Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus

30.01.2023 - Landtag und Landesregierung haben am 27. Januar 2023 gemeinsam der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Die Gedenkstunde fand 78 Jahre nach der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau statt. Der Präsident des Landtags, André Kuper, und Ministerpräsident Hendrik Wüst begrüßten als Gast die 98-jährige Zeitzeugin Ruth Weiss, die die Gedenkrede hielt.

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 „Gedenkstunde von Landtag und Landesregierung Nordrhein-Westfalen für die Opfer des Nationalsozialismus“

Off-Stimme: 

Mit einer bewegenden Gedenkstunde haben Landtag und Landesregierung an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. 

Die Gedenkstunde fand 78 Jahre nach der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau statt.  

Am 27. Januar 1945 hatten sowjetische Soldaten auf ihrem Vormarsch nach Westen nur noch wenige Tausend Überlebende vorgefunden. 

1,1 Millionen Menschen waren allein in Auschwitz-Birkenau ermordet worden – darunter rund eine Million Juden. 

Zu der Gedenkveranstaltung hatte der Präsident des Landtags, André Kuper, gemeinsam mit Ministerpräsident Hendrik Wüst eingeladen. Sie konnten auch einen besonderen Gast begrüßen: die 98-jährige Zeitzeugin Ruth Weiss. 

Die spätere Journalistin und Schriftstellerin war 1936 als 11-Jährige mit ihrer jüdischen Familie
aus Nazideutschland nach Südafrika geflohen. Dort setzte sie sich seit den 1960er-Jahren gegen
das Unrecht der Apartheidpolitik, Rassismus und Diskriminierung ein.

Präsident Kuper begrüßte die Gäste im Plenarsaal, insbesondere die Zeitzeugin Ruth Weiss:

André Kuper, Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen:

Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit, dass wir heute einen Menschen in unserer Mitte haben, der mit seiner Familie den Schergen Hitlers entkommen ist.

Verehrte Frau Weiss! Ich heiße Sie von Herzen
im Landtag Nordrhein-Westfalen willkommen!

Off-Stimme:

Kuper betonte:

André Kuper, Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen:

Uns alle, die wir zu dieser Gedenkstunde gekommen sind,
eint eine doppelte Verpflichtung:

Wir wollen die Verfolgten, die Geschundenen, Geächteten und Toten der NS-Diktatur niemals in Vergessenheit geraten lassen.

Und wir sind zugleich fest entschlossen, uns im Wissen um ihre Schicksale – mit allen nur verfügbaren Kräften der Demokratie
und des Rechtsstaates – gegen den Hass, gegen die Menschenfeindlichkeit, gegen den Antisemitismus unserer Zeit zu stellen.

Dieser Tag macht mehr als alle anderen deutlich: Geschichte ist nicht gleichzusetzen mit Vergangenem. Ihre Lehren bleiben Auftrag für das Handeln heute und in Zukunft.

Offe-Stimme: 

Ministerpräsident Hendrik Wüst sagte:

Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen:

Heute gedenken wir der getöteten Kinder, der Millionen Jüdinnen und Juden, der Sinti und Roma, der queeren Menschen, der Menschen mit Behinderung, politisch anders Denkender, Gewerkschafter – allen Menschen, die Opfer des nationalsozialistischen Terrors wurden. 

Wir wollen die Erinnerung an das schreckliche Geschehen lebendig halten. Wir tun das, ja, weil wir es den Opfern schuldig sind, wir tun es aber auch, weil wir es uns selber schuldig sind.“ 
Weil wir uns durch das Gedenken unserer Werte versichern und unsere Zukunft sichern wollen.

Off-Stimme: 

Für die jüdischen Verbände in Nordrhein-Westfalen sprach Zwi Rappoport, der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe.
 
Zwi Rappoport, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe:

Die jüdische Gemeinschaft fühlt sich hier in Nordrhein-Westfalen heimisch. Wir sind in der Mehrheitsgesellschaft akzeptiert und anerkannt. Aber angesichts des grassierenden Antisemitismus bleibt immer auch ein Gefühl der Unsicherheit und des Zweifels. Denn von einer echten Normalität sind wir weit entfernt. Für unsere Kinder und Enkelkinder ist es leider normal, dass die Polizei zu ihrem Schutz täglich vor der Synagoge Wache steht.

Off-Stimme: 

Ruth Weiss berichtete von ihren Erfahrungen als Kind im Nationalsozialismus, aber auch das lange Schweigen und Verschweigen der deutschen Gesellschaft nach 1945.

Mit Blick auf den heutigen Antisemitismus sagte sie:

Ruth Weiss, Zeitzeugin:

Scham, kollektive Schuld der Nachkriegsgeneration wäre heute total fehl am Platz. Nur die Täter sind schuldig. 

Bei einer Veranstaltung vor vielen Jahren über die Gnade der späten Geburt hörte ich einen jungen Mann, der rief: Ich möchte wieder stolz sagen, ich bin Deutscher. Ja, das kann er. Wenn er versteht, dass die Verantwortung auch von Nachkommen getragen wird. Ich begriff, braunes Gedankengut, das kann nicht über Nacht verschwinden.

Off-Stimme: 

Weiss endete mit den Worten: 

Ruth Weiss, Zeitzeugin:

Eine inklusive, harmonische Gesellschaft kann nur gemeinsam mit Gerechtigkeit, Respekt und Toleranz gefördert werden. Dieses Ziel, dazu eine Mehrheit, die antisemitische, antiislamische, anti-ausländer Angriffe verurteilt und Vergangenheitsbewältigung gutheißt – dies erlaubt die Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland, in der antisemitische, fremdenhassende Übergriffe Geschichte sind. Und dass kein Polizeischutz für jüdische Einrichtungen benötigt wird. 

Dies ist ein Traumwunsch. Aber er muss der Maßstab sein.

Off-Stimme: 

Die Veranstaltung endete mit einer Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus

Die Fraktionen im Landtag NRW