie in Trizonesien. Wir haben Boomregionen, wo unterschiedliches Engagement da ist. Es gibt Großstädte, die packen richtig an, weil sie innerlich vom sozialen Wohnungsbau überzeugt sind. Und es gibt Großstädte, da hat man eher das Gefühl: Wohlhabende schonen den Kämmerer, man kann als Kämmerer die Wohlhabenden melken, sozial Bedürftige dagegen melken den Kämmerer, die will man als Kämmerer nicht haben. Bei einer solchen Geisteshaltung gibt es eben Verwerfungen. Deshalb sollten wir gemeinsam dafür sorgen, dass in allen nordrhein-westfälischen Städten sozialer Wohnungsbau mental gewollt ist. Dann kommen wir nämlich ein ganzes Stück weiter.

Es gibt noch zwei weitere Bereiche.

Der eine ist der ländliche Raum. Wir müssen uns darüber austauschen, wo wir Knotenpunkte setzen und was das für die Wohnbauförderung und die Stadtentwicklungsförderung im ländlichen Raum heißt.

Der andere Bereich ist das Ruhrgebiet. Wir müssen überlegen, wie wir das Problem dort und anderswo in den Griff kriegen – außerhalb von Dortmund, einer wachsenden Metropole –, nämlich die Überhänge aufgrund des demografischen Wandels und aufgrund anderer strukturpolitischer Phänomene. Da muss dann eben differenziert werden: nicht nur Neubau für die bürgerliche Klientel, um eine bestimmte Struktur zu stabilisieren, sondern vor allen Dingen auch Rückbau, um Entwicklungen überhaupt erst möglich zu machen und keine sozialen Leerstände auf Halde zu schaffen.

Ich lade Sie herzlich ein: Machen Sie mit! Wir werden einen differenzierten Instrumentenkasten entwickeln.

Eines bleibt richtig: Die Politik des „Weiter so und mehr!“ ist ein für alle Mal vorbei. Es wird auf Sicht nur noch eine Politik des „Weniger und anders!“ geben, jedenfalls voraussichtlich so lange, solange ich hier Minister bleiben darf und Sie Abgeordneter in diesem Parlament.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Ich darf das Parlament darüber informieren, dass die Landesregierung die Redezeit um 2 Minuten 40 Sekunden überzogen hat.

(Christof Rasche [FDP]: Gegen jede Absprache!)

Mir liegen allerdings keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Beratung zu diesem Teilbereich schließen kann.

Wir kommen zum


     Teilbereich        
Stadtentwicklung und Verkehr

Der erste Redner für diesen Bereich stammt aus der CDU-Fraktion. Herr Kollege Moritz hat das Wort.

Arne Moritz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung missachtet, wie auch schon in den vergangenen zwei Jahren, den nordrhein-westfälischen Landtag als Haushaltsgesetzgeber. Das hat der Verfassungsgerichtshof in seiner letzten Entscheidung zur verspäteten Einbringung des Haushaltsentwurfs 2012 eindrucksvoll bestätigt. Damit zeigt die Landesregierung ebenso eindrucksvoll ihr mangelndes Demokratieverständnis.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist ein Scherz, oder?)

Schließlich ist das Budgetrecht das Königsrecht des Parlamentes. Anders ausgedrückt: Die Verfassung geht davon aus, dass sich der Landtag eine Landesregierung zur Ausführung des politischen Programms leistet, und nicht umgekehrt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Haushalt selber fällt schon beim ersten Blick auf den Entwurf auf, dass die Landesregierung einfach nicht mit Geld umgehen kann und somit ein typischer Klient für die Schuldnerberatung ist.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Es ist schon eine Minute vorbei! Wann geht es denn endlich los?)

Im Vergleich zum Ergebnis des Haushalts 2011 – das ist die einzige seriöse Vergleichszahl – steigt die Neuverschuldung um 1,6 Milliarden €. Das heißt, in Zeiten, in denen Länder mit solider Wirtschaft Jahresüberschüsse vermelden, geht es in NRW weiter, ja: verstärkt weiter in die falsche Richtung. Nordrhein-Westfalen macht mehr Schulden als weniger. Insofern war ich überrascht, gerade von Minister Groschek zu hören, dass es jetzt weniger Geld geben soll. Dem Haushaltsentwurf widerspricht das nun gänzlich. Aber lassen wir uns überraschen. Wenn wir dann noch sehen, dass die Steuereinnahmen des Jahres 2012 auf Rekordkurs sind, ist das umso eindrucksvoller.

(Jochen Ott [SPD]: Wieder ein Textbaustein! Das ist ja interessant!)

Zum Thema „Straßenbau“: Die im Herbst 2011 vorgestellte Streichliste für den Straßenbau in Nordrhein-Westfalen muss zurückgezogen oder zumindest auf den Prüfstand gestellt werden. Denn wenn der Bund, wie im Jahr 2011 geschehen, zusätzliche Mittel für den Bundesfernstraßenbau zur Verfügung stellt,

(Jochen Ott [SPD]: Soll das ein Witz sein? Glauben Sie das?)

dann müssen fertige Pläne in der Schublade liegen.

Nach der Einigung der Bundesregierung Anfang der Woche werden im Bundeshaushalt 2013 für den Etat des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 750 Millionen € zusätzlich zur Verfügung stehen. Die Landesregierung muss nun dafür sorgen, dass die zusätzlichen Mittel in angemessener Höhe nach Nordrhein-Westfalen fließen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie beklagen sich ständig darüber, dass Bundesminister Ramsauer vornehmlich Mittel nach Bayern zuweist. Das kann er aber nur deshalb machen, weil dort die Hausaufgaben gemacht werden.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Das ist doch Propaganda! Wie albern ist das denn?)

Im Bereich ÖPP sollte die Landesregierung das Angebot der Bundesregierung annehmen, den rund 250 Millionen € teuren sechsspurigen Ausbau der A 1 zwischen Münster-Nord und Lotte/Osnabrück durch ein ÖPP-Modell zu finanzieren.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist nachhaltig? Weisen Sie mal nach, dass das wirtschaftlich ist!)

Im verkehrsreichsten Bundesland NRW sind vermehrte Anstrengungen für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur notwendig und keine ideologischen Scheuklappen. Ansonsten kommt es hier zum Verkehrsinfarkt.

Genauso dringend benötigen wir ein neues Luftverkehrskonzept für Nordrhein-Westfalen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Im Bund aber auch!)

Das alte Konzept ist bereits Ende 2010 ausgelaufen. Auch hier zeigt die Regierung keinerlei Initiative.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist die alte Rede von Schemmer!)

Die Untätigkeit der Regierung wurde uns in der letzten Ausschusssitzung, als wir das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben, noch einmal vor Augen geführt. Auch hier müssen Sie, Herr Minister Groschek, liefern.

(Beifall von der CDU – Daniela Schneckenburger [GRÜNE]: Oh weh, oh weh, oh weh!)

Im Bereich ÖPNV ist die im Beratungsverfahren befindliche Novelle in der Expertenanhörung auf einige Kritik gestoßen. Insbesondere die Absicht, eine Kürzung der pauschalierten Investitionsförderung um 30 Millionen € auf nur noch 120 Millionen € vorzunehmen, ist dort auf Kritik gestoßen. Dabei bestehen landesweit erhebliche Investitionsnotwendigkeiten, um Erneuerungsmaßnahmen bei Tram? und U-Bahn-Systemen zu finanzieren und damit die Substanz der heutigen Infrastruktur dauerhaft zu erhalten.

Im Ruhrgebiet mussten erste Tramabschnitte stillgelegt werden, weil die Städte und Stadtwerke die Unterhaltungs? und Sanierungskosten nicht mehr aufbringen können. Deshalb müsste viel mehr Wert darauf gelegt werden, die Mittel der pauschalierten Investitionsförderung vor dem Hintergrund des landesweit erheblichen Investitionsbedarfs zum Erhalt der bestehenden Infrastruktur zu verwenden.

(Beifall von der CDU)

Wir als CDU wollen eine moderne und zukunftsfähige Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen, denn Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Daher brauchen wir keine Lücken im System, sondern vollständige Verkehrsachsen als notwendige Voraussetzung für eine intakte Lebenswelt.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Rot-Grün hat einen beispiellosen Planungsstopp für Straßenvorhaben vorgelegt. Wir hingegen wollen bei allen Verkehrsträgern die Voraussetzung für den Ausbau vorantreiben. Nicht jede Wunschmaßnahme ist zu finanzieren, aber ohne fertiges Baurecht werden wir bei den Fernstraßenprojekten weiterhin deutlich benachteiligt und dauerhaft von der Entwicklung in Deutschland und in Europa abgeschnitten werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion der SPD spricht der Kollege Breuer.

Reiner Breuer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Moritz, zu Ihren Textbausteinen zum Verfassungsrecht brauche ich wohl nichts zu sagen; das ist heute Morgen schon gesagt worden. Ich möchte mit Ihnen lieber über die Grundbedürfnisse sprechen, zu denen ein bezahlbares Dach über dem Kopf gehört, aber auch mobil zu sein.

Wir tun in Nordrhein-Westfalen einiges, um die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Güter sicherzustellen. Dabei setzen wir aber auch ganz klare Prioritäten im Rahmen der Finanzmittel, die uns zur Verfügung stehen. Für uns gilt der Grundsatz des Erhalts und der Optimierung der vorhandenen Infrastruktur vor dem Bau neuer Projekte. Wir werden auch hier keinen Stillstand und keinen Planungsstopp eintreten lassen. Wir konzentrieren uns auf die Maßnahmen, die wir angesichts der knappen finanziellen Mittel in einer realistischen zeitlichen Perspektive tatsächlich fertigstellen können.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Meine Damen und Herren, wir wollen keine pressewirksamen Spatenstiche machen, wenn schon das Richtfest mangels Finanzmitteln nicht in Aussicht steht oder zu Lebzeiten nicht gefeiert werden kann. Das wollen wir nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir stehen für eine Verkehrspolitik mit einem realistischen Blick auf das Machbare und für Ehrlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Daher bleiben die Investitionen in den Substanzerhalt von Landesstraßen unverändert der Schwerpunkt der Mittelbereitstellung im 12.000 km langen Landesstraßennetz. Über 80 Millionen €, also etwas mehr als im letzten Jahr, werden hierfür vom Land Nordrhein-Westfalen bereitgestellt. Die Mittel für den Neubau und den Ausbau größerer Vorhaben im Landesstraßennetz sind daher folgerichtig zugunsten der Substanzerhaltung abgesenkt.

Auch auf Bundesebene zeichnet sich ab, dass zukünftig der Grundsatz vom Erhalt vor dem Neubau gelten soll. Wir dürfen daher sehr gespannt sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie die Beratung des neuen Bundesverkehrswegeplans, der 2015 in Kraft treten soll, auch hier im Hause verlaufen wird. Schaffen Sie es, meine Damen und Herren von CDU und FDP, so wie wir es schon im Jahr 2010 gemacht haben, klare Prioritäten bei Ihren Projekten zu setzen? Oder präsentieren Sie uns in gewohnter Manier den Strauß aller verkehrspolitischen Wünsche, die man sich von Aachen bis Bielefeld schon seit Jahrzehnten erträumt hat, die aber niemand bezahlen kann und auch wird?

(Jochen Ott [SPD]: Ja, klar!)

Meine Damen und Herren, Sie werden vielleicht sagen, dass der Bund durchaus noch Mittel zu vergeben hat. Ja, richtig. Die Frage ist nur, wohin die Mittel gehen und wie wenig effektiv sie tatsächlich eingesetzt werden. Wir wären alle gut beraten, fraktionsübergreifend darüber zu diskutieren und uns zu verständigen, wie wir an mehr Geld für die Finanzierung unserer Infrastrukturvorhaben in Nordrhein-Westfalen kommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ein Finanzierungssystem, das dauerhaft ist, nachhaltig und nicht abhängig von dem Erscheinungsbild einer Bundesregierung und irgendwelchen Wahlgeschenken, die jetzt wieder verteilt werden.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

– Außer einem Strohfeuer kommt nichts dabei heraus, das wissen Sie ganz genau. In Nordrhein-Westfalen wird das Geld nicht ankommen.

Es geht dabei auch darum, den berechtigten Anteil des Landes Nordrhein-Westfalen an den Bundesmitteln konkret einzufordern. Da sind auch Sie gefordert, im Bund aktiv zu werden, meine Damen und Herren. Werden Sie Ihrer Verantwortung endlich mal gerecht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das gilt genauso für den öffentlichen Personennahverkehr, für den wir die Mittelausstattung gegenüber dem Vorjahr um 28 Millionen € erhöhen. Dem gegenüber steht aber eine Kernfinanzierung von insgesamt 1,5 Milliarden €, die durch Bundesmittel aufgebracht wird, aber auf wackeligen Beinen steht. Das wissen Sie. Mit dem Entflechtungsmittelzweckbindungsgesetz und der in Kürze zur Verabschiedung stehenden Novelle des öffentlichen Personennahverkehrsgesetzes werden wir alles in unserem Einflussbereich Stehende tun, um Planungssicherheit für unsere Verkehrsunternehmen und ?verbünde herzustellen und die Finanzierung des ÖPNV nachhaltig zu sichern.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Breuer, würden Sie eine Zwischenfrage von dem Kollegen Rehbaum aus der CDU-Fraktion zulassen?

Reiner Breuer (SPD): Ich glaube nicht, dass er eine Frage an mich hat, die er sich nicht selbst beantworten kann oder schon beantwortet hat.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen möchte ich fortfahren und darauf hinweisen, dass wir auch an unseren zukunftsfähigen Projekten wie dem RRX festhalten werden, für den endlich eine verbindliche Finanzierung durch den Bund gesichert werden muss.

Meine Damen und Herren, wir haben weiterhin viel zu tun. Der Haushalt für das Jahr 2012 schafft klare Voraussetzungen. Wir haben dem keine Änderungsanträge entgegenzusetzen und werben um Unterstützung für diesen Haushaltsplan. – Herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank Herr Abgeordneter. – Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Rasche das Wort.

(Arndt Klocke [GRÜNE] möchte sich zum Rednerpult begeben. – Zurufe)

Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Arndt, das wäre interessant gewesen: du für uns, ich für euch! Daraus hätte man etwas machen können. Vielleicht kommt das irgendwann einmal.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt 2012 ist gelaufen. Interessant wird erst die Beratung des Haushaltes 2013 in unserem Bereich. Erlauben Sie mir deshalb nur eine Bemerkung: Unter Rot-Grün sind in den vergangenen zwei Jahren die Mittel für den Landesstraßenbau erheblich reduziert worden, die Mittel für den Radwegebau haben sich mehr als verdoppelt.

(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])

– Genau, Herr Klocke, ganz neutrale Beobachter vermuten eine grüne Handschrift. Somit stimmt es nicht ganz, lieber Herr Minister, dass überall gekürzt wird. Denn dort haben Sie die Mittel eben einmal verdoppelt.

Kommen wir zur aktuellen Verkehrssituation: Der ADAC meldet, dass NRW Spitzenreiter bei Staus ist. WDR 2 meldete am vergangenen Mittwoch um 17:30 Uhr Staus ab einer Länge von 10 km. Das war schon bemerkenswert.

Mittelstand, Industrie und Gewerkschaften warnen vor einem Verkehrsinfarkt in Nordrhein-Westfalen und fordern Investitionen in den Erhalt und Neubau. Verkehrsprognosen sagen im Güterverkehr auf den Hauptachsen und damit auch auf den Engpässen einen Zuwachs um bis zu 100 % voraus.

War der vergangene Mittwoch mit Rekordstaus in Nordrhein-Westfalen die Normalität der Zukunft? Oder wird es uns gemeinsam gelingen, etwas für Nordrhein-Westfalen zu tun und anzupacken, damit wir endlich einmal unsere große Problematik bewältigen?

(Beifall von der FDP)

Damit, meine Damen und Herren, kommen wir von der Verkehrssituation zur Verkehrspolitik: Wirtschaftsminister Duin formulierte heute etwas, was ich gut fand und wir hier gut einführen können, als er sagte: Das Konzept lautet „Wer? Was? Wann?“ und ist gleich Masterplan. Schauen wir uns doch einmal drei Verkehrsträger an und versuchen zu erfassen, ob es in diesem Hohen Haus oder in der Landesregierung Konzepte gibt.

Zum Luftverkehrskonzept, meine Damen und Herren! In der Opposition massiv von SPD und Grünen gefordert, in der Regierung nichts geliefert. Wieder die Handschrift von den Grünen? Jetzt auf ein Bundeskonzept zu warten, heißt doch mit anderen Worten: Es fehlt ein eigenes Konzept!

(Jochen Ott [SPD]: Sie wissen doch, dass das verabredet ist!)

– Herr Kollege Ott, beim Klimaschutzkonzept haben die Grünen auch nicht auf den Bund gewartet, sondern sind in Nordrhein-Westfalen vorangeprescht. Warum können sie das in anderen Bereich nicht auch?

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Weil das in jedem Fall Quatsch ist!)

Schauen wir nach dem Luftverkehr auf den Schienenbereich. Die gestrige Debatte zeigte sehr eindrucksvoll: Seit Jahrzehnten ist in diesem Bereich in Nordrhein-Westfalen viel zu wenig passiert. Nordrhein-Westfalen feiert Ideen, neue Namen, Planungseröffnungen. In anderen Bundesländern werden Streckenfreigaben gefeiert. Das sollten wir in Nordrhein-Westfalen auch anstreben.

Wir brauchen dringend einen professionellen Umgang mit der Deutschen Bahn AG, wir brauchen in diesem Haus und in der Regierung, aber auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen einen breiten Schulterschluss für Großinvestitionen. Meine Damen und Herren, wir brauchen genau das Konzept, das heute angesprochen worden ist: Wer? Was? Wann? – Dieses Konzept sehe ich noch nicht. Daran müssen wir dringend arbeiten.

Kommen wir vom Luftverkehr über die Schiene zur Straße! Liebe Kolleginnen und Kollegen, 157 Straßenbauprojekte von Bund und Land wurden von dieser Koalition mit der Begründung herabgestuft, es sei zu wenig Geld da. Im ganzen Land wird nun die Frage gestellt: Warum wird die eine Straße herabgestuft und die andere Straße weiter geplant? – Wir haben im Plenum und in den Ausschüssen bereits mehrfach nach der Begründung für einzelne Projekte gefragt. Es gibt einfach keine Begründung. Die verweigern Sie uns.

Natürlich kommt dabei in der Bevölkerung der Verdacht auf, es werde willkürlich gehandelt. Ich würde mich freuen, wenn Sie in Zukunft diesen Verdacht entschärfen würden. Wenn wir diesen Status behalten, ist das aus Ihrer Sicht eigentlich eine Katastrophe. War das erneut die Handschrift der Grünen, meine Damen und Herren?

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Schöner Versuch!)

– Herr Ott, was regen Sie sich so auf? Kommen Sie gerade aus einer Koalitionsrunde? Oder woher kommen Sie?

(Lachen von der SPD – Jochen Ott [SPD]: Dann wäre ich die Ruhe selbst!)

Der Begriff „Spatenstich“ wurde vorhin von Herrn Breuer benutzt. Unter dem Aspekt, dass 157 Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen beerdigt worden sind, bekommt der eine ganz andere Bedeutung in der Verkehrspolitik in unserem Land.

Meine Damen und Herren, in der Verkehrspolitik gibt es noch eine Menge Luft nach oben. Verkehrsminister Groschek ist gerade erst im Amt. Wir warten gespannt auf seine Konzepte und die Verkehrspolitik der nächsten Jahre. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Jetzt kommt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Klocke. Das ist Ihr Auftritt, Sie haben das Wort.

(Jochen Ott [SPD]: Gut, dass du nicht getauscht hast mit Rasche! – Arndt Klocke [GRÜNE]: Ich hätte auf jeden Fall etwas anderes erzählt!)

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um direkt einmal auf Herrn Moritz einzugehen: Sie werden es nicht glauben, aber wir als regierungstragende Fraktion freuen uns über den Beschluss der Bundesregierung, mehr Geld für die Straßeninfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Wir Grünen hätten uns zunächst einmal gewünscht, wenn 750 Millionen € zur Verfügung gestellt worden wären, dass die nicht vollständig für den Straßenbau eingesetzt werden, sondern man hätte auch noch etwas für die Schiene und andere Verkehrsträger nutzen können. Aber wenn diese Mittel in die Straße gehen, braucht gar nicht der Verkehrsminister in Berlin anzuklopfen und zu sagen, wir brauchen in NRW etwas, sondern es gibt den Königsteiner Schlüssel, und eigentlich müssten 20 % dieser Gelder nach Nordrhein-Westfalen gehen.

(Reiner Breuer [SPD]: Was immer noch zu wenig ist!)

Ich kenne die Priorisierungsliste und habe den Prozess mitgemacht: Wir haben weit über zehn Jahre genug priorisierte, also mit höchster Planungsstufe durchgeplante Projekte, die man sofort angehen könnte. Diese Mittel in Nordrhein-Westfalen sind dringend notwendig. Wenn uns die Bundesregierung das Geld zur Verfügung stellt, werden der Verkehrsminister und Straßen.NRW rasch Projekte haben, die zügig umgesetzt werden können.

Von daher: Gut dass diese Mittel kommen. Es sind noch zu wenige Mittel. Das gilt vor allen Dingen für den Bereich der Schieneninfrastruktur. Sie wissen wahrscheinlich auch, dass bei den Mitteln für den Schieneninfrastrukturausbau nur 2 % der Gelder nach Nordrhein-Westfalen gehen, obwohl Nordrhein-Westfalen das größte Bundesland ist und hier 20 % der Menschen leben, wir eine große Fläche haben. Trotzdem gehen nur 2 % der Gelder nach Nordrhein-Westfalen. Da wäre Ihre Unterstützung in der Bundesregierung angebracht, dass nicht nur Geld für den Straßenbau, sondern auch für den Ausbau von Schieneninfrastruktur nach Nordrhein-Westfalen fließt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie uns da noch Kunde geben und positive Signale mitbringen könnten – es ist ja noch ein Jahr, bis Sie in Berlin abgelöst werden –, wären wir sehr froh, wenn sich bis dahin noch etwas bewegen würde.

(Beifall von Wibke Brems [GRÜNE])

Der vorgelegte Haushalt steht ganz klar für eine moderne ökologische Mobilitätspolitik. Wir geben in diesem Jahr 1,5 Milliarden € für ÖPNV und SPNV aus – das hat auch Kollege Breuer eben gesagt –, das sind knapp 30 Millionen € mehr als im Haushalt 2011. Nordrhein-Westfalen hat mittlerweile im Bundesländerindex, der jedes Jahr von der Allianz pro Schiene herausgegeben wird, Platz 1.

Und wir haben es insbesondere geschafft – da hat Kollege Christof Rasche recht –, in diesem Haushalt einen neuen Akzent zu setzen. Wir fördern aktiv nichtautomobile Mobilität, indem wir den Radwegeausbau hochgesetzt und den Aktionsplan Nahmobilität vorgestellt haben. Es gibt viele Menschen, die verstärkt aufs Fahrrad setzen, um eine reale Alternative in der Alltagsmobilität zu haben, wie sie zum Arbeitsplatz kommen, wie sie zum Einkauf kommen.

Wir waren doch, lieber Christof Rasche, beide zusammen bei dem Parlamentarischen Abend der Verkehrswacht, wo uns die ZEG, die Zentrale Einkaufsgenossenschaft der Fahrradhändler, die Zahlen vorgestellt hat. 1 Million Elektroautos haben wir noch lange nicht auf unseren Straßen. Trotz der vielen Fördergelder der Bundesregierung sind wir bei knapp 3.000. Aber wir haben Ende des Jahres 1 Million E-Bikes auf deutschen Straßen – ohne Fördergelder. Das ist eine Abstimmung, die die Leute beim Einkauf treffen, weil sie in ihrer alltäglichen Mobilität eine Alternative haben wollen.

Ich wundere mich immer: Die CDU setzt immer auf Straße, Straße, Autos, Autos. Wir brauchen auch vernünftig ausgebaute Straßen. Wir werden auch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin immer Autos, LKWs etc. als wichtige Verkehrsträger haben. Aber die moderne Mobilität sieht anders aus. Die jungen Leute sind doch ganz anders unterwegs. Die haben ihr iPhone und gucken, wenn sie zu einer Party oder einer Veranstaltung wollen, auf die verschiedenen Apps: Fahre ich da mit der Bahn hin? Leihe ich mir ein Auto? Wo gibt es Carsharing? Wo gibt es ein DB-Bike? Das, was die Leute heutzutage nutzen, ist Mobilität 2.0.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dazu kommt von Ihrer Seite leider gar nichts.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Klocke, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rehbaum, CDU-Fraktion, zulassen?

Arndt Klocke (GRÜNE): Gerne.

Vizepräsident Daniel Düngel: Dann machen wir das. Herr Rehbaum, Sie haben das Wort.

Henning Rehbaum (CDU): Herr Kollege Klocke, wenn Ihnen die alternativen Mobilitätsformen so am Herzen liegen: der Schienenverkehr, der ÖPNV, der SPNV, warum wird dann die Investitionspauschale für Stadtbahnsysteme gekürzt, obwohl Sie genau wissen, dass dort bis 2016 ein Instandhaltungsrückstau von 1,4 Milliarden € herrscht?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Arndt Klocke (GRÜNE): Ja, das ist mir bekannt. Dafür geben wir mehr im Bereich der Schieneninfrastruktur aus. Das ist eine Umschichtung. Im ÖPNV-Gesetz sind die Mittel umgeschichtet worden. Diese 30 Millionen € haben wir in einen anderen Bereich gesteckt; das wissen Sie auch.

(Zuruf von Arne Moritz [CDU])

– Das habe ich doch eben gesagt, wir geben das im Bereich der Schieneninfrastruktur, der Schieneninvestitionsmittel aus. Natürlich, das wissen Sie auch. Das ist eine Umschichtung im ÖPNV-Gesetz. Ich weiß, das ist in der Anhörung kritisiert worden, und wir diskutieren das auch entsprechend. Aber wir haben doch in diesem Bereich keine Kürzung, sondern eine ganz klare Umschichtung von Mitteln in einen anderen Bereich.

Die dringende Aufgabe, die vor uns steht – das ist Ihnen doch genauso bekannt wie mir –, ist, dass wir insgesamt mehr Geld im Bereich der Verkehrsinfrastruktur brauchen. Deswegen bin ich sehr gespannt, was bei der Daehre-Kommission herauskommt. Die Ergebnisse werden in den nächsten Wochen vorgestellt, und dann werden wir sie intensiv zu diskutieren haben. Wie geht man mit den Vorschlägen, zum Beispiel der Ausweitung der LKW-Maut, um? Wie geht man mit Vorschlägen nach einer City-Maut um? Wie geht man damit um, dass auch eine PKW-Maut im Gespräch ist?

(Christof Rasche [FDP]: Bürgermaut!)

– Ja, lieber Christof Rasche, die Frage stellt sich doch ganz konkret: Wie bekommen wir mehr Geld ins System. Auch die Bundesregierung sagt: In diesem Bereich fehlt uns im Jahr 1 Milliarde €. Es muss die Frage gestellt werden: Welche Mechanismen, welche Konzepte liegen vor? Da wird uns die Daehre-Kommission hoffentlich entsprechende Antworten geben. Ich bin gespannt, wie hier die Reaktionen von CDU und FDP auf die Vorschläge, die die eigene Regierung in Berlin macht, sind, ob sie mitgetragen werden oder ob dagegengehalten wird, wie das heute anklang.

Dieser Haushalt zeigt, dass wir Mobilität vielfältig denken, dass wir in die klassischen Verkehrsträger investieren, dass wir aber auch moderne Angebote fördern und ausbauen wollen. Für uns ist gelungene Mobilität auch wichtig für die Arbeitsplätze und für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Wir wollen aber auch Alternativen anbieten. Wir wollen die Straßen entlasten. Wir wollen, dass die Leute hier im Land reale Umstiegsmöglichkeiten haben.

Deshalb ist für uns der Verkehrsmix die Perspektive für die Zukunft und nicht ein reines Setzen auf den alten Verkehrsträger Straße und Auto. Das wird in diesem Haushalt berücksichtigt. Es sind Gelder umgeschichtet worden. Deswegen unterstützen wir diesen Haushalt, haben keine Änderungsanträge und bitten Sie um Zustimmung. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

 

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Piratenfraktion hat Kollege Bayer das Wort.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Teilhabe wird zukünftig eine höhere Priorität haben als Eigentum. Sie erinnern sich. Das betrifft auch die Verkehrspolitik. Das Recht auf Mobilität ist kein käufliches Privileg. Führerschein ab 18, das eigene Auto, später das Traumauto, das hatte noch vor wenigen Jahren eine hohe Bedeutung.

Heute gibt es wichtigere Statussymbole. Was zählt, ist Flexibilität und Mobilität. In vielen Städten NRWs wird das Auto überflüssig, und aus Platz- und Kostengründen verzichten vor allem junge Menschen gänzlich darauf. Sogar die Autoindustrie hat dies erkannt und realisiert inzwischen neue Carsharing-Modelle. Die Generation unter 30 und die über 60 sind da Vorreiter, auch wenn es Verkehrsplaner im Alter von 30 bis 60 hin und wieder vergessen. Denn auch altengerechte Siedlungen müssen Alternativen zum Auto bieten.

Hinzu kommt eine große Anzahl von Menschen, die sich ein eigenes Auto gar nicht leisten können oder wollen. Apropos nicht leisten können: Wir haben eben schon gehört, der Bestand des Verkehrsnetzes ist gefährdet, zu lange galt Neubau vor Instandhaltung. Zu viele Brücken und Tunnel in NRW sind sanierungsbedürftig und müssen jetzt instandgesetzt werden.

Die Haushaltsmittel reichen weder für Straße noch Schiene aus, um den Bestand langfristig zu sichern. Wir können uns aus rein ökonomischen Gründen ein „Weiter so!“ nicht mehr leisten. Dazu kommt, dass auch indirekte Kosten in der Priorisierung bei der Verkehrsplanung einfließen müssen. Es müssen nicht nur Kosten für Klimaschutz und Umweltschäden sowie die sozialen Kosten berücksichtigt werden, eine verantwortungsvolle Verkehrspolitik baut Ausgaben an anderen Stellen vor. Und langfristig muss man auch die individuellen Aufwendungen für Mobilität, also das eigene Auto, gesamtgesellschaftlich als Opportunitätskosten einbeziehen.

Weniger Verkehrsflächen, weniger Lärm, mehr Raum für Stadtleben – all dies muss in eine Gesamtrechnung einfließen. Oft heißt es, man müsse „alle Verkehrsträger ausbauen“ und „die ideologische Brille abnehmen“. Dabei wird gerne vergessen, dass über Jahrzehnte fast ausschließlich in den Straßenbau investiert wurde. Das ideologische Ungleichgewicht besteht also, es verschlimmert sich. „Alles ausbauen“ bedeutet, die Fehler der Vergangenheit fortzuführen, so wie Sie es meinen.

In den letzten Jahrzehnten wurden immer mehr Neubauprojekte angekündigt und geplant. Diese Projekte liegen nun auf Eis, und das ist gut so. Jahrzehntealte Straßenpläne, die erst in kommenden Jahrzehnten realisiert werden, braucht niemand mehr. Diese lange Liste an Straßenbauprojekten kann auch niemand abarbeiten. Dies den Bürgern zu sagen, wäre ehrlich.

Die Probleme des Verkehrssystems in NRW sind groß. Wir brauchen neue Lösungen. Wir müssen den ohnehin bevorstehenden Verkehrswandel als Chance auffassen, eine Verkehrswende zu gestalten. Im Ansatz hat Rot-Grün die Idee verstanden. Zaghaft hat Verkehrsminister Groschek in seiner kleinen Regierungserklärung in die richtige Richtung gewiesen. Allerdings bleibt der Ansatz konservativ und mutlos.

Die Landesregierung begnügt sich damit, Verantwortung an den Bund abzugeben – auch hier –, anstatt selber tätig zu werden. Hier müssen wir die Regierung motivieren.

Ja, ein Großteil des Geldes, das zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in NRW notwendig ist, kommt vom Bund, und NRW wird dort weit unterdurchschnittlich berücksichtigt. Wir sind uns einig, dass der Verkehrshaushalt viel zu klein ist. Jedoch will die Landesregierung mit dem Verkehrshaushalt auch zur Haushaltssanierung beitragen. Bei den Piraten steht jedoch die konstruktiv gestaltete Verkehrswende ganz oben auf der Agenda.

(Christof Rasche [FDP]: Konstruktiv ist schön!)

Dass grundsätzlich genug Geld vorhanden ist, zeigen nicht nur Prestigeobjekte oder die 1,6 Milliarden €, die für den Ankauf von EADS-Anteilen freigegeben wurden. Nicht vergessen: Die 5 Milliarden € für die Abwrackprämie 2009 haben nichts bewirkt. Sie werden weder bei Verkehrsproblemen helfen, noch haben sie Autobauern geholfen.

Wenn Sie jetzt sagen, das hat aber nichts mit diesem Haushalt hier zu tun, weil es da um wichtigere Dinge ging, kann ich nur entgegnen: Ist das denn wichtiger als eine funktionierende Infrastruktur? Sicher nicht. Wenn dem Bund 5 Milliarden als Geschenk für die Automobilindustrie möglich sind, dann muss weit weniger Geld für die Begleitung der Verkehrswende ebenfalls möglich sein. Hoffentlich wenigstens diese 750 Millionen € als Mobilitätsbetreuungsgeld! Ich habe da noch etwas mehr Hoffnung als Herr Klocke.

Die Landesregierung schiebt jedoch auch hier alle Verantwortung von sich. Im Haushalt wird für den Posten „Förderung der Eisenbahn, des öffentlichen Nahverkehrs“ beinahe ausschließlich Geld des Bundes weitergeleitet. Allein für den Ausbildungsverkehr und für das Sozialticket fließen Landesgelder. Das Sozialticket ist jedoch ein erschreckendes Beispiel für die Mutlosigkeit der Regierung. Es ist doppelt so teuer wie der in den SGB-II-Regelsätzen verankerte Betrag für Mobilität und verfehlt das Ziel „Mobilität für alle“.

Auch Minister Groschek hat befunden, das Grundrecht auf Mobilität für alle wurde damit noch nicht umgesetzt, verwies aber auf die zu geringen Regelsätze.

Wir fordern, die Investitionsförderung für den ÖPNV mit Landesmitteln aufzustocken. Hier sind Kürzungen von mindestens 17 Millionen € im Vergleich zu 2010 vorgesehen. Das Geld wird dringend für die Infrastruktur benötigt. Weiterhin schlagen wir vor, das Budget für ÖPNV-Gutachten zu erhöhen, …

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Ja, ich komme zum Schluss.

Vizepräsident Daniel Düngel: Okay.

Oliver Bayer (PIRATEN): … damit die angegangenen Maßnahmen die beabsichtigte Wirkung zeigen. Damit kommen wir der Realisierung des Grundrechts auf Mobilität näher. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Herr Minister Groschek.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die CDU, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat eine ausgesprochene Pechsträhne, was den Briefverkehr ihrer Bundesregierung angeht.

(Lachen von der SPD)

Ich zitiere aus einem Schreiben des CDU-Staatssekretärs Ferlemann bei Herrn Minister Ramsauer:

Betreff: A 46 Finanzplanung bis 2016. Originalton Bundesregierung: Durch die künftig vorrangigen Erhaltungsinvestitionen aufgrund der Verschlechterung des Erhaltungszustandes im Bundesfernstraßennetz vermindern sich im Finanzplanzeitraum bis 2016 vorwiegend die Finanzierungsmöglichkeiten bei den Bedarfsmaßnahmen. Weiterhin muss zunächst die Weiterführung der Vielzahl in Nordrhein-Westfalen im Bau befindlichen Vorhaben sichergestellt werden, sodass derzeit keine Neubeginne möglich sind. – Ende des Zitats Bundesregierung.

(Zurufe von der SPD: Aha! – Weitere Zurufe von der SPD)

Datum: 15.10.2012.

(Jochen Ott [SPD]: Das gibt es ja nicht! Wie kommt das denn?)

Ich denke, wir sollten uns gemeinsam ehrlich machen und sagen: Das neue verkehrspolitische Grundgesetz in Deutschland ist für alle Parteien: Erhalt hat absoluten Vorrang vor Neubau. Und in Wirklichkeit läuft der Weg Erhalt statt Neubau.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist die Wahrheit.

Jetzt kann Kollege Bayer sagen, wir bräuchten viel, viel mehr. Da bin ich sofort bei ihm. Aber wir haben einen großen gesellschaftlichen Konsens in Deutschland und in diesem Land, dass es drei Prioritäten gibt: Kinder, Bildung und Kommunen. Diese drei Prioritäten finde ich völlig sachgerecht und richtig. Man muss prüfen, wie man nach dieser Prioritätensetzung angemessen präventive Politik durch Infrastrukturerhalt und prägenden Ergänzungsbau schafft. Das ist für mich eine sinnvolle, durchsetzbare Reihenfolge. Ich spiele nicht Don Quijote und eifere irgendwelchen Windmühlen hinterher. Das können Sie von mir nicht bei der Haushaltsplanung für die nächsten Jahre verlangen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was die Frage der grünen Politik angeht: Da kann ich fast mit Ulla Schmidt und Seehofer antworten. Sie hat ja einmal sinngemäß – jetzt übertragen – gesagt: Es war eine wunderbare Nacht, und danach haben wir Johannes und Mike zueinander gesagt.

(Heiterkeit von der SPD)

Das waren die Koalitionsverhandlungen beim letzten Mal.

Jetzt im Ernst: Ich finde, der Kollege Bayer hat schon recht. Der Zündschlüssel der Zukunft ist das Smartphone. Das kann man an einem ganz einfachen Beispiel deutlich machen. In unserer Altersklasse – 30, 35 Jahre zurück – haben wir gefiebert, wenn der neue Golf GTI vorgestellt wurde. Heute fiebern wir immer noch bei Golf VII, aber die jungen Leute nicht mehr. Das ist das Problem. Die fiebern nämlich dann, wenn beispielsweise im CentrO Apple-Store das neue iPhone vorgestellt wird.

Das ist das Stichwort: Teilhabe statt Besitzen. Die künftige Generation will gar nicht so sehr ein Verkehrsmittel besitzen, sondern will Mobilität beanspruchen können, und das sicher zu sozialverträglichen Preisen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Deshalb müssen wir neue Infrastrukturprioritäten setzen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Von daher macht es natürlich auch Sinn, Nahmobilität so zu organisieren, dass die Schwächsten die Stärksten werden. Deshalb müssen wir bei der Quartiersentwicklung natürlich dafür sorgen, dass soziale Stadt auch ökologische Stadt heißt. In einer solchen Stadt, die zur Heimat wird, wo ich mich zu Hause fühlen kann vor der Haustüre, da muss ich sicher sein, dass ich nicht von verrückten Rasern über den Haufen gefahren werde. Da muss ich mit dem Rollator und dem Kinderwagen, mit dem Kinderroller und mit dem E-Bike auch sicher fahren können. Deshalb ist das Prinzip Gleichberechtigung da ganz wichtig. Das sage ich auch voller sozialdemokratischer Überzeugung.

Weil ich nur noch eine Minute Redezeit habe, möchte ich einen Bereich herausgreifen: Daehre-Kommission. Da haben sich zwei vorwitzig festgelegt. Der Ramsauer hat gesagt, wir brauchen das Pickerl-Auto. Die Pkw-Maut muss kommen. Der Hermann in Baden-Württemberg hat gesagt, die City-Maut muss kommen. Das Ende vom Lied war: Wir hatten kommunikativ ein Desaster und konnten rational-nüchtern nicht mehr über die Finanzierungsperspektiven reden.

Deshalb sage ich: Nordrhein-Westfalen wird dafür sorgen, dass wir zunächst einmal einen Investitionsfonds konstruieren, der zugriffsicher ist, weil die Menschen dann keine Maut-Perspektiven welcher Art auch immer akzeptieren würden, wenn die Gefahr bestünde, der Bundesfinanzminister hätte den Zugriff zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Abgemolken wurden die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer oft genug. Jetzt geht es darum, Solidarbeiträge wirklich auch solidarisch einzusetzen für die Finanzierung des Verkehrs, nicht der Straße alleine, sondern der Straßen in all ihrer Vielfalt, vom Radweg über den Schienenweg bis zum Binnenschifffahrtsweg.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Da müssen wir mutig sein, wenn die Stunde der Wahrheit kommt, möglicherweise vor der Bundestagswahl. Ich fürchte aber, erst nach der Bundestagswahl, weil wir ja die Spielregeln einer opportunistischen Wahlkampfführung aller Parteien kennen. Ich hoffe, wir sind stark genug, Rücken zu zeigen, wenn der Schwur kommt, zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen über Nutzungsentgelte auch zu vereinnahmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kann ich auch diese Beratung zum Teilbereich Stadtentwicklung und Verkehr des Einzelplans 09 schließen.

Wir sind damit am Ende der Beratungen und können in den Abstimmungsmarathon eintreten.

Jetzt stimmen wir erst einmal über den Einzelplan 09 ab. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1209, den Einzelplan 09 unverändert anzunehmen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die FDP, die CDU und die Piraten. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen und der Einzelplan 09 verabschiedet.

Jetzt kommen wir zur nachholenden Abstimmung, und zwar über den Einzelplan 20, der bereits gestern diskutiert wurde. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1220, den Einzelplan 20 unverändert anzunehmen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die Piraten. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis die Beschlussempfehlung angenommen und der Einzelplan 20 verabschiedet.

Damit sind wir am Ende der Beratung und der Abstimmung über alle Einzelpläne.

Wir kommen jetzt erstens zur Schlussabstimmung über das Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2012, kurz: Gemeindefinanzierungsgesetz 2012. Ich weise noch einmal auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1217 hin. Die Beratung zum GFG haben wir bereits gestern geführt. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt uns in der vorgenannten Drucksache, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer möchte dieser Beschlussempfehlung folgen? – Das sind die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die Piraten. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis die Beschlussempfehlung angenommen und das Gemeindefinanzierungsgesetz in zweiter Lesung verabschiedet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich komme zweitens zur Abstimmung über das Gesetz zur Errichtung eines Fonds des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Gesetzes zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspaktes Stadtfinanzen, Stärkungspaktfondsgesetz. Das ist ein Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/176. Ich verweise auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik Drucksache 16/1238. Die Beratung zum Stärkungspaktfondsgesetz haben wir ebenfalls gestern bereits geführt.

Bevor ich abstimmen lasse, möchte ich Sie darüber informieren, dass die Fraktion der Piraten mit Schreiben vom 7. November nach § 73 der Geschäftsordnung unseres Hauses zum Stärkungspaktfondsgesetz eine dritte Lesung schriftlich bei der Präsidentin beantragt hat. Die dritte Lesung soll dann zusammen mit der dritten Lesung des GFG Ende November erfolgen.

Jetzt kommen wir aber zur Abstimmung in zweiter Lesung. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1238, den Gesetzentwurf – wir reden über das Stärkungspaktfondsgesetz – unverändert anzunehmen. Wer möchte dieser Beschlussempfehlung folgen? – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Wer stimmt dagegen? – Die CDU und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist in zweiter Lesung mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis die Beschlussempfehlung angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/176 in zweiter Lesung verabschiedet.

Den Hinweis auf die dritte Lesung habe ich bereits gegeben. Beantragt war alles ordnungsgemäß. Damit wird die dritte Lesung stattfinden. Gemeinsam mit dem GFG soll das Gesetz verabschiedet werden.

Als Drittes stimmen wir ab über das Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2012 – kurz: Haushaltsgesetz – Drucksache 16/300. Auch hier weise ich noch einmal auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1200 hin. Die Beratung haben wir ebenfalls bereits gestern geführt. In der Beschlussempfehlung empfiehlt uns der Haushalts- und Finanzausschuss, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer also dem Haushaltsgesetz in der Fassung der Ausschussberatung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – CDU, FDP und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis die Beschlussempfehlung angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/300 in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir sind immer noch nicht am Ende. Wir stimmen jetzt nämlich viertens über die Rücküberweisung des Haushaltsgesetzes 2012 und des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2012 an den Haushalts- und Finanzausschuss zur Vorbereitung der dritten Lesung ab. Wer möchte der Rücküberweisung widersprechen? – Niemand. Möchte sich jemand enthalten? – Auch nicht. Dann ist die Rücküberweisung jetzt einstimmig erfolgt.

Ich danke Ihnen und weise abschließend noch einmal darauf hin, dass die dritte Lesung der Haushaltsvorlagen für die Plenarsitzungen am 28., 29. und 30. November vorgesehen ist. Wie genau terminiert wird, wird der Ältestenrat zu einem späteren Zeitpunkt verabreden.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende des Punktes 1 der heutigen Tagesordnung und haben die Mammuthaushaltsplanberatungen in zweiter Lesung auch wirklich beendet.

Ich rufe um 20:08 Uhr auf:

2   Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1264

erste Lesung

In Verbindung mit:

Anforderungen an eine neu zu erstellende Verordnung zur Selbstüberwachung von Abwasseranlagen – Selbstüberwachungsverordnung – SüwAbw

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1265

Und:

Dichtheitsprüfung bürgerfreundlich umsetzen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1270 – Neudruck

Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion der SPD Herrn Kollegen Meesters das Wort.

Norbert Meesters (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinter uns allen liegt bereits eine lang andauernde Diskussion über den sogenannten Kanal-TÜV, die Funktionsprüfung der privaten Abwasserkanäle hier in Nordrhein-Westfalen. Dabei haben wir vieles erlebt, was, vornehm ausgedrückt, an Legendenbildung heranreicht. Vielleicht sollte man da aber lieber von Grimms Märchen reden, und der größte Märchenonkel in dieser Geschichte waren Sie, Herr Hovenjürgen.

(Beifall von der SPD)

Sie haben nämlich nichts unversucht gelassen, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu täuschen und von der eigenen Verantwortung zur Dichtheitsprüfung abzulenken.

Herr Deppe, mit dem wir sehr sachorientiert an dem Thema gearbeitet haben, hat mir immer ein bisschen leidgetan. Ich habe mir immer gedacht: Was muss sich der Mann all die Wochen und Monate fremdschämen angesichts dessen, was Sie dort gemacht haben.

(Beifall von der SPD)

Dass die heutige Opposition von CDU und FDP im Jahre 2007 unter großem Tamtam und voller Eigenlob die Dichtheitsprüfung von der Landesbauordnung in das Landeswassergesetz überführt hat, ohne die heute von ihr angemahnten Änderungen vorzunehmen, wurde und wird in der Diskussion von Ihnen gerne unterschlagen.

Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass wir alle festgestellt haben, dass die bisherigen Regelungen nicht in Gänze praxistauglich waren. Dass Vertreter der damaligen Regierungsfraktionen – also die schwarz-gelben Verursacher der heute noch geltenden Regelung – in den vergangenen Monaten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck erweckten, als hätten sie damit nichts zu tun gehabt – ich erwähnte es schon –, war in Bezug auf manche Formulierungen ihrer Desinformationskampagne an Dreistigkeit kaum zu überbieten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Von daher hat es mich immerhin gefreut, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, die Historie und die eigene Verantwortung für das noch geltende Landeswassergesetz in Ihrem aktuellen Antrag zumindest noch einmal angesprochen und dokumentiert haben.

Bei aller politischen Auseinandersetzung darf letztendlich die eigentliche Problematik aber nicht aus dem Auge verloren werden: der Schutz des Grundwassers. Deswegen ist es noch einmal wichtig, zu erwähnen und klarzustellen: Trinkwasser ist unser Lebensmittel Nummer eins. Der Schutz dieses Lebensmittels muss soweit wie möglich gewährleistet werden. Aus diesem Grunde muss die Funktionsfähigkeit der Abwasserleitungen selbstverständlich gegeben sein. Die Fraktionen von SPD und Grünen haben daher einen gemeinsamen guten Vorschlag für die Änderung des Landeswassergesetzes sowie einen Antrag, der die Anforderung für eine Verordnung zur Selbstüberwachung definiert, vorgelegt. Die Regelung ist bürgerfreundlich, praxistauglich und trägt selbstverständlich dem Besorgnisgrundsatz, wie er im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes gefordert wird, Rechnung.

Sie kennen die Vorlage. Ich brauche nicht alles zu erwähnen, was wir dort vorschlagen. Wichtig ist aber: Das bedeutet für private Abwasseranlagen, dass für Wohnhäuser, die nicht in Wasserschutzgebieten stehen, keine Prüffristen mehr vorgesehen sind. Ich glaube, mit dieser wichtigen Änderung haben wir eine gute Lösung für die Menschen gerade auch in den ländlichen Regionen gefunden.

In den Wasserschutzgebieten werden wir Prüffristen bis 2015 bzw. 2020 beibehalten, weil es eben beim Schutz des Trinkwassers in dieser Richtung keine Kompromisse geben darf. Dabei verlieren wir nicht den Blick auf die Menschen. Für uns als SPD ist es besonders wichtig, dass wir auch soziale Härtefälle im Blick behalten. Daher können die Bürgerinnen und Bürger günstige Fördermöglichkeiten des Landes in Anspruch nehmen, um die finanziellen Belastungen auf das kleinstmögliche Maß zu reduzieren. Oder anders ausgedrückt: Die Oma wird selbstverständlich ihr kleines Häuschen mit Sicherheit behalten können. Dafür sorgen wir; denn für die Sanierung privater Kanäle gibt es passgenaue Förderangebote in Form von Zuschussförderungen oder Darlehen, für die wir im Landeshaushalt bis zu 10 Millionen € bereitstellen werden.

Nach der Anhörung zu den Anträgen der Regierungsfraktionen und der Opposition werden wir alle Überlegungen und Anregungen, die im Laufe des Beratungsverfahrens in die Diskussion kommen, in eine endgültige Abwägung einfließen lassen. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sollten wir diese Anhörung gleich in der zweiten Januarwoche durchführen. Dies entspricht sicherlich auch der Interessenlage der Opposition, die eine zügige Novellierung der Dichtheitsprüfung gefordert hat. Es ist für uns im Übrigen selbstverständlich, dass wir auch Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinitiativen zu dieser Anhörung einladen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und mit dem Antrag haben wir einen guten Vorschlag gemacht und eine gute Lösung gefunden. Wir haben einen guten inhaltlichen Vorschlag für eine bürgerfreundliche und trinkwasserschutzorientierte Regelung vorgelegt. Ich freue mich nun auf die inhaltliche Diskussion im Fachausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Meesters. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Markert das Wort.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu vorgerückter Stunde – wir haben ja heute noch einiges vor uns – behandeln wir wieder ein Thema, das wir jedenfalls in meiner noch relativ kurzen Zeit als Abgeordneter von allen Seiten gut und intensiv behandelt haben, wobei die meisten Argumente intensiv ausgetauscht worden sind.

Es geht, wenn man sich die Häufigkeit der Befassung des Parlaments anschaut, um ein großes Thema. Der weise Solon hat einmal gesagt: In großen Dingen ist es schwer, es immer allen recht zu machen.

(Kai Abruszat [FDP]: Wohl wahr, wohl wahr!)

Wir hatten uns – und haben das im Koalitionsvertrag noch einmal festgeschrieben – eine Lösung in dieser Frage vorgenommen, an der bis auf die Piraten alle hier im Landtag vertretenen Parteien in den letzten 15, 20 Jahren mitgewirkt, sich versucht haben. Wir wollten eine faire, interessenabwägende Lösung finden.

Es ist in der Tat so: Man kann es natürlich nicht immer allen recht machen, aber ich glaube, der Vorschlag, der nun nach langer Zeit auf den Tisch gekommen ist, ist eine gute Grundlage. Wir haben – darauf hat Kollege Meesters hingewiesen – in den Wasserschutzgebieten das Prinzip der Besorgnis noch einmal sehr intensiv gewürdigt. Da, wo es darum geht, unser Trinkwasser zu produzieren, ist es in besonderer Weise notwendig, den Schutz in den Mittelpunkt zu stellen. Insofern wird es dort bei den Fristen bleiben. Ich vermute, die allermeisten im Lande werden verstehen, dass hier der Besorgnisgrundsatz einer besonderen Würdigung bedurfte.

Ich kann deswegen nicht ganz nachvollziehen, warum Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der heutigen Opposition, CDU und FDP, jetzt noch versuchen, in den Wasserschutzgebieten das auch noch infrage zu stellen. Sie könnten doch auch die Größe besitzen und sagen: Das war ein Irrtum. – Cicero hat jedenfalls einmal gesagt: Jeder Mensch kann irren, nur der Tor im Irrtum verharren.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oho!)

Als Umweltpolitiker hat man in diese Auseinandersetzung auch Interessen mit hineingebracht. Es gibt natürlich auch soziale Interessen, wirtschaftliche Interessen und viele andere Interessen, die bei so einer Geschichte auch berücksichtigt werden müssen.

(Kai Abruszat [FDP]: Vor allem Bürgerinteressen!)

– Ja, lieber Kai Abruszat, die FDP wird gleich auch noch die Möglichkeit haben, sich noch einmal in den Geschichtsbüchern zu verewigen und vielleicht neues Gedankengut zu präsentieren. Aber wir alle sollten versuchen – jetzt, wo wir uns alle auf den Weg machen, das ganze Thema zu entkrampfen –, verbal abzurüsten.

Ich bin der Meinung, dass wir in Gebieten, in denen Bürgerinnen und Bürger außerhalb von Wasserschutzgebieten wohnen, gut daran tun, vor dem Hintergrund des Gewässerschutzes auch noch einmal intensiv nachzugucken: Wie können wir das Wasser wirklich dort schützen? Wie können wir den Bürgerinteressen entgegenkommen? Deswegen ist das Monitoring, das wir jetzt vereinbaren wollen, auch richtig, noch einmal genau nachzugucken, welche Gefahren drohen und welche nicht.

Ich will aber auch in Richtung der FDP, einer sogenannten liberalen Partei,

(Zurufe von der FDP)

sagen: Die Freiheit zu entscheiden, Herr Lindner, ob ich eine Prüfung in diesem Fall durchführe oder nicht, hat als Kehrseite der Medaille auch die Freiheit zur Verantwortung. Das bedeutet: Wenn ich mich entscheide, das, was die DIN-Norm vorsieht, nämlich meine Kanäle in Ordnung zu halten, nicht durchzuführen, dann muss ich auch für die Konsequenzen geradestehen, wenn es zu einem Schaden kommt so wie vor einiger Zeit in Solingen, wo es infolge eines beschädigten privaten Kanals zu einer empfindlichen Störung im öffentlichen Verkehrsraum gekommen ist.

Wir hatten gerade den Verkehrsetat. Wenn Autos dann nicht fahren können, weil Kanäle eingestürzt sind, dann muss der Private dafür auch geradestehen. Verantwortungsliberalismus gibt es auch noch. Der Bundespräsident redet davon völlig zu Recht.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

– Ja, es gehört zu einer ehrlichen Debatte dazu, Herr Brockes, dass Sie das den Bürgerinnen und Bürgern in den Bürgerinitiativen dann auch sagen.

Last, but not least: Ich hoffe, dass wir jetzt eine gute und sachliche Anhörung machen werden, dass wir den Prozess für die nächsten Jahre hoffentlich zu einem guten Ende bringen können, so wie Rot-Grün es jetzt vorgeschlagen hat. Wir werden in den Beratungen, in der Anhörung und im parlamentarischen Verfahren allerdings auch Antworten für die Menschen finden müssen, die im Vertrauen auf Politik und Gesetze in den letzten Jahren investiert haben, also Bürgerinnen und Bürger, die ihre Kanäle bereits haben sanieren lassen,

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

und Handwerkerinnen und Handwerker, die den Auftrag hatten, Gesetze umzusetzen. Auch deren Interessen werden wir im parlamentarischen Verfahren jetzt ausreichend würdigen. Ich bin guter Hoffnung, Frau Präsidentin, dass wir das nicht nur heute Abend miteinander hinbekommen, sondern dass wir das auch in den Beratungen gut hinbekommen. Dann können wir dieses Thema vielleicht auch Anfang nächsten Jahres wirklich abschließen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger sind auch nach den Diskussionen in den letzten Wochen zur Dichtheitsprüfung beunruhigt, weil in den Medien suggeriert wird, dass die Dichtheitsprüfung jetzt endgültig vom Tisch sei.

In der Tat kann ich die Bürger sehr gut verstehen, wenn sie bei diesen irreführenden und gegensätzlichen Äußerungen nicht mehr mitkommen, die uns die Landesregierung bei diesem Thema in den letzten Wochen geboten hat.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ministerpräsidentin Kraft hat im Wahlkampf und auch auf dem jüngsten Landesparteitag der SPD weiterhin versprochen, dass es zu einer bürgerfreundlichen Lösung kommt, zu keiner verpflichtenden flächendeckenden Dichtheitsprüfung für private Abwasseranlagen. Das ist erst mal gut. Darüber freuen wir uns.

Das Komische war: Noch eine Woche davor bekräftigte das Umweltministerium schriftlich gegenüber dem Umweltausschuss, dass es weiterhin Linie der Landesregierung sei, an einer generellen Prüfpflicht festzuhalten, nur um dann wenige Tage vorher das Ganze zu widerrufen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so sieht keine abgestimmte Regierungsarbeit aus. Das beunruhigt die Bürger.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich glaube natürlich, dass wir – das wurde gerade schon angesprochen – alle ein Interesse daran haben, diese fast unendliche Geschichte zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt abzuschließen. Darum lohnt sich ein Blick in den Entwurf von SPD und Grünen.

Sie sagen darin, dass die flächendeckende Prüfpflicht an sich vom Tisch ist. In Ihrem Antrag steht aber, dass Sie in Wasserschutzgebieten an einer generellen Prüfpflicht festhalten wollen. Ich muss zugeben: Im ersten Moment mag das umweltpolitisch vernünftig klingen. Aber man muss genauer hinschauen und sich fragen, wo eigentlich die Wasserschutzzonen sind und in welchem Umfang die Bürger betroffen sind.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das schon durch die Medien ging: In der Stadt Köln sind 50 % der Fläche der Stadt betroffen. Das bedeutet eben auch: Circa 50 % der Haushalte unterfallen einer generellen Prüfpflicht. Wir sagen: Eine allgemeine Prüfpflicht darf auch nicht regional bedingt durch die Hintertür eingeführt werden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Kollege Markert, ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, dass man sich Wasserschutzgebiete gesondert ansehen müsse. Wir sind aber der Meinung, dass es sich lohnt, auch hier ein bisschen differenzierter und genauer hinzuschauen. Es gibt zum Beispiel unterschiedliche Wasserschutzzonen. Lohnt es sich denn da nicht – das haben wir auch angeregt –, in diesen Zonen mit unterschiedlichen Prüfpflichten zu arbeiten?

(Zurufe von der SPD)

Das wäre sachgerecht, und der Antrag der FDP-Fraktion geht genau darauf ein.

(Beifall von der FDP)

Viele Aufgaben kommen nach Ihrem Entwurf aber auch auf die Kommunen zu. Zum Beispiel ist die Beratungspflicht ein Stichwort. Außerdem sollen die Kommunen weiterhin über Prüffristen entscheiden können. Das hört sich erst einmal gut an. Denn die Kommune kann vor Ort auf regionale Belange eingehen; das ist grundsätzlich richtig.

Ich kann Ihnen aber versprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen: Wir werden sehr genau darauf achten, dass Sie nur die Verantwortung auf die Kommunen übertragen und ihnen nicht gleichzeitig den Schwarzen Peter zuschieben.

Insgesamt muss ich sagen, dass ich weiterhin skeptisch bin, ob Sie nicht am Ende über den Weg der Rechtsverordnung doch im Prinzip alle Anlagen verpflichtend prüfen lassen wollen. Am Ende könnte es dazu kommen, dass die Kommunen genau diese Politik vor Ort erklären und auch umsetzen müssen. Das ist keine ehrliche Politik, sondern ein fauler Koalitionskompromiss auf dem Rücken der Bürger und der Kommunen.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Lassen Sie mich abschließend zum nach meiner Ansicht entlarvenden Punkt kommen. Sie bitten in Ihrem Antrag die Landesregierung, ein Monitoring über die Auswirkungen von undichten privaten Abwasserleitungen durchzuführen.

Mich interessiert vor diesem Hintergrund, da es eine unendliche Geschichte ist, warum Sie erst nach so langer Zeit auf dieses Monitoring drängen. Bislang waren Sie doch auch ohne entsprechenden flächendeckenden Nachweis davon überzeugt, dass schwerste Schäden durch defekte Abwasserleitungen drohen. Im ersten Schritt heißt das Generalverdacht mit einer Prüfpflicht für alle, und im zweiten Schritt können wir im Monitoring schauen, wie es mit einem wissenschaftlichen Nachweis aussieht.

Ich meine: Es wäre viel vernünftiger und sachgerechter, das Monitoring vorzuziehen, um im zweiten Schritt zu schauen, was beim Monitoring herausgekommen ist. Verantwortungsbewusst und folgerichtig wäre es deshalb, wenn wir erst einmal das Ergebnis dieses Monitorings abwarten, bevor erste Fristen greifen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Das hättet ihr unter Schwarz-Gelb ja machen können! – Gegenruf von Christof Rasche [FDP])

Der Gesetzentwurf von CDU und FDP ist weiterhin im parlamentarischen Verfahren. Er bietet weiterhin den durchdachteren und bürgerfreundlicheren Ansatz.

Ich kann Sie an dieser Stelle nur noch einmal herzlich einladen, sich unserem Entwurf anzuschließen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Hovenjürgen das Wort.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Jetzt schon falsch! – Heiterkeit)

Josef Hovenjürgen (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst einmal zur Richtigstellung, lieber Herr Meesters: Rot-Grün hat die Dichtheitsprüfung erfunden und die Frist festgesetzt. Schwarz-Gelb hat es versäumt, 2007 daran etwas zu ändern. Das ist die Wahrheit. Das gehört an den Anfang gestellt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zuerst möchte ich mich an Sie, Herr Minister Remmel, wenden, da sie sonst so auskunftsfreudig sind, und noch etwas anmahnen. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage der Kollegin Schulze Föcking und mir vom 27. September 2012 steht immer noch aus. Sie sollten dem Parlament mit etwas mehr Ernsthaftigkeit entgegentreten, auch was Fragestellungen angeht.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Nun zum Gesetzentwurf: Der von der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen eingereichte Gesetzentwurf sowie die ergänzende Antragstellung einer neuen Verordnung zur Selbstüberwachung von Abwasseranlagen macht Folgendes deutlich: Sie können und wollen nicht über Ihren Schatten springen.

Erstens. In Wasserschutzgebieten bleibt es beim Generalverdacht für alle häuslichen Abwasseranlagenbetreiber.

Zweitens. Kein Wasserversorger in diesem Land hat bisher die Forderung aufgestellt, private häusliche Abwasseranschlüsse aufgrund von Grundwassergefährdungen untersuchen zu lassen.

Der von CDU und FDP eingebrachte Gesetzentwurf nimmt diesen Sachverhalt auf und formuliert bei begründetem Verdacht eine Untersuchungspflicht. Sie allerdings verlagern mit Ihrem Gesetzentwurf die Verantwortung in die Städte und setzen sich über die Erkenntnis, dass es keinen Zusammenhang zwischen Grundwasserverunreinigung und häuslichen Abwässern gibt, hinweg. Sie glauben, die Gemüter in der Fläche mit dieser halbherzigen Lösung beruhigen zu können.

(Beifall von der CDU und Henning Höne [FDP])

Das Haus Remmel soll jetzt in einer neuen Verordnung Ihren Plan administrieren. Die Erfahrungen, die man mit dem Hause Remmel hat machen können, werden sicherlich nicht zur Beruhigung vor Ort beitragen können.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Insbesondere die von Ihnen aufgeführten Punkte machen deutlich, dass dieser Antrag nichts anderes als ein Versuch der Gesichtswahrung und die Beruhigung der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer ist.

Fakt ist: Die Fachlichkeit geht Ihnen hierbei völlig verloren. Der von Ihnen angeführte Vorsorgegrundsatz löst sich in Luft auf. Denn auch Ihnen ist bekannt, dass sich die grundwasserführenden Schichten nicht ausschließlich auf Trinkwasserschutzgebiete reduzieren lassen und dass somit, wenn Sie einen Gefährdungsfaktor sehen, den es nach unserer Auffassung nicht gibt, dieser für das Grundwasser grundsätzlich gelten müsste. Insofern widersprechen Sie sich in diesem Fall selbst.

Des Weiteren bleibt für uns feststellbar, dass Sie die Verschärfung des Vorgehens herbeiführen, wo keine belegbaren Gefährdungspotenziale vorhanden sind. Aber dort, wo es Gefährdungspotenziale gibt, fehlt Ihnen, Herr Minister, offensichtlich die Handhabe.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Hovenjürgen, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Markert zulassen?

Josef Hovenjürgen (CDU): Nein, ich würde jetzt gern im Zusammenhang vortragen. Herr Markert hat schon seine eigene Redezeit überzogen, dann muss er mich nicht an meiner Zeiteinhaltung hindern.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Wir kommen zum Beispiel zu den Ereignissen der Raffinerie in Wesseling. Dort gibt es eine 70 Jahre alte Pipeline, durch die Kerosin mit Druck gepumpt wird. Die Landesregierung hat keine wirkliche Handhabe der Kontrolle. Jeden Tag gibt es neue Meldungen über Leckagen. Aber Sie, Herr Remmel, haben eine verheerende Sprachlosigkeit zu diesem Thema an den Tag gelegt.

Wo Grundwassergefährdung stattfindet, sieht man sie nicht. Wo Sie den Bürger angehen können, machen Sie das. Greifen Sie da ein, wo es vonnöten ist.

(Beifall von der CDU)

Offensichtlich wird hier aus ideologischen Gründen gehandelt. Das ist bedauerlich. Die Fremdwasserproblematik zum Beispiel, die vielfach zu Sanierungsmaßnahmen führt, hat mit Grundwasserschutz gar nichts zu tun, sondern sie ist deswegen so herausgehoben favorisiert, weil es für sie die meisten Zuschüsse gibt. Aber der Bürger und Gebührenzahler darf sie mit bezahlen.

Was die Fremdwasserproblematik im Ruhrgebiet angeht, bitte ich Sie dringend darum, Herr Minister, dass Sie auch dort das Verursacherprinzip anwenden und dass diejenigen, die für die Fremdwasserproblematik durch Bergsenkung gesorgt haben, auch die Reparatur und die Wiederherstellung des Zustandes, der diesen Umstand beseitigt, auf Ihre Kappe nehmen und auch bezahlen.

(Beifall von der CDU)

Wir halten Ihren Gesetzentwurf für nicht ausreichend und für nicht zielführend. Der Gesetzentwurf von CDU und FDP geht in die richtige Richtung. Er ist verhältnismäßig, er wahrt den Vorsorgegrundsatz, er reagiert richtig, überfordert niemanden. Insofern freue ich mich auf die Beratung und auf die Diskussion in der Anhörung.

Am Ende werden wir wissen, dass wir einen bürgerfreundlichen und guten Vorschlag auf den Weg gebracht haben. Vielleicht können Sie am Ende doch noch über Ihren Schatten springen, und dann hätten wir eine große Gemeinsamkeit. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die Piraten spricht der Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe fünf Minuten, um über die Dichtheitsprüfung und über die Änderung des Landeswassergesetzes zu reden. Das finde ich großzügig bemessen angesichts der Tatsache, dass das Thema eigentlich schon seit 20 Jahren vor sich hin köchelt. Es heißt auch nicht mehr Dichtheitsprüfung, sondern es heißt jetzt Funktionsprüfung. Twix ist jetzt Raider. Das heißt die Landesregierung bewegt sich langsam. Sie bewegt sich allerdings zu langsam und nicht weit genug.

Gut an dem Vorschlag der Landesregierung ist, dass weiterhin eine bundeseinheitliche Regelung angestrebt wird. Wenn sich die 16 Bundesländer und der Bund auf eine gemeinsame Regelung einigen müssen, dann verhindert das nämlich den Extremismus, der in dem ursprünglichen Antrag der Regierung zum Ausdruck kam. Gut ist auch die Subsidiarität, dass man über kommunale Satzungen auf lokale Gegebenheiten Rücksicht nehmen kann und dass dadurch die ganze Sache dichter an den Bürger kommt. Allerdings besteht die Gefahr, dass der schwarze Peter den Kommunen zugeschoben werden soll. Wir werden darauf achten, dass das nicht passiert.

Gut ist auch die Unterscheidung zwischen Wasserschutzgebieten und Nicht-Wasserschutzgebieten, denn sie wären in ein Verfassungsproblem, nämlich mit dem Willkürverbot, hineingelaufen, wonach man Gleiches gleich behandeln muss und Ungleiches ungleich. Das haben Sie in den ersten Entwürfen nicht getan. Das haben Sie nun geheilt.

Gut ist auch die Beibehaltung weiterer Differenzierungen zwischen gewerblichen und privaten Leitungen. Auch das Drei-Hektar-Kriterium scheint vernünftig begründbar zu sein.

Gut ist auch, dass es die drei Schadensklassen gibt, dass man also auf unterschiedliche Schäden, die festgestellt werden, auch unterschiedlich, angemessen und flexibel reagieren kann.

Insgesamt ist dieser Antrag der Regierung aber unzureichend. Es gibt nämlich weiterhin einen Generalverdacht für Wasserschutzgebiete. Das ist wieder ein nach wie vor nicht geheilter Verstoß gegen das Übermaßgebot der Verfassung. Die Bürgerinitiativen haben das erkannt und haben sich nicht täuschen lassen. Die Oppositionsparteien in diesem Landtag haben sich ebenfalls nicht täuschen lassen.

Am Sonnabend findet in Übach-Palenberg eine Großveranstaltung der Bürgerinitiativen zu dieser Thematik statt. Ich würde es begrüßen, wenn sich dort auch einmal Vertreter von SPD und Grünen sehen ließen. Ich bin bei einigen Veranstaltungen von Bürgerinitiativen gewesen, wo aus dem Landtag Vertreter der Piraten, von der CDU und von der FDP anwesend gewesen sind, aber keine Grünen und keine Sozialdemokraten. Das finde ich schade.

Wie sieht es eigentlich mit Gegenden aus, in denen es Ewigkeitsschäden durch Bergbau gibt? Ich hatte neulich das Vergnügen mit einem Mitglied der Grünen aus dem östlichen Ruhrgebiet zu sprechen, der davon betroffen war. Er hatte an seinem Haus eine Dichtheitsprüfung durchgeführt, weil er weiß, dass er in einem Bergsenkungsgebiet wohnt. Dabei waren Schäden festgestellt worden. Er hat sich dann mit den Verursacher in Verbindung gesetzt und verhandelt. Er ist also nicht den Gerichtsweg gegangen. Der war dann mit 5.000 € bei der Sanierung seines Kanals dabei für einen Schaden, für den er nicht verantwortlich war. Er hatte aber eben keine Lust, sich auf einen langen Prozess einzulassen. Der ist als Mitglied der Grünen von diesem Entwurf wenig begeistert.

Dieser Druck von unten, den wohl auch die SPD aus ihren eigenen Reihen verspürt hat, der wirkt jetzt. Das zeigt sich an der langsamen Bewegung der Regierung. Die SPD im Hochsauerlandkreis hat eine Volksabstimmung vorgeschlagen. Ich weiß nicht, wie die SPD-Landtagsfraktion das sieht. Der Vorschlag, eine Volksabstimmung durchzuführen, ist immer etwas, was bei uns Piraten auf fruchtbaren Boden fällt. Wir sind gerne mit dabei.

Die Grünen als Partei der rechtsschutzversicherten Oberlehrer,

(Beifall und Heiterkeit von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

deren Mitglieder im Durchschnitt gutes Geld und Häuser haben – ich habe eben das Beispiel von Ihrem Mitglied gebracht –, bekommen vielleicht auch einmal ein bisschen Druck aus den eigenen Reihen. Das wäre zu wünschen, damit sie von ihrem extremistischen Entwurf wegkommen.

Was die Legendenbildung angeht, die der Grüne Kollege Markert bekämpfen möchte, ist zu sagen: Kommen Sie doch nach Übach-Palenberg und erzählen Sie dort die Geschichte von Solingen. Die Vertreter der Bürgerinitiativen dort werden Ihnen gerne bei der Bekämpfung der Legendenbildung in diesem Punkt helfen.

Ich habe jetzt nur noch eine Minute.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt also keine Quelle oder wissenschaftliche Begründung für eine massive Gefahr, die von diesen undichten privaten Leitungen ausgeht. Deshalb ist auch kein Generalverdacht gerechtfertigt, auch nicht in Wasserschutzgebieten.

Der Antrag der Regierung ist in dieser Form nicht zustimmungsfähig. Allerdings geht es hier um die erste Lesung und um die Überweisung in den Ausschuss. Dieser Überweisung kann man natürlich zustimmen. Im Augenblick jedenfalls ist der FDP-Antrag, auf den ich aus Zeitgründen jetzt nicht näher eingehen kann, deutlich besser als der Regierungsantrag. Dem werden wir auf jeden Fall auch zustimmen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN, von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Remmel das Wort.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist im politischen Leben nicht ehrenrührig, wenn man zu einem späteren Zeitpunkt seine Meinung ändert, wie das offensichtlich CDU und FDP gegenüber der Legislaturperiode 2005 bis 2010 getan haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zur politischen Redlichkeit gehört aber auch, für das, was man in der Vergangenheit getan hat, dann die Verantwortung zu übernehmen und es nicht zu verschleiern. Was Sie gerade hier gemacht haben, ist die Verschleierung dessen, was Sie von 2005 bis 2010 tatsächlich auf den Weg gebracht haben.

(Christian Lindner [FDP]: Sie wollen verschleiern, was Sie 2012 gemacht haben!)

Das gehört zur Redlichkeit dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Frage der Funktionsprüfung und Dichtheitsprüfung ist nicht von Rot-Grün ins Wasserrecht geholt worden. Das war Ihre politische Leistung, die Sie vollbracht haben. Es gehört dazu, das hier und heute zu erzählen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Und Sie haben Fristen eingeführt!)

Es gehört auch dazu – Herr Ellerbrock, das tut mir jetzt leid; ich muss Sie an dieser Stelle zitieren –, dass Sie seinerzeit gesagt haben: Wir müssen enge Fristen setzen; deshalb 2015. Wir müssen es sogar mit einem Ordnungsgeld belegen, wenn die Fristen nicht erfüllt werden. – Das waren Forderungen, die von Ihrer Seite gekommen sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich möchte den Gedanken der Redlichkeit zu Ende führen; dann lasse ich die Fragen gerne zu. – Es gehört auch zur Redlichkeit dazu, darauf hinzuweisen, dass wir es hier mit Bundesrecht und der Umsetzung von Bundesrecht zu tun haben. Im Bundesrecht gibt es eine allgemeine Verpflichtung für jedermann, ob öffentlich oder privat, die Kanäle funktionsfähig und dicht zu halten. Das steht im Bundeswasserrecht.

Bitten Sie doch Ihren Bundesminister, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen, wie ich das getan habe, um bundeseinheitliche Standards hinzubekommen! Ihr Bundesminister lehnt das ab.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist es nur recht und billig, dass wir hier die Verantwortung übernehmen, die Sie offensichtlich nicht übernehmen wollen, um in einer Rechtsgeschichte, die in Nordrhein-Westfalen seit 1994 geschrieben wird, auch eine Fortsetzung zu finden, die nicht einfach einen Abbruch darstellt. Das ist das, was Rot-Grün Ihnen hier vorschlägt.

Nun kann man über das eine oder andere mit Sicherheit streiten. Die Frage des Monitorings ist von Ihnen in der Tat richtig gestellt. Wenn ich jetzt darauf verweisen würde, dass wir Untersuchungen haben – und wir haben Untersuchungen; das haben wir Ihnen auch im LANUV-Bericht dargelegt –, würden Sie aber an jeder einzelnen Untersuchung herumkritisieren. Deshalb haben wir gesagt: Dann machen wir ein wirklich breites Monitoring. Über die Frist – ursprünglich war einmal 2025 in der Diskussion; das ist in zwei Legislaturperioden – kann man immer noch reden, wenn entsprechende Ergebnisse vorliegen.

Jetzt geht es darum, das zu sichern, was notwendig ist, nämlich den Grundwasserschutz in Wasserschutzgebieten. Dazu gibt es einen zeitlichen Vorschlag. Es geht darum, die Entwicklung, die wir seit 1994 haben, in eine Rechtsetzung weiterzuführen, weil die engen Fristen, die Sie gesetzt haben – Überprüfung bis 2015 –, auch von den Kapazitäten her nicht umgesetzt werden können.

Damit schaffen wir Rechtssicherheit und geben den Kommunen Gestaltungsspielräume, jeweils ortsbezogene eigene Regelungen zu finden; denn die Unterschiedlichkeiten sind im Land tatsächlich vorhanden. Somit gestalten wir das Recht bürgerfreundlicher und praxistauglicher. Hiermit übernehmen wir die Verantwortung für eine Situation, die wir jedenfalls alleine in Nordrhein-Westfalen nicht zu verantworten haben.

Das Ganze wird mit einem Förderprogramm unterstrichen, um Anreize zu setzen, die Kanäle dort, wo es jetzt möglich ist, zu sanieren, und um auch die Menschen zu unterstützen, die sich das vielleicht nicht in vollem Umfang leisten können.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass die Sanierungspflicht erst dann eintritt, wenn wirklich schwere Schäden zu befürchten sind. Bei leichten Schäden gibt es überhaupt keine Sanierungspflicht. Bei mittleren Schäden existieren entsprechende Fristen, die einen langen Übergang gewährleisten. Wo schwere Schäden vorhanden sind, ist es aber auch notwendig, zu sanieren. Ich erinnere nur an das Beispiel in Solingen, wo ein privater Kanal nicht überprüft worden war und anschließend eine Straße wochenlang nicht befahren werden konnte, weil die Überprüfung und die Sanierung nicht stattgefunden hatten.

Hier sind möglicherweise auch Haftungsfragen zu beachten. Das kommt in Ihrem Entwurf ebenfalls zu kurz.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie schießen auf Flöhe!)

Ich will noch einen Aspekt erwähnen, der für die rechtliche Klarheit wichtig ist. Ein Ansatz, der rein auf Verdacht setzt, also nur dann eine Prüfpflicht – noch nicht einmal eine Sanierungspflicht – vorsieht, wenn ein Verdacht besteht, kehrt Rechtstatbestände auch des Bundesrechts um und ist meines Erachtens rechtswidrig.

(Beifall von Hans Christian Markert [GRÜNE])

Damit findet nämlich eine Beweislastumkehr statt, die aufgrund des Bundesrechts nicht statthaft ist. Schließlich ist jeder private und öffentliche Eigentümer verpflichtet, für sein Eigentum Sorge zu tragen. Das ist der Grundsatz, den der Bundesgesetzgeber uns hier aufgibt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Remmel, bevor ich Ihnen endgültig für Ihre Rede danke, habe ich noch eine Frage. Sie hatten angedeutet, die Zwischenfragen zuzulassen. Es gab zwei Fragen. Der erste Wunsch wurde von Herrn Rohwedder von den Piraten geäußert; der zweite Wunsch kam von Herrn Abruszat. Möchten Sie diese Zwischenfragen noch zulassen?

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Sehr gerne.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Rohwedder, bitte.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Herr Minister, Sie haben gesagt, dass CDU und FDP in ihrer Regierungszeit diese Sache ins Wasserrecht gesteckt haben. Sind Sie der Meinung, dass sie dort nicht hingehört? Falls ja: Warum ändern Sie das nicht? Falls nein: Warum formulieren Sie diese Feststellung als Vorwurf?

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich will das gerne beantworten. Es handelt sich hier in der Tat um einen Grenzbereich. Das Baurecht geht von dem Grundsatz aus, dass das Gebäude sicher und funktionsfähig ist – deshalb Funktionsprüfung; deshalb auch die ursprüngliche Verankerung im Baurecht.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Soll ich einmal Ihre Zitate aus der damaligen Debatte heraussuchen?)

Da wir es in diesem Zusammenhang allerdings auch mit Bodenschutz und Grundwasserschutz zu tun haben, lässt sich auch rechtfertigen, es im Wasserrecht zu verankern.

Ich will das gar nicht gegeneinander abwägen, sondern nur die Rechtsgeschichte deutlich machen. Für die Rechtsgeschichte trägt man auch Verantwortung, wenn man sie verändert hat. Diese Verantwortung wird von CDU und FDP nicht wahrgenommen. Das wollte ich deutlich machen.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke. – Jetzt hat Herr Abruszat das Wort. Bitte schön.

Kai Abruszat (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, ich hätte meine Frage gerne während Ihres Vortrags gestellt. So tue ich es aber auch gerne am Ende. Sie sind ein Mitglied dieser Landesregierung, das – wenn es auch einiges gibt, was uns inhaltlich unterscheidet –

(Zurufe von der SPD: Fragen!)

in der Tat sehr häufig durch Souveränität im Auftritt viele überzeugt. Deswegen frage ich Sie, Herr Minister: Können Sie diese Souveränität nicht auch heute im Plenum aufbringen und hier einfach einmal sagen: „Ja, wir haben zu spät eine bürgerfreundliche Lösung angestrebt; Gott sei Dank ist sie von CDU und FDP hier endlich auf den Weg gebracht worden“?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Also, da haben wir uns, glaube ich, nichts vorzuwerfen. Wir haben jeweils versucht, uns an den Vorschlägen zu orientieren, die zurzeit der Minderheitsregierung auch aus Ihren Reihen, von der CDU, gekommen sind. Wir haben versucht, eine gemeinsame Lösung zu finden, und haben dann im Frühjahr dieses Jahres festgestellt: Die Praxis, so wie Sie sie gesetzlich festgeschrieben haben, ist nicht tauglich. Deshalb die Veränderungsvorschläge! Das ist die Entwicklung, wie sie hier und heute vorliegt.

Insofern haben wir, meine ich, an der Stelle nichts zurückzunehmen, sondern sind konsequent den Weg gegangen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass ich die Beratung schließe.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/1264. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie außerdem an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Möchte dem jemand widersprechen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Ebenfalls nicht. Dann ist so überwiesen.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/1265. Der Ältestenrat empfiehlt uns ebenfalls die Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie außerdem an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen im Ältestenrat in Abweichung von unserer Geschäftsordnung einvernehmlich darauf verständigt haben, die abschließende Beratung dieses Antrages ebenfalls hier im Plenum durchzuführen. Möchte dem jemand widersprechen? – Sich enthalten? – Beides nicht. Dann wird einstimmig so verfahren.

Wir kommen zur Abstimmung über den dritten Teil, nämlich den Antrag Drucksache 16/1270 – Neudruck. Hier empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie mitberatend an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im Unterschied zum eben überwiesenen Antrag im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte dem jemand widersprechen? – Sich enthalten? – Beides nicht. Dann haben wir mit diesem Antrag so verfahren und sind am Ende des Tagesordnungspunktes 2.

Ich rufe auf:

3   Nordrhein-Westfalens Wirtschaft braucht Freiräume statt neuer Abgaben und mehr Bürokratie

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1277

Die Fraktionen haben sich entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung inzwischen darauf verständigt, die Debatte nicht heute, sondern nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu führen.

Wir kommen deshalb direkt zur Überweisungsabstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt uns die Überweisung des Antrages Drucksache 16/1277 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend – sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zur Mitberatung. Beratung und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses dann hier im Plenum erfolgen. Möchte dem jemand widersprechen? – Sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen, und ich schließe den Tagesordnungspunkt 3.

Ich rufe auf:

4   Freie Lernmaterialien fördern!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/1253

Auch hier haben sich die Fraktionen entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung darauf verständigt, die Debatte nicht heute, sondern nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu führen.

Deshalb kommen wir hier ebenfalls direkt zur Überweisungsabstimmung. Die Überweisung wird empfohlen an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend – sowie an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung zur Mitberatung. Beratung und Abstimmung erfolgen dann nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses im Plenum. Möchte hier jemand widersprechen? – Oder sich enthalten? – Nein, beides ist nicht der Fall. Dann ist auch das so überwiesen.

Ich rufe auf:

5    Neuausrichtung der EU-Strukturförderpolitik für NRW nach 2013

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1263

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellenden Fraktionen Herrn Kollegen Töns das Wort.

Markus Töns (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es sind ja nicht mehr so viele da um diese Uhrzeit.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das geht doch noch!)

Ich will mich in Anbetracht der Zeit kurz fassen.

Die neue Förderperiode der Europäischen Union, die 2014 beginnt und 2020 endet, wird eine entscheidende Förderphase sein. Zurzeit findet die Debatte über die Ausrichtung der EU-Strukturpolitik auf allen Ebenen statt.

Vor dem Hintergrund der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise werden Investitionen in Wachstum und Beschäftigung dringend erforderlich sein. Weil die neue Förderperiode 2014 beginnt, ist es dringend notwendig, dass NRW sich positioniert.

Die EU orientiert sich in dieser Förderperiode an den Zielen der Europa-2020-Strategie. Ein zentrales Ziel wird die Wirksamkeit der Strukturinstrumente unter anderem durch eine Konzentration der Mittel sein.

So haben sich Rot und Grün auf den Weg gemacht, eine Förderpolitik aus einem Guss zu formulieren. Das ist ein zentraler Punkt unserer Förderpolitik der nächsten Jahre. Es wird eine Kohäsions- und Strukturpolitik aus einem Guss sein. Das heißt, dass wir eine gemeinsame strategische Plattform für alle EU-Programme in NRW schaffen wollen.

Wir wollen in NRW die Fonds für regionale Entwicklung – EFRE –, den Europäischen Sozialfonds – ESF – und den Fonds für ländliche Entwicklung – ELER – unter ein strategisches Dach stellen. Das ist kein frommer Wunsch, sondern wird landespolitische Realität. Wir werden die Strukturfonds vernetzen, und wir werden einen gemeinsamen problemorientierten Ansatz wählen. Ressortdenken, meine Damen und Herren, war gestern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen werden diesen modernen und richtigen Politikansatz gehen. Wir werden die Verwaltung der Fondsmittel effizienter und einfacher gestalten, gerade um kleinere und mittelständische Unternehmen, aber auch Kommunen in die Lage zu versetzen, wieder stärker an der Förderung zu partizipieren.

Wir werden auch dafür Sorge tragen, dass sich gerade Nothaushaltskommunen an Strukturfondsprojekten beteiligen können. Gerade in diesen Kommunen müssen Investitionen in die Zukunft möglich sein.

Wir werden weiterhin strukturschwache Regionen fördern, ohne starke Regionen zu vernachlässigen. Deshalb wird die Landesregierung einen Steuerungsmechanismus entwickeln, der den Ausgleich regionaler Disparitäten gerade in NRW gewährleistet.

Sie sehen, mit diesem Antrag sind wir auf dem richtigen Weg. Ich wünsche uns für die Beratung heute und für die Abstimmung einen guten Erfolg. Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Kollege Engstfeld.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich auf einen einzigen Punkt beschränken, der sehr aktuell ist.

Die zukünftige Ausstattung der Strukturmittel hier in Nordrhein-Westfalen ist direkt abhängig von der mehrjährigen Finanzplanung in Brüssel. Der mehrjährige Finanzrahmen legt die Gelder fest, die nachher verausgabt werden können. Das wird gerade aktuell in Brüssel verhandelt. Die Bundesregierung geht hin und möchte eine Kürzung dieses EU-Budgets vornehmen, nämlich auf 1 % der Mittel der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union. Der Vorschlag der Kommission war, 1,1 % zu nehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, das, was überhaupt nicht geht, ist, dass die Bundesregierung mit dem Vertrag von Lissabon der Europäischen Union mehr Aufgaben und mehr Verantwortung zuschustert, in Zeiten der größten Wirtschafts- und Finanzkrise, in der wir dringend Investitionen und Impulse für nachhaltiges Wachstum brauchen, und jetzt hingeht und Gelder kürzt. Und was überhaupt nicht geht, ist, nachher anzukommen und zu fragen: Warum könnt ihr dieses oder jenes denn nicht fördern, wenn jetzt der Finanzrahmen so beschnitten werden soll? Das geht nicht.

Insofern kann ich nur sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb: Bitte machen Sie Druck in Berlin und bringen Sie die Bundesregierung auf einen anderen Kurs, damit diese unsinnigen Kürzungen, die derzeit geplant sind, zurückgenommen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin von Boeselager.

Ilka von Boeselager (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Engstfeld, wir machen nicht Druck in Berlin, wir machen Druck hier in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD)

Seit Monaten diskutieren wir, ohne dass das von Ihnen Berücksichtigung findet. Jetzt kommen Sie plötzlich mit einem Antrag, in dem Sie alles, was die Landesregierung in den letzten Wochen vorgeschlagen hat, nur abschreiben. Das ist aus unserer Sicht viel zu einfach. Ich erinnere: Als wir unseren Antrag im September hier diskutierten, war es der Kollege Schmeltzer, der hier völlig aus der Rolle fiel und unseren Antrag in Grund und Boden riss

(Jochen Ott [SPD]: Das würde er nie machen!)

und sich sogar dahin gehend ausließ, dass die Europaabgeordneten in Brüssel in Sachen Tourismus gar nichts zustande bringen könnten. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Europaabgeordneten haben es gemacht, und sie haben es geschafft, auch noch die Förderung für den Tourismus möglich zu machen.

Wir alle sollten uns darauf begrenzen, dass wir hier tatsächlich vor Ort das, was dringend nötig ist, in der Fläche – Breitband und Brachflächenumwandlung – fördern. Ich stimme Minister Duin darin zu, als er gesagt hat, wir müssten Sorge dafür tragen, dass eine Straffung der Abläufe hier vorgenommen werden kann. Ich sage Ihnen aber auch: Das darf nicht zulasten der Kommunen stattfinden. Dann wären wir nicht damit einverstanden.

Auch bei der KMU-Förderung, die nun wirklich wichtig ist, drängen wir darauf, die Infrastrukturförderung vor Ort zu stärken. Wenn das alles von Ihnen hier unterstützt wird, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Ansonsten werden wir uns noch weiter in die Diskussion einbringen.

In Ihrem Antrag schreiben Sie – das muss ich noch erwähnen, das ist ja fatal –, die Vergabe der Fördermittel – Frau Präsidentin, ich lese vor – erfolge auf der Grundlage wettbewerblicher Auswahlverfahren oder anderer kriteriengesteuerter Verfahren. Da frage ich mich: Was ist es denn letztlich? Das ist doch eine völlige Beliebigkeit. Das können und wollen wir nicht akzeptieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Brockes.

Dietmar Brockes (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich den Antrag der Koalitionsfraktionen anschaut, könnte man beim ersten Eindruck dazu kommen, dass dieser Antrag zustimmungsfähig sein könnte. Er enthält viele Allgemeinplätze und viele Phrasen, gegen die man eigentlich nicht viel haben kann.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben bewusst ein Verfahren gewählt, das keine weiteren Diskussionen mehr zulässt und damit eben auch nicht zulässt, dass man weitere Anregungen und positive Punkte hineinbringt.

(Jochen Ott [SPD]: Das wollen Sie doch gar nicht!)

Sie haben hier heute bewusst die direkte Abstimmung gewählt. Das macht deutlich: Sie wollen uns hier Ihre Position vorlegen und diese auf jeden Fall durchboxen. Das werden wir so natürlich nicht mitmachen. Denn, meine Damen und Herren, das kann doch nun wirklich nicht sein, nachdem wir dieselbe Diskussion zum CDU-Antrag bereits vor wenigen Wochen geführt haben, in der wir deutlich betont haben, wie wichtig aus unserer Sicht die Fortführung der erfolgreichen Wettbewerbsverfahren ist, die Sie gerade ausgesetzt haben, angeblich mit dem Argument, Sie wollten diese überarbeiten und überprüfen. Wenn ich dann einen Antrag über fünf Seiten erhalte, wo in keinem einzigen Satz die erfolgreichen Wettbewerbsverfahren aufgeführt sind,

(Zuruf von Markus Töns [SPD])

dann macht dies deutlich, Herr Kollege Töns, dass Sie diese Wettbewerbsverfahren nicht haben wollen. Sie wollen wieder nach Gutdünken Ihre Klientel bedienen und nicht erfolgreiche Projekte fördern. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Piraten spricht der Kollege Fricke.

Stefan Fricke (PIRATEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen ist bemerkenswert – bemerkenswert, weil hier mit viel Mühe viel Schaum geschlagen wird.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Mit Ausblicken, Absichtserklärungen und Ankündigungen alleine lässt sich nach Meinung der Piraten nämlich Politik nicht wirklich gestalten.

Die Piratenfraktion wird aufmerksam beobachten, ob Ihren Worten auch Taten folgen. Hierzu beispielhaft drei Fragen: Wird die Landesregierung es schaffen, finanzschwachen Kommunen die Beteiligung an Strukturfondsprojekten zu ermöglichen? Können sich strukturschwache Regionen in NRW darauf verlassen, bei der Verteilung der Fördermittel angemessen berücksichtigt zu werden, wie Sie es kraftvoll verkünden? Wie kann der Zugang zu Fördermitteln für kleine Unternehmen einfacher und attraktiver gestaltet werden?

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

An der Bewältigung dieser Fragen wird sich die Landesregierung messen lassen müssen. Wir Piraten bieten Ihnen auch an dieser Stelle an, mit uns zusammenzuarbeiten, um tragbare Lösungen für die Bürger, Kommunen und Unternehmer des Landes zu schaffen.

In Punkt 7 Ihres Antrags weisen Sie auf die stärkere Einbindung sozial relevanter Interessenverbände hin. Leider scheint Ihr rot-grünes Gesellschaftsbild aus den 70er-Jahren zu stammen. Denn wir vermissen dabei alle aktuellen Akteure wie Verbraucherschutz-, Menschenrechts-, Datenschutz- und Migrantenvertretungen.

(Beifall von den PIRATEN)

In Punkt 9 fordern Sie die Erweiterung des Förderungskatalogs. Ob die begrenzten Fördermittel für nachhaltigen Tourismus – so wünschenswert dies auch ist – ausgegeben werden sollen, ist fraglich.

Die Piratenfraktion unterstützt natürlich ausdrücklich den Ausbau des Breitbandnetzes. Warum die Landesregierung die Investitionen in die Zukunftstechnologie mit nur ca. 10 Millionen € im Jahr fördert, ist uns ein Rätsel. Die Berücksichtigung dieses Punktes im Förderkatalog des EU-Strukturfonds wäre eindeutig zu befürworten.

Grundlegende Bedingung für eine wirksame Förderung ist, dass die Mittel an den richtigen Stellen vor Ort ankommen und nicht zuvor versickern. Der aktuelle Bericht des Europäischen Rechnungshofs macht aber erschreckend deutlich, dass dies durchaus nicht selbstverständlich ist. Die Piratenfraktion fordert die Landesregierung an dieser Stelle explizit auf, nachzuprüfen, ob ein verschwenderischer Umgang mit Fördermitteln auch in NRW stattgefunden hat oder stattfindet.

Erlauben Sie mir noch eine letzte Bemerkung. Sie schreiben in Ihrem Antrag von den größten Zukunftsthemen Europas wie der Schaffung nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen, dem Klimaschutz, der Bewältigung des demografischen Wandels und der Chancengleichheit. Wir Piraten begrüßen es ausdrücklich, dass diese wichtigen Themen auf Ihrer europäischen Agenda stehen. Doch eines sollte bei diesen hehren Themen nicht untergehen: Europa kann seinen Teil dazu beitragen, aber gelöst werden müssen die wichtigen Fragen vor Ort, von den Bürgern und den politischen Strukturen der Regionen. Dass wir Piraten den Subsidiaritätsgedanken auch wirklich einfordern, das konnten Sie ja bereits durch die von uns initiierte Subsidiaritätsrüge erleben, verehrte Frau Ministerin Schwall-Düren. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Fricke. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren das Wort.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich habe versprochen, mich kurz zu fassen,

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

und will deswegen nur auf ein paar wenige Aspekte eingehen.

Zunächst wiederhole ich es erneut: Auch diese Landesregierung wird an einer flächendeckenden Förderung festhalten. Das heißt aber auch, dass die strukturschwachen Gebiete, dass die Gebiete mit Problemen, dass die Gebiete, die bedürftig und belastet sind, besonders im Fokus unseres Interesses stehen werden.

Zur Wettbewerbsfrage, Herr Brockes: Auch das wird nicht besser, wenn Sie es zum zehnten Mal wiederholen. Wir werden auch in Zukunft Wettbewerbe haben. Die Wettbewerbe sind bei denjenigen, die damit umgehen mussten, aber nicht nur positiv angekommen, weil sie zum Teil sehr aufwendig und auch sehr teuer waren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Deswegen, Frau von Boeselager, ist es auch wichtig, dass wir in bestimmten Bereichen standardgestützte Verfahren anwenden: weil das auch im Sinne der Antragsteller besser sein wird,

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

weil sonst gerade kleine Kommunen und kleine Antragsteller überhaupt keine Chance haben.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen hier Realismus und Ehrlichkeit miteinander verbinden. Was heißt das denn: „Wir stellen hier Forderungen an die Landesregierung“? Die Landesregierung ist in Brüssel nicht dabei, wenn über den Umfang der EU-Strukturfonds verhandelt wird.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist die Bundesregierung, meine Damen und Herren. Wir können uns nicht hinstellen und – wie die Bundesregierung das tut – sagen, im Agrarbereich soll gar nichts gekürzt werden, es soll – wie Sie, Frau von Boeselager, sagen – aber auch noch die Infrastruktur mitfinanziert werden, und gleichzeitig sollen 100 Milliarden € gekürzt werden. Da stimmt etwas nicht. Ich bitte Sie ganz herzlich, hier Ehrlichkeit zu wahren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir werden bei der Erarbeitung der operationellen Programme die Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven mit den EU-Strukturfondsmitteln verbessern können. Aber über den Umfang dieser Mittel wird die Bundesregierung in Brüssel mitentscheiden und nicht diese Landesregierung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrages Drucksache 16/1263. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU, FDP und Piraten angenommen worden.

Ich rufe auf:

6   Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG)

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1167

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Kollegin Korte von der CDU-Fraktion das Wort.

Kirstin Korte (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Danke, dass Sie durch Ihre Anwesenheit unseren zahlreichen Feuerwehrleuten im Land Ihren Respekt zollen.

(Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Hier, da nicht!)

Die Einsatzfähigkeit unserer Feuerwehren sollte nicht erst im Notfall getestet werden, sondern von vornherein gesichert sein. Wenn es personell gerade bei der Freiwilligen Feuerwehr brennt, ist die Politik im Zugzwang. Aus diesem Grunde behandeln wir unter diesem Tagesordnungspunkt den Gesetzentwurf zur Änderung des Feuerschutz? und Hilfeleistungsgesetzes.

Viele Tausend Ehrenamtliche machen in unseren Feuerwehren Dienst. Sie verrichten hochmotiviert und engagiert ihren Einsatz? und Übungsdienst. Leider – da müssen wir den Tatsachen ins Auge schauen – wird es immer schwerer, Menschen dafür zu gewinnen, sich in ihrer Freizeit zum Wohle der Allgemeinheit einzubringen und letztlich ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Viele haben nicht mehr die Zeit und Lust, cool genug für diesen heißen Job zu sein.

Mit unserem Gesetzentwurf stellen wir als CDU-Landtagsfraktion uns den Herausforderungen des demografischen Wandels und modernisieren das bestehende Gesetz, um den Freiwilligen Feuerwehren die längst überfällige Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, ihre bislang schon erfolgreiche Nachwuchsarbeit auszuweiten.

(Beifall von der CDU)

Viele Nachwuchskräfte in den Löschzügen kommen aus den Jugendfeuerwehren. Sie haben die Kameradschaft und die Aufgaben kennengelernt, sind quasi mit ihnen groß geworden. Glücklicherweise gibt es auch Jugendfeuerwehren, die sogar Wartelisten haben. Mädchen und Jungen scheinen sich eher für die Feuerwehr entflammen zu lassen als ihre erwachsenen Mitmenschen. Dieses Potenzial, meine Damen und Herren, müssen wir binden. Das ist unsere Chance, die freiwilligen Wehren auszubauen und am Leben zu erhalten. Deshalb müssen wir unseren Feuerwehren die Möglichkeiten eröffnen, das ganze Altersspektrum an Kinder? und Jugendarbeit abdecken zu können.

(Beifall von der CDU)

Viele unserer Freiwilligen Feuerwehren haben bereits die Zeichen der Zeit erkannt und sich auf den Weg gemacht, Kinderfeuerwehren zu gründen. Ganz aktuell wird Ende des Monats der Verband der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen beschließen, bereits bestehende Kinderfeuerwehren zu einer Kinderfeuerwehr Nordrhein-Westfalen zusammenzufassen.

Vor Ort setzt man in unserem Land also bereits auf die neue Form der Nachwuchsgewinnung. Der Gesetzgeber hinkt an dieser Stelle hinterher. Hier müssen wir schnellstmöglich gegensteuern.

Bislang liegt das Mindestalter für den Eintritt in die Jugendfeuerwehren bei zehn Jahren. Mangels bestehender gesetzlicher Regelungen in unserem Land sind die Angehörigen der Kinderfeuerwehren, also Kinder im Alter von sechs bis unter zehn Jahren, nicht Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr und damit nicht dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterlegen. Das kann und darf nicht so sein. Unsere Löschzwerge müssen abgesichert sein.

(Beifall von der CDU)

Mit dem eingebrachten Gesetzentwurf passen wir das bestehende Feuerschutzgesetz den veränderten Rahmenbedingungen und der bereits bestehenden Realität an. Das, Meine Damen und Herren, ist präventive Politik – die im Übrigen dem Land und den nachfolgenden Generationen im Gegensatz zu Ihrer Regierungspolitik nichts kostet. Sie ist präventive Politik in zweierlei Hinsicht:

Zum einen lernen die Kinder bei der Feuerwehr nicht nur, zu helfen, sondern sich auch schon frühzeitig entsprechend in Gruppen einzufügen. Werte wie Hilfsbereitschaft, Kameradschaft und Teamgeist werden spielerisch vermittelt, der Aufbau sozialer Kontakte und deren Pflege in Erfahrung gebracht. Es wird ihnen eine sinnvolle Freizeitgestaltung gegeben.

Zum anderen wird mit der Arbeit mit den Kindern in den Feuerwehren ein Stück weit dem schon angesprochenen demografischen Wandel entgegengewirkt, indem die Kinder sich schon frühzeitig mit der Feuerwehr verbunden fühlen und vielleicht auch später die Freiwilligen Feuerwehren weiter bestücken.

(Beifall von der CDU)

Ich bin der festen Überzeugung, dass der von uns eingebrachte Gesetzentwurf das Ehrenamt im Feuerwehrwesen stärkt und fördert. Er schafft unseren Feuerwehren einen stabilen und in die Zukunft weisenden Rahmen für eine landesweit erfolgreiche Nachwuchsarbeit.

Ich freue mich und hoffe auf eine breite Zustimmung des Hohen Hauses. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Korte. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Stotko.

Thomas Stotko (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Korte, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer – wenn ich mich nicht täusche – Jungfernrede.

(Allgemeiner Beifall)

Hinter dem relativ sperrigen Titel unserer Tagesordnung verbirgt sich das Thema „Kinderfeuerwehr“, wie Sie zu Recht betont haben. Das erklärt sich den Leuten einfacher. Davon gibt es – darauf haben Sie hingewiesen – bereits ca. 25 Stück im Land Nordrhein-Westfalen. Nehmen Sie es mir nicht übel, Frau Kollegin Korte: 25 Kinderfeuerwehren sind mehr als in diesem Moment CDU-Abgeordnete bei Beratung Ihres eigenen Gesetzentwurfs in diesem Plenarsaal sitzen.

(Beifall und Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde das ein bisschen schade. Denn die 25 Kinderfeuerwehren repräsentieren ca. 400 Kindermitglieder, und die sind Feuer und Flamme für ihre Feuerwehr; das ist überhaupt keine Frage.

Deshalb freue ich mich, dass die CDU etwas aufgegriffen hat, was die SPD schon im Wahlprogramm 2012 gefordert hat. Von daher habe ich einmal geschaut, was in Ihrer Regierungszeit bezüglich der Kinderfeuerwehren gemacht wurde. – Fehlanzeige!

Dann habe ich in Ihr Wahlprogramm 2010 geschaut. – Fehlanzeige!

2012 hatten Sie noch nicht einmal ein Wahlprogramm, Sie hatten nur einen Wahlaufruf. Darin stand nichts zur Feuerwehr.

Letztlich habe ich mir überlegt: Wie kommt denn die CDU auf diesen Gesetzentwurf? – Ich habe gesucht und gefunden. Ich habe die Stelle gefunden, an der steht: Wir – verkürzt dargestellt – werden die Einrichtung von Kinderfeuerwehren ermöglichen. Bei dieser Fundstelle gibt es nur ein Problem: Sie haben aus unserem Koalitionsvertrag abgeschrieben.

(Beifall von der SPD)

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Glanztat! Ich weiß nicht, ob Ihnen das jetzt peinlich ist. Oder ist Ihnen nichts eingefallen?

Wir könnten es kurz machen und sagen: Toll, Sie haben die Schreibarbeit für etwas geleistet, das in unserem Koalitionsvertrag steht.

Aber leider: Sie haben falsch abgeschrieben. Das ist das nächste Problem. Denn bei uns heißt es im Koalitionsvertrag nicht zufällig, Betroffene zu Beteiligten machen. Keiner hat vorher mit den Feuerwehren gesprochen und sie gefragt, wie sie es sich vorstellen.

Wir möchten die Schaffung einer Kinderfeuerwehr nur als einen Baustein von vielen Projekten sehen, um Nachwuchsförderung zu stärken. Wie wird denn diese Arbeit der Kinderfeuerwehren unterstützt? Was machen wir denn als Land? – Sie haben gerade davon gesprochen, dass uns das nichts kostet. Wir wollen die Feuerwehren also mit den Kinderfeuerwehren alleine lassen? – Das stellen zumindest Sie sich so vor.

Sie regeln nur eins, nämlich die Frage einer Unfallversicherung. Die Düsseldorfer Feuerwehr meint zu Ihrem Vorschlag: Das brauchen wir nicht! – Die Kreisfeuerwehr Unna hält das nicht für sinnvoll. Wissen Sie, warum die das sagen? – Weil Sie mit denen vorher nicht gesprochen haben. Hätten Sie denen nur einmal erklärt, was Sie wollen! Deren negative Stellungnahmen gründen auf der ungeklärten Frage:

Wie bilden wir denn die Feuerwehrleute vor Ort aus, damit sie die Sechs- bis Zehnjährigen pädagogisch betreuen können? Die fragen darüber hinaus: Welches Material geben wir den Eltern und Kindern an die Hand? Die fragen: Woher kommen denn die Kindersitze für unsere Feuerwehrautos?

Das sind alles Fragen, um deren Beantwortung Sie sich überhaupt nicht kümmern, sondern Sie sagen: Wir machen eine Unfallversicherung; das war’s! – Ich sage Ihnen: Das reicht für diese kleinen Grisus, diese Feuerwehrknirpse nicht aus.

Deshalb zum Schluss: Leider zu kurz gesprungen!

Eins muss ich Ihnen allen noch einmal antun: Endlich eine Beförderung für die Feuerwehrleute in den Kommunen, eine Finanzierung von fast 5.000 Führerscheinen – insbesondere im ländlichen Raum –, Schaffung einer Vollzeitstelle für den Verband der Feuerwehren, die Rauchwarnmelderpflicht und in diesem Saal eine Feuerwehrkonferenz mit über 500 Beteiligten – das ist nur eine kurze Bilanz aus zwei Jahren rot-grüner Regierungspolitik, auf die wir stolz sind. Wir stehen an der Seite der Feuerwehren! In den nächsten fünf Jahren wird bei uns mehr rumkommen als bloß eine Unfallversicherung für Kinder.

Wir freuen uns auf die Diskussion Ihres unausgereiften Vorschlages. – Danke.

(Beifall von der SPD und von Reiner Priggen [GRÜNE])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz der gerade sehr enthusiastischen Rede von Thomas Stotko kann man ja festhalten, dass wir uns beim Thema „Kinderfeuerwehren“ an sich schon einig sind, dass man diese entsprechend verankern und gemeinsam mit den Feuerwehren diskutieren sollte.

Es gibt aber durchaus noch andere Debatten, die man in diesem Zusammenhang führen kann, und auch Klärungsbedarf dazu. Das betrifft zum Beispiel die Kleidung und die möglichen Kosten für die Kommunen. Man muss auch darüber diskutieren, wie man das Thema „Feuerwehr“ nicht nur durch Kinderfeuerwehren weiterbringen kann, sondern wie man möglicherweise Kooperationen mit Schulen – gerade im Ganztag – schafft. – Das alles sind Fragen, über die wir noch diskutieren müssen.

Grundsätzlich aber, glaube ich, sind wir uns erst einmal einig, dass Kinderfeuerwehren durchaus sinnvoll sind. Ein Stück weit gehen wir damit auf die aktuelle Situation ein und setzen das um, was es bereits gibt, denn es gibt in Nordrhein-Westfalen ja schon Kinderfeuerwehren. Der VdF meldet, dass sich die Kinderfeuerwehren in NRW in zwei Wochen zusammenschließen werden. Das heißt, dass die Diskussion in der Landschaft bereits fortgeschritten ist. Es tut uns gut, sie auch im Landtag zu führen.

Allerdings ist der CDU-Antrag insofern etwas schwach, als man nicht sagen kann, dass den Freiwilligen Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen die Nachwuchskräfte nur aufgrund fehlender Kinderfeuerwehren ausgehen. Das wäre Quatsch. Dieser Kausalzusammenhang ist doch etwas vage. Es gibt auch keine Studien oder Belege dafür, dass es über Kinderfeuerwehren tatsächlich eine längerfristige Bindung an die Freiwilligen Feuerwehren gäbe. Das aber behaupten Sie mit Ihrem Antrag.

Eigentlich müssen wir darüber nachdenken, wo sonst noch Nachwuchs für die Freiwillige Feuerwehr generiert werden kann. Wir wollen ja nicht die Sechsjährigen zum Brändelöschen losschicken, sondern wir müssen uns fragen: Wo sind noch Zielgruppen, die wir für die Feuerwehr begeistern können?

Dabei möchte ich vor allem Dingen die Frauen als Zielgruppe ansprechen. Wir haben derzeit viel zu wenige weibliche Mitglieder bei der Freiwilligen Feuerwehr. Wir haben immer noch viel zu wenig Menschen mit Migrationshintergrund bei der Feuerwehr. Die interkulturelle Öffnung bei der Feuerwehr hat so noch nicht stattgefunden. – Ich weiß, dass sich die Jugendfeuerwehren durchaus mit Diversity beschäftigen und überlegen, wie sie sich für mehr Menschen öffnen können. Das muss auch die Freiwillige Feuerwehr leisten. Darüber können wir noch Nachwuchs generieren.

Nachwuchs für die Berufsfeuerwehren schaffen wir nicht dadurch, dass wir Kinderfeuerwehren einrichten, sondern dadurch, dass wir bei den Berufsfeuerwehren Perspektiven eröffnen. Das hatte ich gestern schon in meiner Haushaltsrede ausgeführt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nichtsdestotrotz – auch das fehlt in Ihrem Antrag, obwohl Sie es gerade in Ihrer Rede gesagt haben, Frau Korte – macht die Jugendfeuerwehr natürlich eine gute Jugendarbeit und ist ein wichtiger Akteur in der allgemeinen Jugendarbeit. Kinder- und Jugendfeuerwehren können natürlich Kinder und Jugendliche an ehrenamtliches Engagement heranführen und dabei vielleicht ihre Eltern und andere Bezugspersonen mitnehmen. Es geht um die Förderung sozialer Kompetenz, um Teamgeist und die Wertschätzung von Vielfalt. Dabei sind die Jugendfeuerwehren auch ein wichtiger Bündnispartner bei der Förderung von Demokratie und Toleranz.

Also geht es nicht so sehr nur darum, Kinderfeuerwehren zu schaffen, um damit Nachwuchssorgen zu mildern, sondern es geht darum, die Arbeit der Kinder- und Jugendwehren als Wert an sich im Sinne der Jugendarbeit zu begreifen.

Insofern bin ich auf die Diskussionen im Ausschuss gespannt. Wir werden sowieso noch über das Feuerschutzhilfegesetz breiter debattieren müssen. Ich glaube, dass wir die Diskussion über die Kinderfeuerwehr in eine Debatte darüber einrahmen müssen, wie es mit der Feuerwehr insgesamt weitergeht, wie wir mehr Nachwuchs gewinnen, wie wir das Ehrenamt stärken können. Es muss aber auch um die Frage gehen: Wie können wir sichere Perspektiven bei den Berufsfeuerwehren schaffen? – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stotko, Frau Schäffer, ich finde es sehr schön, dass Sie dennoch einräumen, dass die Kinderfeuerwehr in der Nachwuchsgewinnung der Freiwilligen Feuerwehren und zur Stärkung des Ehrenamts ein wesentlicher Faktor ist. Aber wir reden nicht nur über die Nachwuchsförderung, wir reden vor allen Dingen auch über ein pädagogisches Konzept, das dahintersteckt.

Sie kennen ja den alten Spruch: Messer, Schere, Feuer, Licht, sind für kleine Kinder nicht. Manchem ist dieser Spruch vielleicht sogar noch als kleines Kind eingebläut worden. Kinder sollten stets einen großen Bogen beispielsweise um Feuer machen, weil im Umgang damit Gefahren drohten.

Diese wenn auch gutgemeinte Warnung für Kinder ist aber doch eher Pädagogik von vorgestern. Stattdessen sollten Kinder heutzutage bewusst an bestimmte Gefahren herangeführt werden – wohlgemerkt: herangeführt und nicht damit allein gelassen werden. Sie sollen Gefahren kennenlernen. Sie sollen, einer Situation angemessen, lernen, eine Gefahr einzuschätzen, sie zu beseitigen oder ihr auszuweichen und gegebenenfalls sogar andere zu schützen. Kinderfeuerwehren können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Feuerwehr profitiert von Kindern, und die Kinder profitieren von der Feuerwehr. Die Feuerwehr ist einerseits auf Nachwuchs angewiesen, wobei die Gewinnung in Zeiten des demografischen Wandels schwerer wird. Sie profitiert von jedem vereitelten Einsatz, weil Kinder aufgrund der Brandschutzerziehung hoffentlich weniger mit dem sprichwörtlichen Feuer zündeln, dank ergänzender Verkehrserziehung nicht Unfallopfer werden – wir können im Ausschuss noch über verschiedene Konzepte reden – oder im Ernstfall wissen, wie sie sich richtig verhalten sollen.

Eines ist dabei sicher – darin sind wir uns alle einig –: Gerade die jüngeren Kinder sind besonders begeisterungsfähig und interessieren sich für die Feuerwehr. Sie hören zu, wollen erkunden, lassen sich etwas zeigen. Deshalb sollten wir diese unabhängig von Herkunft und Geschlecht bestehende frühkindliche Begeisterung auch als Chance für die Nachwuchsförderung der Feuerwehr nutzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es ist gerade schon thematisiert worden: Wenn man sich in unserem schönen Land umschaut, gibt es in Nordrhein-Westfalen 25 Kinderfeuerwehren. Es erzürnt mich sogar ein wenig, Herr Stotko, wie Sie die Kinderfeuerwehren schon fast diskreditiert haben. Hier ist so viel Bemerkenswertes auf die Beine gestellt worden. Es ist bereits sehr erfolgreich mit wirklich beeindruckenden Programmen gearbeitet worden. Diese Entwicklung wollen wir weiter fördern und auf eine gesetzliche Grundlage stellen.

Besonderer Dank gilt an dieser Stelle natürlich all denjenigen erwachsenen Feuerwehrleuten, die Kinderfeuerwehren durch ihr Engagement in Nordrhein-Westfalen erst ermöglichen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Den vorliegenden Gesetzentwurf sollten wir im Ausschuss erörtern und darüber sprechen, in welcher Form das Anliegen bestmöglich umgesetzt werden kann.

Herr Stotko, Sie standen vielleicht auch ein bisschen auf dem Schlauch. Niemand wird allein gelassen. Das müssen wir natürlich in enger Abstimmung mit den Betroffenen, den Angehörigen der Feuerwehr, dem Feuerwehrverband, den kommunalen Spitzenverbänden machen. Da gebe ich ihnen recht. Die müssen alle im Boot sein. Mit ihnen müssen wir das besprechen, insbesondere die Frage, wie wir die Angehörigen der Kinderfeuerwehr für den Schadensfall ordentlich absichern.

Gestatten Sie mir einen letzten Punkt! Verkehrswacht und Polizei besuchen zur Verkehrserziehung bereits regelmäßig Schulen. Vor diesem Hintergrund können wir uns auch eine stärkere Einbindung von Feuerwehren in Kindergärten und in Ganztagsangebote an Schulen vorstellen. Auf diese Weise können bei den Kindern wichtige Lerneffekte erzielt werden und insgesamt auch die Begeisterung für die Feuerwehr geweckt werden.

Ich freue mich auf jeden Fall auf die weiteren Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Piratenfraktion spricht der Abgeordnete Lamla.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich glaube, Sie wissen inzwischen fast alle: Ich war vor meiner Zeit hier im Landtag selber Berufsfeuerwehrmann. Ich kann Ihnen daher einiges erzählen.

Vorab muss ich sagen, dass mir die Änderungen am FSHG nach dem CDU-Modell wirklich gut gefallen. Natürlich gefällt mir auch die Vorstellung begeisterter Mädchen und Jungen, die schon in früher Kindheit die Möglichkeit bekommen, die Aufgaben der Feuerwehr kennenzulernen. Also: Daumen hoch!

Durch viel Eigeninitiative sind inzwischen in vielen Gegenden NRWs Kinderfeuerwehren entstanden und bekommen durch die vorliegende Gesetzesänderung endlich Rechtssicherheit. So weit das schöne Bild, das sich anbietet, wenn man diesen Gesetzestext liest.

Leider hat die Sache wie immer einen Haken. Ich weiß, dass die Situation der Ortsfeuerwehren wirklich desolat ist. Die klammen Kommunen können die Kosten kaum noch tragen. Zusammenlegung von Feuerwachen, Beförderungsstau und marode Gebäude sind keine Ausnahme.

Zum Beispiel bei der Feuerwehr in Erkrath, nicht weit von hier entfernt, schimmelt die Feuerwache vor sich hin, und die Feuerwehrleute müssen ihren Dienst in bereitgestellten Containern ausüben – auch bei dieser Witterung.

Auch Feuerwehrautos und diverse Gerätschaften werden über lange Zeit hinweg immer und immer wieder geflickt, bis hin zu Oldtimer-Kennzeichen an Einsatzfahrzeugen. Inzwischen werden sogar gebrauchte Fahrzeuge gekauft, um Geld zu sparen. Wenn es da mal brennt oder Sie einen Herzinfarkt haben, dann wollen Sie doch nicht wirklich, dass ein Oldtimer um die Ecke biegt, oder?

Ab und zu werden dann doch neue Feuerwachen gebaut. Was glauben Sie, was in der Planungsphase als Erstes herausgestrichen wird? – Richtig, die Räumlichkeiten der Jugendfeuerwehr. Das muss man wissen. Bereits heute werden die Jugendfeuerwehren einfach in die Räume der Feuerwachen, sprich: der erwachsenen Personen, gequetscht. Das passt irgendwie schon; denn Kinder sind wesentlich kleiner als Erwachsene. Irgendwie muss das passen.

Es fehlt den Feuerwehren oft am Nötigsten. Daher werden die Kinder, die den Dienst anfangen sollen, ihn nicht einmal wirklich antreten können, weil schlicht und ergreifend kein Geld für Uniformen oder Sicherheitsschuhe vorhanden ist.

Man kann natürlich sagen: „Ja, da müssen wir mal die Eltern in die Pflicht nehmen“ und erwarten, dass die Eltern einen Beitrag zu der Uniform oder den Sicherheitsschuhen der Kinder leisten. Aber wen hält man dadurch davon ab, die eigenen Kinder in die Kinderfeuerwehr zu schicken? – Richtig, die Kinder aus finanzschwachen Familien.

Also: Die Änderung im FSHG ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber wenn Sie sich nicht gleichzeitig über die Finanzierung Gedanken machen, zum Beispiel durch eine Erhöhung des Verbundsatzes – zwinker, zwinker –, waren das leider nur lauwarme Worte. Davon hatten wir in den letzten Tagen genug. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der Uhrzeit und der Tatsache, dass die Rede des Kollegen Stotko durchaus erhellend war, will ich mich auf einige wenige Sätze beschränken.

Es gibt fast kein gesellschaftliches Feld, auf dem bürgerschaftliches, freiwilliges Engagement im Bereich hoheitlicher Aufgaben so ausgeprägt ist wie im Brandschutz durch die Freiwillige Feuerwehr. Das müssen wir sichern, weil insbesondere im ländlichen Raum, aber genauso in den Großstädten die Kommunen nahezu überfordert wären, die wichtige Arbeit von Freiwilligen Feuerwehren durch Berufsfeuerwehren zu ersetzen.

Übrigens machen diese Freiwilligen Feuerwehren heute schon ausgezeichnete Jugendarbeit. Wir haben bei den Jugendfeuerwehren eine Zunahme in den letzten fünf Jahren um 18 % auf über 21.000 Mitglieder. Aber so schön diese Zahl klingt, müssen wir einfach sehen, dass das aufgrund des demografischen Wandels, vor dem auch die Freiwilligen Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen stehen, nicht ausreicht.

Es ist gut, dass wir Kinderfeuerwehren bekommen. Diese rechtlich abzusichern, ist auch wichtig. Aber wir brauchen ein Gesamtkonzept, wie es gelingt, dieses bürgerschaftliche Engagement bekannter zu machen, wie es gelingt, dieses bürgerschaftliche Engagement auszuweiten, wie wir in der Zielgruppe gerade der Jugendlichen mehr Jugendliche dafür gewinnen, in Freiwilligen Feuerwehren mitzuarbeiten.

Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Verband der Feuerwehren hierzu eine Projektgruppe eingerichtet. Darüber hinaus reicht es nicht nur, eine Projektgruppe zu haben. Es geht auch darum, dass dieser Verband mehr finanzielle Mittel braucht, um genau diese Maßnahmen, die wir in dieser Projektgruppe bereits diskutiert haben, umzusetzen. Deshalb werde ich diesem Parlament vorschlagen, die Zuschüsse an den Verband der Feuerwehren im Haushaltsentwurf 2013 von 40.000 € auf 215.000 € zu erhöhen.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, das ist eine wichtige Unterstützung für die Freiwilligen Feuerwehren. Die lieben Kolleginnen und Kollegen können jetzt schon einmal überlegen, wie dann ihr Abstimmungsverhalten zum Einzelplan 03 aussieht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir sind damit am Schluss der Beratung und kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/1167 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Damit ist die Überweisung einstimmig erfolgt.

Wir kommen zu:

7   Anerkennungsgesetz Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/1188

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Minister Schneider das Wort.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Bundesrepublik Deutschland leben 300.000 Menschen mit einem Zuwanderungshintergrund, die einen Hochschulabschluss oder einen Berufsabschluss in einem Land außerhalb der Bundesrepublik erreicht haben und meistens nicht in ihrem erlernten, erreichten Beruf tätig sind.

Die Vergleichszahl für Nordrhein-Westfalen liegt bei etwa 100.000 Menschen. Ich denke, dass diese Zahl schon nachweist, wie wichtig ein Anerkennungsgesetz ist, um vorhandene berufliche Qualifikationen auch in Deutschland anerkennen zu lassen.

Die Bundesrepublik verfügt zwischenzeitlich über ein Anerkennungsgesetz auf Bundesebene. Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich im Übrigen bei der entsprechenden Abstimmung im Bundesrat über dieses Gesetz der Stimme enthalten, weil insbesondere zwei sehr wichtige Fragestellungen im Bundesgesetz nicht beantwortet worden sind.

Das ist zum einen das Thema „Beratung“. Wir müssen für diese Menschen ein durchgängiges Beratungssystem zur Verfügung stellen, um sie dem Dschungel mancher bürokratischer Regelung nicht auszusetzen. Das ist zum anderen das Thema der Nachqualifizierung. Wenn eben für die Anerkennung noch eine Nachqualifizierung notwendig ist, muss diese hier auch stattfinden können. Wir werden in unserem nordrhein-westfälischen Gesetz Beratungsstrukturen einführen. Wir stellen hierfür die Bildungsscheckberatung, die seit geraumer Zeit in unserem Lande existiert, mit insgesamt 60 Beratungsstellen zur Verfügung, natürlich haushaltsneutral. In diesem Zusammenhang muss kein neues Geld ausgegeben werden.

Wir appellieren an die Bundesregierung, die im Bundesrat gemachte Versprechung wahrzumachen, Nachqualifizierungen über die Bundesagentur für Arbeit auch stattfinden zu lassen.

Hier haben Frau Schavan und die Bundesarbeitsministerin die Pflicht, zu liefern, wenn vorhandene und gemachte Versprechungen nicht gebrochen werden sollen.

Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher: Unser Landesanerkennungsgesetz wird ein großer Schritt in der Integrationspolitik, aber auch ein nicht zu unterschätzender Schritt bei der Abwehr des drohenden Fachkräftemangels sein. Wenn hier in der Wirtschaft Qualifikationen bei vielen Menschen nicht genutzt werden, ist dies ökonomische Vergeudung. Das können wir uns ganz einfach nicht leisten.

In diesem Sinne bitte ich um eine gute Beratung. Im Ziel sind wir uns einig. Das Landesanerkennungsgesetz wird Realität werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Jansen das Wort.

Daniela Jansen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Jeder von Ihnen kennt die Beispiele des iranischen Architekten, der Taxi fahren muss, oder der russischen Verkäuferin, die eigentlich Ingenieurin ist. Viele Talente zugewanderter Menschen liegen brach oder werden zumindest nicht angemessen eingesetzt, weil ihr Berufsabschluss in Deutschland nicht anerkannt wird.

Es wurde deshalb höchste Zeit, dass im Anerkennungsgesetz auf Bundesebene nun auch ein Landesanerkennungsgesetz folgt. Das ist ein vorsorgender wie auch nachhaltiger Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in unserem Land. Dies gilt in besonderem Maße in den reglementierten Berufen, beispielsweise im Gesundheitssektor, wo uns schon jetzt die Fachkräfte fehlen. Wir begrüßen deshalb den Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums ausdrücklich.

Die Gebühren im Rahmen des Anerkennungsverfahrens dürfen eine Obergrenze allerdings nicht überschreiten. Sie müssen für alle Menschen finanzierbar sein. Deshalb unterstützen wir den von Minister Schneider eingebrachten Vorschlag, der eine solche Obergrenze festschreibt.

Wir wollen als SPD-Fraktion aber auch für die Menschen, die über sehr geringe finanzielle Mittel verfügen, Wege und Möglichkeiten prüfen, wie sie bei der Finanzierung der Gebühren unterstützt werden können. Denn die Finanzierung darf nicht zu einer Hürde werden, um gute Qualifikationen anerkennen zu lassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auf Bundesebene ist seit April dieses Jahres das Anerkennungsgesetz in Kraft. Das ist in der bisherigen Form inhaltlich vielleicht gut gemeint, aber auf jeden Fall nicht gut gemacht. Denn es reicht selbstverständlich bei Weitem nicht aus, lediglich Online- und Hotline-Angebote zur Information und Erstberatung anzubieten, so wie es die derzeitige Bundesregierung anpreist.

Die Bilanz seit April sieht dann auch sehr mager aus. 180.000 Klicks auf der Homepage führten zu 1.500 Antragstellungen und gerade einmal 270 bewilligten Anträgen.

Das Problem besteht doch darin, dass keine Beratung angeboten wird, die diesen Namen auch verdient hat.

Wie Minister Schneider schon gesagt hat, gehen wir in Nordrhein-Westfalen diesen Schritt konsequent weiter und werden eine entsprechende Beratungslandschaft aufbauen. Denn nach einem formalen Verfahren, das Geld und Nerven kostet, nur feststellen zu können, dass die Qualifikationen nicht für die Anerkennung des Berufes ausreichen, ist frustrierend und bringt weder den Antragsteller oder die Antragstellende weiter noch löst es das Fachkräfteproblem, das wir nun einmal haben.

Der Bund muss gerade bei der Nachqualifikation finanziell in die Pflicht genommen werden, weil dies in einem Großteil der Fälle notwendig ist und sein wird. Das zeigen die bisherigen Erfahrungen auf Bundesebene nur zu deutlich.

(Beifall von der SPD)

Die Bundesbildungsministerin hat sich im Bundesrat hinsichtlich einer möglichen Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit bei den Nachqualifizierungen weit aus dem Fenster gelehnt. Bisher ist hier aber nichts erfolgt, eher im Gegenteil. Die Mittel für Qualifizierung in der Bundesagentur sollen noch weiter zusammengestrichen werden.

Solange nicht gesichert ist, was mit den Menschen weiter passiert, denen vielleicht nur ein kleiner Teil zur formalen Anerkennung ihres Abschlusses fehlt, nützt selbst das beste Gesetz nichts.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir brauchen nicht nur Martin und Metin, liebe Kolleginnen von der CDU, sondern auch Sandra und Aische, um dem Fachkräftemangel zu begegnen

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

und unseren Bürgerinnen und Bürgern eine echte Perspektive zu bieten.

Ich lade Sie herzlich ein, daran zielorientiert teilzuhaben. Parteipolitische Spielchen und Mätzchen auf Kosten der Migrantinnen und rückkehrwilligen Ausgewanderten können wir uns jedenfalls nicht leisten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Kerkhoff.

(Beifall von der CDU)

Matthias Kerkhoff*) (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage des Landesanerkennungsgesetzes am heutigen Tag verbinden in Nordrhein-Westfalen viele Menschen die Hoffnung auf Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Qualifikationen.

Während im Bereich der Hochqualifizierten, also der Gruppe der Meister, Techniker und Hochschulabsolventen, von den einheimischen Beschäftigten 79 % adäquat beschäftigt sind, gilt dies für hier lebende Ausländer nur zu einem Anteil von 51 %. Verglichen mit anderen Ländern in Europa haben wir hier Nachholbedarf. Die Schweiz, die Niederlande, Schweden, aber auch Italien sind uns hier voraus.

Allein diese Zahlen zeigen sehr deutlich, dass wir Potenzial nicht abrufen, brachliegen lassen, und das vor dem Hintergrund eines sich zumindest abzeichnenden Fachkräftemangels in vielen Berufsfeldern.

(Beifall von der CDU)

Wir begrüßen den Geist dieses Gesetzes und unterstützen seine Intention, und trotzdem bleiben für uns einige Fragen offen, die wir von Ihnen, Herr Minister, gerne beantwortet haben möchten.

Der vorliegende Gesetzentwurf regelt das Anerkennungsverfahren für 163 von 165 landesrechtlich geregelten Berufen. Es fehlen die beiden Bereiche, für die das Land eine besondere Verantwortung trägt, nämlich der Bereich der Landesbeamten und besonders der Bereich der Lehrerinnen und Lehrer.

Gerade hier erkennen wir doch zunehmend, dass wir auf der einen Seite Schwierigkeiten haben, den Bedarf an Lehrern zu decken, gerade wenn wir an die Sicherstellung des Unterrichts in den MINT-Fächern denken, und erleben zugleich, dass möglicherweise geeignete Personen allenfalls in der Hausaufgabenbetreuung arbeiten können, weil ihnen Abschlüsse nicht anerkannt werden.

Hier erwarten wir von der Landesregierung, dass sie sich dieses Bereichs annimmt und nach vorne blickt.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, für den Antragsteller ist das Verfahren der Anerkennung mit Kosten verbunden. Bis zu 600 € kostet die Durchführung eines solchen Verfahrens. Ich möchte Sie bitten, darzulegen, aus welchen Komponenten sich diese ja nun schon recht üppige Summe zusammensetzt und ob nicht im Verfahren auch kostengünstigere Lösungen erreicht werden können.

Es ist vollkommen klar, dass es ein Anerkennungsverfahren nicht kostenlos geben kann, aber ob es 600 € sein müssen, muss schon hinterfragt werden.

(Beifall von der CDU)

Sie haben ja angekündigt, dass es eine umfassende Beratungsstruktur geben soll. Aber Sie müssen schon auch zur Kenntnis nehmen, dass diese 60 Beratungsstellen, die Sie eben erwähnt haben, auch an Grenzen stoßen, wenn es gerade zu Beginn eine hohe Nachfrage gibt. Sie wecken mit Ihrer Ankündigung einer umfassenden Beratung hohe Erwartungen und nehmen in Kauf, dass diese enttäuscht werden – ganz abgesehen davon, dass bei 60 Beratungsstellen im Land diese in vielen Fällen sehr weit weg von den Betroffenen sein werden.

Deshalb wird es auch darum gehen, andere Informations- und Beratungsmöglichkeiten zu etablieren. Der Bund will eine Hotline schalten. Andere Länder planen mehrsprachige Internetangebote. Auch Nordrhein-Westfalen muss sich natürlich überlegen, wie es auf die Möglichkeit, ausländische Abschlüsse anerkennen zu lassen, aufmerksam macht.

Meine Damen und Herren, mit diesen Gesetzeswerken im Bund und in den Ländern betreten wir alle gemeinsam Neuland. Deshalb ist es erforderlich, regelmäßig zu prüfen, ob das Ziel des Gesetzes mit den vorhandenen Instrumenten erreicht wird oder ob nachgesteuert werden muss. Deshalb erwarten wir eine regelmäßige Evaluation und Berichte in den zuständigen Ausschüssen und im Parlament.

Aber zunächst wollen wir diesen Gesetzentwurf in den zuständigen Ausschüssen beraten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kerkhoff. – Soweit ich das mitbekommen habe, war das die erste Parlamentsrede von Frau Kollegin Jansen und von Herrn Kollegen Kerkhoff. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Das kann man vom nächsten Debattenredner nicht sagen. Das ist der Kollege Ünal von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der nun das Wort hat. Bitte schön, Herr Kollege Ünal.

Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es sehr kurz machen, alles ist gesagt. Ich freue mich darüber, dass dieser Gesetzentwurf heute eingebracht wird und dass wir über die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse diskutieren.

Ich darf daran erinnern, dass wir vor einem Jahr bei der Beratung des Bundesanerkennungsgesetzes mit allen Fraktionen und vier Ministerien zusammengetroffen sind, um über die Inhalte des Bundesgesetzes zu diskutieren. Wir waren damals der gemeinsamen Auffassung, dass das Gesetz wichtig für Integration ist, weil es die Wertschätzung ausländischer Abschlüsse – und damit auch die Wertschätzung für die Kompetenzen der Migrantinnen und Migranten – zum Ausdruck bringt. Darüber hinaus waren wir uns ebenfalls einig, dass das Gesetz nur einen kleinen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in Deutschland leisten kann. Ebenfalls Einigkeit bestand darüber, dass für das Anerkennungsverfahren eine Beratungsinfrastruktur notwendig ist; denn die Zuständigkeiten bei der Berufsanerkennung sind so kompliziert, dass man in diesem Dschungel schnell die Orientierung verlieren kann.

Beim Bundesanerkennungsgesetz haben wir damals die Ministerien gebeten, im Bundesratsverfahren auf die Finanzierung der Beratungs­leistungen und auch auf finanzielle Beteiligung des Bundes bei den Nachqualifizierungsmaßnahmen zu drängen. Es gab dann auch ent­sprechende Zusagen von Frau Schavan; sie hat sie aber noch nicht eingehalten.

Bei unserem Landesanerkennungsgesetz wollen wir das von Anfang an etwas besser machen. Darum ist von Minister Schneider auch zugesagt worden, die Beratungen für die Menschen im Rahmen des Anerken­nungsverfahrens zu erleichtern. Das Problem ist schon gelöst. Es sollen Beratungsstellen zur beruflichen Entwicklung eingerichtet werden. In fast jeder kreisfreien Stadt und in den Kreisen sollen solche Strukturen vor­handen sein.

Zum Schluss möchte ich, meine Damen und Herren, für meine Fraktion sagen, dass wir doch einige Punkte haben, die wir weiter diskutieren müssen, zum Beispiel die Gebührenerhöhung. Es darf nicht sein, dass einige Migrantinnen und Migranten ihre Anerkennungsverfahren nicht durchführen können, weil das nicht finanziert werden kann. Das müssen wir in den Beratungen in den Ausschüssen miteinander diskutieren, um eine verträgliche Lösung dafür zu finden.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen in den jeweiligen Ausschüssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die FDP spricht nun der Kollege Alda.

Ulrich Alda (FDP): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sie hören jetzt einen einstündigen Vortrag, der auf Wunsch auch gerne wiederholt wird.

Ich mache es ganz kurz. Ich will Ihnen einfach nur sagen: Es ist alles gesagt worden. Was soll ich da jetzt noch lange anfügen? Die FDP-Landtags­fraktion begrüßt, dass die Landesregierung nunmehr einen Gesetzentwurf einbringt, um die Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen für die Berufe zu regeln. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Das ist mein Vortrag.

(Beifall von der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Sonst drohe ich an, noch mehrmals zu kommen, bis Frau Warden von der SPD und ich auch endlich die Anerkennung bekommen, dass auch wir unsere Jungfernrede gehalten haben, sie gestern und ich heute. – Danke sehr. Einen schönen Abend noch!

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. Hiermit gratuliere ich im Namen des gesamten Präsidiums allen Kolleginnen und Kollegen, die heute und gestern ihre Jungfernrede gehalten haben. Wir im Präsidium haben nicht immer den Überblick, das ist etwas kompliziert. Wir würden das gerne bei jedem sagen, aber wir wissen es nicht immer so ganz genau. Also auch dem Kollegen Alda – ich habe ihn heute aber schon einmal gehört – herzlichen Glückwunsch!

Jetzt spricht für die Piraten der Herr Kollege Sommer, der möglicherweise auch seine Jungfernrede hält. Bitte schön. Das ist zumindest die letzte Rede des heutigen Tages.

Torsten Sommer (PIRATEN): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und im Livestream. Wir haben wirklich alles gesagt, und wir haben die Überweisung in ungefähr die Hälfte aller möglichen Ausschüsse vor uns. Da haben wir noch viel Zeit für Rede und Widerrede. Deshalb wünsche ich Ihnen an dieser Stelle einfach nur einen schönen Feierabend.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege, für diesen prägnanten Beitrag. – Wir sind damit am Schluss der Beratung und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/1188 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend –, an den Integrationsausschuss, an den Rechtsausschuss, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, an den Innenaus-


schuss, an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? Die Überweisung ist einstimmig erfolgt.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Freitag, den 9. November 2012, um 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen jetzt noch einen sehr schönen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 21:50 Uhr

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*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 96 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.