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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/100

16. Wahlperiode

16.12.2015

100. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 16. Dezember 2015

Mitteilungen der Präsidentin. 10335

1   Nachwahl eines Schriftführers des Landtags Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10426. 10335

Ergebnis. 10335

2   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9300

Und:

Ergänzung
Drucksache 16/10150

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10600

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10485

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10486

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10487

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10488

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10489

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10477

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10478

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10479

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10484

dritte Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2016 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2016 – GFG 2016) und zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9302

Und:

Ergänzung
Drucksache 16/10150

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 16/10601

dritte Lesung

In Verbindung mit:

GFG 2016 – Kürzungen zurücknehmen und Steuerspirale beenden!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10423

In Verbindung mit:

Gesetz über die Feststellung eines Vierten Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Viertes Nachtragshaushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10082

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10427

zweite und dritte Lesung

In Verbindung mit:

Drittes Gesetz zur Änderung des Versorgungsfondsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10083

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10428

zweite Lesung. 10336

Armin Laschet (CDU) 10337

Norbert Römer (SPD) 10345

Christian Lindner (FDP) 10351

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 10359

Michele Marsching (PIRATEN) 10368

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 10375

Minister Ralf Jäger 10381

Michele Marsching (PIRATEN) 10382

Ergebnis. 10383

3   Sicheres Schwimmen kann Leben retten – Schwimmfähigkeit am Ende der Grundschulzeit überprüfbar definieren

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10293

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10481. 10385

Dr. Björn Kerbein (FDP) 10385

Rüdiger Weiß (SPD) 10386

Holger Müller (CDU) 10387

Holger Müller (CDU) 10388

Josefine Paul (GRÜNE) 10388

Lukas Lamla (PIRATEN) 10390

Ministerin Sylvia Löhrmann. 10390

4   Gesetz zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/8293

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/10430

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10482

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10483

zweite Lesung. 10392

Thomas Stotko (SPD) 10392

Ina Scharrenbach (CDU) 10393

Verena Schäffer (GRÜNE) 10394

Marc Lürbke (FDP) 10396

Frank Herrmann (PIRATEN) 10397

Minister Ralf Jäger 10398

Ergebnis. 10399

5   Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Alten- und Pflegegesetzes Nordrhein-Westfalen und nach § 92 SGB XI (APG DVO NRW)

Entwurf
der Landesregierung
Vorlage 16/3510. 10399

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 16/10431. 10399

Ergebnis. 10399

6   Grundwasser und Natur in NRW schützen – Neue Düngeverordnung umweltgerecht und praxisnah gestalten

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10417

Annette Watermann-Krass (SPD) 10400

Norwich Rüße (GRÜNE) 10400

Hubertus Fehring (CDU) 10402

Karlheinz Busen (FDP) 10403

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 10404

Minister Johannes Remmel 10406

Ergebnis. 10407

7   Gesetz zum Siebzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Gesetz zum Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9516

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/10389

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10490

zweite Lesung. 10407

Alexander Vogt (SPD) 10407

Thorsten Schick (CDU) 10408

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 10408

Thomas Nückel (FDP) 10409

Michele Marsching (PIRATEN) 10410

Minister Franz-Josef Lersch-Mense. 10410

Ergebnis. 10411

 

8   Achtzehnter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achtzehnter Rundfunk-änderungsstaatsvertrag)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/9758

Beschlussempfehlung
des Hauptausschusses
Drucksache 16/10390. 10411

Lisa Steinmann (SPD) 10411

Thorsten Schick (CDU) 10412

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 10412

Thomas Nückel (FDP) 10412

Michele Marsching (PIRATEN) 10413

Minister Franz-Josef Lersch-Mense. 10413

Ergebnis. 10413

9   Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen (Hafensicherheitsgesetz – HaSiG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9760

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung
und Verkehr
Drucksache 16/10403

zweite Lesung. 10413

Minister Michael Groschek
zu Protokoll (siehe Anlage 1)

Sarah Philipp (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)

Klaus Voussem (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)

Arndt Klocke (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)

Christof Rasche (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)

Oliver Bayer (PIRATEN)
zu Protokoll (siehe Anlage 1)

Ergebnis. 10413

10 Gesetz über die Abschiebungshaft sowie zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9521

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/10433

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10492

zweite Lesung. 10414

Hans-Willi Körfges (SPD) 10414

Werner Lohn (CDU) 10414

Monika Düker (GRÜNE) 10416

Dirk Wedel (FDP) 10417

Dirk Schatz (PIRATEN) 10418

Minister Ralf Jäger 10419

Ergebnis. 10420

11 Gesetz zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis und zur Befristung der Altersteilzeitregelung

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9759

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/10434

zweite Lesung. 10420

Thomas Stotko (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Werner Lohn (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Verena Schäffer (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Marc Lürbke (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Dirk Schatz (PIRATEN)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Ergebnis. 10420

12 Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10379

erste Lesung. 10420

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Ergebnis. 10420

13 Dienstrechtsmodernisierungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Dienstrechtsmodernisierungsgesetz – DRModG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10380

erste Lesung. 10421

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll (siehe Anlage 4)

Ergebnis. 10421

14 Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/10378. 10421

Ergebnis. 10421

15 Veräußerung von Liegenschaften des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) – Liegenschaft in Brüssel

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß § 64 Absatz 2 LHO
Vorlage 16/3480

Beschlussempfehlung
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10435. 10421

Ergebnis. 10421

16 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 3. Quartal des Haushaltsjahres 2015

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2
der Landesverfassung
Vorlage 16/3468

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10436. 10421

Ergebnis. 10421

17 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 36
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 16/10437. 10421

Ergebnis. 10422

18 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/38. 10422

Ergebnis. 10422

Anlage 1. 10423

Zu TOP 9 – „Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen (Hafensicherheitsgesetz – HaSiG)“ – zu Protokoll gegebene Reden

Minister Michael Groschek. 10423

Sarah Philipp (SPD) 10423

Klaus Voussem (CDU) 10424

Arndt Klocke (GRÜNE) 10425

Christof Rasche (FDP) 10425

Oliver Bayer (PIRATEN) 10425

Anlage 2. 10427

Zu TOP 11 – „Gesetz zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis und zur Befristung der Altersteilzeitregelung“ – zu Protokoll gegebene Reden

Thomas Stotko (SPD) 10427

Werner Lohn (CDU) 10428

Verena Schäffer (GRÜNE) 10429

Marc Lürbke (FDP) 10429

Dirk Schatz (PIRATEN) 10430

Minister Ralf Jäger 10431

Anlage 3. 10433

Zu TOP 12 – „Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 10433

Anlage 4. 10435

Zu TOP 13 – „Dienstrechtsmodernisierungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Dienstrechtsmodernisierungsgesetz – DRModG NRW)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 10435

 

Entschuldigt waren:

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Minister Franz-Josef Lersch-Mense      
(ab 19 Uhr)

Andreas Becker (SPD)

Guido van den Berg (SPD)

Uli Hahnen (SPD)

Helene Hammelrath (SPD)

Eva Lux (SPD)

Guntram Schneider (SPD)

Gregor Golland (CDU)

Bernd Krückl (CDU)     
(bis 11:30 Uhr)

Horst Becker (GRÜNE)

Oliver Keymis (GRÜNE)           
(ab 16 Uhr)

Martina Maaßen (GRÜNE)        
(ab 16 Uhr)

Monika Pieper (PIRATEN)

Kai Schmalenbach (PIRATEN)

Dietmar Schulz (PIRATEN)

 


Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 100. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich zwölf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir können auch heute einem Kollegen zu seinem Geburtstag gratulieren. Herr Kollege Frank Sundermann von der SPD-Fraktion feiert heute einen runden Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege! Alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Wir hoffen in unser aller Interesse, dass zumindest der heutige Plenartag nicht allzu lange dauert, damit Sie Ihren Geburtstag auch noch im privaten Kreis begehen können.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich gerne auf die Kleine Anfrage 3917 des Abgeordneten Hendrik Schmitz von der CDU-Fraktion zu sprechen kommen. Wie Sie alle mittlerweile aus den Medien, aber auch über die Information, die an die Fraktionen gegangen ist, wissen, hat es ein sehr bedauerliches Büroversehen der Landtagsverwaltung gegeben.

Die Kleine Anfrage ist bei der Landtagsverwaltung am 29. September dieses Jahres eingegangen, am 30. September als Parlamentspapier verarbeitet und in diesem Zusammenhang auch auf die Internetseite des Parlamentes öffentlich eingestellt worden. Die Übersendung an die Staatskanzlei ist aber bedauerlicherweise unterblieben. Das wiederum ist erst sehr spät aufgefallen, nämlich in der letzten Woche, als die scheinbare Verfristung der Antwort auf die Kleine Anfrage zu öffentlichen Reaktionen geführt hat und dann auch Thema in der Sitzung des Ältestenrates war.

Dass ein Büroversehen der Landtagsverwaltung zu öffentlichen Spekulationen und Vorwürfen geführt hat, tut mir für alle daran Beteiligten sehr leid. Ich bitte daher sowohl den Fragesteller und damit auch die CDU-Fraktion als auch die Landesregierung ganz herzlich um Entschuldigung. Gleichzeitig bedanke ich mich für die umgehende Beantwortung der Kleinen Anfrage, die beim Landtag am 11. Dezember dieses Jahres eingegangen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn der bedauerliche Vorfall der einzige seiner Art seit vielen Jahren ist, werden wir natürlich verwaltungsintern und in Abstimmung mit der Landesregierung unsere Verfahrensabläufe erneut überprüfen.

Dann möchte ich Sie vor Eintritt in die Tagesordnung, damit es keine Irritationen oder erneute Spekulationen gibt, darüber informieren, dass gestern mitgeteilt worden ist, dass Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erkrankt ist und daher an der heutigen und an der morgigen Plenarsitzung nicht teilnehmen kann. Ihre Abwesenheitsvertretung wird Frau Ministerin Löhrmann als stellvertretende Ministerpräsidentin übernehmen. Was die Beratungen zum Haushalt betrifft, haben Sie ja schon gesehen, dass der Finanzminister den Part der Landesregierung übernimmt.

Weiterhin möchte ich mitteilen, dass alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen sich inzwischen darauf verständigt haben, den ursprünglich für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkt 3 „Klimaschutzplan Nordrhein-Westfalen, Entwurf der Landesregierung gemäß § 6 Abs. 1 Klimaschutzgesetz, Vorlage 16/3020“ erst in der morgigen Plenarsitzung am 17. Dezember unter Tagesordnungspunkt 1 gemeinsam mit der Aktuellen Stunde und in Verbindung mit dem Eilantrag zu beraten. Dadurch verschieben sich heute die nachfolgenden Tagesordnungspunkte entsprechend. Wenn ich keinen Widerspruch sehe – das ist so –, dann nehmen wir diese Änderung in die Tagesordnung auf.

Nach diesen Vorbemerkungen können wir nun in die Beratung der heutigen Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf:

1   Nachwahl eines Schriftführers des Landtags Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP

Drucksache 16/10426

Eine Debatte ist nicht vorgesehen, sodass wir sofort zur Abstimmung über den Wahlvorschlag kommen. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von FDP, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Piraten. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Wahlvorschlag Drucksache 16/10426 einstimmig angenommen worden. Herzlichen Glückwunsch, Herr Terhaag, zu Ihrer neuen Aufgabe!

Ich rufe auf:

2   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9300

Und:

Ergänzung
Drucksache 16/10150

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10600

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10485

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10486

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10487

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10488

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10489

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10477

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10478

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10479

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10484

dritte Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2016 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2016 – GFG 2016) und zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9302

Und:

Ergänzung
Drucksache 16/10150

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 16/10601

dritte Lesung

In Verbindung mit:

GFG 2016 – Kürzungen zurücknehmen und Steuerspirale beenden!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10423

In Verbindung mit:

Gesetz über die Feststellung eines Vierten Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Viertes Nachtragshaushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10082

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10427

zweite und dritte Lesung

In Verbindung mit:

Drittes Gesetz zur Änderung des Versorgungsfondsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10083

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10428

zweite Lesung

Als Letztes weise ich darauf hin, dass gerade fünf Änderungsanträge der CDU eingegangen sind, die im Moment verarbeitet werden. Daher kann ich Ihnen die Drucksachennummern noch nicht nennen. Sobald sie gedruckt sind, werden sie verteilt und in die aktuelle Tagesordnung aufgenommen.

Die Veränderungen durch die im Haushalts- und Finanzausschuss bereits gefassten Beschlüsse sind – das kennen die Kolleginnen und Kollegen – in den Veränderungsnachweisen dargestellt.

Nach all diesen Vorbemerkungen eröffne ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 2. Herr Kollege Laschet hat für die CDU-Fraktion das Wort.

Armin Laschet (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist Haushaltsdebatte – die wichtigste Debatte im Jahr. Denn das Haushaltsrecht des Parlamentes heißt, vor Beginn eines neuen Jahres zu entscheiden, für was die Milliarden ausgegeben werden, die die Bürgerinnen und Bürger durch ihre Steuern aufgebracht haben, wie wir dem Gemeinwohl am besten dienen und wo man dieses Geld einsetzt. Nicht die Regierung entscheidet darüber – sie legt uns einen Entwurf vor –, sondern die Abgeordneten, die wiederum von den Wählerinnen und Wählern hierhergeschickt worden sind, um genau dies zu tun.

(Zuruf von den PIRATEN)

Deshalb ist die Haushaltsdebatte auch eine Debatte, in der man über den Zustand unseres Landes spricht, in der man über die politischen Prioritäten spricht, in der die Opposition die Chance hat darzulegen, was sie besser und anders machen würde, und ihre Kritikpunkte an der Regierung vorzutragen.

Wir haben 2013 diese Haushaltsdebatte genutzt, um einen Gegenhaushalt vorzulegen und viele Änderungsvorschläge zu machen. Sie haben das immer alles abgelehnt. Aber diese Änderungsvorschläge haben deutlich gemacht, wie man Sparpotentiale im Land nutzen und wie man umschichten kann.

(Beifall von der CDU)

In all diesen Jahren, als wir vor allem über Alternativen zur Haushaltsführung gesprochen haben, hat Ihnen das Landesverfassungsgericht vier Mal gesagt: So, wie Sie arbeiten, geht das nicht. Der Haushalt ist verfassungswidrig.

(Zurufe von der SPD)

Das waren die Debatten der letzten Jahre. Sie haben daran nicht viel verändert.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD] – Zuruf von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans)

– Lustig fanden Sie das damals nicht, Herr Walter-Borjans.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– Jetzt ruft die Frau stellvertretende Ministerpräsidentin: Aber die gestrige Entscheidung! – Also: Wenn das Verfassungsgericht bei der Bitte von Abgeordneten, Klarheit herbeizuführen, anders entscheidet und sagt: „Nein, so viel soll man Abgeordneten nicht an Wissen geben“, ist das doch eine andere Qualität, als wenn die Verfassungsrichter sagen: Sie handeln mit Ihrer Haushaltspolitik verfassungswidrig. – Das ist ein Riesenunterschied!

(Lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von den PIRATEN)

Wenn Piraten, Liberale und Christdemokraten sagen, sie hätten gerne ein paar Informationen mehr, dann könnten Sie das doch eigentlich ohne Verfassungsgericht von sich aus machen. Das wäre ein fairer Umgang mit diesem Parlament.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Auch wir glauben nicht, dass Sie einen Haushalt durch Kürzungen sanieren können. Einen Haushalt saniert man, indem die Wirtschafts- und Steuerkraft wieder steigt, indem es mehr Arbeitsplätze gibt, indem mehr Arbeitnehmer ihre Steuern zahlen können, indem Unternehmen in Nordrhein-Westfalen angesiedelt werden und mehr Gewinne machen. Diese Impulse haben Sie nicht aufgegriffen. Wir haben Ihnen Vorschläge gemacht, wie Sie dieses starke Land, diesen Riesen entfesseln können, aber Sie leben weiter mit bürokratischen Vorschriften. Das war der Fehler des letzten Jahres.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Deshalb ist Haushaltsberatung immer Abwägung. Jeder Kollege hier im Landtag, jede Partei, jede Fraktion hat eigene Ideen, was man in den Haushalt gerne aufgenommen hätte. Das Kunststück ist, neben den vielen Wünschen, die es gibt, am Ende zu einem Haushalt zu kommen, der nicht jedem ein bisschen gibt, sondern der Prioritäten setzt. Wenn Sie die Zuschauer auf der Tribüne, diejenigen, die die Debatte am Fernsehen verfolgen, fragen würden, was die für sie wichtigen Prioritäten sind,

(Michele Marsching [PIRATEN]: Fragen Sie sie doch mal!)

dann würden die sagen: Es gibt die große Flüchtlingskrise, die im Moment alle Anstrengungen fordert und die uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Machen wir doch alles!)

Da kann man manches Lieblingsprojekt der Grünen und manches Genderprojekt oder weiß der Teufel was auch einmal zurückstellen und sagen: Wir kümmern uns jetzt um diese Aufgabe!

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Die Frage ist: Wie gut sind wir auf diese Aufgabe vorbereitet? Es ist doch logisch: Wenn Deutschland heute noch fünf Millionen Arbeitslose wie Anfang des Jahrzehnts hätte, wäre die Lage schwieriger, als sie es heute ist. Ein Land, das stark ist, das den höchsten Beschäftigungsstand seit der Wiedervereinigung hat, kann diese Aufgabe natürlich leichter bewältigen.

Die Frage ist: Wie gut sind wir denn in Nordrhein-Westfalen vorbereitet? – Wir sind in der Finanz- und Wirtschaftskraft schwächer als andere Länder. Wir sind bei den Bildungsvergleichen schlechter als andere Länder. Wir sind bei der Infrastruktur schlechter als andere Länder. Anhand dieser Prioritäten müssen wir jetzt definieren, was wir uns – vielleicht sogar parteiübergreifend – für 2016 vornehmen sollten.

Die erste große Aufgabe ist, den Haushalt in Ordnung zu bringen. Wir haben seit 1973 142 Milliarden € Landesschulden angehäuft. Wir haben wieder eine Neuverschuldung in der Größenordnung von ca. 2 Milliarden €. Die Ausgaben des Landes wurden in den letzten fünf Jahren, wo eigentlich die Zeit gewesen wäre, sich auf Krisensituationen vorzubereiten, wo die Steuern gesprudelt sind wie noch nie, um 30 % ausgeweitet.

Ich sage es Ihnen hier noch einmal, Herr Finanzminister Walter-Borjans: Das ist der Istzustand des heutigen Tages. Kommen Sie in den nächsten Monaten bloß nicht auf die Idee, Ihre Schuldenpolitik mit Flüchtlingen zu begründen! Kommen Sie bloß nicht auf diese Idee!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das schimmert ja immer schon einmal so durch. Ich sage Ihnen: Das wäre ein Missbrauch dieser Menschen, die nichts dafür können, dass wir heute 140 Milliarden € Schulden haben!

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Heftiger Widerspruch von der SPD – Zurufe von der SPD: Pfui!)

– Ja, das wäre ein Missbrauch! Ich kann Sie nur warnen! Missbrauchen Sie nicht die Menschen, die jetzt zu uns kommen!

(Zurufe von der SPD)

Ich sage Ihnen: Missbrauchen Sie sie nicht!

(Marc Herter [SPD]: Ganz schäbig!)

Instrumentalisieren Sie nicht Flüchtlinge für Ihre verfehlte Politik! Das ist meine Mahnung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Heftiger Widerspruch von der SPD)

Zweiter Punkt: Wir hatten hier mal nach langen Debatten mühsam …

(Zuruf von der SPD: Ungeheuerlich!)

– Ja, das wäre ungeheuerlich, wenn er so weitermachen würde. Lassen Sie das!

(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD – Zuruf von der SPD: Unverschämt!)

Zweiter Punkt: Wir hatten uns einmal in diesem Landtag an einen Konsens herangerobbt, nämlich im Jahre 2003.

(Zurufe von der SPD)

– Ja, ich weiß, dass Sie das trifft. Sie führen die Moralkeule immer gegen andere – aber diese Schulden haben nichts mit Flüchtlingen zu tun, zum letzten Mal!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Im Jahre 2003 haben wir uns einmal an einen Konsens herangerobbt bezüglich der Frage, wie wir angesichts der Kosten für die Mitarbeiter des Landes, insbesondere die Beamten, deren Pensionen später gezahlt werden als heute, für die Zukunft vorsorgen. Die CDU-Fraktion hat dies 2003 in der Opposition angeregt. Knapp vor dem Regierungswechsel 2005 haben sich CDU, FDP, Grüne und SPD darauf verständigt, einen Fonds anzulegen, die verfehlte Praxis umzustellen und für jeden Beamten, den wir haben, in einem Fonds so vorzusorgen, wie das jeder Unternehmer in seinem Betrieb macht.

Mit dem, was Sie heute tun, nämlich indem Sie diesen Fonds auf 200 Millionen € einfrieren, obwohl jeder weiß, dass 1 Milliarde € gebraucht wird, und das mit einem Finanztrick, setzen Sie wiederum die falschen Prioritäten. Sie verschieben Lasten in die Zukunft, und das ist ein Bruch dessen, was wir uns in diesem Landtag einmal vorgenommen haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Nun machen Sie bei der Vorsorge nicht das, was für diese große Aufgabe jetzt erforderlich wäre. Sie haben sich lustig gemacht – oft genug – über die Haushaltspolitik von Wolfgang Schäuble, über das Ziel, keine neuen Schulden aufzunehmen, was man anders auch „schwarze Null“ nennt. Aber dass man in dieser Lage im Bund und in neun anderen deutschen Bundesländern in der Lage ist, mit guten Finanzen jetzt diese große Herausforderung …

(Zuruf von Achim Tüttenberg [SPD])

– Nein, Sie wissen genau, das hat Schäuble in den letzten Wochen geschafft. Dafür hat die Ministerpräsidentin gedankt. Auch wenn sie gerade nicht da ist, weil sie krank ist, sollten Sie sich erinnern, dass sie für die 6, 8, 10 Milliarden € gedankt hat, mit denen der Bund den Kommunen geholfen hat.

(Beifall von der CDU)

Die Kommunen wissen ganz genau, dass Bund, Länder und Kommunen das solidarisch stemmen können. Aber jetzt merkt man doch, dass man das leichter stemmen kann, wenn man Vorsorge getroffen hat, wenn man Milliarden für eine neue Aufgabe geben kann, ohne neue Schulden zu machen.

Im WDR 5 heute hat Herr Walter-Borjans gesagt: 2019 will er die Schuldenbremse einhalten, wozu er dann auch verpflichtet ist, weil sie in der Verfassung steht. – Aber er will nicht schneller ohne neue Schulden auskommen. Was ist das für ein Finanzminister, der es nicht einmal will, ohne neue Schulden auszukommen?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Gleiche betrifft die Wirtschaftskraft des Landes. Die liegt in Nordrhein-Westfalen seit 20 Jahren unter dem Schnitt der westdeutschen Länder. Wir haben in Nordrhein-Westfalen, über dessen Haushalt wir heute reden, im Jahre 2015 preisbereinigt einen Anstieg des Bruttoinlandprodukts, also dessen, was die Menschen jeden Tag erwirtschaften, um 0,3 %. Deutschland insgesamt hat 1,4 %. Schlechter als Nordrhein-Westfalen ist nur noch Sachsen-Anhalt mit 0,0 %.

Und die bundesweiten Bedingungen sind gleich. Aber ich will einfach nicht, dass wir immer hinten sind, immer Letzter sind, nicht genug Wachstum haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir müssen das nach oben bringen. Wir haben in Westdeutschland eine Arbeitslosenquote von 5,4 %, in ganz Deutschland von 6 %, in Nordrhein-Westfalen von 7,6 %. Wenn das so ist, wenn der Schnitt unserer Arbeitslosigkeit größer ist als bei den anderen, wenn selbst Thüringen als ostdeutsches Bundesland es erstmals geschafft hat, wenn selbst Thüringen heute besser dasteht als wir in der Entwicklung der Arbeitslosigkeit, dann muss doch eine Regierung, die links und rechts dieses Pultes sitzt, zusammenkommen und sagen: Was machen wir, damit die Menschen, die Arbeit suchen, Arbeit bekommen? Das muss doch ein prioritärer Schwerpunkt einer Landesregierung sein.

(Beifall von der CDU)

Das fängt damit an, dass man guckt: Was können wir tun, damit unsere Unternehmen und die Menschen, die darin arbeiten, stark bleiben? Der Breitbandausbau ist so eine Priorität. Jeder weiß heute, dass schnelles Internet erforderlich ist, um Daten zu übertragen und wettbewerbsfähig zu sein. Wir schlagen Ihnen deshalb vor, dass die Mittel aus der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen – „Digitale Dividende“ nennt man das – verdoppelt werden. Wir wollen die Mittel 2017 auf 100 Millionen € aufstocken. Wir wollen so viel geben wie andere Länder, damit wir in ein paar Jahren auch wieder so stark sind wie andere Länder und unsere Unternehmen arbeiten können.

(Beifall von der CDU)

Ich war in der letzten Woche im Sauerland unterwegs und habe mit dem Unternehmerkreis Sauerland-Initiative …

(Zurufe von der SPD)

– Ja, ich weiß, dass Sie Südwestfalen und das Sauerland nicht interessiert, liebe Kollegen von der SPD. Das wissen wir.

(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD)

Aber das ist doch kein Grund, wenn man jetzt einmal die Sorgen, die die Menschen vor Ort vortragen, schildert, dass man dann bei der SPD-Fraktion direkt ins Murren übergeht. Hören Sie einfach mal zu, was die Unternehmen im Sauerland sagen und die Unternehmen schildern!

(Zuruf von der SPD)

– Sie haben keine Abgeordneten aus dem Sauerland, das ist klar. Trotzdem ist es eine wichtige Region in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Im Sauerland wählt keiner SPD, das ist klar, ja.

(Zuruf von der SPD: Doch!)

Aber man kann sich auch um Regionen kümmern, in denen man nicht gewählt wird. Da sind nämlich auch Menschen, die Unterstützung verdient haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Sauerland ist die Region in Deutschland,

(Anhaltende Zurufe – Unruhe – Glocke)

die das stärkste Wirtschaftswachstum hat. Der Kreis Olpe ist auf Platz drei, glaube ich, in ganz Deutschland bei der Wirtschaftskraft, mithaltend mit den Regionen in Süddeutschland.

Da ist ein Nano-Technologe von einem Ort im Kreis Olpe mit seinem Unternehmen an einen neuen Standort an einen anderen Ortsteil umgezogen. Dieser sagt mir: Hätte ich gewusst, dass ich es in zwei Jahren nicht schaffe, eine vernünftige Internetleitung zwischen beiden Standorten herzustellen, dann hätte ich die ganze Investition gelassen. – So ist die Stimmung.

Die Mitarbeiter fahren jetzt von dem einen Standort in Olpe zu dem anderen, wenn sie schnelle Daten übertragen wollen bzw. müssen, manchmal in ganz kurzer Zeit.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Dann haben sie keine Ahnung!)

Das ist jetzt ein Beispiel für viele. In dieser Region sitzen aber unzählige Unternehmen, die Produkte für den Weltmarkt machen, die immer schneller werden müssen, die aber das langsamste Internet haben.

Deshalb sage ich: „Priorität“ müsste für eine Landesregierung bedeuten, alles zu tun – schneller, als es bisher geschieht, also nicht mit so kleinen Trippelschritten, wie Herr Duin das macht –, um schnelles Internet zu erreichen. Damit sichern Sie Arbeitsplätze. Damit sichern Sie Wirtschafts- und Steuerkraft, und damit sichern Sie sogar gute Haushaltsberatungen, weil wir dann mehr Geld hätten.

(Beifall von der CDU)

Nun gibt es andere Regionen, die es schwerer haben. Da ist der Strukturwandel, den wir im Ruhrgebiet erleben. Da ist die Arbeitslosigkeit …

(Zuruf von der SPD: Da sind auch Menschen!)

– Ja, da sind auch Menschen. Da haben Sie recht, Herr Kollege. Aber deshalb, lieber Herr Kollege, müsste man dann, wenn man sich für das Ruhrgebiet einsetzt, auf die Priorität Nummer eins, die Arbeitsplätze, setzen.

(Beifall von der CDU)

Man müsste jeden Tag darüber nachdenken: Was können wir tun, um hier neue Arbeitsplätze zu schaffen? Und jeder, der irgendeine Idee hat, irgendeine Voraussetzung schafft, damit ein neuer Arbeitsplatz entsteht, der muss jede Unterstützung der Landesregierung bekommen.

(Beifall von der CDU)

Ich denke an den SPD-Landrat aus Recklinghausen bei der Debatte rund um newPark. Das war nämlich so ein Punkt, an dem sie hätten sagen können: Hier ist eine Idee. Da entstehen neue Arbeitsplätze! – Wahrscheinlich wird doch die Reaktion einer sozialdemokratischen Landesregierung sein: Ja, klasse, neue Arbeitsplätze, da machen wir sofort mit! – Nein, es braucht eine monatelange, eine wochenlange Diskussion unter dem Motto: Wie machen wir es, mit welcher Regel? Der SPD-Landrat bekundet: Was wir nicht brauchen, sind widersprüchliche und hinterhältige Haltungen des Landes. – Damit hat er recht. Wir brauchen keine hinterhältigen Handlungen, sondern Priorität für Arbeitsplätze im Ruhrgebiet!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nicht alle Regionen sind gleich. Im Sauerland brauchen Sie andere Ideen als im Ruhrgebiet. Aber beide Regionen haben es verdient, dass eine Regierung sagt: Das ist für uns Schwerpunkt!

Es gibt viele ökologische Ansätze, die auch in Ordnung sind. Aber man muss entscheiden. Und wenn in einer Region eine besonders hohe Arbeitslosigkeit herrscht, hat Arbeit Priorität. Das muss sich auch im Handeln der Landeregierung widerspiegeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt nenne ich Ihnen ein Beispiel. Wir erleben in diesen Tagen die Schließung auch der allerletzten Zechen. In Marl steht jetzt eine Zechenschließung mit vielen Folgen für die Menschen an.

Wir haben 2007 – Bund, Gewerkschaften, Unternehmer, die Regierung Rüttgers, CDU und FDP plus die Grünen – im Landtag beschlossen: Wir wollen aus der Steinkohlesubvention aussteigen – aber nicht mit der Hauptidee – die Grünen waren in diese Richtung aber vielleicht doch etwas stärker motiviert – Klimaschutz, sondern mit der Idee, Mittel freizumachen für Investitionen, damit neue Arbeitsplätze in dieser Region entstehen.

(Beifall von der CDU)

Neue Steinkohlekraftwerke sind trotzdem geplant worden. Die Debatte heute, wann wir irgendwann aus den fossilen Energieträgern aussteigen werden, ist eine andere. 2007 war das begründet.

Jedes Jahr viele Hundert Millionen Subventionen sind falsch. Wir müssen aussteigen, aber sozialverträglich aussteigen. Und wir müssen das Geld, das dann eingespart wird, für Investitionen einsetzen.

Der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagte hier unter Zustimmung von CDU, FDP und Grünen: Es gilt insbesondere, den Mittelstand, das Handwerk und Innovationen im Ruhrgebiet zu stärken. Wir brauchen mehr Firmengründungen, gerade auch in technologieintensiven Bereichen.

Seit 2010 sind die ehemals 492 Millionen € – so viel betrug die Steinkohlebeihilfe damals – auf 165 Millionen abgeschmolzen worden. Allein in 2016, das heißt in dem Haushalt, über den wir gerade reden, stehen Ihnen dadurch 142 Millionen € mehr zur Verfügung, also Geld, mit dem man genau die Wachstumsimpulse setzen könnte, die wir damals versprochen haben. Damit könnten Sie den Breitbandausbau voranbringen, Start-ups und Digitalisierung fördern und dem Ruhrgebiet nachhaltig beim Strukturwandel helfen.

Das Problem ist jedoch: Diese Zusage von 2007 lösen Sie nicht ein. Sie geben das Geld nicht für Innovationen. Es versickert im Landeshaushalt oder landet bei dem einzigen großen steigenden Etat, beim Umweltminister. Das gönne ich Ihnen alles, Herr Remmel, was Sie da an mehr Geld bekommen. Aber das Versprechen gegenüber den Bürgern war ein anderes.

(Beifall von der CDU)

„Innovationen im Ruhrgebiet“ lautete 2007 das Versprechen!

Deshalb werden wir Sie, wenn jetzt die Zechen schließen, Jahr für Jahr daran messen – man kann das genau nachrechnen –: Ist das Geld wirklich bei Innovationen gelandet, oder wird es für andere Lieblingsprojekte, die man immer schon mal machen wollte, genutzt? Schwerpunktsetzung wird heißen, dieses Geld für Innovationen einzusetzen.

(Beifall von der CDU)

Ein weiterer Punkt, wie man Arbeitsplätze schafft, ist nicht nur die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur, sondern auch der analogen, also von Straßen, Brücken und vielem anderem in einer Zeit langer Wertschöpfungsketten, die wir Gott sei Dank in Nordrhein-Westfalen noch haben: von der Stahlproduktion bis hin zu den Automobilzulieferern im Sauerland. Jeder BMW, mit dem die Bayern weißblau stolz durch die Gegend fahren, ist 30 % Nordrhein-Westfalen. Das müssen wir deutlich machen, dass wir hier Produkte herstellen, die in die Welt gehen.

Die Erwartung auf dem Weltmarkt ist heute längst nicht mehr „just in time“, sondern „just in sequence“, sprich: in laufende Förderprozesse hinein ein Produkt zu liefern, weil die Welt immer schneller wird.

Unser Problem ist: Die Welt wird immer schneller. Die Logistiksysteme werden immer globaler, und unser Verkehr wird immer langsamer. Heute brauchen Sie beispielsweise von Siegen bis zum Duisburger Hafen eine Woche. Früher waren Sie nur ein oder zwei Tage unterwegs, je nachdem, ob das ein Schwerstlasttransporter war.

Wir haben 280.000 km Stau in diesem Land. Wer wissen will, wie der Zustand dieser Landesregierung ist, braucht nur zwischen 7 und 9 Uhr die Meldungen von „WDR 2“ nach den Nachrichten zu hören. Dann wissen Sie, wie der Zustand in diesem Lande ist.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

In Köln, der deutschen Stauhauptstadt Nummer eins, stehen die Bürger pro Jahr 65 Stunden im Stau, also fast drei ganze Tage. Das muss sich dringend ändern. Deshalb möchte ich auch von dieser Stelle der neuen Oberbürgermeisterin in Köln, die gestern ihr Amt angetreten hat, gratulieren und sagen: Räumen Sie mit dieser Erblast in Köln auf! Köln gehört in die Champions League der deutschen Städte. Die Erblast von vielen Jahren SPD-Herrschaft in dieser Stadt muss jetzt beendet werden.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Jochen Ott [SPD] – Unruhe)

Aber – ich habe das an dem Beispiel des Schwertransporters eben beschrieben –: Es gibt Maßnahmen, mit denen ein ganzes Land alles tut, um ein Unternehmen, das weit weg von den Logistikunternehmen liegt, trotzdem wettbewerbsfähig zu halten. Dieses Unternehmen ist die Meyer Werft in Papenburg. Mitten im Land gelegen werden da riesige Schiffe gebaut. Die Bedingungen, Schiffe mitten im Land zu bauen, sind eigentlich sehr schlecht. Der Standort der Werft ist aber historisch so gewachsen.

(Unruhe von der SPD und den GRÜNEN)

Aber dort tut eine Landesregierung alles dafür, die Arbeitsplätze zu erhalten. Und alle Menschen, die die Bilder sehen, wenn ein großes Schiff scheinbar über die Wiesen herausfährt,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist wohl eine Abschiedsrede! Er kandidiert für Niedersachsen!)

wissen: Wir müssen uns kümmern, weil unsere Arbeitsplätze daran hängen.

(Beifall von der CDU)

Die kleinen mittelständischen Betriebe und die großen Unternehmen, die die Brücken nicht mehr befahren können, haben nicht solch schöne Bilder, die in der Tagesschau zu sehen sind. Aber sie haben die gleichen Sorgen, ihre Produkte auf die Weltmärkte zu bringen. Deshalb muss man das ernst nehmen.

(Beifall von der CDU)

Ich glaube, ich könnte sogar bei diesem Thema Herrn Remmel als Verbündeten gewinnen.

(Nadja Lüders [SPD]: Das heißt doch „Bundesautobahnen“! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Die Sperrung, Herr Remmel, der A1-Rheinbrücke bei Leverkusen bedeutet, dass man 40 km Umweg fahren muss, um den Rhein zu überqueren, was der Wirtschaft jedes Quartal 242 Millionen € Zusatzkosten verursacht. Das sind eine riesige Summe und ein volkswirtschaftlicher Schaden.

Durch diese Umwege werden zusätzlich 150.000 l Diesel pro Tag benötigt. Das entspricht exakt 384 Extratonnen CO2.

(Unruhe von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb: Wenn Sie in Infrastruktur investieren und die Leute keine Umwege fahren müssen und nicht im Stau stehen, dann können Sie sich Ihren ganzen Klimaschutzplan mit vielen kleinteiligen Maßnahmen – wie der Kampagne LRKS 6 M136; das ist das Thema: Mein Wäschetrockner ist eine Leine – sparen.

(Heiterkeit von der CDU und der FDP)

Sie müssen nur verhindern, dass die Leute riesige Umwege fahren müssen, weil die Infrastruktur in einem schlechten Zustand ist. Das ist ein Beitrag zum Klimaschutz!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist ein echter Beitrag zum Klimaschutz, wenn wir weniger Staus haben, wenn man über die Brücken fahren kann und keine Umwege fahren muss. Dieses einmal in den Blick zu nehmen, Herr Remmel, würde lohnen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen den Bundesfernstraßenbau vorantreiben. Ich finde, das gehört wieder zu den Prioritäten in einer Zeit, in der die Zinsen so niedrig sind, in der Rentenfonds und Pensionsfonds – das Geld, das die Menschen für ihre Altersversorgung zurücklegen – gut angelegt sein wollen. In dieser Zeit sollten wir doch eine dreifache Gewinnsituation daraus machen. Die einen wollen Geld anlegen, bekommen aber bei den niedrigen Zinsen keine Erträge. Denen sollte angeboten werden: Gebt das Geld für öffentliche Infrastruktur, und wir garantieren euch eine Rendite. – ÖPP nennt man das.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE: Wie Schäuble das macht! – Michael Hübner [SPD]: Schön, dass Sie das gelernt haben! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Ja, Sozialdemokraten können immer etwas lernen.

(Beifall von der CDU)

Also, wir sind jetzt in Phase 1. Sie haben jetzt verstanden, was das ist.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Phase 2 bedeutet: Umsetzen! Machen! Anfangen! Projekte machen!

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Die Situation „niedrige Zinsen und schlechte Infrastruktur“ ist historisch gesehen nicht so oft vorhanden. Das heißt: Sehr schnell das Geld, das investiert werden wird, für das Gemeinwohl einsetzen. Davon profitieren die Menschen, davon profitieren die Arbeitsplätze, davon profitieren die Rentenfonds, die ihr Geld anlegen wollen. Seien Sie doch einmal kreativ, wie das andere Bundesländer sind. Dann kommen wir in Nordrhein-Westfalen auch wieder auf die Beine.

(Beifall von der CDU)

Ich könnte das endlos fortsetzen. Beim Landesstraßenbau haben wir eine relativ geringe Summe.

(Unruhe von der SPD)

– Ich verstehe doch, dass bei Ihnen so mancher denkt: Wir könnten mehr für Arbeitsplätze tun. So ein Mist! Der Laschet sagt genau das, was wir denken. – Und dann wird man unruhig.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU – Lachen von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Marc Herter [SPD])

– Herr Herter, ich nenne Ihnen noch ein anderes Beispiel, und zwar zum Thema „Aufstieg durch Bildung“, das vielen Ihrer Kollegen wichtig ist.

Ich weiß, dass es vielen Ihrer Kollegen wichtig ist, dass Menschen, deren Eltern nicht studieren konnten, ein Studium machen können. Mein Vater hat auch nicht studiert, der war Bergmann. Ich aber konnte studieren.

(Zurufe von der SPD)

– Ja, vielleicht finden das Teile der Sozialdemokraten auch schon lustig. Ich finde es nicht lustig. – Für diese Menschen ist es wichtig, dass man Prioritäten setzt und an den Hochschulen einen guten Schlüssel im Betreuungsverhältnis von Dozenten zu Studierenden hat.

(Beifall von der CDU)

Das ist eine wichtige Frage. Kinder, die immer schon optimale Unterstützung durch hochakademisierte Elternhäuser hatten, packen das vielleicht leichter. Für jemanden aber, der sich hart hochgearbeitet hat, sind gute Studienbedingungen, gute Tutoren und ein guter Schlüssel beim Betreuungsverhältnis wichtig.

(Zurufe von der SPD)

– Ich wundere mich, dass Sie selbst bei diesem Thema nicht zu den alten sozialdemokratischen Werten stehen. Es wundert mich zutiefst!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Als die Regierung Rüttgers mit ihrer Arbeit anfing, lag der Betreuungsschlüssel – also das Verhältnis von Dozenten zu Studierenden – bei 10,6 %. Nachdem CDU und FDP unter Wissenschaftsminister Pinkwart, der sich um diese Dinge gekümmert hat, regierten, lag er bei 8,8 %. Da wurde hart gearbeitet, um Studienbedingungen an den Universitäten zu verbessern.

Jetzt, nach vier Jahren Rot-Grün, sind wir wieder bei 9,6 %. Sie sind da, wo Sie aufgehört haben!

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Es fällt schwer, Politik gegen die Statistik zu machen. Das Statistische Bundesamt sagt, dass Nordrhein-Westfalen an seinen Universitäten das schlechteste Betreuungsverhältnis aller Länder hat. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen das beste Betreuungsverhältnis aller Länder hat. Das ist der Unterschied!

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Was aber machen Sie?

(Weitere Zurufe von der SPD)

Die starken Hochschulen, die wir haben, schwächen Sie. Sie wissen genau, dass das Hochschulfreiheitsgesetz selbst von SPD-Rektoren und grünen Kanzlerinnen kritisiert worden ist. Sie kämpfen nicht um die Spitzenwissenschaft, die wir haben. Das Care-Institut in Münster ist inzwischen nach Bayern abgewandert. Und Sie unternehmen nichts, um das Fujitsu Forschungs- und Entwicklungszentrum in Paderborn zu halten. Dafür aber haben Sie inzwischen dreizehn Professuren für Genderforschung.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Gleichberechtigung ist eine wichtige Angelegenheit, Frau Beer. Es gibt aber unzählige andere wichtige Fragen. Ich habe über Prioritäten gesprochen. Ich habe gelernt, dass Physik die Lehre ist, wie sich Materie und Energie sowie deren Wechselwirkungen in Raum und Zeit ergeben. Das ist Physik. Dass jetzt aber Genderforschung bei experimenteller Physik gemacht wird, hat doch nichts mit Männern und Frauen zu tun. Das sind naturwissenschaftliche Vorgänge!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nehmen wir uns doch all diese Spielwiesen in dem Moment vor, in dem wir keine anderen Sorgen haben. Jetzt aber sollten wir erst einmal sagen, welche Priorität wir setzen müssen. Das ist sicher nicht Genderforschung in der experimentellen Physik. Bei aller Liebe nicht!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir stehen vor der großen Aufgabe der Integration von 300.000 Flüchtlingen – das ist Ihre Schätzung, Herr Innenminister –, die in diesem Jahr nach Nordrhein-Westfalen gekommen sind. Diese Zahl ist, wie Sie alle wissen, höher als die Zahl der Flüchtlinge, die Deutschland in vielen Jahren überhaupt aufgenommen hat. Das ist eine Aufgabe, zu der uns die letzte „WESTPOL“-Umfrage glücklicherweise gesagt hat: Die große Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen hat keine Angst vor Flüchtlingen. Sie sieht sie parteiübergreifend als eine Bereicherung an.

(Beifall von der CDU und der SPD sowie Minister Michael Groschek – Stefan Zimkeit [SPD]: Da klatscht Ihre Fraktion eben nicht so richtig!)

Deshalb glaube ich, dass wir versuchen sollten, hier zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung zu kommen. Ich hätte mich gefreut, wenn man bei der Kabinettsumbildung gesagt hätte – wir haben kritisiert, dass das nicht geschehen ist –: Jetzt brauchen wir einen starken Integrationsminister, der alle Ressorts koordiniert und sich dieser Aufgabe widmet! – Das ist eine Frage von Prioritäten. Frau Kraft hat das anders entschieden.

(Zurufe von der SPD)

Ich hätte das in dieser Phase gemacht.

Letztes Jahr habe ich von diesem Pult aus erklärt, dass wir eine Regierungserklärung zur Digitalisierung bräuchten. Eins und eins und eins und eins ist vier, aber noch lange nicht 4.0. Deshalb bin ich froh, dass im Januar dieser Anregung gefolgt wurde.

Ich würde heute empfehlen beziehungsweise die Bitte äußern – bitte, übermitteln Sie sie der Ministerpräsidentin –: Machen Sie das Thema „Integration“ im Jahr 2016 zu Ihrer Priorität. Beginnen Sie die Jahresauftaktpressekonferenz mit nichts anderem als diesem Thema. Das ist das Thema, was wir jetzt brauchen. Wir erwarten von Ihnen nach der Notaufnahme, die wir geleistet haben, eine große Integrationsidee, wie das alles denn in den nächsten Jahren funktionieren soll. Das ist meine Bitte für das kommende Jahr.

(Beifall von der CDU)

Das heißt, dass wir, wenn wir darüber reden, fragen müssen: Wie sind wir denn vorbereitet? – Natürlich ist ein Land besser vorbereitet, das über genügend U3-Plätze verfügt. Es ist nicht gut vorbereitet, wenn es 16. von 16 ist und die Betreuungsquote bei 25 % liegt.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Stimmt überhaupt nicht!)

– Das muss man ja noch einmal sagen dürfen. – 25 % der Kinder in Nordrhein-Westfalen können einen U3-Platz bekommen. Nirgendwo in Deutschland sind es so wenig wie bei uns. Und jetzt kommt die Integrationsaufgabe für die Flüchtlinge hinzu.

Die umgekehrte Rechnung ist übrigens: 75 % werden immer noch familiär betreut, weil die Plätze fehlen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist doch falsch! Sie haben keine Ahnung! – Weiterer Widerspruch von der SPD)

Ich sage Ihnen: Diese 75 % der Eltern, 100.000, die in Nordrhein-Westfalen Betreuungsgeld beantragt haben, haben nicht Ihre Häme für die Arbeit verdient, die sie in den Familien leisten.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Sie haben sich riesig gefreut, dass die Eltern, denen Sie keinen Platz geben, jetzt das Betreuungsgeld nicht mehr bekommen. Das ist vom Verfassungsgericht entschieden.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Aha!)

Ein Landesbetreuungsgeld wollen Sie nicht.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Wollen Sie das? Wollen Sie das? Wollen Sie das? – Sigrid Beer [GRÜNE]: Erklären Sie sich doch mal: Wollen Sie das? – Weitere Zurufe)

Sie stecken das Geld jetzt in die Kitas; das ist gut. Aber was hätten Sie eigentlich gemacht, Frau Kampmann, wenn der Bund nicht so großzügig gewesen wäre?

(Lachen von der SPD)

Die Bundesregierung aus SPD und CDU

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

hat dem Land dieses Geld nahtlos weitergegeben.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn Sie den Schlüssel für die Kitas bzw. die Kindpauschale hätten erhöhen wollen?

(Marc Herter [SPD]: Abenteuerlich! – Weitere Zurufe)

Wir finden das richtig.

(Marc Herter [SPD]: Die Kindpauschale ist aus eigenem Geld erhöht worden! Aus Landesgeld! – Weitere Zurufe)

Ich finde, da könnte man noch mehr machen. Wir haben im KiBiz festgeschrieben …

(Fortgesetzt Zurufe – Glocke)

Im Konsens …

(Stefan Zimkeit [SPD]: 1,5 % haben Sie festgeschrieben!)

– Ja, 1,5 % zugesagt. Damals haben auf einem Blatt sechs Wohlfahrtsverbände unterschrieben,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Rufen Sie die doch jetzt mal an! – Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

zwei Kirchen, drei kommunale Spitzenverbände. Die haben genau diese Summe genannt. Aber sie haben das getan, weil im Gesetz stand: 2011 wird evaluiert. Da wird geschaut, ob es reicht. – Sie allerdings haben seit vier Jahren nichts gemacht.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Widerspruch und Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben vier Jahre lang nicht das eingelöst, was wir mit den Eltern, den Kitas, den Kirchen – ich persönlich – verabredet haben. Sie haben das vier Jahre lang nicht gemacht.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Jetzt hilft Ihnen der Bund, dass Sie es schaffen. Sie schaffen es wieder nicht aus eigener Kraft.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Das ist der Unterschied.

(Beifall von der CDU und Marcel Hafke [FDP])

Der zweite Bereich des Lebens, in dem Integration jetzt gelingen muss, ist die Schul- und Bildungspolitik. Wir haben auch da denkbar schlechte Voraussetzungen.

Frau Löhrmann, Sie haben mal in einem Papier geschrieben: Was soll eigentlich eine Schulleitung machen? – In Sachen Wortkreation und PR ist die Landesregierung groß. Sie hat geschrieben: Schulleitung ist verantwortlich für die Implementation einer innovativen Lehr- und Lernkultur mit den Merkmalen eines selbstverantworteten Lernens und eines qualitätsorientierten Unterrichtsentwicklungskonzeptes. Der Schulleiter soll pädagogische Führungsfähigkeiten und Managementqualität besitzen, Konfliktmanagement, rollenbezogene Gesprächsleitung und Gesprächsführung, Qualitäts- und Evaluationsmanagement durchführen und und und.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Diese Schulleiter sind jetzt die Hauptakteure bei der Integration der Flüchtlingskinder.

(Zuruf von der SPD: Nein, die Lehrer!)

Sie müssen wissen: In welcher Klasse kümmere ich mich um welches Kind?

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Dazu brauchen wir ein paar Kompetenzen!)

Aber wie sieht es im Lande aus? Diese groß beschriebene Stelle ist an 700 Schulen im Lande gar nicht mehr die Realität, weil es die Rektoren nicht mehr gibt.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir haben Ihnen vorgeschlagen: Der Bund hat uns die BAföG-Mittel zur Verfügung gestellt. Geben Sie einen finanziellen Anreiz, statten sie die Schulleiter besser aus, damit wir mehr Menschen finden, die diese Aufgabe wahrnehmen. – Das machen Sie einfach nicht. Sie schreiben große Texte, aber wenn es um die Realität geht, sind Sie nicht dabei, und das ist schlecht.

(Beifall von der CDU und Dietmar Brockes [FDP])

Das geht quer durch die ganze Bildungspolitik. Sie machen Riesentexte zur Inklusion. Ich habe im Sommer eine Inklusionstour gemacht. Gerade die Gesamtschulen haben mir geschildert – sie haben auf diesem Feld schon seit Jahren viel geleistet –,

(Zuruf von André Stinka [SPD])

dass es Ihnen finanziell mit Blick auf den Betreuungsschlüssel schlechter geht als vor Ihrem Gesetz. Die GEW schreit auf und sagt: Das reicht nicht, wir sind schlecht ausgestattet. Wir haben zu wenige Lehrer. – In so einer Phase, wo wir so schlecht vorbereitet sind, da wollen Sie uns erklären, dass wir gut auf Flüchtlinge vorbereitet wären?!

(Hans-Willi Körfges [SPD], auf den Redner deutend: Schlecht vorbereitet, richtig! – Weitere Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder von Ihnen oder viele haben ein solches iPhone. Damit kann man tolle Sachen machen.

(Zurufe von den PIRATEN: Ui! Oh! – Weitere Zurufe)

Man kann beispielsweise rechnen: Wie viele Stockwerke habe ich erklommen? Wie viele Schritte bin ich gegangen?

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.

Armin Laschet (CDU): Wenn Sie wollen, können Sie sogar eingeben, wie viel Vitamin A, B, C, D, E und K …

(Fortgesetzt Zurufe)

Es gibt eigene Raster darin. Da kann man Aktivitätskalorien messen. Das ist etwas für die Opposition.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Es gibt andere, die messen Ruhekalorien. Schlafanalysen können Sie machen. Das ist etwas für die Regierung.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Das ist heute für jeden privat zu Hause möglich. Viele Menschen nutzen das.

Und Sie wollen uns ernsthaft erklären, dass das Vitamin U, Unterrichtsausfall, nicht messbar ist,

(Zuruf von Norbert Römer [SPD])

dass es in Zeiten der Digitalisierung nicht messbar sein soll, dass jede Schule sagt, wieviel Unterricht ausfällt?

(Lebhafter Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das ist das Konkrete, …

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Laschet, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Armin Laschet (CDU):… wo man konkrete Schwerpunkte setzen kann: Bildung besser machen, Aufstiegschancen schaffen, Integration für die vielen Kinder jetzt durch ein optimales Bildungssystem ermöglichen. Das ist die Aufgabe, für die wir stehen.

Dieser Haushalt ist kein Konzept, setzt keine Prioritäten, und deshalb werden wir ihn heute hier in diesem Landtag ablehnen.

(Langanhaltender lebhafter Beifall von der CDU – Anhaltender Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD und den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Laschet.

(Fortgesetzt Beifall)

Nachdem Sie nun festgestellt haben, dass wir uns nicht auf einem Parteitag befinden, sondern im Parlament von Nordrhein-Westfalen,

(Große Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lebhafte Zurufe von der CDU: Oh! Pfui! Unverschämt! – Weitere Zurufe)

danke ich Herrn Kollegen Laschet noch einmal ganz herzlich für seine Rede.

(Fortgesetzt lebhafte Zurufe)

Ich danke Herrn Kollegen Laschet noch einmal ganz herzlich für seine Rede.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unverschämtheit! – Zuruf von der CDU: Pfui! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP – Michele Marsching [PIRATEN]: Ihr seid doch humorfrei! – Weitere Zurufe)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Römer das Wort.

(Fortgesetzt Zurufe)

– Herr Kollege Römer, Sie haben das Wort. Alles andere können wir an anderer Stelle klären.

(Vereinzelt demonstrativer Beifall von der CDUDr. Stefan Berger [CDU]: Da können wir eine Präsidiumssitzung machen! – Weitere Zurufe)

Norbert Römer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Laschet, die Heftigkeit und die Maßlosigkeit Ihrer Kritik entblößen Ihre größte Schwäche:

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen von der CDU)

Weil Sie keinen Rückhalt haben, Herr Kollege Laschet, haben Sie auch keinen Standort.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie bleiben sich treu: Sie irren von Position zu Position, verändern immerfort Ihren Standpunkt und können sich doch nie sicher sein – das macht Sie doch so nervös –, dass man Ihnen auch tatsächlich folgt. Herr Kollege Laschet, das war vorhin herauszuhören.

(Zurufe von der CDU)

Ich habe Ihre Rede gerade als eine weitere Bewerbungsrede an Ihre eigene Fraktion empfunden; es war gefühlt die 20. Rede dieser Art.

(Zurufe von der CDU)

Aber, Herr Kollege Laschet, Sie haben kein Zukunftsbild für Nordrhein-Westfalen aufgezeigt, und streckenweise war Ihre Rede auch noch schäbig, insbesondere im Zusammenhang mit den Flüchtlingen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit dem Haushalt 2016 stellt sich Nordrhein-Westfalen einer historischen Bewährungsprobe. Wir werden die Unterbringung und die Betreuung Hunderttausender Flüchtlinge organisieren und finanzieren. Wir werden aber auf keine einzige Investition verzichten, die für ein besseres und gerechteres Bildungssystem unerlässlich ist. Wir werden keine Investition unterlassen, die für mehr Wirtschaftswachstum, für mehr sichere Arbeitsplätze und für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgt.

Nordrhein-Westfalen investiert in seine Zukunft, in die Zukunft dieses Landes. Allein für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird Nordrhein-Westfalen im kommenden Jahr 30 Milliarden € ausgeben – mehr als jedes andere Bundesland und mehr als je zuvor, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und wir werden die Finanzen unserer Städte und Gemeinden weiter stärken. Allein über das Gemeindefinanzierungsgesetz zahlen wir 10,4 Milliarden €. Das ist die höchste Zuweisung, die es in Nordrhein-Westfalen je gegeben hat. Insgesamt geht jeder dritte Euro aus dem Landeshaushalt an unsere Kommunen – und das allein ist schon eine Leistung, die ihresgleichen sucht.

Doch sie reicht nicht. Die historische Bewährungsprobe verlangt auch einen historischen Kraftakt. Mit der rechten Hand stemmen wir notwendige Zukunftsinvestitionen in zweistelliger Milliardenhöhe, und mit der linken Hand stemmen wir die Kosten des größten Flüchtlingszuzugs seit dem Zweiten Weltkrieg; das sind noch einmal 4 Milliarden €. Nordrhein-Westfalen kann beide Gewichte gleichzeitig stemmen; denn Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vor etwa drei Wochen hat mich eine junge Frau aus dem Kreis Soest gefragt,

(Christian Möbius [CDU]: Das konnten Sie sich merken?)

ob wir es uns überhaupt leisten können, so viele Flüchtlinge aufzunehmen. Sie wollte wissen, was uns diese Flüchtlinge kosten, und sie äußerte den Verdacht, die Politik würde die wahren Kosten des Flüchtlingszuzugs verschweigen; auf den letzten Punkt komme ich gleich noch einmal zurück.

Zunächst habe ich der jungen Frau die Summe von 4 Milliarden € genannt und ihr gesagt, wofür wir das Geld ausgeben: Zuallererst helfen wir unseren Kommunen. In 2016 wird das Land eine Jahrespauschale von 1,948 Milliarden € über das aktuelle Flüchtlingsaufnahmegesetz an Städte und Gemeinde für die Unterbringung und die Betreuung von Flüchtlingen auszahlen. Davon zahlt der Bund 626 Millionen €, also gerade einmal ein knappes Drittel. Mehr als zwei Drittel kommen also vom Land.

Gemessen an den Gesamtaufwendungen des Landes für Flüchtlingshilfen sinkt der Anteil des Bundes sogar von 22 % in diesem Jahr auf nur noch 19 % in 2016. Da muss der Bund noch enorm zulegen, wenn er seiner Verantwortung gerecht werden will.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und auch das will ich herausstellen: Es gibt fast kein anderes finanzstarkes Flächen- und Geberland, das seine Kommunen stärker entlastet als Nordrhein-Westfalen – Hessen nicht, auch nicht Baden-Württemberg. Unser Angebot ist fair. Hinzu kommt ein Sonderprogramm in Höhe von 72 Millionen € für den Neu- und Umbau von Kindertagesstäten, von Jugendtreffs, von Schulen und Sporteinrichtungen.

Ja, Integration beginnt immer mit Sprache, mit Bildung und mit Arbeit. Nordrhein-Westfalen ist das erste und einzige Land, das Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive flächendeckend schon in den Ersteinrichtungen Begleitung, Berufsberatung und Basissprachkurse anbieten kann. So viel zur Behauptung, andere Bundesländer seien bei der Integration ehrgeiziger als wir. Das sind sie nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, Nordrhein-Westfalen ist das Pionierland einer vorbeugenden Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik, und nie war vorbeugende Bildungspolitik wichtiger als heute. Wir kümmern uns um die Infrastruktur. Deshalb investiert beispielsweise Lanxess in dreistelliger Millionenhöhe an seinen Standorten in Nordrhein-Westfalen – im Vertrauen auf unsere vernünftige, vorbeugende Wirtschaftspolitik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, andere Länder können von uns lernen, und das tun sie auch.

Ich komme noch einmal auf die junge Frau aus dem Kreis Soest zurück. Warum hat sie den Verdacht, die Politik würde die wahren Kosten verschweigen? Was steckt dahinter? – Es ist der Eindruck, die Politik würde sich nur noch um Flüchtlinge kümmern. Es ist schlicht und einfach die Angst, wir würden ihre Sorgen – also die Sorgen dieser jungen Frau – und ihre Probleme aus den Augen verlieren. Werden die Mieten jetzt noch weiter steigen? Geht die Aufnahme von Flüchtlingskindern zulasten der Bildungschancen ihrer eigenen Kinder?

Um es vorwegzunehmen: Der Eindruck, die Politik würde sich nur noch um das Thema „Flüchtlinge“ drehen, ist falsch. Aber ich verstehe, warum er entsteht. Denn in den öffentlichen Debatten scheint es ja um nichts anderes mehr zu gehen. Die hohen Flüchtlingszahlen sind für uns der Anlass, um Zukunftsinvestitionen, Initiativen und Programme auf den Weg zu bringen, die allen Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen zugutekommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wohlgemerkt, die Flüchtlingszahlen sind der Anlass, nicht der Grund; denn in einem Punkt hat die junge Frau aus dem Kreis Soest doch recht: Alle Menschen in unserem Land brauchen Arbeit, Bildung und bezahlbare Wohnungen, und es gibt immer noch zu viele, die von all dem zu wenig haben.

Aus diesem Grund werden wir den Wohnungsmarkt nicht mehr länger sich selbst überlassen. Der Trend zu stetig steigenden Mieten muss gebrochen werden. Die öffentliche Hand muss im Wohnungsbau wieder mitmischen und dort, wo die Nachfrage das Angebot überragt, für einen Ausgleich sorgen.

Wir haben im Bund ein 500-Millionen-€-Programm für den sozialen Wohnungsbau durchgesetzt, und wir drängen jetzt auf Verbesserungen der steuerlichen Anreize für private Investitionen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Das Land selbst geht in die Offensive. Die Landesregierung startet eine Wohnungsbauinitiative, die ihresgleichen sucht. Unser Ziel ist es, in nur wenigen Jahren 120.000 Neubauwohnbungen in Nordrhein-Westfalen zu errichten.

Zudem erhöhen wir unsere Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung und innere Sicherheit. Wir werden im kommenden Jahr fast 2.000 zusätzliche Stellen für Polizeianwärter schaffen – mehr als je zuvor in einem Haushaltsjahr und mehr als die schwarz-gelbe abgewählte Rüttgers-Regierung in ihrer gesamten Regierungszeit zustande gebracht hat, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden fast 5.800 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer einstellen – ebenfalls ein Rekordwert. Im Jahre 2016 werden wir an den Schulen unseres Landes weitere 22.500 Plätze für den offenen Ganztag einrichten. Ab 2016 ist darüber hinaus eine weitere dynamische Steigerung der Landeszuschüsse für offene Ganztagsschulen vorgesehen.

Das Gleiche gilt für die Kostenpauschale für unsere Kitas aus Landesmitteln, Herr Kollege Laschet. Auch hier werden wir die Dynamisierung auf 3 % pro Jahr verdoppeln, und jeder Euro, der bisher für das unvernünftige und verfassungswidrige Betreuungsgeld aufgewendet wurde, fließt ab 2016 in die frühkindliche Bildung. Das sind bis zum Kindergartenjahr 2018/2019 insgesamt mehr als 580 Millionen € zusätzlich für Ausbau und Unterhalt unserer Kitas. Ich wiederhole: mehr als 580 Millionen € zusätzlich, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die gesamten Landesausgaben für die Kindertagesbetreuung steigen im kommenden Jahr auf 2,6 Milliarden € – doppelt so viel, Herr Kollege Laschet, wie noch 2010. Doppelt so viel, Herr Kollege Laschet!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Damals gab es in Nordrhein-Westfalen noch Zehntausende Eltern – das betraf vor allem Mütter –, die im Berufsleben bleiben oder dorthin zurückkehren wollten. Aber sie konnten es nicht. Sie mussten auf Einkommen verzichten oder gar Sozialleistungen beziehen, weil es nicht genügend Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren gab. Die gibt es jetzt, Herr Kollege Laschet. Seit 2013 erfüllen wir den Rechtsanspruch

(Armin Laschet [CDU]: Das müsst ihr auch!)

für Kinder unter drei Jahren, und im Jahre 2016 – ich nenne Ihnen jetzt einmal die Zahl –

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

werden es über 170.000 Betreuungsplätze sein. Das ist ebenfalls eine Steigerung um fast 100 % im Vergleich zu 2010, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Alle diese Initiativen und Investitionen werden unser Land stärker, gerechter und auch sicherer machen. Das gilt unabhängig davon, wie viele der Menschen, die zu uns kommen, tatsächlich auf Dauer bleiben werden. Einwanderungsgesellschaften sind langfristig sowieso dynamischer, innovativer und auch wirtschaftlich stärker als Länder, die glauben, sich abschotten zu müssen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist gut möglich, dass man die Einwanderung in 15 Jahren ein „Geschenk der Geschichte“ nennen wird, ein Geschenk, mit dem wir dem demografischen Wandel ein Schnippchen schlagen konnten. Zur Wahrheit gehört aber auch – ich will das gar nicht verschweigen –, dass die Aufnahme, die Unterbringung und die Integration von Flüchtlingen zunächst viel Geld kosten werden.

Wäre die Zahl schutzsuchender Menschen in diesem Jahr nicht so stark gestiegen, dann hätten wir schon im kommenden Jahr das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts erreichen können. Das ist leider nicht möglich. Dennoch: Die Neuverschuldung sinkt weiter – und das, obwohl wir die Ausgaben für die Flüchtlingshilfe von 2 Milliarden € auf 4 Milliarden € erhöhen werden.

(Dr. Marcus Optendrenk [CDU]: Wie lange noch?)

Ja, unser Land ist stark, und unsere Finanzen sind gesund. Wir können es uns leisten, jetzt zu helfen. Das ist entscheidend.

(Beifall von der SPD)

Und weil wir es können, müssen wir es auch tun, müssen wir auch helfen. Frauen, Männer und Kinder zu schützen, die durch Terror und Fassbomben aus ihrer Heimat vertrieben wurden, ist für uns eine moralische Pflicht. Für Christen ist das eine Frage der Nächstenliebe, für Menschen, die nicht glauben, eine Frage der Humanität.

Deshalb helfen wir jetzt und heute, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Ich glaube, ich spreche auch für unsere europäischen Freunde in Schweden und in Österreich, wenn ich mit Blick auf Europa eigentlich Selbstverständliches betone. Nicht diejenigen, die helfen, müssen sich rechtfertigen, sondern diejenigen, die es nicht tun, obwohl sie es könnten.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Ich jedenfalls bin stolz auf die nach wie vor große Hilfsbereitschaft in unserem Land.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ich sage daher heute an die Adresse der vielen, vielen Tausend Helferinnen und Helfer in unserem Land gerichtet: Herzlichen Dank für Ihren Einsatz. Herzlichen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft. Sie sind die wahren Helden des Alltags, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, den PIRATEN und von der Regierungsbank)

Ja, es ist wahr: Nicht jeder, der zu uns kommt, wird bleiben können. Es ist auch wahr, dass wir nicht auf Dauer Jahr für Jahr 1 Million Menschen aufnehmen können. Wir müssen dafür sorgen, dass weniger Menschen zu uns fliehen wollen und zu uns fliehen müssen. Wer aber glaubt, dieses Problem durch Obergrenzen lösen zu können, der erliegt einer vergifteten Versuchung; denn diese Obergrenzen wären am Ende nur mit Stacheldraht und Wasserwerfern an unseren Grenzen durchzusetzen.

Was stattdessen jetzt von uns verlangt wird, hat Helmut Schmidt „pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken“ genannt. Ja, unsere Werte verlangen nach Haltung. Konkrete Probleme verlangen nach pragmatischen Lösungen. Was wir jetzt aber nicht benötigen, sind Scheinlösungen für Scheinprobleme.

Damit, Herr Kollege Laschet, bin ich beim sogenannten Abschiebeplan der CDU. Lieber Herr Laschet, der Vorwurf des Organisationsversagens weiß uns aufgrund seiner unfreiwilligen Komik durchaus zu unterhalten. Schließlich wird er ja vom größten Organisationstalent dieses Landtags vorgetragen.

(Beifall von der SPD)

Ich will nur ein Stichwort nennen: Ihre Klausurenaffäre ist dafür ein schlagender Beweis.

(Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Laschet, abgesehen davon ist dieser Vorwurf in der Sache schlicht falsch und im Stil einfach schlecht.

(Zurufe von der CDU)

Kaum sind Umfragen im Umlauf, die dem Vorsitzenden der NRW-CDU einen Mangel an Zustimmung und Vertrauen bescheinigen, kommen Sie mit diesem sogenannten Plan um die Ecke. Das kann man für Zufall halten, muss man aber nicht. In der nächsten Auflage des Politlexikons wird man Ihr Bild finden, und zwar direkt neben dem Schlagwort „populistische Verzweiflungstat“, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich kann verstehen, dass Sie nicht immer „hinten sein wollen“, wie Sie es vorhin ausgedrückt haben. Ich kann verstehen, dass Sie nicht immer Letzter sein wollen. Alles das kann ich verstehen. „Will sich Armin Laschet jetzt mit der Methode Seehofer in die Offensive ledern?“ fragt die „Bild“-Zeitung. – Offensichtlich, Herr Kollege Laschet! Doch dieser Schuh ist Ihnen viel zu groß. Sie stolpern schon beim ersten Schritt.

„Blöd für Laschet, dass die zahlreichen Forderungen der CDU von der Landesregierung bereits umgesetzt werden“, stellt der WDR nüchtern fest.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU: Schön wäre das!)

Das zu Ihrem Plan.

Tatsächlich werden die Unterbringungskapazitäten für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive derzeit vervierfacht. Kein Bundesland hat im Jahr 2015 mehr abgelehnte Asylbewerber in ihre Herkunftsländer zurückgeführt als Nordrhein-Westfalen.

(Ralf Witzel [FDP]: In absoluten Zahlen! – Zurufe von der CDU)

Kein Bundesland konnte mehr Menschen zu einer freiwilligen Rückkehr bewegen als Nordrhein-West-falen.

(Beifall von der SPD)

Es kommt uns vor allen Dingen darauf an, die Menschen dazu zu bewegen, freiwillig in ihr Herkunftsland zurückzukehren und dort beim Aufbau zu helfen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Freiwillige Rückkehr! Wenn du nicht freiwillig gehst, schiebe ich dich ab!)

Herr Kollege Laschet, Hand aufs Herz: Die Rolle eines Horst Seehofer passt doch gar nicht zu Ihnen. Sie wirken dabei weder authentisch noch glaubwürdig. Das können Sie jetzt ruhig als Kompliment auffassen; denn in der gesamten Flüchtlingsfrage gehörten Sie bisher zu den Stimmen der Vernunft innerhalb der Union. Es gibt nicht viele davon, aber immerhin; Sie gehörten dazu. Sie haben sich aus guten Gründen gegen Obergrenzen gewandt. Stattdessen haben Sie sich für ein Einwanderungsgesetz ausgesprochen. Auch das war und ist weiterhin richtig, Herr Kollege Laschet.

Als Ihre Parteifreunde das Taschengeld für Flüchtlinge streichen wollten, haben Sie das völlig zu Recht als reine Symbolpolitik kritisiert. Den CSU-Plan für die sogenannten Transitzonen fanden Sie so überzeugend, dass er Ihnen in unserer Debatte zu diesem Thema nicht einmal eine Erwähnung wert war. Aber jetzt verfallen Sie selbst in diese populistische Symbolpolitik. Ihre neun Punkte sind kein Plan zur Lösung eines echten Problems – aber ich gehe davon aus, das sollten sie auch gar nicht sein.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Was Sie vorgestellt haben, ist das Libretti für ein Possenspiel, das Ihre Parteifreunde unterhalten soll. Ihr rechter Parteiflügel will jetzt Brot und Spiele. Sie müssen dem Drängen nachgeben, weil Ihnen ansonsten Ihre eigenen Leute von der Fahne gehen, Herr Kollege Laschet. Das ist der eigentliche Grund für diesen Plan.

(Beifall von der SPD)

Ausnahmsweise – ich verspreche es: nur diesmal und sonst nicht – kann ich zustimmend Ihren innenpolitischen Sprecher Theo Kruse zitieren: Wir haben überhaupt keine Strategie. – Das hat er Ihnen in Ihrer Fraktionssitzung in der vergangenen Woche an den Kopf geworfen. Treffsicherer kann man es nicht auf den Punkt bringen, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Durch die Heftigkeit ihrer Kritik versucht die Opposition, zu ersetzen, was ihr an Wahrhaftigkeit, an eigenen Ideen und an Führungskraft fehlt. Sie haben vorhin keine eigene Idee präsentiert – angekündigt, ja; es kam aber kein Vorschlag.

Dabei enttarnt sie nur ihren Hang zum Opportunismus. Woran kann man Opportunisten erkennen? Der Schauspieler Ernst Schröder wusste es: „Opportunisten sind Leute, die den Zug erst auf der Endstation besteigen.“ – CDU und FDP beschweren sich dann auch noch über vermeintliche Unpünktlichkeit.

Als wir unsere Ziele für die Reform des Länderfinanzausgleichs formulierten – mehr Fairness, mehr Transparenz –, da lehnten Sie diese Ziele erst einmal ab.

(Lachen von Christian Lindner [FDP])

Als klar wurde, dass wir sie erreichen würden, sprangen Sie auf den Zug auf. Jetzt, nachdem wir am Ziel sind, fangen Sie an zu nörgeln, behaupten, die 1,5 Milliarden €, die NRW behalten wird, seien nicht genug. Das ist nicht nur falsch, das macht Sie auch unglaubwürdig, meine Damen und Herren. Das zeigt einmal mehr, wie schwer es Ihnen fällt, die Interessen unseres Landes zu vertreten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Von ganz besonderer Finesse – ich gebe das gerne zu – ist Ihre Kritik an unseren Reformen des achtjährigen Gymnasiums und an der Kitafinanzierung. Sowohl G8 als auch die Kitapauschale sind Ihre Erfindungen. Wir haben Sie damals vor den Folgen Ihrer schlechten Gesetze gewarnt – leider ohne Erfolg. Jetzt müssen wir Schritt für Schritt in Ordnung bringen, was Sie damals angerichtet haben.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Und wofür kritisieren Sie uns?

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Für alles!)

Dafür, dass wir schwarz-gelbe Gesetze verändern? – Nein, das tun Sie nicht. Sie werfen uns vor, dass wir Ihre Gesetze nicht schneller und nicht gründlich genug verändern.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Ja, so ist das!)

Das ist wahrlich bemerkenswert, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich wiederhole es noch einmal: CDU und FDP kritisieren uns dafür, dass wir nicht schnell genug reparieren, was sie in ihrer eigenen Regierungszeit vermasselt haben.

(Zurufe von der CDU)

Das können Sie sich doch nur erlauben, weil sich außerhalb dieses Landtags kein Mensch mehr daran erinnert, dass Sie jemals Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen hatten.

(Minister Johannes Remmel: Unmöglich!)

Aber wir lassen Sie nicht raus. Hier im Landtag erinnern wir Sie daran.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Was sagt denn Gabriel?)

Es gibt übrigens noch einen Zug, in den unsere Oppositionsparteien erst eingestiegen sind, als er schon seine vorläufige Endstation erreicht hatte. Im Mai dieses Jahres haben sich die Europäische Union und die Schweiz auf den Austausch von Bankdaten über Steuerpflichtige ab 2018 geeinigt. Für alle ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist diese Einigung eine Genugtuung; denn sie ist ein Meilenstein im Kampf gegen die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung.

Was hat dieses Abkommen möglich gemacht? – Es waren die rot-grün regierten Länder, die unter der Führung von Nordrhein-Westfalen, unter der Führung von Finanzminister Norbert Walter-Borjans, ein Vorgängerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz verhindert haben. Das waren rot-grün regierte Länder.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Warum haben wir dieses Abkommen verhindert? – Weil das ein Hilfsprogramm für Steuerhinterzieher und ihre Helfershelfer war. Das war der Grund, warum wir es verhindert haben. Unser Finanzminister hat sich damals nicht beirren lassen, schon gar nicht durch die lautstarken Proteste von CDU und FDP auch hier im Plenum, sondern er hat diesen Steuerhinterziehern beharrlich nachgestellt. Das macht er bis heute. Der Erfolg gibt ihm recht.

Im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit in Deutschland und Europa wird mit dem neuen Abkommen Zeitgeschichte geschrieben. – Herr Finanzminister, die Öffentlichkeit vergisst allzu leicht, welch großen Anteil Sie an diesem Erfolg hatten. Wir vergessen das nicht. Wir sind stolz auf Ihre Leistung, Herr Finanzminister.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Weil der Kollege Laschet vorhin ja wieder versucht hat, das Land schlechtzureden,

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Sie regieren das Land schlecht! Das ist viel schlimmer!)

füge ich hinzu: Es ist auch unserem Finanzminister zu verdanken, dass sich die Finanzen unseres Landes in einer guten Verfassung befinden.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: So ein Unfug!)

Herr Laschet, Sie können hier noch so sehr wie Rumpelstilzchen durch den Plenarsaal tanzen, das ändert nichts an den Fakten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt niemanden mit Sachverstand in unserem Land, die oder der noch daran zweifelt, dass Nordrhein-Westfalen die Nettoneuverschuldung bis 2020 auf null senken wird.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Die rote Brille ist eine rosarote Brille!)

Niemand mit Sachverstand!

(Christian Lindner [FDP]: Doch, Ihr eigener finanzpolitischer Sprecher!)

Selbstverständlich setzen wir zur Konsolidierung des Haushalts auf steigende Steuereinnahmen. Worauf denn sonst?

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Wolfgang Schäuble macht doch nichts anderes. Herr Schäuble hat in seiner Amtszeit im Übrigen weit weniger gespart als wir in Nordrhein-Westfalen. Welches Sparprogramm hat denn der Bund in den letzten sechs Jahren durchgesetzt?

(Zuruf von der CDU: Die schwarze Null!)

– Gar keins. Die schwarze Null des Bundes ist in erster Linie die Folge steigender Steuereinnahmen und der Verabschiedung von Ausgaben.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Warum machen Sie das denn dann nicht? Ihr könnt es einfach nicht!)

Im Übrigen, meine Damen und Herren von der Opposition,

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Herr Kollege Laschet, seit wann sind denn steigende Steuereinnahmen ein Kennzeichen schlechter Wirtschaftspolitik? Was ist das denn für ein absurdes Argument? Steigende Steuereinnahmen und schlechte Wirtschaftspolitik – das passt doch nicht zusammen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was sind die schwarz-gelben Alternativen? – Bisher haben wir nur gehört: Studiengebühren und Kitagebühren. Ja, CDU und FDP wollen Studierende mit 1.000 € im Jahr und Eltern kleiner Kinder mit bis zu 3.000 € im Jahr belasten. Diese Mehrbelastung für Familien nennen Sie dann auch noch „Einsparungen“. Das sind doch keine seriösen Vorschläge – das ist blanke Ideologie!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Laschet, dann nehme ich mal Ihr Märchen von der verschwundenen Steinkohle-Milliarde für das Ruhrgebiet auf. Sie werfen der Landesregierung vor – das haben Sie vorhin schon wieder gemacht –, sie nutze die durch den Wegfall der Kohlesubventionen frei werdenden Haushaltsmittel nicht für Investitionen im Ruhrgebiet, und das sei angeblich ein Bruch der Vereinbarung zwischen Bund, Ländern, RAG Aktiengesellschaft und der Gewerkschaft IG BCE. Diese Behauptung, Herr Kollege Laschet, ist gleich dreimal falsch.

Erstens. In der Kohlevereinbarung gibt es eine solche Regelung nicht. Eigentlich müssten Sie das wissen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Eigentlich müssten Sie das wissen. Das haben Sie sich nur ausgedacht.

Zweitens – ich komme auf Ihre Verantwortung zurück –: Auch die abgewählte schwarz-gelbe Regierung Rüttgers hat ein solches Versprechen nie gegeben.

(Armin Laschet [CDU]: Sie haben sie im Stich gelassen!)

– Herr Kollege Laschet, ich belege das gleich.

Drittens. Wir haben trotzdem Milliarden Euro in den Strukturwandel, auch in den Strukturwandel des Ruhrgebiets, investiert. Sie wollten – gucken Sie in Ihrem ehemaligen Koalitionsvertrag nach – doch nur einen Teil der ehemaligen Subventionen in das Ruhrgebiet investieren, nicht alles.

Und was haben Sie tatsächlich getan? Das kann man in Drucksache 14/7001 nachlesen, nämlich in dem Finanzbericht 2009, den die abgewählte schwarz-gelbe Landesregierung dem Landtag vorgelegt hat. Darin heißt es – ich zitiere –:

(Zuruf von der CDU: Seit wann können Sie lesen?)

„Insgesamt werden durch den Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau mittel- bis langfristig erhebliche Einsparungen bei den öffentlichen Steinkohlenbeihilfen erwartet, die den Landeshaushalt entlasten.“

So viel zu Ihrem Märchen, Herr Kollege Laschet!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir hingegen haben seit 2010 die Zukunftsinvestitionen für Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet deutlich erhöht. Die Steigerungsraten für Investitionen in unsere Kommunen, in Wissenschaft, in Forschung, in Bildung und in Kinderbetreuung und in Infrastruktur liegen bei 30 %, 40 %, teilweise bei 100 %. Also ist Ihr Vorwurf ein politisches Eigentor.

Ich möchte die Bergleute daran erinnern, was Sie eigentlich vorhatten. Sie wollten den Steinkohlebergbau bereits 2014 geschlossen haben. Das hätte Massenentlassungen und Strukturbrüche in der Region zur Folge gehabt.

(Beifall von der SPD)

Erinnern Sie sich daran, Herr Kollege Laschet. Lassen Sie das mit diesen Märchen sein!

(Zuruf von der CDU)

Meine Damen und Herren, das Gute an einer Generaldebatte ist, dass Alternativen erkennbar werden können.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Warum sehen Sie keine?)

Unser Leitbild dafür ist der Haushalt 2016; er ist beredtes Zeugnis. Unser Leitbild für Nordrhein-Westfalen ist ein Land, in dem die Hoffnung auf sozialen Aufstieg weitaus realistischer ist als die Angst vor dem Abstieg. Es ist ein Land, in dem der Anteil der Mittelschicht wieder wächst, weil es hier echte Chancen und Leistungsgerechtigkeit gibt.

Sie von CDU und FDP reden immer vom schlanken Staat. Sie wollen in Wahrheit aber nur einen schwachen Staat. Wir hingegen wollen eine starke öffentliche Hand, die schützt und stützt, die anschiebt und, wenn nötig, auch auffängt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, in unseren Städten gibt es einen unheilvollen Trend zu stetig steigenden Mieten gibt. Sie aber wollen tatenlos zuschauen. Wir werden diesen Trend brechen. Für Sie sind Wohnungen doch reine Marktobjekte. Wir hingegen wissen, dass darin Menschen zu Hause sind. Es geht um deren Heimat. Darum kümmern wir uns, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Für Sie sind frühkindliche Bildung und gute Kinderbetreuung nur Güter, die man sich leisten kann oder eben nicht. Für uns sind das soziale Rechte. Deshalb sieht der Haushalt so aus, wie ich es gerade dargestellt habe.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie wollen Studierende – wir können das nicht oft genug wiederholen – und junge Eltern mit Gebühren überziehen. Wir stehen für eine gebührenfreie Bildung, von der Kita bis zur Uni und darüber hinaus. Und dafür setzen wir uns ein, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Sie meinen „leistungsfrei“!)

Sie wollen Familien belasten. Wir werden sie entlasten.

In der Flüchtlingspolitik setzen wir auf Mut und Tatkraft. Sie setzen auf Angst und auf Scheinlösungen.

Meine Damen und Herren, wir zeigen Haltung. Sie verfallen dem Populismus.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Weil bald Weihnachten ist, mache ich Ihnen einen Vorschlag zur Güte: Wenn Sie aufhören, Unwahrheiten über Rot-Grün zu verbreiten, dann können wir aufhören, die Wahrheit über Schwarz-Gelb zu sagen, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit von der SPD)

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Diese Haushaltsberatungen finden in bewegten Zeiten statt. Angesichts der großen Herausforderungen durch die steigende Zahl von Menschen, die Zuflucht bei uns suchen, benötigt die Regierung Flexibilität. Nicht jede Planzahl ist in Stein gemeißelt. Manches steht unter einem gewissen Vorbehalt.

Das hat die Opposition anerkannt, und das wird die Opposition in diesem Haus auch weiter anerkennen. Aber auf Dauer können wir so eben nicht weitermachen.

Um es klar zu sagen: Der moralische Imperativ, den die Frau Bundeskanzlerin in ihrer Parteitagsrede benannt hat, ist auch für uns Freie Demokraten eine Richtschnur. Wir genügen aber diesem Anspruch nicht, wenn in Bund und Land weiter konzeptionslos der Flüchtlingskrise entgegengetreten wird.

(Beifall von der FDP)

Das herrschende, das entstandene Chaos muss beendet werden; denn die Zahlen werden nicht durch Parteitagsreden sinken.

(Beifall von der FDP)

Das Niveau, das wir erreicht haben – die Zahlen hat der Innenminister heute noch einmal öffentlich gemacht –, ist zu hoch, um dauerhaft eine Integration sicherzustellen.

(Beifall von der FDP)

Neben vielen anderen Baustellen, die teilweise bereits angegangen werden, fehlt eine Strategie.

Um es hier in diesem Haus noch einmal zu unterstreichen: Deutschland benötigt einen eigenen vorübergehenden Status für Kriegsflüchtlinge einerseits und endlich ein modernes Einwanderungsrecht andererseits, um unsere humanitäre Verantwortung und unsere ureigenen Interessen wieder zu vereinen.

(Beifall von der FDP)

Wir haben dazu in diesem Haus Vorschläge unterbreitet. Ich lade alle Fraktionen ein, im Januar-Plenum mit uns eine gemeinsame Initiative für die Beratung im Bundesrat auf den Weg zu bringen.

(Beifall von der FDP)

Die absehbare Inanspruchnahme, meine Damen, meine Herren, des Staates durch Zehntausende Zuwanderer bestimmt auch die Anforderungen an die Haushaltspolitik neu. Denn mehr denn je ist eine klare Prioritätensetzung nötig, um einerseits die Handlungsfähigkeit des Staates sicherzustellen und andererseits durch hinreichende Wirtschaftskraft überhaupt erst Humanität und Stabilität zu ermöglichen.

Was ist hier seit der ersten Lesung des Haushalts 2016 passiert? Hannelore Kraft hat ihr Landeskabinett umgebildet. Das war die Chance, auch für eine neue politische Dynamik in Nordrhein-Westfalen zu sorgen. Geändert wurden aber leider nur die Namensschilder und nicht die Politik. Wir suchen unverändert nach einem Plan, wo, wie und wann endlich die rot-grüne Koalition das Potenzial Nordrhein-Westfalens nutzen will.

Deshalb kann ich das Fazit meiner Rede bereits an den Anfang stellen: Dieser Landeshaushalt entspricht nicht den Anforderungen an eine gestalterische Landespolitik –

(Beifall von der FDP und der CDU)

weder in seinen finanziellen Kennzahlen noch in der schmerzlich vermissten Vorfahrt für Bildung, Infrastruktur und Wirtschaftskraft.

Auf die Frage, wie und wovon wir in zehn oder 20 Jahren leben werden, bleibt die Landesregierung jede Antwort schuldig.

(Beifall von der FDP, der CDU und Michele Marsching [PIRATEN])

Aber es gibt ja einen Hoffnungsschimmer, Herr Kollege Römer. Das will ich Ihnen einmal entgegenrufen, nachdem Sie hier mit der Ihnen eigenen besonderen Ausstrahlung von Selbstbewusstsein gesprochen haben.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU)

– Ich habe versucht, ein anderes Wort zu vermeiden. Das wäre nicht kollegial gewesen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Zu Ihnen komme ich gleich noch, Herr Kollege. Ich habe mir eben schon etwas dazu aufgeschrieben, und zwar während der Rede von Herrn Römer.

(Heiterkeit bei der FDP)

Wir beraten hier heute den letzten Landeshaushalt dieser Wahlperiode, der beschlossen und vollzogen werden wird. Wenn man der Umfrage des WDR vom vergangenen Sonntag, Herr Römer, Glauben schenken darf, ist das aber nicht nur der letzte komplett in der Legislaturperiode vollzogene Haushalt, sondern es ist auch der letzte rot-grüne Haushalt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deshalb ist dieses besondere Selbstbewusstsein, das Sie zur Schau tragen, vielleicht fehl am Platz. Etwas mehr Demut würde auch der Landesregierung gut zu Gesicht stehen.

Was haben Sie aus den Möglichkeiten dieses Landes gemacht, verehrte Anwesende, meine Damen und Herren? Im kommenden Jahr wird die Koalition mit 15,7 Milliarden € höheren Einnahmen rechnen können als zum Regierungsantritt. Zudem sind die Zinsausgaben um 1,5 Milliarden € niedriger als zu Beginn Ihrer Verantwortungszeit. Das sind finanzpolitische Ausnahmebedingungen.

Dennoch plant die Landesregierung, Herr Finanzminister, im kommenden Jahr mit 1,8 Milliarden € neuen Schulden. Der Grund ist klar. Rot-Grün hat keine vernünftige Finanzpolitik in den vergangenen Jahren betrieben. Sie sind der Beleg für eine alte politische Lebensweisheit. Der Haushalt wird nicht in Krisenzeiten ruiniert, sondern in den guten Zeiten. Genau das haben Sie in den vergangenen Jahren belegt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie wiegen jetzt die Bürgerinnen und Bürger in einer trügerischen Sicherheit, indem Sie eine angeblich fallende Linie der Nettokreditaufnahme zeigen können. Ich unterstreiche: eine nur angeblich fallende Linie der Nettokreditaufnahme.

Denn im Jahr 2015 – das ist der erste Punkt – haben Sie 635 Millionen € an Haushaltsverbesserungen erzielt, und zwar durch weniger Zinsen und durch höhere Einnahmen. In Wahrheit müssten Sie also im Jahr 2015 nur etwa 1,3 Milliarden € neue Kredite aufnehmen. Was aber macht die rot-grüne Koalition? Diese Haushaltsverbesserungen nutzen Sie, um bereits in diesem Jahr die Zuführung zu dem Versorgungsfonds des Landes des nächsten Jahres zu zahlen. Statt in diesem Jahr die Schulden zu reduzieren, schaffen Sie also Spielräume im nächsten Jahr. Was Sie dort gemacht haben, ist ein Lehrbuchfall von Bilanzkosmetik.

(Beifall von der FDP)

Der zweite Punkt: Sie greifen in das Sondervermögen des Bau- und Liegenschaftsbetriebs und holen sich von dort Mittel in einer Größenordnung von 400 Millionen €. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb wird sich aber dieses Geld am Kapitalmarkt beschaffen müssen. So, wie wir es gegenwärtig sehen, wird er vermutlich sogar 600 Millionen € in Anspruch nehmen, die nicht in diesem Haushaltsgesetz notiert sind, weil er noch alte Kreditermächtigungen nutzt. Das ist finanzpolitischer Trickdiebstahl, den Sie beim BLB machen, Herr Finanzminister.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir haben ja lange auf die Ergänzungsvorlage 2016, die wir heute ebenfalls beraten, warten müssen. Wir haben lange auf diese Ergänzungsvorlage gewartet, weil der hochverehrte Herr Finanzminister gesagt hat, er wolle erst einmal die Ergebnisse der November-Steuerschätzung abwarten, bevor er die Ergänzungsvorlage dem Landtag vorlegt. Im November haben die Steuerschätzer ihre Prognose nach unten korrigiert, und Norbert Walter-Borjans hat seine Prognose nach oben korrigiert. Das ist rot-grüne Haushaltslogik par excellence, wie Sie sie vorgeführt haben.

(Beifall von der FDP)

Die wahre Bilanz für das nächste Jahr liest sich also anders: 1,8 Milliarden € ausgewiesene Nettokreditaufnahme plus 400 Millionen € vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb plus 600 Millionen €, die Sie bereits in diesem Jahr geleistet haben, obwohl sie im nächsten Jahr fällig gewesen wären. Ohne Bilanztricks, Herr Finanzminister, würden Sie in diesem Jahr nur 1,3 Milliarden € neue Schulden aufnehmen, im kommenden Jahr aber mit 2,8 Milliarden € das Doppelte.

Lackschäden übertünchen, Tacho runterdrehen, ab in den Verkauf! Mit diesen Tricks, die Sie in den vergangenen Jahren systematisiert haben, folgt die Finanzpolitik Nordrhein-Westfalens denselben Methoden wie der Gebrauchtwagenhandel auf dem Kiesplatz.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie setzen das fort – es ist eben in der Debatte bereits angesprochen worden –: 2018 und 2019 wollen Sie an den Mitteln drehen, die für die Beamtenpensionen zurückgestellt werden, und zwar in einer Größenordnung von 700 Millionen € im Jahr 2018. Ohne dass eine einzige Maßnahme der Konsolidierung beschlossen oder gar umgesetzt ist, reduzieren Sie durch diesen Dreh das Ausgabenniveau um 700 Millionen €.

Ich sage Ihnen, Herr Finanzminister, das vorwegnehmend, was Sie immer antworten: Wenn der Freistaat Bayern das macht – er tut das auch –, dann tut er das vor einem fundamental anderen Hintergrund; denn das Land Bayern nimmt nicht nur keine neuen Schulden auf, sondern tilgt Schulden. Wenn Bayern die Rückführung für die Beamten aussetzt, hat das eine ganz andere Qualität als Ihre Trickserei.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Im Jahr 2019 verfolgen Sie – Herr Kollege Römer hat es gerade noch mal unterstrichen – das Ziel eines ausgeglichenen Landeshaushalts. Herr Römer, Sie haben eben gesagt: Niemand mit Sachverstand zweifelt am Haushaltsausgleich 2019.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD]: Ja! Gute Worte!)

Das waren Ihre Worte.

Der finanzpolitische Sprecher der SPD – ich bin mir nicht sicher, ob er in den Kreis der Leute mit Sachverstand, die Sie gemeint haben, einbezogen ist –

(Heiterkeit von Armin Laschet [CDU])

hat dagegen vor zwei Wochen gesagt – ich zitiere ihn –:

„Möglicherweise wird die schwarze Null in Nordrhein-Westfalen erst 2020 erreicht werden. Dies ist kein Grund zu feiern, ist aber leider nicht zu vermeiden.“

Die mittelfristige Finanzplanung mit Haushaltstricks und einer geschönten Null in 2019 ist noch nicht einmal hier beschlossen, da sind Sie schon dabei, Ihre eigenen Versprechen wieder einzukassieren. Oder, um im Bild zu bleiben, Herr Kollege Römer: Der aufgemotzte Gebrauchtwagen ist noch nicht vom Hof, da hat er schon einen Totalschaden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Seit Jahr und Tag ist Ihre einzige Strategie, die Einnahmen schönzurechnen und darauf zu spekulieren, dass es Ihnen über die dynamisch steigenden Staatseinnahmen irgendwie gelingt, die Enden zusammenzubekommen. Am Ende läuft es immer darauf hinaus, dass die Bürgerinnen und Bürger für Ihre Luftbuchungen zahlen müssen.

Wir haben das bei der Grunderwerbsteuer erlebt. Vor der Kommunalwahl haben Sie Stein und Bein geschworen, da nichts zu machen. Kaum war die Wahl vorbei: Grunderwerbsteuer erhöht.

Kollege Römer, weil Sie hier über die Mittelschicht gesprochen und Krokodilstränen über die Vorschläge von Union und FDP vergossen haben, will ich Ihnen Folgendes sagen: Die Grunderwerbsteuer, die Sie erhöht haben,

(Michael Hübner [SPD]: Ja!)

zahlt der Millionär aus der Portokasse. Der gewerbliche Immobilienkäufer hat Möglichkeiten, die Grunderwerbsteuer gleich komplett zu umgehen. Zahlen müssen die Familien, die sich mit Fleiß und Sparsamkeit überhaupt erst etwas aufbauen wollen

(Beifall von der FDP und der CDU)

und ohnehin schon – etwa durch steigende Sozialabgaben, kalte Progression – belastet sind.

Das haben wir im Übrigen auch beim Länderfinanzausgleich erlebt. Die Ministerpräsidentin fand ja, die Einigung habe einen guten Tag für den Föderalismus markiert. Dieser Einschätzung der Ministerpräsidentin hat sich nicht ein einziger Experte angeschlossen. Sie lesen heute noch im „Handelsblatt“ einen Generalverriss der Einigung der 16 Länder. Das System bleibt intransparent. Es gibt keine vernünftigen Anreize dafür, die eigene Wirtschaftskraft zu pflegen.

Herr Finanzminister – das muss man sich einmal vorstellen, das ist die besondere Delikatesse –, Sie haben den Umsatzsteuervorwegausgleich abgeschafft, indem Sie die Umsatzsteuer gleich ganz zur Verteilmasse erklärt haben.

In bemerkenswerter Klarheit hat die Ministerpräsidentin in einem „WAZ“-Interview erklärt, wer am Ende die Zeche zahlen darf:

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Über die Verlängerung des Solidaritätszuschlags über 2020 hinaus sind es wieder einmal die Bürgerinnen und Bürger, die zur Kasse gebeten werden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir erleben Ihre Strategie, den Haushalt nur über Einnahmeverbesserungen unter Kontrolle zu halten. Die Erbschaftssteuer generiert nach den aktuellen Plänen 4,2 Milliarden € an zusätzlichen Einnahmen. Das ist Geld, das den mittelständischen Betrieben nicht in der Substanz zur Verfügung steht, um in Zukunft zu investieren.

Jeder mittelständische Betrieb wird vom 3D-Drucker als neuer Wettbewerbsposition in diesem bzw. im nächsten Jahrzehnt betroffen sein. Da muss investiert werden. Das unterstützen Sie ja. Hier nehmen Sie den mittelständischen Betrieben aber die Möglichkeit, aus eigener Substanz Arbeitsplätze sicher zu halten.

Vielleicht gewinnt der Fiskus am Ende ein paar Millionen Euro. Aber unser Land verliert viel mehr, wenn wir Millionen Arbeitsplätze im Mittelstand schwächen und vielleicht auf Dauer sogar verlieren werden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der nächste Coup, den Sie, Herr Finanzminister, vorbereiten, soll die Abschaffung der Abgeltungssteuer sein, die ja einst von Rot-Grün eingeführt worden ist. Herr Walter-Borjans, Sie lassen sich in Zeitungen gerne mit dem Argument zitieren, dass Steuersätze von 25 % auf Kapital und 42 % auf Arbeit ungerecht seien. – Sie bestätigen das hier, indem Sie nicken.

Jetzt wissen wir aber – und Sie doch auch –, dass der weit überwiegende Teil des Aufkommens der Abgeltungssteuer durch die Besteuerung von Dividenden erfolgt, also von ausgeschütteten Unternehmensgewinnen, aus denen der Fiskus zuvor die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und den Solidaritätszuschlag herausgeschnitten hat. Damit ist die Besteuerung ausgeschütteter Gewinne deutlich höher als die Besteuerung von Arbeit.

Das, was Sie bei der Abgeltungssteuer machen, ist ein einziger politischer Täuschungsversuch, Herr Finanzminister. Das wissen Sie auch besser.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Mehr noch: Für alle Bürgerinnen und Bürger, die über 14.000 € verdienen – für unsere Zuhörer auf der Tribüne: im Jahr, nicht im Monat –, beträgt der Grenzsteuersatz für jeden zusätzlich verdienten Euro 25 %. 14.000 € Jahreseinkommen: Grenzsteuersatz 25 %.

Wenn Sie die Abgeltungsteuer abschaffen, Herr Finanzminister, dann belasten Sie die Leute, die kaum Zinsen auf ihr Erspartes bekommen, bereits dann, wenn sie ein Jahreseinkommen von mehr als 14.000 € haben. Im Jahr 2013 waren es noch die Landesbeamten mit 35.000 € Jahresbrutto, die Sie zu Besserverdienern erklärt haben, denen man keine Besoldungsanpassung gönnt. Im Jahr 2015 sind wir weiter: Da ist man schon mit 14.000 € Jahreseinkommen so reich, dass Sie umverteilen wollen. Das zeigt: Sie haben sich von der Lebenswirklichkeit der arbeitenden Mitte in unserem Land vollständig abgekoppelt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Nordrhein-Westfalen braucht einen politischen Wechsel. Es muss gelingen, Zukunftsaufgaben anzugehen, ohne die Schuldenlast für die kommende Generation zu erhöhen und ohne die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger weiter zu steigern. Das wäre eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, einerseits die Aufgaben und Standards des Staates kritisch zu hinterfragen und andererseits alle wirtschaftlichen Bremsen zu lösen.

Ein Kernbereich ist dabei der Abbau von Bürokratie; denn sie belastet Staat, Betriebe und Bürger gleichermaßen. Wie hier im Haus bekannt ist, ist das ein besonderes Anliegen meiner Fraktion.

Dazu gab es vor drei Wochen folgenden Vorgang: Die Landesregierung spielt die Antwort auf eine Große Anfrage meiner Fraktion an die Medien, bevor sie dem Parlament zugestellt wird, und versieht diesen Vorgang mit einem fiktiven Preisschild von 350.000 €; eine eigene Arbeitsgruppe habe eingerichtet werden müssen. Erstmalig in der Geschichte – Herr Römer, Sie haben ja eben gesagt, wie oft von der Landesregierung Zeitgeschichte geschrieben werde – haben Sie damit angegeben, wie lange Sie an einem Vorgang gearbeitet haben.

Das ist für sich genommen eine gute Idee. Herr Lersch-Mense, dann erfahren wir hoffentlich bald auch, wie teuer es war, dass ein Referent des Wissenschaftsministeriums ein ganzes Jahr mit dem befristeten Arbeitsverhältnis einer Handballfreundin der Ministerpräsidentin an der Universität Duisburg-Essen beschäftigt war.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Schulze, eine so intensive Eins-zu-eins-Betreuung wünschen sich die Studierenden dort auch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Aber Spaß beiseite! Jetzt stellen wir uns – ich bin noch nicht bei der Großen Anfrage, sondern noch bei Duisburg-Essen – nur ein einziges Mal für eine Minute vor, dieser Vorgang wäre nicht Hannelore Kraft politisch zuzuordnen, sondern Jürgen Rüttgers: Was hätten Sie da für eine Hexenjagd veranstaltet! Insofern haben Sie wirklich Doppelstandards.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zu den angeblich durch unsere Anfrage entstandenen Kosten will ich Folgendes sagen: Allein das Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen beansprucht sechs Stellen und bedeutet Bürokratiekosten in Höhe von 725.000 € im Jahr für den Landeshaushalt. Mit einem Federstrich könnten Sie die Ausgaben des Landes strukturell um den doppelten Betrag dessen entlasten, was unsere Große Anfrage angeblich gekostet haben soll.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auf die 159 Gutachten, die die Landesregierung im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben hat, will ich jetzt hier gar nicht im Einzelnen eingehen. Es sind Delikatessen dabei: 52.600 € für die Berechnung eines ökologischen Fußabdruckes oder eine besonders zukunftsweisende Studie für 16.270 € zu Grabsteinen aus Naturstein. Aber darauf will ich gar nicht im Einzelnen eingehen. Sie wissen ja selbst, dass Sie hier deutliche Einsparpotenziale haben.

Nein, die Antwort auf die Große Anfrage ist in mehrfacher anderer Hinsicht erhellend. Da müssen wir gar nicht aufrechnen. Herr Lersch-Mense, nach Ihrer Berechnung musste die Verwaltung 5.871 Stunden an der Beantwortung von 287 Fragen arbeiten. Das macht pro Frage bzw. Antwort 20 Stunden. Unsere erste Auswertung der Antwort hat aber ergeben, dass 96 Fragen entweder gar nicht oder faktisch nicht beantwortet worden sind; im Stil von: Dazu liegen uns keine Daten vor. – Ohne diese Fragen betrug der durchschnittliche Aufwand der beantworteten Fragen sogar 30 Stunden, also eine Dreiviertelwoche Arbeitszeit für Antworten, die in aller Regel nicht über zehn Druckzeilen hinausgehen.

Herr Lersch-Mense, entweder haben Sie bei der Berechnung des Aufwands ein kleines bisschen geschummelt, oder es gibt dringenden Bedarf nach einer Effizienzsteigerung in der politischen Leitungsebene.

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Warum stellen Sie denn Fragen, wenn Sie so einfach zu beantworten sind?)

Auch das verfügbare bzw. nicht verfügbare Datenmaterial ist erstaunlich. So hat sich zum Beispiel die Landesregierung sichtlich schwer damit getan, darzulegen, wie sich der Anteil weiblicher Beschäftigter in den Ressorts in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich habe gedacht, im Jahre 2015 sei das bei einer modernen Verwaltung eine Frage des Knopfdrucks.

(Beifall von der FDP)

Stattdessen lieferte die Landesregierung eine lange und im Zeitverlauf – das kann jeder in der Drucksache nachschauen – unvollständige Liste mit einem bemerkenswerten Ergebnis: In den Jahren 2005 bis 2010 ist der Anteil an Frauen im Landesdienst um 4,2 % gestiegen. Seit Rot-Grün das Land regiert, liegt das Wachstum nur noch bei 2 %. Vielleicht ist der Grund für die merkwürdige Beantwortung also nicht schlechtes Zahlenmaterial, sondern, dass bei Ihrer gegenderten Personalpolitik Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderfallen.

(Beifall von der FDP)

Und zuletzt werden auch bemerkenswerte politische Prioritäten durch diesen einen parlamentarischen Vorgang, den Sie dankenswerterweise so beleuchtet haben, hervorgehoben.

Die Ministerpräsidentin hatte ja in ihrer legendären „Mega“-Regierungserklärung zur Digitalisierung Anfang dieses Jahres völlig zu Recht eine neue Gründerkultur gefordert. Nun wissen wir, dass insbesondere Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, eine Existenz zu gründen, Bürokratie als Bremsklotz begreifen. Nach den aktuellen Erhebungen sagen 58 % der Gründer: Entlastet uns von Bürokratie und komplizierten Gesetzen!

Vor dem Hintergrund und in der Hoffnung darauf, gemeinsame Prioritäten zu haben, haben wir die Landesregierung zum Beispiel gefragt: Durch welche Maßnahmen kann der administrative Aufwand bei Betriebsgründungen verringert werden? Antwort der Landesregierung: Mangels vorliegender Daten können keine Maßnahmen aufgezeigt werden.

Wir haben gefragt: Wo könnten wir im Baurecht komplizierte Vorschriften einfacher gestalten? Antwort: Der Landesregierung sind keine unnötig komplizierten Regelungen im Baurecht bekannt.

(Lachen von der FDP und der CDU)

Wir haben die Landesregierung gefragt: Wie schätzt sie die Belastung der Unternehmen durch Bürokratiekosten, durch schwer verständliche und komplizierte Formulare ein? Antwort: Der Landesregierung sind solche Formulare nicht bekannt.

(Lachen von der FDP und der CDU)

Welche Formulare werden durch Behörden des Landes im Rahmen der statistischen Berichtspflichten an kleine und mittlere Unternehmen versandt?, haben wir gefragt. Antwort: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.

Ich fasse zusammen: Die Landesregierung weiß nicht, welchen Aufwand sie Bürgern und Betrieben zumutet. Sie haben 287 Fragen auf 629 Druckseiten beantwortet. In der Sache haben Sie aber nur eines ausgesagt: Bürokratie und ihr Abbau ist für uns kein Thema. – Und das ist Ihr Problem und das Problem dieses Landes!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das Thema ist Ihnen sogar so lästig, dass sie es für Regierungspropaganda gegen legitime parlamentarische Kontrollrechte genutzt haben. Ich will darauf gar nicht näher eingehen, weil die Präsidentin des Landtages in einem bemerkenswerten, vielleicht sogar einmaligen Vorgang der Landesregierung links und rechts eines um die Ohren gegeben hat.

Ich kann Ihnen für die Fraktion der FDP nur eines sagen: Verehrte Damen und Herren der Landesregierung! Wir sind frei, gleich und geheim gewählte Abgeordnete. Und wir lassen uns durch keine Landesregierung einschüchtern.

(Lebhafter Beifall von der FDP und der CDU – Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Meine Damen, meine Herren, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich habe zu den finanzpolitischen Kennzahlen, zu der Notwendigkeit eines Standardabbaus gesprochen, um wieder Handlungsfähigkeit zu gewinnen. Ich will nun im dritten, abschließenden Teil auch noch zu den Schwerpunkten respektive fehlenden Schwerpunkten im Landeshaushalt sprechen. Denn der Haushalt ist ja so etwas wie politische Prioritätensetzung in Zahlen.

Prioritätensetzung ist das entscheidende Stichwort bei der inneren Sicherheit, dem ersten Punkt, über den ich sprechen will. Wir haben eine Bedrohungslage, die sich verändert hat. Wer wollte das denn nach den Anschlägen von Paris – spätestens – infrage stellen?

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ich!)

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht schärfere Gesetze brauchen, die in unsere bürgerlichen Freiheitsrechte eingreifen, wie etwa die pauschale Verdächtigung durch die Vorratsdatenspeicherung. Was aber notwendig ist und was die Bürgerinnen und Bürger zu Recht erwarten, ist, dass die Menschen, die nach Syrien oder anderswohin ausreisen, und verroht – möglicherweise haben sie sich sogar Verbrechen schuldig gemacht – nach Nordrhein-Westfalen zurückkommen, lückenlos überwacht werden. Und das, Herr Innenminister, ist eine politische Schwerpunktsetzung, die notwendig ist.

Es kann nicht sein, dass Sie jede Messstelle beim Blitzmarathon benennen können, aber nicht angeben können, wo sich die 500 Gefährder in Nordrhein-Westfalen aufhalten.

(Beifall von der FDP und der CDU– Zuruf von Minister Ralf Jäger)

Unter Ihrer Verantwortung steuert Nordrhein-Westfalen auf einen neuen Rekord bei der Einbruchkriminalität zu. Es gibt einen neuen Höchststand bei den Einbruchszahlen. Dass es anders geht, zeigt Bayern, obwohl Bayern ebenfalls ein Land mit vielen Landesgrenzen ist. Dort zeichnet sich aber eine Entspannung bei der Einbruchkriminalität ab. Die Voraussetzung dafür ist, dass Täter ermittelt und nicht Einbrüche nur noch verwaltet werden. Einbrüche, Herr Innenminister, müssen aufgeklärt werden und dürfen nicht zu einer bloßen Aktennotiz gemacht werden. Das ist Ihre Verantwortung. Für das Landesarchiv ist die Kollegin Kultusministerin zuständig.

(Beifall von der FDP)

Zweiter Bereich: Ohne Frage muss Bildung das Schlüsselthema der Landespolitik sein. Aber wie ist die Realität? Die große Zahl von Flüchtlingskindern ist eine enorme Herausforderung für das Land und für unser Schulwesen. Wir brauchen ein Konzept, wie das Potenzial dieser Kinder und Jugendlichen erkannt wird, gefördert wird, bevor sie in Regelklassen kommen. Die Aufgabe ist, eine differenzierte und individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen, die zu uns kommen, sicherzustellen und nicht pauschal Zuweisungen in das gegliederte Schulsystem vorzunehmen.

Ich führe das deshalb so aus, weil bislang vor Ort noch nichts ineinandergreift. Die Berufsschulen geben an, dass die Bezirksregierungen keine Angaben machen können, wie mit der großen Zahl von Flüchtlingskindern umzugehen sei. Trotzdem gibt es Äußerungen aus der grünen Fraktion. Dort wurde angedeutet, dass die Schulen des längeren gemeinsamen Lernens, die gegenwärtig zu geringe Anmeldungen haben, durch die große Zahl von Flüchtlingskindern jetzt stabilisiert werden könnten – ich füge die polemische Bemerkung hinzu: künstlich beatmet werden könnten.

Das, Frau Löhrmann, ist nicht die differenzierte und individuelle Förderung von Flüchtlingskindern, die wir wollen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Bitte, nutzen Sie nicht auch noch die hohe Zahl von Flüchtlingen, um die Vergesamtschulung des Schul-systems voranzutreiben!

Bei der GEW-Umfrage, die unlängst veröffentlicht worden ist, Frau Löhrmann, haben 64 % der Schulleitungen an allgemeinbildenden Schulen zu wenig Fortbildung kritisiert, drei Viertel zu wenig Sonderpädagogen. 80 % der Förderschulen mussten durch Abordnungen und Versetzungen ihr Förderangebot verändern, und fast 50 % mussten größere Klassen bilden.

Wir haben Sie vor den Folgen Ihrer überstürzten und konzeptlosen Inklusionspolitik gewarnt. Frau Löhrmann, Sie lachen. Hinter jeder Zahl dieser GEW-Umfrage – das ist doch keine FDP-nahe Organisation – stehen einzelne Kinder mit und ohne Förderbedarf, auf deren Kosten Sie an Ihrer Politik bedingungslos festhalten. Das ist falsch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie müssen die Inklusionspolitik korrigieren, Tempo rausnehmen und Qualität reinnehmen. Das ist keine Frage, bei der allein die erreichten Zahlen für Sie politischen Prestigegewinn bedeuten dürfen, sondern hier geht es um die praktisch zu beobachtende Qualität im Alltag.

Frau Löhrmann, an Gymnasien und Berufskollegs haben Sie Stellen gestrichen. Gleichzeitig stellt der Landesrechnungshof fest, dass noch nicht einmal der verpflichtende Unterricht erteilt werden kann. Eine schulscharfe digitale Erfassung des Unterrichtsausfalls wird konsequent verschleppt.

Inzwischen wissen wir auch, warum. Eine bildungspolitische Kollegin Ihrer Fraktion, Herr Römer, hat das doch dieser Tage in verblüffender und entwaffnender Offenheit verkündet. Sie hat gesagt, man wolle der Opposition beim Unterrichtsausfall kein Angriffsfeld bieten. Das scheint der Grund zu sein, warum es keine ordentliche Statistik gibt. Das lässt tief blicken, wie Ihre Prioritäten aussehen:

(Beifall von der FDP und der CDU)

nur noch über den Wahltag kommen, aber nichts für die Menschen im Land bewirken!

Notwendig wäre jetzt, sofort Transparenz zu schaffen. Sie haben ja nicht gezögert, verehrte Kollegen der SPD, mit Ihrer Arbeitsministerin Nahles jedem mittelständischen Handwerksbetrieb eine umfängliche Arbeitszeitdokumentation wegen des Mindestlohns abzufordern. Da ist es doch das Mindeste, wenn die öffentliche Hand darlegt, welcher Unterricht erteilt und welcher Unterricht nicht erteilt wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir müssen die strukturelle Benachteiligung von Gymnasien, Realschulen und Berufskollegs überwinden. Dazu haben wir Ihnen ja auch Vorschläge nicht nur in dieser, sondern auch in den vorangegangenen Haushaltsberatungen unterbreitet.

Die Abschaffung der Studienbeiträge bleibt ohne Kompensation. – Da lachen Sie, Frau Schulze?! Die Hochschulen haben pro Jahr Einnahmeausfälle in Höhe von 50 Millionen €. Aber darum kümmern Sie sich überhaupt gar nicht mehr. Sie machen Ihre eigene kleinteilige von ver.di diktierte Politik.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Da geht es nur noch um „gute Arbeit“. Nichts gegen gute Arbeit! Aber wir hätten auch gerne gute Arbeitsbedingungen für die Studierenden. Das wäre der Anspruch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie machen nur noch diese kleinteilige Politik. Ich wollte es eigentlich mit Blick auf die Uhr gar nicht ausführen, aber wenn Sie mich schon so anlachen: Sie kriegen es ja noch nicht einmal hin, dass in Nordrhein-Westfalen exzellente Forschungsbereiche im Land bleiben.

(Beifall von der FDP)

Wir haben das nicht nur in Münster bei einem exzellenten Bereich erlebt, sondern jetzt kommt mit der Wald- und Forstforschung ja der nächste Bereich, bei dem Sie nicht in der Lage sind, Fördergelder auszuzahlen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben inzwischen Trophäen an der Wand.

Ich komme zu den Studienbedingungen zurück. Das bleibt nicht ohne Folgen. Armin Laschet hat es eben bereits angesprochen. In Nordrhein-Westfalen betreut ein Professor im Schnitt jetzt 86 Studierende. Das sind 14 mehr als im Jahr 2010. Für Ihre angebliche Wohltat der Abschaffung von Studienbeiträgen zahlen die Studierenden den bitteren Preis schlechterer Zukunftschancen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zuletzt: Zur Bewältigung des digitalen Wandels müssen die MINT-Fächer gestärkt werden. Sie haben eine besondere Rolle. Das ist in der Regierungserklärung Anfang dieses Jahres ja auch ausgedrückt worden. Es hat nur leider nicht dazu geführt, dass es in Nordrhein-Westfalen mehr Ausbildung gibt. Im Gegenteil: Wir liegen im MINT-Bereich im Ländervergleich hinten und kommen in keinem Fach über die Abstiegsränge hinaus.

Jetzt ist interessant, welche Schwerpunktsetzung vor diesem Hintergrund vorgenommen wird. Das hat Armin Laschet eben auch kurz angesprochen, aber nicht im Vergleich. In der Tat: Jetzt werden hier 13 neue Professuren gefördert, zum Beispiel für Theoretische Physik und Geschlechterforschung. Nichts gegen Gender-Studies, aber im Bereich der Gesellschaftswissenschaften, denn bei allen Unterschieden zwischen den Geschlechtern wäre mir neu, dass die sich auch auf die physikalischen Naturgesetze beziehen würden. Aber nun im Vergleich: Hier in Nordrhein-Westfalen werden 13 solcher Professuren gefördert mit – ich sage es mal freundlich – unklarem Fokus, Spielwiesen, und im Land Berlin werden zeitgleich 30 neue Professuren im IT-Bereich geschaffen. Das macht den Unterschied klar und erklärt, warum Nordrhein-Westfalen zurückfällt:

(Beifall von der FDP und der CDU)

Andere investieren in Zukunftschancen und Sie in Spielwiesen. Das muss sich ändern.

Bedauerlicherweise trifft dieser Befund auch auf die Infrastrukturpolitik zu. Noch niemals wurde in der Geschichte dieses Landes so wenig in neue Landesstraßen investiert. Nur noch 32 Millionen € stehen dafür zur Verfügung. Im Jahr 2010 waren es noch – ich schaue meinen Kollegen Rasche an – bald 100 Millionen €. Das heißt, es ist ungefähr nur noch ein Drittel, Herr Römer, des Niveaus des Jahres 2010.

Trotz einer kleinen Mittelverstärkung beim Erhalt der Landesstraßen sind auch dort die Investitionen unterhalb der Abschreibungen. Oder um es weniger technisch zu sagen: Sie schaffen es nicht einmal, den Verfall der Infrastruktur zu stoppen, geschweige denn dass von Sanierung die Rede ist.

(Minister Michael Groschek: Das sagt der Richtige!)

Dafür müssten – wie wir Ihnen vorgeschlagen haben – die Investitionen verdoppelt werden, weil ansonsten Volksvermögen verschleudert wird.

Michael Groschek mahnt im Bund ja andere und die richtigen Prioritäten an. Das gestehen wir Ihnen ja zu. Herr Groschek, wenn es nach uns, nach der FDP, ginge, dann dürften Sie hier im Land Ihren richtigen Worten auch Taten folgen lassen. Denn wenn 80 % der Verkehrsleistungen dieses Landes über die Straße abgewickelt werden, dann ist es falsch, dass Sie und dieser Landeshaushalt sich überwiegend grünen Prestigeprojekten wie Radschnellwegen widmen. Da geht das Geld hin, und es fehlt an anderer Stelle.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Mit Schlaglöchern übrigens kann man im Zeitalter der Digitalisierung noch besser umgehen als mit sogenannten Funklöchern. Das haben Sie zu Jahresbeginn erklärt: Digitaler Wandel braucht breitbandige Netze, braucht Infrastruktur. – Das ist auch der entscheidende Punkt, wenn es darum geht, ob unser Land die Möglichkeiten nutzt und die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellt.

Herr Duin, dazu haben Sie die Tage etwas gesagt. Ich zitiere das: „Bayern hat es dringender nötig, in den Breitbandausbau zu investieren, als wir, weil das Land“, also Bayern „an dieser Stelle schlechter aufgestellt ist.“

Abgesehen davon, dass das in Bayern auch mit der ländlichen Struktur zusammenhängt: Die Betriebe hier in Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel in Südwestfalen, stehen doch nicht im Wettbewerb mit Bayern. Die stehen im Wettbewerb mit Osteuropa, mit China oder mit den Vereinigten Staaten. Deshalb dürfen Sie sich doch nicht mit Bayern vergleichen und froh sein, dass es noch ein Land in Deutschland gibt, das schlechter abschneidet als Sie. Unsere mittelständische Wirtschaft, insbesondere die innovativen Unternehmen und diejenigen im Exportbereich, braucht die besten Standortbedingungen – nicht im deutschen, sondern im globalen Vergleich.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

– Hören Sie doch auf! Dafür ist mehr nötig als 1,9 % Ausbaudynamik, die Sie hier in Nordrhein-Westfalen erreicht haben. Dazu ist mehr nötig, als nur Geld von anderen weiterzuleiten.

Es ist doch bezeichnend, Herr Duin, dass Sie für diese Schlüsselfrage nicht einmal verantwortlich sind; denn Breitbandausbau im ländlichen Raum liegt – als ich das erfahren habe, ging ein kalter Schauer über meinen Rücken – im Verantwortungsbereich von Johannes Remmel. Und deshalb bewegt sich dort doch auch nichts!

(Beifall von der FDP und der CDU – Minister Johannes Remmel: Da haben wir mehr Geld ausgegeben als ihr!)

Also: Der Zustand der Infrastruktur unseres Landes ist ein Spiegelbild rot-grüner Politik: Es bröckelt überall, tiefe Risse werden provisorisch geflickt, und an vielen Stellen geht deshalb gar nichts mehr.

Das bleibt nicht ohne Folgen für die Wirtschaftskraft in unserem Land. Sie werden nicht auf Dauer am Länderfinanzausgleich drehen können, um zu verdecken, dass Nordrhein-Westfalen zurückfällt. Das Wachstum bei uns ist schwächer, der Arbeitsmarkt entwickelt sich weniger dynamisch, die Menschen haben deshalb weniger Chancen als anderswo – zum Beispiel weniger Chancen als selbst in Thüringen. Die Investitionen der Industrie bleiben unterhalb des Niveaus von Ländern wie beispielsweise Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen zurück.

Man sollte also meinen, Herr Duin, dass Sie mit Hochdruck daran arbeiten, neue Ideen zu entwickeln, wie Nordrhein-Westfalen wieder an Wettbewerbsfähigkeit zulegt. Aber die wirklich einzige Idee der letzten Monate, die wir von Ihnen gehört haben, war die Idee, Ihr Ministerium umzubenennen.

Johannes Rau und Richard von Weizsäcker – Namen, die jetzt für unterschiedliche Vorhaben durch die Zeitungen geistern – sind wirklich verdiente Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Unser Land hat aber wirklich größere Probleme als die Umbenennung von Türschildern an Ministeriumsgebäuden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wo sind die Ideen für die wirtschaftliche Dynamik? Als es um neue Gewerbeflächen ging, hat ein Kollege der SPD hier am Pult davon gesprochen, dass die Grünen bei newPark eine Blutgrätsche gemacht hätten. Das sagte nicht die Opposition. Das war ein sozialdemokratischer Kollege. Was ist das für eine bizarre Debatte in der Energiepolitik um den Kohleausstieg, die Sie jetzt nicht nur zwischen Rot und Grün führen, sondern bei der Frau Hendricks aus Berlin noch hinzukommt?

Deutschland hat bereits die höchsten Energiepreise der EU. Nur noch 25 % werden durch den Markt bestimmt. Was haben Sie uns alles gesagt, was Sie besser machen würden! Ich habe noch im Ohr, mit welcher Chuzpe Sie in den letzten Jahren hier ans Pult getreten sind. Jetzt würde alles anders, und das Chaos würde man auflösen. Und so weiter.

Ergebnis ist: Zum 1. Januar 2016 steigt die EEG-Umlage auf ein historisches Hoch von 6,35 Cent die Kilowattstunde. Gar nichts haben Sie erreicht! Und das verschlechtert die Standortbedingungen für die Industrie in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP – Norwich Rüße [GRÜNE]: Solch ein Unsinn!)

Der unkontrollierte Ausbau erneuerbarer Energien jenseits des physikalisch Möglichen und jenseits des wirtschaftlich Verantwortbaren ist und bleibt der größte Preistreiber. Endlich, spät – lange hat es gedauert –, stellt die Bundesregierung jetzt auf ein Ausschreibungsmodell bei neuen Kapazitäten für das Erneuerbare-Energien-Gesetz um. Endlich!

Und was ist die Antwort der Grünen hier in Nordrhein-Westfalen? – Bei uns gibt es ja viele windstille, windschwache Standorte. Die Ausbauziele von Herrn Remmel könnten in einem solchen marktwirtschaftlicheren Modell nicht erreicht werden. Und was macht daraufhin Herr Remmel? – Er schlägt öffentlich vor, dass in Nordrhein-Westfalen Extra-subventionen für Windenergie gezahlt werden sollen, weil sie sich ja eigentlich und sonst nicht rentiert. Was für eine Logik! Weil Windenergie in Nordrhein-Westfalen nicht rentabel ist, müssen die Subventionen noch weiter erhöht werden. Solche Vorschläge unterbreitet nur, wer die Deindustrialisierung unseres Landes weiter vorantreibt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen muss wieder den Ehrgeiz entwickeln, die besten Standortbedingungen in Deutschland zu haben. Schlanke Bürokratie, moderne öffentliche Infrastruktur, beste Bildung: das wären Anforderungen – um es in einem Satz zu sagen –, um mehr Marktwirtschaft zu wagen.

Im vergangenen Jahr haben wir nichts davon gesehen. Der Landeshaushalt 2016 zeigt: Auch im nächsten Jahr ist davon nichts zu erwarten. Rot-Grün tritt auf der Stelle, und das Loch unter Ihren Füßen wird immer tiefer. Das muss sich ändern.

(Anhaltender Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lindner. – Und nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Fraktionsvorsitzende, Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Laschet, ich schätze Ihre Person, ich schätze auch Ihre Arbeit.

(Beifall von der CDU)

Ich finde auch, dass Sie wichtige politische Impulse in die CDU hineingetragen haben, die andere sonst nicht hineingetragen hätten. Was Sie sich aber heute in Bezug auf die Flüchtlinge geleistet haben, finde ich wirklich infam.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der CDU)

Wir haben im Jahr 2012 allein im Einzelplan 03 im Bereich der Flüchtlingsarbeit Ausgaben von gut 200 Millionen € gehabt. Im Jahr 2016 werden es rund 4 Milliarden € sein. Wie Sie da keinen Unterschied erkennen können und uns vorwerfen, wir würden instrumentalisieren, bleibt Ihr Geheimnis. Ich finde das infam. Sie haben auf dem Rücken von Menschen, die geflüchtet sind, Politik gemacht. Das ist Instrumentalisieren, Herr Kollege Laschet!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Bei der Rede von Herrn Lindner habe ich mir eigentlich nur ein Wort bzw. zwei Wörter aufgeschrieben: „Demut“ und „Projekt 18“. Viel mehr fällt mir zu Ihrer Rede eigentlich nicht ein.

(Zuruf von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben uns weder enttäuscht noch überrascht. Die Beiträge der Opposition zeigen doch eines: Sie sind verdammt froh, dass Sie keine Verantwortung haben. Sie sind verdammt froh, dass Sie hier nicht regieren müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn es nämlich so wäre, würden Sie sehr schnell erkennen, dass die Arbeit ungemütlich würde. Dann müsste man nämlich sagen, wofür man Einsparungen belegen kann. Dann kann man nicht mehr alles fordern, sondern muss Deckungsvorschläge für das machen, was Sie hier ausgebreitet haben. Da ist heute nichts gekommen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wieder nichts!)

Sie haben es in drei Lesungen in diesem Landtag nicht geschafft, konkret zu benennen, wo Ihre Lösungen sind, was Sie konkret in Nordrhein-West-falen anders als Rot-Grün machen möchten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was Sie uns hier vorgelegt haben, ist der Ausdruck schlichter Planlosigkeit. Dazu greife ich einen selbstkritischen Satz des Kollegen Kruse auf, der in der Fraktion der CDU gesagt haben soll: Wir haben überhaupt keine Strategie. – Ja, Herr Kruse, Sie haben recht. Und ich kann Ihre Kritik an der Fraktionsführung noch ergänzen: Auch die Taktik ist ziemlich schlecht.

Lassen Sie mich zwei Beispiele geben. Beispiel eins: innere Sicherheit. Der Antrag dazu liegt ja heute erneut auf dem Tisch. Sie sind sich nicht zu schade, die Ausrüstung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hier erneut zum Thema zu machen.

(Armin Laschet [CDU]: Bis es sicher ist!)

Warum machen Sie das? Sie haben Angst vor dem Vergleich. Wir haben bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die höchsten Einstellungszahlen in der Geschichte des Landes Nordrhein-West-falen durchgesetzt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben für das Jahr 2016 über 1.900 Stellen geschaffen. In drei Jahren haben wir mehr Polizistinnen und Polizisten eingestellt als Sie in fünf Jahren. Und in fünf Jahren haben wir im Vergleich mit dem Zeitraum 2006 bis 2010 genau doppelt so viele Einstellungen – nämlich 8.000 – vorgenommen wie Sie mit 4.000 unter Jürgen Rüttgers und Ingo Wolff.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich sage Ihnen an der Stelle ganz deutlich: Wir sind die Partei, die über innere Sicherheit nicht nur redet, sondern wir bringen Beamtinnen und Beamte auf die Straße!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich gebe Ihnen ein zweites Beispiel, Herr Kollege Laschet. Herr Kuper hat sich ja einen Namen damit gemacht, rumzumäkeln und zu sagen, das Land würde die Flüchtlinge zu langsam unterbringen. Mehr war von ihm in der Sache nicht zu hören. Was haben Sie stattdessen gemacht? Sie haben einen Bundesinnenminister verteidigt, der heute selbst den hartgesottensten Kollegen aus der CDU peinlich ist, weil er einerseits weder das Desaster mit den Asylanträgen in den Griff bekommt und andererseits auf europäischer Ebene nicht für eine integrative und solidarische Flüchtlingspolitik sorgt.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

– Und jetzt, Herr Möbius, kommt noch Ihre christliche Weihnachtsbotschaft: Hauptsache, mehr Abschiebung. Ihr Abschiebungspapier, Herr Laschet, ist doch der Ausbruch puren Populismus.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Armin Laschet [CDU]: Wieso das denn?)

95 % der Dinge, die da drinstehen, haben mit der Realität doch nichts zu tun. Das tangiert doch die Mehrzahl der Flüchtlinge überhaupt nicht. Sie tragen zur Sachpolitik nichts bei. Dieses Papier ist eine schlichte Konzession an die Hardliner in Ihrer Partei und in Ihrer Fraktion.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir dagegen haben kluge Sachpolitik gemacht. Es wurden 5.766 neue Stellen für Schulen in den Jahren 2015 und 2016 geschaffen. Es gibt 2 Milliarden € Zuweisungen an die Kommunen allein für die Flüchtlingsunterbringung, und es werden für den Integrationsbereich insgesamt 4 Milliarden € ausgegeben. Das ist eine Politik, die sachlich ist. Das ist nicht solch ein Populismus, wie die CDU ihn hier an den Tag legt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mit Blick auf die Oppositionsvorschläge von heute könnte ich es eigentlich kurz machen: Sie haben keine Ziele. Sie haben keine Vision von der Zukunft des Landes. Sie werden auf der Regierungsbank alles andere als vermisst.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben mit dem Haushalt 2010 eine klare strategische Linie gezogen und ziehen sie Jahr für Jahr weiter. Und ganz zentral ist doch Folgendes: Bildung, Bildung und nochmals Bildung! Diese Linie ziehen wir durch von der frühkindlichen Betreuung über die schulische und berufliche Ausbildung, die Weiterbildung bis hin zur Hochschule und zur Wissenschaft. Noch nie wurde so stark in Bildung investiert wie in diesem Jahr. Jeder dritte Euro des Landeshaushaltes geht in diese wichtigen Zukunftsbereiche. Damit sind wir bundesweit spitze.

Über das KiBiz gibt das Land Nordrhein-Westfalen rund 2,5 Milliarden € für den Ausbau und die Qualitätssteigerung in den Kindertagesstätten aus. Nur zur Erinnerung, Herr Kollege Laschet: Bei Ihnen waren es 1,2 Milliarden €.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich war ja bei den Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden und auch bei denen mit den Wohlfahrtsverbänden dabei. Wissen Sie, was die uns gesagt haben? Das System, das Sie angelegt haben, ist so schlecht, dass wir eine grundständige Erneuerung des Systems brauchen und nicht Reparaturen, wie Sie sie hier vorgeschlagen haben!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir werden 2016 mit der Anhebung der Dynamisierung der Kindpauschalen auf 3 % weitere 13,4 Millionen € eigenes Landesgeld – Herr Kollege Laschet, nicht Betreuungsgeld, sondern eigenes Landesgeld! – zusätzlich investieren. Das Ganze wird auf über 68 Millionen € an zusätzlichen Investitionen in Kindertagesstätten ausgebaut. Das ist die Politik von Rot-Grün.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir betreiben eine gigantische Aufholjagd gegenüber dem, was Sie als Familienpolitik in diesem Lande hinterlassen haben. Wir machen konkrete Zukunftspolitik für den Standort, für Kinder mit Familien, für mehr Bildungsgerechtigkeit. „Kein Kind zurücklassen!“ – das ist die Maxime. Und die gilt auch weiterhin für Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das gilt übrigens auch beim beitragsfreien letzten Kitajahr – der Antrag ist eben wieder hereingeflattert –, wo Sie von der Union mit einer Einsparung von 162,5 Millionen € tatsächlich mal einen Einsparvorschlag machen – interessanterweise allerdings zielgenau da, wo es um Chancengerechtigkeit geht.

Bei Ihnen herrscht doch der gleiche Ungeist wie bei Ihrer Schwesterpartei, der CSU aus Bayern. Sie wollen allen Ernstes die Erträge aus den freiwerdenden Mitteln im Wesentlichen im Landeshaushalt versickern lassen. Sie wollen dazu beitragen, Kinder gerade von jenen Familien, die es besonders nötig haben, in die Kita zu gehen, von einem Besuch der Kindertagesstätte abzuhalten. Sie wollen die gleiche Kitafernhaltepolitik betreiben, wie es die CSU in Bayern mit dem Betreuungsgeld getan hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Blödsinn! – Zuruf von Michele Marsching [PIRATEN])

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie wollen die Axt an eine chancengerechte Gesellschaft legen. Und da, liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir nicht mit!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir zeigen Ihnen mit diesem Haushalt ganz konkret, wie wir es anders, wie wir es besser machen. Wir leiten die als „Herdprämie“ bisher sinnfrei ausgegebenen Mittel komplett und ohne jeden Abzug dorthin weiter, wo sie hingehören, nämlich in die frühkindliche Betreuung. Die rund 431 Millionen € für die Jahre 2016 bis 2018 sind durch Anträge der Koalitionsfraktionen in den Haushalt eingebettet worden. 331 Millionen € davon gehen für Personal- und Sachmittel in den Haushalt, und rund 100 Millionen € in die Qualitätssteigerung der Kindertagesstätten, im Übrigen auch – das wird oft vergessen – für den Ü3-Bereich.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Damit machen SPD und Grüne die Kindertagesstätten noch stärker. Unsere Kinder sind unsere Zukunft. Damit sie diese Zukunft positiv gestalten können, gestalten wir die Rahmenbedingungen in den Kindertagesstätten so, wie wir es gesagt haben: mit mehr Investitionen und mit einer deutlich besseren Ausstattung bei den Kindpauschalen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wie wir die Kindertagesstätten stärken, so stärken wir auch die Schulen:

(Heiterkeit von den PIRATEN)

mit dem größten Schuletat, den es in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen gab. So viel hat noch keine Landesregierung für einen Haushalt im Schulbereich in die Hand genommen.

(Beifall von den GRÜNEN und Norbert Römer [SPD])

17,26 Milliarden € werden 2016 in Schulen investiert. Das ist 1 Milliarde € mehr als 2015, und das sind 3,3 Milliarden € oder 23 % mehr als 2010 unter Schwarz-Gelb.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das machen wir trotz zurückgehender Schülerzahlen. Das Geld und die Stellen – das haben wir versprochen – bleiben im System. Auch das ist eine klare inhaltliche Entscheidung für Zukunftspolitik.

Mit dem Haushalt 2016 inklusive der Ergänzungsvorlagen 2015 – ich habe eben darauf hingewiesen – werden rund 5.800 neue Stelle für den Schulbereich bereitgestellt, und 266 Millionen € werden damit finanziert.

Damit reagieren wir einerseits auf die Herausforderungen der Zuwanderung. Aber – das hat der Kollege Römer eben auch schon gesagt – diese Stellen kommen natürlich allen Kindern zugute.

(Zustimmung von Norbert Römer [SPD])

Es ist gut, dass die Ministerin und die Bezirksregierungen dafür gesorgt haben, dass 70 % der Stellen des Haushalts 2015 bereits besetzt sind. Die Stellen kommen also an. Das Geld kommt an, und die Stellen kommen an.

Ferner – das ist ein wichtiges Pärchen zum Bereich der Kindertagesbetreuung –: Auch die Dynamisierung bei der offenen Ganztagsschule werden wir von 1,5 % auf 3 % anheben und mit 22.500 zusätzlichen Plätzen den offenen Ganztag massiv ausbauen.

Mit unseren hohen Investitionen realisieren wir das, was wir versprochen haben. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann ist damit Garantin für den Schulkonsens, für eine gelingende Inklusion und für einen stärkeren Ausbau der offenen Ganztagsschule in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kein Thema hat uns im Jahr 2015 so sehr beschäftigt wie die Flüchtlingspolitik. Wir reagieren damit auf eine große humanitäre Katastrophe, deren Auswirkungen wir auch hier in Nordrhein-Westfalen zu spüren bekommen.

Nordrhein-Westfalen ist ein solidarisches Land. Dies belegen auch die jüngsten Umfragen aus dem WDR. Die große Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen fühlt sich von den Flüchtlingen nicht bedroht. Bei uns gibt es deutlich weniger Ängste und Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen als anderswo. Ich will noch einmal betonen: Es ist nicht in allen Bundesländern so. Es ist möglicherweise auch eine Frage des Umgangs miteinander, dass solche Umfragewerte zustande kommen. Da bin ich ausdrücklich allen dankbar, die daran mitgearbeitet haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In der Zivilgesellschaft gibt es ein breites Engagement. Viele Haupt- und vor allem viele Ehrenamtliche haben sich bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten eingesetzt, um die Ankommenden menschenwürdig aufzunehmen und auch in Nordrhein-Westfalen unterzubringen. Es gab eine große Welle der Solidarität, die für unser Gemeinwesen unendlich wichtig ist. Die vielen Helfenden sind aus meiner Sicht das Rückgrat unserer Demokratie. Ihr Engagement bildet den Kitt für unsere Gesellschaft.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich an dieser Stelle auch herzlichen Dank an alle, die sich einbringen für mehr Mitmenschlichkeit und für mehr praktische Lösungen des Problems. Vielen Dank!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Aber – da beißt die Maus natürlich keinen Faden ab – die Finanzierungsverantwortung für die Schaffung guter Rahmenbedingungen liegt natürlich bei uns, den Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Land und Gemeinden. Deswegen erhöht die rot-grüne Koalition die Mittel für die Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen ganz deutlich.

Im Jahr 2014 waren es noch rund 90 Millionen €, die das Land den Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen bereitgestellt hat. Im Jahr 2015, also im aktuellen Haushaltsjahr, werden es bereits über 800 Millionen € sein. Im Jahr 2016 werden dann mit 1,94 Milliarden € fast 2 Milliarden €, die den Kommunen nur für die Unterbringung von Flüchtlingen zugewiesen werden.

Der Kollege Römer hat eben darauf hingewiesen: Von den rund 2 Milliarden € sind 626 Millionen € vom Bund. 1,35 Milliarden € sind vom Land. Wie man dann von „klebrigen Händen des Landes“ sprechen kann, bleibt mir ein Geheimnis. Das ist wieder die Mäkelei von CDU und FDP.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auf zwei Landeseuro kommt ein Bundeseuro. Wenn man sich die Gesamtausgaben in dem Bereich von 4 Milliarden € anschaut, stellt man fest: Die Zuschüsse des Bundes sind von über 20 % im Jahr 2015 auf unter 20 % im Jahr 2016 gesunken. Bei der Flüchtlingsunterbringung unterstützen wir als Land unsere Städte und Gemeinden wirklich nach Kräften. Die Pauschalen werden aufgestockt. Wir zahlen für das ganze Jahr und nicht nur für das halbe Jahr, wie der Bund es machen will. Und auch der Kreis der Geduldeten wird neu mit einbezogen.

Im Jahr 2017 wird die Pauschale auf eine monatliche Pauschale pro Flüchtling umgestellt und um 4 % auf dann 866,20 € aufgestockt.

Außerdem – das ist auch ein wichtiges Signal in der Gesundheitspolitik – wird die Kappungsgrenze für die Gesundheitskosten von 70.000 € auf 35.000 € abgesenkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das, was ich jetzt vorgetragen habe, ist gut und richtig investiertes Geld. Es stärkt nicht nur den Zusammenhalt der Gesellschaft, sondern es führt zu unmittelbaren Impulsen bei der Konjunktur. Die Wirtschaftsforscher des ifo Instituts rechnen im kommenden Jahr mit einem steigenden Wachstum in Deutschland. Sie gehen von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um 1,9 % aus. 0,3 Prozentpunkte allein sollen auf die Zuwanderung fallen. Die investierten rund 20 Milliarden € bundesweit sind also ein unmittelbar auf die Binnenwirtschaft wirkendes Konjunkturprogramm, das der Konjunktur in Deutschland hilft; insofern führen diese Ausgaben letztendlich zu Einnahmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen sucht in allen zentralen politischen Feldern die Partnerschaft mit den Kommunen. Dies dokumentiert im Übrigen auch eine vom RVR in Auftrag gegebene Studie bei Herrn Professor Junkernheinrich. Herr Professor Junkernheinrich hat der Landesregierung attestiert, dass mit den 4 Milliarden €, die im Stärkungspakt bereitgestellt werden, genau jene Kommunen unterstützt werden, die besondere Hilfe benötigen. Er hat gesagt: Noch nie war der Haushaltsausgleich bei den Kommunen im Ruhrgebiet so nah, wie es heute der Fall ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber auch insgesamt wurde die finanzielle Basis der Kommunen in Nordrhein-Westfalen gestärkt: 300 Millionen € mehr bei der Grunderwerbsteuer, deutlich über 100 Millionen € mehr Zuwendungen im Bereich des Kinderfördergesetzes – das musste durch ein Verfassungsgerichtsurteil erstritten werden –, 170 Millionen € beim Gemeindefinanzierungsgesetz, 120 Millionen € bei der Finanzierung der Deutschen Einheit und weitere Regelungen. Mit mehr als 1 Milliarde € stabilisieren und stärken wir die strukturelle Finanzbasis der Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Das ist konkrete Politik zugunsten der Kommunen und Städte in diesem Land.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Weil die Fans von Bayern hier rechts immer so zahlreich Seehofer zuklatschen: 568 € gibt Nordrhein-Westfalen je Einwohner den Kommunen aus seinen Steuermitteln. So viel – auch darauf hat der Kollege Römer hingewiesen – gibt kein anderes Bundesland. Würden wir so verfahren wie Bayern, müssten wir den Kommunen in Nordrhein-Westfalen 2,5 Milliarden € an Zuwendungen entziehen.

All das zeigt: Wir sind die kommunalfreundlichste Landesregierung, und wir tragen Verantwortung dafür, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen handlungsfähig werden können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den elementaren Anliegen bei der Aufnahme von Flüchtlingen gehört natürlich auch eine vernünftige Gesundheitsversorgung. Auch hier streben wir besondere Anstrengungen im Jahr 2016 an. Es gilt, schwerwiegende Erkrankungen wie zum Beispiel Tuberkulose frühzeitig zu erkennen und mit einem guten und qualifizierten Impfangebot zu bekämpfen. Diese Maßnahmen kommen nicht nur den Geflüchteten zugute, sondern natürlich der gesamten Bevölkerung, und sorgen für einen vernünftigen Gesundheitsschutz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Flüchtlinge kommen aus einer wahren menschlichen Hölle, aus Kriegen, in denen Mord, Raub und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind. Wir wissen heute viel mehr über die psychischen Auswirkungen solcher Situationen. Gerade diese betroffenen Menschen wollen wir besonders intensiv begleiten; denn wir wollen verhindern, dass aus psychischen Belastungen lange chronische Erkrankungen werden.

Integration der Asylsuchenden heißt unseres Erachtens auch Schutz vor diskriminierenden Regelungen. Wir sind froh, dass es der Gesundheitsministerin gelungen ist, eine Rahmenvereinbarung für die elektronische Gesundheitskarte auszuhandeln,

(Beifall von den GRÜNEN)

und das möchte ich mit einem Appell verbinden: Lassen Sie doch diese Rundmails an Ihre Ratsmitglieder in den Städten und Gemeinden. Sorgen Sie doch, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der CDU, mit dafür, dass dieses gute Angebot allen Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen zugutekommen kann. Unterstützen Sie doch das proaktiv, was in der Flüchtlingspolitik nötig ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist uns auch, die Willkommenskultur in den Gesundheitsberufen zu fördern. Dazu gehört einerseits eine schnelle Anerkennung von vorhandenen Kompetenzen der Flüchtlinge, andererseits eine fachgerechte Beratung darüber, welche Möglichkeiten in den Gesundheitsberufen bestehen.

Bei allen drängenden Fragen in der Flüchtlingspolitik verlieren wir die Anliegen und langen Linien der Gesundheitspolitik eben nicht aus den Augen, zum Beispiel das Anliegen, allen Menschen ein möglichst langes selbstbestimmtes Leben im Alter zu ermöglichen. Hierfür stellen wir im Landesförderplan „Alter und Pflege“ weitere Mittel bereit, insbesondere im Bereich der Quartiersentwicklung.

Und auch die Frauenhäuser liegen uns in ganz besonderer Weise am Herzen, zumal es Einrichtungen sind, die oft mit knappen Mitteln und großem Engagement Frauen und ihre Kinder vor Gewalt schützen. Wir freuen uns, dass wir eine weitere Million Euro mehr für Frauenhäuser zur Verfügung stellen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Laschet – Herr Lindner hat das ja auch gemacht –, da Sie sich so über die Genderforschung lustig gemacht haben:

(Armin Laschet [CDU]: Nein, ich rege mich nur über die Genderprofessuren in der Physik auf! – Josefine Paul [GRÜNE]: Das macht doch mehr als deutlich, dass Sie keine Ahnung haben!)

Genderuntersuchungen zum Beispiel bei der Produktion von Elektrowerkzeugen …

(Armin Laschet [CDU]: Wem soll ich jetzt zuhören? – Heiterkeit)

– Darf ich dazwischen? – Herr Kollege Laschet, die Genderuntersuchungen haben unter anderem dazu geführt, dass bei der Produktion von Elektrowerkzeugen der Akkuschrauber eingeführt worden ist. Millionen von Handwerkern würden heute noch an der Steckdose hängen, wenn diese Genderforschung nicht stattgefunden hätte.

(Ministerin Barbara Steffens: Ganz richtig! Das ist so!)

Das ist Genderpolitik ganz konkreter Art und Weise.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Paris sind an diesem Wochenende die Verhandlungen zu einem neuen Klimaabkommen zu Ende gegangen. Wir haben dramatische und sehr positive Bilder aus Paris sehen können, und eine ganze Reihe von Menschen, die hier sind, hat an diesem Abkommen mitgewirkt. Dabei wurden unter anderem das Zwei-Grad-Ziel und das noch anspruchsvollere 1,5-Grad-Ziel in Bezug auf die maximale Erderwärmung fixiert.

Das Abkommen kann historisch werden. Es macht den Weg frei für eine globale Energie- und Klimawende. Der amerikanische Außenminister hat auch die wirtschaftliche Bedeutung betont – Zitat –: „Wir senden an die Märkte dieser Welt mit dem Vertrag das Signal: Jetzt kommt der grüne Umbau.“

Herr Kerry hat recht, aber dazu müssen wir den Vertrag mit Leben füllen. Es ist ein neuer Startschuss für wirtschaftlich konsequenten Klimaschutz und ökologische Modernisierung, aber nicht für die strukturkonservative Kohlepolitik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Raus aus den fossilen Energieträgern! Auch Nordrhein-Westfalen kann und muss seinen Beitrag leisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Thema betrifft uns in ganz besonderer Art und Weise. Nordrhein-Westfalen hat kein eigenes Klima, aber Nordrhein-Westfalen hat eine ganz eigene besondere Verantwortung. Als Industrie- und Energieland Nummer eins sind wir zugleich Emissionsland Nummer eins in Deutschland. Klimaschutz national und international gelingt nicht ohne, sondern immer nur mit Nordrhein-Westfalen.

Wir stellen uns dieser Verantwortung und verbinden dabei ökonomische Vernunft mit ökologischer Verantwortung. Unser Ziel ist die Sicherung der Zukunft Nordrhein-Westfalens als Industrie- und Energiestandort, und zwar nicht mit Kohledinosauriern, sondern auf modernster ökologisch-technischer Grundlage. Dafür stehen wir Grüne, und dafür wollen wir auch Motor sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ausgaben, die mit dem Klimaschutz zusammenhängen, betragen rund 1,5 % des Haushaltsbudgets 2016 oder ungefähr 1 Milliarde €. Das ist ein Aufwuchs – und das beklagen wir nicht, sondern wir begrüßen es, Herr Kollege Linder – von rund 52,5 Millionen € gegenüber 2015. Dabei handelt es sich um Ausgaben, die große Zukunftsdividenden erbringen: durch Investitionen in nachhaltigen Klima- und Umweltschutz, in die Bewahrung des wertvollen Naturerbes und in einen erfolgreichen Ernährungs- und Verbraucherschutz. Gut 40 % dieser Ausgaben können im Übrigen durch eigene Einnahmen und Gebühren gedeckt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Debatte um Klima und Energie ist uns eine Sache doch ganz klar: Die Kohleverstromung hat noch eine Gegenwart, aber sie hat keine Zukunft mehr. Das haben die Finanzmärkte längst erkannt. Allianz, AXA und selbst Rockefeller und diverse Fonds suchen neue Felder, meistens in den erneuerbaren Energien. Auch die großen Energieversorger suchen nach neuen Strategien und fokussieren die Erneuerbaren, nachdem sie diese lange ignoriert, verlacht und auch bekämpft haben.

Selbst der stellvertretende RWE-Chef Rolf Martin Schmitz erklärte in der letzten Woche in der „WirtschaftsWoche“, dass spätestens nach der Bundestagswahl im Jahr 2017 die Verhandlungen mit der Bundesregierung über einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohle beginnen müssten.

Wir sind bereit, den Versorgern die Hand zu reichen und die Debatte über einen – ich betone – geordneten Ausstieg aus der Braunkohle zu führen; denn das ist zu diesem Zeitpunkt vernünftig und auch dringend erforderlich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich füge hinzu: Natürlich werden wir über den Ausstiegszeitraum zu reden haben, und natürlich haben wir auch darüber zu reden, dass kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin ins Bodenlose fällt, dass Arbeitslosigkeit zu verhindern ist.

Klimaschutz ist für uns daher ein Teil einer proaktiven Wirtschaftspolitik; denn die Umweltwirtschaft gehört zu den größten Wirtschaftsbereichen in unserem Land. Nordrhein-Westfalen ist bundesweit der größte Anbieter von Produkten und Dienstleistungen der Umweltwirtschaft.

Sie wollten doch wissen, wo die Wachstumsbranchen sind, Herr Kollege Laschet.

(Armin Laschet [CDU]: Nein, wollte ich nicht wissen!)

Diese Branche ist ein Wachstumsmotor. Sie wächst schneller als der Durchschnitt der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. In den Jahren zwischen 2009 und 2012 konnte die Umsatzentwicklung um 15,6 % gesteigert werden.

(Armin Laschet [CDU]: Das reicht aber nicht! Ist doch super! Ist doch toll!)

Im Vergleich dazu haben die Umsätze in den anderen Branchen nur um 11,4 % zulegen können. Das nennt man einen Wachstumsmotor, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Armin Laschet [CDU]: Das reicht aber nicht!)

Auch andere Relationen sprechen eine klare Sprache: Nordrhein-Westfalen hat einen Bevölkerungsanteil von 0,25 % an der Weltbevölkerung. Allerdings haben die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, die an der Umweltwirtschaft beteiligt sind, einen Weltmarktanteil von 2 % und ein Exportvolumen von insgesamt 8,5 Milliarden €.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der an die Adresse von Herrn Laschet geht, ist, dass die Branche äußerst innovativ ist. Allein für das Jahr 2012 konnten 1.500 umweltrelevante Patentanmeldungen aus Nordrhein-Westfalen generiert werden. Als Bewohner dieser Region bin ich natürlich stolz darauf, dass die allermeisten Patentanmeldungen aus der Region Metropole Ruhr stammten.

Das ist mehr als nur ein Lichtstrahl am Horizont, das ist konkrete Innovationspolitik für Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Die Umweltwirtschaft profitiert von weltweit steigenden Umweltstandards. Ökodumping hingegen würde sie ins Mark treffen. Alle diese Dinge zeigen doch, dass Ökonomie und Ökologie zusammengehören. Wir dürfen sie nicht gegeneinander ausspielen, wie Sie es heute wieder getan haben, liebe Kollegen von Union und FDP.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Als gelernter Haushälter habe ich mir natürlich auch einmal die Mühe gemacht, mir Haushaltsanträge der Opposition anzugucken.

(Zuruf: Und?)

Die Anträge der FDP haben mit ernsthafter Haushaltspolitik aus meiner Sicht relativ wenig zu tun. Meistens sind Sie auf der Wiederholungstaste eingeschlafen und recyceln lediglich Papiere der Vorjahre.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Selbst Ihr Houdini-Running-Gag, dass eine Entfesselung der Wirtschaft 25 Millionen € erbringen würde, war wieder mit dabei. Gern suggerieren Sie auch, dass durch nicht hinterlegte Globaltitel unfassbare Einsparungen zu machen seien. Das ist ungefähr so seriös wie die Baupolitik von Schwarz-Gelb beim BLB in den Jahren 2006 bis 2010.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

An einer anderen Stelle wollen Sie mal eben 120 Millionen € bei den sächlichen Verwaltungsausgaben streichen und dann 300 Millionen € bei den Landesbetrieben. Wie machen Sie das? Sie setzen 3 % von der Bilanzsumme ab. Wenn Sie das bei der Deutschen Bank machen würden, wären 51 Milliarden € einzusparen. Dummerweise gibt die Deutsche Bank nur 39 Milliarden € pro Jahr aus. Da haben die Schwarz-Gelben bzw. Magentagelben nicht nur den Umsatz mit dem Gewinn vertauscht – was schließlich schlimm genug wäre –, sondern schlicht Fantasie mit Realität.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist noch peinlicher als Ihre Erklärung zum Umsatzsteuervorwegabzug, die heute noch einmal getoppt wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen. Vielleicht wird der Finanzminister darauf eingehen. Das Ganze geschieht frei nach dem Motto: Ich weiß nichts, kann aber alles erklären.

(Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der CDU sieht es mit den Haushaltsanträgen leider nicht viel besser aus. Zu Beginn Ihrer Oppositionszeit haben Sie hier noch ausgerufen: 20 % auf alles! Kürzung aller Förderprogramme um ein Fünftel!

Das war aus meiner Sicht eine ziemlich abstruse Vorgehensweise. Das hätte nämlich beispielsweise dazu geführt, dass die Sportfördermittel im zweistelligen Millionenbereich und, Herr Professor Sternberg, die Kulturförderung um 30 bis 40 Millionen € gekürzt worden wären. Das haben Sie dann schnell eingesammelt.

Dann folgte Phase zwei der Konsolidierungsvariante. Beim Personal sollte um 10 % gekürzt werden. Das haben Sie auch nicht wirklich ernst gemeint. Ihre Fachpolitik hat immer dagegengeredet.

Dann kam eine brillante Idee: Wir machen ein Abkommen mit der Schweiz und generieren Mehreinnahmen in Millionenhöhe. – Kollege Römer hat schon gesagt, es war ein fauler Kompromiss. Wir in Nordrhein-Westfalen haben uns zusammen mit dem Finanzminister dagegengestellt. Wir haben dafür gesorgt, dass es mehr Gerechtigkeit gibt, und zusätzlich noch Steuereinnahmen in Milliardenhöhe generiert.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Bis zum heutigen Tag sind ungefähr 2 Milliarden € aufgrund der Selbstanzeigen und Steuer-CDs eingegangen. Wenn man der Presse glauben darf, schweben weitere 12 Milliarden € aufgrund von illegalen Cum?Ex?Geschäften bundesweit in der Luft. Wir müssen dafür sorgen, dass die ehrlichen Steuerzahler nicht bestraft werden, sondern diejenigen, die Steuern hinterziehen wollen, verfolgt werden. Unsere Landesregierung ist ein guter Beweis dafür, dass das verfolgt wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber auch in einem anderen Bereich bleiben Sie Ihrem Schlingern konsequent treu.

Erstens. Sie wollen die schwarze Null am besten sofort und schon gestern.

Zweitens. Sie wollen das Füllhorn öffnen und an alle alles verteilen. Das passt gar nicht dazu. Es reicht bis hin zu staatssozialistischen Ideen des Kollegen Laschet bei den RWE-Kohlesubventionen.

(Armin Laschet [CDU]: Was?)

Drittens. Sie wollen jeden ernsthaften Einsparvorschlag vermeiden. Vorwärts zur schwarzen Null mit massiven Mehrausgaben und massiven Mindereinnahmen: 800 Millionen € runter bei den Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer, 150 Millionen € rauf bei den Förderprogrammen, 450 Millionen € beim KiBiz, 150 Millionen € bei der Kultur, 250 Millionen € bei der Inklusion, 200 Millionen € beim Personaletat und 90 Millionen € beim Stärkungspakt. – Ich könnte jetzt noch lange, lange so weitermachen, wenn man in Summen packen würde, was Sie hier vortragen. Was ich jetzt aufgezählt habe, ist eine Verschlechterung für den Landeshaushalt um 2 Milliarden €.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Heute stellen Sie sich allen Ernstes hierhin und sagen, wir müssen weitere 1,5 Milliarden € an das Ruhrgebiet überweisen. Wir müssen 1,5 Milliarden € ins Ruhrgebiet investieren. – Ich habe gedacht, es ist eine typische Laschet-Ente, die durch das Mediengewitter gezogen ist.

(Armin Laschet [CDU]: Was?)

Ich habe grundsätzlich nichts dagegen. Sie wissen, wo ich wohne. Aber das ist doch wieder nur Voodoo, Herr Kollege Laschet. Ihr Wunschzettel zeigt doch nur eines. Die schwarze Null ist pure Rhetorik. Sie ist für Sie kein ernsthaftes Ziel Ihrer Haushaltspolitik.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich gehe noch einen Schritt weiter. In Wirklichkeit wollen Sie das Volk hinters Licht führen. Sie wollen trotz Mehrausgaben und dramatischer Mindereinnahmen weniger Schulden machen. Das ist entweder Rosstäuscherei oder ein ganz, ganz billiger Taschenspielertrick.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil Sie so schlingern und alles widersprüchlich ist, was Sie vorgeschlagen haben, versuchen Sie, die Widersprüche zu verdecken. Sie erzählen dazu die Geschichte, dass der Wirtschaftsriese Nordrhein-Westfalen mit so starken Fesseln von der rot-grünen Landesregierung gefesselt worden sei, dass er förmlich daran erstickte.

Gleichzeitig erzählen Sie ein Deregulierungsmärchen – die FDP etwas mehr als die CDU: Wenn wir erst hinter den sieben Bergen sind und alle schlimmen rot-grünen Regulierungen gefallen sind, dann wird alles gut. Dann wird die Wirtschaft so irre angekurbelt, dass sich die Steuerbäche massiv füllen und wie Milch und Honig fließen. Dann, ja dann werden alle Versprechungen wahr, die wir heute gemacht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist genau der Trick, mit dem Sie verdecken wollen, mit welch leeren Händen Sie dastehen. Deswegen müssen Sie massiv Pappkameraden aufbauen und nehmen immer wieder gerne das Tariftreue- und Vergabegesetz.

(Zurufe von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer hingegen wirklich Zukunftspolitik entwickeln will, der darf nicht blind deregulieren, sondern er muss in seiner Wirtschaftspolitik sowohl bei der Digitalisierung der Wirtschaft als auch beim ökologischen Umbau von Wirtschaft und Umwelt in diesem Land sehr genau hinschauen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alles, was Sie zu diesen zentralen Zukunftsaufgaben beizutragen haben, ist eine reflexhafte Ablehnung sämtlicher Impulse für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Das gilt zum Beispiel für das Thema „KlimaExpo“. Die FDP hält sie offensichtlich für eine Müsli-Expo, möchte sie diskreditieren und daher auf null setzen. In Wahrheit geht es doch darum, dass beispielsweise Brachflächen wie in Dinslaken reaktiviert und in die Zukunft geführt werden. Wir haben die Wirtschaft doch an unserer Seite. Es geht um Zukunftsprojekte und nicht um Müsliquatsch, wie Sie das erzählen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das gilt im Übrigen auch für eine moderne Verkehrspolitik. Ich bin froh, dass die Stichworte alle gefallen sind. Sie halten es offensichtlich für eine Wahnidee verblendeter Ökos, wenn man in der Verkehrspolitik umsteuert. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben die Mehrheit der Bevölkerung und die Mehrheit der modernen Wirtschaft an unserer Seite, wenn es darum geht, Radwege zu fördern und über alle politischen Ebenen Radrouten und Radschnellwege auszubauen. Deswegen haben wir 2 Millionen € zusätzlich dafür bereitgestellt.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Es kommt ein weiterer Punkt dazu. Das haben Sie eben auch eingefordert. 10 Millionen € investieren wir zusätzlich in die Sanierung von Landesstraßen und verhindern damit weitere unsinnige Ausbaugeschichten. Wir sanieren die Infrastruktur, ohne auf Kosten der Substanz zu leben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all diese Regelungen für Umwelt, für Soziales, für Wirtschaft, Klima und Landesplanung, die Sie immer pauschal als bürokratischen Unsinn abtun, sind in Wirklichkeit etwas anderes. Es sind Leitplanken, die übergeordnete und – ich füge hinzu – berechtigte Interessen schützen und Entwicklungen in die richtigen Bahnen lenken.

Deregulierung dagegen heißt, das Recht des Stärkeren durchzusetzen, einen Wettbewerb ohne Regeln durchzusetzen. Deregulierung riskiert aus meiner Sicht die Spaltung der Gesellschaft. 17 % des Vermögens teilen sich 2 % der Bevölkerung, während die untere Hälfte mit 10 % abgespeist wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kluge Regeln schützen die Gesellschaft und die Haushalte. Hätten wir in den Jahren 2007 bis 2009 diese Leitplanken gehabt, wären den öffentlichen Haushalten im Bereich der Bankenregulierung Milliarden und Abermilliarden an Schulden erspart geblieben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Nicht blinde Deregulierung, sondern richtiges Handeln ist kluge Haushaltspolitik. Auch Ihr Lieblingspopanz, das Tariftreue- und Vergabegesetz, ist in Wirklichkeit eine Leitplanke, die hilft, fairen Wettbewerb herzustellen.

(Heiterkeit von der FDP – Dietmar Brockes [FDP]: Das war der erste Gag in der Rede!)

– Es mag sein, dass Sie lachen. Ich sehe das so.

Herr Kollege, darin liegt auch eine wirtschaftsstrategische Idee. Denn viel und billig – das kann China viel besser. Dumping ist nicht unser Weg. Das ist nicht der Weg für Nordrhein-Westfalen und auch nicht für die Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir wollen hochwertige und innovative Produkte. Dafür brauchen wir faire Marktbedingungen, gute und faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen, hohe Umweltstandards und eine kluge und innovative Umweltschutzpolitik sowie eine effiziente Verwaltung. Genau das ist der Weg, den Nordrhein-Westfalen mit diesem Haushalt geht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Michele Marsching [PIRATEN]: Verhaltener Applaus!)

Ich möchte es am Ende meiner Rede noch einmal erwähnen: In welch schlechtem Zustand die CDU in diesem Landtag ist, wurde in den letzten Tagen eindrucksvoll in der Presse vorgetragen. Da empfiehlt der Kollege Lothar Hegemann dem Spitzenpersonal der CDU eine Imageberatung. Lothar Hegemann als neuer Imageberater der CDU – das hatten wir, ehrlich gesagt, bisher noch nicht auf der Karte,

(Michael Hübner [SPD]: Ui! – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

sondern eher die Selbstinszenierung eines gewissen Jens Spahn, der je nach politischer Richtung auch mal zum Rechtspopulismus neigt und sich als neuer Spitzenmann der NRW-CDU präsentiert.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Muss es euch schlecht gehen!)

Was sollen wir davon halten? Wir könnten ja sagen: Das ist die Posse einer schlingernden Regierungspartei. – Aber hat es damit sein Bewenden? – Leider nein. Was da durch die Medien geistert, hat ernste Folgen. Das sehen wir an diesem abscheulichen Abschiebungspapier, das Sie auf den Tisch gelegt haben.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Michele Marsching [PIRATEN] – Armin Laschet [CDU]: Ach, komm – abscheulich!)

Herr Kollege, ist denn wirklich so viel Druck auf dem Kessel, dass Ihre frostige Weihnachtsbotschaft an die Flüchtlinge nur noch lauten kann: „Hauptsache mehr Abschiebung“? Da muss man doch froh sein, dass die Außentemperatur, Herr Kollege Laschet …

(Armin Laschet [CDU]: Den Spruch habt ihr schon vor einer halben Stunde gebracht! – Lutz Lienenkämper [CDU]: Jetzt muss er noch mal rausgehauen werden!)

– Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin froh, dass sich die Außentemperaturen nicht Ihrer frostigen Politik angepasst haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eigentlich – ich habe es ja am Anfang versucht – wollte ich die CDU an dieser Stelle loben. Ich wollte Sie dafür loben, Herr Kollege Laschet, dass Sie am Wochenende vernünftige Dinge zur Europapolitik gesagt haben. Ich wollte Sie auch dafür loben, dass Sie dem schlimmen Populismus Ihrer Schwesterpartei aus Bayern widerstanden haben. Ich will Sie ausdrücklich einladen, das weiterhin zu tun. Mit diesem Papier legen Sie jetzt allerdings genau das Gegenteil vor.

(Armin Laschet [CDU]: Das stimmt doch nicht! – Klaus Kaiser [CDU]: Ist doch Quatsch!)

Ich frage Sie, Herr Kollege Laschet, wem soll das nutzen? Wen soll das denn stabilisieren? – Das nutzt dem rechten Rand. Die Ernte fahren doch nicht Sie ein – das Original wird die Ernte einfahren. Das hat die CSU in Bayern bei der Europawahl 2014 gesehen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Michele Marsching [PIRATEN] – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich meine in vollem Ernst: Geben Sie Populisten keine Chance! Führen Sie mit uns gemeinsam den Kampf gegen rechts! Ich weiß, dass viele von Ihnen das genauso sehen. Bleiben Sie doch wenigstens an dieser Stelle mal konsequent in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die rot-grüne Koalition legt mit diesem Papier einen anspruchsvollen Haushalt für 2016 vor.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Oh, Gott! – Michele Marsching [PIRATEN]: Ich dachte, das macht die Landesregierung!)

Er setzt klare Schwerpunkte für die Integration von Flüchtlingen, für eine noch bessere und eine zukunftsweisende Bildungspolitik. Wir setzen mit diesem Haushalt unsere kommunalfreundliche Politik fort, wir lassen unsere Kommunen nicht im Regen stehen. Wir werden uns auch auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Kosten der Unterkunft reduziert werden und der Bund hier mehr Verantwortung übernimmt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir setzen auf die richtigen Impulse für mehr Chancengerechtigkeit auf allen politischen Ebenen. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir eine klare Zukunftsstrategie für die Erneuerung und Weiterentwicklung unserer Umwelt- und Wirtschaftspolitik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Ihnen liegt ein Haushalt mit Konzepten und Ideen. Das ist ein weiterer Schritt, um unsere langen ökologischen und sozialen Linien fortzuschreiben. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Marsching das Wort.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht wie andere Redner vor mir – ich weiß, das kann man machen, das ist eine Art, eine Rede zu beginnen – über die verfaulten Rosinen in den anderen Beiträgen sprechen.

Ich glaube, wir sind hier nicht bei einer Steinigung à la Monty Python, sondern wir reden über den Haushalt. Deswegen möchte ich mich vor allen Dingen an diesem Haushaltsentwurf – der Landesregierung übrigens und nicht der Regierungskoalition; aber das, glaube ich, wissen Sie selber, Herr Kollege – abarbeiten.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Auch ich möchte mein finales Statement an den Anfang stellen: Der Haushalt 2016 ist ein Haushalt der verpassten Chancen, und er ist rückwärtsgewandt. Er ist die in Totholz gefasste Verwaltung des reinen Notstands.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir bräuchten Investition, Innovation, Integration. Aber es fehlt der Landesregierung mit diesem Haushalt am politischen Gestaltungswillen. Das spiegelt der Haushaltsentwurf in seiner grassierenden Konzept- und Ideenlosigkeit wider. Sie schaffen es einfach nicht, die geeigneten Rahmenbedingungen für die fundamentalten Umwälzungen der digitalen Revolution zu schaffen.

Ihr Haushaltsentwurf ist durch mangelnde Zukunftsorientierung gekennzeichnet. Die Landesregierung rennt lediglich aktuellen Entwicklungen hinterher, anstatt die Zukunft durch entsprechende Schwerpunktsetzung zu gestalten. Ein klarer Ausdruck dessen ist eine Investitionsquote von nur rund 9 % in diesem Haushalt. Anders ausgedrückt: Nur rund 6 Milliarden € werden bei einem Gesamtvolumen von rund 70 Milliarden € für in die Zukunft gerichtete Investitionen getätigt. 91 % aller im Haushalt 2016 geplanten Ausgaben sind rückwärtsgewandt.

Dabei wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um einen Haushalt vorzustellen, der in die Zukunft gerichtet ist, und zwar ein Haushalt der Investitionen und Innovationen. Unser Land braucht mehr Investitionen, vor allem in die digitale Infrastruktur, und – verstärkter noch – für Ausgaben im Bildungssektor.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben historisch niedrige Zinsen. Das Ganze wäre quasi zum Nulltarif finanzierbar; zusätzliche Staatsausgaben würden wie ein Konjunkturprogramm wirken. Das wiederum würde die staatlichen Einnahmen positiv beeinflussen.

Generationengerechtigkeit wird nicht nur durch staatliche Verschuldung beeinträchtigt. Besonders ungerecht ist es, wenn man nicht in die Zukunft investiert und diese wichtigen Investitionen einfach unterlässt. Diese Landesregierung macht sich der Unterlassung gegenüber kommenden Generationen schuldig.

(Beifall von den PIRATEN)

Die etablierte ökonomische, politische und soziale Struktur ist inkompatibel mit dem Stand der Technologie und den daraus resultierenden gesamtgesellschaftlichen Veränderungen.

Die fortschreitende Digitalisierung führt unter den jetzigen Bedingungen zu einer Verlagerung von Arbeit hin zu Kapital. Ob Roboter oder Algorithmen – immer mehr Arbeitsplätze werden durch die Digitalisierung automatisiert. Weite Teile der sozialen Sicherungssysteme jedoch sind auf dem Stand der 70er-Jahre.

Schon heute ist doch abzusehen, dass in der Phase des Übergangs in die durchdigitalisierte Lebenswirklichkeit mindestens ein Drittel aller herkömmlichen Arbeitsplätze, wie wir sie heute kennen, wegfallen wird. Das betrifft nicht nur Beschäftigungsverhältnisse mit simplen Tätigkeiten, sondern auch Arbeitsplätze von höher und vermeintlich hochqualifizierten Menschen.

Aktuell ist die öffentliche Hand auf die technologischen Umwälzungen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur in Nordrhein-Westfalen, in der Bundesrepublik und in der ganzen Welt überhaupt nicht vorbereitet. Mit dem Einzug der künstlichen Intelligenz in alle Lebensbereiche werden in den nächsten Jahren sämtliche Strukturen der sozialen Sicherungssysteme infrage gestellt.

Die Besteuerung des Faktors „Arbeit“ allein reicht nicht mehr aus, um die benötigten Mittel aufzubringen, eine lebenswerte Welt mit sozialer Teilhabe bis ins hohe Alter zu gewährleisten. Dabei könnten die notwendigen Steuermittel durchaus generiert werden, nämlich dann, wenn wir wieder zum Prinzip der Einheitlichkeit der Besteuerung zurückkehren. Insbesondere die Rücknahme jeglicher Privilegien bei der Besteuerung von Kapitalerträgen und die Bekämpfung der Ausnutzung von Steuervermeidungsstrategien, die den Staat in den Ruin treiben, sind hier zu nennen.

Außerdem müssen wir der steigenden Bedeutung von immateriellen Gütern wie Software, wie digitalen Dienstleistungen im Steuer- und im Sozialsystem Rechnung tragen. Der erste Schritt hin zu einer auskömmlichen Finanzierung der öffentlichen Hand wäre die Abschöpfung einer Digitalisierungsdividende.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir brauchen eine Antwort auf diese Entwicklung, bevor unsere Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, auseinanderbricht.

Auf der einen Seite steht die immer weiter aufgehende Schere bei den Einkommen. Auf der anderen Seite aber wird es in Zukunft darum gehen, wie wir die enormen Effizienzsteigerungen aufgrund der Digitalisierung von Arbeit sinnvoll einsetzen, und zwar zum Wohle aller in dieser Gesellschaft.

Wir wollen diese Digitalisierungsdividende nutzen, um ein sozial gerechtes bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen.

(Beifall von den PIRATEN)

Nur wenn wir entsprechend auf den Wandel reagieren, wird Nordrhein-Westfalen für die Menschen mittel- bis langfristig lebenswert bleiben.

Der Haushalt der Zukunft muss seinen Fokus auf Investition, Innovation und Integration legen.

Reden wir über Investitionen. Wir haben vorhin schon darüber geredet; aber Sie wissen: Es ist eines unserer Hauptthemen. Ich muss es noch einmal ausführen: Schnelles Internet ist heutzutage kein Luxus, sondern es ist die Grundlage für eine moderne, für eine vernetzte Informations- und Wissensgesellschaft.

Die Datenmengen steigen jedes Jahr exponentiell. Nur mit einem Highspeedzugang zum Internet können sich Unternehmen in dieser rasant wachsenden Wirtschaftswelt überhaupt behaupten. Nur mit schnellem Internet können Arbeitnehmer und Selbstständige von zu Hause aus an komplexen Produkten mitarbeiten.

Ein schnelles und ein freies Internet ist die Basis für viele unserer heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozesse. Oder kurz gesagt: Das digitale Zeitalter ist voller Chancen, ist voller Möglichkeiten. Diese müssen wir nutzen. Die Glasfaserrebellion gegen das Vectoring-Imperium hat doch bereits begonnen.

(Beifall von den PIRATEN)

Es gibt nur ein Problem: Wir brauchen dafür eine neue digitale Infrastruktur. In der Erde liegen derzeit noch die alten Kupferkabel. Diese Technologie stammt aus dem 20. Jahrhundert. Wir müssen diese Kabel durch moderne Glasfaserleitungen ersetzen – auch wenn Sie es allmählich nicht mehr hören wollen. Aber wenn wir das zügig und flächendeckend machen, dann wird Nordrhein-Westfalen zur digitalen Spitze gehören. Machen wir das nicht, werden wir abgehängt. So einfach ist das Einmaleins der digitalen Infrastruktur.

Wer meinen Vorrednern zugehört hat und die Stellungnahmen der Landesregierung kennt, der weiß, dass hinter all dieser 4.0-Rhetorik nichts anders steht als das Eingeständnis eines großen Scheiterns. Sie wollen noch jahrelang auf Vectoring setzen, auf eine alte Kupfertechnologie. Ich nenne das einen breitbandpolitischen Offenbarungseid. Weil sich niemand darum kümmert, leben wir in Nordrhein-Westfalen in einer Glasfaserwüste.

(Beifall von den PIRATEN)

Die einzige Ausnahme, die Sie machen, betrifft Gewerbegebiete. Daran zeigt sich doch, wie strukturkonservativ Sie sind. Glauben Sie wirklich, dass das größte Potenzial der Wertschöpfung im digitalen Zeitalter in irgendwelchen altbackenen Gewebegebieten liegt?

Wer es mit einer neuen Gründerkultur wirklich ernst meint, wer es ernst meint mit der Förderung von kreativen Start-ups, wer die Mehrzahl der Handwerksunternehmen, der Dienstleistungsunternehmen ins digitale Zeitalter mitnehmen will, der muss Glasfaserleitungen flächendeckend ausbauen. Wir lassen uns auch nicht von der vermeintlichen Alternativlosigkeit der Landesregierung blenden. Eine bessere Infrastrukturpolitik ist machbar.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich komme zu den Zahlen. Die aktuelle MICUS-Studie hat ausgerechnet: Wir brauchen für ein flächendeckendes Glasfasernetz in Nordrhein-Westfa-len 8,6 Milliarden €. In Wirklichkeit sind es weniger; wir haben schon einen Ausbaustand von 7 %. Dieser wurde nicht eingerechnet; aber wir wollen mal nicht kleinlich sein.

Die Zahl von 8,6 Milliarden € scheint nur auf den ersten Blick groß; denn die neue Technologie hält 20 Jahre oder länger. Wenn ich das auf diesen Zeitraum umrechne, komme ich auf Investitionen von 2 € pro Monat pro Bürger.  – Und Sie sagen, das können wir uns nicht leisten?

Das Ganze ist doch nicht alternativlos. Wenn Privatunternehmen Glasfaser ausbauen – okay. Aber wenn nicht, dann versetzt unser Antrag, 860 Millionen € pro Jahr für den Breitbandausbau in den Haushalt einzustellen, die Kommunen in die Lage, flächendeckend Glasfaser selbst auszubauen und sie dann an die Telekommunikationsunternehmen zu vermieten. Das Geld ist also nicht einmal weg. Es kommt in Form von Pacht- und Mietgebühren wieder herein. Das nennen wir eine sinnvolle Zukunftsinvestition.

(Beifall von den PIRATEN)

Noch schlimmer als die Tatenlosigkeit in diesem Bereich ist es, an der Vectoring-Technologie festzuhalten. Vectoring – ich wiederhole das gerne immer wieder – ist eine Technologie, die nur funktioniert, wenn man den Wettbewerb ausschaltet. Wir denken, dass die Zeit des Post- und des Telefonmonopols vorbei ist. Sie aber bescheren der Telekom hier ein Weihnachtsgeschenk.

Neben der Monopolbildung untergräbt das Vectoring auch noch die wirtschaftliche Tragfähigkeit von all den Initiativen, die sich selbst vor Ort darum kümmern, dass ein Glasfasernetz aufgebaut wird. Wir Piraten setzen auf dezentrale Gigabitnetze mit Glasfaser, und zwar kommunal und in Bürgerhand. Mit uns ist eine Remonopolisierung der Netze einfach nicht zu machen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die digitale Revolution dreht sich aber nicht nur um die technologische Entwicklung, sondern dabei geht es auch um eine gesellschaftliche Entwicklung. Deshalb ist nicht damit getan, dass wir Glasfaser in jedes Haus legen. Auch gesellschaftliche Prozesse brauchen Unterstützung. Wir müssen diese bewusst und planvoll begleiten, sodass alle Menschen davon profitieren können.

Als Allererstes – das wurde vorhin auch schon angesprochen – ist die Bildung zu nennen. In der Bildung müssen wir heute Antworten für das Leben im Morgen finden. Es ist absehbar, dass wir noch viel mehr Wert auf Bildung legen müssen.

In der Arbeitswelt ist die Automatisierung das Thema der digitalen Revolution. Routinetätigkeiten – ich habe das gerade schon einmal gesagt – werden mehr und mehr von Maschinen erledigt. Für Menschen bleiben nur noch die anspruchsvollen Aufgaben. Deshalb sind selbstständiges Handeln, Kreativität und Innovationskraft gefragt, und zwar mehr denn je.

Daher muss die Schulbildung in diesen Bereichen besser werden. Wir müssen alles tun, um den Bildungserfolg der benachteiligten Kinder und Jugendlichen zu fördern. Wir müssen früh ansetzen. Aus diesem Grunde müssen wir die Bedingungen an den Grundschulen in den Blick nehmen, und darum brauchen wir mehr Ganztagsangebote.

Die digitale Revolution stellt die Frage nach dem Leben neu. Was sollte gelernt werden? Wie soll gelernt werden? Die Landesregierung geht diesen Fragen jetzt ein bisschen nach. Wir sind gespannt, welche Antworten Sie mit Ihrem Beteiligungsverfahren „Bildung 4.0“ bekommen und welche Schlüsse Sie daraus ziehen.

Wir möchten Ihnen schon heute einen kurzen Eindruck vermitteln von dem, was wir Piraten in diesem Zusammenhang als notwendig erachten, nämlich die Medienbildung, die informatische Grundbildung und das digitale Lernen.

Medienbildung gewährleistet den kompetenten Umgang mit der allgegenwärtigen vernetzten Kommunikation. Mittlerweile sollte das eigentlich auch allgemein anerkannt sein. Daraus müssen wir aber auch die Konsequenzen ziehen. Wir müssen verbindliche Angebote in der Medienbildung etablieren, und zwar in allen Schulformen.

Dabei ist die Ausbildung von Medienkompetenz nur ein Ziel, aber nicht das einzige. Denn wir müssen die Menschen auch dazu anregen, darüber nachzudenken, wie sie Medien nutzen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Für eine souveräne Nutzung der neuen Medien ist das nicht ausreichend; denn wir müssen on top noch Wege finden, um eine informatische Grundbildung zu entwickeln.

Ohne Kenntnisse der technischen Grundlagen kann man nur wischen und chatten und klicken und shoppen. Aber es geht darum, dass wir junge Menschen in die Lage versetzen, selber kreativ zu werden, selber Angebote zu entwickeln und dass wir ihnen die Chance geben, zu Gestaltern der digitalen Zukunft zu werden, statt konsumgeile Facebook-Opfer zu bleiben.

(Beifall von den PIRATEN)

Auch das Lernen selbst müssen wir dafür weiterentwickeln. Es geht darum, dass digitale Medien sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden. Wenn die Schule von Kindern und Jugendlichen mehr und mehr als Paralleluniversum empfunden wird, dann ist das wenig hilfreich. Wenn diese Kluft zwischen Schule und Lebenswelt der Kinder zu groß ist, ist auch das wenig hilfreich.

Es ist wichtig, dass Schülerinnen und Schüler die neuen Medien als ihre Arbeitsgeräte kennenlernen und ihren Gebrauch praktisch einüben. Dafür müssen wir an den Schulen investieren. Die Schulträger – meistens die Kommunen – brauchen zuverlässige Rahmenbedingungen, um diese Investitionen endlich anzugehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Außerdem müssen wir reden über Open Source Software, über offene Formate, über den Einsatz von Lernmaterialien unter freier Lizenz, denn die sind für das digitale Lernen nun einmal besonders geeignet. Wir sind davon überzeugt, dass wir zu frei lizensierten Lernmitteln wechseln sollten – Open Educational Resources –, und dass die gewaltigen Summen, die Schulträger und Eltern im Moment für Schulbücher aufbringen müssen, anderweitig einfach besser eingesetzt werden können.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Vorteile von OER sind besonders im Bereich der Integration sehr offenkundig. Wir haben einfach keine Zeit mehr, jetzt darauf zu warten, dass irgendwelche Sprachschulbücher entwickelt werden, wenn die offenen Lernmittel in diesem Bereich schon vorhanden sind. Die Flüchtlinge sind jetzt da. Wir brauchen die Lernmittel jetzt und hier und heute.

(Beifall von den PIRATEN)

Wo ich gerade über die Ausgaben für Flüchtlinge und Integration rede: Heute werden für 2016 Ausgaben in Höhe von 4 Milliarden € für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge verabschiedet. Heute beschließen und im nächsten Jahr finanzieren wir dann Maßnahmen wie zum Beispiel ein Städtebau-Sonderprogramm. Wir erhöhen die Pauschale nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz, und wir fördern medizinische, soziale und rechtliche Betreuung von Schutzsuchenden in Nordrhein-Westfalen. Das ist gut. Aber das ist auch schon lange überfällig.

Wir Piraten sind uns sicher: Diese Summe wäre niemals so hoch ausgefallen, wenn Sie sich früher um die Flüchtlingssituation gekümmert hätten. Sie könnten hier eine Fehlerkultur vorleben. Aber die geht dem Innenministerium und der Bezirksregierung in Arnsberg leider ab. Sie könnten hier die Wahrheit sagen. Die Kosten sind doch in dieser Höhe entstanden, weil wir uns jahrelang nicht um die Flüchtlingsaufnahme gekümmert haben. Diese Versäumnisse müssen wir jetzt aufholen.

Es ist doch ganz einfach: Wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, ist es tausendmal schwieriger, es wieder herauszuholen. Außerdem ist das Kind dann meistens tot. Tote Kinder kennen wir ja – aus dem Mittelmeer.

Eine vorausschauende Politik und eine Planung im Bereich der Flüchtlingsaufnahme hat es trotz all unserer Warnungen und trotz aller Hinweise auf die Experten bisher nicht gegeben. Deshalb handelt es sich bei dem Haushalt für das Jahr 2016 um einen Haushalt der Versäumnisse.

Die Kosten für die Amtshilfeersuchen, den Um- und Ausbau der Unterkünfte, die Leihgebühren etwa für Zelte, Container, Hotels, Hostels, die Kosten der Krisenstäbe, der Sitzungen, der Beratungen fallen ungefähr doppelt so hoch aus wie eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme, die wir 2012 gefordert haben.

Sie erzählen uns seit Jahren, froh zu sein, dass die Obdachlosigkeit von Flüchtlingen vermieden werden kann. Aber was ist das für eine Zukunftsvision? Wo sind die Konzepte? Wo sind die Neubauten? Wo ist der versprochene Paradigmenwechsel? Ein paar warme Worte, ein paar unverbindliche Versprechungen aus Ihrem Eckpunktepapier zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen reichen nicht mehr.

Wir können und wollen nicht mehr warten, und wir brauchen auch keine schönen Worte mehr. Die Landesregierung kolportiert in der Presse, sie betreibe in NRW keine Zelte. Aber – Entschuldigung – das ist dreist und einfach lächerlich. Nennen Sie Zirkuszelte jetzt auch „Zirkusleichtbauhallen“?

(Beifall von den PIRATEN)

Es geht es bei der Unterbringung in Zelten doch nicht darum, ob sie einen Sturm aushalten, sondern darum, dass das Leben außerhalb der Feldbetten im Freien stattfindet und man in diesen Zelten nichts hat außer einem Bett und einem Spind. Es gibt keine Privatsphäre. Hygiene findet in Containern statt.

Diesen Zustand müssen Schutzsuchende zum Beispiel in der Zeltstadt in Köln-Chorweiler nicht nur ein paar Tage, sondern teilweise wochenlang ertragen, obwohl immer ein anderes Ziel propagiert wird. Wenn die Menschen dann an die Kommunen weitergeleitet werden, landen sie in der nächsten Zeltstadt – wieder in Zelten oder Turnhallen, unter den gleichen Bedingungen.

Die Kommunen bekommen auch keinerlei Angaben zu den besonderen Bedürfnissen der Flüchtenden – jedes einzelnen Flüchtenden. Es sind zum Teil Kranke, Traumatisierte, Vergewaltigungsopfer, die in die Massenunterkünfte gesteckt werden. Viele Flüchtende sind unter 18. Was ist eigentlich mit den Kinderrechten? Gelten die in Nordrhein-Westfalen nicht mehr?

Meine Damen und Herren, nicht über Standards in Unterkünften zu sprechen, kann daher keine Antwort auf die aktuellen Herausforderungen sein. Nur mit Standards schaffen wir es auf Dauer, die Kosten zu senken, die Menschen human aufzunehmen und sie zu integrieren. Nur mit Standards verhindern wir, dass Folgekosten entstehen; denn die Unterbringung in Massenunterkünften macht auf Dauer krank.

Für Standards wird jedoch nicht gesorgt. Auch zukünftig werden die Kommunen nicht verpflichtet, die auskömmlichen 10.000 € pro Flüchtling und Jahr – die es im nächsten Jahr geben wird – in eine menschenwürdige Unterbringung zu stecken. Als Argument führen sie immer wieder die Konnexität an: Wer bestellt, muss bezahlen.

Ich kann dieses Sprichwort langsam nicht mehr hören. Es fehlt Ihnen der Wille zu einem echten Paradigmenwechsel. Die Mittel im Flüchtlingsaufnahmegesetz für die Sozialbetreuung in den Kommunen sind von 4,5 % auf 3,8 % gesenkt worden.

Ich sehe einen Lichtblick: Mehr als ein Jahr nach der Schande von Burbach bekommt der Flüchtlingsrat endlich mehr Geld. Seit den Vorfällen in Burbach ist der Flüchtlingsrat neben anderen Initiativen aus gutem Grund Dauergast im Innenministerium.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Vorher auch!)

Allein der Mehraufwand, der dadurch entstanden ist, zeigt: Diese Erhöhung kommt mindestens ein Jahr zu spät. Die Flüchtlingszahlen steigen seit Jahren, aber die Gelder für Beratung und Unterstützung stagnieren, obwohl die Arbeit der Initiativen unschätzbar wertvoll ist. An dieser Stelle ein Dankeschön von mir, dass sich die Initiativen, die Ehrenamtler und die Freiwilligen der Bedürfnisse der Schutzsuchenden annehmen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich habe noch einen zweiten Lichtblick gesehen. Es scheint so, dass jetzt das nach Burbach versprochene überregionale Beschwerdemanagement endlich kommt. Im Haushalt werden endlich die Versprechungen umgesetzt, die nach der Schande von Burbach, Bad Berleburg, Essen und Co. ausgesprochen wurden. Wo allerdings das Beschwerdemanagement genau im Haushalt etatisiert ist und wie konkret es ausgestaltet werden soll, steht leider nirgendwo.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Das gibt es längst in jeder Landeseinrichtung! Keine Ahnung!)

Ich kann nur hoffen, dass der Flüchtlingsrat das nicht auch noch aus seinen jetzt gestiegenen Mitteln mitfinanzieren muss.

Deshalb haben wir einen Änderungsantrag in die Haushaltsberatungen eingebracht, mit dem sichergestellt würde, dass ein überregionales Beschwerdemanagement auch die Mittel bekommt, die es für diese wichtige Aufgabe braucht.

Das Beschwerdemanagement sollte insbesondere strukturelle Mängel in Unterkünften identifizieren und für nachhaltige Besserung sorgen. Gut mit Personal ausgestattet, könnte dann dieses Beschwerdemanagement sogar Ansprechpartner für Helferinnen und Helfer sein.

Was Ihnen, liebe Landesregierung, anscheinend endlich klar geworden ist: Wir brauchen mehr Vernetzung. Erfahrungswissen, Best-Practice-Beispiele aus den Kommunen sollten an zentraler Stelle gesammelt und ausgetauscht werden, zum Beispiel durch ein moderiertes Flüchtlingsforum. Dort könnten Fragen professionell beantwortet und für die Aktiven in ganz Nordrhein-Westfalen der Austausch ermöglicht werden.

Es wird auch Zeit, dass die Landesregierung endlich einen Leitfaden oder eine Handlungsempfehlung für die humane Unterbringung in Flüchtlingsunterkünften in den Kommunen herausgibt. Es wird Zeit, dass diese Eckpunkte auch in den eigenen Aufnahmeeinrichtungen umgesetzt und an die Kommunen weitergeleitet werden.

Und es wird außerdem Zeit, dass die Kommunen, die humane Konzepte der Flüchtlingsunterbringung verfolgen, belohnt werden, statt ihnen dieselben Zuwendungen zukommen zu lassen wie den Kommunen, die sich durch ihre Form der Unterbringung eher Schimmelpreise verdient hätten.

(Beifall von den PIRATEN)

Leider haben Sie alle Haushaltsänderungsanträge, die eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme fördern würden, abgelehnt. Stattdessen erhöhen Sie einfach den Titel für Rückführungen auf insgesamt 17,9 Millionen €.

Ich habe eine Zahl für Sie. Wussten Sie, dass die Lebenserwartung von Roma in den Westbalkanländern bei 39,02 Jahren liegt? Ich behaupte, Sie nehmen hier sehenden Auges Menschenrechtsverletzungen, wenn nicht sogar noch mehr, in Kauf.

Für das nächste Jahr planen Sie Massenabschiebungen. Dennoch speisen Sie den Posten „Abschiebebeobachtung“ mit 30.000 € für das ganze Jahr ab. Dabei bräuchten wir mehr denn je die Kontrolle von Abschiebungen. Meine Damen und Herren von den Grünen, wo finde ich Spuren von grüner Flüchtlingspolitik im Haushalt?

Ich gebe zu: Die Frage kann man rhetorisch verstehen. Ich persönlich sehe keine grüne Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen mehr – und das seit Jahren. Und wenn ich mir die heutige Aussage Ihrer flüchtlingspolitischen Sprecherin im Bund anhöre, dann sehe ich überhaupt keine grüne Flüchtlingspolitik mehr. Jetzt stimmen Sie sogar Hotspots zu. Für mich ist das Verrat an Ihren eigenen Werten.

(Beifall von den PIRATEN)

Flüchtlinge waren in NRW schon immer schlecht untergebracht. Teilweise durften sie laut Gesetz nicht integriert werden. Sie sollten laut Gesetz in Massenunterkünften leben – Abschreckung statt Aufnahme. Aber das hat die Probleme nur verschärft. Die alten Flüchtlinge sind nämlich noch da, und jetzt haben Sie keinen Platz für die neuen Flüchtenden. Dass man so wenig wie möglich für die Flüchtlingsaufnahme getan hat, rächt sich dann, wenn die Flüchtlingszahlen steigen.

Diskriminierende Gesetze und die Sonderbehandlung von geflüchteten Menschen haben den Umstand befördert, dass Teile der Bevölkerung Flüchtlinge und Hilfesuchende als Menschen zweiter Klasse wahrnehmen. Flüchtlingsfeindliche Straftaten in Nordrhein-Westfalen befinden sich nicht nur deshalb qualitativ und quantitativ auf einem erschreckend hohen Niveau.

Auch zu diesem wichtigen Thema haben wir Vorschläge unterbreitet. Diese haben Sie ohne Erklärung einfach abgelehnt.

Meine Damen und Herren, die Hürden bei der Integration müssen abgebaut und dürfen nicht aufgebaut werden. An dieser Aufgabe muss auch fiskalisch gearbeitet werden, im Haushalt gearbeitet werden, gerade aufgrund der Herausforderung durch die aktuell steigenden Flüchtlingszahlen.

Wir wollen Menschen, die zu uns nach Nordrhein-Westfalen geflüchtet sind, willkommen heißen. Wir wollen sie in die Lage versetzen, ihren Weg in unsere Gesellschaft zu finden. Diese Gesellschaft – das bekräftigen wir hier im Hause immer wieder – soll eine freie und offene Gesellschaft sein.

Leider spricht Ihr Handeln, spricht Ihre Politik eine andere Sprache. In der Resolution aus dem letzten Plenum nach den Anschlägen in Paris fordern Sie hier versammelt de facto den völkerrechtswidrigen Kriegseinsatz in Syrien. Aber mit der Forderung nach Gewalt kommen wir nicht weiter. Wenn wir Frieden fordern, dann müssen unsere Handlungen und unsere Forderungen das auch widerspiegeln.

In dieser Resolution führen Sie allen Ernstes aus – Zitat –:

„Wir fordern alle demokratischen Kräfte auf, für unsere offene und freiheitliche Gesellschaft einzustehen und mit Besonnenheit und rechtsstaatlicher Entschlossenheit zu handeln.“

Wie sehen Besonnenheit und rechtsstaatliche Entschlossenheit bei Ihnen aus? Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, Ihr Genosse Lischka aus dem Bund hat sich dahin gehend besonders besonnen aus dem Fenster gelehnt: Er möchte erweiterte Überwachungsmöglichkeiten in der Terrorabwehr, er möchte mehr Befugnisse für diesen undurchsichtigen Verfassungsschutz, und – da packe ich mir wirklich an den Kopf – er fordert Drohnenüberwachung für Terrorverdächtige.

Ich glaube, wenn es nach dem Kollegen Lischka ginge, könnten wir die Drohnen auch direkt bewaffnen wie in Pakistan. Dann können sie auch direkt vom Militär in Ramstein geflogen werden. Das wäre wenigstens ehrlich. Dann würden wir uns wenigstens einmal so fühlen wie die Menschen in den Ländern, aus denen aufgrund von Drohnenkrieg, von Krieg und Gewalt geflohen wird.

Aber wir müssen gar nicht zum Innenexperten der SPD schauen, um zu sehen, wes Geistes Kind manche Forderungen sind. Und Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, machen da leider auch noch mit. In diesem Jahr hat Nordrhein-Westfalen einem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung im Bundesrat zugestimmt. Nicht einmal enthalten hat sich Nordrhein-Westfalen. Nicht einmal enthalten haben sich die Grünen. Ich gehe davon aus, dass ich einige von Ihnen bei der Verfassungsklage wiedersehen werde, die erfolgreich enden wird. Zuzutrauen wäre es Ihnen auf jeden Fall, erst zuzustimmen und dann dagegen zu klagen.

Erneut erhöhen Sie den Etat für Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen – sprich: für Abfragen von Vorratsdaten, von Funkzellen, für stille SMS. Sie bescheren uns damit den dauerhaften Ausnahmezustand auf Kosten unserer Grundrechte, und Sie stellen damit die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten werden nicht müde, Ihnen Alternativen ans Herz zu legen. Deswegen haben wir eine alternative Resolution vorgelegt. Darüber hinaus haben wir Haushaltsänderungsanträge vorgelegt, die unsere Vision darlegen. Investieren Sie in eine Polizeiarbeit, die grundrechtsbewusst, faktenbasiert und verhältnismäßig ist; denn mehr und mehr Überwachung, mehr und mehr Repression hilft nicht, sondern wirkt nur als Brandbeschleuniger. Die Radikalisierten fühlen sich bestärkt in ihrer Andersartigkeit, fühlen sich als Opfer eines unterdrückenden, nicht rechtsstaatlich agierenden Staates.

Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Gelb-Magenta, wie ich gerade gehört habe, bis Grün geben den Behauptungen dieser Rattenfänger mit Ihren Forderungen auch noch recht.

(Beifall von den PIRATEN)

Erinnern wir uns: Die CDU rief mit einem Antrag vor zwei Wochen sogar offen zum Verfassungsbruch auf. Sie haben gefordert, dass Kommunikationsinhalte überwacht werden. Oder die FDP, die jetzt nach ihrem magentafarbenen Total Makeover der CDU bei Law and Order den Rang ablaufen will! Hier erinnere ich nur an die Diskussion zur Schleierfahndung oder an das Vorhaben gegen Salafisten im Innenausschuss.

Herr Lindner, Sie fragen: Wer möchte hier behaupten, die Sicherheitslage hätte sich seit Paris nicht verändert? – Ich tue das, und ich tue das auch ganz offen. Die Sicherheitslage verändert sich nicht nach einem Anschlag, sondern die Sicherheitslage verändert sich immer durch die Reaktion auf einen Anschlag.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, wir Piraten fordern Sie auf: Besinnen Sie sich eines Besseren.

Wie fragil unsere Demokratie ist und wie wichtig es ist, die Freiheitsrechte hochzuhalten, sehen wir doch in Frankreich. Statt einer Erklärung zitiere ich hier lieber einen viel beachteten Tweet – für diejenigen, die es nicht wissen: einen Beitrag bei Twitter –:

„Liebe Politiker. Schaut ihr euch Frankreich an? So schnell kanns gehen, dass eine rechtsradikale Partei Zugriff auf Vorratsdaten bekommt.“

Wohlgemerkt: Dieser Tweet wurde nach dem ersten Wahlgang in Frankreich versendet. Aber mir wird angst und bange, wenn ich gestern die Nachricht lese, dass die Bayerische Landesregierung erwägt, Vorratsdaten für den dortigen Verfassungsschutz zu erheben. Noch einmal: So schnell kann es gehen, dass Rechtspopulisten an die Vorratsdaten kommen.

Was wir brauchen, ist eine gut ausgestattete, eine hochwertige und vor allen Dingen eine verdachtsbezogene Polizeiarbeit. Diese müssen wir fördern. Das haben wir in unserer Resolution noch einmal deutlich gemacht. Unabhängige Forschungsgruppen müssen analysieren, welche Schwachstellen die Sicherheitsarchitektur in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland, in Europa hat.

Einige Täter in Paris waren bereits polizeibekannt und standen in einer der sogenannten Terrordateien. Aber diese Dateien sind doch leider inzwischen in der Regel so überfüllt mit unbescholtenen Bürgern, die einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren, dass man die Nadel im Heuhaufen nicht mehr findet.

Diese Überwachungsinstrumente und diese Datenbanken gilt es doch kritisch zu hinterfragen. Dazu haben wir Anträge eingebracht. Setzen Sie eine unabhängige wissenschaftliche Forschungsgruppe darauf an, unsere Sicherheitsarchitektur zu überprüfen!

Warum sind die Täter der Terroranschläge in der Regel bereits polizeibekannt? An welcher Stelle verlieren wir sie? Wo verschwinden sie vom Radar? An welchen Stellen müssen wir mit rechtsstaatlichen Mitteln nachjustieren? Die Polizei soll sich nicht selber prüfen. Wir brauchen unabhängige Forschung.

Natürlich wollen Polizeigewerkschaften und Sicherheitslobbyisten immer mehr, mehr und noch mehr Befugnisse und Instrumente. Aber viel hilft nun einmal nicht viel. Die wenigen unabhängigen Forschungsprojekte zeichnen ein enttäuschendes Bild aller dieser Maßnahmen.

Herr Minister Jäger, Sie befürworten diese Praktiken auf Kosten unserer Grundrechte, auf Kosten von Haushaltsmitteln, die man an anderer Stelle – zum Beispiel bei präventiver Arbeit an Schulen, in der Kultur, in schwierigen Stadtteilen – wirklich besser verwenden könnte, und zuletzt auf Kosten solider, guter Polizeiarbeit. Ich wiederhole noch einmal: Wir sind für eine grundrechtsbewusste, für eine faktenbasierte und verhältnismäßige Polizeiarbeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir sind nicht für undurchsichtige Geheimdienste, für Massenüberwachung und für Repressionen, die Radikalisierungstendenzen sogar noch verstärken.

Im Übrigen brauchen wir auch endlich genug Ressourcen für die Landesdatenschutzbeauftragte; denn dieser fehlen Mitarbeiter, um lange liegen gebliebene Überprüfungen vorzunehmen, zum Beispiel die der angesprochenen Datenbanken.

Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht: Wenn wir diese Verbunddateien wollen – davon haben wir inzwischen einige –, dann müssen wir auch ausreichend Ressourcen zur Verfügung stellen, damit datenschutzrechtlich überprüft werden kann. Da hilft es nicht weiter, wenn wir zehn neue Stellen zur Umsetzung der heute beschlossenen EU-Datenschutzreform schaffen. Das sind Tropfen auf den heißen Stein. Und das wird die haushalterische Untätigkeit nicht ausbügeln können.

Noch ein Letztes zur Prävention: Ich habe gerade von der Prävention durch Kultur gesprochen. Ich möchte noch einmal darauf eingehen, warum wir mit unseren Anträgen die Verdoppelung wichtiger Titel im Kulturhaushalt fordern. Wir Piraten wollen ganz deutlich machen, dass Kultur, dass Bildung, dass Begegnung im kulturellen Möglichkeitsraum, nämlich da, wo Neues, wo Fremdes als positiv und erfrischend betrachtet wird, ganz wichtige präventive Maßnahmen sind – gegen Faschismus, gegen Extremismus und gegen Terror.

Über Musik, über Kunst, über Kultur tauschen sich Menschen einfach schneller aus als in politischen Debatten. Das liegt auch daran, dass im kulturellen Raum eine gewisse Unbeschwertheit herrscht, die es in der Politik – das sehen wir hier tagtäglich – nicht wirklich gibt.

In der Kultur kann etwas mehrdeutig sein. Es muss nicht gleich weiß oder schwarz sein. Kultur und Kunst leben von den Graustufen, dem Regenbogen zwischen dem Entweder und dem Oder.

Diese Tatsache hat die Regierung in Italien verstanden. Sie will diese Möglichkeit jetzt zur Terrorbekämpfung einsetzen. Dort soll eine zusätzliche Milliarde Euro für Kultur und kulturelle Bildung ausgegeben werden. Auch wenn die Ausführung dieses italienischen Konzepts mit dem Titel „Kultur gegen Terror“ noch nicht optimal ist: die Idee an sich ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Denn eines müssen wir feststellen: Die Morde vom 13. November 2015 waren auf den kulturellen Möglichkeitsraum konzentriert. Unbeschwerte Menschen, die im Nachtleben und auf kulturellen Veranstaltungen unterwegs waren, wurden angegriffen und ermordet. Unsere demokratische, unsere vielfältige, unsere aufgeklärte Gesellschaft wurde im Kern getroffen. Unsere Antwort muss daher sein, mehr von diesem Kern zu schaffen, damit sich mehr Menschen diese Unbeschwertheit und die Früchte unserer Kultur leisten können, damit das für mehr Menschen zugänglich wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Über Zugang und Teilhabe sichert man Menschenleben – Leben, Lebensfreude und Lebensläufe jenseits von Taschengeldern, von ALG-II-Sätzen oder beruflichen Werdegängen. Teilhabe beugt Furcht vor – Furcht, die jetzt schon zu Wut und zu Hass geführt wird, und Hass, der in Deutschland schon einmal zu unsäglichem Leid geführt hat.

Dieser Hass führt weltweit akut zu so viel Leid, dass Millionen und Abermillionen Menschen auf der Flucht sind. Daher müssen wir jetzt zeigen, wie diese Katastrophe abgewendet werden kann, auch wenn es nur in letzter Minute geschieht. Es ist möglich. Im Angesicht einer drohenden globalen Katastrophe ist es möglich, da aufzustocken, wo Zivilisation, wo Verständigung, wo Demokratie zu Hause sind – und das zu einem vergleichbar günstigen Preis.

Unsere Forderungen im Kulturhaushalt sind ein vergleichsweise kleiner Posten im Gesamthaushalt. Aber diese Mittel wären wirklich gut angelegt. Wir sind es den Menschen in unserem Land schuldig, mehr präventive Maßnahmen zu ergreifen, statt nur noch mehr Geld für Geheimdienste, Armee, Polizei und Waffen auszugeben.

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt unsere Lösungsansätze für diesen Haushalt zusammengefasst und skizziert. Ihrem Haushalt mangelt es an Investition, an Innovation, an Integration. Aber das sind die Säulen der Zukunft dieses Landes. Daher wird es die Menschen in Nordrhein-Westfalen nicht verwundern, wenn wir dem Haushaltsentwurf der Landesregierung nicht zustimmen.

Unsere konstruktiven Haushaltsänderungsanträge sind allesamt in herablassender Weise von Ihnen abgelehnt worden, obwohl selten zuvor in einem Haushalt einmal so viel Kapital zur Verfügung stand, um endlich einmal ernsthaft eine Politik der ausgestreckten Hand in Erwägung zu ziehen, die Sie hier immer wieder propagiert haben. Umso entlarvender ist das destruktive Verhalten der regierungstragenden Fraktionen in den Haushaltsberatungen gewesen. – Danke für nichts.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Walter-Borjans das Wort.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich an den Anfang die Genugtuung darüber stellen, dass hier alle, zumindest rhetorisch, deutlich gemacht haben: Wir sind in einer außergewöhnlichen Situation, was die Aufstellung und auch das Management eines Haushalts angeht.

Wir stehen vor einer Herausforderung, die sicher nicht nur eine Herausforderung für den nordrhein-westfälischen Haushalt und die Finanzlage Nordrhein-Westfalens ist, sondern eine Herausforderung, die Nordrhein-Westfalen, Deutschland, Europa und möglicherweise die Welt verändert, bei der eine Menge zu tun ist und die vor allem teuer wird.

Da ist aber dann die Übereinstimmung schon zu Ende. Denn das, was ich heute gehört habe, teilt dieses Haus in zwei Teile. Zwei Welten prallen da aufeinander.

Auf der einen Seite stellen sich die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen den Herausforderungen, die aus der Feststellung erwachsen, die ich eben gemacht habe und die wir gemeinsam gemacht haben. Wir stehen dazu, dass wir einen Haushalt dann solide aufgestellt haben, wenn er sowohl solide Ausgaben als auch solide Einnahmen beinhaltet. Der Haushalt, der sich nur dadurch auszeichnet, dass man kürzt und streicht, ist nicht solide. Das hat auch nichts mit Sparen zu tun.

(Beifall von der SPD)

Die andere Welt, die dem gegenübersteht – es tut mir leid, das sagen zu müssen –, ist Opposition light. Das ist die Teilnahme von der beheizten Tribüne, regensicher untergebracht

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

und mit schönen Hinweisen dazu, wie auf dem Spielfeld agiert werden soll.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das ist unsere Aufgabe!)

– So ist das auf der Tribüne. Die rufen auch immer.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das ist unsere Aufgabe!)

Das ist also der beste Beweis dafür.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Falls Sie Interesse haben, sich auf die Rednerliste setzen zu lassen, dann ist das kein Problem. Ich glaube, die Zeit ist aber abgelaufen. Das wäre das einzige Problem.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Auf der einen Seite steht zweifellos ein ausgewogener Umgang mit einer guten Konjunkturlage, und zwar für zweierlei, nämlich für eine nachhaltige Senkung der Kreditaufnahme und gleichzeitig die Sicherstellung, dass die Aufgaben weiter erledigt werden können. Es geht nicht, dass man auf der einen Seite vom Sparen redet und den Menschen mit diesem positiv besetzten Begriff etwas vorgaukelt und auf der anderen Seite ein vollkommen konzeptloses Streichen und Kürzen meint, zu dem man nicht einmal steht, wenn es darum geht, selbst zu sagen, wo das im Einzelnen der Fall sein soll.

Weil es da mit Sicherheit auch wieder Unmutsäußerungen der Opposition gibt, bringe ich einfach einmal ein paar Beispiele. Ist es nicht seltsam, dass Ihre Sparbeiträge alle glatte Zehnermillionensummen sind, weil sie ja ganz differenziert errechnet worden sind?

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie schlagen vor – das sei kein Problem –, 30 Millionen € zu kürzen, und zwar in allen Einzelplänen. Warum? Weil man jährlich 2 % der Ausgaben für Personal einsparen könne; das Ganze werde durch eine produktivere Leistungserbringung aufgefangen. Wir können den Beamtinnen und Beamten der Landesverwaltung ja einmal erzählen, dass sie eigentlich alle noch eine Menge mehr herauspressen könnten, weil das automatisch dazu führt, 30 Millionen € einzusparen.

(Ralf Witzel [FDP]: Die freuen sich über Bürokratieabbau!)

Dann haben wir weitere gute, produktive Vorschläge. Ebenfalls in allen Einzelplänen kann man 50 Millionen € einsparen, wenn man einfach ein paar Standards senkt. Welche Standards das sind, sollten Sie uns, bitte schön, mitteilen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das führt zu der Summe von 50 Millionen €.

(Christian Lindner [FDP]: LPVG! Personalvertretung!)

Aber jetzt kommt das Schönste. Das ist ja das Hobby von Herrn Witzel. Er kann 10 Millionen € einsparen, weil er Portigon-Mitarbeiter in die Landesverwaltung holt.

(Christian Lindner [FDP]: So ist es! – Ralf Witzel [FDP]: Richtig!)

Jetzt muss man wissen: 10 Millionen € im Landeshaushalt sind ungefähr 200 Stellen. Die Portigon hat aber Ende 2016 noch 174 Stellen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das ist ähnlich wie mit dem Bus, aus dem, wenn noch zehn Personen drin sitzen, 15 aussteigen können; und wenn hinterher fünf wieder einsteigen, ist der Bus leer.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das macht Herr Witzel mit der Portigon. Das Schönste ist: Die Portigon steht nicht unter der Fuchtel eines Landeshaushaltsgesetzgebers oder eines Finanzministers, sodass man den Menschen, die dort arbeiten, einfach sagen könnte: Ihr habt morgen euren Dienst in der Landesverwaltung anzutreten.

Diese Qualität von Vorschlägen macht einen wirklich ganz nervös, wenn man das liest, weil man sich immer wieder sagen muss: Mensch, warum bist du eigentlich vorher nicht auf solche Dinge gekommen? Wir hätten ja Milliarden mit einem Streich einsparen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: So ist es!)

Sie können bei den sächlichen Verwaltungsausgaben 60 Millionen € mit einem Schlag streichen, weil Sie sie um 1 % senken. Im Übrigen schreiben Sie selber darunter: inklusive der Zinsen. – Die Zinsen senkt man nicht durch Haushaltsbeschluss im Landtag. Vielmehr haben sie etwas mit dem Kapitalmarkt zu tun.

Dann finde ich sehr interessant, dass 50 Millionen € durch ein verbessertes Einkaufsmanagement eingespart werden können. Gerade in diesem Bereich ist die Landesverwaltung von Nordrhein-Westfalen vorne unter den Ländern.

Dann kommt noch richtig etwas. Da kann man sich noch einmal etwas genehmigen. 135 Millionen € – das hat Herr Mostofizadeh schon angesprochen – kann man sparen, indem man einfach 3 % der Bilanzsumme der Landesbetriebe als Einsparpotenzial darstellt und meint, damit habe man doch schon etwas erreicht.

Dann kommt natürlich – das darf bei der FDP ja nicht fehlen – die Entfesselung der Marktkräfte.

(Beifall von der FDP – Christian Lindner [FDP]: Richtig!)

Sie führt sofort dazu, dass 25 Millionen € zusätzlich reinkommen.

(Christian Lindner [FDP]: Minimum! Mehr!)

Stellen Sie doch einfach den Antrag, dass wir Geld drucken! Der ist nicht weniger seriös als das, was Sie ansonsten beantragt haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei diesem vielen Geld, das Sie jetzt mit wenigen Federstrichen eingespart haben, wissen wir natürlich auch sofort, was damit anzufangen ist – nämlich gar nicht Schulden senken; denn jetzt kommen die Ideen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Da hat die CDU 5 Millionen € für Dienst- und Schutzkleidung bei der Polizei. Sie hat 50 Millionen € für die Zuweisungen an Gemeinden.

(Zuruf von der FDP: Richtig!)

Sie hat 17,1 Millionen € für die Qualifizierung frühkindlicher Bildung. Das geht mit weiteren Ansätzen so weiter.

(Christian Lindner [FDP]: Das wäre ein guter Haushalt!)

Dann fragt man sich: Was ist da eigentlich passiert, dass auf einmal die CDU diese Verstärkungen der frühkindlichen Bildung fordert? Dann erinnert man sich daran, dass am vergangenen Sonntag in der „WELT am SONNTAG“ ein Artikel von Herrn Stoldt gestanden hat. Ich darf daraus zitieren:

„Kaum hatte Rot-Grün beschlossen, zugunsten der Kitas 430 Millionen Euro zu investieren, schimpfte die Opposition, bei diesen Millionen handle es sich doch nur um vom Bund weitergeleitetes Geld.“

Herr Möbius hat das eben noch einmal bestätigt.

„Außerdem komme es zu spät. Und zu wenig sei es auch. Das mag richtig sein. Verlangt allerdings beim Publikum nach totaler Amnesie.“

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

„Schließlich waren es CDU und FDP, die 2008 unter dem damaligen Familienminister und heutigen CDU-Chef Armin Laschet die Misere erst auslösten. Sie führten die jährliche Steigerung der Pauschalen um nur 1,5 Prozent ein, obwohl schon damals Fachleute warnten, damit kämen die Träger niemals aus. Und es waren CDU und FDP, die den viel zu niedrigen Personalschlüssel in Kitas fixierten, den Rot-Grün nun mühsam zu verbessern sucht.“

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

„Man hätte sich damals auch gewünscht, dass Schwarz-Gelb das vom Bund kommende Geld komplett an die Kitas weiterleitet – so wie heute Rot-Grün.“

(Armin Laschet [CDU]: Lesen Sie das „Wort zum Sonntag“ vor?)

„Und selbstredend investierten CDU und FDP damals keinen Cent aus dem eigenen Haushalt in die Kitas …“

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im Zweifel müsste das für Sie doch überzeugender sein, als wenn ich Ihnen das sage. Ich meine, Herr Stoldt ist nicht gerade eine Vorfeldorganisation des sozialdemokratischen Finanzministers; das kann man doch wohl sagen.

(Christian Lindner [FDP]: Was ist denn Ihre Vorbildorganisation? Die DDR?)

Sie haben ja auch direkt eine Idee, wie Sie noch weiter zu Geld kommen, damit sich das im Kitabereich für junge Eltern nicht zu günstig entwickelt; denn Sie wollen sofort wieder 162 Millionen € einnehmen bzw. die Ausgaben senken, indem die Eltern die Kindergartenbeiträge wieder selber bezahlen, flankiert von der FDP, die noch einmal die Studiengebühren verlangt. Dazu sage ich Ihnen: Mein Verständnis von Einnahmenerzielung ist ein anderes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte es nicht von Studierenden, nicht von jungen Eltern, ich möchte es von denen, die durch Steuertricks Milliarden aus diesem Land herausschleppen und dann fordern und sagen, was wir zu tun haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

– Sie können Ihre Flegeleien sein lassen. Machen Sie doch einfach Gebrauch davon, vom Pult zu reden, wenn Sie noch Zeit dafür übrig haben.

(Christian Lindner [FDP]: Ich werde mir Zwischenrufe nicht verbieten lassen! – Lutz Lienenkämper [CDU]: Wie gehen Sie hier mit den Abgeordneten um? – Weitere lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP – Lebhafte Gegenrufe von der SPD und den GRÜNEN)

Das, was Sie hier vortragen, kann man auch als Motto dieser Opposition so benennen: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Wir sollten angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, weil Menschen in Not Zuflucht im Land Nordrhein-Westfalen suchen, auch von einer Opposition mehr erwarten können, als dass sie mäandert zwischen dem Laschet, den wir mal als einen Integrationsminister kannten, bei dem der eine Sozialdemokrat oder die andere Sozialdemokratin gesagt hat: „Der bürstet auch mal quer in der CDU und hat seine Positionen“, und der Weinkönigin aus dem südlich benachbarten Rheinland-Pfalz,

(Heiterkeit von der CDU und der FDP)

die jetzt unglaublich oft durchklingt und offenbar an einer anderen Seite fischt.

(Armin Laschet [CDU]: Sie meinen wohl die Ministerpräsidentin!)

Wegen besserer Umfrageergebnisse kommt man dann auf die Idee, dass man vielleicht ein bisschen umschwenken muss. Ich sage Ihnen eines voraus: Das eine und das andere zusammenzupacken, ist am Schluss ziemlich unglaubwürdig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Das Ganze wird dann garniert von den hier auch wieder hörbaren Äußerungen von Herrn Lindner, der sich offenbar im Gebrauchtwagengewerbe sehr gut auskennt und sehr zu Hause fühlt, obwohl er einer ist, vor dem ich immer diejenigen, die unbedarft sind und ein gebrauchtes Auto kaufen wollen, warnen würde: Polierter Lack wie aus dem Ei gepellt, laute Hupe, aber abgefahrene Reifen, und mit dem Motor ist es auch nicht so richtig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie beide, Herr Laschet und Herr Lindner, mit Beispielen kommen, dann muss man auch ein bisschen aufpassen.

(Christian Lindner [FDP]: Ja, ja, ja!)

Herr Lindner, Sie kommen mit Gutachten zu Grabsteinen. Wenn Sie genau hingucken, werden Sie feststellen, dass wir sicherstellen wollen, dass sie nicht von Kindern in anderen Teilen der Welt produziert werden. Wenn Sie das nicht interessiert,

(Christian Lindner [FDP]: Tariftreue- und Vergabegesetz!)

können Sie das sagen; dann ist das in Ordnung.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Laschet, wenn Sie die Meyer-Werft erwähnen, dann hätten Sie vielleicht auch einmal sagen sollen, dass die Meyer-Werft ihren Sitz gerade nach Luxemburg verlegt hat. Und warum? Weil sie dann im Aufsichtsrat keine Arbeitnehmer aufnehmen muss. Das sind ja alles wunderschöne Dinge. In ihrer politischen Bewertung haben die Niedersachsen eine andere Haltung dazu, als das wie hier als musterknabenhaft darzustellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Armin Laschet [CDU]: Doch nicht die Werft! – Zurufe von Lutz Lienenkämper [CDU] und Christian Möbius [CDU])

Ich finde es wichtig, uns hier einmal darauf zu verständigen, dass wir angesichts der vor uns stehenden Herausforderungen gemeinsam dafür zu arbeiten haben und vor allen Dingen auch nach draußen gemeinsam zu signalisieren haben, dass wir für eine gelingende Integration die richtigen Weichen stellen.

Das wird teuer. Ich gehöre selbst nicht zu denen, die sich da sehr naiv dem Ganzen stellen und sagen: Das wird sich schon irgendwie einrenken. – Ich würde auch nicht einfach sagen: Wir schaffen das. – Vielmehr glaube ich, dass man es nur schafft, wenn man daran arbeitet, wenn man dafür investiert. Dann kann es eine große Chance sein, dass es gelingt, und zwar zum Nutzen derer, die hierher kommen und Schutz suchen, und auch zu dem Nutzen derer, die hier schon leben. Die muss man in der Haushaltsplanung auch weiter mit im Blick halten.

Wir haben in den letzten Jahren dafür enorme Voraussetzungen geschaffen. Das gehört zwar nicht zu Ihrem Blick auf die Realitäten. Aber daran muss man Sie hin und wieder einmal erinnern. Wir haben seit fünf Jahren eine kontinuierliche Rückführung der strukturellen Kreditaufnahme. Das hat es über einen solchen Zeitraum noch nicht gegeben. Wir haben die niedrigste Kreditfinanzierungsquote seit Jahrzehnten. Es hat nie einen kleineren Anteil von nur 2,9 Cent pro ausgegebenem Euro gegeben, als das jetzt der Fall ist. Das sind natürlich große Zahlen, wenn man es auf alles umrechnet, weil Nordrhein-Westfalen ein großes Land ist und nach dem Bund den zweitgrößten Haushalt von allen – Bund, Ländern und Gemeinden – hat.

Wir haben eine umsichtige Planung, die dazu führt, dass wir dieses Ziel nicht aus dem Auge lassen wollen – auch angesichts der großen Probleme. Aber ich sage Ihnen genauso deutlich – das ist auch mehrfach gesagt worden –: Dabei muss eine Rolle spielen, dass die Konjunktur gut läuft. Dabei muss eine Rolle spielen, dass es irgendwann auch eine abschätzbare Entwicklung der Zuwanderung von Flüchtlingen gibt. Und es muss vor allen Dingen eine Rolle spielen, dass der Bund sich nicht für einen nennenswerten Anteil, den er mitbezahlt, loben lässt, wenn der im Hinblick auf das, was an Kosten aufkommt, immer kleiner wird.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr einen Anteil an Zinsbelastungen am Haushalt – ich habe das beim letzten Mal schon gesagt – von unter 5 %. Im Jahr 2010 war Nordrhein-Westfalen mit seiner Zinsquote die Nummer zwölf unter den Bundesländern, jetzt ist unser Land die Nummer sieben.

Es liegt ein Nachhaltigkeitsbericht vor, der 2010 der Landesregierung bescheinigt hat, dass 2020 noch mit etwa 7 Milliarden € Kreditaufnahme zu rechnen ist. Unter Anlegung derselben Kriterien sagt der Nachhaltigkeitsbericht heute, dass im Jahr 2020 mit 200 Millionen € Tilgung zu rechnen ist.

Heute erschien im Übrigen in der „Welt“ ein Länderfinanzbenchmarking von PwC, in dem die einzelnen Länder aufgelistet sind. Daraus ist zu ersehen, wie hoch eigentlich im Rahmen einer Standardprojektion der Sparbedarf von 2015 bis 2020 ist: Wie viel muss da im Normalfall noch eingespart werden? Und wieviel muss noch eingespart werden, wenn es schlechtere wirtschaftliche Entwicklungen gibt?

Wenn es normal läuft, dann müssen das Saarland, Sachsen-Anhalt, Bremen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen besonders einsparen – einige davon trotz ausgeglichenen Haushalts. Es ist so, dass viele Länder nicht deshalb einen ausgeglichenen Haushalt haben, weil sie so ganz toll wirtschaften, sondern deshalb – das vergessen Sie dabei immer –, weil ein Drittel ihrer Haushaltsmittel aus Zuschüssen stammt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn man eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung unterstellt, dann müssen auch noch Brandenburg und Hessen zusätzliche Sparanstrengungen unternehmen.

Es heißt dann weiter, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Berlin, Baden-Württemberg, Hamburg und Bayern hätten in beiden Fällen einen Zusatzsparbedarf von null. – Das ist heute im Länderbenchmarking von PwC nachzulesen.

Was machen wir? Wir legen im Rahmen einer fünfjährigen soliden Vorgehensweise einen Haushalt vor, in dem 27 Milliarden € für Bildung vorgesehen sind. In ihm wachsen die Ausgaben für den offenen Ganztag. Weiter sind in ihm zusätzliche Mittel sowohl für Unikliniken als auch für Krankenhäuser enthalten. Das sind also Mittel, die nicht nur Menschen zugutekommen, die zugewandert sind, sondern auch Menschen, die immer hier gelebt und einen Anspruch darauf haben, dass unser Land auch für sie Sorge trägt. Das bedeutet natürlich auch Ausgaben im Haushalt.

Wir haben Ausgaben für „Kein Abschluss ohne Anschluss“ vorgesehen. Weiter haben Ausgaben für die Digitalisierung veranschlagt. Man kann doch nicht einfach sagen – Herr Laschet, was ist das für eine Rechnung? –, man würde die Flüchtlinge quasi als Geisel nehmen, wenn man, wie wir das jetzt tun, mit 300 Millionen € Kreditaufnahme nachkorrigieren muss, weil der Betrag nicht an anderer Stelle herausgeschnitten werden kann.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Ich sage Ihnen: Ich kann Ihnen genauso wenig wie der Bundesfinanzminister und genauso wenig wie alle Länderkollegen jetzt sagen, was in den Jahren 2016 und 2017 auf uns zukommen wird. Damit müssen wir umgehen.

Ich kann Ihnen aber eines sagen: Wir werden das nicht alles in der Größenordnung, in der es sozusagen über uns kommt, aus dem herausschneiden können, was an anderer Stelle ausgegeben wird. Denn dann macht man jemand anderen zur Geisel. Dann nutzt man nämlich das Gegeneinander der Flüchtlinge mit denen, die hier sind, aus. Das kann keine verantwortungsvolle Politik sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir geben 24 Milliarden € an die Kommunen, und zwar sowohl über die direkten Zuweisungen als auch über die kommunalen Projekte. Im U3-Ausbau – wir haben das angesprochen – gibt es eine Versorgungsquote von 54,9 %. Sie lag im Jahr 2010 bei 36,9 %. Die Zahl der Kitas, die als Familienzentren arbeiten, hat sich – im Jahr 2010 gab es 2.400 – bis heute um 900 erhöht. Wir haben 2010 im offenen Ganztag 225.000 Plätze gehabt. Jetzt sind es 282.600. Zum Schuljahr 2016/17 werden 305.000 Plätze bereitgestellt.

Ich komme zur Finanzierung der Hochschulen: 2010 hatten wir 4,14 Milliarden € zur Verfügung gestellt. 2016 werden es 6,16 Milliarden € – 49 % mehr – sein.

Weil die Themen Verkehr und Straßenbau angesprochen worden sind, sage ich: 2010 waren für die Erhaltungsinvestitionen und die Baumaßnahmen zusammen 140 Millionen € vorgesehen. Ja, es ist etwas geändert worden. Das stimmt. Es hat eine Umschichtung hin zu mehr Erhaltung gegeben, weil es wichtig ist, dass wir Straßen nicht zerbröseln lassen. Weil wir uns nicht nur darum kümmern, dass neue Straßen gebaut werden. Nur ist die Summe dieser beiden Bestandteile deutlich größer geworden als 2010. Sie beträgt jetzt 147,5 Millionen €.

Wir haben die Struktur des kommunalen Finanzausgleichs insgesamt auf den Prüfstand gestellt.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Finanzminister, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Schemmer würde Ihnen gerne eine Frage stellen.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich würde gerne noch ein Stück weit weitermachen. Wir können das vielleicht am Schluss bündeln.

Es ist ja nicht nur so, dass durch bessere Steuereinnahmen höhere Zuweisungen an die Kommunen – Rekordzuweisungen – erfolgen, sondern diese machen auch einen Rekordanteil am Landeshaushalt aus. Deswegen befanden sich 2011 auch 144 Städte im Nothaushalt, während es 2014 nur noch drei waren.

Ich will zu der Behandlung der Kommunen, bei denen wir ja immer mit Bayern verglichen werden, noch einmal etwas sagen. Es wird immer gesagt, was alles in Bayern im Einzelnen bezahlt wird, während das in Nordrhein-Westfalen nicht der Fall sei. Es wird aber unterschlagen, dass Bayern eine Verbundquote von 12,5 % hat. Das heißt, von den Einnahmen, die das Land aus Steuern erzielt, werden in Nordrhein-Westfalen 23 % an die Kommunen weitergeleitet. In Bayern sind es 12,5 %.

Dann gibt es noch eine kleine Fußnote: Bayern legt von seinen Grunderwerbsteuereinnahmen acht Einundzwanzigstel – also etwas mehr als ein Drittel – in diesen Verbundtopf, von dem aus dann 12,5 % weitergegeben werden. In Nordrhein-Westfalen sind es vier Siebtel.

Schauen sie sich jetzt einmal an, was das für eine Folge hat: Nordrhein-Westfalen hat bei der Grunderwerbsteuer zwar – das wird ja oft kritisiert – gegenüber Bayern einen 1,8-fach höheren Steuersatz; aber die Kommunen bekommen das Fünffache. Wenn ein Haus für 300.000 € verkauft wird, dann bekommt eine Kommune in Nordrhein-Westfalen 2.500 €, während eine in Bayern 500 € bekommt. – Wenn wir das alles auf bayerische Verhältnisse umstellen wollten, könnte man auch in anderen Bereichen einmal über die Rosinen reden, die Sie hier jedes Mal zum Besten geben.

Wir bringen – das ist jetzt oft angesprochen worden – in diesem Haushalt einen erheblichen Anteil für die Unterbringung, Versorgung und die Betreuung, aber eben auch für die Integration von Flüchtlingen auf. Es sind 4 Milliarden € alles in allem. Knapp 800 Millionen € steuert der Bund bei. 2,6 Milliarden € fließen vom Land an die Kommunen. Wenn wir die gesamten 800 Millionen € an die Kommunen geben – was wir tun –, gibt der Bund deutlich weniger als das, was wir den Kommunen geben. Deswegen ist die Rede von den klebrigen Fingern da schon ziemlich weit hergeholt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben in diesen Bereichen das Beste getan, was man mit dem Haushalt machen kann. Aber man muss eben auch feststellen: Es ist doppelt so viel im Haushalt 2016 wie im Haushalt 2015. Auch das ist eben schon angeklungen: Es ist das Zwanzigfache dessen, was vor zehn oder elf Jahren in einem Haushalt für diesen Zweck gestanden hat. Das kann man nicht einfach wegstecken aus einem anderen Bereich – auch nicht mit der Rechnung, die immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt wird, dass 17,3 Milliarden € mehr als 2010 aufgekommen seien.

Ich sage es Ihnen noch einmal: 8,9 Milliarden € davon sind direkt an die Kommunen geflossen. 4,6 Milliarden € davon sind mehr Personalausgaben gewesen. Das heißt: Wenn man nur diese beiden Komponenten nimmt, wären noch 3,8 Milliarden € dagewesen, um die Nettokreditaufnahme zu senken. Sie ist aber um 4,8 Milliarden € gesenkt worden. Wer unterstellt, in diesem Haushalt würde nicht sorgfältig gewirtschaftet und nicht solide mit Ausgaben und Einnahmen umgegangen, weiß entweder nicht, worüber er redet, oder er will die Menschen in die Irre führen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will mich nicht mit allen einzelnen Punkten von Herrn Laschet und Herrn Lindner beschäftigen, aber ein paar sind es doch wert, sie hier anzusprechen. Ich nehme das Thema „Abgeltungssteuer“.

(Christian Lindner [FDP]: Ja!)

Wenn dieser Finanzminister sagt, dass sie systemwidrig ist – in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzminister –, dann würde dieser Finanzminister laut Herrn Lindner damit sagen: Ich gehe da mal an die kleinen Leute ran. – Da sieht man, wie viel die FDP von kleinen Leuten versteht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei über 14.000 € – nicht brutto, sondern zu versteuerndem Einkommen – gibt es einen Grenzsteuersatz von 25 % und mehr. Derjenige, der Zinseinkünfte hat, muss dann mehr als 25 % bezahlen, aber nur, wenn er Zinseinkünfte über dem Sparerfreibetrag hat.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Genau das ist der Punkt!)

Wenn man im Moment davon ausgeht, dass genau diese Einkommensgruppe mit Sicherheit keine Rekordzinsen bekommt, sondern sich eventuell mit 1 % zufriedengeben muss, müsste der, der 14.000 € verdient, 80.000 € auf dem Konto haben, wenn er Single ist, oder 160.000 €, wenn er verheiratet ist, damit dann aus diesen Zinseinkünften eine leichte Erhöhung in diesem Bereich erwachsen könnte. So viel dazu, was man von kleinen Leuten versteht, wenn man darüber redet und von der FDP ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Was ist denn das durchschnittliche Vermögen der deutschen Mittelschicht? – Gegenrufe von Eva Voigt-Küppers [SPD] und Jochen Ott [SPD])

Das können wir in anderen Dingen so weitermachen. Wir können das mit der Erbschaftsteuer machen, die Sie noch stärker verfassungswidrig ausgestalten wollen, als sie ausgestaltet war, wofür der Bund eine Klatsche bekommen hat.

(Christian Lindner [FDP]: Da geht es um Aktien! – Gegenrufe von der SPD)

Das können wir so weitermachen. Wir können auch über die BLB-Zinsen reden. Wie seltsam ist es, dass der BLB bereit ist, einen Kredit an das Land zurückzugeben, für den er 4,1 % Zinsen bezahlt, wenn er sich den auf dem Markt billiger besorgen kann?

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Tja!)

Das ist natürlich echte „Trickserei“.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen auch noch einmal zu Herrn Laschet, der sagte,

(Minister Johannes Remmel: Die von der CDU hören nicht zu!)

ich solle nicht auf die Idee kommen, die Schulden mit Flüchtlingen zu begründen.

(Minister Johannes Remmel: Die schwätzen!)

Das hat mit Ideen nichts zu tun. Das hat einfach damit zu tun, dass man mit den Mitteln, die in diesem Landeshaushalt sind, haushalten muss. Bei einer solchen zusätzlichen Belastung muss man sich natürlich anschauen: Was kann man schieben? Was kann man kompensieren? Aber auch: In welchem Bereich dürfen wir jetzt nicht die Fehler machen, die in anderen Ländern bei der Integration gemacht worden sind? Im Übrigen hatte das Folgen, die wir heute erleben, etwa in den Banlieues von Paris oder in Molenbeek. Das wollen wir nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu zitieren, ich hätte gesagt, ich wolle die Schulden gar nicht auf null bringen, ist nur die halbe Wahrheit. Ich habe gesagt, dass ich vor 2020 nicht die Schulden auf null bringe um den Preis,

(Marc Herter [SPD]: Genau!)

dass ich dafür an anderer Stelle wichtige Investitionen dieses Landes nicht mehr tätigen kann.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Es geht um Verantwortung. Wir haben eine ganze Reihe von Punkten zu besprechen. Herr Laschet, Sie haben auch das Thema „ÖPP“ erwähnt. Auch dabei bin ich der Letzte, der irgendeiner Ideologie folgend ÖPP falsch findet.

Aber genau das, was Sie angesprochen haben, findet statt. Wir können uns doch sicher auf Folgendes einigen. Wenn jemand kommt und sagt – und das ist im Augenblick der Fall –: „Wir haben Milliarden auf der hohen Kante, wollen sie irgendwo anlegen und bekommen so wenige Zinsen. Wir würden uns gern daran beteiligen, öffentliche Investitionen zu unterstützen“, und wenn er sein Know-how mitbringt, Risiko übernimmt, ein besseres Projektmanagement anbietet, damit sein Geld verdient und gleichzeitig weiß, dass er das Geld beim Staat anlegt und dafür Zinsen wie beim Staat bekommt, so wie er möglicherweise auch andere Mittel beim Staat anlegt, dann ist es in Ordnung.

Wenn es aber dahin geht – das erlebe ich sehr oft –, dass dieses Anspruchsdenken da ist: „Wir bekommen für das Geld keine Zinsen, und jetzt möchten wir, dass der Staat das mit uns macht, obwohl er es billiger selber machen könnte, damit er unsere schlechte Zinssituation mit Steuermitteln subventioniert“, dann geht das nicht.

(Armin Laschet [CDU]: Der Staat kann es doch nicht!)

– Der Staat kann es nicht, wenn er sich die Wege verstellt, wie sie selbst der Bund noch hat, nämlich durchaus öffentliche Investitionen mit einem Sondervermögen möglich zu machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Armin Laschet [CDU]: Er macht es doch!)

Darüber müssen Sie dann diskutieren. Wenn man das nicht will, müssen wir uns in die Hände derer begeben, die nicht deswegen mehr Geld bekommen, weil sie es besser machen, sondern an die wir geraten, weil wir es gar nicht anders dürfen. Das muss man dann eben besprechen.

(Armin Laschet [CDU]: Fahren Sie doch mal nach Hamburg!)

Ich will nur noch sagen: Wir sollten ein Stück aus dem Streit zurückkommen und uns darauf besinnen, dass wir mit diesem Haushalt eine Sondersituation vor uns haben. Ich nehme für mich genauso in Anspruch, wie es der Bundesfinanzminister tut, ein Stück auf Sicht zu fahren und Flexibilität zeigen zu müssen; das haben Sie, Herr Lindner, auch angesprochen. Ich sage Ihnen: Das ist alles andere als Konzeptionslosigkeit. Das haben wir in der Diskussion über die WestLB immer wieder erlebt.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Hätten Sie nicht gemusst! Genau das ist es! Hätten Sie nicht gemusst!)

Ich bin der Überzeugung – und ich fühle mich auch bestärkt in dieser Überzeugung –, dass die Kunst des Regierens und der Politik nicht darin besteht, fünf Jahre vorher genau zu wissen, was alles passieren wird. Vielmehr geht es darum, zu lernen, mit den Dingen umgehen zu können, die morgens, wenn man aufsteht, anders sind als am vorigen Abend, wenn man zu Bett gegangen ist und geglaubt hat, dass alles geregelt ist. Das ist genau das, mit dem wir uns zu beschäftigen haben und womit wir uns mit Sicherheit in den nächsten Monaten auch weiter zu beschäftigen haben.

Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir eigentlich nur ein paar Dinge. Der erste Punkt ist, dass Sie Ihre Oppositionsrolle ernst nehmen und das als Aufstellen einer Gegenposition verstehen, mit der man sich auseinandersetzen kann und die auf der Grundlage anderer Werte vielleicht zu anderen Ergebnissen kommt. Dann benennen Sie diese Ergebnisse aber bitte auch.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Sie haben sich ja nicht damit auseinandergesetzt! Kommentarlos!)

Außerdem möchte ich, dass wir bei dieser Auseinandersetzung den Schulterschluss der Demokraten beibehalten. Denn dieser ist wichtig, damit wir über diese Debatte nicht Signale ins Land senden, die den Falschen in die Hände spielt.

Und ich möchte, dass wir gemeinsam Augenmaß für das Land Nordrhein-Westfalen wahren. Denn hier werden wichtige und notwendige Investitionen sowohl für die Menschen, die kommen, als auch für die, die da sind, und für unsere Wirtschaft, die unser Rückgrat ist, vorgenommen.

Das ist der Grund, warum ich Sie aus meiner Überzeugung heraus, dass wir Ihnen einen guten Entwurf vorgelegt haben, bitte, dem Haushalt 2016 zuzustimmen. – Ganz herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Finanzminister. Sie wollten am Ende Ihrer Rede entscheiden, ob Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schemmer, sofern er diesen Wunsch aufrechterhält, zulassen. Jetzt muss ich einmal Herrn Kollegen Schemmer anschauen.

(Zurufe von der SPD: Nein! Hat sich erledigt!)

– Es ist ein bisschen irritierend, Herr Schemmer. Sie verzichten? – Okay. Dann haben wir das geklärt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner hat Herr Innenminister Jäger das Wort. Ich habe keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Etwas überraschend. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will die ausstehende Zeit nutzen, um kurz auf die Regelungen im Gemeindefinanzierungsgesetz einzugehen, die außerordentlich positiv sind.

Wir befinden uns gerade in der Adventszeit, meine Damen und Herren. Alle Jahre wieder kommt das Gemeindefinanzierungsgesetz, und im diesjährigen parlamentarischen Verfahren beschäftigen wir uns mit diesem Gemeindefinanzierungsgesetz heute zum dritten Mal. Da es das dritte Mal ist, muss man nicht mehr auf die einzelnen Details eingehen. Nur so viel:

Über 10 Milliarden € aus den eigenen Steuereinnahmen stellt das Land Nordrhein-Westfalen seinen 396 Kommunen und Kreisen im nächsten Jahr zur Verfügung. Das ist eine Rekordsumme. Es ist die höchste Summe an Schlüsselzuweisungen an unsere Kommunen in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte kurz darauf eingehen, allerdings weniger auf die Inhalte des GFG, sondern vielmehr auf die Beiträge der Opposition auch aus der letzten Plenardebatte und insbesondere, Herr Lindner, auf die Vorschläge Ihrer Fraktion, was die Umstellung des GFGs auf einen völlig anderen Boden, auf ein völlig anderes Kriterium angeht.

Schon 2013 haben Sie gesagt, es fehle eine Bedarfsorientierung in diesem Gemeindefinanzierungsgesetz. Der Landtag hat dazu nach der entsprechenden Beantragung eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Ergebnis: Nichts ist eindeutig. Es herrschte ein großer Zwiespalt, eine große Meinungsvielfalt zwischen den kommunalen Spitzenverbänden, zwischen den Kommunen und den Kreisen.

Diese Bedarfsorientierung, die Sie vorgeschlagen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wird beispielsweise in Sachsen-Anhalt, in Thüringen und in Hessen als Systematik genutzt, aber Frieden mit der kommunalen Familie ist auch in diesen Ländern überhaupt nicht erreicht. Ganz im Gegenteil: Die Kommunen in diesen Bundesländern beklagen, dass sie von einer positiven Steuerentwicklung faktisch völlig abgekoppelt sind, da tatsächlich nur Normbedarfe bei der Ausgestaltung des jeweiligen Gemeindefinanzierungsgesetzes zugrunde gelegt werden.

Die FDP fordert dies. Sie haben die CDU dabei an Ihrer Seite. Sie beide agieren nach dem Motto: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. – Sie fordern einen höheren Steuerverbund. Das ist generös, und so ziehen Sie sich die Spendierhosen an. Gleichzeitig fordern Sie an anderer Stelle von der Landesregierung, den Gürtel enger zu schnallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das passt nicht zusammen. Allein das, was Sie hier einfordern, nämlich eine Erhöhung des Schlüsselsatzes, würde für den Landeshaushalt 450 Millionen € zusätzlich je Prozentpunkt im Verbundsatz bedeuten. Ich habe von Ihnen bisher noch keine Vorschläge gehört, wie Sie so etwas gegenfinanzieren wollen. Seriöse Politik, meine Damen und Herren – der Finanzminister hat es schon gesagt –, sieht wirklich anders aus.

Ich glaube, wenn wir aus Sicht der Kommunen auf diesen Haushalt schauen, sehen wir die höchste Schlüsselmasse in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen. Präzise sind es 10,38 Milliarden €.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn man noch die rund 11 Milliarden € hinzurechnet, die die Kommunen als Zweckzuweisungen außerhalb des Steuerverbundes zusätzlich vom Land Nordrhein-Westfalen erhalten, dann, meine Damen und Herren, können wir feststellen, dass 46 % der Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen in die Kommunen fließen. Darauf können wir stolz sein. Das ist eine kommunalfreundliche Politik hier in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Trotzdem wissen wir, dass die Lage vieler Kommunen immer noch angespannt ist. Wir haben vieles erreicht, auch mit dem Stärkungspakt. Wir haben erste Erfolge: Nur noch drei Kommunen befinden sich im Nothaushalt. Das kann sich sehen lassen, meine Damen und Herren. Wir haben längst noch nicht alle Probleme gelöst, aber in einer solchen Debatte darf man auch einmal feststellen, dass wir erfolgreich gearbeitet haben.

Wir werden unsere Politik, mit den Kommunen auf Augenhöhe und fair umzugehen und ihnen mit Respekt zu begegnen, fortsetzen. Das war hier einmal anders. Das soll aber nicht wieder so werden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die Piraten hat Herr Kollege Marsching jetzt noch einmal das Wort.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Kein einziges Wort kam zu unseren Vorschlägen; ich habe sehr genau zugehört. Dann aber uns bzw. der Opposition vorzuwerfen, zu der wir übrigens auch gehören – ich gebe zu, angesichts von 2 % bei Umfragen sind wir für Ihre Berechnungen vielleicht irrelevant –, wir hätten keine Vorschläge gemacht, passt dazu, dass die Haushaltsredner der Koalitionsfraktionen den Saal verlassen haben, als die Redner der Opposition gesprochen haben. Herr Mostofizadeh ist hinausgegangen und hat mir nicht zugehört. Er hat sich meine Vorschläge nicht angehört.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das stimmt nicht! – Gegenruf von Nicolaus Kern [PIRATEN]: Natürlich stimmt das!)

Ich frage mich, wie man sich dann ruhigen Wissens hier hinstellen und sagen kann: Von der Opposition kommt nicht ein einziger Vorschlag, den man ordentlich diskutieren kann. – Genauso gehen Sie auch mit den Kolleginnen und Kollegen von der CDU- und der FDP-Fraktion um.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie wollen unsere Vorschläge einfach nicht hören und ziehen hier Ihren Schuh durch. Das nenne ich eine unseriöse Haushaltspolitik.

(Beifall von den PIRATEN – Sigrid Beer [GRÜNE]: Herr Marsching, bevor Sie so was behaupten, sollten Sie sich lieber umschauen! Herr Mostofizadeh war im Saal! – Marc Olejak [PIRATEN]: Frau Beer, wenn Sie was sagen wollen, lassen Sie sich auf die Rednerliste setzen!)

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Kollege Marsching. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Das bleibt auch so. Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Abstimmungen durchzuführen. Ich versuche, das jetzt so zu handeln, dass wir jederzeit wissen, an welcher Stelle wir sind.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über die beiden Gesetzentwürfe in dritter Lesung. Das Beratungsverfahren wird hiermit abgeschlossen. Es handelt sich somit jeweils um eine Schlussabstimmung gemäß § 76 Abs. 3 der Geschäftsordnung.

Wir kommen erstens zur Abstimmung über das Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2016, also das Gemeindefinanzierungsgesetz 2016, und zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes.

Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10601, den Gesetzentwurf der Landesregierung – das sind die Drucksachen 16/9302 und 16/10150 in der Fassung nach der zweiten Lesung – ohne weitere Änderungen anzunehmen. Wir stimmen damit über den Gesetzentwurf in der Fassung nach der zweiten Lesung selbst und nicht über die Beschlussempfehlung zur dritten Lesung ab.

Wer also dem Gesetzentwurf in der entsprechenden Fassung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Wer enthält sich? – Das sind die Piraten. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der GesetzentwurfDrucksachen 16/9302 und 16/10150in dritter Lesung angenommen und sind das Gemeindefinanzierungsgesetz 2016 und das Gesetz zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes verabschiedet.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung. Diese besteht aus mehreren Teilen, weil wir jetzt über Änderungsanträge der Fraktion der CDU zum Haushaltsgesetz 2016 abstimmen. Diese sind vorhin im Plenarsaal verteilt worden und tragen die Drucksachennummern 16/10485 bis 16/10489.

Ich rufe den ersten Änderungsantrag mit der Drucksachennummer 16/10485 auf. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Dann frage ich jetzt die Enthaltungen ab. – Die sind bei der FDP-Fraktion. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/10485 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe den zweiten Änderungsantrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachennummer 16/10486 auf. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Änderungsantrag Drucksache 16/10486 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe den dritten Änderungsantrag der CDU-Fraktion, Drucksache 16/10487, auf. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Änderungsantrag Drucksache 16/10487 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe den nächsten Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf. Dieser trägt die Drucksachennummer 16/10488. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten. Wer möchte sich enthalten? – Die FDP und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/10488 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe den letzten Änderungsantrag in diesem Zusammenhang auf. Dieser trägt die Drucksachennummer 16/10489. Ich frage auch hier, wer dem zustimmen möchte. – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Die Enthaltungen sind dann – bei der FDP-Fraktion. Damit ist auch der Änderungsantrag Drucksache 16/10489 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt worden.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 2016 Drucksachen 16/9300 und 16/10150 in der Fassung der Ergänzung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10600, das Haushaltsgesetz 2016 – die entsprechenden Drucksachennummern habe ich eben genannt – in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses Drucksache 16/10600 anzunehmen.

Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem genannten Abstimmungsergebnis die Beschlussempfehlung Drucksache 16/10600 angenommen und das Haushaltsgesetz 2016 in dritter Lesung verabschiedet.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir stimmen viertens über den Entschließungsantrag der Fraktion der Piraten ab. Dieser trägt die Drucksachennummer 16/10477. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Entschließungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/10477 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur fünften Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Dieser Entschließungsantrag trägt die Drucksachennummer 16/10478. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/10478 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/10479. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Die CDU. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten. Wer möchte sich enthalten? – Die FDP-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/10479 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/10484. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Die CDU enthält sich dann. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/10484 der Fraktion der FDP mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/10423. Die antragstellende Fraktion der CDU hat direkte Abstimmung beantragt. Diese führen wir jetzt durch, und zwar über den Inhalt des Antrags. Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten. Wer enthält sich? – Die FDP und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Damit ist der Antrag Drucksache 16/10423 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über das Vierte Nachtragshaushaltsgesetz Drucksache 16/10082. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der zweiten von drei Lesungen. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10427, den Gesetzentwurf mit der vorgenannten Drucksachennummer unverändert anzunehmen. Wir führen diese Abstimmung jetzt nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Gesetzentwurf selbst durch.

Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU, die FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/10082 in zweiter Lesung angenommen.

Wie zwischen den Fraktionen im Ältestenrat vereinbart, kommen wir unmittelbar zur dritten Lesung. Ich rufe auf:

Gesetz über die Feststellung eines Vierten Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Viertes Nachtragshaushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10082

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10427

dritte Lesung

Eine Rücküberweisung hat nicht stattgefunden. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat seine Beschlussempfehlung ausdrücklich zur zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs abgegeben und mitgeteilt, dass er seine Beratungen abgeschlossen hat. Grundlage für unsere dritte Lesung ist daher weiterhin der Gesetzentwurf in der vorgenannten Drucksache.

Wir stimmen somit in der dritten Lesung über den Gesetzentwurf in der Fassung nach der zweiten Lesung ab. Da das Beratungsverfahren hiermit abgeschlossen wird, handelt es sich um eine Schlussabstimmung nach § 76 Abs. 3 der Geschäftsordnung.

Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung nach der zweiten Lesung ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. – Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/10082 in der Fassung nach der zweiten Lesung in dritter Lesung verabschiedet.

Wir kommen zur Abstimmung über das Versorgungsfondsgesetz Drucksache 16/10083. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10428, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wir stimmen damit über den Gesetzentwurf und nicht über die Beschlussempfehlung ab.

Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/10083 in zweiter Lesung mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir sind am Ende von Tagesordnungspunkt 2, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Unruhe)

Wir dürfen nach diesem Abstimmungsmarathon alle einmal durchatmen. Diejenigen, die jetzt Termine im Haus haben, bitte ich, den Raum möglichst zügig zu verlassen, ohne die Geräuschkulisse zu erhöhen.

Ich rufe auf:

3   Sicheres Schwimmen kann Leben retten – Schwimmfähigkeit am Ende der Grundschulzeit überprüfbar definieren

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10293

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10481

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat vonseiten der antragstellenden Fraktion Herr Dr. Kerbein das Wort.

Dr. Björn Kerbein (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schwimmen zu können ist eine elementar wichtige Fähigkeit. Der Freizeitwert wird erhöht, die Gesundheit wird gefördert, und es entsteht ein ganz neues Körpergefühl, vor allen Dingen für Menschen mit Behinderungen, mit Handicap. Ganz wichtig ist natürlich: Leben wird dadurch sehr häufig gerettet.

Schwimmen zu können ist ein Teil des Lehrplans unserer Grundschulen in NRW. Ich zitiere:

„Jedes Kind soll am Ende der Grundschulzeit schwimmen können. ‚Schwimmen-Können’ heißt, dass es sich möglichst angstfrei ohne Fremdhilfe in schwimmtiefem Wasser zielgerichtet fortbewegen kann.“

Was im Lehrplan unter Schwimmen-Können verstanden wird, findet sich kurz und knapp in den Kompetenzerwartungen an unsere Schülerinnen und Schüler in der 4. Klasse – Zitat –:

„Die Schülerinnen und Schüler schwimmen 25 m ohne Unterbrechung mit einer ausgewählten Schwimmtechnik in der Grobform.“

Ob das allein bedeutet, dass die Kinder wirklich schwimmen können, ist äußerst fraglich. Fakt ist in jedem Fall, dass wir von dem Ziel des Schwimmen-Könnens aller Kinder am Ende der Grundschulzeit leider meilenweit entfernt sind; das ergeben Studien und viele Umfragen seitens der Fachverbände. Sie wissen, die Bandbreite der Kinder, die nicht schwimmen können, liegt zwischen 15 und 20 %. Leider gibt es keine genauen Erhebungen, sondern nur Umfragen.

Und leider besteht immer noch Unklarheit, wie wir „Schwimmfähigkeit“ überhaupt definieren. – Während bei den Kompetenzerwartungen im Lehrplan das Schwimmen von 25 m bereits als ausreichend erachtet wird, sprechen Experten eher von acht Bahnen am Stück oder dem Bronzeabzeichen.

Bedauerlich ist, dass unsere Landesregierung hier noch nicht einmal eigene Zahlen liefern kann. Das Land legt ein Ziel fest, stiehlt sich anschließend konsequent aus der Verantwortung, und die Grundschulen vor Ort werden mit der Umsetzung der Zielvorgabe alleingelassen. Schlimmer noch: Offensichtlich interessiert es am Ende noch nicht einmal, ob das Ziel erreicht wird und ob es überhaupt möglich ist, das Ziel zu erreichen.

(Beifall von der FDP)

Anders lässt es sich nicht erklären, dass die Landesregierung weder verlässliche Zahlen zur Schwimmfähigkeit unserer Kinder am Ende der Grundschulzeit liefern kann noch weiß, ob alle Grundschulen in NRW überhaupt einen Zugang zu einem Lehrschwimmbecken haben.

Eine traurige Tatsache ist vor allem, dass wir einen deutlichen Rückgang bei der Schwimmfähigkeit zu verzeichnen haben. Die Gründe sind sehr vielfältig: fehlende Lehrschwimmbecken, fehlendes Fachpersonal, zum Teil ist auch die Qualität des Unterrichts nicht immer ausreichend.

Festzuhalten bleibt: Es gibt viele Gründe für den Rückgang. Festzuhalten bleibt aber auch, dass wir nicht in der Lage sind, eine verlässliche Antwort auf diese Frage zu geben.

(Beifall von der FDP)

Daher fordert die FDP-Fraktion eine Erhebung zu der Schwimmfähigkeit unserer Kinder am Ende der Grundschulzeit, eine zentrale Erfassung und Auswertung unter wissenschaftlicher Begleitung.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Und dann?)

Es ist schlimm genug, dass jedes Jahr Kinder, Jugendliche und Erwachsene in unseren Gewässern ertrinken. Ein Teil dieser Tragödien wäre sicherlich vermeidbar gewesen. Wir müssen die bekannten Missstände endlich beheben. Wir müssen die Grundlagen schaffen, um die Ursachen überhaupt identifizieren und anschließend beheben zu können, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Lassen Sie mich noch einige Worte auf den Entschließungsantrag von Rot-Grün verwenden, der heute Morgen eingegangen ist. Ich habe ihn mehrfach gelesen und Sie sicherlich auch. Ich habe mich gefragt, an welcher Stelle überhaupt irgendein Bezug zu unserem eigenen Antrag gegeben ist. Ich habe ihn nicht gefunden.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Gucken Sie noch mal nach!)

Uns geht es darum, das Problem analytisch zu beleuchten.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Dann sollten Sie es aber auch analysieren!)

Sie begnügen sich hingegen damit, Programme aufzuzählen, die ja für sich genommen gut sind, übrigens – wenn ich an Holger Müller und auch an uns denke – von Schwarz-Gelb initiiert. Die eigentlichen Ursachen interessieren Rot-Grün gar nicht.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

– Das ist wieder typisch für Sie, Frau Paul. Sie meinen, ein Problem erkannt zu haben, und geben dann die Verantwortung einfach an die Kommunen ab. Es ist wirklich sehr schade, die Kommunen hier im Regen stehen zu lassen.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Ich empfehle sehr: Bevor wir den zweiten Schritt machen, sollten wir uns mit dem ersten Schritt befassen.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Eben!)

Befürworten Sie unseren Antrag. Ich freue mich sehr auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Kerbein. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Weiß.

Rüdiger Weiß (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Beginnen möchte ich mit einem Lob für die FDP. Sie hat durch ihren Antrag ein nicht unwichtiges Thema ins Gespräch gebracht. Das war es dann aber auch schon mit dem Schönreden zu diesem Antrag.

Er geht aus mehreren Gründen an der Sache vorbei. Zunächst einmal finde ich es bemerkenswert, mit welcher Rhetorik Sie in Ihrem Antrag zu Werke gehen: Überwachung der Zielvorgabe, Ergebnisse zentral erheben, unter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise auswerten, Erfassung des Zugangs der Grundschulen in NRW zu Schwimmhallen.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das ist liberal!)

Diese Wortwahl bei der angeblich so liberalen FDP zu lesen und zu hören, die sonst eher für den freien Markt, das freie Spiel der Kräfte und möglichst wenig Eingriffe des Staates in das Gemeinwesen ist, verwundert, und es passt auch nicht zusammen.

(Marc Lürbke [FDP]: Sie haben es nicht verstanden!)

Sie lösen das im weiteren Verlauf nicht etwa auf, sondern Ihr eigenes Danebenstehen bei diesem Thema wird offensichtlich, wenn es plötzlich nach all den starr klingenden Worten heißt – ich zitiere –:

„Die Landesregierung wird aufgefordert, ein unbürokratisches Verfahren zur Sicherstellung der Erreichung der vom Land vorgegebenen Kompetenzen in Bezug auf die Schwimmfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu entwickeln.“

Ja, was denn nun? Unbürokratisches Vorgehen oder Überwachung, wissenschaftliche Expertise, zentrale Erhebung?

Ihr Antrag, verehrte Damen und Herren von der FDP, ist erstens nicht klar. Zweitens – das werfe ich Ihnen vor – sind Sie nicht authentisch. Drittens ist er einfach schlecht gemacht.

Inhaltlich ist er ebenfalls überhaupt nicht zielführend, weil Sie Kompetenzbereiche und Ebenen vermischen oder vertauschen.

Es ist die alleinige Aufgabe des Landes, sich um die Bereitstellung des Lehrpersonals zu kümmern. Diese innere Schulangelegenheit ist klar geregelt und gelöst.

Sie aber beklagen die Situation vor Ort. Für die Schwimmbäder und damit für die Möglichkeit der Schülerinnen und Schüler, schwimmen zu lernen, wie es in den Lehrplänen ausgewiesen ist, für diese äußere Schulangelegenheit ist einzig und allein der Schulträger, also die jeweilige Kommune, zuständig und verantwortlich.

An dieser Stelle verwischen Sie die Zuständigkeitsbereiche komplett. Sie wollen – das vermittelt zumindest Ihr Antrag – dem Land mit Überwachung der Zielvorgaben, einer zentralen Erhebung und einer wissenschaftlichen Expertise eine Art Supervisorfunktion übertragen. Das geht an der Realität, sprich: an der Zuständigkeit, vorbei, und entlässt – wenn man das Ganze nämlich weiter denkt – die Kommunen aus ihrer Verantwortung. Sie konterkarieren mit Ihrem Antrag geradezu das Faktum der kommunalen Selbstbestimmung.

Der Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der schon erwähnt worden ist, ist da wesentlich gründlicher, weil wir genauer hinschauen und darüber hinaus konkrete Empfehlungen auch und gerade für die Kommunen aufzeigen. Wir nehmen nämlich auf das noch viel zu selten genutzte Werkzeug „Interkommunale Zusammenarbeit“ Bezug. Hier könnten an vielen Orten noch richtige Schätze gehoben, sprich: wertvolle Zusammenarbeit angestoßen werden.

Das Land kann und will Hilfestellung geben. Abschnitt III Ziffer 2, 3 und 4 unseres Entschließungsantrags zeigen klare Handlungsempfehlungen auf. Wir weisen in unserem Entschließungsantrag weiterhin auf die bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits erfolgten Bemühungen hin.

Beispiel „NRW kann schwimmen!“ In mehreren Tausend Kursangeboten konnten Kinder außerhalb der Schule das Schwimmen erlernen und haben dies bereits getan.

Die Übungsleiterpauschale, die wir für 2016 um 900.000 € auf 5,76 Millionen € angehoben haben, speist mit großer Wahrscheinlichkeit die Aufwendungen für viele Übungsstunden im Bereich „Schwimmenlernen“ und kommt daher auch der Schwimmausbildung zugute.

Unter der Berücksichtigung der jeweiligen Zuständigkeiten für innere und äußere Schulangelegenheiten haben wir im weiteren Zusammenspiel mit außerschulischen Partnern wie der DLRG, …

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.

Rüdiger Weiß (SPD): … dem Schwimmverband Nordrhein-Westfalen und der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen ein Bündel an Maßnahmen geschnürt, die deutlich effektiver sind als das unpassende Sammelsurium an Vorschlägen, die Sie unterbreiten. – Ich freue mich auf die abschließende Diskussion im Ausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Müller.

Holger Müller (CDU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Weiß, schön, dass ich Sie jetzt auch kennenlernen durfte.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

Ich weiß natürlich auch um die Funktion von Entschließungsanträgen. Aber Sie legen hier wirklich ein ganz schwaches Alibiteil vor. Dass man den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen so hoch loben und den von der FDP so kleinreden kann – gut, das liegt sicherlich an der politischen Sicht der Dinge.

Ich habe in meinen Ausführungen zum Haushalt sehr ausführlich über den Tatbestand der politischen Hehlerei gesprochen.

(Vereinzelt Heiterkeit von der CDU)

Ich freue mich natürlich in diesem Zusammenhang sehr, dass Sie auch noch das Programm „NRW kann schwimmen!“ erwähnen. Das haben nämlich auch wir aufgelegt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Auch Rot-Grün macht nicht alles falsch.

Dann komme ich noch auf einen Punkt des Entschließungsantrags zu sprechen. Dort heißt es:

„Die Landesregierung unternimmt in diesem Rahmen gemeinsam mit mehreren Partnern große Anstrengungen,“

– hat sich also stets bemüht –

„zusätzlich zum obligatorischen Schwimmunterricht die Schwimmfähigkeit eines jeden Kindes zu verbessern ….“

Lassen Sie uns mit ein paar Fakten beschäftigen. Laut Pressemeldung der DLRG vom 20. Oktober 2015 – sie ist also noch sehr neu – sind in der Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. September 2015 in Deutschland 371 Bäder geschlossen worden, davon 102 in NRW. Wenn in NRW 22 % der Bevölkerung von Deutschland lebt, beträgt der Prozentsatz der Bäderschließungen hier also 27 %. Das heißt: Bisher kann ich noch nichts von den Erfolgen der großen Bemühungen der Landesregierung erkennen. Die entsprechende Tendenz ist eher fallend.

Herr Weiß, wir waren in Sachen „Schwimmen“ übrigens nie untätig. Es kann sein, dass das Thema im Schulausschuss nicht so regelmäßig vorkam. Aber im Sportausschuss ist das regelmäßig ein Thema. Allein seit 2012 haben Frau Korte, Herr Dr. Kerbein, Herr Dr. Droste und ich vier Kleine Anfragen zu diesem Thema gestellt. Auf die Frage unter Ziffer 1 in meiner Kleinen Anfrage vom 17. Oktober 2013

„Wie viele Kinder sind am Ende der Grundschulzeit schwimmfähig … ?“

hieß es in der Antwort Drucksache 16/4537:

„Diese Daten werden durch die amtlichen Daten der Schulstatistik nicht erfasst.“

Auf meine Frage unter Ziffer 4

„Wie hoch liegt der Ausfall an Schwimmunterricht seit dem Schuljahr 2007/2008 … ?“

lautet die Antwort:

„Diese Daten werden durch die amtlichen Daten der Schulstatistik nicht erfasst.“

Zu meiner Frage unter Ziffer 5

„Welche Schulen in Nordrhein-Westfalen können aktuell keinen oder nur begrenzten Schwimmunterricht anbieten … ?“

heißt es:

„Diese Daten werden durch die amtlichen Daten der Schulstatistik nicht erfasst.“

Eigentlich liegt auf meinem Schreibtisch noch eine Anfrage zu den Erfolgen der rot-grünen Landesregierung insgesamt. Aber die Antwort kennen wir alle schon:

(Beifall und Heiterkeit von der CDU und der FDP)

„Diese Daten werden durch die amtlichen Daten nicht erfasst.“

(Beifall und Heiterkeit von der CDU und der FDP)

Dann zum Unterschied zwischen dem Schullehrplan und der Antwort auf die eben zitierte Frage 2 von mir, die da lautete:

„Wie wird die Schwimmfähigkeit definiert?“

Antwort:

„… in NRW als ‚schwimmsicher‘ gilt, wer mindestens das Bronze-Abzeichen erworben hat.“

Im Schullehrplan steht aber immer noch das „Seepferdchen“. „Seepferdchen“ heißt: Sprung vom Beckenrand und 25 m schwimmen, Heraufholen eines Tauchrings aus schultertiefem Wasser.

Das Jugendabzeichen „Schwimmen“: Sprung vom Beckenrand und mindestens 200 m schwimmen in höchstens 15 Minuten, einmal zwei Meter tief tauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen des Tauchrings und Sprung aus 1 m Höhe. Das sind nun fundamental andere Anforderungen. Wer 200 m schwimmen und nach unten tauchen kann, der kann eher schwimmen, als einer, der noch auf beiden Füßen steht.

(Beifall und Heiterkeit von der CDU und der FDP)

Ich denke, dass könnten Sie auch einmal versuchen – das etwas miteinander abzustimmen.

Eine Schlussbemerkung: Wir haben jetzt mit Frau Kampmann eine neue Sportministerin – jung, tatkräftig, durchaus auch sympathisch, Frau Kampmann.

(Zurufe: Oh!)

– Jedenfalls bis jetzt.

(Heiterkeit von allen Fraktionen)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Müller, Ihnen läuft trotzdem die Redezeit weg.

Holger Müller (CDU): Sie können sich wirklich große Verdienste erwerben, wenn Sie einmal Statistiken einführten, um überhaupt über Material zu verfügen, mit dem man arbeiten kann. Sie sollten nicht immer diese Ausrede bringen: Ham mer nit, könne me nit, wolle me nit. Auf Hochdeutsch: Haben wir nicht, können wir nicht, wollen wir nicht.

(Beifall und Heiterkeit von der CDU und der FDP)

Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und jedem persönlich alles Gute für das nächste Jahr.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Müller, insbesondere für die guten Wünsche. – Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Paul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir können zumindest festhalten, in einem Punkt einer Meinung zu sein. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass Kinder in Nordrhein-Westfalen schwimmen können. Aber – da kann ich mich nur dem Kollegen Weiß anschließen – damit hat es sich auch mit den Gemeinsamkeiten.

Ich will einmal versuchen, ein wenig Licht in Ihr offenkundiges Dunkel zu bringen. Sowohl FDP als auch CDU haben hier vortragen, es gäbe gar keine Zahlen und Grundlagen. Ich habe etwas für Sie vorbereitet. Man muss einfach nur ein bisschen gucken, man muss nur ein bisschen lesen, dann wird man folgende Informationen finden. Darunter ist vielleicht die eine oder andere, die von Ihnen gar nicht erfragt worden war, die ich aber nichtsdestotrotz interessant finde.

Herr Kerbein, weil Sie unterstellt haben, dass die Quote der Schwimmfähigkeit bei den Schülerinnen und Schülern in Nordrhein-Westfalen eigentlich nicht besonders herausragend sei, wollen wir zum einen festhalten, dass es zum Abschluss der Grundschule 85 % sind. Ich will aber unterstreichen, dass beim Erreichen des 17. Lebensjahres 98 % der Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen schwimmen können. Das halte ich für einen ganz guten Wert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich komme zu einem weiteren Punkt, den weder die FDP noch die CDU angesprochen hat. Bei der FDP wundert mich das nicht besonders. Woher kommt denn das? Herr Dr. Kerbein, Sie haben nach den Gründen gefragt. Worin liegt es denn begründet, dass unter Umständen die Schwimmfähigkeit unterschiedlich ausgebildet ist?

Ich rate Ihnen dazu, vielleicht einmal die KiGGs-Studie zu lesen. Die KiGGs-Studie hat sehr viele Daten erhoben. Das würde auch Ihnen entgegenkommen, Herr Kollege Müller. Diese Daten kann man sich anschauen.

Dann wird man finden, dass es eben nicht nur darum geht, ob es Wasserflächen gibt und wie die Qualität beim Schwimmenlernen ist und so weiter.

Eine ganz wichtige Rolle spielt auch die sozioökonomische Lage der Familien. Wir werden nämlich finden, dass Teilhabe am Schwimmen – Sie haben berechtigterweise gesagt, Herr Dr. Kerbein, dass das auch Freizeitgestaltung bedeutet und positive gesundheitliche und entwicklungspsychologische Effekte hat – auch etwas mit einer sozialen Spaltung zu tun hat. Denn die Eltern, die ihre Kinder unter Umständen schon vorher zum Schwimmen bringen, sind diejenigen, die sozial besser gestellt sind, und diejenigen, die das nicht tun, sind meistens Eltern, die sozial einen schwächeren Status haben.

Dass Ihnen das wahrscheinlich relativ egal ist, überrascht mich kaum. Ich finde aber, dass diese Daten nicht unerwähnt bleiben sollten.

Auch bei Menschen mit Migrationshintergrund haben wir durchaus eine gewisse Unterdurchschnittlichkeit bei der Schwimmfähigkeit. Wenn wir uns die Menschen ansehen, die zu uns kommen, ist festzustellen, dass nicht in allen Herkunftsländern die Schwimmfähigkeit als besonders prioritär angesehen wird.

Von daher sollten Sie sich unseren Entschließungsantrag genauer ansehen. Darin steht nämlich mehr als die Aussage, wir bräuchten einmal hier und da Daten. Darin ist nämlich die konkrete Anforderung enthalten: Insbesondere mit Blick auf geflüchtete Kinder und Jugendliche müssen wir besondere Programme schaffen, damit auch diese schwimmen lernen können.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass man da auch auf die Erwachsenen schauen sollte; denn nicht nur Kinder und Jugendliche ertrinken, sondern auch erwachsene Menschen sind durchaus gefährdet.

Fassen wir doch einmal zusammen, warum wir der Meinung waren, dass wir dringend einen Entschließungsantrag brauchen. Ich will dazu einmal aufführen, was ich aus den Redebeiträgen von FDP und CDU mitgenommen habe: Wir brauchen zentrale Erhebungen und wir brauchen dieses und jenes. Wir müssen alles zählen, zählen und zählen. Zusammengefasst kann man sagen: CDU und FDP wollen Daten. Die die rot-grüne Landesregierung tragenden Fraktionen wollen hingegen, dass die Kinder am Ende schwimmen können. Wir wollen nicht einfach nur Daten und Zahlen erfassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vom Wiegen – das habe ich schon, Herr Kollege Müller, damals bei den motorischen Tests gesagt – wird die Sau nicht fett, und vom Zählen kann kein Kind schwimmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen zugestehen, dass es auch die schwarz-gelbe Regierung nicht geschafft hat, die Schwimmfähigkeit nach unten zu bringen, sondern auch Programme dazu gemacht hat. Das ist überhaupt nicht schlimm. Es gibt kein Programm, das so schlecht ist, dass man es nicht noch irgendwie weiter bearbeiten könnte. Also „NRW kann schwimmen“ und „QuietschFidel“. Natürlich hat das Land versucht, die Schwimmfähigkeit über verschiedene Programme zu fördern.

Das Land unterstützt solche Programme weiterhin. Allein in den Ferienkursen haben 16.000 Schülerinnen und Schüler im Jahr 2015 schwimmen gelernt. Ich finde, das ist eine Zahl, die es lohnt, in den Blick zu nehmen.

Wir brauchen eben nicht nur das Zählen und Informationen darüber, was hier und was da steht und welche Daten es dort gibt. Wir brauchen auch flexible Lösungsansätze. Aus diesem Grund haben wir einen Entschließungsantrag geschrieben und vorgelegt. Denn in Ihrem Antrag steht einzig und allein: Wir wollen irgendwas zählen und wie Graf Zahl durch das Land laufen.

Wir brauchen aber Ansätze. Wir haben in den Beschlusspunkten – wenn Sie in dem Entschließungsantrag gelesen hätten, hätten Sie das gefunden – genügend Ansätze geliefert. Wir möchten, dass „QuietschFidel“ auch weiterhin mit den zur Verfügung stehenden Materialien in die Kommunen gebracht wird, weil die Kinder dort schwimmen lernen.

Noch einen Satz, weil Sie die Schwimmflächen genannt haben: Natürlich sind knappe Kassen beispielsweise ein Grund dafür, warum Bäder geschlossen werden.

Weitere Gründe sind aber ein zurückgehendes Nutzerinnenverhalten und der Wildwuchs bei Spaßbädern. Dann haben die Leute weniger Wasserflächen, wo man tatsächlich Schwimmen lernen kann. Dieses Problem wird aber nicht gelöst, wenn Sie die Landesregierung Wasserflächen zählen lassen.

Wir brauchen Konzepte, wie beispielsweise die interkommunale Zusammenarbeit zu unterstützen ist, um sicherzustellen,

(Beifall von den GRÜNEN)

dass wir zumindest bei den Kommunen gemeinsame Wasserflächen haben, wo unsere Kinder Schwimmen lernen können und unsere Vereinsmitglieder weiterhin Wasserzeiten haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Sie haben Ihre Zeit ganz deutlich überschritten: fast eine Minute.

Josefine Paul (GRÜNE): Entschuldigung. – Dann möchte ich es dabei bewenden lassen.

Ich glaube, man kann unserem Antrag sehr gut zustimmen, und Sie sollten sich überlegen, mal Inhalte zu bringen, statt sich weiterhin beim Zählen zu verkalkulieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Man merkt das nicht immer. Das ging mir früher auch so. Man ist so in Schwung und guckt nicht auf die Uhr. Trotzdem vielen Dank. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Lamla.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion rund um die Schwimmfähigkeit von jungen Menschen ist nicht neu – vermutlich älter als ich. Ich glaube, herausgehört zu haben, dass alle anwesenden Fraktionen die Wichtigkeit der Schwimmfähigkeit erkannt haben und diese nicht infrage stellen. Das ist ein guter gemeinsamer Nenner.

Bloß zu der Frage, wie man diese Schwimmfähigkeit sicherstellt, gibt es anscheinend unterschiedliche Meinungen. Aber nur die Schwimmfähigkeit der Kinder zum Ende der vierten Klasse zu erfassen und gleichzeitig das Lichtschwert der Entbürokratisierung zu schwingen – liebe FDP, das wird nicht reichen.

Nehmen wir zum Beispiel das Projekt „QuietschFidel“ von leider nur fünf Modellkommunen, das von Frau Paul angesprochen wurde. Das Projekt gilt seit August 2014 als beendet. Aktuell soll ein Leitfaden für die Kommunen entwickelt werden. Wir sollten aber ins Auge fassen, die Kommunen bei diesen Bemühungen nicht nur durch einen Leitfaden zu unterstützen, sondern uns auch Gedanken machen, wie wir diese Bestrebungen mit Landesmitteln flankieren – besonders wenn ich an die im rot-grünen Antrag angesprochenen besonderen Herausforderungen durch Kinder Geflüchteter und geflüchtete Kinder denke.

Wenn das Land hier lediglich ein paar warme Worte ausspricht, statt Geld in die Hand zu nehmen und die Kommunen zu unterstützen, wird nichts passieren. Denn wir leben in Zeiten, in denen Schwimmbäder aufgrund der Haushaltslage der Kommunen geschlossen werden. Dort, wo es keine Möglichkeit zum Schwimmunterricht gibt, wird auch kein Kind das Schwimmen erlernen.

Insofern freue ich mich – zwei Anträge haben wir schon – auf die Beratungen im Ausschuss. Vielleicht finden wir doch noch irgendwie zusammen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns einig, wie wichtig das Schwimmen ist, und ich glaube, wir sind uns auch einig, dass jede und jeder Ertrinkungstote eine oder einer zu viel ist. Schwimmen können kann Leben retten. Schwimmen können ist eine Grundfertigkeit, die in unserer Gesellschaft einfach dazugehört. Sie zu vermitteln, ist eine gesellschaftliche Aufgabe von Elternhaus, Sportvereinen und der Schule.

Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung der Gesellschaft, dass möglichst alle Kinder und Jugendlichen, die die Schule verlassen, sicher und möglichst ausdauernd schwimmen können. Ich finde es bemerkenswert, dass die Redner von CDU und FDP allein die Verantwortlichkeit der Schule angesprochen und nicht auch die Verantwortlichkeit der Eltern und des Sports genannt haben. Das gehört meiner Meinung nach zusammen. Je mehr wir zusammenarbeiten, umso besser wird das Ziel – Schwimmen können – erreicht werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie die Kollegen Weiß und Paul finde auch ich die Vorschläge des FDP-Antrags nicht zielführend. Die Landesregierung tut einiges, um das oben beschriebene Ziel, also Schwimmenlernen, zu erreichen. Im Kernlehrplan der Grundschulen heißt es wörtlich: „Jedes Kind soll am Ende der Grundschulzeit schwimmen können.“

Schwimmen ist der einzige Sportbereich, der in der Grundschule über ein festes Stundenkontingent verfügt. Schwimmen wird mindestens ein Jahr lang unterrichtet. Der Unterricht wird aber auch in den weiterführenden Schulen fortgesetzt. Kollegin Paul hat schon gesagt, dass da offenbar erfreulicherweise noch ein Lern- und Könnenzuwachs erfolgt.

Ich nenne zwei weitere Maßnahmen, die noch nicht genannt worden sind:

Die Beraterinnen und Berater im Schulsport sorgen für die Qualifizierung unserer Lehrkräfte – vorrangig für das Anfängerschwimmen. Sie unterstützen das seit 2008 bestehende Landesprogramm „NRW kann schwimmen!“, das Kindern in den Ferien das Schwimmen beibringt. In rund 1.650 Kursen wurden in den vergangenen Jahren rund 16.000 Schülerinnen und Schüler erreicht. Ich habe mir selbst – damals gemeinsam mit Kollegin Schäfer – von diesen Kursen und der Begeisterung, die da zum Ausdruck kommt, ein Bild machen können. Es lohnt also, dieses Programm fortzusetzen.

Das wollen wir auch tun. Wir wollen mit diesem Programm und weiteren Maßnahmen der direkten Unterstützung der Akteure vor Ort unsere Angebote zum Schwimmenlernen ausbauen. Ich rechne damit, dass wir im Januar 2016 die Vereinbarung für die nächste Programmphase für die Jahre 2016 bis 2020 unterzeichnen können. Das war im Übrigen schon geplant, bevor der FDP-Antrag die Debatte hier im Hohen Haus ausgelöst hat.

Außerdem will ich den Ausbau des Ganztags nennen. Gerade hier gibt es eine verstärkte Zusammenarbeit. Nordrhein-Westfalen ist in der Bundesrepublik mit seinen offenen Ganztagsangeboten führend, dass es nämlich durch eine Zusammenarbeit von Schule und Sport bzw. Schwimmvereinen die Möglichkeit gibt, Schwimmunterricht zu intensivieren.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wir sollten alle Akteure – die Sportämter der Kommunen, die Vereine, Kitas und Schulen – in ihrem gemeinsamen Bestreben, dass möglichst alle Kinder und Jugendlichen Schwimmen lernen, unterstützen. Dabei können wir die bestehenden Strukturen und Netzwerke nutzen, wie etwa vor Ort die Ausschüsse für den Schulsport.

Das beste Programm zum Erhalt der kommunalen Infrastruktur sind der Stärkungspakt und die Mittelzuweisung an die Städte und Gemeinden. Der Innenminister und der Finanzminister haben eben deutlich gemacht, dass die Zuweisungen an die Gemeinden so hoch sind wie noch nie zuvor in Nordrhein-Westfalen. Es kommt darauf an, vor Ort in den Kommunen die Prioritäten zugunsten der für alle Familien zugänglichen Schwimm- und Sportangebote zu setzen. Das kann man aber nicht eben mal von Landesseite verordnen. Das ist unser Ziel; aber vor Ort müssen die Kommunen dieses Ziel als hoheitliche Aufgabe selbst im Blick haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich frage mich, warum Sie da Ihren Kommunen nicht mit gleicher Verve auf die Finger schauen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam an dem Ziel arbeiten und nicht die wichtigen Ressourcen und die wichtige Zeit damit vertun, Datenfriedhöfe anzusammeln, die den Kindern nicht helfen. – Vielen Dank.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin, es liegt der Wunsch nach einer Kurzintervention des Kollegen Wegner von der Fraktion der Piraten vor, dem ich hiermit das Wort erteile.

Olaf Wegner (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sie sprachen gerade von der Verantwortung der Eltern, die auch da sein muss.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Auch!)

– Ja, auch. – Wenn ich mir die Zahlen anschaue, wer schwimmen kann und wer nicht schwimmen kann, dann stelle ich fest, dass die Anzahl derjenigen Kinder, die nicht schwimmen können, in der Unterschicht zehnmal höher ist als in der Oberschicht.

Vor diesem Hintergrund finde ich es einen Hohn und einen Schlag ins Gesicht der ärmeren Kinder, wenn deren Eltern die Verantwortung dafür gegeben wird, die finanziellen Möglichkeiten nicht zu haben, um den Kindern eine genauso gute Ausbildung – auch Sport gehört zur Ausbildung – geben zu können wie reichere Eltern. Das ist eine Aufgabe des Landes, des Staates, und nicht eine Aufgabe der Eltern – es sei denn, der Staat stellt den Eltern genug finanzielle Möglichkeiten zur Verfügung. Das tut er nicht, also bleibt es eine Aufgabe des Staates. Alles andere ist ein Hohn.

Ich freue mich, dass Frau Josefine Paul, Ihre Parteikollegin, wenigstens darauf hingewiesen hat, dass der größte Teil der Gruppe der Nichtschwimmer in Deutschland aus armen Menschen besteht. Denen kann man jetzt nicht noch die Verantwortung dafür geben, dass sie nicht die finanziellen Mittel für die Ausbildung der Kinder aufbringen können.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Frau Ministerin, bitte schön.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Verehrter Herr Kollege, ich freue mich über Ihre Nachfrage, denn dadurch kann ich eines noch einmal sehr deutlich machen. Ich habe bewusst gesagt: Das ist eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe, und zwar der Eltern, der Sportvereine und der Schule. Ich habe nicht gesagt, dass wir irgendetwas abschieben. Aber zu sagen, dass nicht auch Eltern eine Verantwortung für ihre Kinder hätten, fände ich etwas merkwürdig. Das ist nicht das Verständnis, dass wir hier hoffentlich gemeinsam haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Warum machen wir denn offene Ganztagsgrundschule? – Damit wir gerade die Kinder, die die Förderung nicht vom Elternhaus mitbekommen, mehr an Sport, an Kultur heranführen. Das ist ein Programm auch zur Verminderung der sozialen Spaltung in der Bildung und in der Wahrnehmung von solchen Angeboten.

Da gibt es keinen Dissens zwischen der Kollegin Paul und mir, und da gibt es auch keinen Dissens innerhalb der Landesregierung und sicherlich auch nicht in diesem Hohen Hause. Genau darauf zielen unsere Anstrengungen beim Ganztagsausbau und bei vielen anderen Dingen. Der Kulturrucksack ist zum Beispiel ein Programm, um genau die Kinder zu erreichen, denen es vom Elternhaus nicht mitgegeben wird. Die Schulsportangebote differenzieren nicht danach, ob die Kinder aus armen oder reichen Familien kommen – und das ist auch gut so, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10293 einschließlich des Entschließungsantrags der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/10481 an den Sportausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

4   Gesetz zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/8293

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/10430

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10482

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10483

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion dem Kollegen Stotko das Wort.

Thomas Stotko (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dankenswerterweise zu einer Zeit, in der für viele Bürgerinnen und Bürger zumindest die Möglichkeit zur Wahrnehmung eher machbar ist als abends um neun, beschäftigen wir uns abschließend mit einem der wichtigsten Gesetzesvorhaben des Landes Nordrhein-Westfalen, soweit es den Brand- und Katastrophenschutz betrifft.

Über 80.000 Ehrenamtliche bei der Feuerwehr, fast 20.000 Ehrenamtliche bei den Hilfsorganisationen und über 13.000 hauptamtliche Feuerwehrleute sind von dem heute zu beschließenden Gesetz abhängig, denn auf der Grundlage dieses Gesetzes erfüllen sie jeden Tag ihre Pflicht in Nordrhein-Westfalen, für uns und für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.

Ich kann mich nicht erinnern – das will ich deutlich formulieren –, dass in den letzten Jahren schon einmal ein Gesetz bereits zum Zeitpunkt des Gesetzentwurfs von den Betroffenen eine so breite Zustimmung bekommen hätte wie dieses BHKG. Das ist sicherlich einerseits dem – bald – ehemaligen § 44 FSHG geschuldet, wonach der Zwang besteht, vor Erstellung eines Referentenentwurfs die Betroffenen anzuhören.

Aber insgesamt war dies auch ein Gesetzgebungsprozess, der zwei Jahre lang durch das Ministerium gemeinsam mit den Betroffenen so verantwortungsvoll gestaltet wurde, dass der Großteil der Probleme abgeräumt werden konnte, das heißt die Feuerwehren im Konsens mit den Betroffenen, dem Ministerium und auch im Vorgriff das Parlament all das gelöst haben, was wir sonst hier vielleicht hätten strittig diskutieren müssen.

Ebenfalls ist mir nicht geläufig oder bekannt, dass es einmal gelungen wäre, zu einer Anhörung im Landtag Nordrhein-Westfalen – am 21. August 2015 – eine gemeinsame Stellungnahme aller unterschiedlichen Verbände und Organisationen zu bekommen – 13 an der Zahl –; denn die kommunalen Spitzenverbände, die Feuerwehren und die Hilfsorganisationen haben uns gemeinsam gesagt, welche Veränderungen sie noch wichtig fänden.

Wir werden heute mit dem BHKG – davon gehe ich fest aus – nicht nur die Stärkung des Ehrenamts durch eine veränderte Aufwandsentschädigung oder durch die Kinderfeuerwehr beschließen, wir werden nicht nur den Katastrophenschutz aufwerten und das Zusammenwirken der ehren- und hauptamtlichen Kräfte bei der Feuerwehr ordnungsgemäß auf eine neue Laufbahn bringen, sondern wir haben als SPD-Landtagsfraktion in über 40 Veranstaltungen vor Ort die Betroffenen auch gefragt, welche Themen ihnen noch wichtig sind.

(Beifall von Gordan Dudas [SPD])

– Danke, Herr Kollege! – Bei diesen über 40 Veranstaltungen haben uns die Betroffenen auf Punkte hingewiesen wie die gemeinsame Einsatzleitung, die Betriebszugehörigkeit der Werkfeuerwehren, aber auch die Ölspur- oder Tierkadaverbeseitigung insbesondere im ländlichen Raum.

Deshalb freuen wir uns seitens der Innenpolitik, dass es jetzt gelungen ist, mit einem Änderungsantrag nicht nur der Regierungsfraktionen, sondern auch gemeinsam mit der CDU den Wünschen der Betroffenen insoweit nachzukommen, wie wir es für richtig empfunden haben.

Das heißt, wir werden hier nun die Betriebszugehörigkeit für die Werkfeuerwehren festschreiben. In einem langen Abwägungsprozess haben wir uns, so glauben wir fest, richtigerweise dazu entschieden. Da gebührt der Dank auch den Betroffenen, die sich dort deutlich und mit guten Argumenten dafür eingesetzt haben.

Letztlich machen wir in unserem Entschließungsantrag, den wir auch gemeinsam mit der CDU erstellt haben, noch einmal deutlich, dass drei Punkte eine besondere Bedeutung haben.

Erstens. Das ist die Frage: Warum begegnen manche Menschen den Einsatzkräften, den Polizeibeamten mit sehr wenig Respekt? Und was kann man tun, um den Respekt und die Wertschätzung zu vergrößern?

Zweitens. Wir greifen mit dem Entschließungsantrag noch einmal die Chance auf, in den nächsten Jahren gemeinsam mit kreisangehörigen Gemeinden, mit Kreisen und auch kreisfreien Städten intensiver über den Katastrophenschutz zu beraten.

Drittens. Das ist ein wichtiger Punkt: Zum Thema „Ölspur- und Tierkadaverbeseitigung“ gibt es eine Vereinbarung zwischen den Betroffenen, also zwischen den kommunalen Spitzenverbänden, den Feuerwehren und den beiden Ministerien, nämlich dem Verkehrsministerium und dem Ministerium für Inneres und Kommunales. Diese Vereinbarung wird auch für den ländlichen Raum eine wichtige Veränderung bedeuten.

Ich möchte mich abschließend ausdrücklich nicht nur bei dem Ministerium für die gute Vorarbeit und die gute Zusammenarbeit bei der Erarbeitung des Gesetzes bedanken, sondern auch bei den Betroffenen, die uns auch über die Kirchtürme hinweg gute Hinweise gegeben haben.

Zu guter Letzt – weil sich auch das gehört – möchte ich ausdrücklich der CDU-Landtagsfraktion mit Frau Scharrenbach und allen Betroffenen danken, die es in aller Kleinarbeit und Mühe geschafft haben, dass hier nicht nur die Regierung, sondern auch große Teile der Opposition für dieses Gesetz stimmen werden. Dafür möchte ich nicht nur zur Weihnachtszeit ausdrücklich meinen Dank aussprechen. – Besten Dank.

(Beifall von der SPD und Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Scharrenbach.

(Ina Scharrenbach [CDU] trägt auf dem Weg zum Rednerpult ein Bild in der Hand. – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Bin gespannt, was der Präsident macht!)

Ina Scharrenbach (CDU): Alles abgeklärt! – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Feuerwehren und anerkannte Hilfsorganisationen sind Teil der viersäuligen Sicherheitsarchitektur in der Bundesrepublik Deutschland.

Wir haben im Gegensatz zur SPD, lieber Kollege Stotko, bei allen Gesprächen, die wir geführt haben, immer auch Wert darauf gelegt, dass die anerkannten Hilfsorganisationen mit am Tisch sind; denn das Gesetz, das wir heute verabschieden, dient nicht nur der Neufassung des Brandschutzes und der Hilfeleistung, sondern eben auch des Katastrophenschutzes. Und dort spielen die anerkannten Hilfsorganisationen eine wesentliche Rolle.

Wir haben über 81.000 ehrenamtliche Feuerwehrleute in Nordrhein-Westfalen, über 19.000 Helferinnen und Helfer in eben diesen anerkannten Hilfsorganisationen und über 13.000 hauptamtliche Feuerwehrleute. Und dieses Gesetz ist für sie.

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

Dieses Gesetz ist auch für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land Nordrhein-Westfalen, weil wir uns tagtäglich – 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr – darauf verlassen können, dass sie unseren Bürgerinnen und Bürgern Schutz und Sicherheit geben, wenn diese dessen bedürfen.

Und weil wir uns darauf verlassen dürfen, dürfen sich die Feuerwehrleute und die Helferinnen und Helfer auf uns verlassen – als CDU, heute aber auch als Landtag Nordrhein-Westfalen –, weil wir deutlich machen, dass wir Angriffe gegen Einsatzkräfte nicht dulden, sondern auf das Schärfste verurteilen.

(Beifall von der CDU)

Wir haben Ihnen von SPD und Grünen sehr früh vorgeschlagen, einen Entschließungsantrag auf den Weg zu bringen und das Thema „Angriffe gegen Einsatzkräfte“ mit zu bedenken. Wir haben Ihnen die Punkte vorgeschlagen und haben gesagt: Lassen Sie uns dafür Sorge tragen, dass wir Aggressionen und Gewalt gegen Einsatzkräfte systematisch erheben und auswerten und gleichzeitig zusammen mit dem Institut der Feuerwehr die Prävention, die Vorbereitung unserer Einsatzkräfte auf konfliktträchtige Einsatzsituationen besser in den Griff bekommen. Das haben Sie übernommen.

Wir haben des Weiteren gesagt: Wenn man nachts raus muss, wenn man von seiner Arbeit weggerufen wird, um die Straße zu fegen oder zu reinigen, dann ist das nicht im Sinne des Ehrenamtes. Denn das System der Gefahrenabwehr, das wir haben, ist ein bewährtes System aus Ehren- und Hauptamt – nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in der Bundesrepublik.

Und wenn wir dieses System schützen und für die Zukunft aufstellen wollen, dann müssen wir unseren Ehrenamtlichen den Rücken stärken und sie von Arbeit entlasten, für die sie dem Grunde nach nicht zuständig sind. Bei dem Thema „Ölspurbeseitigung“ haben, glaube ich, alle Abgeordneten dieses Hauses kein Erkenntnisproblem, sondern es ist schlicht ein Vollzugsproblem des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen. Denn dort ist schon heute geregelt, dass die Straßenbaulastträger selbst dafür Sorge zu tragen haben, dass die Verkehrssicherungspflicht auf ihren Straßen geregelt ist.

Wenn man nachts aus seinen Träumen gerufen wird und dann gelegentlich in Einsatzlagen muss, die zu einem Albtraum werden, dann ist es nur recht und billig, wenn der Landtag diesen ehrenamtlichen Kräften heute das Vertrauen ausspricht und sagt: Ja, wir werden das Thema „Ölspurbeseitigung“ im Land Nordrhein-Westfalen regeln. Wir haben als CDU intensiv dafür gekämpft, dass das noch in dieser Legislaturperiode erfolgt.

In dem Entschließungsantrag werden Sie das Datum 31. Dezember 2016 finden. Wir wollen nämlich nicht, dass das Ganze bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag geschoben wird, sondern dass jetzt Lösungen erarbeitet werden. Jetzt ist die Stunde dafür gekommen, und dieses Signal soll heute aus diesem Landtag an die Ehrenamtlichen in Nordrhein-Westfalen gehen.

(Beifall von der CDU)

Lassen Sie mich abschließend noch auf zwei Punkte eingehen. Das Gesetz heißt „Gesetz zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes“. Wenn Sie den ersten Änderungsantrag der CDU aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, dass uns der Katastrophenschutz in diesem Gesetz doch sehr zu kurz kommt. Wir haben Ihnen in mehreren Schritten vorgeschlagen, wie wir das Ganze klar für das Land regeln können. Die Gefahrenlagen sind verändert. Wir haben viele Dinge zu beachten: den Schutz kritischer Infrastruktur genauso wie Kommunikation, Einsatzfähigkeiten und Bereitschaften.

An dieser Stelle sind SPD und Grüne auf die CDU zugekommen und haben gesagt: Wir bekommen das so kurzfristig nicht in dem Gesetz untergebracht, lassen Sie uns das entschließen. – Deshalb finden Sie in dem Entschließungsantrag auch eine Passage dazu, in einen koordinierten Prozess einzusteigen, um die Rahmenbedingungen für den Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen auf tragfähige Füße zu stellen.

Abschließend darf ich Dank aussprechen, und zwar auch von der Kinderfeuerwehr aus Paderborn.

(Ina Scharrenbach [CDU] hält ein Plakat der Kinderfeuerwehr Paderborn hoch.)

Diese hat nämlich meinem Kollegen Daniel Sieveke ein Dankeschön mitgegeben, weil das Thema „Kinderfeuerwehren“ im Jahr 2015 endlich gesetzlich verankert wird.

Die Kollegin Kirstin Korte hatte schon 2012 intensiv im Landtag dafür geworben. Jetzt wird es Realität. Deshalb abschließend: Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr, drum gehe auch du in die Feuerwehr! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Scharrenbach. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Feuerwehrrecht in der Form des jetzigen FSHG ist seit knapp 20 Jahren nicht mehr angepasst worden. Das macht deutlich, dass es wirklich dringend an der Zeit war, hier eine Novelle vorzulegen.

Zur Vorbereitung dieser ja sehr umfassenden Feuerwehrrechtsnovelle hat es ein ausgesprochen breites Beteiligungsverfahren der Feuerwehrverbände durch das Innenministerium gegeben. Dadurch ist nicht nur ein wirklich guter Gesetzentwurf vorgelegt worden, sondern es sind auch schon viele Kompromisse gefunden und Konflikte ausgeräumt worden.

Ich erinnere an die Debatte zur Einbindung der Leitung der hauptamtlichen Kräfte in die Wehrleitung der Freiwilligen Feuerwehren. Das war ja ein großes Thema, das breit diskutiert wurde. Hier ist ein Konsens geschaffen worden, und das schon, bevor das Ganze ins Parlament gekommen ist. Deshalb möchte ich auch der Abteilung 7 im Innenministerium meinen Dank für dieses Beteiligungsverfahren aussprechen.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Den Feuerwehrverbänden möchte ich dafür danken, dass sie an diesem langen und breiten Prozess mitgewirkt haben. Aber ich will natürlich auch SPD und CDU dafür danken, dass wir gemeinsame Änderungsanträge und auch einen gemeinsamen Entschließungsantrag vorlegen konnten; denn ich finde es wichtig, dass wir bei diesem Thema auch gemeinsam vorgehen und gemeinsame Anträge vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Es ist schon gesagt worden: Über 81.000 Bürgerinnen und Bürger sind in den Freiwilligen Feuerwehren engagiert; über 13.000 Menschen sind hauptamtlich bei der Feuerwehr beschäftigt. Fast 20.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in den Hilfsorganisationen sind im Katastrophenschutz tätig. Diese vor allem ehrenamtlich Aktiven sorgen für unsere Sicherheit im Brandschutz, im Katastrophenschutz. Dafür möchte ich einfach mal Danke sagen – dafür, dass sie für uns Tag und Nacht im Einsatz sind und für unsere Sicherheit sorgen.

(Beifall von den GRÜNEN, Hans-Willi Körfges [SPD] und Marc Lürbke [FDP])

Die Zahlen verdeutlichen noch einmal, wie wichtig das Ehrenamt bei den Feuerwehren im Katastrophenschutz ist. Deshalb spielt auch die Stärkung des Ehrenamtes in diesem Gesetz und auch bei unseren Beratungen eine so wichtige Rolle.

Ich komme ganz kurz zu einzelnen inhaltlichen Punkten.

Die Kinderfeuerwehr ist schon angesprochen worden. Mit diesem Gesetz verankern wir die Kinderfeuerwehren für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren auch gesetzlich. Es gibt ja schon Kinderfeuerwehren hier im Land. Bisher sah sie das Gesetz nicht vor; sie waren darin nicht verankert. Ich meine, dass die Kinderfeuerwehren ein gutes Mittel sind, um Kinder schon sehr früh an die Feuerwehren zu binden; dann, wenn sie sich für Feuerwehren begeistern, also im Alter von sechs, sieben Jahren.

Das ist sicher ein guter Schritt; er alleine wird aber das Problem nicht beheben, nämlich dass es schwierig ist, Menschen dafür zu begeistern, ehrenamtlich tätig zu werden. Deshalb gibt es noch viele andere gute Regelungen im Gesetz, zum Beispiel dass Personen auch dann Mitglied der Feuerwehr werden können, wenn sie nicht im aktiven Einsatzdienst sind. Das können Personen sein, die sagen, sie wollen keine Brände löschen, aber zum Beispiel den Internetauftritt der Feuerwehr gestalten. Das ist eine sehr gute Regelung. Hierzu gehört auch, dass es bei den Freiwilligen Feuerwehren Vertrauenspersonen geben soll, die zum Beispiel als Ansprechpartner für neue Mitglieder fungieren können.

Insgesamt ist das also ein gutes Paket, um die Stärkung des Ehrenamts voranzubringen und auch, um unsere Feuerwehren im Land zukunftsfest zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist ein großes Gesetz mit vielen wichtigen Punkten. Die Zeit rast mal wieder; deshalb will ich schnell noch ein paar Punkte nennen.

Das Thema „Ölspuren“ ist auch schon angesprochen worden. Das finde ich auch besonders wichtig; denn die Freiwilligen Feuerwehren gerade im ländlichen Raum berichten uns immer wieder, dass sie nachts und am Wochenende gerufen werden und die Straße fegen müssen. Das schafft natürlich in der eigenen Familie Akzeptanzprobleme, aber auch beim Arbeitgeber.

Deshalb ist es gut, dass es nunmehr eine Vereinbarung gibt zwischen dem Verband der Feuerwehren, den kommunalen Spitzenverbänden, dem Verkehrsministerium und dem Innenministerium, dass man Vorschläge erarbeiten will zur nachhaltigen Verbesserung und Entlastung der Feuerwehren bei der Ölspurbeseitigung. Ich gehe davon aus, dass wir uns sehr bald – in rund einem Jahr – wieder damit beschäftigen werden. Dann haben wir hoffentlich gute Vorschläge hier auf dem Tisch liegen, damit wir bei diesem Thema endlich weiterkommen.

In dem Gesetz ist jedoch nicht nur die Stärkung des Ehrenamtes vorgesehen, sondern der Katastrophenschutz erfährt auch eine deutliche Aufwertung. Das halte ich als Grüne für besonders wichtig, angesichts dessen, dass wir durch den Klimawandel in den nächsten Jahren wahrscheinlich eher mehr als weniger Naturkatastrophen haben werden.

Es ist wichtig, den Katastrophenschutz auf gute Beine zu stellen. Deshalb haben wir im Entschließungsantrag auch noch einmal gesagt: Die Landesregierung ist jetzt aufgefordert, es nicht bei diesem Gesetz bewenden zu lassen, sondern einen Prozess einzuleiten mit den Beteiligten aus dem Katastrophenschutz, um den Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen weiterzuentwickeln.

Insgesamt ist es, wie gesagt, ein gutes Gesetz. Ich würde mich freuen, wenn nicht nur die Grünen, die SPD und die CDU dem zustimmen könnten, sondern vielleicht auch die anderen beiden kleineren Oppositionsfraktionen.

Ich habe im Innenausschuss nur die Kritik gehört, dass wir Sie nicht eingebunden hätten. Sie hätten ja auch auf uns zukommen können. Ich fände es gut, wenn Sie hier über Ihren Schatten springen könnten und dem Gesetz zustimmen würden. Damit würden Sie den Feuerwehren und den Hilfsorganisationen sicher einen Gefallen tun. Daher werbe ich hier noch einmal sehr um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute finden in der Tat lange Beratungen ihren Abschluss. Auch wir als FDP-Fraktion haben diesen wichtigen und weichenstellenden Gesetzentwurf natürlich grundsätzlich sehr positiv begleitet. Auch wir haben übrigens immer gelobt, dass die Einbindung der Experten – wie beispielsweise der Feuerwehren oder der Hilfsorganisationen – in diesem gesamten Prozess der Gesetzgebung durch das Innenministerium vorbildlich war.

Herr Innenminister, wir sind nicht immer einer Meinung.

(Minister Ralf Jäger: Das kommt selten vor!)

Ich nehme mir auch die Freiheit, manches, was Sie machen, zu kritisieren, auch scharf. Aber an dieser Stelle muss man sagen: Das hat das Innenministerium gut gemacht. Dafür will ich auch Danke sagen.

(Minister Ralf Jäger: Ich gebe das gerne weiter!)

Das ist aber auf der anderen Seite quasi das Gegenstück zum Rettungsgesetz, wo das grüne Gesundheitsministerium eigentlich eher eine katastrophale Vorstellung abgeliefert hat. Da sollte man wirklich mal überlegen, ob wir nicht den Bereich des Rettungswesens – wie das in anderen Bundesländern auch der Fall ist – auch ins Innenministerium ziehen. Aber das ist ein anderes Thema.

Meine Damen und Herren, ich glaube, man muss auch noch einmal die vorbildliche Rolle der Verbände betonen, die sich wirklich konstruktiv und sachlich eingebracht und im Vorfeld schon auf gemeinsame Stellungnahmen verständigt haben. Das war zielführend, und das hat hier allen Abgeordneten die Arbeit erleichtert.

Doch nicht nur das! Was schließlich zählt, ist „auf dem Platz“ und wie sich dann die Ausgestaltung des Gesetzes bei den Betroffenen konkret vor Ort auswirkt. Ich glaube – das darf ich für alle sagen –, dass man in diesem Beratungsverfahren wieder einmal gemerkt hat, mit wie viel Leidenschaft, mit wie viel Kompetenz und mit wie viel Engagement die Betroffenen, zum Beispiel die ehrenamtlichen Retter vor Ort, jeden Tag in Nordrhein-Westfalen unterwegs sind. Auch dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

(Beifall von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir als FDP haben früh erklärt, dass wir die moderaten Ergänzungswünsche der Fachleute und der kommunalen Spitzenverbände teilen, etwa zu Themenkomplexen wie der landesweiten Koordinierung von Großschadenslagen oder Regelungen zur kritischen Infrastruktur. Im BHKG müssen eben auch genau diese Verantwortlichkeiten des Landes zur Bekämpfung von überörtlichen Katastrophenlagen festgeschrieben werden. Ich glaube, nach der Tragödie bei der Love Parade trägt das Land Nordrhein-Westfalen hier eine besondere Verantwortung. So weit ist alles richtig und auch gut.

Ich glaube, wir brauchen auch eine gute Gesamtlösung. Umso mehr wäre es angezeigt gewesen, dass sich die Fraktionen hier im Hohen Haus konstruktiv gemeinsam verständigen. Aber das war offensichtlich nicht gewünscht. Dass die Regierungsfraktionen vorbringen – so war es im Innenausschuss zu hören –, man habe die FDP bei einem gemeinsamen Änderungsantrag nicht einbezogen, weil man zum Thema „Werksfeuerwehren“ eine unüberbrückbare Positionsdifferenz vermute, wundert mich.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Körfges zulassen?

Marc Lürbke (FDP): Das überrascht mich wenig. Aber natürlich, Herr Körfges. Bitte.

Hans-Willi Körfges (SPD): Sehr geehrter Herr Kollege, ich nehme den Faden auf und erlaube mir eine ganz konkrete Nachfrage – dann können Sie das ja jetzt für alle klarstellen –: Sind Sie wie CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen für die Beibehaltung der Betriebszugehörigkeit von Angehörigen von Werkfeuerwehren? Sie können einfach mit Ja oder Nein antworten.

(Marcel Hafke [FDP]: Das darf er noch selber entscheiden, wie er antwortet!)

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Herr Körfges, für die Frage. Das Thema „Betriebszugehörigkeit“ ist tatsächlich eine sensible Frage. Das hat die Anhörung gezeigt; das haben die Beratungen gezeigt. Ich möchte mich aber ganz klar dagegen verwahren, wenn es heißt, das hätte die FDP hier aktiv vorgebracht. Zur Wahrheit gehört – das wird an dieser Stelle immer verkürzt –, dass es doch nicht unsere Idee gewesen ist. Die Idee stammt aus dem Innenministerium. Das ist doch letztendlich in den ersten Referentenentwurf hineingeschrieben worden, der dann in die Verbändeanhörung kam.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ich will Ihre Haltung wissen, einfach Ihre Haltung: Ja oder Nein!)

– Herr Körfges, wir brauchen an dieser Stelle sicherlich die Einhaltung von Qualitätsstandards. Das muss praktisch geregelt sein. Das brauchen wir nicht nur auf dem Papier, das brauchen wir vor allen Dingen auch rechtssicher. Und weil wir es gerade rechtssicher brauchen, hätten wir an dieser Stelle eine gemeinsame Lösung gebraucht.

(Lachen von Hans-Willi Körfges [SPD])

Meine Damen und Herren, Fazit der Beratungen dieses Gesetzentwurfes: Es war ein guter Auftakt. Das habe ich hier besonders betont. Es war eine gehaltvolle Beratung, aber jetzt ein Stück weit ein schlechter Abgang – ich glaube, so lässt sich die Beratung dieses Gesetzentwurfes zusammenfassen –; denn einen Tag vor der Endabstimmung im Innenausschuss kommt ein komplexer gemeinsamer Änderungsantrag von SPD, CDU und Grünen um die Ecke, und kurz vor dieser Sitzung hier kommen jetzt noch ein weiterer Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag.

Ich finde, das ist nicht nur schlechter Stil und unkollegial; das Ganze wirkt auch angesichts dieser langen, intensiven Beratungen, die wir über viele Monate geführt haben, wie schnell aus der Hüfte geschossen. Quasi zwischen Einfahrt in die Tiefgarage, Kaffeepause und Einbringung ins Plenum wurde noch schnell das eine oder andere in einen Antrag gepackt. Frau Scharrenbach hat das ausgeführt.

Sie haben gerade noch den Katastrophenschutz angesprochen. Da steht allen Ernstes im letzten Punkt des Entschließungsantrages, dass Sie die Landesregierung auffordern, Vorstellungen zu entwickeln, wie man die Bedingungen des Katastrophenschutzes in Nordrhein-Westfalen bestmöglich anpassen kann.

Meine Damen und Herren, die Bedingungen überlege ich mir doch vor dem Gesetzgebungsverfahren, spätestens währenddessen, aber nicht nachgelagert.

Das ist in gewisser Weise ein Schnellschusspapier, in gewisser Weise auch ein Ankündigungspapier. Ich glaube, damit haben Sie sich keinen sonderlichen Gefallen getan. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Das BHKG ist ein vieldiskutierter Gesetzentwurf mit sehr viel Beteiligung. Darüber haben wir gerade schon viel gehört. Zahlreiche Verbände wurden angehört, Stellungnahmen wurden abgegeben, das Gespräch wurde gesucht und gefunden. Auch wir haben viele Gespräche mit Beteiligten geführt. Eben hat sich Frau Kollegin Schäffer nochmals gewünscht, dass wir dieses Projekt mit allen Fraktionen gemeinsam tragen, wie sie es im Innenausschuss auch schon gesagt hat.

Dem wird leider nicht so sein; denn die immer wieder groß angekündigte Gesprächsbereitschaft der Fraktionen von SPD und Grünen endet meist direkt, nachdem sie ausgesprochen wurde.

Herr Lürbke hat es auch schon erwähnt: Weder die FDP noch die Piraten sind an dem Änderungsantrag der anderen Fraktionen beteiligt worden – und die CDU vermutlich nur deshalb, damit sie nicht ihren eigenen, wesentlich umfangreicheren Änderungsantrag stellt. Insofern kann man wirklich nicht davon sprechen, dass Ihnen Beteiligung wichtig gewesen wäre, liebe Kollegin Schäffer.

Dabei haben wir Piraten uns konkret geäußert. Wir haben konkret bei den Beratungen im Kommunalausschuss und im Innenausschuss angeboten, speziell das Thema „kritische Infrastrukturen“ einzubringen – ein Bereich, der im Gesetzentwurf auch jetzt noch viel zu unterbewertet behandelt wird.

Das BHKG, das Gesetz zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes, soll das Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz, FSHG, ablösen. Das haben wir schon gehört. Das neue Gesetz soll damit eine grundlegende Reform der Feuerwehr und des Rettungswesens darstellen. Die Wiedereinführung des Katastrophenschutzbegriffes im Gesetz ist aus unserer Sicht zu begrüßen und zeigt, welchen Stellenwert der Katastrophenschutz in diesem Gesetz hat bzw. hätte haben müssen.

In einer Zeit, in der durch Optimierung von Geschäftsprozessen sämtliche Reserven, Puffer und Kapazitäten abgebaut und reduziert werden, müssen wir dem Katastrophenschutz eine höhere Priorität, einen höheren Stellenwert einräumen. Gerade in der heutigen vernetzten Welt, in der unterschiedliche Infrastrukturen in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander stehen, braucht es aus unserer Sicht eine systematische Analyse und den Aufbau von entsprechenden Modellen für die Planung und Durchführung von Katastrophenschutzplänen über Kreisgrenzen hinaus.

Sie haben quasi im letzten Moment durch einen Änderungsantrag Auskunftspflichten für lokale Energie- und Wasserversorger ins Gesetz eingebaut.

Aber was ist zum Beispiel mit den Betreibern von Pipelines? Davon gibt es nicht wenige im Land, und sie gehören nicht zu den lokalen Versorgern. Und was ist mit Verkehrsinfrastruktur, Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung? Das alles sind kritische Infrastrukturen, die beim Ausfall wichtiger Elemente schnell große Versorgungsprobleme verursachen können.

Auch über den wichtigen Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik im Katastrophenschutz ist nichts weiter ausgeführt worden. Hier ist auf die Zuständigkeit des Bundes verwiesen worden. Das reicht aber nicht; denn es müssen Schnittstellen und gemeinsame Einrichtungen projektiert werden. Das Gesetz sagt dazu gar nichts.

Ausfälle wie der am 4. Dezember, als bundesweit Telefonanschlüsse, Internetzugänge und Faxleitungen nicht mehr funktionierten und Menschen sogar den Notruf nicht mehr erreichen konnten, zeigen: Hier muss das Land Nordrhein-Westfalen nachsteuern und Risiken minimieren.

Ja, im Gesetzentwurf ist eine Koordinierungsfunktion des Landes bei Großschadensereignissen vorgesehen. Im Haushalt bzw. im Stellenplan ist dafür aber nichts eingeplant. Es gibt schlicht kein Personal für diese Aufgabe. Die vorgesehene Regelung ist daher reine Makulatur. In der Praxis wird sie nicht umgesetzt. Oder möchte Minister Jäger diese Aufgabe dann persönlich übernehmen?

Heute, zum Ende der Beratungen, kommen die regierungstragenden Fraktionen zusammen mit der CDU dann noch mit einem Entschließungsantrag, der offensichtlich Dinge beinhaltet, über die sie sich mit der Landesregierung nicht haben einigen können. Denn sonst stünden sie ja wohl im Gesetz.

Wenn beispielsweise im Katastrophenschutz hauptsächlich von Selbsthilfe der Bevölkerung die Rede ist, dann ist das ja wohl eine Bankrotterklärung Ihrer Position.

Frau Scharrenbach, Sie haben eben gesagt, die Zeit hätte nicht gereicht, sich weiter mit diesen Dingen zu beschäftigen, und Herr Kollege Stotko sprach eben von der langen Beratungszeit von zwei Jahren. Irgendetwas passt da also nicht zusammen.

Ich muss Ihnen deshalb sagen: Wir Piraten finden den Gesetzentwurf in vielen Teilen nicht verkehrt. Er ist uns aber nicht weitgehend genug. Es fehlen die wesentlichen Elemente, um insbesondere den Katastrophenschutz zukunftsfähig aufzustellen. Nur den Begriff „Katastrophe“ wieder ins Gesetz zu schreiben – so drücken Sie es ja im Vortext aus –, reicht eben nicht. Deswegen werden wir Piraten den Gesetzentwurf nicht mittragen und ihn ablehnen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Hermann. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf lösen wir ein Gesetz aus dem letzten Jahrtausend ab. Das klingt vielleicht historischer, als es ist. Aber in der Tat wurden seit 1998 die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes kaum geändert. Die Realität der Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner hat sich allerdings erheblich gewandelt. Wir wollen deshalb mit diesem Gesetzentwurf den Katastrophenschutz und den Brandschutz in Nordrhein-Westfalen zukunftsfest machen.

Dieser Gesetzentwurf verfolgt drei wesentliche Ziele: Wir wollen den Katastrophenschutz aufwerten. Wir wollen die Regelungen zum Brandschutz anpassen. Vor allem aber wollen wir das Ehrenamt als Basis der Aufgabenerfüllung weiter stärken.

Die Zahlen sind schon genannt worden. 100.000 Menschen in diesem Land arbeiten ehrenamtlich als Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren und der Katastrophenschutzorganisationen. 13.000 hauptamtliche Kräfte sind bei der Feuerwehr beschäftigt. Aber auch diese Menschen sind Teil einer Gesellschaft, deren Altersstruktur sich verändert. Deshalb müssen wir, wenn wir die Leistungsstärke des Katastrophenschutzes und des Brandschutzes in Nordrhein-Westfalen aufrechterhalten wollen, diejenigen Menschen in den Blick nehmen, die ehrenamtlich in diesen Organisationen tätig sind. Wir müssen das Amt attraktiver machen. Wir müssen das Amt weiter fördern.

Das Gesetz stellt dazu, wie wir sehen, die richtigen Weichen. Die Kinder- und Jugendfeuerwehren sind schon genannt worden. Genauso sind die Aufwandsentschädigung und die Ruhezeiten anzuführen.

Es gibt das wichtige Projekt „Feuerwehrensache“, in dessen Rahmen wir gemeinsam mit den Akteuren vor Ort versuchen, das Ehrenamt bei der freiwilligen Feuerwehr attraktiver zu machen. Viele Vorschläge, die in Workshops erarbeitet wurden, sind in dieses Gesetzgebungsverfahren eingeflossen.

Meine Damen und Herren, wir haben bei den etwas in die Jahre gekommenen rechtlichen Grundlagen des Katastrophenschutzes nachjustiert. Übereinstimmend waren wir der Meinung, dass die Aufgabe des Katastrophenschutzes zu stärken ist. Dazu wird in dem Gesetzentwurf vorgeschlagen, einheitliche Strukturen für ein Krisenmanagement vom Kreis über die Bezirksregierungen bis hin zum Ministerium zu schaffen. Das sind, meine Damen und Herren, seit Langem geforderte Punkte, die wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nun klären konnten.

Im Übrigen haben wir auch – für manch einen ist das eine Petitesse; aber ich bin dankbar, dass die Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen das nach den Anhörungen aufgenommen haben – den Unfallschutz für ehrenamtliche Feuerwehrleute klären können. Die Unfallkasse wird zukünftig auch dort eine finanzielle Unterstützung leisten können, wo das bisher nicht möglich war. Meine Damen und Herren, das ist das Mindeste, was wir denjenigen gewähren können, die in diesem Ehrenamt zu Schaden gekommen sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Entstehungsprozess dieses Gesetzes ist von vielen Seiten gelobt worden – heute auch hier im Parlament. Dafür danke ich. Das gebe ich gerne an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter. Genauso danke ich auch den Hilfsorganisationen, den Katastrophenschutzorganisationen und den Feuerwehren, die aktiv bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes mitgewirkt haben.

Eine Bitte habe ich noch: Wenn dieser, wie ich finde, in einem guten Prozess zustande gekommene Gesetzentwurf hier eine breite Mehrheit finden würde, wäre das auch eine Bestätigung für all diejenigen, die an der Erstellung dieses Gesetzentwurfes mitgearbeitet haben. Ich habe so das Gefühl, dass der eine oder andere heute hier bei diesem Gesetz Haare gesucht hat, wo keine Suppe ist. Deshalb bitte ich einfach, diese Position vielleicht noch einmal zu überdenken und diesem guten Gesetz zuzustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Ich rufe erstens die Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/10482 auf. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/10482 mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP-Fraktion und der Fraktion der Piraten angenommen.

Ich rufe zweitens die Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/8293 auf. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10430, den Gesetzentwurf Drucksache 16/8293 in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung Drucksache 16/10430 in der soeben geänderten Fassung und nicht über den Gesetzentwurf. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/8293 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 16/10430 unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucksache 16/10482 mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Piraten und Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.

Ich rufe drittens die Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/10483 auf. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/10483 mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP-Fraktion und Gegenstimmen der Fraktion der Piraten angenommen.

Ich rufe auf:

5   Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Alten- und Pflegegesetzes Nordrhein-Westfalen und nach § 92 SGB XI (APG DVO NRW)

Entwurf
der Landesregierung
Vorlage 16/3510

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 16/10431

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt dem Landtag in Drucksache 16/10431, sein Einvernehmen zu dem Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Alten- und Pflegegesetzes Nordrhein-Westfalen und nach § 92 SGB XI in Vorlage 16/3510 zu erteilen. Wir kommen zur Abstimmung über die Erteilung des Einvernehmens und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer kann dem seine Zustimmung geben? – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist das Einvernehmen bei Enthaltung der FDP-Fraktion einvernehmlich hergestellt.

Ich rufe auf:

6   Grundwasser und Natur in NRW schützen – Neue Düngeverordnung umweltgerecht und praxisnah gestalten

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10417

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Watermann-Krass das Wort.

Annette Watermann-Krass (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Antrag geht es uns darum, die Bundesebene aufzufordern, endlich mit der Novellierung der Düngeverordnung und des Düngegesetzes voranzukommen; denn seit 2013 ist von der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen zu hoher Nitratwerte im Wasser gegen Deutschland eröffnet worden.

Die Zeit drängt, weil hohe Strafzahlungen zu befürchten sind. Aktuell droht auch ein zweites Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Wasserrahmenrichtlinie. Auch hier geht es um die hohe Belastung unseres Grundwassers mit Nitrat.

Das Europäische Parlament fordert seit dieser Zeit eine beträchtliche Verringerung der landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen und eine Reduzierung der Nitrat- und Phosphatdüngung. Zahlen, wie es in NRW aussieht, liegen vor: erstens aus dem NRW-Nitratbericht der Landesregierung und zweitens aus der Antwort auf die Große Anfrage. Daraus kann man klare Handlungsbedarfe ableiten.

Gerade in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten von NRW sind die Nitratkonzentrationen seit über 20 Jahren gleichbleibend hoch oder auch steigend. 40 % der Grundwasserkörper sind davon betroffen. Deshalb erwarten wir, dass die Bundesebene endlich die Düngeverordnung auf den Weg bringt, damit es hinsichtlich der Nitratbelastung eine rasche und deutliche Reduzierung der Einträge gibt.

(Christof Rasche [FDP]: Rasche? – Heiterkeit von Norbert Meesters [SPD] – Gegenruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Rasch, rasch!)

Wichtig ist uns dabei, dass es keine Überregulierung von landwirtschaftlichen Betrieben gibt. Betriebe, die kein erhöhtes Risikopotenzial darstellen, sowie Regionen ohne Nitratprobleme brauchen angepasste Regelungen in der neuen Düngeverordnung.

(Beifall von der SPD)

Die Neuregelungen sollen entsprechend dem Verursacherprinzip gezielt bei denjenigen Betrieben ansetzen, die für die hohen Stickstoffüberschüsse hauptverantwortlich sind.

(Beifall von der SPD – Lebhafter Beifall von Norwich Rüße [GRÜNE])

Dabei dürfen Betriebe, die Weidehaltung betreiben oder Festsysteme nutzen, natürlich nicht benachteiligt werden.

Hier einige unserer Forderungen:

Erstens. Wir fordern wie im Entwurf auf der Bundesebene die Hoftorbilanz.

Zweitens. Wir brauchen einen Datenabgleich.

Drittens. Wir wollen die Länderöffnungsklausel nutzen, fordern aber gleichzeitig, dass der Bund bei der Regelung zur Ausweisung von Risikogebieten die regionalen Besonderheiten berücksichtigt.

Viertens. Diese Risikogebiete – wir meinen damit die Flächen, die beim Grundwasserkörper rot markiert worden sind – müssen rechtssicher definiert und auch abgrenzbar sein.

Fünftens. Standortspezifische Voraussetzungen wie Bodenqualitäten, aber auch Vorbelastungen aus Stickstoffemissionen müssen bei der Düngung zukünftig stärker berücksichtigt werden

Sechstens. Wir wollen veränderte Vorgaben beim Ausbringen von Humusdünger, Rottemist, Festmist und Kompost. Das sind übrigens schon Forderungen von der Bundesebene.

Zum Schluss fordern wir ein nationales Aktionsprogramm zur landwirtschaftlichen Düngung und damit verbunden mehr Forschung und Entwicklung in diesem Bereich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir meinen: Es wird Zeit. Es wird Zeit, zu handeln. Wir wollen und müssen endlich unser Grundwasser und unsere Natur in NRW schützen. Deshalb fordern wir die Bundesebene auf, die Düngeverordnung endlich zu reformieren.

(Karlheinz Busen [FDP]: Richtig!)

Bitte stimmen Sie der Überweisung zu. Wir freuen uns auf die Diskussion im Fachausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Watermann-Krass. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Rüße.

(Karlheinz Busen [FDP]: Sie stimmen bestimmt zu!)

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte bei diesem Antrag 30 Jahre zurückgehen. Vor 30 Jahren – das ist in diesem Jahr also ein Jubiläum – erschien das Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen zu den Umweltproblemen in der Landwirtschaft. Das ist ein Buch, das es sich immer noch zu lesen lohnt. Das Spannende an dieser Studie ist, dass sie vor dem Hintergrund entstanden ist, dass es zu Gewässerverunreinigungen mit zu hoher Nitratbelastung gekommen ist. Das war, wie gesagt, vor 30 Jahren.

Schon vor 30 Jahren hat uns dieser Bericht zwei entscheidende Faktoren genannt, woran es liegt, dass wir diese Nitratverschmutzung haben, und wie wir sie in den Griff kriegen können.

Der erste Faktor ist, dass die Landwirtschaft deutlich intensiviert worden ist. Von 1960 bis 1990 ist sie durch ständig steigenden Stickstoff-Input gekennzeichnet. Das heißt, die Bauern haben immer mehr Stickstoff eingesetzt. Seit 1990 ist dieser Input nicht weiter gestiegen, aber auf gleichbleibend hohem Niveau geblieben.

Der zweite Faktor – auch diesen darf man nicht vernachlässigen – ist, dass es auch in der Tierhaltung zu einer Umstellung kam. Die Tiere wurden nicht mehr auf Festmist, auf Stroh, sondern in Güllewirtschaftssystemen und Spaltenbodensystemen gehalten. Das ist ein entscheidender Punkt; denn Gülle verhält sich in der Umwelt anders als Festmist. Gülle ist ein Stoff, der viele leicht lösliche Stickstoffverbindungen, aber nur wenig organischen Stickstoff enthält. Das heißt, im Mist ist der Stickstoff gebunden und wird nicht so leicht freigesetzt. In der Gülle hingegen ist der Stickstoff, genauso wie beim Mineraldünger, leicht löslich. Das ist ein ganz entscheidender Punkt – Herr Rasche, Sie lachen; aber hier können Sie etwas lernen –, warum es in den letzten 30 Jahren seit dieser Umstellung zu der Nitratauswaschung in die Böden hinein kam.

Wir wissen, dass wir dieses Problem insbesondere auf den leichten Böden haben, also genau in den Regionen, in denen die Viehhaltung besonders intensiv ist.

Darüber hinaus – das wurde schon damals beschrieben – erfolgt oftmals ein falscher Umgang mit Gülle. Wir sehen, dass die Einzelgaben zu hoch sind. Gülle wird nicht wie Mineraldünger eingesetzt. Man müsste Gülle eigentlich in kleinen Einzelgaben geben, also immer entsprechend dem Bedarf in der Wachstumsperiode. Es passiert aber oft etwas anderes: Man verwendet am Anfang zum Pflügen viel Gülle, danach schaut man, was verbraucht wird, und ein Teil gelangt unweigerlich ins Grundwasser.

Das Problem, das wir haben, ist leicht beschrieben: Seit Jahrzehnten können wir den EU-Grenzwert für Wasser – 50 mg Nitrat pro Liter – nur schwer einhalten. Wir haben viele belastete Brunnen, gerade Hauswasserbrunnen; wir alle kennen die aktuellen Recherchen des WDR. Das Problem ist vorhanden. Ich will an der Stelle hinweisen, dass die 50 mg/l der Grenzwert sind. Die EU möchte eigentlich, dass ein Grenzwert von 25 mg/l eingehalten wird. 25 mg/l sind also unser Ziel. Aber wir schaffen es nicht einmal, den Grenzwert von 50 mg/l einzuhalten.

Das zweite Problem heißt Pyrit. In der Vergangenheit hatten wir noch das Glück, dass viel Stickstoff im Boden abgepuffert worden ist und nicht ins Grundwasser gelangte. Das war möglich, weil wir im Boden genau diesen Stoff Pyrit haben, der den Stickstoff bindet und ihn nicht in Grundwasser entlässt. Dieser Zaubervorrat des Bodens, der uns in den letzten Jahrzehnten geholfen hat, ist aber aufgebraucht. Das heißt: Wenn wir uns im Umgang mit Stickstoff nicht verbessern, wird es in Zukunft garantiert nicht besser werden.

Wir wissen also seit 30 Jahren um das Problem. Seit 30 Jahren wissen wir eigentlich auch, wie wir es besser machen könnten.

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der jetzt vorgelegte Entwurf der Düngeverordnung eine Zumutung für uns alle. Gegen diese Zumutung gab es auch massiven Protest seitens der Wasserwirtschaft, die natürlich sagt: 30 Jahre lang ist nichts passiert, und jetzt soll wieder nicht wirklich etwas passieren.

An dieser Stelle müssen wir betonen: Es geht darum, dass wir unser wichtigstes Lebensmittel, unser Trinkwasser, ausreichend schützen. Die Menschen hier im Land NRW haben auch einen Anspruch darauf, dass wir das tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, dabei muss uns der Bund helfen. Der Bund muss endlich eine ambitionierte Düngeverordnung vorlegen. Wir brauchen – das haben wir im Antrag dargestellt – endlich die Hoftorbilanz. Das muss nicht kompliziert gemacht werden, sondern soll für die Bauern handhabbar sein. Die Hoftorbilanz ist aber das Mittel, um wirklich zu sehen, ob die Bilanzen stimmen. Wir müssen genau wissen, was pro Hof effektiv umgesetzt wird und was verloren geht.

Wir brauchen einen besseren Datenaustausch, um endlich zu sehen, wie viel Gülle wirklich entsteht, wie sie verbracht wird und wie sie verwendet wird.

Außerdem ist wichtig, dass wir die Düngeverordnung praxisorientiert gestalten. Wir müssen also das berücksichtigen, was alle Bäuerinnen und Bauern wissen: Auf leichten Böden ist die Auswaschungsgefahr groß, auf schweren Böden ist sie nicht so groß. Das muss doch Berücksichtigung finden.

Ein Punkt ist mir besonders wichtig: Es kann nicht sein, dass die Verluste aus Lagerung und Haltung – die Emissionen aus Stallanlagen machen immerhin 50 kg Nitrat pro Hektar Nutzfläche in den Veredlungsregionen aus – auf Nimmerwiedersehen verschwinden und nirgendwo angerechnet werden.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Ich komme zum Schluss. Wir brauchen eine gute, praxisnahe Düngeverordnung. Das muss jetzt angegangen werden. Wir wollen das mit unserem Antrag anregen. Ich freue mich auf die Diskussion.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Rüße. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Fehring. Bitte schön.

Hubertus Fehring (CDU): Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, weshalb Sie diesen Antrag noch zum Ende des Jahres eingebracht haben, ist nur schwerlich nachzuvollziehen. Wir wissen schließlich alle, dass die Düngeverordnung zurzeit in Berlin behandelt wird; Frau Watermann-Krass hat auch darauf hingewiesen. Allerdings befinden sich die Grünen dort, lieber Kollege Rüße, in einer anderen Position. Vielleicht erklärt das den heute vorliegenden Antrag.

Wir haben in Deutschland, wir haben in NRW punktuell Nitratbelastungen in den Gewässern einschließlich des Grundwassers. Das möchte ich nicht schönreden. Hier müssen wir handeln – aber bitte mit Augenmaß.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rüße zulassen?

Hubertus Fehring (CDU): Ja, bitte.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Kollege Fehring. – Sie haben gesagt, Sie würden nicht verstehen, warum wir diesen Antrag jetzt zum Jahresende stellen. Ich kann Ihnen das ganz einfach erklären: Wir haben überhaupt keine Vorstellungskraft mehr …

(Zurufe von der CDU: Frage!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frage!

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, die kommt. – Wir haben überhaupt keine Vorstellungskraft mehr, wann denn diese Düngeverordnung von Ihrer Bundesregierung bzw. unserer Bundesregierung endlich in Kraft gesetzt wird.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Fragen!)

Ich hätte gerne von Ihnen gewusst, wann das Ihrer Meinung nach passieren wird.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege.

Hubertus Fehring (CDU): Nach meinem Kenntnisstand sind die Beratungen so weit, dass zum kommenden Jahr die Düngeverordnung überarbeitet sein wird. Sie müssen sich also noch ein halbes Jahr gedulden.

Wir waren beim Augenmaß, lieber Herr Rüße. Denn richtig ist auch, dass bei 85 % der 800 Messstellen in Deutschland die strengen Nitratgrenzwerte für Grundwasser eingehalten werden. Bei Ihrer Argumentation hat man mitunter den Eindruck, es sei umgekehrt. In Anbetracht dessen ist es nicht sachgerecht, mit dem sogenannten Belastungsmessnetz nur an Problemstandorten zu messen und dann allen Landwirten unzureichende Fortschritte beim Gewässerschutz anzulasten.

Als praktizierender Landwirt ist mir wichtig, dass wir die Düngeverordnung mit dem Ziel überarbeiten, das Düngen unserer Landwirtschaft und unserer Feldfrüchte weiterhin bedarfsgerecht zu ermöglichen. Nun haben Sie, Herr Rüße, vorhin in Ihrem Beitrag sehr detailliert dargestellt, weshalb und warum. Dabei bildete natürlich die Gülle den Kernpunkt Ihrer Auseinandersetzung.

Es ist sicherlich richtig, dass wir aufgrund der Entwicklung der Tierhaltung – ich meine den Umstieg von der Haltung auf Festmist hin zu Güllewirtschaftssystemen – mehr Probleme haben; darin sind wir beide uns einig. Aber Sie werden mir sicherlich auch bei der Feststellung zustimmen, dass man, wenn vernünftig damit umgegangen wird – und davon gehe ich aus –, auch mit Gülle bedarfsgerecht düngen kann, ohne den Boden zusätzlich zu belasten. Allerdings muss man dann – Sie haben es bereits gesagt – darauf achten, ob es sich um leichten oder schweren Boden handelt. Es ist also generell möglich, und insofern muss die Gülle nicht immer der Prellbock für die Nitratverseuchung sein.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ellerbrock zulassen?

Hubertus Fehring (CDU): Ja, lieber Holger.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Also doch. Bitte schön, Herr Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege, Sie hatten gerade sehr praxisorientiert dargestellt, wie man miteinander umgeht. Würden Sie es begrüßen, wenn in dieser Düngeverordnung die in Nordrhein-Westfalen seit Matthiesens Zeiten doch durchaus bewährte Kooperation zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft forciert und dies abseits der staatlichen Kontrollorgane zwischen diesen beiden Partnern bewährt geregelt würde?

Hubertus Fehring (CDU): Herr Ellerbrock, da sage ich aus vollem Herzen Ja.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Dachte ich mir doch! – Heiterkeit von Christof Rasche [FDP] – Minister Johannes Remmel: Stützfrage!)

– Stützfrage, genau. Danke, Herr Minister.

Dass die Novellierung der Düngeverordnung unter dem Gesichtspunkt des Gewässerschutzes beispielsweise in Form einer Senkung der Nitratbelastung notwendig ist, ist uns allen klar. Wir wissen: Zu hohe Gewässerbelastungen gefährden nicht zuletzt die Volksgesundheit. Eine Novelle muss daher auch zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger so weitgehend wie möglich erfolgen.

Doch was ist nötig, und was ist erforderlich? Die Düngeverordnung muss mit der Zielsetzung überarbeitet werden, einerseits in Gebieten mit einer besonderen Gefährdungslage hinsichtlich der Nitratbelastung eine wirksame Reduzierung der Einträge zu erreichen und andererseits eine Überregulierung von landwirtschaftlichen Betrieben, insbesondere in Regionen ohne Nitratprobleme, zu vermeiden. Ich denke, darin sind wir uns auch einig.

Nährstoffe im landwirtschaftlichen Betrieb sollen möglichst effizient genutzt und Verluste minimiert werden, um so die Umweltleistung der Betriebe zu verbessern, ohne dabei die Praxistauglichkeit zu gefährden. Insbesondere dürfen Betriebe, die Weidehaltung oder Festmistsysteme praktizieren, nicht benachteiligt werden.

(Beifall von Norwich Rüße [GRÜNE])

Darin sind wir uns auch einig.

Im Falle einer unzumutbaren Verschärfung der Düngeverordnung bezüglich der Lagerung usw. würde sich der Rückgang gerade der landwirtschaftlichen Betriebe, die Tierhaltung betreiben, weiter fortsetzen. Dies kann nicht im Sinne einer regionalen Erzeugung sein.

Die Düngeverordnung wird aber nur dann ihre Wirkung entfalten können, wenn sie vollzogen werden kann. Um Plausibilitätsuntersuchungen ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Landwirtschaft zu ermöglichen, sollte geprüft werden, wie Daten, die zu anderen als düngerechtlichen Zwecken erhoben werden, unter Beachtung des Datenschutzes auch für die Kontrolle der Düngeverordnung eingesetzt werden können. Ich begrüße es daher, dass die Argumente auch in Ihrem Antrag stehen.

Ihre Aussagen zum Rottemist, Festmist und Kompost sind ebenfalls praxisgerecht. Ich begrüße das, werden doch somit gerade den kleineren, häufig auslaufenden oder im Nebenerwerb geführten Betrieben nicht noch zusätzliche Belastungen auferlegt, die zudem die Nitratbelastung nicht spürbar verbessern würden.

Etwas überrascht hat mich die Tatsache, dass in Ihrem Antrag kein Wort über den ökologischen Anbau verloren wird, der Bewirtschaftungsform, die bezüglich der Stickstoffeinträge in der Regel positiv abschneidet. Das Nichterwähnen des biologischen Anbaus zeigt mir, dass auch Ihnen bekannt ist, dass zum Beispiel nach Kleegrasumbrüchen durchaus Nitratauswaschungen vorkommen können. Das hängt auch mit den Böden zusammen. Herr Rüße, Ihnen erzähle ich damit nichts Neues. In dieser Hinsicht haben wir Biobetriebe hin und wieder auch ein Problem.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Ich wollte nicht trennen!)

Dieses Beispiel verdeutlicht die Komplexität des Themas und sollte uns vor voreiliger Schuldzuweisung warnen. Bereits jetzt wird Dünger sehr gezielt eingesetzt. Die Stickstofffracht verringert sich, doch es dauert teils bis zu 20 Jahre, bis sich dies im Grundwasser bemerkbar macht. Diese Zahl haben wir vorhin schon einmal gehört.

Im Fachausschuss können wir demnächst noch viele Detailfragen, zum Beispiel zur Lagerung von Humusdüngern oder zur Sinnhaftigkeit einer Länderöffnungsklausel, erläutern. Ich wünsche mir eine sachliche Beratung zum Nutzen aller Beteiligten und sehe der Ausschussberatung mit Interesse und Freude entgegen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Fehring. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Busen das Wort.

Karlheinz Busen (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicher gibt es ein Problem mit erhöhten Nitratwerten im Grundwasser. Sicher gibt es auch ein Problem mit Gülletransporten aus den Niederlanden in die grenznahe Region von Nordrhein-Westfalen.

Meine Heimat ist der Kreis Borken. Daher weiß ich um die Probleme der Veredelungsregionen. Ich weiß, wie weit sich diese durch die Biogasanlagen verschärft haben, die auch in unserer Region wie Pilze aus dem Boden geschossen sind.

Fakt ist aber auch, dass niemand mehr die Augen vor diesem Problem verschließt. Die Politik, die Landwirte und die Bauernverbände sind sensibilisiert und versuchen selbstverständlich, diese Problematik zu lösen.

Hier treffen wir wieder auf das übliche Muster rot-grüner Politik: kein Wort zu den Bemühungen und Fortschritten auf allen Ebenen, kein Wort dazu, dass der Nitratbericht des LANUV eine grundsätzliche Verbesserung der Situation bei der Nitratbelastung im Grundwasser beschreibt.

Trotzdem bleibt natürlich ein Problem, das wir lösen müssen. Aber mit Ihrer Politik stehen Sie einer Lösung doch im Weg. Warten Sie doch einmal die Verordnung des Bundes ab, statt die Verhandlungen mit immer neuen Forderungen zu überfrachten und noch komplizierter zu machen! Dem Vernehmen nach bewegt sich der Bund doch bereits in die Richtung, die Sie hier einfordern. Entweder wollen Sie mit Ihrem Antrag am Ende Lorbeeren ernten, die Ihnen gar nicht zustehen, oder aber Sie versuchen, die Sache unnötig in die Länge zu ziehen.

(Christof Rasche [FDP]: So ist das!)

Aber dafür ist keine Zeit. Wir brauchen endlich eine vernünftige Basis für die Kontrolle der Güllemengen, und das so schnell wie möglich.

(Zuruf von der SPD: Stimmen Sie unserem Antrag zu!)

Wir sehen doch, dass sich auch grüne Landwirtschaftsminister im Bundesrat gegenseitig im Weg stehen. Die umstrittene ganzjährige Anbindehaltung, die auch von den Tierärzten abgelehnt wird und zu der ein Verbotsantrag aus Hessen vorliegt, wird von einem grünen Landwirtschaftsminister aus Niedersachsen blockiert und wurde jetzt auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

Das Gleiche darf mit der Gülleverordnung nicht geschehen. Daher ist es redlich, darauf zu warten, dass eine verlässliche Bewertungs- und Berechnungsgrundlage für eine Hoftorbilanz – das hatten Sie angeschnitten, Herr Rüße – entwickelt wird. Das versucht der Bund gerade.

Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, haben nämlich auch keine vernünftige Grundlage. Trotzdem fordern Sie mit Ihrem Antrag bereits ein Datum zur verbindlichen Einführung. Die Probleme beim Datenschutz erwähnen Sie nicht. Ebenso erwähnen Sie nicht, dass die Messungen einzelne Höfe gar nicht erfassen. Damit kann das Problem entstehen, dass eine Region hohe Auflagen bekommt, die einem Hof schaden, der selbst gar nicht dafür verantwortlich ist. Das geht einfach nicht.

Natürlich fordern Sie, wie immer, mehr Steuerungsmöglichkeiten auf Landesebene. Das ist grundsätzlich nicht falsch. Aber wir und die Landwirte wissen doch aus bitterer Erfahrung der letzten Jahre, was das im Endeffekt bedeutet.

(Beifall von Christof Rasche [FDP])

Sie suchen nur ein neues Steuerungselement, mit dem Sie die Landwirte in Nordrhein-Westfalen am grünen Gängelband führen können.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Busen, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen? Eigentlich hat sich Frau Beer gemeldet, aber ich vermute, Herr Rüße möchte Ihnen gerne eine Frage stellen. Lassen Sie diese zu?

Karlheinz Busen (FDP): Ja.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bitte, Herr Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Lieber Kollege Busen, vielen Dank dafür, dass Sie meine Frage zulassen. Sie sprechen vom „grünen Gängelband“. Der Umweltminister hat den sogenannten Herbsterlass erlassen, durch den die Begüllung der Flächen im Herbst verringert werden soll. Was halten Sie von dieser Initiative des Umweltministers? Wie finden Sie diesen Erlass?

Karlheinz Busen (FDP): Ich spreche ganz bewusst vom „grünen Gängelband“. Es ist ja nicht nur in diesem Fall so, sondern auch in allen anderen Bereichen. Gehen wir nur von der Landwirtschaft zur Forstwirtschaft mit dem Totholz und dem Landschaftsschutzgesetz.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Thema verfehlt!)

In allen Bereichen wollen Sie den Bauern erzählen, wie sie es machen müssen, obwohl Sie davon gar keine Ahnung haben.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD: Das ist keine Parallelwelt, Herr Busen!)

Herr Rüße, wie ist es zu verstehen, wenn Sie nun Humusdünger wie Festmist und Kompost privilegieren wollen? Nährstoff ist Nährstoff.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Nein, das habe ich Ihnen eben erklärt!)

Sie müssen doch aus den Erfahrungen mit den Biogasanlagen gelernt haben. Dem Grundwasser ist es egal, ob das Nitrat, das dort einsickert, aus Mist, Gülle oder Gärresten stammt. Für die Versorgung der Menschen in Nordrhein-Westfalen mit sauberem Wasser sind alle drei Arten bedeutend. Das sieht übrigens die Europäische Kommission genauso. Zwar wurde im Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich das begrenzte Risiko von Gewässerverunreinigungen aus kompaktem Strohmist anerkannt, aber für Deutschland fordert die Kommission dennoch eine Sperrfrist auch für diese Dünger, und das aus gutem Grund.

Die von Ihnen vorgetragenen Punkte tragen wir daher nicht mit. Wir sollten erst einmal auf die Verordnung aus Berlin warten. – Danke.

(Beifall von der FDP – Norwich Rüße [GRÜNE]: Aber wir diskutieren es gemeinsam!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Busen. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Rohwedder das Wort.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und draußen im Stream! Die Nitratbelastung ist seit mehr als 30 Jahren ein Thema. Aber es brauchte zuerst einmal wieder ein EU-Vertragsverletzungsverfahren, bevor man in Deutschland aus dem Quark kam.

In Dänemark hatte man das Thema schon in den 1990ern auf dem Schirm. Der dortige Stickstoffplan brachte mit seinen Auflagen für die Landwirtschaft einige Verbesserungen, aber auch die Erkenntnis, dass die Landwirtschaft nicht alleiniger Verursacher ist. Ein guter Teil der Einträge dort stammt aus West- und Mitteleuropa, aus Verkehr und Industrie bei uns.

Aber besser spät als nie! Wie gesagt, die Landwirtschaft ist auf der einen Seite nicht allein verantwortlich. Auf der anderen Seite ist sie aber auch für weitere Belastungen wie Antibiotika, Phosphor plus Uran und Pestizide verantwortlich. Das alles ist aber wegen des EU-Vertragsverletzungsverfahrens mit alleinigem Bezug auf Stickstoff jetzt hier kein Thema.

So bequemte man sich auf Bundesebene, eine neue Düngeverordnung zu entwerfen. Diese reicht den regierungstragenden Fraktionen hier nicht. Wir sehen das auch so. Eine sofortige Hoftorbilanz ist selbstverständlich besser als die vom Bund erst ab 2018 vorgeschlagene. Auch die Forderung, hier nach niedersächsischem Beispiel eine zentrale Datenbank zur Erfassung der betrieblichen Nährstoffvergleiche einzurichten, ist unterstützenswert.

Angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen in einzelnen Ländern, aber auch innerhalb jedes einzelnen Landes, sind sowohl die Belastungen als auch die zu treffenden Maßnahmen regional unterschiedlich. Entsprechend ist die eigene Regelbefugnis, die Länderöffnungsklausel, unumgänglich, um für besonders stark belastete Gebiete regional mit Vorschriften eingreifen zu können.

Interessant finde ich die Aussage in der Antragsbegründung, in den landwirtschaftlichen Intensivregionen seien viele Privatbrunnen wegen zu hoher Nitratbelastungen bereits geschlossen worden, und aktuell liege dort etwa ein Fünftel der Brunnen oberhalb des Nitratgrenzwertes.

Mir ist bekannt, dass der WDR bei seinen Recherchen zum Thema Nitratbelastung große Schwierigkeiten hatte, an die Daten betreffs privater Brunnen zu kommen. Während die vom LANUV erhobenen Daten frei zugänglich sind, obliegt die Überwachung der immerhin um 6.000 privaten Brunnen den Gesundheitsämtern in kommunaler Regie. Laut Aussage eines WDR?Rechercheurs mir gegenüber weigerten sich die Gesundheitsämter flächendeckend mit fast identischen Begründungen, diese Daten herauszugeben. Als Vorwand diente der Datenschutz.

Eine Anonymisierung derartiger Daten ist unproblematisch. Wir fordern unablässig, dass mit öffentlichen Mitteln erhobene Daten auch der Öffentlichkeit gehören, also in einer datenschutzrechtlich unbedenklichen Form zu veröffentlichen sind.

(Beifall von den PIRATEN)

Diese Forderung wiederholen wir auch hier. Die Zeiten des Obrigkeitsstaates sind vorbei, Herr Hovenjürgen.

Diese Daten sind relevant für die Beurteilung der Situation und auch zur Evaluation der Veränderungen, die eine verbesserte Düngemittelverordnung hoffentlich bringen wird. Wir sollten im Ausschuss gemeinsam einen Weg finden, das zu erreichen. Vielleicht kann das LANUV das auch sammeln, die anonymisierten Daten dann übernehmen und veröffentlichen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Rohwedder, würden Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Hovenjürgen zulassen?

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Gerne.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bitte, Herr Kollege.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Rohwedder, die von den Kreisgesundheitsämtern verwalteten Untersuchungsbefunde sind durch die Brunnenbesitzer selbst veranlasst und bezahlt worden. Das ist sozusagen deren Eigentum. Sie müssen das gegenüber dem Kreisgesundheitsamt belegen. Diese Befunde kann ich nicht einfach durch die Welt schicken. Das müssten Sie akzeptieren, das hat auch etwas mit Datenschutz zu tun.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Wir wollen die Befunde nicht einfach durch die Welt schicken. Sie sollen anonymisiert werden. Es ist auch völlig uninteressant, ob der Boden von Meier, Müller oder Schulze über den Grenzwerten liegt oder darunter; es geht einfach darum, flächendeckend eine bessere Aussage über den Zustand des Grundwassers zu bekommen.

Wenn es so ist, dass die Brunnenbesitzer diese Untersuchung selber bezahlen müssen, dann muss man einen Weg finden, um das entsprechend auszugleichen, ganz klar. Das soll finanziell gesehen nicht auf deren Rücken passieren. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Remmel das Wort.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte, wie sie hier insbesondere vonseiten der Oppositionsfraktionen geführt worden ist, wirft ein sehr eindeutiges Schlaglicht auf das, was zurzeit stattfindet, nämlich: Nichts bewegt sich! In Berlin ist absoluter Stillstand in der Großen Koalition.

Es hätte der Debatte und der Sache gut angestanden, wenn Sie auch mit der Entschiedenheit, mit der die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung auf Berlin einreden und darauf hinwirken, dass wir endlich eine Düngeverordnung bekommen, dafür eingetreten wären. Aber wir haben in der Debatte gehört, warum das nicht so ist: weil Sie sie eigentlich gar nicht wollen und für unnötig halten. Sie machen sich aufgrund der Kumpanei mit der Bundesregierung mitschuldig daran, dass uns in Nordrhein-Westfalen noch immer keine Düngeverordnung vorliegt. Wir brauchen sie dringend, um voranzugehen.

Die Probleme sind in der Tat bekannt. Wir befinden uns – auch das ist in der Debatte zu kurz bekommen – in einer Zwangslage.

Auf der einen Seite

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

gibt es ein europäisches Vertragsverletzungsverfahren, bei dem die Bundesregierung gefordert ist; das ist sozusagen ein Damoklesschwert. Schauen wir doch über die Grenzen nach Frankreich. Dort ist man bereits vor dem Europäischen Gerichtshof. Wollen Sie tatsächlich, dass auch Deutschland vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt wird? Ich will das nicht.

Auf der anderen Seite hat die Kommission in den Niederlanden in einem langen, schwierigen Prozess glasklare und auch sehr ambitionierte Regelungen durchgesetzt. Wir können doch nicht wollen, dass wir in Nordrhein-Westfalen dauerhaft niedrigere Ansprüche haben als in unseren Nachbarländern. Das wird zwangsläufig dazu führen, dass sich der Druck – das wird jetzt schon beklagt –, die Düngeverordnung auszunutzen und Gülle über die Grenze bei uns unterzubringen, noch verstärkt. Deshalb haben wir ein originäres Eigeninteresse, zu vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen zu kommen, damit unsere Landwirtschaft nicht gegenüber anderen benachteiligt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

An dritter Stelle in dem Dreieck, mit dem wir es zu tun haben, steht die schlechte Situation in Nordrhein-Westfalen, die sich in der Tat in den letzten 20 Jahren nicht wesentlich verbessert hat. Klar ist: Die Böden haben ein langes Gedächtnis. 40 % unserer Grundwasserkörper sind belastet. Deshalb muss insbesondere in den tierintensiven Regionen gehandelt werden. Wir müssen endlich zu Verbesserungen kommen.

Ein wenig mutet die Diskussion heute an wie ein Film, der während der Weihnachtszeit wahrscheinlich wieder gezeigt wird:

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sissi?)

„Und täglich grüßt das Murmeltier“. Wir starten immer wieder an der gleichen Stelle. Ich glaube, vor einem Jahr haben wir auch schon darüber diskutiert. Mittlerweile warten wir seit fünf Jahren auf die Düngeverordnung. Vor fünf Jahren ist sie evaluiert worden, immer wieder, die Bundesregierung ist jedes Jahr aufgefordert worden. – Herr Fehring, es ist schon ein Euphemismus hoch drei, wenn Sie sagen: Die Düngeverordnung wird auf Berliner Ebene „behandelt“. – Ja, natürlich kann man einen Sachverhalt behandeln, indem man das Ganze von der einen Schreibtischecke in die andere Schreibtischecke schiebt. Genau so macht es die Bundesregierung, vom Umweltministerium hin zum Landwirtschaftsministerium und wieder zurück, und es wird nichts entschieden.

(Christina Schulze Föcking [CDU]: Ist doch nicht wahr! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Deshalb ist es gut, dass es eine Initiative des Parlaments in Nordrhein-Westfalen gibt, hier noch einmal einen Impuls zu setzen. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie sich dem angeschlossen hätten; denn wir brauchen eine ordentliche Grundlage.

Die Forderungen, die auch wir in den Prozess einbringen, sind: umfassende Datennutzung zur Kontrolle des Düngerechts, Ausweisung von Risikogebieten, Einführung einer Hoftorbilanz, Untersuchungspflichten für Wirtschaftsdünger, Erweiterung der Abstände zu Gewässern, keine Sperrfristen für Kompost und Festmist sowie Anrechenbarkeit von Kompost hinsichtlich der N-Grenze von 170 kg als dreijährigem Mittel. Das sind die zentralen Forderungen.

Wir haben die breite Unterstützung von fast allen Bundesländern. Insofern: Auf der Bundesratsseite sind wir uns einig. Aber von bestimmter Seite in Berlin – da muss ich die CDU/CSU-Fraktion nennen, und ich muss auch die Bauernverbände nennen –

(Beifall von den GRÜNEN)

wird dies verhindert. Das muss klar benannt werden. Deshalb braucht es einen entsprechenden Nachdruck, um hier endlich zu Entscheidungen zu kommen. – Herzlichen Dank für den Antrag.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10417 an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

7   Gesetz zum Siebzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Gesetz zum Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9516

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/10389

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10490

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Vogt das Wort.

Alexander Vogt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten hier nun den Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Zunächst zur Einordnung: Worum geht es in diesem Staatsvertrag? Grob gesagt: Der Staatsvertrag regelt, wie das Zweite Deutsche Fernsehen aufgestellt sein soll. Das betrifft uns durchaus alle; denn wir sind Zuschauer, Beitragszahler und profitieren alle von einer guten und vielfältigen Medienlandschaft.

Konkret geht es im Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag unter anderem darum, wie gesellschaftliche Kontrolle im ZDF stattfindet, also beispielsweise, wie sich der Fernsehrat oder der Verwaltungsrat zusammensetzt. Ebenso wird die Frage der Transparenz behandelt. Das bedeutet hierbei, wie öffentlich in den Gremien des ZDF gearbeitet wird und was veröffentlicht werden muss.

Eine Überarbeitung des Staatsvertrags wurde notwendig, da das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr 2014 einige Teile des bestehenden Staatsvertrags für verfassungswidrig erklärt hat.

Die Länder haben sich nun auf die vorliegenden Änderungen geeinigt. Die Fraktionen im Landtag haben sich beraten. Unter anderem hat es am 19. November 2015 eine Anhörung des Hauptausschusses und des Ausschusses für Kultur und Medien gegeben. Ich habe schon an einer Reihe von medienpolitischen Anhörungen teilgenommen. Aber so viel Zustimmung, dass wir hier einen guten Staatsvertrag vorliegen haben, war selten.

Was versucht jetzt die FDP? Herr Nückel wird sein Anliegen sicherlich gleich begründen; wir können es auch im Entschließungsantrag lesen. Es wird eine Begründung gesucht, um diesen Staatsvertrag abzulehnen. Sie versuchen nun, zu konstruieren, dass die Staatsferne der Gremienmitglieder nicht hinreichend gewährt sei.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Stellungnahmen der Vertreter des ZDF – von Intendanz und Verwaltungsrat –, aber auch die Aussagen der Professoren Dörr oder Hain anschauen, sehen wir, dass der Staatsvertrag unter Berücksichtigung der dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielräume den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entspricht.

Kurt Beck, der Vorsitzende des ZDF-Verwaltungs-rats sagt – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –:

„Ich begrüße deshalb ausdrücklich die Vorlage insgesamt, insbesondere dass weiterhin eine Gewichtung vorgenommen wird, die den Vertretern der Zivilgesellschaft einen sehr hohen Rang, ja eine steigende Bedeutung hinsichtlich der internen Kontrolle des Zweiten Deutschen Fernsehens zumisst.“

Auch Prof. Hain spricht von einem gelungenen Staatsvertrag.

Die Anhörung, meine Damen und Herren, war aber nicht nur zur Beurteilung des Staatsvertrages interessant. Wir beraten derzeit auch das WDR-Gesetz. Es lohnt sich, diesbezüglich die Aussagen zur Arbeitsfähigkeit von Kontrollgremien aus der Anhörung genauer zu betrachten.

Die Sachverständigen sahen die Verkleinerung des Fernsehrats auf 60 Personen als eine gute Anzahl an, die durchaus eine Arbeitsfähigkeit des Gremiums gewährleistet. Der Vorschlag für die Größe des Rundfunkrats beträgt im WDR – das wird von der Opposition durchaus kritisiert – 58 Sitze. Darum, insbesondere an CDU und FDP gerichtet: Sehen Sie sich auch unter diesem Aspekt die Anhörung noch einmal an!

Herr Nückel, nun zu Ihrem Entschließungsantrag. Er kritisiert den Staatsvertrag, wie gerade schon dargestellt. Aber einen Punkt finde ich besonders bemerkenswert. Sie fordern, dass sich analog zur Besetzung der Medienkommission der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen zivilgesellschaftliche Gruppen und Einzelpersonen für einen Sitz im Fernsehrat in der anstehenden Amtsperiode bewerben können und vom Fernsehrat hinzugewählt werden können.

Herr Nückel, ich erinnere mich ein Jahr zurück. Wir haben damals über dieses Landesmediengesetz diskutiert. Sie haben die Backen aufgeblasen und riesige Kritik geübt, dass es neue Wahlverfahren geben solle, dass es neue Ideen geben solle. Jetzt, ein Jahr später, haben Sie gesehen, dass die Ideen der Landesregierung in diesem Fall sehr gut waren. Sie übernehmen diese Vorschläge sogar in Ihren Entschließungsantrag.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Insgesamt lehnen wir Ihren Entschließungsantrag natürlich ab. Es gibt darin einen guten Punkt. Die anderen Punkte teilen wir nicht.

Beim Staatsvertrag halten wir es mit dem Appell, den Herr Prof. Dörr auch in der Anhörung an uns richtete. Er sagte:

„Mein Appell ist also auch: Stimmen Sie dem Staatsvertrag zu.“

Das halten wir so. Wir stimmen natürlich zu. – Vielen Dank.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Schick das Wort.

Thorsten Schick (CDU): Sehr geehrte Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen heute unser Votum zum Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag abgeben. Es geht dabei um Regelungen im ZDF-Staatsvertrag.

Da Herr Vogt schon einiges zu den inhaltlichen Dingen gesagt hat, kann ich es an dieser Stelle kurz machen: Wir werden den Änderungen zustimmen.

Lassen Sie mich trotzdem noch einige Anmerkungen machen. Am 18. Juni 2015 haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder den Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet. Es war also bis zum heutigen Tag noch ein halbes Jahr Zeit, um ein geordnetes parlamentarisches Verfahren einzuleiten.

Wenn aus bestimmten Gründen Anhörungen, auswertende Ausschusssitzungen und der Beschluss zeitlich sehr eng zusammenliegen, dann darf man schon erwarten, dass bestimmte Spielregeln eingehalten werden.

Wir hatten aufgrund des fehlenden Protokolls der Anhörung zum ZDF-Staatsvertrag auf ein Votum im mitberatenden Medien- und Kulturausschuss verzichten wollen. Mit dem Hinweis, dass in der Anhörung keine wesentlichen Kritikpunkte genannt worden seien, wurde dies von SPD und Grünen abgetan.

Wenn wir Anhörungen so auswerten, dass wir von vornherein schon sagen: „Wir haben eine bestimmte Vorstellung, und eigentlich ist keine schriftliche Auswertung mehr nötig“, dann können wir uns die Protokolle auch sparen. So sieht kein vernünftiges Miteinander aus.

Im federführenden Hauptausschuss lag dann das vorläufige Protokoll vor.

Kritisiert wurden von einzelnen Experten die Transparenz- und Veröffentlichungsregelung oder das höhere Gewicht der Exekutive. Außerdem wurde noch auf eine Schwäche im Ausführungsgesetz der Landesregierung hingewiesen. Es fehle eine Regel für den Fall, dass sich die entsendungsberechtigten Organisationen aus Nordrhein-Westfalen aus dem Bereich Medienwirtschaft und Film nicht einigen können. Einige Länder haben sich da beholfen und ein entsprechendes Losverfahren eingearbeitet. Das fehlt in Nordrhein-Westfalen.

Trotzdem kann man sagen, dass die Einwände nicht so gravierend sind und dass wir als CDU-Landtagsfraktion zustimmen können.

Etwas anders sieht es beim Entschließungsantrag der FDP aus.

Maßlos geärgert hat mich allerdings die Art und Weise, wie im Hauptausschuss mit dem Kollegen Nückel von der FDP-Fraktion umgegangen worden ist. Nur – das sei ihm zugestanden – weil er den Staatsvertrag anders bewertet hat, ihm Populismus zu unterstellen, ist schon harter Tobak. In dem vorläufigen Protokoll liest es sich sogar so, dass der Kollege Nückel an die Seite von Personen gestellt wurde, die mit Begriffen wie Pinocchio-Presse durch die Gegend ziehen. Meine Damen und Herren, wer so etwas macht, der vergiftet das politische Klima. Und das bei einem Thema, bei dem eigentlich sehr viel Konsens besteht. Das ist sehr schade und der Sache nicht würdig. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Siebzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist das Ergebnis des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht, das durch die Ereignisse rund um den damaligen Chefredakteur Nikolaus Brender und die klare und harte Einflussnahme durch den seinerzeitigen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch ausgelöst wurde.

Ursprünglich waren es die Grünen und hier insbesondere meine Bundestagskollegin Tabea Rößner, die den Gang nach Karlsruhe angestrebt haben.

Kurt Beck und die Sozialdemokratische Partei zogen nach, und das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen: mehr Staatsferne, größere Unabhängigkeit des Fernsehrats und keine Versteinerungstendenzen mehr.

All das haben wir in einer eigens dazu beantragten Anhörung hier im Landtag Nordrhein-Westfalen ausführlich mit den Expertinnen und Experten erörtert. Die einhellige Aufforderung aller Medien- und Verfassungsrechtler war: Stimmen Sie diesem runderneuerten ZDF-Staatsvertrag zu. Es gibt bisher keinen besseren.

Auch wenn es einzelne Kritikpunkte geben mag, die man auch begründen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren, insgesamt ist für uns Grüne klar: Wir lehnen den Entschließungsantrag der FDP ab und stimmen dem Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist es leichter, in der Sahara nach Trüffeln zu suchen, als einen Staatsvertrag aufzudröseln. Das Dilemma der Landesmedienpolitik liegt natürlich darin, dass man in den Landtagen im Grunde nur noch abnicken kann, wenn sich die Staatskanzleien der Länder geeinigt haben. Oder auch nicht. So einen Fall gab es auch schon. Das heißt, man muss genauer hinschauen, auch wenn es vielen vielleicht lästig erscheint.

Grundsätzlich geht es bei der Veränderung eines Aufsichtsgremiums eines Senders auch darum, dafür zu sorgen, dass die Medienaufsicht innovativer Impulsgeber sein kann, aber auf jeden Fall sich den modernen und sich rasant verändernden digitalen Medienrealitäten anpasst. Diese Chance, die sich geboten hätte, wurde abseits der Erledigung der vom Bundesverfassungsgericht erteilten Aufgabe leider nicht wahrgenommen. Es wurde der für die Exekutive bequemere Weg gewählt. Kurt Beck – ich glaube, Lob sieht anders aus – meinte mit einem Augenzwinkern: Der Rahmen war für den Fernsehrat schon gezimmert, bevor der Inhalt des Bildes gemalt wurde.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung am 25. März 2014 die verankerte Aufsichtsstruktur beim ZDF als grundrechtswidrig eingestuft. Es hat dabei den Grundsatz vielfältiger und staatsferner Aufsicht präzisiert und auch konkrete Vorgaben zur Zusammensetzung der Gremien entwickelt.

Unser Vorwurf nun ist: Diese Vorgaben wurden im vorgelegten Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt.

Es beginnt mit der sogenannten Regierungsbank. Als FDP-Landtagsfraktion sind wir der Auffassung, dass Regierungsvertreter von der Mitwirkung in Aufsichtsgremien von Rundfunkanstalten ausgeschlossen sein müssen. Diese aus meiner Sicht ordnungs- und medienpolitisch saubere Variante vertritt ja auch der Verfassungsrichter Professor Paulus in seinem Sondervotum zum ZDF-Urteil.

Aber auch das Mehrheitsvotum steckt ja die Möglichkeit für Regierungsmitglieder in Aufsichtsgremien sehr eng ab. Ich zitiere jetzt aus dem Urteil: Nur in eng zu begrenzendem Umfang dürfen Exekutivvertreter etwa im Range eines Ministerpräsidenten in den ZDF-Gremien vertreten sein.

Der „eng zu begrenzende Umfang“ lässt ein wenig Interpretationsspielraum: zwei, vielleicht drei. Ich gestehe zu, dass man sich da nicht unbedingt festlegen muss. Aber es dürfte, denke ich, auf der Hand liegen, dass bei 18 Regierungsvertretern in einem Aufsichtsgremium, das insgesamt aus 60 Personen besteht, der eng zu begrenzende Umfang deutlich gesprengt ist. Deswegen haben auch die Sachverständigen in der Anhörung mehrfach von einem Risiko gesprochen. 16 Vertreter der Landesregierung und zwei Vertreter der Bundesregierung sollen in den Fernsehrat entsandt werden. Also fast ein Drittel des Aufsichtsgremiums kann allein aus Regierungsmitgliedern bestehen.

Deswegen finde ich es schwer verständlich, dass die rot-grüne Landesregierung einen solchen Staatsvertrag unterschreibt, der so offensichtlich eine Vorgabe des Verfassungsgerichts zumindest umläuft und der übrigens auch von der Praxis in Nordrhein-Westfalen beim Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks abweicht. Auch in der Medienkommission der Landesanstalt für Medien sind keine Vertreter der Exekutive vorgesehen.

Eine zweite wesentliche Vorgabe des Urteils wird unseres Erachtens ebenfalls missachtet. Das Bundesverfassungsgericht sieht durchaus die Notwendigkeit, dass auch die Politik in den Aufsichtsgremien berücksichtigt wird. Zu Recht, wie ich finde. Politische Strömungen sind wie Verbände, Gewerkschaften oder Kirchen ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Sie gehören zu einer pluralistischen Repräsentanz dazu. Doch hebt das Bundesverfassungsgericht auch mit Blick auf die Vertretung staatlicher oder staatsnaher Ebenen eben den maßgebenden Aspekt der Vielfaltsicherung hervor.

Der vorliegende Staatsvertrag berücksichtigt jedoch nur Regierungsparteien. Deswegen hat sogar der von den Koalitionsfraktionen bei der Sachverständigenanhörung benannte Professor Dr. Hain in seiner schriftlichen Stellungnahme deutlich gemacht, dass die Entsendung der Ländervertreter durch die Exekutiven die starke Berücksichtigung von Regierungsparteivertretern begünstigt. Das ist eine bescheidene Formulierung, aber immerhin.

Aus unserer Sicht widerspricht der Staatsvertragsentwurf von der vom Bundesverfassungsgericht vorgezogenen Linie sehr stark.

Sie haben, Kollege Engstfeld, gerade die medienpolitische Sprecherin der Grünen in Berlin genannt, Tabea Rößner, die auch das deutlich unterstreicht und im Grunde unsere Kritik unterstützt, dass kleinere politische Parteien keine Rolle mehr spielen sollen. Insofern sind Sie in diesem Fall ein wenig in der Koalitionsdisziplin gefangen. Das ist schade; aber so ist das.

Wir empfehlen, dem Staatsvertrag nicht zuzustimmen und unseren Entschließungsantrag zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Ich möchte hauptsächlich zum Entschließungsantrag der FDP reden. Das Warum werde ich gleich begründen.

(Thomas Nückel [FDP] unterhält sich mit Angela Freimuth [FDP].)

– Ich muss kurz warten, bis Herr Kollege Nückel auch zuhört. – Sehr gut.

Der Entschließungsantrag macht zunächst einen sehr guten Eindruck. Wir stehen hinter den Zielen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk staatsferner zu gestalten sowie die gesellschaftliche Kontrolle und die Vielfalt zu erhalten. Das wäre ganz in unserem Sinne; das haben wir auch mehrfach betont. Nicht nur die Forderung nach der Anpassung der Gremien an die moderne, die heutige Zeit, sondern auch die Zusammenlegung der Gremien zur Aufsicht von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien ist begrüßenswert.

Der Teufel steckt jedoch wie immer im Detail. Im Text wird deutlich, dass Sie eine relativ interessante Rechnung aufmachen, die sich uns nicht erschließt. Aus einem Aufsichtsgremium die Entsandten der Exekutive herauszunehmen, um sie durch Entsandte der Legislative, also der Parteien, zu ersetzen, ist nach unserer Definition nicht wirklich staatsferner. Das, was Sie sich ausgedacht haben, ist wohl ein bisschen konstruiert.

Wir würden eher sagen, wir sollten lieber den zivilgesellschaftlichen Einfluss erhöhen, also nicht Parteien in die Aufsichtsgremien entsenden, sondern weitere Vertreter – nicht nur drei – von zivilgesellschaftlichen Gruppen. Das ist bei Ihnen ein bisschen verklausuliert. Aber wir glauben, das wäre echter gesellschaftlicher Pluralismus.

Unter dem Strich bleibt damit nur zu sagen: Die Idee ist gut. Der Antrag geht in die richtige Richtung. Aber Sie hätten das Ganze konsequent weiterdenken müssen. Wenn Sie die Gremien wirklich staatsfern ausgestalten wollen, hätten Sie den parteipolitischen Einfluss eingrenzen sollen.

Warum rede ich hauptsächlich zum Entschließungsantrag? – Herr Vogt, Sie haben gerade gesagt, wir sollten das noch mal nachlesen. – Das würde ich gerne tun. Uns sind bei der Anhörung ein paar kritische Worte im Ohr geblieben. Leider konnten wir bei der Auswertung auf diese kritischen Worte nicht eingehen. Denn wir konnten leider nicht verifizieren, ob das, was wir gehört haben, wirklich gesagt wurde, da das Protokoll der Anhörung bis heute nicht vorliegt. Ich persönlich verstehe nicht, wie wir heute, ohne die Möglichkeit einer vernünftigen Auswertung des Protokolls der Anhörung zu haben, abstimmen können. Aber sei‘s drum.

Das Ansinnen ist eigentlich positiv. Aber wenn wir die kritischen Stimmen im Ohr behalten, müssen wir sagen: Wir wissen es leider nicht genau.

Wir werden uns bei der Abstimmung zum Staatsvertrag enthalten. Den Entschließungsantrag der FDP lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Lersch-Mense das Wort.

Franz-Josef Lersch-Mense, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In dem von den Regierungschefinnen und ?chefs der Länder ausgehandelten Staatsvertrag werden vor allem die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, das mit Urteil vom 25. März 2014 Teile des ZDF-Staatsvertrags für verfassungswidrig erklärt und die Länder verpflichtet hatte, eine verfassungsgemäße Neuregelung nach Maßgabe der Gründe des Urteils zu treffen.

So wird mit dem Staatsvertrag der Anteil der als staatsnah zu betrachtenden Mitglieder entsprechend der gerichtlichen Vorgaben deutlich reduziert.

Durch die Entsendung von insgesamt 16 staatsfernen Vertretern aus verschiedenen Bereichen wird ferner den aktuellen verschiedenartigen gesellschaftlichen Strömungen und Kräften in Deutschland Rechnung getragen und Vielfalt in diesem Bereich gesichert.

Des Weiteren wird die gleichberechtigte Entsendung von Männern und Frauen sichergestellt.

Die geforderte Transparenz wird über die Öffentlichkeit der Sitzung des Fernsehrats und Veröffentlichungspflichten ebenfalls gewährleistet.

Zudem werden weitere vornehmlich redaktionelle Änderungen im ZDF-Staatsvertrag umgesetzt und eine Anpassung des Anwendungsbereichs des Rundfunkstaatsvertrags an die Vorgaben der Richtlinien über audiovisuelle Mediendienste, die sogenannte AVMD-Richtlinie, vorgenommen.

Der ZDF-Staatsvertrag sieht in seiner geänderten neuen Fassung vor, dass die Länder jeweils aus unterschiedlichen Bereichen entsendeberechtigte Organisationen für den ZDF-Fernsehrat benennen. Nordrhein-Westfalen kommt dabei die Aufgabe zu, Organisationen aus dem Bereich Medienwirtschaft und Film näher zu bestimmen. Das war uns ein Anliegen, das wohl auch für die Medienschaffenden in unserem Land ein gutes und richtiges Signal ist.

Der Umsetzung dieses Verfahrens dient Art. 2 des vorliegenden Gesetzes. Als entsendeberechtigte Organisationen werden gemeinsam der Film und Medienverband NRW e. V., das Filmbüro NW e. V. und der Kulturrat NRW e. V., Sektion Medien, benannt. Diese Organisationen sollen berechtigt sein, für jede Amtsperiode des ZDF-Fernsehrats gemeinsam jeweils ein Mitglied zu entsenden.

Für die Entsendung gelten dieselben Regelungen wie für die Entsendung der übrigen Mitglieder des Fernsehrats. Insbesondere sieht der ZDF-Staats-vertrag diesbezüglich Inkompatibilitätsregeln und Maßgaben zur gleichberechtigten Berücksichtigung von Frauen und Männern vor.

Meine Damen und Herren, in Ergänzung des bereits Gesagten bitte ich Sie ausdrücklich, den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP abzulehnen und stattdessen heute dem Gesetz zum Siebzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in der vorliegenden Form zuzustimmen und das Gesetz zu verabschieden.

Herr Nückel, in der Debatte ist bereits auf die kritischen Punkte hingewiesen worden. Auch ich kann nicht verstehen, warum Sie nur drei von 16 Ländervertretern in den ZDF-Fernsehrat entsenden wollen. Rundfunk ist – darin sind wir uns sicherlich alle einig – eine föderale Aufgabe. Deswegen muss es doch ein Anliegen der Länder sein, das föderale Element zu stärken und es im ZDF-Fernsehrat nicht zu schwächen. Deshalb meine dringende Bitte, im gemeinsamen Länderinteresse über diesen Punkt noch einmal nachzudenken.

Ich bitte um Zustimmung zum Staatsvertrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9516. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10389, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst. Wer möchte dem zustimmen? – Das sind SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die FDP-Fraktion und ein Abgeordneter der Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die übrigen Abgeordneten der Piratenfraktion. Damit stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/9516 angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet ist.

Ich lasse – zweitens – über den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/10490 abstimmen. Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit stelle ich fest, dass der Entschließungsantrag Drucksache 16/10490 abgelehnt ist.

Ich rufe auf:

8   Achtzehnter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achtzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/9758

Beschlussempfehlung
des Hauptausschusses
Drucksache 16/10390

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion der Frau Abgeordneten Steinmann das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Lisa Steinmann (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor uns liegt in der inhaltlichen Folge der Achtzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, ein Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag.

Ich will es hier kurz machen: Die Länder reagieren an dieser Stelle auf die entsprechenden Auseinanderschaltungspläne bundesweiter Fernsehsender. Mit den Änderungen wird ausdrücklich klargestellt, dass in bundesweit ausgestrahlten Fernsehprogrammen regionalisierte Werbung nur dann zulässig ist, wenn das Recht des betroffenen Landes dieses gestattet. Die Einnahmen aus einem regionalen Werbemarkt sollen zukünftig denjenigen Inhalteanbietern vorbehalten sein, die mit ihrem Programm lokale Vielfalt abbilden. Kurzum: Wir wollen Rundfunkanbieter und Zeitungsverlage im lokalen Bereich stärken und schützen.

Wir haben uns mit diesem Antrag im Kultur- und Medienausschuss mitberatend und im Hauptausschuss federführend auseinandergesetzt und plädieren in einem sehr klaren Votum, bis dato getragen aus SPD, Grünen, CDU und FDP, um Zustimmung zum Antrag der Landesregierung. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ich danke Ihnen, Frau Kollegin Steinmann, und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Schick das Wort.

Thorsten Schick (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir begrüßen die Regelung im Achtzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Regionale Werbung im nationalen Fernsehen ist eine potenzielle Gefahr für die Werbeerlöse regionaler journalistischer Angebote. Deshalb ist es richtig, dass die einzelnen Bundesländer eine rechtliche Grundlage erhalten, um die Pläne von nationalen Fernsehsendern zu stoppen. Wir können nicht ständig über den Niedergang von lokalen und regionalen journalistischen Angeboten diskutieren, ohne selbst aktiv zu werden. Insofern ist der Rundfunkänderungsstaatsvertrag ein richtiger Schritt.

Weitere müssen allerdings folgen. Einige Punkte habe ich bereits in der Haushaltsrede genannt. Deshalb, Herr Minister: Nutzen Sie die Weihnachtspause, um die Defizite Ihrer Landesregierung in diesem Punkt aufzuarbeiten!

Den Änderungen im Achtzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag stimmen wir zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld. Bitte.

 

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es jetzt ein bisschen kürzer machen als vorhin bei der Rede zum Siebzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Der Achtzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag sieht vor, dass ein Anbieter eines bundesweiten Programms auch regionalisierte Werbung aussenden darf. Wir Grüne begrüßen dabei sehr, dass dies eine landesgesetzliche Erlaubnis voraussetzt. Darin kann genau bestimmt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen regionalisierte Werbung in Nordrhein-Westfalen zulässig sein wird.

Da die Verlage und die privaten Rundfunkanbieter auf die Werbeeinnahmen angewiesen sind, wir uns prinzipiell für entsprechende Zweisäulenmodelle stark machen und darüber hinaus die Koalition in Nordrhein-Westfalen perspektivisch einen werbefreien öffentlich-rechtlichen Rundfunk anstrebt, stimmen wir Grüne dem Achtzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag heute zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden ebenfalls zustimmen. Die bundesweite Rundfunklizenz ist ja auch ein Privileg. Die Vergabe einer solchen Lizenz ist daher auch an Voraussetzungen geknüpft. Auf die Einhaltung müssen wir schon achten.

Wir müssen uns darüber klar sein, dass bei einem staubigen Achtzehnten. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge alles mehr oder weniger nur eine Feuerwehrmaßnahme ist. Es steckt kein großes Konzept dahinter. Natürlich fehlt dabei die große Linie. Es ist ein Reparaturgesetz. Ich glaube, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass die Laufzeit eine besondere medienpolitische Gültigkeit hat, was die Realität angeht.

Denn neue Techniken, neue Sendeverfahren – ich nenne jetzt einfach mal Addressable TV – werden diese Regelung relativ schnell zur Makulatur werden lassen. Es ist in der Tat wichtig, dass wir dafür sorgen, dass wir für unsere Medienunternehmen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sie sich der digitalen, sich rasch verändernden Medienwelt anpassen können. Insofern ist das heute nur ein kleiner Beitrag, wenn auch ein notwendiger. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Piratenfraktion spricht noch einmal Herr Kollege Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Auch ich will es relativ kurz machen. Es geht um die regionale Medienvielfalt. Es geht darum, dass überregionale Anbieter regional angepasste Werbung senden wollen. Das würde dazu führen, dass regionale Medienunternehmen absterben würden, denn sie können gegen einen übermächtigen Wettbewerb nicht bestehen.

Dieser Pluralismus ist durchaus gewünscht; das ist auch in unserem Sinne. Aber das Mittel, das hier angewandt wird, nämlich Werbung als Teil des Programms einzuführen und zu definieren, das halten wir für falsch. Wir sind für eine strikte Trennung von redaktionellem Inhalt und einem ökonomisch motivierten Werbecontent.

(Beifall von den PIRATEN)

Die strikte Trennung zwischen redaktionellem Inhalt und dem Inhalt der Werbung ist von zentraler Bedeutung dafür, dass man sich in dieser Demokratie eine Meinung bilden kann. Wenn diese beiden Blöcke zu stark verflochten werden, dann wird das einfach dazu führen, dass man den redaktionellen und den Werbeteil nicht mehr auseinanderhalten kann und dass es durch diese Verquickung objektiv nicht mehr möglich ist zu unterscheiden, wo man denn gerade als Zuschauer, Zuhörer ist.

Deswegen: Erhalt der regionalen Vielfalt, ja. Dem würden und werden wir immer zustimmen, aber nicht um diesen Preis. Deswegen lehnen wir diesen Staatsvertrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Marsching. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Lersch-Mense das Wort.

Franz-Josef Lersch-Mense, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Bei so viel Zustimmung kann ich es Ihnen, glaube ich, ersparen, die Gründe, die für diese Zustimmung sprechen, noch einmal zu wiederholen.

Lassen Sie mich deshalb nur sagen, dass es mich freut, dass es eine so breite Zustimmung zu diesem Staatsvertrag gibt, weil es auch ein Zeichen dafür ist, dass wir die regionale Vielfalt und unsere regionalen Rundfunkanbieter und unsere regionalen Zeitungen schützen wollen. Dieses Zeichen in so breiter Mehrheit hier heute zu geben, ist, denke ich, ein schönes Signal dafür. Herzlichen Dank. Ich bitte Sie um Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10390, dem Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu diesem Staatsvertrag gemäß Art. 66 Satz 2 der Landesverfassung, nachzulesen in Drucksache 16/9758, zu entsprechen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/9758 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit ist dem Antrag Drucksache 16/9758 stattgegeben und die Zustimmung zu dem Staatsvertrag erteilt.

Ich rufe auf:

9   Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen (Hafensicherheitsgesetz – HaSiG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9760

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung
und Verkehr
Drucksache 16/10403

zweite Lesung

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben vereinbart, die Reden  zu Protokoll zu geben (siehe Anlage 1). Deshalb ist eine Aussprache heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr empfiehlt in Drucksache 16/10403, den Gesetzentwurf 16/9760 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9760 selbst und, wie gehabt, nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer für diesen Gesetzentwurf stimmt, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit kann ich feststellen, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/9760 angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet ist.

Ich rufe auf:

10       Gesetz über die Abschiebungshaft sowie zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9521

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/10433

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10492

zweite Lesung

Ich eröffne sodann die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Körfges das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf bezieht sich in erster Linie auf den Vollzug der sogenannten Abschiebungshaft, also auf die Bedingungen, unter denen eine solche Haft stattfindet.

Es geht um das, was in § 62 Aufenthaltsgesetz geregelt ist, und betrifft Menschen, die nach rechtskräftig abgelehntem Asylantrag ausreisepflichtig sind, das heißt Menschen, die ohne Asylbezug nach Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder nach Ausweisung vollziehbar ausreisepflichtig sind und abgeschoben werden sollen.

Wir reden hier auch über die Folgen höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Vollzug von Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen. Wir haben uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – ähnlich wie andere hier im Haus – immer wieder dahin gehend geäußert, dass die Abschiebungshaft nur Ultima Ratio sein kann. Es gibt ja Fraktionen, die in Entschließungen auch darauf Bezug nehmen.

Ich kann das an dieser Stelle nur bekräftigen: Die zwangsweise Abschiebung und die Inhaftierung von Menschen zum Zwecke der Vorbereitung der Abschiebung kann nur dann verhängt und vollzogen werden, wenn es keinen anderen Weg mehr gibt.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Einen anderen Weg haben Sie noch nie gesucht!)

Das wird auch deutlich durch unsere Änderungsanträge, die Bestandteil des Gesetzes werden. Auch diesbezüglich relativiert sich die Kritik, die im Zusammenhang mit diesem Gesetzgebungsverfahren verschiedentlich geäußert worden ist.

Apropos Anhörung: Ich bin beinahe traurig darüber, dass der Kollege Golland nicht hier ist, bei dem ja die schneidige Haltung häufig das intensive Studium irgendwelcher Dinge überlagert. Ich kann Ihnen nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer darauf Bezug nimmt, dass wir Änderungen eingebracht haben, die dem speziellen Charakter der Abschiebungshaft Rechnung tragen – gerade auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung –, und das dann im Innenausschuss zum Anlass für sehr kritische Einlassungen nimmt, der hat erstens den Unterschied, der von der Rechtsprechung vorgegeben worden ist, nicht begriffen, und der hat zweitens bei dieser Frage ganz offensichtlich eine ideologische Überlagerung von Abschiebungshaft vor, die mit uns nicht zu machen ist.

Es gibt einen Unterschied zwischen Menschen, die in Vollzugshaft sind, und denjenigen, bei denen eine Abschiebung ansteht. Von daher stellt sich zum Beispiel die Frage nach der religiösen Betätigung bei der Abschiebungshaft ganz anders. Dem haben wir mit unseren Änderungsanträgen Folge geleistet.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Den Unterschied sieht man dem Knast in Düren aber nicht an!)

Insoweit erübrigt sich allerdings auch die Kritik aus der Piratenfraktion. Ich glaube, Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und Bündnis 90/Grüne liegen in der Regierungsverantwortung immer dann richtig, wenn die eine Seite des Hauses beklagt, wir würden irgendetwas viel zu stringent machen, und die andere Seite des Hauses beklagt, wir seien bei Weitem nicht scharf genug. Dann kann man nur sagen: Da scheinen wir richtig zu liegen.

(Christof Rasche [FDP]: Nur im Umweltschutz sind Sie immer radikal!)

Lassen Sie mich zu guter Letzt noch eines sagen: Wer uns hier kurz vor Weihnachten mit einem Aktionsplan Rückkehr beglückt, der ganz eindeutig ideologischen Zwecken geschuldet ist und die Not und das Elend von Flüchtlingen zu parteipolitischen Zwecken instrumentalisiert, der darf sich nicht darüber wundern, wenn man ihn in einer Debatte über den Vollzug von Abschiebungshaft nicht ernst nimmt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht nur kein guter Stil – das ist in Papier gegossener Blödsinn und Menschenverachtung. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Lohn.

Werner Lohn (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich sind wir als CDU natürlich damit einverstanden, dass ein Gesetz neu gefasst wird, das EU-rechtskonform gestaltet werden muss. Im Rahmen der Ausschussberatungen haben wir aber bereits darauf hingewiesen, dass schon der Gesetzentwurf in der ursprünglichen Form der Landesregierung handwerklich schlecht gemacht war. Das ist durch den Änderungsantrag von SPD und Grünen nicht besser, sondern eher noch schlimmer geworden.

Der Gesetzentwurf auch in der jetzt vorliegenden Form geht sowohl faktisch weit über das hinaus, was geboten ist, aber auch rechtlich. So sollen künftig den Abschiebehaftgefangenen in Gemeinschaftsräumen Spiele und handwerklich-künst-lerische Aktivitäten angeboten werden. Vorgeschrieben ist das europarechtlich nur für in Haft genommene Minderjährige. Warum in Nordrhein-Westfalen künftig auch erwachsene Abschiebehäftlinge neben dem Erhalt landeseigener Handys auch noch in den Genuss gemeinschaftlicher Bastelarbeiten kommen sollen, bleibt Geheimnis der rot-grünen Landesregierung.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das ist ja wohl unverschämt! Das sind Menschen, die nichts verbrochen haben! Die werden eingesperrt! Das ist ja das Letzte!)

Der normale Steuerzahler hat für solche Angebote sicherlich wenig Verständnis.

Abschiebehaft ist zwar die Ultima Ratio, aber sie ist und bleibt ein nicht verzichtbares Element unserer Ausländerpolitik. Sie muss einerseits für humane Haftbedingungen sorgen, andererseits aber auch für zügige und mit verhältnismäßigem Aufwand zu vollziehende Abschiebungen derjenigen, die nicht freiwillig gehen wollten.

(Beifall von der CDU)

Der von SPD und Grünen im Innenausschuss eingebrachte Änderungsantrag geht dann unnötigerweise noch viel weiter. Da musste auf das Drängen der Grünen wohl sehr viel und auch teure Abschiebehaftromantik in das Gesetz hineingeschrieben werden.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE])

Denn für die Grünen ist Abschiebehaft ja eigentlich ein No-go-Thema. Aber trotzdem werden sie diesem Abschiebehaftgesetz jetzt gegen die eigene und oft vorgetragene Überzeugung zustimmen. Ich kann nur sagen: Herzlichen Glückwunsch an die Grünen für ihre Flexibilität!

Dass Abschiebehäftlingen gefährliche Gegenstände weggenommen werden sollen, ist unbestritten klar. Dass SPD und Grüne Abzuschiebenden jetzt aber auch Gegenstände wegnehmen wollen, die geeignet sind, Personen zu beleidigen, ist rechtlich so unpräzise, wie es logisch nicht nachvollziehbar ist.

Verehrte Grünen- und SPD-Kolleginnen und -Kollegen, was wollen Sie damit bezwecken? – Wollen Sie einem Christen die Bibel oder das Kreuz wegnehmen, weil beides Muslime vermeintlich beleidigen könnte? Oder wollen Sie einer Muslima das Kopftuchtragen verbieten oder den Koran wegnehmen, weil sich dadurch Christen beleidigt fühlen könnten? Beides wäre völliger Quatsch.

(Beifall von der CDU)

SPD und Grüne konnten im Ausschuss auf die Frage, was denn Sinn und Zweck der Wegnahme beleidigender Gegenstände sei, keine Antwort geben. Sie wissen selbst nicht, was Sie damit erreichen wollen.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Das ist einfach nur Abschiebehaftromantik, was Sie da aufgeschrieben haben.

(Beifall von der CDU)

Ein weiteres Beispiel: NRW-SPD und NRW-Grüne wollen, dass die Abzuschiebenden auch aus der Haft heraus noch einen Arzt ihrer Wahl aufsuchen dürfen. Damit wird den viel kritisierten Gefälligkeitsgutachten, mit denen man die Abschiebung bisher oft verhindern konnte, wieder Tür und Tor geöffnet.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass die UfA – die Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige – eine eigene, bestens ausgestattete ärztliche Abteilung mit einem Arzt und einem fünfköpfigen Assistenzteam hat. Diese Personen – sechs Leute an der Zahl – stehen mit bester Ausstattung ausschließlich für die Versorgung von heute ca. 50 bis 60 Abschiebehäftlingen zur Verfügung. Wo da noch ein Bedarf besteht, einen Arzt von außerhalb aufzusuchen, kann ich nicht nachvollziehen.

Vor allen Dingen ist es so: Wenn Abschiebehäftlinge nach draußen gehen, um einen Arzt zu besuchen, müssen sie bewacht werden. Das bringt gesundheitlich nichts, verursacht aber Kosten und Personalaufwand ohne Ende. Es ist aus unserer Sicht völlig unangemessen und überzogen und hat nichts mit humanitären Bedingungen in der Abschiebehaft zu tun.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Adelmann zulassen?

Werner Lohn (CDU): Gerne.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Adelmann, bitte schön.

Dr. Roland Adelmann (SPD): Herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie sprachen eben die Gefälligkeitsgutachten an. Ist Ihnen bekannt, dass ein Arzt, der ein Gefälligkeitsgutachten ausstellt, seine Zulassung verliert, und dass das von daher in der Praxis überhaupt keine Relevanz hat?

Werner Lohn (CDU): Also, im Ergebnis stimme ich nicht mit Ihnen überein. Natürlich ist ein Gefälligkeitsgutachten keine tolerable Angelegenheit. In der Realität gibt es viele Dinge, die verboten und nicht tolerabel sind. Es ist aber in der Tat so, dass es solche Gutachten gibt.

(Dr. Roland Adelmann [SPD]: Dann haben Sie die hoffentlich auch zur Anzeige gebracht!)

Zum Abschluss möchte ich feststellen: Der ursprünglich vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung war handwerklich missraten. Er ist durch den Änderungsantrag von SPD und Grünen nicht besser geworden. Ich glaube, es geht hier ganz stark darum, den Koalitionsfrieden zu erhalten. Die Grünen machen hier eine Revolte. Sie machen das Gegenteil von dem, was sie bisher immer behauptet haben. Ich kann nur sagen: Regierungshandeln dieser Art ist nicht vertrauenserweckend und hilft weder den Häftlingen noch unseren Bürgern. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Lohn. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Lohn, so revolutionär ist das hier alles gar nicht. Der Innenminister sitzt da auch noch ganz relaxed. Insofern denke ich, dass dieses Gesetz nichts mit Revolution zu tun hat. Es hat vielmehr mit unserem Ziel zu tun, dass wir, wenn wir hier auf Landesebene schon die Abschiebehaft – ein rechtsstaatlich äußerst umstrittenes Instrument – vollziehen müssen, dann auch den Anspruch haben, den Vollzug menschenwürdig, anständig und so humanitär wie möglich auszugestalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist müßig, hier im Landtag darüber zu streiten. Aus grüner Sicht ist Abschiebehaft eigentlich ein unwürdiges Instrument für einen Rechtsstaat; denn hier werden Menschen, die nichts angestellt haben bis zu 18 Monaten inhaftiert. Ich glaube – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Lohn –, dass das durchaus verzichtbar ist. Aber darum geht es hier im Landtag gar nicht. Hier geht es darum, dass wir, wenn schon die Abschiebehaft durch einen Richter angeordnet wird, den Vollzug so anständig wie möglich gestalten.

Mit diesem Gesetz vollziehen wir einen Paradigmenwechsel; denn wir wollen, dass die Standards, die im Strafvollzugsgesetz zu Recht humanitär ausgestaltet sind – im Hinblick auf die Sicherheitsbelange sich jedoch unterscheiden –, in der Abschiebehaft noch anders ausgestaltet werden. Dazu gehören Einschlusszeiten, die so, wie sie im Strafvollzug gelten, nicht nötig sind. Dazu gehört für die Inhaftierten die Möglichkeit, zu telefonieren. Dazu gehören auch Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Ebenfalls dazu gehört die Möglichkeit, eine anständige Beratung zu bekommen; denn wir wissen, dass sehr viele Haftanordnungen wieder zurückgenommen werden, weil sie letztlich nicht in Ordnung waren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lieber Herr Kollege Lohn, das alles hat nichts mit Abschiebehaftromantik zu tun. Ich finde es zynisch, das so zu beschreiben, wenn wir uns hier bemühen, einen menschenwürdigen, einen humanitären Umgang mit der Abschiebehaft herbeizuführen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigung, Frau Kollegin …

Monika Düker (GRÜNE): – Nein, ich möchte erst noch einen Satz sagen. – Herr Lohn, vielleicht sollten Sie sich die Rede Ihrer Kanzlerin noch einmal anhören. Darin hat Sie sehr eindrücklich an das „C“ in Ihrem Parteinamen erinnert. Davon habe ich in Ihrer Rede heute nichts mehr gemerkt. Das sage ich Ihnen auch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine Zwischenfrage? – Bitte jetzt. – Herr Lohn, was meint denn das „C“? Vielleicht können Sie mir das auch noch einmal beantworten.

Werner Lohn (CDU): Frau Düker, ich bedanke mich bei Ihnen, dass ich die Zwischenfrage stellen darf. Bisher habe ich das immer so verstanden, dass der Fragesteller die Fragen stellen darf und nicht umgekehrt.

Habe ich es richtig verstanden, dass die Grünen grundsätzlich gegen jede Art von Abschiebehaft sind, Sie heute aber dem Abschiebehaftgesetz in der vorliegenden Form zustimmen werden? Das ist der erste Teil.

Der zweite Teil: Nennen Sie mir jetzt einmal ein Beispiel für einen Gegenstand, von dem die Gefahr der Beleidigung ausgeht. Sie wollen diese Gegenstände verbieten; sie sollen den Leuten weggenommen werden. Bisher waren Sie nie in der Lage oder willens, beispielhaft einen Gegenstand zu benennen. Es täte einmal gut, dies dem Volk um der Klarheit willen mitzuteilen. Sagen Sie, was sind beleidigende Gegenstände?

Monika Düker (GRÜNE): Zunächst: Entschuldigen Sie jetzt die Belehrung, aber Sie bringen da etwas durcheinander, Herr Lohn. Wir stimmen heute nicht über die Abschiebehaft ab. Ja, wir sind dagegen. Das ist aber ein Bundesgesetz.

Wir stimmen heute vielmehr über die Gestaltung des Abschiebehaftvollzugs ab. Wenn Sie mir ein bisschen zugehört hätten, wüssten Sie auch, worin der Unterschied liegt. Es gibt ein Bundesgesetz, das die Abschiebehaft regelt. Danach kann ein Richter diese anordnen. Darauf haben wir als Land selbstverständlich keinen Einfluss.

Wir stellen uns in der Regierung der Verantwortung; deswegen stimmen wir dem ja auch zu. Das heißt, wenn die Abschiebehaft dann angeordnet wird, stehen wir als Grüne in diesem Land dafür, dass dieser Vollzug menschenwürdig und humanitär ausgestaltet wird. Sich dieser Verantwortung zu stellen, darum geht es.

Die Abschiebehaft selber wird auf Bundesebene geregelt und ist so zu handhaben, wie es im Gesetz formuliert ist. Deswegen: Werfen Sie bitte nicht alles durcheinander. Vielleicht hören Sie auch einfach einmal zu. Dann wären wir auch schon einmal weiter. Oder lesen Sie vielleicht einmal das Gesetz.

Dann hatten Sie die Sache mit den „beleidigenden Gegenständen“ angesprochen. In der Tat ist hier eine Formulierung gewählt worden, die etwas umfasst, das dem Frieden in der Anstalt dienen soll. Selbstverständlich nenne ich Ihnen gerne ein konkretes Beispiel.

Das ist jetzt ein fiktives, konstruiertes Beispiel, das aber tatsächlich morgen genau so passieren könnte: Eine Mohammed-Karikatur wird in dieser Anstalt herumgezeigt, um Unfrieden zu stiften. Man hält Muslimen diese Mohammed-Karikatur unter die Nase, um sie zu provozieren. – Wir brauchen eine Rechtsgrundlage dafür, dass man eine solche Karikatur jemandem wegnehmen kann, weil sie letztlich als Gegenstand dazu dient, einen anderen zu beleidigen und Unruhe in der Anstalt zu stiften. Das wäre ein konkretes Beispiel, was sich hinter diesen Formulierungen verbirgt.

Selbstverständlich will hier niemand – das ist aber auch absurd und böswillig von Ihnen konstruiert – einem Christen eine Bibel wegnehmen. Also, so ein dummes Zeug müssen Sie hier nicht von sich geben!

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich hoffe, dass wir den Punkt jetzt abschließend geklärt haben.

Ich fasse zusammen: Ich glaube, dass wir uns mit diesem Gesetz der Verantwortung stellen, eine gesetzliche Grundlage für einen humanitären und menschenwürdigen Vollzug zu schaffen. Wir nutzen die vorhandenen Spielräume aus, um Menschen, die inhaftiert werden, damit sie nicht unterzutauchen – das ist ja Grund für solch eine Inhaftierung –, bis zu ihrer Abschiebung eine möglichst anständige Unterbringung, einen Zugang zu Beratung und Gesundheitsversorgung sowie so viel – in Anführungszeichen – „Freiheit“ zu gewährleisten, wie es eben unter diesen Bedingungen möglich ist.

Da bringen wir etwas auf den Weg, was die Situation der Menschen in der Abschiebehaftanstalt in unserem Land deutlich verbessert. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Frau Kollegin Düker. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Wedel das Wort.

Dirk Wedel (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute sind wir im letzten Akt eines Trauerspiels – teilweise auch einer Komödie – angekommen.

Erster Akt. Der in der Justizvollzugsanstalt Büren bislang praktizierte Vollzug von Abschiebungshaft musste Ende Juli 2014 aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesgerichtshofes eingestellt werden. Der Vollzug von Strafhaft und Abschiebungshaft auf dem Gelände ein und derselben Justizvollzugsanstalt war nicht mehr zulässig. Die FDP sah die Notwendigkeit einer umfassenden Rechtsgrundlage für den Vollzug der Abschiebungshaft und einer Abschiebungshaftvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen.

Zweiter Akt. Erst einmal aber passierte nichts. Nordrhein-Westfalen verfügte dann über keine Vollzugseinrichtung für Abschiebungshaft mehr und war bei der Unterbringung von Abschiebungshäftlingen ausnahmslos auf die Amtshilfe anderer Bundesländer angewiesen. Mit entsprechendem Aufwand und Kosten mussten sie nach Berlin und Brandenburg verbracht werden.

Es hat dann ein Dreivierteljahr gedauert, bis Rot-Grün im Mai 2015 eine provisorische Rechtsgrundlage für den Abschiebungshaftvollzug in Nordrhein-Westfalen verabschiedete, die unseren Ansprüchen als Freie Demokraten bei Weitem nicht genügte, welche aber immerhin bis Ende 2015 befristet war. Es wurde noch eine Abschiebungshaftvollzugsverordnung nachgelegt und die Verlagerung aus dem Haushaltsplan der Justiz in den Innenbereich nachvollzogen.

Nur drei Monate später – im August 2015 – kam dann ein neuer Gesetzentwurf, quasi eine Mischung aus dem bisherigen Übergangsgesetz und der Abschiebungshaftvollzugsverordnung. Er ist vom Parlament bis Ende dieses Jahres zu verabschieden. – Der dritte Akt.

In einer Zeit großer Herausforderungen durch die Flüchtlingsproblematik, in der über die effektivere Abschiebung debattiert wird, schafft Rot-Grün nun endlich eine bleibende, umfassende Rechtsgrundlage mit gesetzlich normierten Einzelregelungen zur Durchführung des Abschiebungshaftvollzuges, zur Einzelunterbringung, zu Bewegungsfreiheit, zu Besuchsregelungen, zum Beschwerdewesen, zum Beirat oder etwa zu besonderen Sicherungsmaßnahmen.

Die Anhörung zum Gesetzentwurf im Innenausschuss mutierte zeitweise zu einer Grundsatzdebatte über das „Ob“ von Abschiebehaft. Wir haben in NRW aber nur über das „Wie“ zu entscheiden, über die Durchführung des Abschiebungshaftvollzuges in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren.

Die FDP hält die aufgrund einer richterlichen Haftanordnung zur Sicherung einer gerichtlich festgestellten Ausreisepflicht angeordnete Abschiebungshaft an sich jedenfalls als Ultima Ratio – siehe § 62 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – für erforderlich. Anders als für die CDU, die sehr strenge Vollzugsregelungen fordert, stehen für die FDP beispielsweise der Grundsatz der Einzelunterbringung sowie die vorgesehenen Beschäftigungsmöglichkeiten außer Frage.

Der Gesetzentwurf enthält insgesamt viele positive Elemente. Natürlich muss der Unterschied zwischen Abschiebungshaft und Strafvollzug praktische Auswirkung haben. Die Anhörung hat auch gezeigt, dass pauschale Regelungen zur Telefonie, zum Einschluss während der Nacht sowie zur Durchsuchung bei einer Einzelfallbetrachtung Bedenken im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begegnen können. Auch könnten die Informationspflichten gegenüber dem Haftgericht durchaus ausgedehnt werden.

Der vierte Akt war dann allerdings ein besonderes Trauerspiel: Der vorgelegte Änderungsantrag von SPD und Grünen war so defizitär, dass er nur abgelehnt werden konnte. Da ging es von sprachlich missglückten Formulierungen in Bezug auf „beleidigende Gegenstände“ – zur Erklärung: Nur Menschen können jemanden beleidigen, aber keine Gegenstände – bis hin zu angeblich zu unbestimmten Rechtsbegriffen, die im Gesetzentwurf nicht verbleiben durften, aber weiter im neuen Strafvollzugsgesetz stehen. Insoweit verweise ich auf meine im Rechtsausschuss einzeln dargelegten Kritikpunkte.

Ein besonderer Kritikpunkt am Gesetzentwurf ist der Nichtraucherschutz für die unfreiwillig in Abschiebungshaft befindlichen Menschen. Während Rot-Grün beim Nichtraucherschutzgesetz auch für den freiwilligen Gaststättenbesuch ein striktes Rauchverbot durchgesetzt hat, konnte man sich hier nicht einmal dazu durchdringen, die Formulierungen des § 10 Abs. 2 der bisherigen Abschiebungshaftvollzugsverordnung zu übernehmen, wonach insbesondere Schwangere und erkrankte Personen durch Raucher nicht gestört werden dürfen. Nunmehr soll deren gesundheitlicher Schutz von der Anstaltsleitung lediglich noch „so weit wie möglich“ gewährleistet werden.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns nun in einem der letzten Akte: Verabschiedung vor Verkündung und Inkrafttreten. Wir werden uns als Freie Demokraten aus besagten Gründen enthalten. Der Gesetzentwurf wird kurz vor Weihnachten als ein kleiner Mosaikstein in einer Zeit enormer Herausforderungen durch die Flüchtlingszahlen verabschiedet. Er soll das sicherstellen, was leider teilweise unvermeidlich ist, dabei aber bestmögliche Menschlichkeit in einer schwierigen Situation ermöglichen. Das soll er in einer Zeit, in der uns allen sehr bewusst ist, wie glücklich wir uns schätzen können, die Feiertage zu Hause mit unseren Familien verbringen zu können. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Schatz das Wort.

Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschiebehaft ist inhuman. Eine große Zahl der Inhaftierungen ist rechtswidrig. Abschiebehaft ist auch, aber nicht nur, im Hinblick auf die Kosten-Nutzen-Rechnung unverhältnismäßig.

Man muss es immer wieder betonen und kann es gar nicht oft genug sagen: Menschen, die in Abschiebehaft kommen, haben nichts getan. Sie sitzen im Gefängnis, obwohl sie weder Straftäter sind noch eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen. Wenn sie das wären, säßen sie im Strafvollzug.

Abschiebehaft ist unverhältnismäßig teuer. Der Betrieb der Anstalt in Büren kostet laut dem heute beschlossenen Haushalt 11,2 Millionen € pro Jahr – und das nur, weil es sich die Ausländerbehörden einfach machen wollen und die Menschen lieber wegsperren, anstatt die vorhandenen Alternativen zu nutzen. Auffällig sind dabei besonders zwei Behörden, die deutlich überproportional Haftanträge stellen, weshalb ich sie namentlich erwähnen möchte: Borken und Kleve.

Die Alternativen zur Haft sind für die Behörden allerdings auch eine Zumutung. Das kann man schon verstehen. Man stelle sich beispielsweise vor: Die Ausländerbehörde in Borken würde, anstatt einen Haftantrag zu stellen, eine Meldeauflage verhängen. Wo kämen wir denn da hin? – Das müsste man ja kontrollieren! Man müsste schauen, ob sich die Menschen tatsächlich daran halten. Das geht nicht! Dann lieber wegsperren. Da hat man mit einer Maßnahme direkt jegliche Verantwortung abgegeben. Da ist es deutlich leichter.

Das ist doch der Grund für die vielen Haftanträge. Das soll Ultima Ratio sein? Da kann ich nur lachen – leider. Oder wollen Sie etwa behaupten, dass es purer Zufall ist, dass mehr als die Hälfte aller Abschiebehäftlinge in ganz Deutschland aus NRW kommt, obwohl nur ein Fünftel der Geflüchteten hier zugewiesen wird? Dass es häufig nur darum geht, es sich einfach zu machen, und dass tatsächliche sachliche Gründe für eine Abschiebehaft fehlen, wird dadurch deutlich, dass die Abschiebehaft nachweislich viel zu häufig unrechtmäßig beantragt bzw. angeordnet wird. Denn in den Fällen, in denen sich die Abschiebehäftlinge mit rechtlichen Mitteln gegen die Haft zur Wehr setzen, wird ihnen in über 80 % der Fälle recht gegeben, und die Haft wird aufgehoben.

Was machen die Landesregierung und Rot-Grün dagegen? Nichts, gar nichts! Sie sehen diesem Treiben tatenlos zu und berufen sich ganz unschuldig darauf, dass Sie dagegen nichts machen können, weil Sie in dieser Angelegenheit keinen Einfluss auf die Entscheidung der Behörden haben und auf die der Gerichte sowieso nicht.

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, ich sage Ihnen, was Sie tun können, um zumindest den Versuch zu wagen, diesem Treiben Einhalt zu gebieten: Stimmen Sie heute unserem Entschließungsantrag zu.

(Beifall von den PIRATEN)

Auch dieser Antrag ist natürlich nur ein erster Schritt – keine Frage –, aber zumindest ist er einer.

Die Abschiebehaft gehört abgeschafft. Objektiv betrachtet kann sie eigentlich nur einen Zweck haben, nämlich Abschreckung. Einen anderen Sinn hat sie offenkundig nicht. Wie es aussieht, wollen Sie von Rot-Grün auch nichts anderes. Herr Körfges, Frau Düker, Sie stellen sich bei diesem Thema im Innenausschuss immer als die Guten dar; Frau Düker hat es gerade noch einmal bekräftigt. Eigentlich wollen Sie überhaupt keine Abschiebehaft, aber solange es sie nun einmal gibt, können Sie nichts dagegen tun.

Aber: Sie können doch etwas dagegen tun. Wo ist denn beispielsweise Ihre Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebehaft? Da habe ich nichts gehört! Ob sie dann durchkommt oder nicht, ist eine andere Frage. Aber Sie können etwas dagegen tun, zumindest könnten Sie es versuchen. Aber was tun Sie dagegen? – Nichts.

Solange Sie Ihren Worten keine Taten folgen lassen, muss ich davon ausgehen, dass Sie die Abschiebehaft befürworten. Das tun Sie auch. Das hätte ich von der CDU erwartet, aber mit Sicherheit nicht von Ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Schatz. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Verabschiedung des Übergangsgesetzes zur Abschiebehaft hat die Landesregierung seinerzeit angekündigt, für eine weitgehend humane Ausgestaltung der Haftbedingungen zu sorgen.

Durch verschiedene Redner ist heute schon deutlich geworden: Abschiebehaft dient nicht der Strafe, sondern der Sicherstellung der Rückführung. Sie soll sich deshalb in wesentlichen Elementen vom Strafvollzug unterscheiden. Das ist auch gut so.

In einem wirklich sehr intensiven Dialog mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit den Ausländerbehörden, mit den Hilfsorganisationen haben wir die Regelungen und die Ausgestaltung dieser Haftbedingungen ausgearbeitet, erörtert und Ihnen heute zur Abstimmung vorgelegt.

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bei den Vertreterinnen und Vertretern der NGOs bedanken, die trotz grundsätzlicher Ablehnung der Abschiebehaft im Interesse der Ausreisepflichtigen mit großem Engagement an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben.

Die Diskussion um die Ausgestaltung der Haftbedingungen hat sich sowohl während der Erstellung des Gesetzentwurfs als auch bei der Erörterung hier in diesem Parlament fortgesetzt. Die Regierungsfraktionen haben nach der Sachverständigenanhörung einen Änderungsantrag erstellt, über den heute ebenfalls zu entscheiden ist. Mit diesem Änderungsantrag wird einigen Kritikpunkten der Sachverständigen Rechnung getragen, beispielsweise bei der Frage nach der Benutzung eines Mobilfunktelefons und bei der Verhinderung von Missbrauch.

Die Regelung zum Nachteinschluss ist in zwei anderen Bundesländern ins Gesetz aufgenommen worden. Auch wir wollen hier diese Möglichkeit schaffen, sofern der Betrieb dieser Einrichtungen nicht gefährdet wird. Wir haben schlichtweg zu wenige Erfahrungen mit Belegungszahlen von unter zehn Personen, als dass wir uns jetzt dazu abschließend eine Meinung bilden könnten. Ich glaube, es ist wichtig, zumindest diese Möglichkeit ins Gesetz aufzunehmen.

Bei der Sachverständigenanhörung wurde der Menschenrechtsaktivist Percy MacLean zitiert, wonach sich wegen des Fehlens eines Strafzwecks das Leben in Abschiebungshaft als „normales Leben minus Freiheit“ darzustellen habe. Auch wenn das einige in diesem Saal bezweifeln mögen, so glaube ich doch: Wir sind diesem Zustand mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sehr nahegekommen.

Für uns ist klar: Die Abschiebehaft bleibt die Ultima Ratio. Das wird auch gemessen an den Zahlen in Nordrhein-Westfalen klar und deutlich.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

An die Adresse der Piraten gerichtet sage ich: Auch wenn man grundsätzlich eine andere Haltung zu einem Sachverhalt, beispielsweise der Abschiebungshaft, hat, ist ein Gesetzgeber – und Sie sind Teil dieser Gesetzgebung – verpflichtet, im Sinne der Betroffenen an einem solchen Gesetzgebungsverfahren mitzuarbeiten,

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das haben wir gemacht!)

und darf sich nicht einen schlanken Fuß machen und in die Verantwortungslosigkeit flüchten. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung erstens über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9521. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10433, den Gesetzentwurf Drucksache 16/9521 in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer dieser Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt gegen diese Beschlussempfehlung? – Das sind die CDU-Fraktion und die Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Abgeordneten der FDP-Fraktion. Damit stelle ich fest, dass die Beschlussempfehlung Drucksache 16/10433 angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/9521 in der Fassung der Beschlussempfehlung in zweiter Lesung verabschiedet ist.

Ich lasse zweitens über den Entschließungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 16/10492 abstimmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Enthält sich ein Kollege der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/10492 abgelehnt.

Ich rufe auf:

11       Gesetz zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis und zur Befristung der Altersteilzeitregelung

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9759

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/10434

zweite Lesung

Alle fünf Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Reden  zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 2)

Wir kommen somit unmittelbar zu Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10434, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9759 selbst.

Wer ist für diesen Gesetzentwurf? – Das sind die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Piratenfraktion. Wer enthält sich? Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Damit stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/9759 angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet ist.

Ich rufe auf:

12       Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10379

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs hätte ich für die Landesregierung Herrn Minister Jäger das Wort erteilt, wenn mir nicht soeben zugerufen worden wäre, Sie seien bereit, Herr Minister, Ihre Rede  ausnahmsweise zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 3) – Vielen Dank. Das passt recht gut; denn eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit direkt zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/10379 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Ist jemand dagegen oder enthält sich der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

13       Dienstrechtsmodernisierungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Dienstrechtsmodernisierungsgesetz – DRModG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/10380

erste Lesung

Herr Minister Jäger signalisiert mir gerade, dass er wiederum bereit ist, seine Rede  zur Einbringung des Gesetzentwurfs zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 4). Eine weitere Aussprache ist heute auch nicht vorgesehen.

Wir kommen somit direkt zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/10380 an den Innenausschuss – federführend –, an den Haushalts- und Finanzausschuss und an den Rechtsausschuss.

Inzwischen haben sich alle Fraktionen darauf verständigt, den Gesetzentwurf auch an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend, an den Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation sowie an den Integrationsausschuss zu überweisen. Das wird ein fröhliches Abstimmungsverfahren.

Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Stimmt jemand dagegen oder enthält sich der Stimme? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

14       Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/10378

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10378 an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Wer für die Überweisung ist, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Stimmt jemand dagegen oder enthält sich? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

15       Veräußerung von Liegenschaften des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) – Liegenschaft in Brüssel

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß § 64 Absatz 2 LHO
Vorlage 16/3480

Beschlussempfehlung
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10435

Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10435, in die in Vorlage 16/3480 näher bezeichnete Grundstücksveräußerung einzuwilligen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – CDU-Fraktion und FDP-Fraktion. Damit stelle ich fest, dass die Einwilligung in die Grundstücksveräußerung vom Landtag Nordrhein-Westfalen erteilt ist.

Ich rufe auf:

16       Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 3. Quartal des Haushaltsjahres 2015

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2
der Landesverfassung
Vorlage 16/3468

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/10436

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/10436, die mit Vorlage 16/3468 beantragte Genehmigung zu erteilen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und Piraten. Damit ist der Antrag des Finanzministeriums Vorlage 16/3468 angenommen und die beantragte Zustimmung erteilt.

Ich rufe auf:

17       In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 36
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 16/10437

Die Übersicht 36 enthält drei Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung – respektive § 79 Abs. 2 der alten Fassung der Geschäftsordnung – an einen Ausschuss zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen entsprechend der Übersicht 36 abstimmen. Wer möchte dieses Abstimmungsverhalten der Fraktionen denn gerne bestätigen, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Möchte jemand im Plenum gegen diese Bestätigung stimmen oder sich enthalten? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit sind die in Drucksache 16/10437 enthaltenen Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse einstimmig vom Landtag Nordrhein-Westfalen bestätigt.

Ich rufe auf:

18       Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/38

Mit dieser Übersicht liegen Ihnen Beschlüsse zu Petitionen vor.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das kann ich nicht erkennen. Ist jemand mit den Beschlüssen nicht einverstanden? – Auch das ist offenbar nicht der Fall. Dann stelle ich gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass diese Beschlüsse des Petitionsausschusses hiermit bestätigt sind.

Meine Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung angelangt.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 17. Dezember, 10:00 Uhr.

Ihnen allen wünsche ich noch einen angenehmen Abend.

Die Sitzung des Landtags ist für heute geschlossen.

Vielen Dank.

Schluss: 17:39 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 


Anlage 1

Zu TOP 9 – „Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen (Hafensicherheitsgesetz – HaSiG)“ – zu Protokoll gegebene Reden

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll ein seit Jahren zwischen der Hafenwirtschaft und der Landesverwaltung bestehender Streit über die Reichweite der gesetzlichen Verpflichtung zur Gefahrenabwehr in Häfen beendet werden. Worum ging es?

Das Europäische Parlament und der Rat hatten im Jahre 2005 die sogenannte Gesamthafenrichtlinie beschlossen mit dem Ziel, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen auch auf die Häfen auszuweiten.

Die Umsetzung dieser Richtlinie erfolgte in Nordrhein-Westfalen durch das Hafensicherheitsgesetz aus dem Jahre 2007. Dieses Gesetz weist dem Hafenbetreiber weitgehende Aufgaben zu: So ist er zur Erstellung eines Gefahrenabwehrplans und der Durchführung der in diesem Plan darzustellenden Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet.

Die Hafenwirtschaft hat sich gegen diese weitreichende Inanspruchnahme, insbesondere gegen die Zuweisung von Zugangskontrollen ins Hafengebiet, von Anfang an gewehrt. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen den Hafenbetreibern und der Hafensicherheitsbehörde wurden letztendlich in einem Rechtsstreit geklärt.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass der Hafenbetreiber nicht zu Zugangskontrollen auf öffentlichen Straßen verpflichtet werden könne; hierbei handele es sich um eine hoheitlich wahrzunehmende Aufgabe.

Auch die Europäische Kommission hat im Rahmen einer Inspektion festgestellt, dass die derzeitige Zuweisung von Aufgaben an den Hafenbetreiber nicht in Einklang mit der europarechtlichen Hafensicherheitsrichtlinie steht und hat zwischenzeitlich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Die Landesregierung zieht hieraus nun die Konsequenz:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die gesamte Gefahrenabwehrplanung in Häfen als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet.

Ich bitte, den Gesetzentwurf zu beraten.

Sarah Philipp (SPD):

Da der Gesetzentwurf dankenswerterweise in allen mitberatenden Ausschüssen sehr einvernehmlich vorberaten wurde, an dieser Stelle nur ein paar kurze Anmerkungen:

Wir begrüßen es, dass wir noch in diesem Jahr zur Verabschiedung des HaSiG, dem Gesetz über Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen, kommen.

Mit dem Gesetzentwurf wird die gesetzgeberische Konsequenz aus einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen Hafenbetreibern und der Landesverwaltung über die Verantwortung bei der Hafensicherheit gezogen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte bekanntlich in einem Berufungsverfahren entschieden, dass für Zugangs- und Zufahrtskontrollen auf öffentlichen Straßen nicht Private verpflichtet werden können. Es stellte klar, dass es sich dabei um eine hoheitlich wahrzunehmende Aufgabe handelt.

Die Inspektion der Europäischen Kommission hatte zudem festgestellt, dass die gesetzliche Zuständigkeit zur Vorbereitung und Umsetzung von Plänen zur Gefahrenabwehr in Häfen durch den Hafenbetreiber nicht in Einklang mit der Hafensicherheit zu bringen ist.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält nunmehr die notwendigen Regelungen, um die Vorgaben der europarechtlichen Regelungen und die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Münster umzusetzen. Das ist, wie gesagt, ein guter und richtiger Schritt und verantwortungsvolles politisches Handeln!

Dass Sorgfalt immer vor Aktionismus gelten sollte, wird auch bei einem kurzen Rückblick deutlich: CDU und FDP hatten 2007 gegen die Meinung sämtlicher Experten ein Gesetz verabschiedet, das die Hafenwirtschaft vor eine unlösbare Aufgabe stellte. Die IHK Niederrhein kam damals in einer Bewertung des Gesetzes zu dem vernichtenden Ergebnis:

„Nicht für Binnenhafenstandorte konzipiert, nicht die Wettbewerbssituation der Verkehrsträger berücksichtigend und dem Hafenbetreiber eine Verantwortung übertragend, der er faktisch nicht nachkommen kann.“

Ähnlich war der Tenor einer öffentlichen Anhörung im Landtag. Nicht wenige äußerten große Bedenken und befürchteten eine Schädigung der nordrhein-westfälischen Hafenstandorte. Auch meine Fraktion hatte deutlich davor gewarnt. Sie jedoch, meine Damen und Herren von der CDU und FDP, wollten auf „Biegen und Brechen“ private und kommunale Betreiber von Häfen unbedingt für hoheitsrechtliche Aufgaben verantwortlich machen und handelten damit höchst wirtschafts- und kommunalfeindlich, da doch bekanntlich viele Kommunen Betreiber der Häfen sind.

In den betroffenen Bundesländern war die EU-Richtlinie, die sogenannte Gesamthafenrichtlinie von 2005, durch eine Novellierung der bestehenden Hafensicherheitsgesetze in nationales Recht umgesetzt worden. Während jedoch die anderen Bundesländer die Hafensicherheitsrichtlinie auf Basis eines abgestimmten Vorgehens als ausschließlich hoheitliche Aufgabe umsetzten, scherte NRW unter der CDU/FDP-Vorgängerregierung aus und ging einen nicht nachvollziehbaren Sonderweg.

CDU und FDP lieferten damit ein weiteres Beispiel ihrer ideologisch verqueren „Privat vor Staat“-Politik. Die Anhörung und das Beteiligungsverfahren waren zudem eine Farce, denn konstruktive Änderungsvorschläge wurden von der schwarz-gelben Vorgängerregierung schlicht ignoriert.

Die Folgen: hohe Belastungen und Kosten und damit Standortnachteile zu den Wettbewerbern in anderen Bundesländern, gegen die sich die Hafenbetreiber wehrten.

Zusammengefasst: Wir hatten es zu tun mit einem wirtschaftspolitisch schädlichen und verkehrspolitisch unsinnigen Gesetz der schwarz-gelben Vorgängerregierung! Der lange Atem ihrer gescheiterten „Privat vor Staat“-Ideologie wirkt lange nach. Auch heute und hier ist immer noch Trümmerbeseitigung angesagt. Ich würde mich freuen, wenn Sie daran mit einer deutlichen Zustimmung zum Gesetzentwurf konstruktiv mitwirkten!

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der rot-grünen Landesregierung, den wir natürlich unterstützen, werden nun insbesondere die Verpflichtungen hinsichtlich der Risikobewertungen und der Erstellung der Gefahrenabwehrpläne in den Häfen in Nordrhein-Westfalen gesetzlich geregelt. Die gesamte Gefahrenabwehrplanung in Häfen ist nun folgerichtig als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet. Damit kommt NRW der Umsetzung der Verpflichtungen aus der Europäischen Richtlinie zur Gefahrenabwehr in Häfen vollständig nach und trägt dazu bei, Schiffe und Hafenanlagen gegen das Risiko von Anschlägen und Terrorismus zu schützen und ein hohes Sicherheitsniveau zu gewährleisten: mit Hilfe der Polizei und auf Basis des Polizeigesetzes unseres Landes.

Klaus Voussem (CDU):

Wir alle erinnern uns noch an den 11. September 2001. Als direkte Folge der Terroranschläge dieses 11. Septembers wurden auch die Sicherheitsbestimmungen für den Schiffsverkehr weltweit verschärft.

Die Grundlage für den Handlungsbedarf des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Hafensicherheit hatten das Europäische Parlament und der Rat im Jahr 2005 gelegt. Mit der „Richtlinie 2005/65/EG zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen“ vom 26.10.2005 setzten sie folgende Maßgaben:

–     Schutz der Häfen und der Schnittstelle Hafen – Hinterland,

–     Schutz der Menschen, Infrastruktur, Ausrüstung und Transportmittel in Häfen.

Diese europäischen Regelungen zur präventiven Gefahrenabwehr in Häfen wurden in Nordrhein-Westfalen mit dem Hafensicherheitsgesetz vom 30.10.2007 umgesetzt. Dieses Hafensicherheitsgesetz weist den Hafenbetreibern in Nordrhein-Westfalen daher auch weitreichende Aufgaben zu. Die Hafenbetreiber wurden mit der Erarbeitung und Erstellung eines Gefahrenabwehrplans und dessen Umsetzung betraut.

Es waren vor allem zwei Überlegungen der damaligen CDU-geführten Landesregierung, die zu dieser Entscheidung führten. Erstens hatte die EU in der o. g. Richtlinie 2005/65/EG sehr anspruchsvolle und weitreichende Maßgaben gesetzt, die in Nordrhein-Westfalen nicht weniger als 71 Hafenanlagen betraf. Zweitens verfügt der Staat bei gefährdeten Anlagen auch über einen gewissen Gestaltungsspielraum, private Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Das wird bei Flughäfen nun schon seit Jahren so praktiziert und die Flughafensicherheit wäre ohne Übertragung von Sicherheitsaufgaben auf die privaten Betreiber gar nicht denkbar.

Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens wurde vom Oberverwaltungsgericht Münster bei der Hafensicherheit jedoch entschieden, dass für Zugangs- und Zufahrtskontrollen auf öffentlichen Straßen nur eine Zuständigkeit für die staatlichen Sicherheitskräfte bestehe.

Weiterhin hat die EU-Kommission festgestellt, dass die gesetzliche Zuständigkeit zur Vorbereitung und Umsetzung von Plänen zur Gefahrenabwehr in Häfen durch den Hafenbetreiber nicht im Einklang mit der Hafensicherheitsrichtlinie stehe.

Der heute von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf enthält die notwendigen Regelungen, um die Vorgaben der europarechtlichen Regelungen und die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Münster umzusetzen. Das Hafensicherheitsgesetz vom 30.10.2007 soll durch die vorgeschlagene Neuregelung abgelöst werden.

Die Landesregierung zieht damit die richtige Konsequenz, erstens aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster und zweitens aus einer Forderung der EU-Kommission. – Daher stimmen wir dem Gesetzentwurf zu.

Arndt Klocke (GRÜNE):

Heute verabschieden wir nach den Beratungen in den Ausschüssen die Novellierung des Hafensicherheitsgesetzes.

Inhaltlich geht es im Kern darum, dass das Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen die Verpflichtung des Hafenbetreibers regelt, einen Plan zur Gefahrenabwehr für den Hafen zu erstellen und die dort genannten Sicherungsmaßnahmen und unter anderem Zugangskontrollen durchzuführen.

Federführend war der Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr.

Dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht hat, ist begrüßenswert. Dies gilt insbesondere, da eine Überarbeitung nach den Hinweisen des Oberverwaltungsgerichtes Münster und der EU-Kommission unumgänglich geworden ist. Wir korrigieren somit ein Gesetz aus dem Jahr 2007, das offenbar nicht rechtskonform war. Im federführenden sowie den beiden mitberatenden Ausschüssen Kommunales sowie Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat sich jeweils eine breite Mehrheit für den Entwurf gefunden.

Sehr geehrte Damen und Herren, viel ist in diesen Tagen die Rede von Sicherheit und Freiheit. Mag das Hafensicherheitsgesetz auch nur ein kleiner Baustein in dieser Diskussion sein, so waren wir in den Beratungen um dieses Gesetz doch angehalten, auch hier sorgfältig darauf zu achten, beide Seiten der gleichen Medaille zu berücksichtigen. Dabei regen wir Grüne an, die Auswirkungen von § 5 Abs. 5 des Gesetzentwurfes zu den Befugnissen der Polizei im Hinblick auf ihre Notwendigkeit und ihr Verhältnis zu den allgemeinen polizeirechtlichen Regelungen beizeiten zu überprüfen.

Ich bin zuversichtlich, dass wir heute mit breiter Mehrheit zu einem insgesamt guten Ergebnis kommen. – Herzlichen Dank. Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.

Christof Rasche (FDP):

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung enthält Änderungen des Hafensicherheitsgesetzes, die aufgrund einer höchstrichterlichen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Münster und nach den Feststellungen der EU-Kommission erforderlich geworden sind.

Die bisher vorgesehene Aufgabenteilung bei der Gefahrenabwehr zwischen Hafenbetreiber und Hafensicherheitsbehörde wird dahingehend geändert, dass die gesamte Gefahrenabwehrplanung und deren Durchführung künftig als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet werden. Zudem hat sich Änderungsbedarf aus den Erfahrungen bei der praktischen Umsetzung des Hafensicherheitsgesetzes ergeben.

Die beabsichtigen Änderungen führen dazu, dass die Hafensicherheitsrichtlinie der EU in Nordrhein-Westfalen wirtschaftsfreundlich umgesetzt wird. Daher hat die FDP-Fraktion dem Gesetzentwurf im federführenden Verkehrsausschuss zugestimmt und wird dies auch hier im Plenum tun.

Oliver Bayer (PIRATEN):

Das Hafensicherheitsgesetz ist ein Gesetz, das versucht, die Hafensicherheit zu erhöhen. Die für die Umsetzung des Hafensicherheitsgesetzes zuständige Bezirksregierung Düsseldorf verweist auf „latente Gefahren“ und potenzielle Risiken: Ein „explodierender Sprengsatz in einem Umschlagszentrum oder ein versenktes Schiff in einer Hafenzufahrt könnten wichtige Handelswege unterbrechen und so die Wirtschaft schwächen. […]. Nachhaltige Störungen können zu massiven Beeinträchtigungen der Ökonomie führen.“

Diese Ausgangslage – so latent richtig sie sein mag – muss aus Sicht der Piraten nicht zu massiven Eingriffen in die Freiheitsrechte führen und kann auch – wie immer bei sicherheitspolitischen Maßnahmen – keine Sicherheitsgarantie darstellen. Daher stellen wir Piraten die Frage, ob wir das Sicherheitsrad immer weiterdrehen wollen, oder ob der bestehende Grad der Sicherheit auch ohne restriktive Eingriffe in Bürgerrechte politisch gewährleistet werden kann. Wo die Häfen immerhin über Jahrhunderte als Austauschplätze für Freibeuter und Weltenbummler galten, so sind sie heute als eine besondere Form von Industriegebieten zu besonderen Schutzzonen geworden. Wir behandeln dabei unsere Häfen als Hochrisikozonen und die Hafenarbeiter leider als potenzielle Schmuggler und Schwerverbrecher.

Nach 9/11 gelangte man offenbar zu der Erkenntnis, dass Häfen nicht länger als „Tor zur Welt“, sondern nur noch als Einfallstor für Terror und Sabotage dienen würden. So wurde dann auch argumentiert, als die EU entsprechende Verordnungen und Richtlinien in den Jahren 2004 und 2005 verabschiedete. Zuvor hatte die Diplomatische Konferenz der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) im Jahr 2002 das sogenannte SOLAS-Übereinkommen aus dem Jahre 1974 überarbeitet sowie mit dem ISPS-Code einen Internationalen Code für die Gefahrenabwehr in Hafenanlagen und den Schiffbetrieb geschaffen. SOLAS wurde dann bereits im Jahre 2004 abermals verschärft. Mit dieser Vorgeschichte der gesetzlichen Grundlagen und Empfehlungen wurde das HaSiG in NRW verabschiedet. Dabei ist das HaSiG aus dem Jahre 2007 in seiner restriktiven Form auch als Folge der Terroranschläge in Madrid im Jahre 2004 und London im Jahre 2005 zu bewerten.

Wir Piraten sagen deutlich: Kontrollen und Restriktionen sind immer mit Grundrechtseingriffen verbunden.

Bei der dringend notwendigen Evaluation des HaSiG sind daher folgende Fragen zu analysieren: Wann und nach welchen Absprachen erfolgt die Ausrufung einer höheren Gefahrenstufe für eine Hafenanlage – zumal diese mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen verbunden ist? Wie steht es hier um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit solcher Entscheidungen? Wie ist der Umgang mit den in der Zuverlässigkeitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten zu bewerten? Kann ein Hafenmitarbeiter in Bezug auf seine Daten von seinen Rechten Gebrauch machen (Auskunftsrechte, Akteneinsicht, Sperrvermerke) – auch in dem Fall, dass die Daten vom Verfassungsschutz (unter der Prämisse einer massenhaften Datenüberwachung, die zwangsläufig auch unschuldige Dritte treffen kann) übermittelt worden sind? Wie werden diese Beispiele in der Praxis gehandhabt? Dies gilt ebenso für die Ausnutzung der umfassenden Kontrollrechte durch den Port Security Officer (PSO).

Und verkehrspolitisch stellt sich eine weitere Frage. Die Bezirksregierung Düsseldorf behauptet, dass die an die Umschlagbetriebe erteilten Zertifikate über eine ordnungsgemäße Gefahrenvorsorge zwischenzeitlich zu einem Qualitäts- und Marketingkriterium in der Logistikbranche geworden sind. Auch dies gilt es zu prüfen. Wenn es so sein sollte, fragen wir Piraten uns, weshalb wir es nicht schaffen, wesentlich mehr Transporte mit dem Schiff abzuwickeln, was aus unserer Sicht wünschenswert wäre. Wolmöglich wirken die restriktiven (Anti?-) Terrorgesetze für den Wassergüterverkehr geschäftsschädigend – insbesondere im Vergleich mit der LKW-Logistik-Branche auf der Straße.

„Die Welt wird nie mehr so sein wie bisher.“ Nach dem 11. September wurde dieser Satz häufig gesagt. Für die Seefahrt hat sich dieser Satz bewahrheitet.

Das Pendel bei der Abwägung von Sicherheit und Freiheit darf elf bzw. zehn Jahre nach den Anschlägen von Madrid und London und vierzehn Jahre nach 09/11 nicht dauerhaft und wie selbstverständlich in jedem Bereich für Sicherheitsverschärfungen ausschlagen.

Wir alle sind bei Terroranschlägen bestürzt über das Ausmaß der Gewalt. Terror ist nicht alltäglich. Terror ist nicht normal. Die Freiheit bleibt aber in der Logik der Sicherheitsgesetze auch nicht länger das Normalmaß. Deswegen sollte insbesondere ein solches Gesetz mit Augenmaß noch einmal auf den Prüfstand.

Neben den geäußerten prinzipiellen Überlegungen führt die fehlende Evaluation dazu, dass dieses Gesetz von den Piraten abgelehnt wird. Wir Piraten wenden uns gemäß dem Motto „Freiheit statt Angst” gegen Terrorgesetze, die uns unserer Freiheit berauben und nicht viel mehr erreichen, als Ängste zusätzlich zu befeuern

.


Anlage 2

Zu TOP 11 – „Gesetz zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis und zur Befristung der Altersteilzeitregelung – zu Protokoll gegebene Reden

Thomas Stotko (SPD):

Höchstaltersgrenzen für Beamte braucht das Land

das oberste Gericht hat dies von uns verlangt

Nun bestimmen wir die Relation

von Lebenszeit und Alimentation

In den Staatsdienst einzutreten ist nun möglich,

mit Ausnahmen bis 42, ach wie löblich

Geburt, Betreuung und die Pflege,

sind dazu auch verlängernde Wege

Dass die Altersteilzeit von nun an ohne Frist

Für Lehrer und Kommunale eine Erleichterung ist

Da alle jetzt zufrieden sind

Die SPD dem Gesetz zustimmt

Nun nutze ich die Gunst der Stunde

Und blick zurück in dieser Runde

Auf ein vergangenes parlamentarisches Jahr,

das für uns alle sehr anstrengend war

Zwei dunkle Ereignisse zu Jahresbeginn

fanden wir besonders schlimm

Salafismus, Attentat,

Terror und Drohung gegen den Staat

Das ganze Jahr war Thema breit

Die Diskussion um Sicherheit

Für Freiheit und die Demokratie

stand das Parlament zusammen wie nie

Millionen Menschen auf der Flucht

auch NRW traf es mit Wucht

In diesem Jahr war kein Thema so viel

wie Flüchtlingskrise, Integration und Asyl

Viele engagieren sich humanitär

Die Politik hat´s manchmal schwer

Denn Populismus ist hier nicht richtig

Für die Stimmung ist es aber wichtig

Dass alle Fraktionen gemeinsam entscheiden

Menschen auf der Flucht dürfen bei uns bleiben

Der Haushalt in NRW, viermal nachgetragen,

zwei Milliarden für all die Fragen?

Dazu noch Bremse für die Schulden

Woher nimmt NoWaBo die Gulden?

Doch jetzt hilft ihm unsere Kraft

mit Länderfinanzausgleich – geschafft!

Für Schwall-Düren, Schneider, Schäfer kamen,

Ins Landeskabinett drei neue Namen

Kampmann, Schmeltzer und Lersch-Mense

Die eine neu, die andern „kennze“

Die Abgeordneten sind nicht aus Glas gewesen

Doch endlich kann man im Internet lesen

wer nebenbei die Taschen füllt

Und dies bisher geschickt verhüllt

Zu Garzweiler der Leitentscheid

Nicht jeden dort so recht erfreut

Dem Klima soll er damit nützen

Im Gegenzug Strukturen schützen

Die Barbara Hendricks lacht im Kohlenkeller

„Den Kohleausstieg mach ich schneller“

Die echte Bergbau-Barbara heißt Hannelore

Und schützt mit ihrer Kraft die heimische Kohle

Brücken morsch und Straßen platt,

der Groschek sorgt für Kohle satt

Er steht für Erhalt im Straßenbau

Setzt sich ein gegen den Stau

Mit flotten Sprüchen gegen die Ausbaulücke

Die Rhein- wird zur „Mike-Groschek-Brücke“

Rettungsdienst und Feuerwehr

Beide Gesetze wurden fair

Mit Betroffenen besprochen

Und das über viele Wochen

Weil Viele brachten sich hier ein

Konnten wir erfolgreich sein.

Hallali und Hallala

im Sommer warn die Jäger da

ohne Dackel, ohne Hund,

für die Grünen lief´s nicht rund

Katzen schnurren, Waffen schweigen

Auf Demos und Podien war ein munteres Treiben

Der Landtag will mit vielen Stimmen

die Sperrklausel in die Verfassung bringen

Den Einen ist der Rat zu bunt

Mit Sitzung bis zur Morgenstund

Die Kleinsten wollen keine Hürde

Weil Demokratie verhindert würde

Egal wie es kommt, im nächsten Jahr

Trifft die Entscheidung der VGH

Im September Wahl der Bürgermeister

Das rief herbei manch kranke Geister,

mit Abscheu und Angst stellen wir fest,

dass in Köln ein Vertreter rechter Pest

Frau Reker nach dem Leben trachtet

Wird als Angriff auf die Demokratie verachtet

Wir wünschen Ihr von dieser Stelle

Gesundheit und Stärke für alle Fälle

Gleiches wünschen wir unseren Kollegen,

die aus unserer Mitte auf neuen Wegen

denn Eiskirch, Breuer, Abruszat und Kufen,

wurden als Oberhaupt in ihre Städte gerufen

Ich komme hier jetzt auch zum Schluss

Weil jeder heut noch feiern muss

Deshalb nutz ich den Rest der Worte

um abzuschließen an diesem Orte.

Den fünf im Stream und auch dem Rest

wünsch ich ein frohes Weihnachtsfest.

Auch wenn heut´ Nacht,

das Erwachen der Macht

Für Viele doch sehr wichtig ist

So hätten wir doch was vermisst

Wenn am Schluss des Jahres nicht belegt

Was viele von uns mehr bewegt

Drum wünsch ich zu den Weihnachtstagen

Besinnlichkeit und Wohlbehagen

Und möge auch das Neue Jahr

Erfolgreich sein, wie´s alte war.

Werner Lohn (CDU):

Das Thema „Höchstalter für Verbeamtung“ ist sicherlich keines, mit dem man das Interesse der Massen gewinnen kann.

Dennoch ist das Verbeamtungshöchstalter wichtig für die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität unseres öffentlichen Dienstes in NRW.

Die bisherige Regelung, wonach das Höchstalter für eine Verbeamtung bei 40 Jahren liegt, wurde vom Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil vom 21. April 2015 verworfen. Die Hauptkritikpunkte lauten „Altersdiskriminierung“, „mangelnde inhaltliche Bestimmtheit“ und „eingeschränkte Freiheit der Berufswahl“.

Die Landesregierung musste also eine Gesetzesänderung vornehmen, wenn die Altersbegrenzung nicht völlig wegfallen soll.

Der uns hier vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung greift allerdings zu kurz!

Angesichts des demographischen Wandels können wir den Kampf die besten Köpfe nur gewinnen, wenn wir – neben vernünftiger Besoldung – ein modernes, leistungsfähiges und attraktives öffentliches Dienstrecht anbieten können.

Das geht nur aus einem Guss – im Rahmen einer Großen Dienstrechtsreform, die ihren Namen auch verdient!

Das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz, das gleich in einem späteren TOP noch ohne Aussprache eingebracht wird, wird den Erfordernissen nicht gerecht. Es wird von den Berufsverbänden schon jetzt als bloßes weiteres „Reförmchen“ bezeichnet.

Wir werden dahin kommen müssen, dass es keine Ausnahme ist, wenn dringend gesuchte Fachleute aus der freien Wirtschaft auch mit 45 oder 47 Jahren noch bei uns verbeamtet werden können.

Gleichzeitig muss es möglich sein, als junger Mensch zum Beispiel erst in den öffentlichen Dienst zu gehen, um dann nach mehreren Jahren ohne Nachteile in die Wirtschaft wechseln zu können.

Mehr Flexibilität beim Einstieg in oder Wechsel aus dem öffentlichen Dienst würde eine Bereicherung sowohl für die öffentlichen als auch für die privaten Arbeitgeber sein.

Dafür müsste natürlich auch im Versorgungsrecht einiges geregelt werden. Im jeweiligen Arbeitsmarkt erworbene Ansprüche müssen gerecht übertragen werden. Das ist zwingende Voraussetzung für die auch von den Berufsverbänden gewünschte Flexibilität.

Doch leider steht dazu nichts im Gesetzentwurf und auch nicht in dem „Dientsrechtsreförmchen“, das zum 1.7.2016 in Kraft treten soll.

Es findet sich auch kein Wort zu den Problemen der angestellten Lehrer. Im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen wurde dazu eine Regelung angekündigt, doch passieren wird unter SPD und Grünen wohl nichts!

Wie sieht die Dienstrechtsbilanz von SPD und Grünen aus?

Über vier Jahre nur ungehaltene Versprechungen, ein verkorkstes Dienstrechtsanpassungsgesetz 2013, kleine, isolierte Änderungen im Laufbahnrecht 2014 und gleich noch ein Dienstrechtsmodernisierungsgesetz, was uns nicht auf Augenhöhe mit den anderen Ländern bringt.

In Bayern und Baden-Württemberg verdienen vergleichbare Beamte zum Beispiel mehrere Tausend Euro im Jahr mehr als bei uns. Auch deren modernes Dienstrecht führt dazu, dass viele potentielle Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst aus unserem Land abgewandert sind.

Wir können diesem weiteren „Stückwerk-Gesetz“ daher nicht zustimmen.

Wir werden uns enthalten, weil wir der Wiederherstellung von Verfassungskonformität nicht entgegenstehen wollen.

Verena Schäffer (GRÜNE):

Wir wollen Perspektiven schaffen. Darum geht es auch in diesem Gesetzentwurf. Perspektiven für Menschen, die sich den Einstieg in ein Beamtenverhältnis vorstellen können und deren Lebensentwurf nicht ganz den althergebrachten Vorstellungen entspricht. Es geht um Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der ersten Jahreshälfte entschieden, dass das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen keine ausreichende Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis enthält.

Mit diesem Gesetzentwurf wird dieser Fehler korrigiert und die Höchstaltersgrenze gesetzlich verankert. Die Festlegung einer allgemeinen Altersgrenze ist notwendig, denn sie dient der Finanzierbarkeit und der Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems. So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung betont, dass das Lebenszeitprinzip und das Alimentationsprinzip geeignet sind, Eingriffe in Art. 33 Abs. 2 GG durch Festlegung der Höchstaltersgrenzen zu rechtfertigen. Eine angemessene Dienstzeit ist sowohl für das Lebenszeitprinzip als auch für das Alimentationsprinzip elementar.

Für die Menschen in unserem Land ist aber ein anderer Aspekt im Gesetzentwurf viel entscheidender: Die Anhebung der Höchstaltersgrenze von 40 auf 42 Jahre, bei Menschen mit Behinderung auf 45 Jahre. Das ist die eigentliche Neuerung des Gesetzentwurfs. Wir wollen Menschen, die bislang vom Beamtenverhältnis ausgeschlossenen sind, eine Einstiegsmöglichkeit in das Beamtenverhältnis bieten. Das schafft Perspektive.

Zugleich bewegen wir uns als Gesetzgeber mit der Festlegung der Höchstaltersgrenze auf 42 innerhalb des uns von der Verfassung eingeräumten Gestaltungsspielraums. Es geht uns um einen schonenden Ausgleich der sich widerstreitenden Interessen.

Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Gesetzentwurf erleichtert das Verfahren bei Einstellung über das 42. Lebensjahr hinaus. Hier geht es darum, die Geburt oder die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen anzuerkennen. Dabei wird es künftig keine Rolle mehr spielen, ob diese Umstände ursächlich für die Verzögerung der Einstellung in das Beamtenverhältnis waren. Dieses Kausalitätserfordernis streichen wir nun. Das vereinfacht nicht nur das Verfahren, sondern ist auch Ausdruck gesellschaftlicher Wertschätzung.

Auch die Gewährleistung von Altersteilzeit ist ein weiterer Aspekt zur Herstellung von Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wollen, dass die Regelung zur Altersteilzeit über den 31.12.2015 hinaus zu den bestehenden Konditionen Bestand hat. Deshalb wollen wir diese Regelung mit diesem Gesetzentwurf entfristen.

Marc Lürbke (FDP):

Beim vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Umsetzung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes zu Einstellungshöchstaltersgrenzen. Angehoben wird die Höchstaltersgrenze für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis von 40 auf 42 Jahre.

Ergänzend dazu geht es unter anderem auch um den Wegfall des Kausalitätserfordernisses, eigenständige Höchstaltersgrenzen für den Polizeivollzugsdienst und die Entfristung der Altersteilzeitregelung.

Aus Sicht der Freien Demokraten ist die Regelung der Heraufsetzung des Einstellungshöchst-alters in Ordnung. Sie dient ja auch der Umsetzung höchstrichterlicher Rechtsprechung.

Hinsichtlich der Regelung der Altersteilzeit hat der Landkreistag in seiner Stellungnahme Bedenken angeführt. Und der Landesrechnungshof hat schriftlich zu den finanziellen Auswirkungen der Altersteilzeitregelungen im Lehrerbereich kritische Ausführungen gemacht. Natürlich wird das Ergebnis sein, dass erfahrenes Personal gegebenenfalls aufgrund von Altersteilzeit temporär fehlt, welches in Zeiten von hohen Flüchtlingszahlen eigentlich gebraucht wird. Und auch Zusatzkosten sind nicht völlig ausgeschlossen. Andererseits beanspruchen die Betroffenen dieses Recht nicht zu Unrecht.

Auch unter Hinweis auf die haushalts- und verfassungspolitischen Einwände in der Stellungnahme von Prof. Battis und den Umstand, dass das ganze Thema eigentlich im Rahmen einer längst überfälligen Großen Dienstrechtsreform, wozu den Landtag nun endlich ein Entwurf erreicht hat, geregelt werden sollte, werden wir uns als FDP hier enthalten.

Dirk Schatz (PIRATEN):

Der Arbeitsmarkt ist im Wandel. Dieser Wandel betrifft nicht nur die freie Wirtschaft, sondern auch das Land Nordrhein-Westfalen. Arbeitskräfte sind nur begrenzt vorhanden und insbesondere der Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um die besten Arbeitskräfte ist hart.

In der heutigen Arbeitswelt wird von den Arbeitnehmern zunehmend Flexibilität verlangt. Diesem Verlangen stehen auch wir als Gesetzgeber in nichts nach. Aber wer Flexibilität verlangt, muss als Arbeitgeber auch in der Lage sein, sie zu bieten. Vor allem der öffentliche Dienst muss seiner Vorbildfunktion nachkommen.

Mit dem Gesetzesentwurf, der heute beschlossen werden soll, machen Sie jedoch das genaue Gegenteil. Statt auf Flexibilität setzen Sie auf starre Fristen, die der heutigen Zeit und dem heutigen Berufs- und Familienleben einfach nicht mehr entsprechen.

Es ist, gerade in Berufsfeldern, die eine höhere Qualifikation voraussetzen, heutzutage sehr häufig nun einmal nicht mehr so, nach dem Abitur in den Beruf bzw. eine Berufsausbildung einzusteigen und dort bis zum Ruhestand zu verweilen. Die Menschen gehen neue Wege, bilden sich fort, qualifizieren sich weiter, müssen Familie und Beruf unter einen Hut bringen.

Deshalb ist es heute auch keine Seltenheit mehr, dass einige Menschen erst sehr spät mit dem Gedanken spielen, in den öffentlichen Dienst zu wechseln. Nicht selten werden sie jedoch davon abgehalten, weil sie bereits zu alt sind und ihnen aufgrund der starren Altersfristen jegliche Aussicht auf Verbeamtung versagt ist.

Nicht nur, dass dies eine erhebliche Altersdiskriminierung darstellt – entsprechende Klagen sind zurzeit noch anhängig –, es sorgt auch dafür, dass enormes Potenzial aufseiten der Arbeitnehmer verschenkt wird. Andere Bundesländer sind da schlauer und haben gar keine Altersgrenzen mehr bzw. sie so hoch gesetzt, dass sie praktisch so gut wie keine Rolle mehr spielen.

Das führt in der Folge übrigens auch dazu, dass Menschen, die bereits Angestellte im öffentlichen Dienst des Landes NRW sind, aufgrund der in anderen Bundesländern vorhandenen Möglichkeit der Verbeamtung auch im fortgeschrittenen Alter in diese Länder wechseln. Viele Lehrer wandern beispielsweise deswegen in andere Bundesländer ab. Und das gerade jetzt, wo wir sie so dringend brauchen.

Aus meiner Sicht gibt es nur ein einziges Argument, dass zumindest dem Grunde nach für eine Altershöchstgrenze sprich:. Beamte haben Anspruch auf eine Mindestpension von 35% ihres letzten Bruttolohns. Natürlich darf man als Dienstherr erwarten, dass ein Beamter dann zumindest auch so lange dienstlich zur Verfügung steht, bis er diese 35% „verdient“ hat. Wenn man dieses Argument zugrunde legt (und nur dann), macht die im Entwurf vorgeschlagene Altersgrenze von 42 Jahren natürlich Sinn.

Allerdings wird von Rot-Grün dabei (vermutlich absichtlich) verkannt, dass die 35-%-Min-destpension in keiner Weise in Stein gemeißelt ist. Es gibt Alternativen, die auch vorgeschlagen wurden. Warum gestaltet man dies nicht flexibel, indem man beispielsweise jemanden, der später verbeamtet wird, die Mindestpension nur anteilig zuspricht? Um nur ein Beispiel zu nennen.

Das zeigt: Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, sind und bleiben unfähig, Gesetze zu verabschieden, die dem Stand der Zeit entsprechen. Statt der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden, setzen Sie weiterhin auf starre Regelungen, die vielleicht zu Zeiten des preußischen Berufsbeamtentums zeitgemäß waren, aber bestimmt nicht mehr heute.

 

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales::

Der vorliegende Gesetzentwurf ist notwendig geworden durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Das Bundesverfassungsgericht hat – anders als bisher das Bundesverwaltungsgericht – deutlich gemacht, dass eine Höchstaltersgrenze auf gesetzlicher Ebene geregelt werden muss.

Der neue § 15a im Landesbeamtengesetz setzt diese Vorgabe nun um. Wir brauchen eine allgemeine Altersgrenze als Grundlage für die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems.

Eine angemessene Dienstzeit ist wichtig, um das Lebenszeitprinzip und das Alimentationsprinzip in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Diese und auch andere Gesichtspunkte haben wir bei der Neuregelung sorgfältig abgewogen.

Der Entwurf sieht eine Anhebung der Einstellungsaltersgrenze von bislang 40 auf 42 Jahre vor und ermöglicht künftig eine Verbeamtung für Menschen mit Behinderung und ihnen gleichgestellte Menschen bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres.

Aber wir gehen mit der Neuregelung noch einen Schritt weiter:

Wir wollen zugleich auch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. So haben wir auch die Voraussetzungen, unter denen sich die Einstellungsgrenze über das 42. Lebensjahr hinaus erhöht, neu geregelt.

Das Laufbahnrecht ermöglichte auch bisher eine Überschreitung der Altersgrenze – zum Beispiel wegen der Geburt oder der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen, aber nur, wenn die Verzögerung der Einstellung hierdurch kausal herbeigeführt wurde.

Das musste bisher in einem aufwändigen Verfahren geprüft werden. Eine solche Prüfung wollen wir zukünftig wegfallen lassen, indem wir das Erfordernis der Kausalität streichen.

Für den Polizeibereich müssen wir wegen der besonderen Anforderungen an die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung, aber auch vor dem Hintergrund der niedrigeren Ruhestandsaltersgrenze bei der bisher geltenden Altersgrenze von 40 Jahren bleiben.

Die getroffenen Festlegungen sind auch mit Europarecht vereinbar. Denn eine Altersgrenze ist notwendig, um ein Missverhältnis zwischen der absolvierten Dienstzeit einer Beamtin oder eines Beamten und die den Dienstherrn treffende Versorgungslast zu vermeiden.

Sie trägt demografischen Erwägungen mit Blick auf eine ausgewogene Altersstruktur Rechnung und ist auch aus Haushaltserwägungen zwingend notwendig.

Insgesamt bringt die Landesregierung eine den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entsprechende gesetzliche Neuregelung auf den Weg – dies haben auch die Sachverständigen in ihren Stellungnahmen bestätigt.

Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus eine Entfristung der bestehenden Altersteilzeitregelung vor. Diese soll auch über den 31.12.2015 hinaus zu unveränderten Konditionen Bestand haben. Dies ist vor allem für die Lehrerinnen und Lehrer sowie für den kommunalen Bereich von Bedeutung.

Ich bin der Auffassung, dass wir mit dem Gesetzentwurf eine sorgfältig ausbalancierte Regelung getroffen haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Anlage 3

Zu TOP 12 – „Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-West-falen – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales::

Nein, wir sind heute nicht beim Klimagipfel in Paris – da war ja häufig von einem historischen Tag die Rede. So hoch möchte ich nicht greifen.

Und doch setzt die Einbringung des E-Govern-ment-Gesetzes NRW eine wichtige und vielleicht auch historische Wegmarke:

Die Landesregierung legt mit diesem Gesetzentwurf den rechtlichen Rahmen für die umfassende Digitalisierung der Verwaltung in Nordrhein-West-falen vor.

Und das ist für die Verwaltung selbst, aber ebenso für die Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen und Verbände unseres Landes von zukunftsweisender Bedeutung.

Was erwartet eine digitale Gesellschaft von der Verwaltung?

Sie erwartet zum einen elektronisch abrufbare Informationen.

Sie erwartet also leicht auffindbare, aktuelle und verständliche Angaben über Zuständigkeiten, Ansprechpartner, Erreichbarkeiten, Verfahrens-abläufe und Verfahrensstände, benötigte Unterlagen, Formulare und evtl. Gebühren.

Vieles davon ist in der Verwaltung bereits gängige Praxis, aber noch längst nicht alles. Das wollen wir ändern.

Die Erwartungen an eine moderne Verwaltung gehen heute aber weiter. Gefragt ist die medienbruchfreie und vollständig elektronische Abwicklung von Dienstleistungen – auf sicheren Übertragungswegen und ortsunabhängig.

Dieses Schlagwort „medienbruchfrei“ taucht in der Diskussion um E-Government immer auf. Aber was bedeutet das konkret?

Bisher beschränkt sich das Onlineangebot vieler staatlicher Stellen oft auf die Veröffentlichung von Formularen im Internet.

Das füllt der Bürger dann im besten Falle am PC aus, druckt es aus und schickt es an die Verwaltung, wo es dann von Mitarbeitern wieder in einen PC eingegeben werden muss.

Dass das nicht effizient und nicht mehr zeitgemäß ist, müsste jedem einleuchten.

Deshalb sollen die Informationen, die in das Formular gehören, ausschließlich digital an die Verwaltung gelangen, also ohne Bruch des Trägermediums.

Von der Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger sind wir in Deutschland und auch in NRW noch ein gutes Stück entfernt. Aber da müssen und wollen wir hin. Und der Gesetzentwurf der Landesregierung weist den Weg.

Eine Anmerkung ist mir wichtig:

Auch in Zukunft wird es den berechtigten Anspruch auf persönliche Beratung und Betreuung „von Angesicht zu Angesicht“ geben.

Auch diesen Anspruch muss Verwaltung erfüllen. Aber für diejenigen, die die elektronische Kommunikation bevorzugen, wollen wir den Gang zum Amt überflüssig machen.

Für die Verwaltung ist das eine gewaltige Herausforderung. Die Einführung zum Beispiel der elektronischen Akte und der elektronischen Vorgangsbearbeitung, das ist vor allem ein organisatorischer Kraftakt.

Ein Kraftakt, der zusätzliche Ressourcen erfordert. Und deshalb bin ich froh und dankbar, dass der Landtag mit dem heute verabschiedeten Haushalt 2016 diese Ressourcen zur Verfügung stellt.

Es ist aber auch ein Kraftakt, der bei den Beschäftigten hier und da Sorgen auslöst. Diese Sorgen nehmen wir ernst, und wir werden die Beschäftigten intensiv in die Umsetzung des EGovG einbinden.

Ein verlässlicher Rechtsrahmen für die digitale Verwaltung ist wichtig, aber er muss mit Leben gefüllt werden. Und das geht nur mit den Kolleginnen und Kollegen in unseren Behörden und Einrichtungen.

Eine abschließende Bemerkung in Richtung der kommunalen Familie:

Für die Kommunen ist das EGovG vor allem ein Ermöglichungsgesetz. Das haben die kommunalen Spitzenverbände im Rahmen der Anhörung auch ausdrücklich anerkannt.

Im Interesse der Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen in NRW wird es aber darum gehen, die Möglichkeiten des Gesetzes auch in den Gemeinden, Städten und Kreisen zu nutzen. Ich bin überzeugt, dass dies gelingen wird.

Herzlichen Dank!


Anlage 4

Zu TOP 13 – „Dienstrechtsmodernisierungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Dienstrechtsmodernisierungsgesetz – DRModG NRW) – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf modernisieren und strukturieren wir das Dienstrecht in Nordrhein-Westfalen neu.

Im Land und in den Kommunen sind etwa 347.000 Beamtinnen und Beamte und Richterinnen und Richter beschäftigt. Es gibt ca. 225.000 Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Es geht also um ein Gesetz, das viele Menschen in NRW betrifft.

Und es geht um einen Personenkreis, der für die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben essenziell wichtig ist oder war.

Wie leistungsfähig und motiviert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes und der Kommunen sind, zeigt sich nicht erst seit dem Kraftakt, der bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen geleistet wird.

Gerade diese Aufgabenstellung macht aber auch deutlich, wie wichtig ein leistungsfähiger, moderner öffentlicher Dienst ist.

Lassen Sie mich diese Gelegenheit nutzen, all denen, die sich in den vergangenen Monaten hauptberuflich wie ehrenamtlich im Rahmen der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen so außerordentlich engagiert haben, meinen Dank auszusprechen!

Mit diesem Gesetz verfolgen wir das Ziel, das öffentliche Dienstrecht neu zu ordnen und zukunftstauglich zu machen.

Die Anforderungen sind vielfältig: es muss sowohl den Belangen der Bediensteten als auch der sozial- und finanzpolitischen Verantwortung des Staates gerecht werden. Und dieser wird in doppelter Funktion tätig, nämlich als Dienstherr und als Sachwalter der Interessen der Bürgerinnen und Bürger.

Es klingt geradezu nach einer Quadratur des Kreises, so unterschiedlichen Interessen gleichermaßen und abgewogen Rechnung zu tragen.

Nicht nur um dies zu bewerkstelligen, sondern auch weil wir an einem konstruktiven Miteinander interessiert sind, haben wir den Dialog mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden sowie mit den kommunalen Spitzenverbänden gesucht und geführt.

In etlichen intensiven Gesprächsrunden wurden alle Inhalte des Gesetzentwurfs umfassend beraten. Das hat Zeit gekostet — aber ich meine, dass sich dieses Verfahren gelohnt hat.

Da zu den meisten Fragen Konsens erzielt werden konnte und unsere Gesprächspartner uns eine grundsätzlich positive Rückmeldung gegeben haben, fühle ich mich in dem Verfahren bestätigt.

Unser Motto „Gründlichkeit und Dialog vor Schnelligkeit“ hat sich nach meiner Auffassung gelohnt.

Lassen Sie mich kurz einige wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfes ansprechen:

Aus dem Beamtenrecht:

1. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf,

2. Verbesserung der Karrierechancen für Frauen,

3. Verpflichtung zur flächendeckenden Erstellung von Konzepten für Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement.

Aus dem Besoldungs- und Versorgungsrecht:

1. Integration der jährlichen Sonderzahlung in die monatlichen Bezüge,

2. Wiedereinführung der Ruhegehaltfähigkeit der Zulagen für Beamtinnen und Beamte im Vollzugsdienst der Polizei, der Feuerwehr, der Justiz, in der Steuerfahndung und beim Verfassungsschutz,

3. Verbesserung der Besoldung des einfachen Dienstes, vor allem des Justizwachtmeisterdienstes,

4. Schaffung eines Anspruches auf Versorgungsauskunft ab Vollendung des 55. Lebensjahres im Abstand von drei Jahren und bei berechtigtem Interesse vor Vollendung des 55. Lebensjahres auch in kürzeren Abständen.

Sie sehen, dass wir im Rahmen der Prämisse haushaltsrechtlicher Neutralität Gestaltungsspielräume genutzt und inhaltliche Prioritäten gesetzt haben.

Wir wollen weiter einen leistungsfähigen und motivierten öffentlichen Dienst in NRW haben und ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz ein gutes Stück dazu beigetragen haben.

Vielen Dank.