LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/1135

 

15.10.2012

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 409 vom 3. September 2012

des Abgeordneten Dirk Schatz   PIRATEN

Drucksache 16/807

 

 

 

Nichtigkeit der Ernennung nach dem Beamtenstatusgesetz

 

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 409 mit Schreiben vom 12. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Wie aktuell bekannt wurde, existiert seit einiger Zeit ein Problem bei der Ernennung von Landesbeamten. Ein konkretes Beispiel wurde dabei im Bereich der Polizei ausfindig gemacht. So hat das Ministerium für Inneres und Kommunales mit Erlass vom 29.05.2012 (403-42.04.03) festgestellt, dass die Ernennung einiger Polizeibeamter auf Probe gemäß §11 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) grundsätzlich nichtig ist. Diesem Erlass liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

 

Gemäß §8 Abs. 2 BeamtStG bedarf die Ernennung der Aushändigung einer Ernennungsurkunde. Der Wortlaut, der in dieser Urkunde vorhanden sein muss, ist a.a.O. gesetzlich vorgegeben. Weicht der Wortlaut in der Urkunde von der gesetzlich vorgegebenen Form ab, ist die Ernennung gemäß oben genanntem §11 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG nichtig. Dies kann gemäß §11 Abs. 2 Nr. 1 nur dann geheilt werden, wenn „aus der Urkunde oder aus dem Akteninhalt eindeutig hervorgeht, dass die für die Ernennung zuständige Stelle ein bestimmtes Beamtenverhältnis begründen […] wollte, für das die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, und die für die Ernennung zuständige Stelle die Wirksamkeit schriftlich bestätigt

 

Im vorliegenden Sachverhalt sind nach den vorliegenden Erkenntnissen mindestens die Abschlussjahrgänge 2010 und 2011 einer KPB der Polizei NRW von dieser Problematik betroffen. Der Wortlaut der Ernennungsurkunde weicht von der gesetzlich vorgeschriebenen Norm ab. Daraufhin hat das Ministerium für Inneres und Kommunales oben genannten Erlass verfasst.

 

Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ist bekannt, dass dieser Fehler durch eine entsprechende schriftliche Bestätigung der zuständigen Stelle bei einigen der betroffenen Beamten bereits geheilt wurde, bei anderen jedoch noch nicht.

 

Es ist zurzeit nicht bekannt, ob dieses Problem nur Polizeibeamte dieser Behörde oder auch Landesbeamte anderer Bereiche und/oder Behörden betrifft. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass dieses Problem dem Gesetz nach nicht nur Neueinstellungen, sondern gleichfalls auch Ernennungen von Beamten auf Lebenszeit und Beförderungen betreffen kann.

 

Die Praxis im vorliegenden Sachverhalt hat gezeigt, dass dieser Fehler mindestens zwei ganze Jahre nicht aufgefallen ist, obwohl aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens zwei komplette Jahrgänge davon betroffen waren. Es ist daher zu vermuten, dass der Fehler zum jetzigen Zeitpunkt auch nur aufgrund seiner Häufigkeit zu Tage trat. Beträfe es nur wenige oder gar nur Einzelpersonen, würde ein derartiger Fehler vermutlich über Jahrzehnte nicht auffallen, da eine Ernennungsurkunde erfahrungsgemäß im Aktenschrank verschwindet und in aller Regel nicht mehr herausgeholt wird.

 

Ein Problem, das besonders deutlich wird, ist, dass es nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht darauf ankommt, ob der Fehler bei der zuständigen Stelle liegt oder nicht. Es kommt nicht einmal darauf an, ob der Fehler fahrlässig oder evtl. sogar vorsätzlich verursacht wurde. Die Begründung für diese Vorschrift ist die Vermeidung von langwierigen und komplizierten Rechtsstreitigkeiten, also im Grunde der Schutz der Behörden. Um aber die Behörden vor derartigen Rechtsstreits zu schützen, die durch deren Fehler überhaupt erst entstehen würden, wird der einzelne Beamte derart stark benachteiligt und im Ernstfall zunächst vor vollendete Tatsachen, wie beispielsweise den plötzlichen Verlust von Bezügen etc., gestellt.

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung

 

Der der Anfrage zugrundeliegende Sachverhalt betrifft die Ernennungen  der Abschlussjahrgänge 2009 bis 2011 der ausgebildeten Kommissar- anwärterinnen und -anwärter in das Beamtenverhältnis auf Probe. Der aktuelle Abschlussjahrgang 2012 ist nicht betroffen.

 

Hintergrund ist eine in diesem Zusammenhang ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom 13. Februar 2012 (Az. 19 L 1646/11). Das Ministerium für Inneres und Kommunales hat daraufhin die Kreispolizeibehörden mit dem in der Kleinen Anfrage genannten Erlass vom 29. Mai 2012 angewiesen, die aktuelle Rechtsprechung umzusetzen und die betroffenen Ernennungen rückwirkend zu heilen. Die Heilung bewirkt, dass die Ernennungen als von Anfang an als wirksam zu betrachten ist.

 

Die einschlägige Norm für die Ernennung der Abschlussjahrgänge 2009 bis 2011 ist noch die alte Fassung des § 12 LVOPol. Diese Norm wurde zum 22.11.2011 angepasst.

 

Nach der alten Fassung des § 12 LVOPol wurde davon ausgegangen, dass es sich bei dem Übertritt der Kommissaranwärterinnen und -anwärter aus dem Vorbereitungsdienst in das Beamtenverhältnis auf Probe um eine Umwandlung des im Vorbereitungsdienst bestehenden Beamtenverhältnisses auf Widerruf handelt. Durch die oben genannte Rechtsprechung wurde jedoch in Abkehr von dieser Praxis festgestellt, dass der "§ 12 LVOPol NRW in der bis zum 21.11.2011 geltenden Fassung […] in Bezug auf die Beendigung des Widerrufsbeamtenverhältnisses keine von § 22 Abs. 4 BeamtStG abweichende Bestimmung beinhalte" (vgl. Beschluss VG Köln vom 13.02.2012 [19 L 1646/11]).

 

Danach wird das Beamtenverhältnis auf Widerruf also nicht bloß umgewandelt, sondern endet mit Ablauf des Monats, in dem die Prüfung abgelegt wurde, so dass das Beamtenverhältnis bei Übernahme neu begründet werden muss.

 

Die Auffassung des Gerichts in Bezug auf die Abschlussjahrgänge 2009 bis 2011 entspricht der aktuellen Fassung des § 12 LVOPol, die zum 22.11.2011 in Kraft getreten ist. Die aktuelle Fassung geht für die zukünftigen Abschlussjahrgänge, also ab dem Jahr 2012, ebenfalls von einer Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf ausgeht:

 

"Für Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter, die die II. Fachprüfung bestehen, endet das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des Monats, in dem die Prüfung abgelegt wurde."

 

 

1.       Welche Behörden bzw. Bereiche betrifft dieses Problem?

 

Betroffen sind die Polizeibehörden, bei denen ernannte Kommissarinnen bzw. Kommissare beschäftigt werden, die im Zeitraum von 2009 bis 2011 durch Umwandlung des Beamtenverhältnisses ernannt worden sind.

 

 

2.       Welche Jahrgänge sind davon betroffen?

 

Betroffen sind die Abschlussjahrgänge 2009 bis 2011 der ausgebildeten Kommissaranwärterinnen und -anwärter bei der Polizei, soweit diese nicht mit der aktuellen Rechtsprechung konform ernannt wurden.

 

 

3.       Ist davon auszugehen, dass dieser Formfehler im aktuellen Fall nun bei allen betroffenen Beamten geheilt wurde bzw. noch geheilt wird?

 

Ja. Das Ministerium für Inneres und Kommunales hat mit dem in der Vorbemerkung genannten Erlass vom 29. Mai 2012 den Behörden eine rechtliche Bewertung sowie Verfahrensanweisungen für die Heilung der betroffenen Fälle vorgegeben, um die Rechtsverhältnisse der Kommissarinnen und Kommissare der Jahrgänge 2009 bis 2011, soweit diese nicht mit der aktuellen Rechtsprechung konform ernannt wurden, durch die dienstvorgesetzte Stelle zu heilen. Die Heilung bewirkt, dass auch diese Ernennungen als von Anfang an als wirksam zu betrachten sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.       Wie häufig kommen derartige Fehler im Jahr durchschnittlich vor (gemessen an den letzten 10 Jahren)?

          In diesem Zusammenhang interessiert mich insbesondere, ob es überhaupt zu derart vielen Verfahren kommen könnte, die die Behörden derart stark belasten, dass eine solche gesetzliche Übervorteilung der Behörden nötig ist. Bei der Beantwortung dieser Frage bitte ich Sie, nur die Fälle des § 11 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG, also solche, die reine Formfehler beinhalten, zu berücksichtigen. Dies jedoch in allen möglichen Bereichen - also Begründung, Umwandlung, Beförderung (§ 8 Abs. 1 BeamtStG).

 

Bezogen auf sämtliche Ernennungen (Begründung und Umwandlungen von Beamtenverhältnissen, Beförderungen) innerhalb der Landesverwaltung wäre für die erbetenen Zahlen eine Durchsicht sämtlicher Personalakten aller Landesbeamtinnen und -beamte erforderlich, die sich in den letzten zehn Jahren im aktiven Dienst befunden haben, da eine zentrale Erfassung von Ernennungsakten nicht erfolgt. Eine solche Abfrage kann im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht geleistet werden.

 

Es ist aber davon auszugehen, dass Formfehler dieser Art eine Ausnahme sind. Grundsätzlich verwenden die Personalstellen der Behörden computergestützte Personalverwaltungsprogramme, mit denen das Schriftgut vereinheitlicht und in denen die Ernennungsformeln richtig hinterlegt sind. Die Fehlerwahrscheinlichkeit ist dadurch minimiert.

 

 

5.       Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass es das Beamtenstatusgesetz den zuständigen Stellen ermöglicht bzw. diese sogar verpflichtet, einen Beamten aufgrund eines Formfehlers auch nachträglich aus dem Dienst zu entfernen, obwohl dieser Fehler durch die zuständige Stelle selbst verursacht wurde? Dabei interessiert mich insbesondere, ob die Landesregierung einen Änderungsbedarf am Beamtenstatusgesetz sieht, der den Nachteil ausgleicht, wie beispielsweise die Streichung der schriftlichen Bestätigung aus dem Gesetz.

 

Ein Änderungsbedarf in Bezug auf das Beamtenstatusgesetz wird nicht gesehen.

 

Im Gegensatz zur Nichternennung handelt es sich bei den in Rede stehenden Fällen um eine nichtige Ernennung, die nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 BeamtStG geheilt werden kann, so dass auch diese Ernennung als von Anfang an als wirksam zu betrachten ist.

 

Gerade durch die Regelung des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BeamtStG wird im Bereich des an sich formstrengen Beamtenrechts die Möglichkeit geschaffen, dass eine formfehlerbehaftete Ernennung als von Anfang an wirksam angesehen wird, wenn entweder aus der Urkunde oder aus dem Akteninhalt eindeutig hervorgeht, das auf Seiten der für die Ernennung zuständigen Behörde der Wille zu einer wirksamen Ernennung bestand und sie die Wirksamkeit schriftlich bestätigt. Bereits aus dem (Weiter-) Führen der Personalakte geht die Absicht des Dienstherrn hervor, dass das Beamtenverhältnis begründet werden sollte.

 

Die rückwirkende Heilung eines Formfehlers in beamtenrechtlichen Ernennungsurkunden - mit der Rechtsfolge ihrer Wirksamkeit von Anfang an - dient nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers der Verwaltungsvereinfachung und der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und schützt zwar einerseits die Interessen des Dienstherrn, aber insbesondere auch die von dem fehlerhaften Handeln der Verwaltung betroffenen Beamtinnen und Beamten.