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  • Mobil in die Zukunft.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 14 - 12.11.2003

    Berufspendler wissen es: Jeden Morgen und jeden Abend schlängeln sie sich mit ihren Blechkarossen Stoßstange an Stoßstange zum Arbeitsplatz und wieder nach Hause. Was früher noch galt, staufrei in den Ferien vorankommen, ist längst ein Wunschtraum von gestern geworden. Die Straßen in Nordrhein-Westfalen sind so voll wie nie. Und sie werden voller.
    Transitland NRW steht an. Noch mehr Verkehr soll durch das größte Bundesland in Deutschland in naher Zukunft rollen. Die Laster blockieren jetzt schon die voll gestopften Straßen, die Mautgebühren, die für eine Umlenkung des Güterverkehrs und mehr Einnahmen sorgen sollen, kommen später als geplant. Der Verkehr auf dem Rhein stößt ebenfalls an Grenzen. Und dann stockt noch die Bahn. Vorprogrammierte Herbstverspätungen frustrieren die Bahnbenutzer. Und das pünktlich jedes Jahr. Irgendwie rollt es gar nicht so wie erhofft auf den Verkehrswegen in NRW.
    Die von allen so erwünschte Mobilität droht zum Standortnachteil zu werden. Das kann sich das Land, das zurzeit an allen Ecken und Enden sparen muss, gar nicht leisten. Finanzielle Notlage. Doch was tun? Der Verkehrsausschuss des Landtags würde durch Sofortprogramme lenkend eingreifen, doch die Mittel hängen auch an dem Haushalt auf Bundesebene.

    Geldnot

    Alle sind sich einig: Das Angebot auf der Schiene muss verbessert, die Strukturen der Nahverkehrsträger in NRW müssen geschmeidiger gemacht werden. Heißt konkret: Es muss in Zukunft weniger Verkehrsverbünde geben und die, die übrig bleiben, müssen effizient zusammen arbeiten. Da will die Politik Druck machen. Viele setzen auf den Metro-Express, der mit einer eigenen Schiene Gas geben soll. Oder aber auf die Ring-S-Bahn, die den Ruhrgebietsverkehrspendlern das Leben erleichtern soll.
    Auf den Straßen ist damit aber das Chaos noch nicht gelöst. Sie müssen saniert und verbreitert werden. Das kostet wiederum Geld und Zeit.
    NRW ist seit jeher zentraler Knotenpunkt der wichtigsten Verkehrswege im Lande. Wichtigstes Ziel des Ausschusses ist die Integration der verschiedenen Verkehrsträger in ein Gesamtkonzept. Gemeinsam und nicht gegeneinander muss ein Beitrag zur Mobilität geleistet werden. Logistikkonzepte sind gefragt. Damit es in NRW nicht zum Stillstand kommt.
    SH

    ID: LIN01592

  • Wirth, Gerd (SPD); Hardt, Heinz (CDU); Rasche, Christof (FDP); Keymis, Oliver (Grüne)
    "Pünktliche Züge sind heute leider die Ausnahme".
    Verkehrspolitische Sprecher suchen Wege aus dem drohenden Chaos.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 14 - 12.11.2003

    Überfüllte Busse und Bahnen, verspätete oder ausgefallene Züge, kilometerlange Autoschlangen - in vielen Ballungsräumen in NRW gehört das längst zum "Alltagsgeschäft" tausender Pendler. Und das Verkehrsaufkommen in NRW steigt stetig. Über Auswege aus dem drohenden Verkehrschaos und die Einflussmöglichkeiten, die der Landtag hierbei hat, sprach Landtag intern mit den verkehrspolitischen Sprechern der Fraktionen: Gerhard Wirth (SPD), Heinz Hardt (CDU), Christof Rasche (FDP) und Oliver Keymis (GRÜNE).

    Führerschein mit 17 - können die Unfallzahlen dadurch gesenkt werden?

    Wirth: Es ist richtig, dass wir gerade im Bereich der Jugendlichen zwischen 18 und 24 die Hauptunfallzahlen haben, aber nicht unbedingt bei den 18- bis 20-Jährigen. Ob wir also auf diesem Wege die Unfallzahlen senken können, bleibt abzuwarten. In Belgien hat man bereits vor Jahren gute Erfahrungen mit begleitetem Fahren gemacht, allerdings sind dort auch nicht so Ballungsräume wie bei uns. Man muss sich heute nur mal das Verkehrsaufkommen in unseren Städten angucken und wir rechnen bis 2015 damit, dass sich der Individualverkehr noch um 30 Prozent steigern wird. Als Allheilmittel sehe ich das nicht an, aber wir sollten den Versuch ruhig starten.
    Hardt: Wir haben exorbitante Unfallzahlen bei den 18- bis 24-Jährigen, nämlich über 20 Prozent der tödlichen Unfälle und das bei einem Gesamtbevölkerungsanteil von nur rund 8 Prozent. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat daraufhin Ende Januar beschlossen, einen Probeversuch "Begleitetes Fahren mit 17" zu fordern. Im letzten Jahr gab es hier zu Lande über 6800 Verkehrstote. Das ist im europäischen Vergleich sehr hoch. Die EU hat nun beschlossen, durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, bis zum Jahr 2010 die Unfallzahlen zu halbieren. Vor diesem Hintergrund unterstütze ich den Versuch.
    Rasche: Es gibt konkrete Projekte in anderen Ländern, die belegen, dass die Unfallzahlen um 50 Prozent zurückgegangen sind. Unser Antrag, der dann in einen gemeinsamen Entschließungsantrag gemündet ist, zielte darauf ab, einen Modellversuch in NRW zu starten. Dieser Modellversuch wird zeigen, ob es sinnvoll ist oder nicht. Wenn man in anderen Ländern hierdurch gerade die Unfallzahlen bei den 18- bis 20-Jährigen erheblich reduzieren konnte, dann sollten auch wir jede Möglichkeit nutzen, um das zu tun. Ziel ist es, dass die jungen Leute auf diesem Wege Fahrpraxis sammeln. Dieser Modellversuch müsste selbstverständlich bundesweit laufen.
    Keymis: Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es so, dass hierdurch die Unfallzahlen erheblich gesenkt werden können. Deshalb haben die Grünen den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen im Landtag mitgetragen. Nicht gut fanden wir den Vorschlag, dies zunächst modellhaft für ein Bundesland auszuprobieren. Der Versuch sollte bundesweit durchgeführt werden. Wir haben natürlich in Deutschland eine spezielle Struktur, erstens, weil wir föderal organisiert sind, zweitens, haben wir das Problem, dass wir sehr starke, unterschiedliche Verkehrsdichten haben. NRW ist ein Land mit täglich rund 10 Millionen Kfz auf den Straßen, das sind so viele wie auf dem gesamten Kontinent Afrika.

    Verlässlicher Nahverkehr in NRW - wann hört der Tarif-Dschungel endlich auf?

    Wirth: Ich habe den Wunschtraum, dass jeder von uns eine Plastikkarte in der Tasche hat mit der wir in einen Bus, einen Zug oder auch ins Auto steigen und über Satellitensystem erfasst werden. Das heißt, dass alle Verkehrsträger nach dem Best-Price-System abgerechnet werden, ähnlich wie beim Handy. Dann stellt sich diese Frage überhaupt nicht mehr. Ich bin sicher, dass das irgendwann kommen wird. Bis dahin muss natürlich noch einiges überbrückt werden. Wir diskutieren ewig schon über das Thema NRW-Preis. Es scheitert leider immer an den verschiedenen Zweckverbünden. Wir haben neun Aufgabenträger in NRW mit unterschiedlichen Preisstrukturen. Wir haben darauf reagiert und die so genannte Managementgesellschaft gegründet mit dem Ziel, dass die Zweckverbünde mit dem Land zusammenkommen um einheitliche Tarifstrukturen zu erarbeiten. Aus meiner Sicht sollte das bereits morgen kommen, nur die Strukturen und die Bürokratie, die dahinter stecken, verhindern so etwas leider. Das ist für den Bürger sehr unbefriedigend.
    Hardt: Es gibt in NRW neun verschiedene Verbundräume und Probleme treten an den Verbundgrenzen auf. Da muss noch einiges verbessert werden, weil es vernünftige Übergangstarife letztlich noch nicht gibt. Wenn zudem die Pendlerpauschale halbiert wird oder wegfällt, ist der Anreiz für den Einzelnen da, wieder auf das Auto umzusteigen, weil das auch mit Blick auf die lokale Mobilität billiger sein kann. Deshalb kommt es mir darauf an, die Übergänge für die mobilen Pendler sinnvoller zu gestalten und zu Tarifen zu kommen, die den öffentlichen Nahverkehr weiterhin attraktiv halten. Derzeit ist das Tarifgefüge sehr unterschiedlich. Das Land sollte zusammen mit den kommunal organisierten Verkehrsverbünden an besseren Übergangstarifen arbeiten und die diesbezüglichen Initiativen der Verbünde stärken.
    Rasche: Im Moment ist der Fahrplan ein reines Chaos. Verspätungen bis zu 60 Minuten werden zur Normalität, pünktliche Züge zur absoluten Ausnahme. Es fließen in den Schienenverkehr jährlich 700 Millionen Euro Landesmittel. Und da muss die Gegenleistung ein verlässlicher Fahrplan sein. Wenn dieser nicht kommt, müssen wir Gelder reduzieren oder zurückfordern. Ein weiterer Punkt ist: Neun Verkehrsverbünde in NRW sind zuviel. Statt diese zu reduzieren, hat die Landesregierung den Ausweg über die so genannte Managementgesellschaft gesucht. Die Verhandlungen laufen jetzt schon seit gut einem Jahr und sind immer noch nicht zu Ende geführt. Ein einheitliches Preissystem, landesweite Konzepte und Standards wären mit weniger Verkehrsverbünden und einfachen Strukturen leichter umzusetzen, die außerdem für wesentliche Einsparungen sorgen würden.
    Keymis: Wenn es nach den Grünen gehen würde, wäre das längst so. Wir wollen das Mobilitätshemmnis der Verbundgrenzen bei Bussen und Bahnen beseitigen. Wir setzen das zum Teil übrigens um. Zumindest innerhalb der Verbünde gibt es bereits die so genannten Schoko-Tickets für Kinder und Jugendliche. Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) gibt es das Bären-Ticket für Leute ab 60. Allerdings sind die neun Zweckverbünde, die das zu organisieren haben, einfach noch nicht so homogen, auch was diesen Teil der Organisation betrifft. Da machen wir Druck so gut wir können. Auch der Verkehrsminister tut das. Es ist eine alte Forderung der Grünen, diese Zweckverbünde zusammenzuführen. Das haben wir übrigens auch im "Düsseldorfer Signal" vereinbart.

    Was für einen Einfluss hat der Verkehrsausschuss überhaupt auf die Mobilität in NRW und kann er durch gezielte Förderung zu besseren Verkehrswegen beitragen?

    Wirth: Natürlich hat der Verkehrsausschuss bzw. der Landtag Einfluss auf die Mobilität. Beispielsweise haben wir mit der Verwirklichung des Integralen Taktverkehrs II inzwischen rund 100 Millionen Zugkilometer in NRW im Gegensatz zu 78 Millionen im Vorjahr. Gerne würde ich auch mehr Mittel in den Landesstraßenausbau und die - unterhaltung stecken, aber da ist uns leider der finanzielle Riegel vorgeschoben. Ein wichtiges Ziel für die nächsten Jahre ist zudem die Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans. Dies ist für NRW besonders wichtig, weil davon viele Autobahnstrecken im Land betroffen sind. Wichtig ist auch, dass wir weiter unser Luftverkehrskonzept umsetzen und somit die Flughäfen in NRW an Bedeutung gewinnen.
    Hardt: Der Verkehrshaushalt des Landes ist im Endeffekt in weiten Teilen an den Bundeshaushalt gekoppelt. Dort wurden auch die Sofortprogramme für Autobahnen und Bundesstraßen entwickelt, die aber an die Finanzierung durch die LKW-Maut gebunden sind. Deswegen hängt die Zukunft der Infrastruktur gerade in NRW besonders von der Maut ab.Wenn diese erst Ostern 2004 kommen sollte, wird das Defizit des Bundes durch die Verspätung 1,5 Milliarden Euro betragen. Dabei handelt es sich um Gelder, die bei den Ländern sofort umgesetzt werden sollten. Das Geld wird nun fehlen und allein 20 Prozent davon - also 300 Millionen Euro - betreffen NRW. Um die Mobilität im ÖPNV zu verbessern hielte ich es für sinnvoll, wenn der Bund 500 Millionen Euro aus dem für die Magnetschwebebahntechnik bereitgestellten Topf herausnähme und diese dem Land NRW für den Bau einer Ring-S-Bahn zur Verfügung stellen würde. Damit könnte ein Projekt angestoßen werden, das sich in einem überschaubaren Zeitraum realisieren ließe - schätzungsweise sechs bis sieben Jahre.
    Rasche: Die Verkehrsprognosen bis zum Jahre 2015 sagen beim Lkw-Verkehr eine Steigerung von 65 Prozent voraus, beim Pkw-Verkehr von 30 Prozent. Für NRWs Haupttrassen in Ost-West-Richtung bedeutet die EU-Osterweiterung sogar 100 Prozent mehr Lkw-Verkehr und 40 Prozent mehr Pkw-Verkehr. Die Prognose beinhaltet zudem eine 100-prozentige Steigerung im Güterverkehr bei Binnenschifffahrt und Bahn. Beides ist nach derzeitiger Infrastruktur nicht zu bewältigen. NRW gibt für den Neubau und die Sanierung der Landesstraßen noch 50 Prozent des Durchschnitts der 80er-Jahre aus, obwohl der Sanierungsbedarf größer geworden ist, der Verkehr extrem zugenommen hat und auch die Steuereinnahmen im Vergleich zu damals erheblich gestiegen sind. Das ist reinste Mangelverwaltung. Darüber diskutieren wir im Verkehrsausschuss. Gerade in der aktuellen Finanzlage muss sich das Land auf das Notwendige konzentrieren. Aufgrund der gewaltigen Verkehrsprognosen müssen wir die Verkehrswege aller Verkehrsträger ausbauen, ansonsten ist der Wirtschaftsstandort NRW extrem gefährdet.
    Keymis: Zunächst einmal ist der Landtag ja der Haushaltsgesetzgeber und der Verkehrsausschuss als ein Ausschuss dieses Hauses ist in der Lage, Vorschläge zu erarbeiten, mit wie viel Geld man welche Verkehrsprojekte fördert. Richtig ist natürlich, dass dann die Handelnden, also die entsprechende Verwaltung auf der Landesebene, auf der Deutsche Bahn AG-Ebene und die einzelnen kommunalen Körperschaften, wieder zusammenkommen müssen. Hier drängt sich der Eindruck auf, dass manches zu lange dauert. In Zukunft wird es für NRW wichtig sein, dass wir das Angebot insbesondere auf der Schiene erheblich verbessern und steigern. Wir wollen das Leistungsangebot im ÖPNV noch deutlich ausbauen, wir streben eine engere Vertaktung der einzelnen Fahrbeziehungen an und wir wollen einen starken Ost-West-Strang im Zuge des Metro-Express. Wichtig ist darüber hinaus, dass wir den Wettbewerb auf der Schiene wesentlich stärker fördern.

    Die Gespräche führten Stephanie Hajdamowicz und Axel Bäumer.

    Systematik: 2600 Verkehr

    ID: LIN01607

  • Danner, Dorothee (SPD); Dr. Klose, Hans-Ulrich (CDU); Thomann-Stahl, Marianne (FDP); Dr. Rommelspacher, Thomas (Grüne)
    Was hat NRW zur deutschen Einheit beigetragen und was ist noch zu leisten?
    Wort und Widerwort;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8 in Ausgabe 13 - 08.10.2003

    Von Dorothee Danner(SPD)
    Die Menschen in Nordrhein-Westfalen können stolz auf den Beitrag sein, den sie beim Aufbau der ostdeutschen Länder geleistet haben. Sie können stolz sein auf ihren Beitrag, der half, annähernd gleiche Lebensverhältnisse in nur 13 Jahren zu schaffen. Sie können stolz sein auf ihren Beitrag beim Aufbau demokratischer, rechtsstaatlicher Strukturen.
    Verwaltungsfachleute, Richter und Staatsanwälte, Polizeibeamte, sie alle haben wertvolle und auch hochwillkommene Aufbauhilfe geleistet, vor allem in unserem Partnerland Brandenburg. Aber nicht nur sie. Es gab ein beispielloses Engagement von Bürgerinitiativen, von Hilfsorganisationen, von Verbänden und Vereinen. Die im Landtag vertretenen Parteien haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten beim Aufbau einer demokratisch gefestigten Parteienlandschaft geholfen.
    All das sagt viel mehr - und ist auch viel mehr wert - als die nüchterne Zahl, dass Nordrhein-Westfalen von 1995 bis 2001 mit mehr als neun Milliarden Euro rund 23 Prozent aller Zuweisungen an die neuen Länder und Berlin geleistet hat. Diese Zahl ist ein Dokument der Wirtschaftskraft unseres Landes. Sie dokumentiert aber auch, dass unser Land für die Deutsche Einheit mehr geleistet hat, als das Wort Solidarität gemeinhin bedeutet.
    Wir in Nordrhein-Westfalen können aus eigener Erfahrung sehr gut beurteilen, welche Probleme und Chancen ein umfassender Strukturwandel mit sich bringt. Nichts geht von heute auf morgen. Deshalb wissen wir, dass 13 Jahre nach der Wiedervereinigung vieles noch zu leisten ist und vieles schon erreicht wurde. Wenn wir schließlich nicht mehr nach Ost und West unterscheiden, dann ist auch die Mauer in den Köpfen wirklich gefallen.

    Von Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU)
    Seit dem Ende der 60er Jahre nahm die deutsche Frage der Wiedervereinigung im nordrhein-westfälischen Landtag einen immer geringeren Stellenwert ein. Sie wurde im Zuge der Brandtschen Ostpolitik verdrängt. Es war kein Ruhmesblatt der SPD-Landesregierung, den Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 aus dem schulischen Unterricht zu verdrängen und die finanzielle Beteiligung an der Zentralen Erfassungsstelle Salzgitter, die in der DDR begangene politische Verfolgungstaten registrierte, 1988 einzustellen.
    Entgegen aller Erwartungen, die deutsche Wiedervereinigung sei erledigt, wurde sie am 3. Oktober 1990 Wirklichkeit. Demonstrativ begrüßte der Landtag in der Sitzung vom 4. Oktober 1990 das gewendete deutsche Schicksal.
    Unser Land leistete ab 1990 als Partner von Brandenburg einen wesentlichen Beitrag beim Aufbau einer demokratischen Verwaltung und unabhängigen Rechtspflege.Mehr als 4.000 Menschen arbeiteten jahrelang im Land an Elbe, Havel und Oder, schafften Vertrauen in die demokratische, rechtsstaatliche und freiheitliche Ordnung. NRW unterstützte den Aufbau des Brandenburgischen Landesparlaments. Neben dem finanziellen Einsatz war es die menschliche Leistung, die Ost-West- Spannungen abbauen half. Die Parteien wirkten bei der Entwicklung demokratischer Strukturen in Staat und Gesellschaft mit. Der Weg von der Diktatur in die Demokratie wurde erfolgreich eingeschlagen.

    Von Marianne Thomann-Stahl (FDP)
    Am 3. Oktober 1990 endete nach fast vierzigjähriger politischer und wirtschaftlicher Trennung die Teilung Deutschlands. Mit der wiedergewonnenen äußeren Einheit war die innere Einheit allerdings noch nicht wieder hergestellt. Für die zwei Teile Deutschlands begann der schwierige Weg des Zusammenwachsens. Alle Fraktionen im Landtag waren sich ihrer Verantwortung bewusst und zahlreiche Abgeordnete haben sich auf vielerlei Weise persönlich an der Umsetzung der deutschen Einheit beteiligt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich vorrangig durch seine Partnerschaft mit dem Land Brandenburg für das Zusammenwachsen von Ost und West stark gemacht. Wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Transfer sind eine wichtige Zukunftsinvestition nicht nur für Deutschland, sondern auch für NRW. Die Probleme, mit denen die neuen Länder zu kämpfen haben, dürfen nicht den Blick auf erzielte Erfolge versperren. Die Investitionen in die Verkehrs-, Versorgungs- und Kommunikationsinfrastruktur, in Städtebau und Kultur werden Früchte tragen, sobald die wirtschaftliche Schwäche der Bundesrepublik überwunden ist. Dieses Ziel eint ehemals Ost und West. Wir können es auch nur gemeinsam erreichen. Der 3. Oktober ist kein Tag der "Denkmalpflege", sondern eine glückliche Wendung der deutschen Geschichte, die uns auf eine friedliche europäische Zukunft verpflichtet.

    Von Prof.Thomas Rommelspacher (GRÜNE)
    Bund, Länder und Kommunen im Westen haben den Aufbau der Städte im Osten gerne unterstützt. Das war nötig, weil die in einem schlimmen Zustand waren. Dieser Kraftakt erbrachte fast 5 Milliarden Euro. In den 13 Jahren der Einheit floss mehr Geld in den Osten, als in den 32 Jahren, in denen Städtebauförderung praktiziert wird, in den Westen. 2003 waren das im Osten 23 Euro pro Kopf, im Westen 1,80 Euro.
    Nun hat sich die Lage im Westen geändert. Im Ruhrgebiet, an der Saar, der Küste und anderswo geraten Städte in Schieflage: Einnahmen brechen weg, und es wachsen Quartiere, in denen Bausubstanz sowie Infrastruktur verfallen, und der Anteil Benachteiligter wächst. Hier entsteht ein bedrohliches Missverhältnis: Diese Städte reagieren kaum noch auf Probleme, und vom Anpacken von Zukunftsaufgaben, etwa der Vorbereitung auf das Altern der Gesellschaft, kann keine Rede sein.
    Das bringt die Stadtspitzen in Bedrängnis: Sie müssen den Bürgern erklären, warum sie in den Fonds Deutsche Einheit einzahlen, während Schulen verfallen und soziale Projekte dicht machen. So ist es kein Theaterdonner, wenn die Oberbürgermeister von Gelsenkirchen und Oberhausen laut über zivilen Ungehorsam nachdenken. Etwa indem sie sich weigern, den Solidarbeitrag Ost zu überweisen.
    Wir brauchen eine Bilanz der 13 Jahre Sonderförderung für die Städte im Osten und eine Neujustierung, die die Probleme im Westen berücksichtigt. Eine Fortschreibung, die die Sonderförderung Ost zum Gewohnheitsrecht macht, darf es nicht geben.

    Systematik: 1050 Nation

    ID: LIN00150

  • Mittel zwischen Ost und West gerechter verteilen.
    Koalition: Keine Neiddebatte - Opposition: Aber ein Ablenkungsmanöver.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 13 - 08.10.2003

    "Städte im Westen wieder stärker fördern - der Bund wird seine gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen!" - Über dieses Thema debattierte der Landtag auf Antrag von SPD und GRÜNEN am 24. September in einer Aktuellen Stunde.
    Dieter Hilser (SPD) bemängelte, dass den neuen Bundesländern, in denen 20 Prozent der Deutschen lebten, 80 Prozent der Städtebaufördermittel fließen. Das sei in den zurückliegenden 13 Jahren richtig gewesen, "aber im 14. Jahr nach der Wiedervereinigung ist es an der Zeit, wieder zu einer gerechteren Verteilung der Städtebaufördermittel zu kommen". Während es für den Stadtumbau Ost eine Vielzahl von Förderungsmöglichkeiten und Förderangeboten gebe, bestehe der Stadtumbau West nur in wenigen Modellmaßnahmen des experimentellen Wohnungs- und Städtebaus. Das müsse sich ändern: "Wir verlangen eine Förderung nach Bedarfslagen, nicht aber nach Himmelsrichtungen." Im Westen gebe es nicht nur Wachstumsregionen, sondern auch strukturschwache Räume. Hilser meinte, dass der bisherige Hinweis der Bundesregierung auf vordringliche Aufgaben in den neuen Bundesländern von den alten Industrieregionen und ihren Bewohnern nicht länger akzeptiert werde.
    Dr. Thomas Rommelspacher (GRÜNE) hatte kein Verständnis dafür, dass angesichts der "Problemkumulation" Städte wie Oberhausen, Gelsenkirchen und Herne, "in denen nahezu flächendeckend öffentliche und private Armut herrscht", derzeit immer noch in den Fonds Deutsche Einheit einzahlen müssten, "während gleichzeitig den Menschen dort die öffentliche Infrastruktur weggenommen wird". Dort in den Kommunen denke man über "zivilen Ungehorsam" nach - das sei mehr als nur Theaterdonner, betonte der Sprecher. Es gehe auch um den ganz normalen Stadtumbau, den man vornehmen müsse, um die Lebensqualität und -produktivität in NRW hoch zu halten. Wenn die Städte und das Land ihren Solidarbeitrag im ersten Jahrzehnt gern geleistet hätten, dann "verlangen wir jetzt aber eine Debatte darüber, was das gebracht hat".
    Bernd Schulte (CDU) wertete die Aktuelle Stunde als Beweis, dass Rot-Grün "kein Thema zu perfide ist, um von der katastrophalen Haushalts- und Finanzlage der Städte in Nordrhein- Westfalen abzulenken, deren Ursache Ihre verfassungswidrige Haushaltspolitik, Ihre wachstumshemmende Wirtschaftspolitik und Ihre Zustimmung im Bundesrat zur Steuerreform des Jahres 2000 sind". Der Sprecher wies angesichts der Forderung nach einer Neuverteilung der Mittel auf die Rechtslage hin, den Solidarpakt II, den der Bundesrat beschlossen habe und der den neuen Ländern bis 2019 rund 156 Milliarden Euro zusichere. Beim Städtebau gingen nach diesem Vertrag 413 in die neuen und 152 Milliarden Euro in die alten Länder, davon 27 Prozent der Mittel an NRW. Warum haben grüne Städtebauminister die Verwaltungsvereinbarung unterschrieben? "Sie haben erst Tatsachen geschaffen, um diese dann lautstark zu beklagen. Das ist nicht der richtige Umgang mit dem Parlament."
    Karl Peter Brendel (FDP) erinnerte daran, dass die Mittel für die Städtebauförderungen nicht isoliert zu sehen sind, sondern Bestandteil von Vereinbarungen zwischen den Bundesländern - denen auch NRW zugestimmt habe - darstellen. Wenn in dem rot-grünen Antrag stehe, die Mittel des Bundes würden erheblich aufgestockt, dann suggeriere das ein Mehr für NRW: Das sei aber eine punktuelle Betrachtungsweise, rügte Brendel, der darauf hinwies, dass es zu einer Umverteilung der Mittel komme, "weil andere Mittel gestrichen werden", etwa die Eigenheimzulage. Sein Eindruck sei, dass diese Diskussion davon ablenken solle, "dass die Mittel im Landeshaushalt im Ergebnis nicht aufgestockt, sondern in diesem Bereich drastisch gekürzt werden und dann nicht mehr zur Verfügung stehen". Der Abgeordnete machte dabei die negativen Auswirkungen auf die Bauindustrie deutlich. Er fragte auch nach der Wirkung der bisher im Lande eingesetzten Mittel: In die Städte, die jetzt im Fokus stünden, seien in den letzten Jahren schon erhebliche Gelder geflossen - "war dieser Mitteleinsatz wirklich so effektiv, wie er dargestellt wurde?"
    Städtebauminister Dr. Michael Vesper (GRÜNE) betonte, es gehe um keine Neiddebatte und auch nicht darum, die vorbildliche Solidarität der letzten Jahre aufzukündigen. Die werde weiter geleistet, aber dürfe in Zeiten knapper Kassen "nicht zur teuren Routine werden".Man müsse sich mit den Inhalten der "Sonderförderung Ost" beschäftigen. Da sei festzustellen, dass hierzulande nicht mehr dieselben Finanzspielräume wie früher vorhanden seien. Außerdem hätten sich angesichts der "über ein Jahrzehnt dauernden Unterversorgung mit Städtebauförderungsmitteln" die Probleme in NRW verschärft und - so Vesper wörtlich: "Auch die Sonderprogramme, die in Richtung Osten gehen, müssen sich einer regelmäßigen Evaluation stellen."

    Systematik: 1050 Nation; 2820 Städtebau

    ID: LIN00198

  • Moron, Edgar (SPD); Dr. Rüttgers, Jürgen (CDU); Dr. Wolf, Ingo (FDP); Löhrmann, Sylvia (Grüne)
    "Wir haben Geschichte miterlebt".
    13 Jahre deutsche Einheit: Die Fraktionschefs stehen Rede und Antwort.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 13 - 08.10.2003

    Am 3. Oktober jährt sich der Tag der Deutschen Einheit zum dreizehnten Mal. Deutschland gedenkt der Wiedervereinigung, die mit dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 formal abgeschlossen wurde. Der Traum von einer schnellen Angleichung von Ost und West ist in einigen Bereichen bis heute nur ein Traum geblieben. Über die bisherigen Erfolge, Versäumnisse beim Einigungsprozess und über die Rolle, die das Land NRW dabei spielt, sprach Landtag intern mit den vier Fraktionsvorsitzenden, Edgar Moron (SPD), Dr. Jürgen Rüttgers (CDU), Dr. Ingo Wolf (FDP) und Sylvia Löhrmann (GRÜNE).

    Wie haben Sie persönlich vor 13 Jahren den Fall der Mauer erlebt?

    Moron: Das war für mich ein sehr bewegendes Ereignis. Ich habe, wie viele andere auch, bis spät in die Nacht am Fernseher gesessen und war emotional tief berührt. Die Bilder haben sich in mein Gedächtnis eingeprägt. Noch heute spüre ich die Mischung aus Freude und Erleichterung bei den Menschen, die nach 40 Jahren DDR ihre Freiheit mit friedlichen Mitteln erkämpft hatten. Wer, wie ich, mehrere Jahre an der Berliner Mauer gelebt hat, der weiß sehr genau, was das bedeutet. Wenn ich heute manche Diskussion höre, habe ich mitunter den Eindruck, dass wir vergessen haben, welches historische Glück die Deutsche Einheit ist. Der Fall der Mauer, der Zusammenbruch des kommunistischen Systems, haben so vieles verändert. Wir leben seither in Europa ohne jede Bedrohung aus dem Osten. Das alte Feindbild gibt es nicht mehr. Wir haben neue politische und wirtschaftliche Systeme in den osteuropäischen Staaten und neue Beziehungen mit ihnen. Deutschland liegt plötzlich mitten in Europa. Selbstverständlich ist das nicht alles durch die deutsche Wiedervereinigung ausgelöst worden, aber es hängt alles auch mit dem Fall der Mauer zusammen. Wir haben gemeinsam eine große historische Zeitenwende erlebt.
    Dr. Rüttgers: Ich saß im Plenarsaal des alten Wasserwerks in Bonn, als sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete, dass in Berlin die Mauer geöffnet würde. Wie die anderen Bundestagskollegen habe auch ich das erst mal gar nicht fassen können. Wir haben sofort die Sitzung unterbrochen und uns an den Fernsehgeräten versammelt. Der Jubel, die Freudentränen der Menschen in Berlin - das war unglaublich bewegend. Diese Stimmung führte dazu, dass wir, als die Sitzung des Bundestags fortgesetzt wurde, unsere Nationalhymne gesungen haben. Es war eine historische Stunde, die ich nie vergessen werde.
    Dr. Wolf: In Braunschweig und damit ca. 50 Kilometer von der "Zonengrenze" entfernt geboren, war ich immer besonders froh, von der kommunistischen Herrschaft in der späteren DDR verschont geblieben zu sein. Als im November 1989 unter maßgeblicher Mitwirkung des liberalen Außenministers Hans- Dietrich Genscher die Mauer fiel, stand ich kurz vor dem Abschluss meines Promotionsverfahrens. Für mich persönlich waren es bewegende Fernsehbilder, als nach fast 30 Jahren menschenverachtender Freiheitsentziehung für über 16 Millionen Deutsche unsere mittel- und ostdeutschen Mitbürger die durch Mauer, Stacheldraht und Selbstschussanlagen abgeriegelte Grenze ungehindert überqueren konnten. Auch wenn ich vorher nur die Beklemmungen eines Transitreisenden gespürt hatte, konnte ich unschwer erahnen, welches Freiheitsgefühl die Aufhebung der deutschen Teilung jenseits des eisernen Vorhangs ausgelöst hat. Die Wiedervereinigung war und ist für mich nach wie vor das "Großereignis" in der politischen Geschichte Deutschlands nach 1945.
    Löhrmann: Ich gestehe: Als frischgebackene junge Kommunalpolitikerin war ich an dem besagten Abend und in der Nacht voll und ganz mit der Bewältigung meiner 2. Ratssitzung beschäftigt. Die zog sich bis weit in die Nacht. Anders als heute im politischen Geschäft, wurden uns in die Sitzung keine aktuellen Informationen übermittelt. So erreichten mich die weltbewegenden Nachrichten erst zeitversetzt. Morgens dann in der Schule war der Fall der Mauer das TOP-Thema, auch für mich als Lehrerin: Zeit für spontanen und aktuellen Politik- und Geschichtsunterricht. Mich hat damals sehr positiv überrascht, wie interessiert alle Jugendlichen dieses Ereignis verfolgt haben, nach dem Motto: Wir erleben Geschichte mit.

    Hat NRW im wiedervereinten Deutschland an Bedeutung verloren? Welchen politischen Einfluss hat NRW nach dem Umzug des Bundes nach Berlin überhaupt noch?

    Moron: Es sind fünf neue Länder hinzugekommen. Das ist richtig. Aber ein Land wie Nordrhein-Westfalen, mit 18 Millionen Einwohnern, mit dieser Wirtschaftskraft, das verliert nicht an Bedeutung. Es wird leichthin gesagt, die Wege zwischen Düsseldorf und Bonn seien kurz gewesen, aber Berlin sei weit weg. Ich habe bisher nicht feststellen können, dass der Gesprächsfaden zwischen Nordrhein- Westfalen und dem Bund gerissen wäre. Ganz im Gegenteil: Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Franz Müntefering, kommt aus Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, der Bundeswirtschaftsminister, genauso wie Sozialministerin Ulla Schmidt. Die NRWLandesgruppe stellt die meisten SPD-Bundestagsabgeordneten. Wir haben sehr gute Leute in Berlin und einen sehr kurzen Draht zur Hauptstadt. Der Einfluss Nordrhein-Westfalens auf die Bundespolitik ist nicht geringer, sondern sogar stärker geworden. Das zeigt sich an aktuellen Beispielen, wie der Föderalismusdebatte. Unsere nordrhein-westfälischen Interessen vertreten wir sehr selbstbewusst, und auch erfolgreich, wie die aktuelle Diskussion um die Gemeindefinanzreform deutlich macht.
    Dr. Rüttgers: Der politische Einfluss von Nordrhein-Westfalen ist gesunken. Und das liegt nicht allein daran, dass der Regierungssitz verlegt wurde, dass Berlin von Düsseldorf weiter entfernt ist als Bonn. Die Bundesrepublik hatte 40 Jahre lang elf Bundesländer, heute sind es sechzehn. Im Wettbewerb der Länder gibt es also mehr Mitspieler, und der Einfluss des Einzelnen ist eben geringer. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, im Gegenteil: Das ist ja gerade das Wesen des Föderalismus. Allerdings ist Nordrhein- Westfalen auch im wiedervereinten Deutschland das mit Abstand größte Bundesland. Aus dieser Größe eine Stärke zu machen und die Interessen unserer Bürger auf der Bundesebene kraftvoll zu vertreten: Das ist die Aufgabe der politischen Akteure.
    Dr. Wolf: Die Wiedervereinigung ist zuallererst ein Gewinn für alle freiheitsliebenden Menschen. Die Frage nach Gewinnern und Verlierern hat naturgemäß einen teilenden Charakter und wird der historischen Bedeutung dieses Ereignisses nicht gerecht. Der Wechsel des Regierungssitzes nach Berlin ist nicht automatisch mit einem Bedeutungsverlust Nordrhein-Westfalens auf Bundesebene verbunden. Wichtig ist, dass NRW wieder Motor eines wirtschaftlich aufstrebenden Deutschlands wird. Zudem muss das größte und einwohnerstärkste Land von einer klugen, politischen Führung wirkungsvoll in Berlin vertreten werden. Die jetzige Landesregierung lässt das eindeutig vermissen.
    Löhrmann: Nein, natürlich nicht; zwar sind 16 Länder mehr als 11, aber NRW war, ist und bleibt das größte und wichtigste Bundesland in Deutschland! Wir haben außerdem Städtefreundschaften mit Kommunen in Ostdeutschland, und es gibt gute Kontakte in das Partnerland Brandenburg. Außerdem wird Europa auch für NRW immer wichtiger.

    Der Bund unterstützt den Aufbau des Ostens durch gezielte Förderung. Sind 13 Jahre nach dem Fall der Mauer diese Fördermittel des Bundes überhaupt noch notwendig?

    Moron: Es besteht kein Zweifel daran, dass bestimmte ostdeutsche Regionen weiterhin ganz spezielle Aufbauhilfen brauchen. Wir in Nordrhein-Westfalen sind auch bereit, unseren Teil dazu beizutragen, wie wir das in der Vergangenheit getan haben; auch weit über das normale Maß der Solidarität hinaus getan haben. Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, als ob Hilfen von der Himmelsrichtung abhängig seien. Gezielte Förderprogramme müssen dort konzentriert werden, wo sie wirklich gebraucht werden. Das kann in Cottbus sein oder in Hoyerswerda, das kann genau so in Gelsenkirchen sein oder in Meschede. Es gibt nicht nur im Osten Regionen mit strukturellen Problemen. Die Bundesregierung weiß das, setzt Förderung, zum Beispiel des Städtebaus, auch differenziert ein. Wir sollten 13 Jahre nach der Wiedervereinigung weniger nach Ost und West unterscheiden, sondern uns darauf konzentrieren, Hilfen, die möglich sind, überall dort einzusetzen, wo sie nötig sind.
    Dr. Rüttgers: Für mich bleibt es ein Gebot der Solidarität, dass wir den Deutschen, die ohne eigene Schuld 40 Jahre lang unter Diktatur und Mangelwirtschaft gelitten haben, beim Wiederaufbau helfen. Die von der rot-grünen Landesregierung angezettelte Neiddiskussion um die Ostförderung ist peinlich. Ich hätte es eigentlich nie für möglich gehalten, dass unser großes, starkes und stolzes Nordrhein-Westfalen einmal bei den Wirtschaftsdaten und der Finanzausstattung seiner Kommunen auf das Niveau derjenigen Länder abrutscht, die die Folgen von vier Jahrzehnten Sozialismus abarbeiten. Dies darf auch nicht unser Vergleichsmaßstab sein. Statt immer nur danach zu fahnden, wie sie anderen etwas wegnehmen kann, sollte die Landesregierung sich endlich selbst anstrengen und mit einer Politik für Wachstum und Beschäftigung unser eigenes Land voranbringen.
    Dr. Wolf: Ja. Trotz aller Fortschritte und dynamischer Entwicklungen in einzelnen Regionen des Ostens bleibt ein Wachstumsgefälle West-Ost. Deswegen käme ein abruptes Ende der Förderung zu früh. Die Anpassung der Lebensverhältnisse bleibt für die FDP als erster gesamtdeutscher Partei Verfassungsauftrag und Herzensanliegen zugleich. Die bisherige Förderpraxis muss aber in Zukunft stärker auf die verbliebenen Schwachstellen konzentriert werden. Zur Vollendung der inneren Einheit Deutschlands gehört allerdings auch eine an wirtschaftlichen Kennzahlen orientierte Unterstützung strukturschwacher Regionen in den übrigen Teilen Deutschlands. Was wir Liberalen nicht wollen, ist eine an Klischees ausgerichtete Ost-West-Neiddebatte.
    Löhrmann: Der Bund, die Länder und die Kommunen der alten Länder haben in den letzten 13 Jahren in den Fond Deutsche Einheit einbezahlt. Zusätzlich gab es noch Sonderabschreibungsprogramme, die milliardenschwere Einnahmeverzichte für die öffentlichen Haushalte nach sich gezogen haben. Ich möchte klar betonen, dass diese Mittel für die Sanierung der Städte in den neuen Ländern unverzichtbar waren und auch von den Grünen immer getragen wurden. Ich halte es aber für gerechtfertigt, nach 13 Jahren nach den Ergebnissen zu fragen, und auf eine Neujustierung zu drängen, die den inzwischen auch im Westen vorhandenen Problemdruck berücksichtigt. Es ist den Bürgerinnen und Bürgern schwer zu vermitteln, dass marode Schulen nicht saniert oder Spielplätze geschlossen werden, aber andererseits die Kommune noch in den Fond Deutsche Einheit einzahlen muss. Wir müssen in absehbarer Zeit die Städtebauförderung am konkreten Problemdruck in den Städten orientieren und nicht an der Himmelsrichtung.

    Die Gespräche führten Stephanie Hajdamowicz, Jürgen Knepper und Axel Bäumer.

    Systematik: 1050 Nation

    ID: LIN00199

  • Siekmann, Erwin (SPD); Klein, Volkmar (CDU); Dr. Grüll, Stefan (FDP); Löhrmann, Sylvia (Grüne)
    Doppelhaushalt - Konsolidierungschance oder doppelte Probleme?
    Wort und Widerwort;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 12 - 24.09.2003

    Von Erwin Siekmann (SPD)
    Die Beratung des Haushalts ist unbestritten die wichtigste Aufgabe des Parlamentes. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass die Aufstellung eines Doppelhaushaltes dem Selbstverständnis des Parlamentes entgegensteht, jährlich sein Budgetrecht auszuüben. Dem ist nicht so. Die Möglichkeit, einen Doppelhaushalt - nach Jahren getrennt - aufzustellen, lässt die Landesverfassung ausdrücklich zu. Ein Doppelhaushalt besteht aus zwei Einzelhaushalten, die nur in einem Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden. Das verfassungsmäßige Prinzip der "Jährlichkeit des Haushalts" wird dadurch also nicht berührt! Die Vorteile eines Doppelhaushaltes liegen auf der Hand:
    - Reduzierter administrativer und politischer Aufwand im zweiten Haushaltsjahr
    - durch einen Haushaltsnachtrag kann auf bestimmte politische Entwicklungen punktgenauer reagiert werden
    - das verstärkt von der Wirtschaft und Wissenschaft kritisierte Jährlichkeitsdenken wird durchbrochen und der Blick auf Folgekosten geschärft
    - die Festlegung politischer Schwerpunkte wird deutlicher und entsprechende Planungen verbindlicher, zum Beispiel bei unserem landespolitischen Ziel Nr. 1: bessere Schulen.
    Ein Besuch der Mitglieder des Haushalts-und Finanzausschusses in Stuttgart hat im Übrigen diese Argumente bestätigt. Dort hat der Landtag jahrelange Erfahrungen mit Doppelhaushalten. Und dort haben sich die Mitglieder aller Fraktionen für die Aufstellung von Doppelhaushalten ausgesprochen.

    Von Volkmar Klein (CDU)
    Der Landtag soll nach dem Vorbild anderer Länder einen Doppelhaushalt 2004/2005 beraten. Es bleibt abzuwarten, ob die Koalitionsfraktionen diesmal durchhalten.
    Denn schon 1971 sollte es eigentlich einen Doppelhaushalt geben. Doch der Entwurf von Ministerpräsident Heinz Kühn wurde in der SPD-Fraktion kassiert.
    Das Budgetrecht des Parlamentes wird durch einen Doppelhaushalt eingeschränkt, da es nicht mehr jährlich Debatten über den Landeshaushalt gibt. Die Erfahrung zeigt zudem, dass Doppelhaushalte relativ anfällig sind für die Notwendigkeit von Nachtragshaushalten.
    Die Koalition will bei der dramatischen Finanzlage natürlich gerade jetzt zum Doppelhaushalt übergehen, um problematische Kürzungen in sensiblen Themenfeldern durchzubringen: vor der Landtagswahl 2005 gibt es keine Haushaltsberatungen.
    Die Steuereinnahmen werden vermutlich auch wieder nach dem Prinzip Hoffnung veranschlagt. In Zeiten größerer Stabilität ist ein Doppelhaushalt sinnvoller als in der heutigen Situation. Die CDU wird prüfen, ob der für November angekündigte Doppelhaushalt den Kriterien des Verfassungsgerichtshofs entspricht. Die Bürger haben einen Anspruch darauf, dass sich die Landesregierung endlich an Recht und Gesetz hält.

    Von Dr. Stefan Grüll (FDP)
    Zuvorderst steht die Taktik: Rot-Grün flüchtet sich in einen Doppelhaushalt, um sich nicht kurz vor der Landtagswahl 2005 mit Interessengruppen über den Etat zu streiten. Aber auch aus sachlichen Gründen ist der Doppelhaushalt verfehlt: Nach den dramatischen Einnahmeeinbrüchen der letzten Jahre und der höchstrichterlich festgestellten Verfassungswidrigkeit der beiden letzten Haushalte ist in diesen Zeiten ein verantwortungsvoller Haushalt für zwei Jahre nicht zu planen. Es fehlt die Prognose- Sicherheit, Rot-Grün beraubt sich in der konjunkturell unsicheren Lage der Chance, bei Fehlentwicklungen rechtzeitig Kurskorrekturen vornehmen zu können.
    Wenn dann erneut Einnahmeeinbrüche zu verzeichnen sind, bedarf es eines Nachtragshaushalts, der die Planungssicherheit der nachgeordneten Ebenen stark einschränkt: In den Städten, Gemeinden, Kreisen und Landschaftsverbänden führt die Verabschiedung des Doppelhaushaltes erst Ende Januar 2004 zu starken Behinderungen bei der ordnungsgemäßen Haushaltsplanaufstellung. Viele Kommunen werden ihre Haushaltsberatungen für das Jahr 2004 erst im dann laufenden Jahr abschließen und den Haushalt aufstellen können. Bis zur Verabschiedung müssen sie mit einer vorläufigen Haushaltsführung leben. Investitionen bleiben dadurch aus und wirken negativ auf die lokale Wirtschaft.
    Eine Landesregierung, die nicht in der Lage ist, einen ordentlichen Jahreshaushalt aufzustellen, sollte auf einen Doppelhaushalt verzichten.

    Von Sylvia Löhrmann (GRÜNE)
    Der Doppelhaushalt ist zunächst einmal nicht mehr als ein technisches Instrument. Formal passiert nicht mehr, als dass in einem Haushaltsverfahren zwei Haushaltsjahre parallel gelesen und beschlossen werden. Ein solches Verfahren bietet verschiedene Vor- und Nachteile. Die Chance zur Konsolidierung ist allerdings nichts Immanentes - die Chance zur Konsolidierung hängt vielmehr am seidenen Faden des politischen Willens.
    Ein Doppelhaushalt ist doppelt schwierig, weil mit ihm Unwägbarkeiten verbunden sind, insbesondere die, die aus einer unsicheren konjunkturellen Entwicklung erwachsen. In den vergangenen Jahren ist uns immer wieder ein Aufschwung prognostiziert worden, der im Verlauf der Zeit dann nicht eingetreten ist. Die Konsequenzen für die öffentlichen Haushalte waren und sind immens. Allein aufgrund dieser Erfahrungen ist ein Doppelhaushalt doppelt schwierig.
    Für uns Grüne ist ein Doppelhaushalt nur dann sinnvoll, wenn wir die doppelte Chance zur Konsolidierung nutzen. Unsere Fraktion hat deshalb ihre Bereitschaft erklärt, einem Doppelhaushalt zuzustimmen, unter der Bedingung, dass "gleichzeitig im Sinne einer nachhaltigen Haushaltspolitik zwingend notwendige Strukturreformen (Budgetierung, Aufbau eines Kapitalstocks) umgesetzt werden und sichergestellt ist, dass ausreichend disponible Mittel für eine sozial-ökologische Reformpolitik in NRW zur Verfügung stehen.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LIN01698

  • Walsken, Gisela (SPD); Diegel, Helmut (CDU); Freimuth, Angela (FDP); Müller, Edith (Grüne)
    Handeln im Interesse der kommenden Generationen.
    Haushalt im Januar verabschiedet.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 12 - 24.09.2003

    Die Lage ist ernst. Die Neuverschuldung in Nordrhein-Westfalen wird in diesem Jahr einen neuen Rekordstand erreichen. Trotz der angespannten Lage plant die Landesregierung für die Jahre 2004/2005 einen Doppelhaushalt einzubringen. Über die derzeitige Haushaltslage sowie über Hoffnungen und Sorgen hinsichtlich des Doppeletats sprach Landtag intern mit den haushaltspolitischen Sprechern der Fraktionen, Gisela Walsken (SPD), Helmut Diegel (CDU), Angela Freimuth (FDP) und Edith Müller (GRÜNE).

    Welche strukturellen Probleme hat der Haushalt in NRW? Steht NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern besser oder schlechter da?

    Walsken: Der Landeshaushalt ist in einer doppelt schwierigen Lage: Einmal brechen aufgrund der konjunkturellen Situation Steuereinnahmen deutlich weg. Zum zweiten drohen uns weitere Belastungen aufgrund bundesgesetzlicher Zusammenhänge, so dass wir zurzeit sagen müssen, 1,6 Milliarden Euro sind einzusparen. Das werden wir auch strukturell durch Haushaltskonsolidierung machen müssen. Wir werden zudem mögliche Auswirkungen aus einem Vorziehen der Steuerreform in Betracht ziehen müssen. Das ist im Moment noch nicht genau kalkulierbar, wird aber nach ersten Hochrechnungen auch einen Betrag um 1,3 Milliarden beinhalten, so dass wir heute schon sagen können, es wird recht schwierig, diese Gesamtsumme als Konsolidierungsmaßnahme im Haushalt durchzuführen. Wir befinden uns da in einem Konzert mit allen großen Bundesländern, die auch kaum in der Lage sind, über Konsolidierungsmaßnahmen einen Haushaltsausgleich herbeizuführen und die wahrscheinlich auch wieder darüber nachdenken müssen, die Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts auszurufen.
    Diegel: Seit dem Start von Rot-Grün im Jahre 1995 haben sich die Landesschulden von 65 Milliarden Euro auf mehr als 95 Milliarden Euro erhöht. Das ist eine Steigerung um 46 Prozent in nur acht Jahren. Gleichzeitig hat das Land mehr als 32 Milliarden Euro an Zinsen gezahlt. Das Land muss sich jedes Jahr höher verschulden, weil es nicht einmal mehr die Zinsen für Landesschulden zahlen kann. Die Zinsen fressen die Substanz des Landes auf. Die Lage in Nordrhein-Westfalen spitzt sich so dramatisch zu, wie bei keinem anderen Flächenland.
    Freimuth: Auch NRW hat in den vergangenen Jahren mehr Geld ausgegeben als es eingenommen hat. In der Folge ist NRW hoch verschuldet, immerhin werden wir dieses Jahr 100 Milliarden Euro überschreiten, mehr als das Doppelte unseres jährlichen Budgets. Seit 1995 stiegen die Schulden um 30 Milliarden Euro, mehr als 32 Milliarden Euro mussten allein für Zinsen gezahlt werden. Insofern ist NRW schlimmer dran als andere Bundesländer. Ein strukturelles Problem ist sicher der Personalkostenbereich, insbesondere die Pensionsverbindlichkeiten, für die wir bis jetzt mit keinerlei Rückstellungen vorgesorgt haben. Da hat man die Interessen nachfolgender Generationen schlicht und ergreifend vergessen. Ein anderes Problem, das speziell NRW hat, ist der Strukturwandel im Ruhrgebiet, der aber gerade nicht die Aufrechterhaltung der Erhaltungssubventionen rechtfertigt.
    Müller: Alles in allem denke ich, dass NRW nicht wesentlich schlechter oder besser da steht als andere Länder. Sicherlich gibt es Ausnahmen, aber jedes Land ist eben auch anders. Ein grundsätzliches, strukturelles Problem, sehe ich in der fehlenden Flexibilität des Haushalts. Das Verhältnis der gesetzlich gebundenen Ausgaben zu den freien, verplanbaren Mitteln ist nicht günstig und gewährt uns kaum Handlungsspielraum. Zu den gebundenen Mitteln zählen im Wesentlichen die, zu denen wir aufgrund von Bundes- und Landesgesetzen verpflichtet sind, Zinszahlungen sowie Ausgaben für das Personal, dazu gehören auch die Pensionen. Hier werden wir zu Flexibilisierungen kommen müssen. Von heute auf morgen wird das nicht zu erreichen sein. Ein wichtiger Schritt ist die Reform des öffentlichen Dienstes.

    Wo drohen weitere Gefahren im Haushalt?

    Walsken: Es könnten weitere Gefahren aus der Kommunalfinanzreform auf Bundesebene drohen. Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht Veränderungen bei der Gewerbesteuer vor.Wir denken darüber nach, die Gewerbesteuerbasis zu erweitern, also auch Mieten, Zinsen und Pachten mit einzubeziehen. Das wird natürlich dazu führen, dass wir eine Veränderung in der Länderverteilung der Gewerbesteuer haben werden. Und da plant der Bund, die Länder entsprechend zu beteiligen.Wir sind jedoch der Meinung, eine Gemeindefinanzreform kann nicht zu Lasten der Länder erfolgen. Zweites Thema ist die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.Hieraus wird es Minderausgaben für die Gemeinden zu Lasten des Bundes geben. Der Bund diskutiert zurzeit darüber, diese rund 10 Milliarden zu einem großen Teil auch wieder an die Länder weiter zu geben. Von daher gibt es hier eine ganze Reihe struktureller Probleme, die uns drohen.
    Diegel: Die Versorgungslasten des Landes werden in den nächsten Jahren dramatisch steigen; allein 2004 um mehr als 10 Prozent. Damit wird die heute schon bei 42,5 Prozent liegende Personalkostenquote weiter steigen. Zudem ist absehbar, dass selbst die im Nachtragshaushalt 2003 vorgesehene Nettoneuverschuldung von 5,7 Milliarden Euro nicht ausreichen wird. Rot-Grün hat die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen abgewürgt und sich damit Steuereinnahmen in Milliardenhöhe abgeschnitten. Wenn es mit der Wirtschaft nicht kräftig bergauf geht, drohen 2004/2005 weitere Haushaltslöcher in Milliardenhöhe.
    Freimuth: Die drohenden Pensionsverbindlichkeiten sind Sprengstoff für die Haushalte der kommenden Jahre, wenn wir nicht vorsorgen. Wir haben zum Haushalt 2003 den Antrag gestellt, zumindest für die neu einzustellenden Beamtinnen und Beamten eine Pensionsvorsorge einzurichten. Dieser Antrag ist abgelehnt worden. Das wäre aber mal ein Einstieg gewesen in eine nachhaltige Finanzund Haushaltspolitik. Wir haben von 1990 bis 2002 eine Steigerung von 94,8 Prozent im Bereich der Versorgungsausgaben gehabt. Da ist mit Freiheit und Gestaltungsspielräumen für unsere eigene Generation schon nichts und für die Nachfolgenden erst recht nichts.
    Müller: Eine große Gefahr besteht in der konjunkturellen Schwäche, die wir zurzeit erleben, mit den daraus resultierenden Konsequenzen für die öffentlichen Haushalte. Wenn wir nicht damit beginnen, vorausschauender zu planen, ausreichend zu konsolidieren und unsere Einnahmen zu stabilisieren, sehe ich die Gefahr, noch tiefer in die Schuldenfalle abzugleiten. Ich plädiere deshalb auch für einen nationalen Stabilitätspakt.

    Wie sieht der Zeitplan aus?

    Walsken: Das Kabinett wird am 23. September abschließend den Haushaltsentwurf beschließen. Dann gibt es wie immer die Drucklegungsphase bevor wir den Entwurf Mitte November ins Plenum einbringen werden. Es ist dann geplant, den Entwurf Ende Januar 2004 zu verabschieden.
    Diegel: Die CDU-Fraktion hofft, dass die Landesregierung Anfang November einen verfassungsgemäßen Haushaltsentwurf einbringen wird. Wahrscheinlich wird die November- Steuerschätzung den Entwurf bereits wenige Tage nach seiner Einbringung schon wieder überholen.
    Freimuth: Wir hatten ja schon einen Zeitplan. Es bleibt abzuwarten, ob und wann die Landesregierung sich im Kabinett auf einen Haushaltsentwurf verständigen kann. Bislang sind deren Beratungen nicht abgeschlossen. Ich bin gespannt, ob der Entwurf dann auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung trägt.
    Müller: Meine Fraktion hat die Absicht, bis zur Weihnachtspause die wesentlichen Beschlüsse zu fassen. Abschließende Beratungen sind für Anfang Januar vorgesehen, Ende Januar entscheidet dann das Parlament.

    Hat die vom Verfassungsgerichtshof in Münster für verfassungswidrig erklärte Praxis, Rücklagen aus Schulden zu bilden, Konsequenzen für den Doppelhaushalt 2004/2005?

    Walsken: Sicherlich werden wir das Verfassungsgerichtsurteil berücksichtigen und mit mehreren Stellen im Haushalt noch mal abgleichen müssen. Es wird sicherlich Auswirkungen haben. Ich denke beispielsweise an den Pensionsfonds, den wir gebildet haben und der nach der Rechtsprechung zumindest so, wie er derzeit in der Presse diskutiert wird, nicht machbar ist.
    Diegel: Besondere Bedeutung für den Doppelhaushalt 2004/2005 haben die Vorgaben des Verfassungsgerichts zum Wirtschaftlichkeitsgebot und zur Verschuldungsbegrenzung. Das Gericht hat den jahrelangen Haushaltstricksereien ebenso ein Ende gesetzt wie dem Substanzverzehr auf Kosten unserer Kinder, für die vor allem der heutige Ministerpräsident verantwortlich ist. Auf Rücklagen wird die Landesregierung 2004/2005 nicht zurückgreifen können. An Aufgabenkritik, Schwerpunktsetzung und solider Finanzpolitik geht kein Weg mehr vorbei.Wenn das Kabinett sich daran nicht hält, wird Ministerpräsident Steinbrück erneut Schiffbruch erleiden.
    Freimuth: Konsequenzen hat es hoffentlich. Das ist schon eine kräftige Ohrfeige, die das Verfassungsgericht dem Landtag als Haushaltsgesetzgeber verpasst hat. Das Verfassungsgericht hat deutlich gesagt, dass wir an nachfolgende Generationen denken und eine wirtschaftliche und nachhaltige Finanzpolitik betreiben müssen. Ich erwarte auch von den Koalitionsfraktionen, dass sie gegenüber "ihrer" Landesregierung etwas selbstbewusster auftreten und dass wir als Parlament insgesamt mit dem Bewusstsein auftreten, dass wir der Haushaltsgesetzgeber und nicht der Bittsteller der Landesregierung sind.
    Müller: Wir haben gemeinsam mit der SPD die Landesregierung aufgefordert, künftig trotz der bisherigen Staatspraxis von der Bildung und der Auflösung von allgemeinen Rücklagen in einem kreditfinanzierten Haushalt Abstand zu nehmen und damit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes zu entsprechen.

    Die Gespräche führten Stephanie Hajdamowicz, Jürgen Knepper und Axel Bäumer.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LIN01699

  • Kessel, Dietrich (SPD); Kuhmichel, Manfred (CDU); Capune-Kitka, Brigitte (FDP); Hürten, Marianne (Grüne)
    Wie ist der Frauenanteil in Wissenschaft und Forschung zu steigern.
    Wort und Widerwort;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 11 - 17.07.2003

    Von Dietrich Kessel (SPD)
    Die Gründe für den nach wie vor zu niedrigen Frauenanteil am wissenschaftlichen Personal in Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind vielschichtig. Sie betreffen vorhandene Vorurteile und Aspekte struktureller Diskriminierung gleichermaßen.
    Aus diesem Grunde muss auch eine Politik mit dem Ziel, den Frauenanteil in Wissenschaft und Forschung zu steigern, an vielen Stellen gleichzeitig ansetzen. Sie muss Studiengänge und Forschungsschwerpunkte ebenso im Blick haben wie Verfahren der Stellenbesetzung und postgradualen Qualifizierung.
    Die Landespolitik setzt genau hier an. So sind die Hochschulen verpflichtet, einen Rahmenplan zur Frauenförderung und Frauenförderpläne für sämtliche Fachbereiche aufzustellen. Bei der leistungsbezogenen Mittelvergabe wird inzwischen ein erheblicher Anteil bezogen auf Fortschritte bei der Umsetzung des Gleichstellungsauftrags zwischen den Hochschulen umverteilt. Im Haushaltsjahr 2002 waren dies 1,95 Millionen Euro. Eine wichtige Rolle spielen auch die Programme zur Förderung der Qualifizierung von Frauen für eine Professur. Schließlich werden gleichstellungspolitische Zielvorgaben in die einzelnen Zielvereinbarungen mit den Hochschulen einbezogen.
    Insbesondere bei der Einführung der Juniorprofessur, aber auch sonst werden wir ein besonderes Augenmerk auf die Vereinbarkeit mit Familienarbeit richten müssen.

    Von Manfred Kuhmichel (CDU)
    In Nordrhein-Westfalen gibt es zu wenig Frauen in Wissenschaft und Forschung. Unser Land ist im bundesweiten Vergleich nur Mittelmaß. Durch die mangelnde Einbeziehung von Frauen in Wissenschaft und Forschung gehen Chancen und Potentiale verloren, auf die wir nicht verzichten dürfen.
    Deshalb hat die CDU in einem Antrag bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefordert. Es ist erfreulich, dass zusammen mit den anderen Fraktionen eine gemeinsame Initiative daraus entsteht.
    Wir brauchen Betreuungseinrichtungen für Kinder, welche die besonderen Bedingungen des Wissenschaftsbetriebs berücksichtigen. Die Juniorprofessuren müssen familienfreundlicher ausgestaltet werden. Junge Frauen sollen die Juniorprofessur im Bedarfsfall verlängern können. Wir brauchen eine stärkere Nutzung der Zeit- und Teilzeitprofessuren. Wir fordern ein Förderprogramm für Frauen, die eine Fachhochschulprofessur anstreben. So sollte Frauen mit fachbezogener Berufserfahrung der Einstieg in die Hochschullehre ermöglicht werden. Die CDU unterstützt darüber hinaus Maßnahmen für eine Erhöhung des Frauenanteils in den technischen Fachbereichen.
    Die Gleichstellungsbeauftragten an den Hochschulen brauchen für ihre vielfältigen Aufgaben zuverlässige Rahmenbedingungen.
    Die Landesregierung muss endlich der Empfehlung des Expertenrates vom Februar 2001 nachkommen, die Wirkung des Gleichstellungsgesetzes an den Hochschulen zu überprüfen.

    Von Brigitte Capune-Kitka (FDP)
    Der Frauenanteil in Wissenschaft und Forschung ist nach wie vor viel zu niedrig. Vieles wurde getan, um die Situation und den Anteil zu verbessern, aber es gelang bisher nicht. Das zeigen gerade in diesem Jahr die Zahlen der Abschlüsse der Hochschulabsolventinnen, die sich für die wissenschaftliche Laufbahn entscheiden.
    Eine Änderung ist nur durch den Mehrklang vielfältiger Maßnahmen erreichbar, exemplarisch hier nur einige: Erstklassigen Hochschulabsolventinnen muss die wissenschaftliche Laufbahn schmackhaft gemacht werden. Das Forschungsinstitut in Jülich stellt beispielsweise fest, dass ihm viele gute Absolventinnen verloren gehen - entweder direkt nach dem Studium, indem sie gar nicht erst in die Wissenschaft gehen, oder später, weil sie sich für Familie und Kinder entscheiden.
    Hier muss ein Weg gefunden werden, beides zu vereinbaren. Gerade die Betreuung der Kinder von vier Monaten bis drei Jahren an den Hochschulen muss daher gesichert werden.
    Bei Juniorprofessuren muss die Teilzeit noch viel mehr als bisher gefördert werden. Der Wissenschaftsrat hat festgestellt, dass ein hoher zeitlicher Einsatz nicht notwendigerweise zu einer höheren Qualität wissenschaftlicher Arbeit führt. Eine hoch motivierte junge Frau oder ein hoch motivierter Vater, der auch noch Zeit für seine Familie hat, arbeitet und leistet in kurzer Zeit viel mehr als jemand, der sich den ganzen Tag mit dem Thema befasst. Menschen, die Wissenschaft und Familie verbinden und das an der Hochschule gestalten können, sind ein Gewinn für unsere Hochschulen und für unseren Nachwuchs.

    Von Marianne Hürten (GRÜNE)
    Die Instrumente zur Steigerung des Frauenanteils an den Hochschulen sind vorhanden: Landesgleichstellungsgesetz, Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen, kriteriengebundene Mittelvergabe, Sommeruniversitäten, Mentorinnen- Programme und vieles mehr haben die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen und helfen jungen Frauen beim Einstieg in die Wissenschaft.Woran liegt es dann, dass der Frauenanteil vor allem bei den Professuren nicht in dem Tempo steigt, wie es nicht nur aus gleichstellungspolitischen Gründen wünschenswert, sondern auch für eine innovationsfreudige Weiterentwicklung des (Wissenschafts-)Standorts NRW dringend notwendig wäre? Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass Gleichstellungsfragen und die Wahrnehmung der damit verbundenen Chancen immer noch nicht als eine zentrale Aufgabe aller AkteurInnen an den Hochschulen, insbesondere aber der Leitungsorgane begriffen werden. Hierauf haben auch die Gleichstellungsbeauftragten der NRW-Hochschulen auf ihrem Treffen mit der Grünen Landtagsfraktion im März dieses Jahres hingewiesen. Nur mit einem konsequenten Top-Down-Verfahren können aber letztlich die notwendigen Veränderungen in den Strukturen erfolgreich umgesetzt werden: Bei der Durchführung von Berufungsverfahren, bei der Zusammensetzung von Gremien oder bei Kinderbetreuungsangeboten, die den besonderen Bedingungen des Wissenschaftsbetriebs gerecht werden.

    Systematik: 4300 Hochschulen; 4400 Wissenschaft/Forschung; 5040 Frauen

    ID: LIN01748

  • Hauptproblem: Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
    Landtag erörtert den zu geringen Frauenanteil in Wissenschaft und Forschung.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 11 - 17.07.2003

    Nur fünf Prozent der Direktoren in der Max-Planck-Gesellschaft sind Frauen. Nur die Hälfte von ihnen ist verheiratet (bei den Männern sind es 93 Prozent). Nur vier der Direktorinnen hätten Kinder. "Ein Armutszeugnis", fand Marie-Theres Ley (CDU) bei der Erläuterung des Antrags ihrer Fraktion im Plenum vor einiger Zeit. Ihr Urteil setzte sie fort: Bei der Beteiligung von Frauen in Wissenschaft und Forschung ist NRW "Schlusslicht", im Vergleich der Bundesländer "nur schlechtes Mittelmaß". Fazit des Antrags (Drs. 13/3806): "Wir müssen dringend die Rahmenbedingungen in Wissenschaft und Forschung ändern, damit Frauen ihre Chancen wahrnehmen können und das Potential der Frauen viel besser zum Tragen kommt und damit unserer Volkswirtschaft wichtige Ressourcen nicht verloren gehen."
    Man fange in NRW nicht bei Null an, hielt in der Plenardebatte Cornelia Tausch (SPD) der Opposition entgegen; vor Jahren schon seien wesentliche Schritte zur Frauenförderung in den Hochschulen getan worden. Seit 1986 gebe es etwa das Netzwerk Frauenforschung. Berufungskommissionen müssten an den Hochschulen zur Hälfte aus Frauen gebildet werden. Dies und anderes reichten aber nicht aus. Die Betreuung von Kindern von vier Monaten bis zu drei Jahren müsse an den Universitäten - und nicht irgendwo in der Stadt - gesichert werden, fand Brigitte Capune-Kitka (FDP). Frauen müssten an den Hochschulen auch ohne Einsatz der Ellenbogen und abseits von Seilschaften oder gegen den Widerstand "chauvinistischer Hochschulleitungen" Karriere machen können.
    Der anstehende Generationswechsel an den Hochschulen sollte genutzt werden, den Frauenanteil in Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu erhöhen, schlug Dr. Ruth Katharina Seidl (GRÜNE) vor. Bis Ende 2009 würden 50 Prozent der jetzigen Professoren emeritiert: "Bei den anstehenden Neuberufungen müssen Frauen aus unserer Sicht vorrangig berücksichtigt werden." Die Hochschulen sollten mittelfristig auch Konzepte der Personalentwicklung erarbeiten müssen.
    Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD) lobte ausdrücklich die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten an den Hochschulen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei das Hauptproblem. In der Kinderbetreuung müsse man weiter kommen. Hier seien die Kommunen an den Hochschulstandorten gefragt.

    Zusatzinformation:
    Den Folgen des Luftverkehrs für die Umwelt ist im Forschungszentrum Jülich (FZJ) am Institut für Stratosphärische Chemie Dr. Martina Krämer (Bild) auf der Spur. Sie betreibt Grundlagenforschung zum Verstehen atmosphärischer Prozesse und geht unter anderem der Frage nach, welche Klima-Rückkopplungsprozesse die Kondensstreifen des Flugzeugverkehrs in zehn bis zwölf Kilometern Höhe auslösen. Auf der Titelseite ist die Privatdozentin Dr. Ingar Janzik im Labor für pflanzliche Molekularbiologie des FZJ dabei zu erforschen, wie sich das Gas Ozon auf Pflanzen auswirkt. Die Düsseldorfer Juniorprofessorin arbeitet in Jülich am Thema "Regulation von Genen unter Ozonstress in Pflanzen". Das FZJ ist die größte interdisziplinär ausgerichtete Forschungseinrichtung unter den 15 Helmholtz-Forschungszentren. Schwerpunkte der Forschung sind die Bereiche Materie, Energie, Information, Leben und Umwelt. Das Zentrum gilt in Sachen Chancengleichheitspolitik als Maßstab in der deutschen Forschungslandschaft. 2002 wurde es als einzige Forschungseinrichtung bereits zum zweiten Mal mit dem Prädikat "Total-E-Quality" ausgezeichnet.

    Systematik: 4300 Hochschulen; 4400 Wissenschaft/Forschung; 5040 Frauen

    ID: LIN01749

  • "Karriereverzicht wegen der Kinder".
    Ministerium legt dem Frauenausschuss aktuelle Daten vor.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 11 - 17.07.2003

    "Der Frauenanteil unter den Lehrenden und Forschenden in den Hochschulen Nordrhein- Westfalens steigt stetig an, aber er hat noch lange nicht die angestrebte Größenordnung erreicht. Deshalb sollen Maßnahmen für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen im Wissenschaftsbetrieb intensiviert werden."
    Dieses Fazit zog vor kurzem im Ausschuss für Frauenpolitik (Vorsitzende Inge Howe, SPD) ein Sprecher des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung (MWF). Er nannte Zahlen, die zeigen, dass Nordrhein-Westfalen im Jahr 2001 beim Anteil von Frauen an C3-Professuren (12 gegenüber 11,3 Prozent im Bund) und an C4-Professuren (8,4 gegenüber 7,7 Prozent) über dem Bundesdurchschnitt lag. Inzwischen ist der Anteil weiter gewachsen: 13,4 bei C3 und 9,3 Prozent bei C4-Professuren (2002). Besser noch die Daten für die Gruppe der Junior-Professuren. Hier wurden 20 Prozent der Stellen von Frauen besetzt (12 von insgesamt 59).
    Gründe für die Aufwärtsentwicklung werden in drei Bereichen gesehen: Zum einen in speziellen Fördermaßnahmen wie dem Lise- Meitner-Programm, zum anderen in der Steuerungswirkung bei der Vergabe von leistungsbezogenen Mitteln, die sich nach Fortschritten bei der Erfüllung des gesetzlichen Gleichstellungsauftrags an den Hochschulen richtet. Ein dritter Punkt ist die Kinderbetreuung an den Hochschulen. Hier macht das MWF zwar klar, dass die Hochschulen nicht mit zusätzlichen Mitteln für die Einrichtung von Betreuungsplätzen rechnen können. Das Ministerium werde aber in einer "Umfrage bestehende und geplante Kinderbetreuungsmodelle sowie deren Finanzierungsstrukturen ermitteln und anschließend besonders geeignete Modelle vorstellen".
    Und noch etwas anderes ist zu beachten. Wissenschaftlerinnen seien vor allem mit Wissenschaftlern verheiratet. Das bedeutet einer Untersuchung zufolge "entweder Karriereverzicht eines Partners oder Verzicht auf gemeinsame Kinderbetreuung. In der Regel sind es dann die Frauen, die Karriereverzicht leisten oder durch doppelte Haushaltsführung zu faktisch Alleinerziehenden werden. Dieses Themas will sich das MWF annehmen".
    Bis es hier Klarheit gibt, kümmert sich eine Arbeitsgruppe aus Rektoren und Kanzlern um die aktuellen Probleme. Ihre Vorschläge sollen in einen Aktionsplan einmünden, den die Ministerin dann dem Landtag vorstellen wird.

    Systematik: 4300 Hochschulen; 4400 Wissenschaft/Forschung; 5040 Frauen

    ID: LIN01750

  • Tausch, Cornelia (SPD); Dinther, Regina van (CDU); Capune-Kitka, Brigitte (FDP); Dr. Seidl, Ruth (Grüne)
    Deutschland darf kein Entwicklungsland für Frauen bleiben.
    Abgeordnete fordern neue Rahmenbedingungen.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 12-13 in Ausgabe 11 - 17.07.2003

    Trotz Jahre währender Anstrengungen für eine Gleichstellung der Geschlechter sind Frauen in der Arbeitswelt bis heute unterrepräsentiert. Das gilt besonders für die Führungsetagen in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verwaltung. Über die Gründe, mögliche Lösungsansätze und Zukunftschancen sprach Landtag intern mit Brigitte Capune-Kitka (FDP) und Regina van Dinther (CDU) aus dem Frauenausschuss sowie Cornelia Tausch (SPD) und Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) aus dem Wissenschaftsausschuss.

    Haben Frauen in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft des Landes NRW schon den gebührenden Stellenwert?

    Tausch: Gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung sicherlich nicht. Frauen haben inzwischen einen sehr hohen Bildungsstandard. Sie haben häufig bessere Schulabschlüsse als Männer und eine sehr gute Berufsausbildung. Aber in zukunftsträchtigen Berufen sowie Management- und Spitzenfunktionen sind Frauen noch deutlich unterrepräsentiert. Daher ist es sehr wichtig, gerade junge Frauen zu ermuntern, auch neue und technische Studiengänge zu wählen. Ein Grund ist sicherlich auch, dass es immer noch schwierig ist, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Es sind überwiegend Frauen, die diesen Spagat bewältigen müssen. Frauen kämpfen aber auch immer noch mit vorhandenen Vorurteilen und strukturellen Diskriminierungen.
    van Dinther: In der Arbeitswelt glaube ich kaum, dass meine Generation es noch erleben wird, dass Frauen den gleichen Stellenwert haben werden. Aber ich glaube, dass es für unsere Töchtergeneration durch die wesentlich besseren Ausbildungschancen schon leichter sein wird. Viele Arbeitgeber schrecken immer noch davor zurück, Frauen im geburtsfähigen Alter für eine Spitzenposition vorzusehen, da sie unsicher sind, ob ihnen die Frauen auch dauerhaft erhalten bleiben. Die Alternative sieht oftmals so aus, dass Frauen ganz auf Karriere setzen und auf Familie und teilweise auch auf privates Glück verzichten. Das ist aber ein zu hoher Preis. Beim Hochschulpersonal sieht es so aus, dass Professoren zu über 90 Prozent verheiratet sind und Kinder haben, während die wenigen Professorinnen, die wir haben, zum größten Teil ledig oder kinderlos verheiratet sind. Und wenn sich knapp 50 Prozent der Akademikerinnen für die Kinderlosigkeit entscheiden, dann ist das ein gesellschaftspolitischer Skandal. Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen verändern. Es darf nicht weiterhin nur Privatsache der Mütter sein, sich um die Kindererziehung zu kümmern. Wir brauchen beispielsweise flexible Erziehungs- und Betreuungseinrichtungen an den Hochschulen. In dem Bereich sind wir in Deutschland wirklich noch ein Entwicklungsland.
    Capune-Kitka: Den haben sie mit Sicherheit nicht. Ich weiß aber nicht, ob das an der Gesellschaft und der Arbeitswelt liegt. Ich glaube, dass wir Frauen da selber noch einiges leisten müssen, um den gebührenden Stellenwert zu bekommen. Ein Beispiel: Als ich damals in den Landtag kam, versuchte ich verzweifelt eine Nachfolgerin für meine Stelle an einer Gesamtschule zu bekommen. Ich habe festgestellt, dass mir fast alle Frauen abgesagt haben, weil sie nicht bereit waren, diese Verantwortung zu übernehmen. Und ich habe mich gefragt, was können wir tun, damit Frauen sich mehr zutrauen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist Gesellschaftspolitik, das geht Männer wie Frauen an. Frauen und Karriere ist ein Thema, wo wir Frauen stark machen müssen und vielleicht auch Männer aufwecken müssen, festzustellen, dass wir ein riesiges Potential an gut ausgebildeten Frauen in Deutschland haben. Frauen müssen dafür sorgen, dass sie als selbstverantwortliche Wesen gesehen werden. Da ist Ehegattensplitting für mich ein ganz wichtiges Thema. Wenn wir das Selbstwertgefühl der Frauen stärken und die Rahmenbedingungen verbessern, glaube ich, dass uns auch nicht so viele Frauen auf dem Weg in der Karriere verloren gehen. Wir haben hervorragende Frauen und brauchen keine Green-Card.
    Dr. Seidl: Ich glaube, dass gesellschaftlich gesehen der Stellenwert sicherlich vorhanden ist. Aber wenn man einmal genauer in die Arbeitswelt hineinschaut, gerade was den Bereich der Wissenschaftspolitik angeht, dann wird man etwas anderes feststellen. Bei den Studienanfängern haben wir in diesem Jahr in NRW erstmals mehr Frauen als Männer, das ist ein sehr erfreuliches Signal - aber je höher man in die verschiedenen Qualifikationsstufen kommt, desto geringer wird der Anteil der Frauen. Und das ist am deutlichsten bei den C-4 Professuren, von denen nur 9,3 Prozent von Frauen besetzt sind. Wir sind zwar mit dem Landesgleichstellungsgesetz ein ganzes Stück weiter gekommen, was das Bewusstsein betrifft, aber Männer sind halt traditionell immer eher in Führungspositionen gewesen. Frauen sind immer noch nicht stark genug in Führungspositionen vertreten und daran müssen wir arbeiten. An den Hochschulen haben wir dazu Landesgleichstellungsgesetz mit den Gleichstellungsbeauftragten. Wir haben zudem von der europäischen Ebene das Instrument "Gender Mainstreaming" und wir haben die leistungsorientierte Mittelvergabe. Wir haben also Instrumente, aber die reichen noch nicht aus.

    Seit Jahren gibt es in der öffentlichen Verwaltung in NRW Frauenbeauftragte. Sollte das auch für die Wirtschaft verbindlich werden?

    Tausch: Es gibt große Unternehmen, die Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragte eingestellt haben. Dies ist zweifellos ein wichtiges Instrument, um auf formaler Ebene viel für die Frauenförderung zu bewirken. Die Gleichstellung von Männern und Frauen muss aber Aufgabe aller - auch in den Führungsetagen - sein. Der Landtag hat sehr einmütig einen Antrag verabschiedet zum Thema Gender Mainstreaming. Dies bedeutet, die Berücksichtigung von Geschlechterperspektiven zum integralen Bestandteil in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu machen. Nur so können wir es schaffen, den Gleichstellungsgedanken tatsächlich kulturell zu verankern. Diese Aufgabe sollte und darf nicht nur an einer Person hängen.
    van Dinther: Der Unterschied zwischen dem Öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft ist der, dass die Personen, die selbstständig sind, auch selber zahlen. Und wenn sie selber zahlen, müssen sie auch entscheiden, welche Strategien sie einsetzen. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass wir in der Privatwirtschaft eine Entwicklung haben werden, dass auf qualifizierte Frauen in Zukunft zurückgegriffen wird, da viele Anforderungsprofile von Zukunftsberufen auf weibliche Qualifikationen angelegt sind. Und wir wissen anhand der Zahlen, dass entweder Einwanderung oder mehr Frauenerwerbstätigkeit die Lösungen sind. Daher brauchen wir hier keine neuen Gesetze.
    Capune-Kitka: Nein. Man sollte die Wirtschaft nicht zu etwas zwingen, was zu Entwicklungen führt, die einfach nicht in Ordnung sind. Ich halte Gender Mainstreaming für ein vernünftiges Instrument, wenn ich Männer und Frauen immer gleichermaßen betrachte. In unserem Antrag zur neuen Gemeindeordnung haben wir gefordert, keine Frauenbeauftragten mehr, sondern Genderbeauftragte oder einen Genderausschuss, der paritätisch mit Frauen und Männern besetzt wird. Wenn ich mir heute betrachte, dass 80 Prozent der Schulabgänger ohne Abschluss Jungen sind, dann muss ich mich fragen, wie kann ich anders mit Ressourcen umgehen.
    Dr. Seidl: Ich finde, wir sind mit dem Landesgleichstellungsgesetz einen so guten Schritt vorangekommen, dass wir sagen, dieses Instrument sollte eigentlich auch für die Wirtschaft greifen. Der Landesverband der Grünen ist zurzeit auf Tournee mit einem Frauen-Bus und versucht, das weiter voran zu treiben. Natürlich ist es nur ein Instrument von vielen, zudem ein starres, genau wie die ganzen Quotenregelungen immer starre Instrumente und nur Hilfsinstrumente sind. Solange wir unserem Ziel, dass es wirklich eine gleiche Teilhabe gibt, nicht näher gekommen sind, brauchen wir diese starren Instrumente.

    Sind aufgrund der leeren Kassen und der bisher schon erreichten Fortschritte spezielle Förderprogramme für Frauen im Land noch vertretbar?

    Tausch: Im Rahmen der Haushaltsberatung werden wir mit Sicherheit schauen, das Wünschenswerte machbar zu machen. In Nordrhein-Westfalen existieren aber weitere Fördermöglichkeiten. Das Landesgleichstellungsgesetz gilt für alle Einrichtungen des Landes. Im Bereich Wissenschaft und Forschung existiert seit 1986 das sehr erfolgreiche Netzwerk Frauenforschung. Die Einführung der Juniorprofessuren bietet gerade jungen Frauen einen besseren Einstieg in eine Hochschulkarriere als bisher. Schnupperuniversität für Schülerinnen, Chancengleichheit im Ingenieurstudium und andere Projekte helfen Frauen beim Einstieg. Ein Teil der Mittel werden in den Hochschulen nach Leistungskriterien vergeben, zu denen auch der Erfolg in der Förderung von Frauen zählt. Diese und andere Fördermöglichkeiten müssen weitergeführt und ausgebaut werden.
    van Dinther: Die werden alle auf den Prüfstand gestellt, da bin ich ganz sicher. Da gibt es Chancen und Risiken. Die Chancen sind die, dass ineffektive Sachen den Bach runter gehen und überzeugende Dinge erhalten bleiben können. Ich hoffe jedoch sehr, dass wir noch ausreichend Entscheidungsspielraum haben werden, um die überzeugenden Programme zu erhalten.
    Capune-Kitka: Ich frage mich ehrlich, ob z.B. die Regionalstellen Frau und Beruf unter dem Gendergedanken in Zukunft noch weiter existieren müssen. Besonders, weil sie ja auch Männern verschlossen sind. Männer, die z.B. Kinder betreuen, finden keinen Platz in diesen Stellen, auch in den Wiedereingliederungsmaßnahmen nicht. Und das finde ich nicht korrekt. Dr. Seidl: Wir müssen den Kernhaushalt sichern. Wir müssen gucken, was kann man strukturell verändern und wo können wir einsparen. Und das sind bestimmt nicht gerade die Frauenförderprogramme. Gerade die sind wichtige Investitionen in die Zukunft, die sich nicht nur für die Frauen, sondern für das ganze Land bezahlt machen werden. Gerade jetzt, wo viele Hochschulprofessoren in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, ergibt sich die Chance, diesen Generationswechsel auch für einen Strukturwechsel zu nutzen.
    Die Gespräche führten Stephanie Hajdamowicz und Axel Bäumer.

    Systematik: 5040 Frauen

    ID: LIN01751

  • Zigarette und Pille erhöhen Risiko.
    Herz-Kreislauferkrankungen: Todesursache Nr. 1 für Männer und Frauen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12 in Ausgabe 10 - 02.07.2003

    Die häufigste Todesursache für Männer als auch für Frauen sind Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems. Sie sind auch der Grund für bereits lange vor dem Tod auftretende Krankheitssymptome und Leiden der betroffenen Personen. In der medizinischen Literatur wird darauf hingewiesen, dass es in der krankheitsspezifischen Therapie und Gesundheitsversorgung beträchtliche geschlechtsbezogene Unterschiede gibt. So scheint die Versorgungssituation für Frauen ungünstiger zu sein als für Männer. Ausgehend von dieser Überlegung vergab die Enquetekommission zwei Studien um diese Zusammenhänge für Frauen in NRW zu erhellen.
    Privatdozentin Dr. Ursula Härtel, MPH, von der Universität München hat in der Enquetekommission "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW" Anfang November vergangenen Jahres ein Gutachten zur ‘Ist-Analyse der Prävalenz der Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen in NRW’ präsentiert.
    Gegenstand des Gutachtens waren die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Todesfällen bezüglich der Erkrankungsursachen und Risikofaktoren. Als Ergebnis konnte festgestellt werden, dass es deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede gibt und dass sich diese in der BRD und in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich ähneln. Bemerkenswert war darüber hinaus die Feststellung, dass das Rauchen für Frauen ein größeres Herzinfarktrisiko mit sich bringt als für Männer. In Verbindung mit der Einnahme von Kontrazeptiva ist das Herzinfarktrisiko für Frauen, die rauchen, verglichen mit Nichtraucherinnen 14fach höher. "Aufgrund neuer Empfehlungen dürfen Frauen über 35, die regelmäßig Zigaretten rauchen, die "Pille" eigentlich nicht mehr verschrieben werden", so eine Schlussfolgerung von Dr. Härtel.
    Ein weiteres Gutachten mit dem Titel ‘Analyse und Bewertung der Ursachen für die unterdurchschnittliche Inanspruchnahme der Versorgungseinrichtungen für die Herz-Kreislauferkrankungen in NRW durch Frauen’ wurde in der Enquetekommissionssitzung Mitte Juni vorgestellt.
    Das von Dr. Susanne Moebus vom Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie des Universitätsklinikums Essen erstellte Gutachten wies unter anderem darauf hin, dass herz-kreislaufkranke Frauen scheinbar später als Männer das Krankenhaus aufsuchen bzw. eingeliefert werden, da bei ihnen nicht an den entsprechenden Krankheitszusammenhang gedacht wird. In der Folge kann es zu einer schlechteren Erstversorgung und damit höheren Letalität bei Frauen kommen. Das Gutachten problematisierte das Fehlen geschlechtsdifferenzierter Daten zur Behandlung koronarer Herzerkrankungen. Insbesondere Aussagen über sozial benachteiligte Gruppen wie Migrantinnen und ältere Frauen sind für NRW nicht gesichert möglich. Die Gutachterin Dr. Susanne Moebus schlägt deshalb die Einrichtung eines Herzinfarktregisters für NRW vor.

    Systematik: 5040 Frauen; 5200 Gesundheit

    ID: LIN01800

  • Krankenhäuser und Pflegedienste vor neuen Aufgaben.
    Menschenwürdige Versorgung von Schwerstkranken.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 10 - 02.07.2003

    "Multiprofessionelle Versorgung von schwerstkranken Patienten sichern" betitelte die FDP einen Antrag (Drs. 13/3849), über den der Landtag Anfang Juni debattierte und den er anschließend in die Ausschussberatung überwiesen hat. Ein CDU-Antrag (Drs. 13/3217) mit dem Titel "Auch Sterben ist ein Teil des Lebens", mit dem sich der Landtag im Plenum bereits im November 2002 befasst hatte, hatte die Anhörung des Gesundheitsausschusses am 11. Juni ausgelöst (Bericht in der vorigen Ausgabe). Dazu gab es eine Entschließung von SPD und GRÜNEN "Für ein menschenwürdiges Sterben in einer humanen Gesellschaft" (Drs. 13/3968).
    Dr. Jana Pavlik (FDP) sah eine fatale Verwechslung von hospiz- und palliativmedizinischen Versorgungsangeboten beim zuständigen Ministerium. Palliative oder multiprofessionelle Versorgung bedeute ganzheitliche Sicht von Schwerstkranken oder unheilbar Kranken. Hospizarbeit sei direkte Sterbebegleitung. In einer Palliativstation werde dagegen versucht, bei unheilbaren Erkrankungen die gemeinsame Betreuung durch Ärzte, Schwestern, Psychologen, Sozialarbeiter und Krankengymnasten zu sichern. Patienten sollten im Interesse ihrer Lebensqualität, Selbstbestimmung und Würde an der Behandlung teilhaben. Unausweichlicher Tod solle nicht als medizinische Niederlage, sondern als Teil des Lebens positiv angenommen werden.
    Vera Dedanwala (SPD) stellte klar, Palliativmedizin sei die Kontrolle der krankmachenden Symptome, der Ängste, des Schmerzes, von Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Übelkeit und Ödemen. Palliatives ärztliches Handeln finde im Krankenhaus statt, im Übrigen in einer Behandlungskette aus hausärztlicher Betreuung und Pflege und Hospizdiensten. Seit 2002 fielen die Hospize unter das Heimgesetz und seien finanziell gesichert. Die FDP sorge sich um Probleme mit der Einführung von Fallpauschalen. Das Gesetz werde aber Ausnahmen zulassen. Die Verweildauer der Patienten im stationären Bereich werde sinken. Auf den ambulanten Bereich komme höherer Versorgungsbedarf zu. Hausärzte und Pflegedienste müssten fortgebildet und auch Kinderpalliativmedizin müsse weiterentwickelt werden.
    Rudolf Henke (CDU) verwies auf den früheren CDU-Antrag "Auch Sterben ist ein Teil des Lebens". Palliativmedizin und Hospizversorgung seien eine Alternative zu den Wegen in den Niederlanden und Belgien. "Pallium" bedeute Mantel und solle Schutz und Wärme geben. Ärzte sollten dem Kranken wie einem guten Freund begegnen, nicht wie einem Geschäftspartner oder Kunden. Das Gesamtkonzept umfasse optimale Schmerztherapie, Integration der psychischen, sozialen und geistigen Bedürfnisse von Patienten, Angehörigen und des Behandlungsteams. Weder die Tötung auf Verlangen noch eine Möglichkeit zum Töten ohne Verlangen, wie pro Jahr tausendmal in den Niederlanden, sollten hierzulande geschaffen werden.Die Befürchtungen wegen der diagnoseorientierten Fallpauschalen seien berechtigt.
    Barbara Steffens (GRÜNE) meinte, gerade im Hospizbereich sei NRW auf gutem Wege. Für die Grünen sei wichtig, dass auf das Ganze und ein Gleichgewicht zwischen stationärem und ambulantem Bereich geachtet werde. Wem Sterben in der vertrauten Umgebung nicht möglich sei, für den sei das Hospiz ein Ausweg, dem Krankenhaus zu entgehen. Breiten Konsens gebe es darüber, dass älteren Menschen Hilfe nicht verweigert werden dürfe. Aktive Sterbehilfe sei menschenunwürdig und kein Weg für NRW.
    Gesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) sah im FDP-Antrag eine Bestätigung der Politik der Landesregierung bei der palliativmedizinischen Versorgung seit Ende der 80-er Jahre, als mit Fachtagungen und Modellversuchen die Grundlagen für die in Deutschland beispielhafte Infrastruktur geschaffen worden seien. Wesentlicher Bestandteil sei die Förderung des ehrenamtlichen Engagements in der Sterbebegleitung. Bürgerinnen und Bürger würden dafür ausgebildet und von professionellen Koordinatoren unterstützt. Die bundesweit bekannten, 1992 gegründeten Alpha-Stellen begleiteten Hospizvereine und Initiativen. Das Ende März 2003 abgeschlossene Projekt an 17 Standorten mit Unterstützung der Krankenkassen belege eindrucksvoll den Vorbildcharakter von NRW. Bis Ende 2003 werde noch ein Modellprojekt "palliativmedizinischer Konsiliardienst" für Ärzte gefördert. Der hohe Anteil von Schwerstkranken, die im Krankenhaus stürben, könne nur durch Intensivierung von palliativer Medizin und Pflege geändert werden zugunsten eines gewollten Sterbens zu Hause. Derzeit gebe es 22 Palliativstationen mit 172 Betten in NRW. Ein Ausbau sei vorgesehen. 20 Betten pro einer Million Einwohner würden zugrunde gelegt. Noch in diesem Jahr werde ein mit allen Versorgungskräften abgestimmtes Konzept vorgelegt werden können.

    Bildunterschrift:
    Nach der Behandlung auf der Intensivstation, hier im Städtischen Klinikum Solingen, folgt meist die weitere Versorgung Schwerstkranker, sei es zu Hause mit palliativmedizinischer Hilfe oder im Hospiz. Menschenwürdige Pflege bis zum Tod stellt Mitmenschen und Angehörige der Gesundheitsberufe vor neue Aufgaben.

    Systematik: 5270 Tod; 5200 Gesundheit

    ID: LIN01801

  • Ohne Geist verroht der Mensch.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 18.06.2003

    "Der Staat muss die Kultur auch in Zukunft fördern, genauso wie er die Müllabfuhr finanziert. Das Theater ist die Müllabfuhr für die Seele." Was Ruhrfestspiele-Intendant Hansgünther Heyme sagt, hat viel Wahrheit. Viele große Denker und Politiker, aber auch Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen haben sich zur Kultur im Land geäußert. Sehr unterschiedlich, sehr streitbar, aber immer mit der Tendenz, dass Kultur ein wichtiges Gut ist. Dieses kostet zwar Geld und bedarf auch staatlicher und öffentlicher Förderung, aber Kultur ist unverzichtbar für die Gesellschaft. Darüber streitet niemand.
    In Nordrhein-Westfalen sorgt gerade die RuhrTriennale für Furore. Die einen sind begeistert, weil es wohl einer der umfangreichsten kulturpolitischen Initiativen in Deutschland ist. Sogar New Yorker Medien berichten darüber, wie Kulturminister Vesper noch anlässlich des Suzanne-Vega-Konzerts in der Duisburg-Meidericher Gießhalle am vergangenen Sonntag schwärmte.

    Sparen

    Andere wiederum kritisieren, dass es ja eigentlich im Ballungsraum Ruhrgebiet genug Kultur gibt. Dass es wichtiger sei, in diesen schwierigen finanziellen Zeiten, wo überall gespart werden muss, das an Kultur aufrecht zu erhalten, was in den Kommunen und Städten notwendig ist. Wie zum Beispiel die Finanzierung von Büchereien. Weil immer weniger Eltern genügend Geld zur Verfügung haben, um ihren Kindern das Lesen zu finanzieren.
    Es geht in der Diskussion um das, was sich NRW an Kultur noch leisten kann, auch um die Breitenwirkung von Kultur. Wer ernsthaften Diskussionen folgt, kommt zu dem Ergebnis, dass zwar Kultur jedem in Nordrhein-Westfalen, zugänglich gemacht werden muss. Doch ohne das Neue - z.B. die Stücke, die zum Nachdenken anregen, die unbequemen Theatermacher und die jungen Künstlerinnen und Künstler mit neuen Ideen - wäre die Kulturlandschaft um ein Vielfaches ärmer.
    Für viele Politiker ist es gerade in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte schwierig, dass gerade zuerst an der Kultur gespart wird. Welcher Politiker möchte sich schon nachsagen lassen, er habe ein Museum oder ein Theater, ein Orchester oder eine Bibliothek Sparmaßnahmen geopfert. Neue Lösungen müssen her. Für Kulturschaffende planbare Etats, mehr Flexibilität beim Personal und genug Ideen, um gerade jungen Menschen im Lande die Möglichkeit zu bieten, sich mit Kultur zu entwickeln. Denn ohne Geist verroht der Mensch.
    SH

    ID: LIN01828

  • Der Landtag als Forum für Künstlerinnen und Künstler.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8 in Ausgabe 9 - 18.06.2003

    Von der Jazz-Session über museale Ausstellungen, von Kunstwettbewerben bis zu kunstgewerblichen Präsentationen, Fotoausstellungen und Lesungen - die Palette kultureller Veranstaltungen im nordrhein-westfälischen Landtag ist breit gefächert. Dabei werden viele Künstler sowie Besucherinnen und Besucher allein schon durch die architektonisch reizvollen Räumlichkeiten des Landtagsgebäudes angelockt. Im Oktober 2002 sahen beispielsweise rund 1.500 Besucher die Ausstellung "Böhmisches Glas in Nordrhein- Westfalen". Bereits zur Ausstellungseröffnung erschienen über 500 Gäste. Im Rahmen der diesjährigen Düsseldorfer Jazz Rallye Ende Juni wird sich der Landtag erstmalig auch als Konzertstätte zur Verfügung stellen. Am 29. Juni gastiert Professor Manfred Schoof mit seiner Band in der Eingangshalle des Landtags. An drei Tagen werden insgesamt an über 30 Spielorten in der Landeshauptstadt rund 80 Auftritte von Bands und Solokünstlern aller Jazz- Richtungen zu sehen sein. Ein kulturelle Veranstaltung ganz anderer Art erwartet die Besucher Anfang Juli: 20 Schulklassen aus ganz Deutschland, darunter zehn Leistungskurse aus NRW, präsentieren ihre preisgekrönten Ergebnisse des Kunstwettbewerbs "Jugend interpretiert Kunst" im Landtag. Die Exponate waren zuvor im Museum Küppersmühle in Duisburg ausgestellt.

    ID: LIN01833

  • Dr. Düttmann-Braun, Renate (CDU)
    "Ohne staatliche Förderung geht es nicht".
    Gespräch mit Dr. Renate Düttmann-Braun, Vorsitzende des Kulturausschusses.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 9 - 18.06.2003

    Wie sieht die finanzielle Situation der kommunalen Theater aus?

    Wir haben den Landeshaushalt für 2003 im Dezember vergangenen Jahres verabschiedet, doch die Bewilligungsbescheide für Landeszuschüsse erhalten die Theater erst jetzt. In den Bescheiden steht zudem noch weniger Geld, als im vergangenen Jahr geplant, weil jetzt noch kurzfristig die globale Minderausgabe hinzukommt. Das ist hart, denn viele Theater bekommen schon von ihren Kommunen weniger Geld als früher, können also das Defizit nicht automatisch durch andere Quellen abdecken. Verträge haben sie aber schon längst abgeschlossen, denn die Theatersaison geht bald wieder zu Ende. Dadurch haben sie jetzt ein zusätzliches Problem. Man muss folgendes bedenken: Der eigentliche Kostenfaktor ist mit 80 bis 85 Prozent das Personal, hauptsächlich das technische Personal. Als städtische Angestellte stehen sie unter dem Schutz von Tarifverträgen, die nicht für die besonderen Bedürfnisse der Stadttheater ausgehandelt sind. Das wäre anders, wenn die Stadttheater andere Strukturen wählten, zum Beispiel GmbHs.

    Ist die von der Landesregierung verfügte globale Minderausgabe wirklich das richtige Instrument, um im Kulturbereich zu sparen?

    Ich habe ein Problem damit. Wir verabschieden einen Haushalt. Und dann merken wir, dass die Haushaltsmittel, über die wir gesprochen haben, nicht mehr die sind, um die es eigentlich geht. Zum Beispiel haben wir jetzt statt der geplanten 3,6 Millionen Euro für die regionale Kulturförderung nur noch rund 3,3 Millionen. Das ist für mich aus meinem parlamentarischen Verständnis heraus nicht tragbar. Darüber hinaus brauchen wir ganz dringend, auch im Interesse der Kultur, eine Gemeindefinanzreform, damit die Kommunen zuverlässiger ihre Einnahmen planen können. Aber selbst wenn wir stärker umsteuern würden als zurzeit Rot-Grün, würde sich die Situation der Theater nicht von heute auf morgen verbessern.

    Wie können Sie sich die Zukunft der kommunalen Theater vorstellen?

    Ich stelle mir sie sehr schwierig vor und befürchte, dass sie an einigen Stellen vielleicht eine Spartenschließung vornehmen müssen. Viele dieser Stadttheater sind mehrspartige Häuser und da kann es schon passieren, dass sie das Tanz- oder auch das Sprechtheater aufgeben müssen. Ganz besonders schlimm wäre es meiner Meinung nach, das Kinder- und Jugendprogramm zu streichen. Dann kann man das ganze Theater dicht machen.

    Was kann der Kulturausschuss für die Theater bewirken?

    Eines ist klar: Die Politik hat sich in die Kultur nicht einzumischen. Das ist Aufgabe der Kulturschaffenden. Aber wir können Rahmenbedingungen setzen, Strukturen ändern, Experimente wagen außerhalb dieses engen Korsetts des Haushaltsrechtes. Man muss auch bedenken, dass das Land bis 1995 keine eigene Kulturpolitik betrieben hat.
    Seitdem gibt es zwei Schwerpunkte. Zum einen die regionale Kulturpolitik, wozu NRW in Regionen aufgeteilt wurde, in denen dann Projekte gefördert wurden. In zwei Regionen - am Niederrhein und im Münsterland - zeigt diese Aktion Erfolg, in den übrigen Landesteilen gar nicht oder wenig. Leider wurde das Geld immer weiter zusammengestrichen, was die Effekte weiter mindert. Zum anderen wurde die RuhrTriennale geschaffen. Das ist in meinen Augen ein sehr zwiespältiges Projekt. Es ist fast unmöglich für jemanden, der sich für Kultur interessiert und für Kulturpolitik einsetzt, die Triennale vollkommen abzulehnen. Da aber immer weiter Gelder für die "alltägliche" Förderung gestrichen werden - zum Beispiel für Stadtbüchereien -, sehe ich es als falsch an, auf der anderen Seite eine solche Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Für mich persönlich ist es wichtiger, dass das kulturelle Basis-Angebot vor Ort einigermaßen aufrechterhalten wird, als dass es in einer einzelnen Region diese Eventkultur gibt. Ich glaube, dass wir im Ruhrgebiet keinen Mangel an Angeboten haben. Und ob die Triennale wirklich der erwünschte große Wurf wird, wage ich zu bezweifeln.

    Was für eine Chance hat für Sie denn die Theaterlandschaft generell in NRW?

    Sie wird weiter existieren, nur dann bedauerlicherweise auf einem anderen Niveau. Und irgendwie habe ich natürlich die Hoffnung, dass sich die finanzielle Situation bei den Kommunen und im Land in Zukunft verbessern wird. Sicher ist nur, dass es ganz ohne staatliche Förderung nicht geht. Das Angebot der Theater darf sich nicht nur danach richten, was die meisten Zuschauer anzieht. Es soll auch aufrütteln und nachdenklich machen. Dafür brauchen sie finanzielle Unterstützung außerhalb der eigenen Kassen.

    Das Gespräch führten Stephanie Hajdamowicz und Sandra Ketterer

    Systematik: 7100 Kunst/Kultur

    ID: LIN01834

  • Kultur - auch ein wichtiges Thema im Parlament.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 9 - 18.06.2003

    Kulturelle Themen, allen voran der Erhalt und die Sicherung von kulturellen Einrichtungen im Land, sind immer wieder Gegenstand von Beratungen im Plenum sowie im Kulturausschuss des Landtags. So sorgten in der Vergangenheit immer wieder Anfragen einzelner Fraktionen zu Diskussionen über die Gesamtsituation von Kunst und Kultur in NRW. Ein besonderes Augenmerk richteten die Abgeordneten hierbei unter anderem auf Themen wie die Verwendung der Mittel der Stiftung "Kunst und Kultur des Landes NRW", die Förderung des Bibliothekenwesens, den Erhalt der Schriftkultur Nordrhein-Westfalens sowie die Förderung des musikalischen Nachwuchses an den Musikschulen. Eine zentrale Rolle nehmen darüber hinaus die Beratungen über den Erhalt bzw. die Gewährleistung einer finanziellen Grundversorgung von Theatern und Schauspielhäusern ein. Der Gesamtetat für den Kulturhaushalt umfasst in diesem Jahr 129,44 Millionen Euro. Davon werden 14,57 Millionen für das Archivwesen, 4,96 Millionen für das Bibliothekenwesen und 91,52 Millionen für die sonstige Kulturförderung verwendet. Hinzu kommen 18,39 Millionen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG). Die Gesamtausgaben des diesjährigen Landeshaushalts belaufen sich auf 47,82 Milliarden Euro. Der Anteil des Kulturhaushalts am Gesamthaushalt beträgt 0,27 Prozent.

    Systematik: 7100 Kunst/Kultur

    ID: LIN01835

  • Böcker, Manfred (SPD); Blömer, Richard (CDU); Capune-Kitka, Brigitte (FDP); Keymis, Oliver (Grüne)
    RuhrTriennale: Wie fällt eine Bilanz für Land und Revier aus?
    Wort und Widerwort;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 9 - 18.06.2003

    Von Manfred Böcker (SPD)
    Nach extrem kurzer Vorbereitungszeit ist die RuhrTriennale im Herbst 2002 gestartet. Die Hauptsaison hat jetzt begonnen und die künstlerischen Erfolge stellen sich ein. Die RuhrTriennale hat inzwischen einen Namen, der europaweit beachtet wird. Die Publikumszahlen in diesem Jahr belegen das große Interesse am Festival. In breiten Schichten der Bevölkerung ist die Triennale jetzt "angekommen". Gerard Mortier bietet ein Programm, das die Menschen gewinnen will, ohne populistisch zu sein. Es verlangt ihnen aber auch die Bereitschaft ab, sich auf Neues, Ungewohntes einzulassen.
    Die Resonanz in den Medien ist überwältigend. Nahezu alle großen Tageszeitungen dieser Welt, von Le Monde bis New York Times haben ausführlich über die RuhrTriennale berichtet und tun es weiterhin. Zahlreiche Fernsehsender sind live vor Ort, der Rundfunk überträgt national und international. Produktionen der RuhrTriennale, wie zum Beispiel Alain Platels "Wolf", gehen ausschließlich auf die besten Festivals in ganz Europa und machen dort die RuhrTriennale zu einem Begriff und lenken die Aufmerksamkeit auf das Ruhrgebiet.
    Sicherlich müssen die touristischen Wirkungen der RuhrTriennale noch gesteigert werden und manche Verbesserung wird erst demnächst Platz greifen. Es bleibt aber schon jetzt festzuhalten: Der Imagegewinn für das Ruhrgebiet ist beträchtlich: Man bewundert das Land und die Region, die in schweren Zeiten einen solch mutigen Aufbruch und Neuanfang wagt.

    Von Richard Blömer (CDU)
    Auch knapp zwei Monate nach dem Start ihres zweiten Zyklus bewegt die RuhrTriennale die Gemüter. Die Zwischenbilanz fällt künstlerisch gesehen sehr positiv aus. Doch es bleiben Fragen. Bei Umrechnung der Kosten auf die Besucherzahlen ergibt sich für das Jahr 2002 ein Zuschuss von 275 Euro pro Ticket. Das ist doppelt bis drei Mal soviel wie an anderen Bühnen. Angesichts der Haushaltslage droht die Breitenkultur zu Gunsten einer Event-Kultur auf der Strecke zu bleiben.
    Für die Akzeptanz des Festivals vor Ort und in der Region muss noch einiges getan werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als seien Fremde an die Ruhr gekommen, um für Fremde zu spielen. Dabei sind die Menschen im Ruhrgebiet kulturell sehr aufgeschlossen. Ein Beleg dafür sind die zahlreichen Festivals wie beispielsweise die Ruhrfestspiele, das Klavierfestival Ruhr und die Tage Alter Musik. Das Ruhrgebiet verfügt über viele hervorragende Theater, Orchester, Chöre und auch über eine Freie Kulturszene.
    Bedauerlich ist die Entwicklung, dass die bisher gute Zusammenarbeit und Abstimmung innerhalb der Kulturschaffenden durch die RuhrTriennale empfindlich gestört wurde.
    Eine RuhrTriennale wird erst dann ein echtes Glanzlicht, wenn die geballte kulturelle Kraft des Ruhrgebietes in die Programmplanung einbezogen wird. Das Ruhrgebiet muss durch seine Menschen zur Sprache kommen. Nur dann können auch seine Geschichte und seine Kultur lebendig werden.

    Von Brigitte Capune-Kitka (FDP)
    Vor gut anderthalb Monaten fiel der Startschuss für die Hauptsaison der RuhrTriennale. Nachdem der Auftakt im vergangenen Herbst alles andere als gelungen, weder ruhm- noch erfolgreich war, bleibt mit Spannung abzuwarten, ob nun die zweite Runde gewonnen wird. Oberstes Ziel ist doch, die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein- Westfalens zu erreichen und die Herzen der Menschen - insbesondere im Revier - für die kulturellen Ereignisse zu erwärmen.
    Mit dem der Triennale anhaftenden elitären Flair ist kein Sieg zu holen. Das Ruhrgebiet sollte sich mit der dargebotenen Kultur und Kunst identifizieren können.
    Um eine aussagekräftige Zwischenbilanz ziehen zu können, müsste aktuelles Zahlenmaterial zugänglich sein und ausgewertet werden. Um das Profil der Triennale zu schärfen, das Konzept strukturieren und konzentrieren zu können, müsste über Tops und Flops Klarheit und Wahrheit herrschen und dementsprechend Schlüsse gezogen werden. Doch leider liegen uns keine aktuellen Informationen über die Triennale vor.
    Sowohl den Künstlerinnen und Künstlern der Organisation als auch den Förderern ist zu wünschen, dass aus den anfänglichen Fehlern und Defiziten gelernt wurde, die richtigen Konsequenzen gezogen wurden, und dass das hochartifizielle Programm in seinen komplexen dramaturgischen Verstrebungen vom Publikum akzeptiert wird und begeistert.

    Von Oliver Keymis (GRÜNE)
    Für Bilanzen ist es noch zu früh. Die RuhrTriennale läuft derzeit im ersten Teil ihrer zweiten Spielzeit (es ist sozusagen Hauptsaison) und bisher mit dem gewünschten Erfolg. Fast alle Veranstaltungen sind sehr gut besucht bis ausverkauft. Die Menschen im Ruhrgebiet und viele Gäste von außerhalb besuchen "ihre" RuhrTriennale ebenso wie sie "ihre" Ruhrfestspiele und all die anderen Festivals und Feste gerne besuchen.
    Die Veranstaltungen sind künstlerisch höchst anspruchsvoll, biedern sich nicht an und bieten Theater, Tanz- und Musikerlebnisse zum Teil in einem höchst ansprechenden "Cross over", das heißt, es werden in so genannten "Kreationen" die verschiedenen Kunstformen miteinander kombiniert und in neuen, ansprechenden Zusammenhängen in den alten, renovierten und technisch hergerichteten Industriestandorten präsentiert. Der kulturelle Reichtum des Reviers ist unübertroffen und soll es bleiben. Die RuhrTriennale ist auf dem Weg zur Institution, sie verdrängt nichts, sondern sie profiliert das Ruhrgebiet auf eigene Weise und ergänzt die vorhandene kulturelle Vielfalt. Die kritischen Töne hier und da sollten zu verstärkter Kooperation in der Region führen und die Städte im Ruhrgebiet haben noch viele Möglichkeiten, weitere Impulse in die Weiterentwicklung der RuhrTriennale zu senden, denn Gutes macht Appetit auf mehr.

    Systematik: 7100 Kunst/Kultur

    ID: LIN01836

  • Politik 4 YOU.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 06.06.2003

    Über 300.000 Gäste, 36 Stunden Programm. Die Besucherinnen und Besucher der europaweit größten Jugendmesse in Essen, der YOU, haben 5000 Bälle, tausende Badgeholder, jede Menge Uhren und Monitorpins mit der neuen Web-Adresse des Jugendinternet-Auftritt des Landtags www.FreshNRW.de nach Hause getragen. Und natürlich die Botschaft des Landtags: "Politik 4 YOU".
    Noch bis weit nach Messeschluss versorgte der Landtags-Airbrusher die Jugendlichen mit ihren Lieblingsmotiven. Über 800 Temporary Tattoos schaffte er. Freshnews hieß die tägliche Zeitung des Landtags: 40.000 Exemplare wurden insgesamt gedruckt und verteilt. Zusammengestellt wurde die Zeitung mit Hilfe der Jungen Presse NRW, dem Zusammenschluss der Schülerzeitungsredakteure. Die Texte gibt es unter www.FreshNRW.de.
    Auf der Event-Bühne des Landtags war an allen vier Tagen etwas los: internationale Stars, HipHop-Tänzer aus der Region und die Cheerleader von Rhein Fire trafen auf ein begeistertes Publikum. Ein Neukirchen-Vluyner Jugendlicher gewann die Statistenrolle im neuen Otto-Film. 50 junge Menschen wurden an vier Tagen auf der Bühne des Landtags gecastet. Die Rolle wurde mit Hilfe der Filmstiftung Nordrhein- Westfalen zur Verfügung gestellt.

    Live im Radio

    Das "Total krasse Politik-Quiz" - ein Part des neuen Jugendinternet-Auftritts des Landtags - wurde mehrmals täglich live auf der Bühne gespielt. Die Moderatoren Enie, Björn von Radio Essen, DJ Krid P und Gülcan hatten keine Mühe, Jugendliche zu finden, die beim Quiz mitmachen wollten. Radio Essen, Antenne Düsseldorf und Radio Duisburg berichteten live über den ersten Auftritt des Parlaments auf der Jugendmesse YOU.
    Großes Lob aller Aussteller für den Landtag: Mit so einem spannenden Programm haben die meisten nicht gerechnet. Ihre Forderung: Bitte macht weiter mit.
    Landtagspräsident Ulrich Schmidt zog ein positives Fazit: "Für mich ist unser Auftritt in Essen ein Erfolg. Ich bin mit dem Team Landtag dorthin gegangen, wo die Jugendlichen sind. Und sie haben uns mit offenen Armen empfangen. Unsere Präsentation, ein Mix aus Politik-Quiz, Filmcasting, Tanz und Live-Bands kam hervorragend an. Die Berührungsängste, die viele Jugendliche bei Politikern und bei der Politik haben, sind hier auf der YOU sichtbar geschmolzen." Nach dem Motto: Politik ist für Euch da. Ohne Hilfe von Sponsoren aus der Wirtschaft wäre dieser Messe-Auftritt nicht möglich gewesen.
    SH

    ID: LIN01873

  • Lob aus allen Fraktionen.
    Landtag zieht positive Bilanz aus dem Auftritt auf der YOU.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 8 - 06.06.2003

    Wenn ein reibungsloser Ablauf, ein großes Publikum und eine tolle Stimmung rund um die Bühne Maßstäbe sind, dann ist die Bilanz des Landtages auf sein YOU-Debüt durchweg erfreulich. Es war ein Experiment, ein Schritt in eine neue Richtung. Das Ziel: die jungen Leute an sich heranzulocken, Berührungsängste abzubauen, Aufmerksamkeit zu wecken. Die europaweit größte Jugendmesse in Essen bot für dieses Vorhaben genau die richtige Plattform. Immerhin pilgerten über 300.000 Teenager zwischen 12 und 18 in die Hallen des Messegeländes.
    Nach dem vierten Tag zog Landtagspräsident Ulrich Schmidt ein positives Fazit: "Für mich ist unser erster Auftritt auf der Jugendmesse in Essen ein Erfolg. Ich bin mit dem Team Landtag dort hingegangen, wo die Jugendlichen sind. Und sie haben uns mit offenen Armen empfangen." Eines war in der Vorbereitungsphase von Anfang an klar: Mit Diskussionsrunden und Informationsbrochüren lassen sich die jungen Leute nicht fesseln.
    Landtagsvizepräsident Jan Söffing (FDP) war selber vor Ort: "Ich fand das Gesamtkonzept hervorragend. Hier ist es gelungen, Jugendliche mit der ihnen vertrauten Sprache anzusprechen. Das ist nicht nur meine Meinung, das ist auch das, was ich von den Jugendlichen gehört habe. Sie kommentierten den Auftritt mit: Boh, das war echt geil." Auch Vizepräsidentin Edith Müller (GRÜNE) findet es "wunderbar, dass so ein Angebot so positiv von der Jugend angenommen wird".
    Wer mit Bungee-Jumping, Beach-Soccer und VIVA-Bühne mithalten will, muss sich eben was einfallen lassen. Sonst geht die Botschaft im Rummel unter. Was genau war denn die Botschaft des Landtags auf der YOU, fragten sich viele. Klar, das Augenmerk auf die höchste Gesetzgebungsinstanz des Landes zu richten: "Politik ist auch für dich da." Die "Marke Landtag" soll sich in den Köpfen der jungen Menschen festsetzen.
    Politik und Unterhaltung Konkreter ist die Koppelung des Landtags- Auftritts mit dem Start des brandneuen Jugendinternet-Portals, www.FreshNRW.de, dem ersten großen Schritt auf die Jugendlichen zu. Dort finden die Teenager einen frechen und interessanten Mix aus Spiel, Spaß und Informationen. Genau diesen Mix wollte das YOU-Team des Landtags auch in Halle 1 auf die Bühne bringen. Mit Schwerpunkt auf Spiel und Spaß, denn in erster Linie sollte das Zielpublikum vor die Bühne gelockt und dort mit FreshNRW.de konfrontiert werden.
    Nicht nur B3, Jeanette, Samajona und Mr. President, auch die flotten Moderatoren, Filmcasting, Polit-Quiz und HipHop-Shows sorgten dafür, dass ein großer Anteil der über 300.000 jungen YOU-Besucher auch am Landtagsstand vorbeikam. Die Landtags- Bühne in Halle 1 sprach sich herum. Viele der Teenies verweilten sogar länger vor der runden Bühne. Das will schon was bedeuten auf einer Riesenveranstaltung mit 12 Hallen, bei der die jungen Leute nur so mit Infos, Reizen und Action überflutet wurden. Bemerkenswert auch: Der Info-Counter war eine beliebte Anlaufstelle für viele Kids, die wissen wollten: "Was ist der Landtag überhaupt?"
    "Die Berührungsängste, die viele Jugendliche bei Politikern und bei der Politik haben, sind hier auf der YOU sichtbar geschmolzen", so Landtagspräsident Schmidt. Der erste Schritt ist getan. Das Landesparlament kam mit diesem ungewöhnlichen Schritt in die öffentliche Diskussion und erreichte damit auch so einige, die nicht in Essen dabei waren. Jeder Klick auf FreshNRW.de ist ein Erfolg für den Landtag. Denn dort sind viele wichtige Informationen zu finden, spannend aufgemacht und dennoch lehrreich und aufklärend. Genau das hatte sich Schmidt zu beginn seiner Amtszeit vorgenommen: junge Leute in die Politik einzubeziehen, ihnen politische Prozesse nahe zu legen und zu zeigen, dass Landespolitik für sie relevant und nicht bloß abgehobenes "Bla Bla" ist.
    Abgeordnete ließen sich natürlich auch am Landtags-Stand in Halle 1 blicken. Thomas Mahlberg, jugendpolitischer Sprecher der CDU: "Ich fand es gut, dass wir als Landtag die Jugendlichen angesprochen haben. Es ist natürlich sehr schwer, auf einer Event-Messe Politik zu vermitteln, aber es lohnt sich immer, dass Politik auf Jugendliche zugeht." Auch Gisela Walsken, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, überzeugte sich vor Ort: "Ich fand das Angebot klasse.Vor allem ist es einmal etwas Neues, auf die jungen Leute zuzugehen, ohne sie direkt mit Politikern zu konfrontieren. Ich finde es wichtig, dass wir als Parlament diesen Weg gehen, um mit den Jugendlichen auf so einer Messe ins Gespräch zu kommen."
    "Ich kann mir vorstellen, dass der Landtag auch auf der nächsten YOU wieder dabei ist!", blickt Landtagspräsident Schmidt in die Zukunft. Es ist wichtig am Ball zu bleiben. Mit einer Aktion lassen sich Vorurteile und Polit-Apathie der künftigen Wähler nicht ausräumen.
    MP

    Bildunterschriften:
    Krass: Das Polit-Quiz auf der Bühne bot Spannung und politische Bildung wie im neuen Internet-Auftritt.
    Ein ungleiches Paar mit gleicher Intention: Moderatorin Enie und Landtagspräsident Ulrich Schmidt werben bei der Eröffnung für die Politik.

    ID: LIN01897

  • YOU 2003: Show und Informationen am laufenden Band.
    Vier Tage, die alle Mühen gelohnt haben.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 8 - 06.06.2003

    Zum ersten Mal wählte ein Parlament in Deutschland solch eine Möglichkeit: die Jugend auf einer Jugendmesse mit Politik zu konfrontieren. Damit begab sich der nordrhein- westfälische Landtag auf Neuland - mit Erfolg! Vier Tage, vom 29. Mai bis zum 1. Juni, präsentierte sich das Parlament auf der Essener YOU unter dem Motto: Politik ist nicht langweilig, sondern "Wir sind für Euch da". Ein spannendes Programm begeisterte rund 300 000 Besucherinnen und Besucher. Mit an den Start ging auch die neue Internetseite des Landtags www.FreshNRW.de
    Now you are here, that’s what I want", der Songtext zum frischen Internetauftritt von Junique S.P. spiegelt den vollen Erfolg des Event- Standes des Landtages auf der YOU wider. Das Konzept des nordrhein-westfälischen Landtags geht klar auf. Mit den Worten "Wir holen die jungen Leute da ab, wo sie sind", eröffnet Landtagspräsident Ulrich Schmidt offiziell am Donnerstag die Jugendmesse. Stimmt, denn allein beim Auftritt der Boygroup B3 werden etwa 5000 Messebesucher auf dem roten Teppich direkt vor der Eventbühne geschätzt. Doch auch Jeanette heizt richtig ein. Rund um die Jugendministerin und Schirmherrin der YOU, Ute Schäfer, tobt das junge Publikum an der Landtagsbühne.
    Drei Monate Organisation haben sich gelohnt! Immer viel Trubel am Informationsstand. Hier werden Stempel für die VRR-Tour und die YOU-Tour verteilt und über den Landtag informiert. Schließlich betrifft vieles, was im Düsseldorfer Landtag entschieden wird, die Jugendlichen. Man muss nur die richtige Sprache finden, das alles den Jugendlichen spannend zu vermitteln. Genau deshalb startete pünktlich zur YOU das neue Internetportal des Landtages. Unter www.FreshNRW.de sind Themen rund um Landtag und Politik jugendgerecht, fetzig und dennoch informativ aufgemacht. Die Band Junique S.P. hat dazu genau den richtigen Song gehabt und trumpft jeden Messetag damit auf. Innerhalb von vier Tagen wird der Song zum jungen Internetauftritt des Landtags zum Stimmungsmacher. Am letzten Tag haben die drei Sänger Simon, Desi und Sidney mit "Fresh énervé" kreischende Fans vor der Bühne und einen 14 Meter langen Fanbrief.
    Beim Polit-Quiz auf der Bühne - es kann übrigens auch auf der Internetseite gespielt werden - räumen junge Leute so dicke Preise wie Konzertkarten für Xavier Naidoo, Tanzkurse und Bungee-Sprünge ab. An den ersten beiden Tagen führen Enie van de Meiklokjes (bekannt aus der Telekom-Werbung) zusammen mit Co-Moderator Björn Schüngel von Radio Essen durch das Programm. Da die VIVA-Moderatorin Milka am dritten Tag kurzfristig aus Krankheitsgründen absagen muss, springt spontan DJ Krid P. ein und hält die Kids mit voller Power an der Landtagsbühne. Gülcan Karahanci (auch bei VIVA) moderiert am letzen Tag der YOU das erfolgreiche Konzept des Landtages.
    Rednex lässt mit ihrem unverwechselbaren Sound den Boden wackeln und auch die rockigen Töne der holländischen Frauenband "Bad Candy" sorgen für Stimmung. Newcomer P!ro singt seine neuen Songs auf der Landtagsbühne, wohingegen Mr. President sein großes Comeback in Halle 1 hat. Zusätzlich sorgen Kate Ryan, Fragrance, Miss Shiva, Glamarama, Samajona und Freistil für ordentliche Stimmung.
    Verwirklicht werden kann solch ein Knaller-Programm nur durch die Unterstützung großer nordrhein-westfälischer Unternehmen. Neben Hauptsponsor Sparda- Bank West eG engagieren sich für "Politik 4 YOU" auch ARAG, Degussa, Ford, h2m- Kommunikation, RAG, Rheinische Sparkassen, Vodafone und Siemens. Die Filmstiftung NRW ermöglicht eine Statistenrolle im neuen Otto- Film "Sieben Zwerge - Männer allein im Wald". Dafür geben die Bewerber beim Filmcasting ihr letztes Hemd. Als Erna Kiefer von der Filmstiftung dem Sieger Sascha Zander den Gutschein überreicht, freut sich der künftige Otto-Statist wie ein Schneekönig.
    Tänzer Soufian motiviert die Jugendlichen zu HipHop- und Capoeira-Kursen. Direkt auf der Bühne wird eine kleine Performance einstudiert und getanzt. Richtig voll ist es ununterbrochen bei Manfred Heise. Ohne Pause sprayte er Temporary Tattoos auf Handy, Taschen und Oberarme. Insgesamt kann das Team des Landtags NRW auf vier spannende und erfolgreiche Tage zurückblicken.
    CD

    Bildunterschriften:
    Die Infotheke am Landtagsstand war ein beliebter Anlaufpunkt für die Jugendlichen.
    Sie heizte den Zuschauern ordentlich ein: Jeanette Biedermann.

    ID: LIN01898

  • Abenteuer Jugend, Wagnis Politik.
    Zwei getrennte Welten haben sich aufeinander zubewegt.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 8 - 06.06.2003

    Politik? Nein danke! Viele Jugendliche denken so. Aber muss das so bleiben? Kann man nichts dagegen tun? Der Landtag hat es versucht. Auf der YOU, der Jugendmesse in Essen, hatte er seinen ersten Auftritt in ungewohnter Umgebung.
    Neuland betreten", sagt Landtagspräsident Ulrich Schmidt, als er die Messepräsenz in Essen eröffnet und sich gemeinsam mit dem Team vor Ort nicht nur über den reibungslosen Ablauf des eindrucksvoll gestalteten Stands, sondern auch über die vielen Jugendlichen, die zum Stand kommen, freut. Begleitet wird er nur von wenigen Politikern. Nachgefragt und vermisst wird von Journalisten und Jugendlichen die Möglichkeit, mit verschiedenen Politikern auf gleicher Augenhöhe ins Gespräch zu kommen. Zu schnell, zu laut und zu voll ist es dafür. Und vielleicht ist es auch gar nicht gewünscht, denn wie bei den meisten Ausstellern geht es erst einmal weniger um die inhaltliche Diskussion als um das Image im Allgemeinen.
    Das Programm ist bunt zusammengestellt. Eine riesige Bühne in Halle 1 der Messe, internationale Acts und ein buntes Rahmenprogramm erfreuen die Jugendlichen. Mit dabei sind die Rhein Fire Cheerleaders und eine HipHop-Show. Und auch die Künstler P!ro und Junique S.P. können die Jugendlichen begeistern. Durch wiederholte Auftritte und die Präsentation des Songs "Fresh énervé" werden diese dem schnell wechselnden Publikum der Messe gerecht.
    Richtig voll wird es beim Auftritt der großen Stars wie Jeanette, B3 oder Samajona. Deren Auftritte locken viele tausend Jugendliche an die Bühne des Landtags, über der nicht nur das freshNRW-Banner, sondern auch das Logo des Parlaments zu sehen ist. Das Line-Up macht die Bühne des Landtags zu manchen Zeiten zur begehrtesten Bühne der gesamten Messe.
    Politik wird auf der Bühne bei "Das total krasse Polit-Quiz" sichtbar. Einzelne Jugendliche rätseln über Politik, Geografie und Nonsens-Fragen. Intensiver wird die Diskussion auch in der Zeitung "FreshNews", die ein Team von jungen Journalisten der Jungen Presse NRW e.V. (JPNW) tagesaktuell am Stand des Landtags erstellt und verteilt.
    "Einfach nur geil", so findet Künstlerin Jeanette, dass der Landtag erstmals auf der YOU zu Gast ist und sich dafür engagiert, Jugendliche über die Politik zu informieren. Die Künstler von B3 schließen sich an: "Auf der Bühne wollen wir nur unterhalten, aber privat beschäftigen wir uns intensiv mit Politik." Weniger euphorisch zeigt sich Moderatorin Enie van de Meiklokjes, die an den ersten beiden Messetagen moderiert. Sie hat keine Meinung zum Auftritt des Landtags und sieht ihre Arbeit als Job wie jeden anderen auch. Damit trifft sie die Stimmung unter den Jugendlichen am Stand nicht schlecht.
    Erste Theorien machen unter den Messebesuchern die Runde, um wessen Bühne es sich handeln könnte. "Keine Ahnung" hat nicht nur Sandra (17). Auch ihre Freundin zuckt mit den Schultern. "Aber es ist geil hier", so ihr Eindruck vom Messestand des Landtags. Besser blickt Sarah (15) aus Hagen durch. "Das ist der Stand von FreshNRW", sagt sie. Doch als sie erfährt, was FreshNRW ist, lacht sie verwundert.
    Die Reaktionen zeigen, wie schwer es ist, den Jugendlichen ein neues Image des Landtags zu vermitteln. Denn noch schwerer als das klassische Landtagsimage zu beeinflussen, was durch einen Messeauftritt mit niedrigen Schwellen erreichbar zu sein scheint, ist es, eine neue Jugendmarke aufzubauen. Schwierig gerade, weil die Messe so schnell und laut ist, dass man keine Zeit findet, den Jugendlichen den Zusammenhang zwischen Landtag und FreshNRW zu erklären. Doch am neuen Image arbeiten kann man auf der YOU: am besten unter dem Namen "Landtag NRW", denn das Logo allein ist für Jugendliche kein Wiedererkennungsfaktor. Wer das Bild verändern möchte, das Jugendliche vom Landtag haben, sollte auch klar sagen, dass es der Landtag ist.
    C. Kolb/Junge Presse NRW

    Bildunterschriften:
    Die Jungs von "B 3" im Gespräch mit den Redakteuren der Jungen Presse (l.). Mitarbeiter des Landtagsteams verteilten die "Fresh News" (r.).
    Vor der Bühne: tausende begeisterte Fans bei den Showacts. Über der Bühne: das sich drehende Landtagslogo.

    ID: LIN01899

  • "Mehr Barrierefreiheit auch in den Köpfen".
    Beratung über Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 7 in Ausgabe 7 - 28.05.2003

    "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" - diesem Gebot des Grundgesetzes entspricht allerdings die Lebenswirklichkeit vieler behinderter Menschen und ihrer Familien noch nicht. Um hier zu einer Änderung beizutragen, hat die Landesregierung ihren Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze (Behindertengleichstellungsgesetz, Drs. 13/3855) vorgelegt. In erster Lesung beriet der Landtag am 15.Mai den Entwurf und überwies ihn einstimmig an den Arbeitsausschuss (federführend).
    Sozialministerin Birgit Fischer (SPD) umriss das Ziel der Politik für Behinderte: "Behinderte Menschen sollen gleichberechtigt an allem teilhaben und ihre Lebensentwürfe selbstbestimmt verwirklichen können." Zu dieser Integration von rund 2,5 Millionen Menschen in NRW - ein Siebtel der Bevölkerung - müssten vielfältige, unterschiedliche und ehrgeizige Schritte unternommen werden. Dazu komme auch ein Perspektivwechsel, der behinderte Menschen nicht mehr als abhängige Empfänger fürsorgerischer Gaben sehe, sondern sie als Menschen mit Ansprüchen auf Teilhabe akzeptiere. Das gelinge nur durch den Abbau von Barrieren, in Gebäuden, auf der Straße - und in den Köpfen der Mitmenschen. Es sei wichtige Aufgabe der Politik, "die Spielregeln festzulegen, nach denen Menschen sich entfalten können". Das Gesetz gelte für alle Träger öffentlicher Belange im Lande, es sehe ein Verbandsklagerecht vor, setze für die Behinderten das Recht zur Verwendung geeigneter Kommunikationsmittel und richte auf Landesebene erstmals das Amt einer Behindertenvertretung ein. Außerdem stelle es für die Kommunen die Bedeutung der Wahrung der Belange behinderter Menschen klar.
    Michael Scheffler (SPD) erinnerte daran, wesentliche Inhalte des Bundesgleichstellungsgesetzes von 1998 hätten ihren Ursprung im nordrhein-westfälischen Aktionsprogramm "Mit gleichen Chancen leben". Das Gesetz sei ein notwendiger Beitrag zur rechtlichen Umsetzung des Verfassungsauftrags auf Landesebene. Fortan müssten Träger öffentlicher Belange in enger Zusammenarbeit mit den Interessenvertretungen Behinderter das Ziel des Gesetzes aktiv fördern. Das Gesetz lege ein Verbot fest, behinderte Menschen zu benachteiligen. Es mache auch Schluss mit der manchmal doppelten Benachteiligung behinderter Frauen, in dem der Entwurf auf deren Belange besondere Rücksicht nehme. Es werde in Sachen Barrierefreiheit zu Zielvereinbarungen zwischen Landesverbänden behinderter Menschen und kommunalen Körperschaften kommen. Langfristig werde angestrebt, nicht nur einzelne Barrieren abzubauen, sondern das gesamte Lebensumfeld umzugestalten, "so dass der Alltag der Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zu meistern ist".
    Ursula Monheim (CDU) beschrieb ebenfalls den Perspektivwechsel: "Nicht mehr Fürsorge, sondern Teilhabe, nicht mehr Diskriminierung, sondern umfassende Gleichstellung, nicht mehr Bevormundung, sondern Selbstbestimmung." Es sei gut und werde von der CDU unterstützt, gerade im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen das Gesetz vorzulegen und zu verabschieden. Allerdings bleibe der landesgesetzliche Teil "recht dürftig und weit hinter den Vorschlägen der 1998 von der Landesregierung berufenen Arbeitsgruppe und des Landesbehindertenrates zurück. Die Sprecherin ging auf die veranschlagten Kosten ein. Weil die entstehenden Mehrkosten in den betroffenen Einzelplänen erwirtschaftet werden müssen, "werden Verbesserungen der Lebenssituation behinderter Menschen durch Kürzungen und Streichungen anderer sozialpolitisch nicht weniger notwendigen Maßnahmen erkauft". Das trage die CDU nicht mit. Sie akzeptiere auch nicht, dass die Landesregierung in dem Gesetz den Schulbereich, ein Kernstück landesrechtlicher Verantwortung, ausklammere.
    Dr. Ute Dreckmann (FDP) vermisste ebenfalls den gesamten Bereich Bildung. Dabei wisse man doch, "dass die hartnäckigsten Barrieren in den Köpfen der Menschen ohne Behinderungen zu finden sind". Diese Barrieren könnten am besten abgebaut werden, wenn Kinder und Jugendliche im gemeinsamen Spiel, Lernen und Umgang miteinander Behinderungen als Teil der Normalität erleben. Auch sie befürchte beim Kapitel Kosten, "dass die anderen Fördermittel für die Behindertenpolitik aufgrund der Umsetzung des Gesetzes rigoros zusammengestrichen werden". Der Text sei ausgesprochen vage formuliert, an ihm werde noch ausgiebig zu arbeiten sein, "bis wir zustimmen können".
    Barbara Steffens (GRÜNE) konstatierte hierzulande im Vergleich zu anderen europäischen Ländern großen Nachholbedarf in Sachen Barrierefreiheit, etwa im Bereich Bauen und Wohnen. Da könnte, auch im Sinne einer älter werdenden Gesellschaft, mehr getan werden. Sie stimme zu, dass bei der Bildung, bezogen auf Menschen mit Behinderungen, noch einiges zu machen sei. Das sei leider in diesem Gesetz nicht gelungen, "weil es in bestimmten Punkten noch erheblichen Diskussionsbedarf gibt". So stünden die Meinungen zur künftigen Rolle der Sonderschulen noch weit auseinander. Wenn gesagt werde, im Gesetz hätte mehr geregelt werden können, dann müsse sie darauf aufmerksam machen, dass vor Ort die Diskussion in vielen Punkten noch nicht so weit sei. Steffens: "Auch in CDU-regierten Kommunen könnte in Schulen für Barrierefreiheit mehr getan werden. In Kindergärten könnten von den Kommunen sehr viel mehr integrative Ansätze gefahren werden."

    Bildunterschrift:
    Mitten im Leben - Ein Rollstuhl ist kein Hinderungsgrund, Tanzsport zu betreiben und - wie man sieht - Spaß daran zu haben.

    Systematik: 5050 Behinderte

    ID: LIN01953

  • Roth, Wolfgang (SPD); Monheim, Ursula (CDU); Witzel, Ralf (FDP); Dr. Seidl, Ruth (Grüne)
    Brauchen wir zur Förderung behinderter Kinder weiterhin Sonderschulen?
    Wort und Widerwort;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8 in Ausgabe 7 - 28.05.2003

    Von Wolfgang Roth (SPD)
    Zur speziellen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen brauchen wir weiterhin Förderschulen, wie wir die Sonderschulen in Zukunft nennen wollen.Wir wollen jedoch auch ein Mehr an schulischer Integration in den allgemein bildenden Schulen. Schulversuche und wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen beide Seiten bereichert. Deshalb setzt die SPD-Fraktion auf mehr Integration. Unser Parlamentsantrag vom 26. März diesen Jahres "Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung stärken - Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung" dokumentiert das. Perspektivisch wollen wir den Förderbedarf in den Förderbereichen "Lernen" sowie "emotionale und soziale Entwicklung" im Regelschulsystem abdecken. Uns ist aber auch klar, dass heute keinesfalls an den allgemein bildenden Schulen Bedingungen vorhanden sind, die eine vollständige Integration von Schülerinnen und Schülern mit entsprechendem Förderbedarf zulassen würde. Andere Länder, das wissen wir seit ihrem hervorragenden Abschneiden bei der PISA-Studie, besitzen integrative Schulsysteme. Sie sind offensichtlich in der Lage, alle Kinder einer Altersgruppe zu fördern; dabei gelingt ihnen Integration nicht nur von Kindern mit Behinderungen, sondern auch solchen aus sozial benachteiligten Familien und von Migrantenkindern weitaus besser als in Deutschland.

    Von Ursula Monheim (CDU)
    Kindern und Jugendlichen mit Behinderung sollte ein höchstmögliches Maß an gemeinsamem Leben und Lernen ermöglicht werden. Wo dies realisiert werden kann - darüber entscheidet allein der individuelle Förderbedarf. In NRW besuchen die weitaus meisten Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf Sonderschulen. Nur etwa zehn Prozent besuchen Regelschulen mit unterschiedlichen Integrationsangeboten. Der gemeinsame Unterricht als alternative Regelform hat Erwartungen an schulische Integration geweckt, die nicht erfüllt werden, weil die sächlichen und personellen Vorgaben dem Anspruch an individuelle Förderung nicht gerecht werden. Viele Eltern entscheiden sich bewusst für die Sonderschule, weil sie dort bessere Bedingungen vorfinden.
    Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung, aber auch lernbehinderte Kinder haben einen sehr individuellen Förderbedarf, der oft nur in einer speziellen Schule zu gewährleisten ist. Seit Jahren wird an den Sonderschulen trotz ständig schlechter werdender Rahmenbedingungen hervorragende Arbeit geleistet.
    Durch die Streichung der Mittel für das medizinisch-therapeutische Personal an den Schulen für Körperbehinderte hat das Land ein fatales Signal gesetzt. Statt Abbau brauchen Sonderschulen eine deutliche Stärkung, um Kinder und Jugendliche mit Behinderung optimal zu fördern und ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

    Von Ralf Witzel (FDP)
    Selbstverständlich sind Sonderschulen unverzichtbar. Sonderpädagogischer Förderbedarf liegt bei Kindern vor, die in ihrer Lern- und Leistungsentwicklung so erheblichen Beeinträchtigungen unterliegen, dass sie auch mit zusätzlichen Lernhilfen der allgemeinen Schulen nicht ihren Möglichkeiten entsprechend optimal gefördert werden können. Jugendliche mit Behinderungen benötigen daher sonderpädagogische Förderung, um ihre individuellen Fähigkeiten bestmöglich entfalten und ein Höchstmaß an gesellschaftlicher Teilhabe erlangen zu können. Nur Sonderschulen sind mit Fachkräften auf Schüler mit so individuellem Förderbedarf spezialisiert. Im gemeinsamen Unterricht bleibt die erforderliche schulische Begleitung zumeist auf der Strecke. Da er keine optimalen Fördereffekte entfaltet, sollte er grundlegend reformiert und auf eine enge Zielgruppe konzentriert werden.
    Damit Sonderschulen auch zukünftig ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot unterbreiten können, bedürfen sie dringend einer besseren Ausstattung: Die Schüler/Lehrer-Relation ist auf 8:1 abzusenken und der hohe Stundenausfall durch eine geeignete Vertretungsreserve aufzufangen.
    Schulen für Lernbehinderte sollen zur bestmöglichen Berufsvorbereitung ihrer Schüler mit zusätzlichen Stellen zum Beispiel für Handwerker und Sozialarbeitskräfte ausgestattet werden. Sonderschulen sind ferner zu regionalen Kompetenzzentren auszubauen. Damit werden Ressourcen vernünftig gebündelt und die Schulform Sonderschule in ihrer Gesamtkapazität gestärkt.

    Von Dr.Ruth Seidl (GRÜNE)
    Was wir brauchen ist ein Paradigmenwechsel in unserem Bildungssystem: vom institutionenbezogenen Denken hin zu einem Denken von den Kindern und Jugendlichen aus. Kinder und Jugendliche sind nicht schulfähig oder sogar "schulformfähig" - dies hat die PISA-Studie hinlänglich dokumentiert. Vielmehr müssen unsere Schulen lernen, sich aller SchülerInnen anzunehmen und Verantwortung für deren Lernerfolg zu übernehmen, auch wenn diese sonderpädagogischer Förderung bedürfen. Die Zuweisungen an Sonderschulen steigen in NRW und in ganz Deutschland dramatisch an - hier sind wir europäische Spitzenklasse. Unser aussonderndes Schulsystem bedient sich seiner Mittel, schwierige SchülerInnen nach "unten" durchzureichen, an die Sonderschulen. Dort erfahren sie gute sonderpädagogische Förderung, aber es fehlt die anregende und motivierende Gemeinschaft mit Kindern, die andere Begabungen, aber auch andere Förderbedarfe in die Schule mitbringen. Die Erfahrungen mit dem gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung zeigen, dass dieser Unterricht in integrativen, heterogenen Gruppen allen zu Gute kommt. Nicht nur was das soziale Lernen angeht, sondern auch ganz konkret in der schulischen Leistung. Mehr Chancengleichheit und mehr Leistung - hierzu brauchen wir eine schrittweise Überführung der sonderpädagogischen Förderung in das Regelschulsystem.

    Systematik: 4240 Sonderschulen

    ID: LIN01954

  • "Zu den eigenen Grenzen stehen".
    Andrea Glende - Vertrauensfrau der Schwerbehinderten im Landtag.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 7 - 28.05.2003

    Ein Büro in der Landtagsverwaltung - auf den ersten Blick eines von vielen. Blickt man sich jedoch genauer um, fällt einem die besondere Melange aus einladender Freundlichkeit und sachlicher Funktionalität ins Auge. Vor dem Schreibtisch ein Bürostuhl mit Sitzkeil, der zu orthopädisch korrektem Sitzen ermahnt. Daneben ein breites Sofa, das zum Hinflegeln einlädt. Hinter dem Schreibtisch, ein wenig verdeckt von den hier aufgestapelten Aktenbergen, sitzt Andrea Glende. Höchstens ihre recht niedrige Sitzposition lässt es erahnen - sie sitzt im Rollstuhl.
    Seit 17 Jahren ist die heute 41-jährige Oberregierungsrätin in der Verwaltung des Landtags beschäftigt. Als stellvertretende Leiterin des Referats Haushalt beschäftigt sich die Volljuristin schwerpunktmäßig mit Fragen des Parlamentsrechts. Seit November letzten Jahres ist sie zudem Vertrauensfrau der Schwerbehinderten im Landtag. Zusammen mit ihrer Kollegin Ilka Heuer und ihrem Kollegen Klaus Dellmann kümmert sie sich um die Eingliederung behinderter Menschen in den Berufsalltag, vertritt ihre Interessen in den verschiedenen Gremien der Verwaltung und steht ihnen während des gesamten Arbeitslebens beratend und unterstützend zur Seite. "Das beginnt bereits bei dem Auswahlverfahren von Bewerberinnen und Bewerbern und endet mit der Pensionierung", so Glende. So hat die Schwerbehindertenvertretung beispielsweise gerade die Bezuschussung eines Elektromobils beantragt, "einfach um den Mitarbeitern mit Behinderungen die Wege zwischen den Häusern zu erleichtern".
    Hätte man ihr noch vor wenigen Jahren gesagt, dass sie sich heute als Vertrauensfrau für die Belange der Schwerbehinderten einsetzt, hätte sie wohl möglich ungläubig mit den Achseln gezuckt. Denn den überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens und damit auch ihrer Arbeit im Landtag hat Andrea Glende ohne körperliche Einschränkungen verlebt. Erst im Jahre 2000 traten plötzlich die ersten Symptome ihrer Erkrankung auf, die bis heute noch nicht endgültig diagnostiziert werden konnten. Fest steht, sie leidet seit dieser Zeit an einer Form von Muskelschwund, dessen Krankheitsverlauf dem von Multipler Sklerose (MS) ähnelt. So war sie zunächst auf Krücken angewiesen, bevor der Rollstuhl für sie zu einem unverzichtbaren Fortbewegungsmittel wurde. Sie empfindet den Rollstuhl jedoch nicht als Einschränkung sondern als Wiedergewinn von Mobilität und Freiheit. Aussprüche wie "an den Rollstuhl gefesselt sein" hört sie daher gar nicht gerne. "Man kann ans Bett oder an die Wohnung gefesselt sein, aber nicht an den Rollstuhl, er bedeutet immer eine Erweiterung", so Glende. "Außerdem ist der Rollstuhl auch ein Sportgerät", sagt sie, balanciert plötzlich auf beiden Hinterrädern und lacht herzlich.
    Ein großes Lob spricht sie den Mitarbeitern des Landtags aus: "Zu 95 Prozent ist die Akzeptanz und die Hilfsbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen wirklich super." Stieße man im Haus auf ein Hindernis - beispielsweise die Türen eines Aufzugs schließen zu schnell - genüge nur ein Anruf beim Gebäudemanagement und prompt würde dies geändert. "Das Tolle ist, man rennt hier wirklich überall offene Türen ein", so Glende. Dieselbe Akzeptanz und Hilfsbereitschaft wünscht sie sich auch für die Kolleginnen und Kollegen, deren Behinderungen nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. "Wenn jemand psychische Probleme oder innere Krankheiten hat, dann ist es sehr viel schwerer zu akzeptieren, dass der- oder diejenige eingeschränkt ist. Das ist glaube ich wirklich ein Lernprozess." Ihr Appell lautet daher, "zu den eigenen Grenzen zu stehen, aber immer auch auszuprobieren, ob es wirklich eine Grenze ist." Für die Zukunft hofft sie darauf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen die Schwerbehindertenvertretung noch stärker in Anspruch nehmen und sich mit ihren Problemen und Wünschen an sie wenden. "Wir können oftmals mehr bewirken, als viele glauben."
    ax

    Bildunterschrift:
    Die Schwerbehindertenvertretung des Landtags (v.l.): Klaus Dellmann, Andrea Glende und Ilka Heuer.

    ID: LIN01955

  • Menschen mit Behinderungen in der Landtagsverwaltung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 7 - 28.05.2003

    Die Landtagsverwaltung stellt sich bewusst ihrer besonderen Verantwortung und hat in den letzten Jahren stets einen über den gesetzlichen Anforderungen liegenden Anteil schwerbehinderter Menschen beschäftigt: Derzeit sind es 22 Menschen mit Behinderungen - vom einfachen Dienst über den mittleren und gehobenen bis zum höheren Dienst. Damit wurde der seit dem Jahr 2000 bestehende gesetzliche Auftrag, sechs Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen, um 1,5 Prozent überschritten. Um diesen positiven Trend trotz anstehender Pensionierungen auch zukünftig beizubehalten, hat die Verwaltung im Februar 2002 eine Integrationsvereinbarung für die Dauer von zunächst drei Jahre getroffen, die bis zum Jahre 2005 eine Quote von mindestens acht Prozent vorsieht.

    ID: LIN01956

  • Schmidt, Ulrich (Landtagspräsident)
    Schluss mit wohlmeinender Bervormundung.
    "Landtag nimmt Vorreiterolle ein".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 7 - 28.05.2003

    Landtagspräsident Ulrich Schmidt ist nicht nur Dienstherr der Beamten, Arbeiter und Angestellten des Landtags, sondern im Ehrenamt auch Vorsitzender der Lebenshilfe NRW. Darum liegt ihm die Integration von Behinderten in die Gesellschaft besonders am Herzen - wo kann man da besser anfangen als im "eigenen Haus"? Seine Sicht der Dinge stellt er im folgenden Gespräch zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen dar.

    Was tut der Landtag, um die Integration von Menschen mit Behinderungen zu verbessern?

    Der Landtag berät ganz aktuell einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung behinderter Menschen. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die immer noch bestehende Benachteiligung von Behinderten zu beseitigen und die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten. Das gilt auch für eine selbstbestimmte Lebensführung. Konkret sieht der Gesetzentwurf die Änderung etlicher Landesgesetze vor, wie die Bauordnung und das Straßen- und Wegegesetz. Ich nenne als Stichwort: "Barrierefreiheit" für Behinderte. Der Landtag kommt damit der Ergänzung des Grundgesetzes nach, wo es in Artikel 3 heißt: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
    Unternimmt der Landtag genug, um behinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu integrieren?

    Der Landtag nimmt in NRW eine Vorreiterrolle ein. Als einer der ersten "Arbeitgeber" hat der Landtag die betriebliche Integration von behinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Landtagsverwaltung vor einem Jahr in Form einer betrieblichen Vereinbarung in Kraft gesetzt. Das Ziel ist es, die Beschäftigungssituation von Behinderten deutlich zu verbessern. Die Zahlen muss der Landtag nicht schön reden. Im Gegenteil: Mit einer Beschäftigungsquote von 7,5 Prozent liegt der Landtag im oberen Drittel der Landesbehörden. Aber nichts ist so, als dass es nicht noch besser werden könnte. Das Ziel bis 2005 ist eine Acht vor dem Komma, also zwei Punkte über der Mindestquote.

    Wie wünschen Sie sich die Zukunft für ein gleichberechtigtes Miteinander in Alltag, Berufsleben und Freizeit?

    Dringend notwendig ist ein Perspektivwechsel, der ein Umdenken in den Köpfen der Menschen ermöglicht. Dazu müssen mehr Kontakte zwischen Behinderten und Nichtbehinderten geschaffen werden, zum Beispiel durch mehr offene und ambulante Unterstützungsangebote. Das "betreute Wohnen", das wir in NRW seit einiger Zeit erfolgreich praktizieren, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Ganz entscheidend ist, wie viel Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wir Menschen mit Behinderungen wirklich zugestehen wollen. Wir müssen uns selbst fragen: Sehen wir im Menschen mit geistiger Behinderung zum Beispiel wirklich jene eigenständige Persönlichkeit, die wir ernst nehmen wollen? Oder dominiert in unseren Köpfen nicht doch häufig das Prinzip der "wohlmeinenden Bevormundung" vor der manchmal unbequemen Einräumung von mehr Selbständigkeit? Nachdem die gesetzlichen Normen an Grundsätzen der Integration und der Normalisierung ausgerichtet sind, ist es eine wichtige Zukunftsaufgabe, behinderte Menschen selbst in Aktivitäten einzubeziehen und Mitwirkungsmöglichkeiten in Einrichtungen für sie abzusichern. Dazu brauchen wir einen langen Atem. Darüber bin ich mir auch als Vorsitzender der Lebenshilfe in NRW bewusst.

    Bildunterschrift:
    "Reinkriechen" nennt Alex (l.) sein Vorgehen, wenn er etwas genau erkennen will. Er ist seit seiner Geburt hochgradig sehbehindert wie sein Kollege Florian (r.), die beide im Berufsbildungswerk Soest zum Koch ausgebildet werden. Hier auf dem Foto steht die Herstellung hausgemachter Kroketten auf dem Programm. Übrigens: Dreiviertel aller Absolventen des Berufsbildungswerks finden nach ihrer Ausbildung sofort auf dem freien Arbeitsmarkt eine Stelle.

    ID: LIN01957

  • Das Landtagsgebäude wird barrierefrei.
    Umbau für mehr Behinderten-Freundlichkeit.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 7 - 28.05.2003

    Im Selbstverständnis des nordrhein-westfälischen Landtags nimmt Behinderten- Freundlichkeit einen großen Stellenwert ein. Schon vor der Integrationsvereinbarung hat sich die Landtagsverwaltung zum Ziel gesetzt, sämtliche baulichen Barrieren im Parlamentsgebäude für behinderte Mitarbeiter/- innen, Abgeordnete und Besucher/ -innen aus dem Weg zu räumen.
    Laut Anita Drensek, im Referat Gebäudemanagement der Landtagsverwaltung für die Umbaumaßnahmen zuständig, werden keine Mühen gescheut, um die Richtlinie DIN 18030 "Barrierefreies Bauen" vom November vergangenen Jahres zu erfüllen. Dazu wurde das Integrationsamt in Köln zur Beratung eingeschaltet.
    Seit der Osterpause wird verstärkt Hand angelegt. Die beiden Stahltüren zwischen der Tiefgarage U1 und den Aufzügen wurden bereits durch Automatiktüren mit Sichtglas ersetzt. Nach der Sommerpause werden automatische Türen auch die Eingangshalle mit den Sitzungssälen im Erdgeschoss sowie die Wandelhalle mit allen Fraktionssitzungssälen verbinden. "Das Ziel ist, dass Rollstuhlfahrer langfristig ohne fremde Hilfe von der Tiefgarage bis in jeden Sitzungssaal gelangen können", so Drensek. Dass in der Tiefgarage 12 Parkplätze in der Nähe der Aufzüge für Behinderte reserviert sind, ist eine Selbstverständlichkeit. Alle Behinderten-Toiletten sollen mit Tasten zum automatischen Öffnen ausgestattet werden.
    Auch Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen kommen im Landtag nicht zu kurz. Sowohl die Garagenaufzüge, als auch der runde Aufzug von der Eingangszur Wandelhalle und der Aufzug, der ins Restaurant führt, werden in diesem Jahr blindenfreundlich mit akustischen Signalen ausgestattet. Eine Induktionsschleife für Hörgeräteträger/innen gibt es im Plenarsaal bereits seit zehn Jahren. Die Technik wurde inzwischen jedoch überholt, so dass die von der Mikrofonanlage des Plenarsaals aufgenommenen Tonsignale direkt und ohne störende Nebengeräusche in das Hörgerät übertragen werden können.

    ID: LIN01958

  • Sorge über mehr Straftaten von Jugendlichen.
    Kriminalreport 2002.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 6 - 14.05.2003

    Im Landtag hat im Rahmen einer von der CDU beantragten Aktuellen Stunde vor kurzem eine ausführliche Aussprache über die Kriminalstatistik 2002 und deren Konsequenzen stattgefunden.
    Theodor Kruse (CDU) sagte: "Die Bürger haben ein Recht auf Sicherheit." Sie erwarteten vom Staat, Kriminalität und Gewalt erfolgreich zu bekämpfen. Die Gesamtzahl der Straftaten in NRW sei gestiegen, die Aufklärungsquote auf 46,6 Prozent gesunken. Bei den Flächenstaaten sei NRW Schlusslicht. Die Kriminalitätsbilanz sei ein miserables Zeugnis für rot-grüne Sicherheitspolitik.
    Hans-Peter Meinecke (SPD) berichtete, im Jahr 2002 habe die NRW-Polizei 1,4 Millionen Straftaten registriert. Besonders auffällig sei der hohe Anteil an Kinder- und Jugendkriminalität. Hier zeigten sich gesellschaftliche Probleme. Auch der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger sei mit 25 Prozent zu hoch. Mehr zentrale Kriminalpolizeidienststellen könnten eine Lösung sein.
    Horst Engel (FDP) erinnerte an Vorschläge seiner Fraktion, die hohe Zahl von Einbrüchen zu bekämpfen. Von 100 Wohnungseinbrüchen würden landesweit 85 nicht aufgeklärt. Die NRW-Polizei sei falsch aufgestellt. 7.000 Mitarbeiter würden in der Bürokratie und 16.000 im Wachdienst eingesetzt. Die Struktur müsse neu organisiert werden.
    Monika Düker (GRÜNE) erläuterte Aussagen der Statistik bei Automateneinbrüchen, Anzeigen wegen häuslicher Gewalt und bei Sexualdelikten. Steigerungsraten aufgrund zunehmender Anzeigen seien positiv zu bewerten. Bei Kfz-Diebstählen und homejacking seien zentrale Ermittlungsstellen erfolgreich.
    Innenminister Dr. Fritz Behrens (SPD) hielt die Zahlen für unbefriedigend, Patentrezepte jedoch nicht für angezeigt. Bei Raub und Diebstahl werde weniger Kriminalität verzeichnet als vor zehn Jahren. Gewalt, Betrug und Rauschgiftdelikte nähmen leider zu. Die Entwicklung sei uneinheitlich und müsse nüchtern analysiert werden. Seit dem 11. September 2001 arbeite die Polizei an der Belastungsgrenze. Trotz Haushaltsproblemen gebe es 1.100 neue Stellen. 448 Millionen Euro zusätzliche Personalkosten entstünden durch den gehobenen Dienst für alle. Über den Einsatz müsse neu nachgedacht werden. Bei der Kreispolizei Köln und Aachen werde ein Pilotversuch durchgeführt. Innere Sicherheit solle auf drei Säulen beruhen: konsequente Strafverfolgung, noch mehr Vorbeugung und Opferschutz.
    Klaus-Dieter Stallmann (CDU) bemerkte, die Polizeigewerkschaften verträten neuerdings die Meinung der Opposition. Wenn SPD und Grüne mehr auf die CDU gehört hätten, wäre die Situation besser. Die CDU trete für mehr Spezialisierung, Schluss mit den Arbeitskreisen, bürgernahe Polizei und zentrale Technik ein. Der Verfassungsschutz müsse organisiertes Verbrechen zusammen mit der Polizei bekämpfen.
    Jürgen Jentsch (SPD) kritisierte die Oppositionsforderung nach mehr Polizei und sprach sich für mehr Vorbeugungsarbeit und Einsatz vor Ort aus. Bei jungen Migranten und osteuropäischen Tätergruppen gelte es, über Ursachen nachzudenken und neue Probleme zu erkennen.
    Karl Peter Brendel (FDP) begrüßte die angekündigten Pilotprojekte und forderte mehr Migranten in der Polizei.
    Brigitte Herrmann (GRÜNE) berichtete von örtlich unterschiedlichen Daten des Kriminalreports.
    Dr. Wilhelm Droste (CDU) vermisste Selbstkritik bei der Regierungskoalition und warf den Rednern dieser Fraktionen vor, die statistische Realität zu ignorieren.
    Karl Kress (CDU) hielt 34 Prozent Jugendkriminalität in NRW für nicht akzeptabel und forderte mehr Videotechnik zur Überwachung.
    Frank Baranowski (SPD) erwog eine Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdiensten beim Objektschutz und begrüßte ebenfalls die Bemühungen, mehr Migranten bei der Polizei einzustellen.

    Systematik: 1300 Innere Sicherheit

    ID: LIN02009

  • "Polizeibeamte gehören auf die Straßen".
    Klaus-Dieter Stallmann über die Auswirkungen der Kriminalitätsstatistik auf den Innenausschuss.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 6 - 14.05.2003

    Die enttäuschende NRW-Kriminalitätsstatistik hat auch ganz konkrete Auswirkungen aus den Innenausschuss. "Wir werden intern zu diskutieren haben: Wo liegen die Ursachen, was müssen wir tun?", so der Ausschussvorsitzende, Klaus-Dieter Stallmann. Der CDU-Mann weiß, dass es im Polizei-Apparat hapert - bei Personal, Technik - kennt aber auch den Hauptgrund für den schleichenden Fortschritt: das liebe Geld. Sein Lösungsansatz für ein Aufbrechen des Teufelskreises liegt in einer grundlegenden Umstrukturierung des Polizeiapparats für mehr Effizienz und Effektivität.
    Laut Klaus-Dieter Stallmann machen verschiedene Kriminalitätsdelikte und Polizeithemen etwa die Hälfte der Arbeit des Innenausschusses aus. So sei es den Ausschussmitgliedern nicht fremd, dass das Volumen der Einsatzkräfte durch den Personalabbau bei der Polizei seit den 90er Jahren in NRW um 2000 Beamte auf 36.000 geschrumpft ist. Gleichzeitig seien immer mehr Aufgaben und Einsatzbereiche hinzugekommen, die "natürlich woanders Löcher einreißen". Zum Beispiel die verstärkte Ahndung häuslicher Gewalt: "Wir haben das Gesetz ja selbst geschaffen." Aber dass dies eine enorme Aufgabe sei, die viel Zeit in Anspruch nimmt und Beamte bindet, lasse sich nicht bestreiten.
    Auch die zeitgemäße technische Vernetzung der Polizei mit Feuerwehr, Zivil- und Katastrophenschutz durch den Digitalfunk würde die Effektivität der Einsatzkräfte steigern. Aber "wenn man sieht, wie schwer es war, Videoüberwachung bei der Polizei einzuführen", würde der Startschuss für den Digitalfunk wohl nicht wie geplant zur Fußball- WM 2006 erfolgen können. "Uns laufen sämtliche Kosten davon", so der innenpolitische Experte der CDU.
    Dennoch: Die Krise im Haushalt dürfe nicht auf Kosten des Sicherheitsgefühls der Bürger gehen. Für Stallmann liegt die Lösung des Problems zumindest teilweise in einer Neuorganisation des gesamten Polizeikörpers im Land. "Die Polizei soll bürgernah vor Ort bleiben. Nur die Stabsstellen muss man sinnvoller gestalten", drängt der CDU-Politiker. Straffung, Bündelung, Zentralisierung sind die Schlagwörter. In den vergangenen Jahren seien durch Umorganisationen und neue Arbeitskreise so viele Beamte in irgendwelchen Windungen der Verwaltung gebunden worden, dass bei der wirklichen Polizeiarbeit die Leute fehlten.
    Über 50 Kreispolizeibehörden, plus Landeskriminalamt und zig Sonderbehörden seien einfach nicht nötig. "Darüber werden wir in den nächsten Wochen hier im Landtag diskutieren müssen." Gleichzeitig betont Stallmann, dass ein Abbau bei der Polizei "fatal" wäre. Vielmehr müssten durch eine Aufgabenanalyse Bereiche spezifiziert werden, für die die Beamten gar nicht zuständig seien.
    Die um 1,6 Prozent gesunkene Aufklärungsquote bereitet auch Stallmann Sorgen: "Aber man muss die einzelnen Delikte innerhalb der Statistik betrachten." Wenn man ein bestimmtes Delikt wirklich bekämpfen wolle, zum Beispiel Rauschgift-Handel, dann schicke man verstärkt Beamte in die Szene und erreiche dort ziemlich bald eine fast 100-prozentige Aufklärungsquote. So könnten Statistiken leicht gesteuert werden. Tatendrang verspürt Klaus-Dieter Stallmann auch in Sachen Prävention: "Repression und Prävention müssen in Einklang gebracht werden." Es sei jedoch bei den Jugendlichen und in den Schulen bereits vieles getan worden in den letzten Jahren. Ansprechpartner seien zur Verfügung gestellt und intensive Gespräche mit jungen Leuten geführt worden mit dem Ziel, Kriminalität an ihren Wurzeln zu bekämpfen und die Gewaltbereitschaft abzubauen. Auch mit verstärkter Polizei-Präsenz in Orten und Gegenden mit besonders vielen Einbrüchen oder Überfällen könne vieles verhindert werden. "Die Menschen fühlen sich sicherer und potenzielle Übeltäter werden abgeschreckt: Zwei Fliegen mit einer Klappe."
    Also: Präsenz ist entscheidend, nicht nur für die Aufklärung sondern auch für die Prävention. Polizeibeamte gehören für Klaus- Dieter Stallmann auf die Straßen, an die Einsatzorte und nicht in die Verwaltung. Eine weitere Herausforderung stellt seit dem 11. September 2001 und dem Irak-Krieg auch der verstärkte Einsatz von Beamten zum Schutz terrorismusgefährdeter Einrichtungen dar, wie jüdische, israelische, amerikanische und britische Institutionen.
    MP

    Systematik: 1300 Innere Sicherheit; 1310 Polizei

    ID: LIN02011

  • Vorbeugung als Mittel der Bekämpfung.
    Landespräventionsrat NRW.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 6 - 14.05.2003

    Die beste Art der Bekämpfung ist die Vorbeugung. Getreu diesem Motto richtet die Landesregierung bei der Kriminalbekämpfung das Augenmerk neben der Strafverfolgung vermehrt auf die Kriminalprävention. Eine entscheidende Rolle kommt dabei dem im Juli 2002 von der Landesregierung ins Leben gerufenen Landespräventionsrat (LPR) unter der Leitung von Professor Dr. Michael Walter zu. Der Direktor der Kriminologischen Forschungsstelle der Universität zu Köln ist wissenschaftlicher Experte in Sachen Verbrechen, ihrer Ursprünge und der Bekämpfung. Als unabhängiges, die Politik beratendes Gremium trägt der LPR laut Walter entscheidend zu einer "sinnvollen Koordinierung, Unterstützung und Fortentwicklung" der präventiven Kriminalpolitik bei. "Es geht uns um die Entwicklung sozialer Räume, in denen sich die Menschen sicher fühlen und entfalten können - vom Bolzplatz über die U-Bahnstation bis hin zum Tanzlokal", beschreibt Walter Aufgabe und Ziel des Rates.
    Die 20 von der Landesregierung ernannten ehrenamtlichen Mitglieder des LPR sind hochrangige Vertreter aus Wissenschaft, Medien, Wirtschaft, Kirchen, Gewerkschaften, Sportund Migrantenorganisationen und bringen Erfahrung aus den meisten gesellschaftlichen Bereichen mit. Gemeinsam verschaffen sie sich einen Überblick über die Präventionsprojekte der Gemeinden, mustern und unterstützen diese, um auf Präventionslücken aufmerksam zu werden. Ein erhebliches Defizit wurde zum Beispiel beim Schutz älterer und behinderter Menschen aufgedeckt.
    Die Kontaktpflege zu Praktikern und Wissenschaftlern, die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene sowie der Dialog mit Kommunen, Bund und den anderen Bundesländern stehen bei der Arbeit des LPR im Vordergrund. Finanziert wird das überparteiliche Gremium von den Landesministerien.

    Bildunterschrift:
    Jugendliche Opfer krimineller Gewalt stehen oft besonders unter dem Schock der Untat, die an ihnen begangen wurde. Darum bedarf es einer besonderen Umgebung und speziell geschulter Ermittler, um Kindern bei der Erstellung eines Phantombildes (Foto) so zu helfen, dass das Verbrechen ein "Gesicht" bekommt.

    ID: LIN02013

  • Dr. Behrens, Fritz (Innenminister)
    Vier Fragen an den Minister.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 6 - 14.05.2003

    Was kann der Landtag tun, damit die Kriminalität in Nordrhein- Westfalen langfristig sinkt?

    Behrens: Kriminalität hat viele Ursachen. Sie kann wegen ihrer komplexen und differenzierten Entstehungszusammenhänge nur in einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz erfolgreich bekämpft werden. Deshalb sind verschiedene Politikfelder betroffen: Neben der Innenpolitik sind Jugend-, Familien-, Ausländer- und Sozialpolitik beteiligt. Der Landtag wird regelmäßig über die Entwicklung der Kriminalität informiert und wirkt im Rahmen seiner Ausschussarbeit und als Gesetzgeber an der Schaffung adäquater Rahmenbedingungen zur Kriminalitätsbekämpfung mit.

    Welche konkreten Reformen wollen Sie noch in diesem Jahr angehen?

    Behrens: Der Kriminalitätsanstieg ist im Wesentlichen auf Delikte der Massenkriminalität, insbesondere auf dem Eigentumssektor, zurückzuführen. Autos werden aufgebrochen, weil leichte und lukrative Beute winkt. Die Entwicklungen im Land laufen allerdings unterschiedlich: landesweite Patentrezepte gibt es nicht. Deshalb analysieren die örtlichen Polizeibehörden die regionalen Ursachen und setzen individuelle Konzepte um. Das Innenministerium unterstützt dabei: Beispielsweise werden durch die Einrichtung des zentralen Meldedienstes "Kfz-Kriminalität" die Behörden in die Lage versetzt, Tatzusammenhänge überörtlicher Täter zu erkennen. Die Nutzung der DNA-Analytik wird weiter vorangetrieben, zwei Millionen Euro wurden für dezentrale Untersuchungen von Tatortspuren zur Verfügung gestellt.

    Kriminalitätsbekämpfung kostet Geld. Ist der schnelle Rückgang der Kriminalität trotz der angespannten Haushaltslage realistisch?

    Behrens: Anstieg und Rückgang von Kriminalität ist von vielen Faktoren und Rahmenbedingungen abhängig. Die öffentliche Sicherheit bedeutet nicht nur Lebensqualität und ist Standortfaktor - sie ist ein Bürgerrecht. Es ist mein Ziel, trotz knapper Gelder hier einen politischen Schwerpunkt zu setzen.

    Hat NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern bei der Kriminalitätsbekämpfung die Nase vorn oder gibt es wegweisende Modelle in anderen Bundesländern, die von NRW übernommen werden können?

    Behrens: Negative Trends sind auch in anderen westlichen Bundesländern zu beobachten.Durch zentrale und dezentrale Maßnahmen haben wir in NRW gegengesteuert. Erste Erfolge sind erkennbar: Beispielsweise wurde das Phänomen "Homejacking" - Raub hochwertiger Pkw durch Eindringen in die Wohnung und Entwendung der Fahrzeugschlüssel - durch spezielle Ermittlungskommissionen erfolgreich zurückgedrängt. In den großen Städten jagen Sonderkommissionen mit guten Erfolgen Wohnungseinbrecher. Nordrhein-Westfalen ist mit rund 18 Millionen Einwohnern das bevölkerungsstärkste Bundesland und in seiner Struktur überwiegend durch städtische Ballungsräume sowie eine gut ausgebaute Infrastruktur geprägt. Ein Vergleich mit den Kriminalitätsbekämpfungsmodellen anderer Bundesländer ohne Berücksichtigung der jeweiligen strukturellen Rahmenbedingungen ist nur eingeschränkt möglich.

    ID: LIN02014

  • 3.000 Jugendliche erhalten spezielle Ausbildung im BUS-Programm 2003.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 3 in Ausgabe 5 - 09.04.2003

    Über Maßnahmen zu besseren Ausbildungschancen für benachteiligte Jugendliche informierte Staatssekretär Jörg Bickenbach (Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, MWA) den Wirtschaftsausschuss. Die Parlamentarier lobten die Bemühungen der Landesregierung und begrüßten den in NRW nach wie vor bestehenden Ausbildungskonsens. Nach einer kurzen Aussprache über die Probleme bei Lehrstellen, bei der es laut Staatssekretär in diesem Jahr "eine außerordentlich besorgniserregende Lücke" gebe, bestärkte der Ausschuss die Landesregierung in ihrem Kurs und darin, weiterhin Druck auf Verbände und Bundesregierung auszuüben.
    Das Angebot an Lehrstellen sei in diesem Jahr drastisch zurückgegangen, vor allem im Handwerk, sagte Bickenbach. Mit den von Minister Harald Schartau eingeladenen Tarifpartnern der Wirtschaft werde sehr zielgerichtet und im Einvernehmen verhandelt. Eine Lösung sei aber nach sehr guten Erfolgen der vergangenen Jahre beim gemeinsamen Ziel, jeder ausbildungswillige Jugendliche erhalte einen Platz, für dieses Jahr noch nicht in Sicht. Vorerst müsse mit mehr überbetrieblicher Ausbildung abgeholfen werden, antwortete er auf eine Frage des Vorsitzenden Dr. Helmut Linssen (CDU).

    BUS und BUT

    Seit dem Jahr 2001 erprobe die Landesregierung einen neuen präventiven Ansatz für lernschwache und schulmüde Jugendliche, fuhr Bickenbach fort und erläuterte die beiden Programme "Betrieb und Schule (BUS)" und "Betrieb und Träger (BUT)". BUT stelle eine Weiterentwicklung der Berufsförderlehrgänge dar und werde mit 7,4 Millionen Euro pro Jahr nur vom MWA finanziert. Beiden Programmen liege die regelmäßige und dauerhafte Verknüpfung der Lernorte Betrieb und Schule bzw. Betrieb und Qualifizierungsträger zugrunde. 60 Prozent der Ausbildung finde in Schulen oder Bildungseinrichtungen statt, 40 Prozent in Betrieben, und zwar wöchentlich oder in Blöcken.
    Das Programm BUS sei mit 1.700 Schülerinnen und Schülern und Praktikumsstellen in 1.357 Betrieben gestartet. 599 Jugendliche dieser schwierigen Zielgruppe hätten den ersten Arbeitsmarkt erreicht, also entweder einen Ausbildungs- oder einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. 520 hätten außerdem den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 erreicht.
    Ein deutlicher Motivationsschub, größere Lernbereitschaft und regelmäßigere Anwesenheit in der Schule gingen mit dem BUS-Programm einher. Das Programm sei auf große Akzeptanz gestoßen. Seit dem Schuljahr 2002 nähmen 2.150 Schüler an 180 Schulen teil. Für Herbst 2003 seien über 3.000 vorgesehen. Die Förderpauschalen des MWA seien von 1.500 auf 1.000 Euro Aufwandsentschädigung für Betriebe und von 250 auf 200 Euro für nachbetreuende Lehrer abgesenkt worden.
    Im Programm Betrieb und Träger (BUT) übernehmen 35 bewährte Bildungsträger den Part der Schule. 980 Jugendliche einer Zielgruppe, die in noch größerem Maß schulmüde sei, seien im letzten Schuljahr angelangt. Für sie würden die betrieblichen Praxisphasen flexibel organisiert, wobei der Lern- und Entwicklungsstand berücksichtigt werde.
    Außerbetrieblich werden in NRW 496 Jugendliche im Rahmen von JUMP (Jugend mit Perspektive), einem Jugendsofortprogramm der Arbeitsverwaltung, ausgebildet. Die Kosten betragen einheitlich 12.500 Euro pro Jugendlichem und Jahr. Das MWA suche nach einer tragfähigen Alternative zur rein außerbetrieblichen Berufsausbildung, da unterschiedliche Lernorte, vor allem Betriebe, von entscheidender Bedeutung für erfolgreiche Integration sei.

    Kleiner Gesellenbrief

    Zu der von Reiner Priggen (GRÜNE) nachgefragten Aufteilung in zwei Abschlüsse in Handwerksberufen ("kleiner Gesellenbrief"), sagte der Staatssekretär einen schriftlichen Sachstandsbericht zu. Die Landesmittel für Ausbildungsprogramme seien im Haushalt 2003 nicht gekürzt worden, antwortete er dem CDU-Abgeordneten Bernhard Tenhumberg. Für die Ausbildungsordnung und Änderungen sei der Bund zuständig, erfuhr Hubert Schulte (CDU), der für die Wiedereinführung der Stufenausbildung eingetreten war. Lothar Niggeloh (SPD) hielt für vordringlich, die Neuordnung der Berufsbilder wieder aufzulegen. NRW habe eine Fülle von Anregungen in die Debatte auf Bund- Länder-Ebene eingebracht, berichtete Bickenbach, die zähflüssig, jedoch inzwischen "entideologisiert" verlaufe.

    Bildunterschrift:
    "Tag der offenen Lehrstelle" - unter diesem Motto haben für den 8. April Ausbildungsbetriebe an Rhein, Ruhr und Wupper junge Leute und ihre Eltern eingeladen, um sie für eine Berufsausbildung im Handwerk zu interessieren und auf freie Ausbildungsplätze aufmerksam zu machen. Die Handwerkskammer im Regierungsbezirk Düsseldorf will im Rahmen einer breit angelegten Mobilisierungskampagne die Lehrstellenlücke schließen helfen. Mit Erfolg: Die bei der Aktion mitmachenden Betriebe konnten 487 freie Lehrstellen anbieten - durchaus auch in anderen als den "klassischen" Bereichen Kfz-Mechaniker, Dachdecker und Maurer.

    Systematik: 2420 Berufsausbildung

    ID: LIN02051

  • Champignon, Bodo (SPD); Dr. Linssen, Helmut (CDU)
    Mehr Bereitschaft bei den Unternehmen - Mehr Flexibilität bei den jungen Menschen.
    "Ausbilden und ausbilden lassen!"
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 4-5 in Ausgabe 5 - 09.04.2003

    Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt in Nordrhein-Westfalen ist Besorgnis erregend. Das Landesarbeitsamt spricht von 12.000 fehlenden Stellen für 2003. Über Verbesserungsvorschläge, Chancen und Perspektiven sprach "Landtag intern" mit dem Vorsitzenden des Arbeitsausschusses, Bodo Champignon (SPD), und dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses, Dr. Helmut Linssen (CDU).

    Eine große Lücke klafft zwischen der Zahl der Auszubildenden und den freien Lehrstellen in NRW. Was hat Ihr Ausschuss bisher dazu beigetragen, um diese Lücke zu schließen?

    Champignon: Der Ausschuss ist im ständigen Gespräch mit dem zuständigen Minister, um von ihm zu erfahren, welche Initiativen die Landesregierung entwickelt, um Lücken im Lehrstellenmarkt und allgemein im Arbeitsmarkt zu schließen. Es ist die Aufgabe der Unternehmen, ihrer sozialen Verpflichtung gerecht zu werden und zumindest für den eigenen Bedarf auszubilden. Und das tun ganz viele nicht. Ich komme ja aus dem Industriebereich und weiß, dass wir noch über Bedarf ausgebildet haben. Dann gab es einen Bruch. Plötzlich bildeten die großen Unternehmen nicht mehr aus und warteten darauf, dass Mittelstand und Handwerk ausbildeten, und holten sich dann vom Arbeitsmarkt die ausgebildeten Kräfte. Das ist für mich verantwortungsloses Handeln.
    Dr. Linssen: Wir haben uns vor allen Dingen um das Funktionieren des ersten Arbeitsmarktes gekümmert, weil wir der Überzeugung einsind, dass nur in einer wachsenden Wirtschaft auch genügend Ausbildungsplätze geschaffen werden. Wenn Betriebe keine Aufträge haben, nützen auch viele Appelle wenig. Dennoch müssen in dieser Zeit von allen, die sich verantwortlich fühlen, auch Klinken geputzt werden. Aber: Eine durchschlagende Wirkung wird nur dann erreicht, wenn wir vor allem bei den klein- und mittelständischen Unternehmen für Rahmenbedingungen sorgen, die mehr Aufträge garantieren. Mit dem zurzeit in der Beratung befindlichen Mittelstandsgesetz wird zum Beispiel auch dieser Versuch gemacht. Es sind also mehr die indirekt wirkenden Instrumente, die in unserem Ausschuss eine Rolle spielen, zum Beispiel: Wie lässt sich die Investitionskraft der öffentlichen Einrichtungen erhöhen, damit sie wieder in der Lage sind, mehr Aufträge an die klein- und mittelständischen Betriebe zu geben. Darüber hinaus haben wir uns natürlich auch um direkt wirkende Instrumente bemüht, das heißt, wir haben uns vor allen Dingen um die Problemgruppen des Arbeitsmarktes gekümmert, zum Beispiel um behinderte Jugendliche. Vor langer Zeit haben wir aber auch darauf hin gewirkt, dass vor Ort Innungen, Verbände und Kammern mit Berufsschulen ein Arrangement treffen, damit die Berufsschule auf einen Tag konzentriert wird. Ich glaube, dass man den theoretischen Anteil in Schule und überbetrieblicher Ausbildung von dem jeweiligen Ausbildungsberuf abhängig machen muss. Natürlich muss gerade in dieser Zeit auch daran appelliert werden, dass der einzelne Betrieb nicht nur auf die kurzfristige Belastung durch Ausbildungskosten achtet, sondern auch daran denkt, dass er nach Überwindung des Konjunkturtals ordentlich ausgebildete Gesellen hat.

    Wie können Unternehmen und Handwerk motiviert werden, um in Zukunft mehr junge Menschen auszubilden?

    Champignon: Große Unternehmen müssten von sich aus motiviert sein, ausreichend auszubilden, um den Bedarf an Arbeitskräften immer wieder auffüllen zu können. Weitere Anreize zu schaffen, indem Unternehmen vom Staat Geld dafür bekommen sollen, dass sie ausbilden, halte ich für keinen redlichen Vorgang. Unternehmen, die dazu nicht bereit sind, kann man eigentlich nur über den Weg der öffentlichen Anprangerung beikommen. Das Handwerk habe ich ausgeklammert, weil ich weiß, dass die Handwerker noch eher bereit sind, auszubilden. Und beim Handwerker verlange ich nicht ohne weiteres, dass er über Bedarf ausbildet. Den größeren Unternehmen, die die ganze Infrastruktur dafür haben, die auch materiell besser ausgestattet sind, denen verlange ich jedoch mehr ab. Der von Minister Schartau eingebrachte Vorschlag, für ausbildende Betriebe eine Steuererleichterung einzuführen, wäre die einzige Maßnahme, die auch ich unterstützen würde. Dass man sagt, man bietet auf diesem Wege Möglichkeiten, dass eine Steuervergünstigung als Anreiz dient. Dass aber darüber hinaus noch frisches Geld in die Betriebe fließt, halte ich aus fiskalischen Gründen für nicht verantwortbar. Im Gegenteil: Wenn weiter unter Bedarf oder gar nicht ausgebildet wird, muss man auch über eine Ausbildungsplatzabgabe nachdenken dürfen.
    Dr. Linssen: Ich glaube, dass die Tarifpartner viel dazu beitragen können, indem sie die Ausbildungsvergütung nicht über Gebühr in die Höhe treiben, da der Kostenfaktor im Moment eine ganz besondere Rolle spielt.Weitere Anreize durch staatliche Hilfen halte ich darüber hinaus für nicht angebracht, da die Bereitschaft zur Einstellung eines Lehrlings davon nicht abhängig ist. Für noch viel wichtiger halte ich es, dass nicht andauernd darüber philosophiert wird, dass man die Betriebe, die nicht ausbilden, durch eine Ausbildungsplatzabgabe bestrafen muss. Dies wirkt psychologisch völlig kontraproduktiv und forciert nur eine Abwehrhaltung.

    Was kann der Landtag tun, damit Auszubildende in Zukunft eine bessere Perspektive haben?

    Champignon: Der Landtag besteht aus ganz vielen Abgeordneten und die Abgeordneten haben in aller Regel Wahlkreise. In den Wahlkreisen liegen die Betriebe, da gibt es die Betriebsleitung und den Betriebsrat, und ich denke, dass es auch eine Aufgabe von Abgeordneten ist, sich vor Ort unmittelbar und direkt engagiert einzubringen und die Unternehmen im Wahlkreis aufzufordern, angemessen auszubilden.
    Dr. Linssen: Der Landtag hat sich sehr der überbetrieblichen Ausbildung angenommen, der Landtag hat den Ausbildungskonsens forciert, den Landesregierung und Handwerk miteinander geschlossen haben. Dieser hat dazu geführt, dass wir eine Zeit lang sehr gute Ergebnisse vorweisen konnten. Im Grunde genommen konnte das Land im Verbund mit den Kammern eine Ausbildungsplatzgarantie geben. Dies hat bisher, wenn auch nicht immer direkt im Betrieb, so doch mit Hilfe der überbetrieblichen Ausbildung, funktioniert. Das Land hat mit dem Ausbildungskonsens allerdings auch eine Verantwortung übernommen, nämlich für eine bessere Ausbildung in den Haupt- und weiterführenden Schulen. Hier ist noch eine erhebliche Bringschuld gegeben, weil die Betriebe sich zu Recht über ungenügende Kenntnisse der Schulabsolventen gerade in den Grundlagenfächern beklagen. Deshalb ist die Verbesserung der Situation an den Schulen - neben den überfälligen Reformen beim Bund - aus meiner Sicht die dringlichste Aufgabe überhaupt.

    Was raten Sie jungen Schulabgängern, um überhaupt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben?

    Champignon: Ich rate erst einmal jedem, der durch die Schule geht, sich engagiert in die Schule einzubringen und akribisch darauf zu achten, dass er einen anständigen Schulabschluss bekommt. Diejenigen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, gehen den Weg in die Hoffnungslosigkeit. Diejenigen, die etwas vorzuweisen haben, können sich auch auf dem Ausbildungsmarkt behaupten. Örtliche Flexibilität, wie sie beispielsweise von vielen Arbeitnehmern aus dem Bergbauund Hüttenwesen verlangt wird, darf man meiner Meinung nach auch Auszubildenden zumuten. Ich denke darüber nach, ob man nicht einen "Flexibilitätszuschuss" organisieren kann, damit der Auszubildende sich vielleicht ein Fahrzeug kaufen kann, um den Ausbildungsort zu erreichen, wenn dieser zu weit im Lande oder in der Provinz liegt, wo keine idealen Verkehrsanbindungen vorhanden sind. In dem Fall wäre das ein Hilfsmittel, um die Auszubildenden dazu zu bewegen, auch einen Ausbildungsplatz anzunehmen, der nicht gerade unmittelbar vor der Haustür liegt.
    Dr. Linssen: Ich rate jungen Schulabgängern, sich frühzeitig zu bemühen, sich nicht festzubeißen auf einen bestimmten Ausbildungsberuf, sondern die Palette der Möglichkeiten auch von sich aus zu erweitern. Im lebenslangen Lernen wird man sowieso häufiger zum Wechsel gezwungen sein, von daher ist es wichtiger, überhaupt ausgebildet zu sein als unbedingt in dem Traumberuf. Wir haben nach wie vor Betriebe mit freien Ausbildungskapazitäten vor allem in den Berufen, die zur Zeit vom Image her nicht besonders begünstigt sind, aber gerade in diesen konjunkturell schwierigen Zeiten eine gute Perspektive bieten. Außerdem müssen Jugendliche natürlich leistungsbereit und auch mobil sein. Wir haben als Landtag Mobilitätshilfen finanzieller Art ermöglicht, die nur in geringem Maße in Anspruch genommen worden sind. Ich glaube, dass ein 17- oder 18-Jähriger, der in seiner Freizeit viel Mobilität zeigt, diese auch für seine Ausbildung aufbringen muss.

    Das Gespräch führten Stephanie Hajdamowicz und Axel Bäumer.

    Systematik: 2420 Berufsausbildung

    ID: LIN02052

  • Dauerthema im Parlament.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4 in Ausgabe 5 - 09.04.2003

    Ausbildung und leider auch Jugendarbeitslosigkeit sind immer wieder Gegenstand von Beratungen im Plenum und in der Ausschussarbeit des Landtags. In Anfragen von Landtagsabgeordneten an die Landesregierung stehen diese für die Jugend so wichtigen Themen ebenfalls häufig im Mittelpunkt. Nordrhein-Westfalen hat in der Förderung der Ausbildungsbereitschaft von Betrieben und bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit stets einen besonderen Schwerpunkt gesehen und entsprechende Programme aufgelegt und finanziell ausgestattet. Die Landesregierung legt in Abständen dem Parlament ihren Kinder- und Jugendbericht vor, in dem die beruflichen Aussichten junger Menschen eine Rolle spielen. Dieser Bericht wird ausgiebig vom Landtag diskutiert. Bei den Beratungen des Landeshaushalts sind sich die Parteien in der letzten Zeit darin einig gewesen, dass auch in Zeiten knapper werdender öffentlicher Finanzen die Mittel für mehr Ausbildung und weniger Jugendarbeitslosigkeit von Kürzungen möglichst unbehelligt fortgeführt werden sollten. Landtag und Landesregierung sind sich darüber hinaus einig, dass der Staat nur stützend und fördernd wirken kann. Ausbildung ist und bleibt in erster Linie eine Aufgabe von Wirtschaft und Handwerk, denen nicht zuletzt aus Eigeninteresse daran gelegen sein sollte, Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsstellenmarkt in ein annäherndes Gleichgewicht zu bringen.

    Systematik: 2420 Berufsausbildung

    ID: LIN02053

  • Maßarbeit für Ausbildung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 5 in Ausgabe 5 - 09.04.2003

    Die Krise auf dem Arbeitsmarkt macht auch bei den Ausbildungsstellen nicht halt. Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) brachte die Ergebnisse des Spitzengesprächs im Ausbildungskonsens NRW auf den Punkt: Im Jahr 2002 wurden 10.400 weniger Azubis von Betrieben unter Vertrag genommen als im Vorjahr, ein Rückgang um 8,3 Prozent auf 115.600 Neuverträge. Auch für dieses Jahr ist keine Besserung in Sicht, denn in den ersten vier Monaten des aktuellen Berufsberatungsjahres gab es 13.800 Stellen weniger auf dem Ausbildungsmarkt als im selben Zeitraum des Vorjahres. Insgesamt sind bisher rund 70.000 freie Plätze gemeldet. "Wir müssen gemeinsam für mehr Ausbildung werben", appellierte der Minister an Land,Wirtschaft, Gewerkschaften und Kommunen. Damit meinte er das Aktionsprogramm "100 Tage Maßarbeit für Ausbildung". Ab April soll es mit Beratungsangeboten, Orientierungshilfen und detaillierten Informationen für Jugendliche und Betriebe mehr Ausbildungsplätze schaffen und vermitteln. Derzeit würden 60 Prozent der Handwerksbetriebe und rund 82 Prozent der Betriebe aus Industrie und Handelskammer nicht ausbilden. Laut Handwerkskammer gibt es allerdings auch etwa 600 offene Stellen, die nicht ausgefüllt werden können.

    Systematik: 2420 Berufsausbildung

    ID: LIN02054

  • Breites Spektrum.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6 in Ausgabe 5 - 09.04.2003

    Das Aufgabenspektrum, das sich aus der Arbeit einer Dienstleistungsbehörde wie der Verwaltung des Landtags Nordrhein-Westfalen ergibt, ist weitreichend. Daher ist die Landtagsverwaltung in der Lage, Ausbildungsstellen anzubieten, die nicht im Zusammenhang mit dem eigentlichen Verwaltungsdienst stehen. In diesem Bereich arbeitet der Landtag mit mehreren Firmen als Kooperationspartner zusammen.
    Im Einzelnen bildet der Landtag aus:
    > Drei Stellen in dem Bereich Kälteanlagenbauer/in
    > Zwei Stellen in den Bereichen IT-Systemelektroniker/in und Fachinformatiker/in
    > Eine Stelle in dem Bereich IT-Systemkaufmann/- kauffrau
    > Eine Stelle in dem Bereich Bürokommunikationselektroniker/ in
    > Zwei Stellen in dem Bereich Koch/Köchin.

    ID: LIN02055

  • "Einfach so rüber kommen, wie man ist!"
    Auszubildende in der Verwaltung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6 in Ausgabe 5 - 09.04.2003

    Der Landtag in seiner Funktion als Landesparlament, in dem Politiker über Themen wie beispielsweise die angespannte Ausbildungsplatzsituation debattieren, dürfte jedem bekannt sein. Der Landtag in seiner Funktion als Ausbildungsstelle dürfte hingegen weniger geläufig sein. Susanne Gudermann (20) und Janna Pusch (18) haben vor knapp einem Jahr ihre Ausbildung zur Fachangestellten für Medieninformationsdienste bei der Landtagsverwaltung begonnen.
    Das Besondere an der Geschichte der beiden jungen Frauen: Sie beginnt ganz anders als die vieler anderer Jugendlichen, nämlich überraschend problemlos. Durch Zufall stießen sie auf die Stellenausschreibung der Landtagsverwaltung in der Tageszeitung. Sie bewarben sich, und wurden bereits kurze Zeit später zum Vorstellungsgespräch eingeladen. "Das war schon eine echte Ausnahmesituation", erinnert sich Susanne Gudermann, denn sie mussten einzeln vor einem sechsköpfigen "Tribunal" vorsprechen. Ein bisschen Stolz über ihr gutes Abschneiden ist den Beiden heute noch anzumerken - und zu Recht. Schließlich war es für beide nicht nur die erste Bewerbung überhaupt, sie konnten sich zudem gegen rund 120 Mitbewerber und Bewerberinnen durchsetzen. Das Mittel zum Erfolg: "Einfach so rüber kommen, wie man ist! Man muss von vornherein locker in das Gespräch gehen und sagen, was man kann, was man hat und was man möchte", rät Janna Pusch.
    Zu ihren Aufgabengebieten gehören die Unterstützung der Pressedokumentation durch Recherche und Datenbankeingaben sowie das Erstellen der Presseschauen, die Abgeordneten, Journalisten und Mitarbeitern der Verwaltung als tägliche Informationsquelle dienen. Mit dem bisherigen Verlauf der Ausbildung sind die beiden Auszubildenden prinzipiell sehr zufrieden. "Was leider fehlt, ist die Perspektive", berichtet die 18-jährige Janna. Denn die Chancen, nach der Ausbildung im Jahre 2005 vom Landtag übernommen zu werden, sind schlecht, da auch hier Stellen gekürzt werden. Daher haben beide bereits Alternativen für die Zeit nach dem Ausbildungsende ins Auge gefasst: Abiturientin Susanne möchte nach der Lehre Informatik studieren und hofft auf einen Job in der Spieleindustrie. Janna, die das Gymnasium nach der elften Klasse verlassen hat, hätte nach Abschluss der Ausbildung das Fachabitur in der Tasche. Sie träumt von einem einjährigen Auslandsaufenthalt in der irischen Hauptstadt Dublin, möchte nach Möglichkeit ebenfalls studieren und später als Bibliothekarin arbeiten.
    ax

    Bildunterschrift:
    Täglich werden an die 36 Tageszeitungen und Wochenschriften aus Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern in der Pressedokumentation des Landtags ausgewertet. Ein Ergebnis dieser Bemühungen ist die täglich zweimal erscheinende Presseschau des Landtags, in die landespolitisch oder bundespolitisch bedeutsame Beiträge aufgenommen werden. Auf diesem Bild laufen die Vorbereitungen zur Auswahl der Artikel und Kommentare: Diplom-Dokumentarin Karla Frankus (Mitte) erläutert den beiden Auszubildenden Susanne Gudermann (l.) und Janna Pusch (r.), worauf es bei der Zusammenstellung ankommt.

    ID: LIN02056

  • "Nun handelt doch endlich!"
    Jugendliche fordern Reformen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 7 in Ausgabe 5 - 09.04.2003

    Wie gehen junge Menschen mit den Problemen um, die sich ihnen in Ausbildung und beim Eintritt in den Beruf stellen? Welche Erwartungen haben sie und was tun sie von sich aus, um sich zu qualifizieren und eine Stelle zu finden? Die Junge Presse, der Zusammenschluss junger Medienmacher im Lande, hat sich dazu auf Einladung der Redaktion von "Landtag intern" zum Schwerpunktthema dieser Ausgabe der Parlamentszeitschrift Gedanken gemacht.
    Es ist Montagmorgen, 6 Uhr 30. Die Sonne erhebt sich langsam über Bochum, erweckt die Ruhrpott-Metropole zum Leben. Auch Thomas Heidborn kitzeln die ersten Sonnenstrahlen in der Nase. Er dreht sich noch einmal um, wirft fast automatisch einen Blick auf seinen Wecker und zuckt zusammen. Sein erster Gedanke: zu spät zur Arbeit kommen, weicht sofort einem unguten Gefühl. Seit drei Monaten nun bleibt der Wecker still und eigentlich könnte er sich umdrehen und weiter schlafen. Thomas ist nach der Ausbildungszeit nicht übernommen worden.
    "Früher haben wir oft Witze darüber gemacht, wie schön es wäre, mal einige Monate frei zu haben, Zeit für sich zu haben", erzählt Thomas. "Aber die Realität hat mich schnell eingeholt. Die ersten freien Tage habe ich noch genossen, aber dann kam die Leere, das Gefühl mit meiner Zeit nichts anzufangen zu wissen und der Gesellschaft nur auf der Tasche zu liegen. Ich habe eine Vielzahl Bewerbungen geschrieben und mit jeder Ablehnung sank mein Selbstbewusstsein." Der 22-Jährige hat sich seinen Start ins Berufsleben anders vorgestellt. Nach dem Abitur hat er seine Lehre als Zimmermann in nur zweieinhalb Jahren abgeschlossen. Doch der erhoffte Berufseinstieg blieb aus. Stattdessen Arbeitslosigkeit,Hoffnungslosigkeit und Vorwürfe an die Politik: "Warum geschieht eigentlich so wenig?"

    Perspektivlosigkeit ?

    Vor dem Leben, das Thomas gezwungen ist zu führen, haben viele Jugendliche Angst. Daniel Sänger und seine Freunde, Zehntklässler an einer Bochumer Gesamtschule sind sich einig: "Es ist doch egal, was wir lernen, wenn wir sowieso auf der Straße sitzen.Also, warum groß anstrengen?"
    Gegen diese Perspektivlosigkeit protestiert Nicole Hansen (18) ganz entschieden."Auf einen Wirtschaftsabschwung folgt auch wieder ein Aufschwung und damit sinkt die Arbeitslosigkeit. Die Probleme werden von den Medien aufgebauscht." Sie selbst kann sich nicht über Arbeitsmangel beschweren. Seit ihrem 16. Lebensjahr verdient sich die Schülerin nebenbei Geld, hilft ehrenamtlich in Vereinen und sieht genau darin den Schlüssel ihres Erfolges: "Die Schule müsste viel spezialisierter,mehr praktisch Nutzbares vermitteln, nicht so viele theoretische Inhalte, die nie wieder gebraucht werden. Die meisten haben wenig Erfahrungen im Umgang mit Unternehmen und zu wenig Kontakte. Die wiederum fehlen ihnen später, um an begehrte Jobs zu kommen." Helfen würden mehr Praktika. "Die letzten zwei Wochen vor den Zeugnissen wird im Unterricht nicht mehr viel gemacht. Warum werden in dieser Zeit keine Praktika angeboten? Dafür könnte man überflüssige Inhalte streichen oder die Lehrer müssten ihren Stoff komprimierter durchziehen."
    Ähnlich argumentiert der Abiturient Andre Koch (19): "Grundlegende EDV-Kenntnisse, beispielsweise in Office-Anwendungen oder Zehn- Finger-Schreiben, werden in fast jedem Beruf vorausgesetzt. Es sollte Pflicht sein, in der Schule entsprechende Kurse zu belegen." Nach dem Abitur möchte er mit einem Freund einen PC-Service gründen, um sein Informatik-Studium zu finanzieren und von den Eltern unabhängig zu sein. Doch das erweist sich als schwierig: "Die Handwerksordnung schreibt vor, dass wir keine Computer öffnen dürfen. Gerade in neuen Wirtschaftsbereichen gehen durch zu strikte Regelungen Arbeits- und Ausbildungsplätze verloren." Dabei sei es schlimm genug, während des Studiums auf Arbeit angewiesen zu sein. "Vielleicht sollte man statt BaföG zinslose Kredite bereitstellen, die jedem für Studiengebühren und Lebenshaltung unabhängig vom ökonomischen Status zustehen."
    Solche Probleme interessieren Thomas im Moment wenig. Jeden Morgen, wenn er in den Briefkasten schaut, hofft er auf eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch, "damit mein Leben endlich wieder einen Sinn hat".
    Tobias Lambrecht

    ID: LIN02057

  • Olympia - Was sonst!
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 26.03.2003

    Jetzt erst recht! Echte NRW"ler schließen einfach mal die Augen und denken an folgendes: dass sich das Nationale Olympische Komitee am 12. April für Düsseldorf Rhein-Ruhr entscheidet. Dass in null Komma nichts Tausende von Arbeitsplätzen in der Region geschaffen werden, um die Sportstätten fit für Olympia zu machen. Dass die Spiele die Rhein-Ruhr-Region so attraktiv machen, dass selbst Sportbegeisterte aus Australien und Südamerika extra nach Düsseldorf anreisen, um hier ihre nationalen Sportgrößen anzufeuern. Dass die Hotels sich vor Buchungen kaum retten können, die Gastronomie zusätzliche Tische aufstellen muss. Dass die Eröffnungsfeier ein solches Spektakel wird, dass weltweit darüber gesprochen wird, und dass viele Sportlerinnen und Sportler aus NRW als Erste durchs Ziel laufen. Gold für NRW.
    Und wenn"s denn nicht klappt? Auch kein Grund, tieftraurig zu sein. Die Olympia- Bewerbung aus Nordrhein-Westfalen hat auf jeden Fall gewonnen, egal wie das Nationale Olympische Komitee entscheidet. Eines ist allen im Land klar geworden: Auch wenn es dieses Mal mit der Ausrichtung der olympischen Spiele vielleicht nicht funktionieren sollte, der Breitensport in NRW profitiert auf jeden Fall davon. Die Vereine haben großen Zulauf, der Schulsport wird stärker gefördert, die Menschen in NRW fiebern mit. Und der nordrhein-westfälische Landtag hat ein großes Stück dazu beigetragen.
    Schon ganz früh, Ende 2001, stimmten im Plenum die Abgeordneten einstimmig und fraktionsübergreifend der Bewerbung von Düsseldorf Rhein-Ruhr für Olympia zu. Der Sportausschuss ließ es sich nicht nehmen, in jeder Sitzung über den Stand der Olympiavorbereitungen informiert zu werden und auch im Parlamentsgebäude selbst war jedes Engagement recht, um das Thema Olympia publikumswirksam auch in diesem hohen Hause zu präsentieren. Von dem Besuch von Heide Ecker-Rosendahl bis hin zum kleinsten Olympia-Museum der Welt, das noch vergangene Woche Besucherinnen und Besucher ins Foyer lockte.
    Und auch die Entscheidung der Evaluierungskommission, wonach Düsseldorf Rhein-Ruhr nur auf Platz 4 landete, kann den Enthusiasmus der NRW"ler nicht bremsen. Nach dem sportlichen Motto: Wir werfen die Flinte nicht ins Korn und kämpfen weiter. Denn gekürt wird der deutsche Bewerber ja erst am 12.April in München und bis dahin kann man die Zeit nutzen, um noch einmal von dem Konzept zu überzeugen.
    Was kann da noch passieren, mögen die optimistischen Rheinländer denken, die eher geschäftstüchtigen Westfalen hören die Kassen jetzt schon klingeln, und die Kontinuität der Lipper bestärkt das Land darin, in Sachen Olympia nicht aufzugeben. Also: Ganz fest die Daumen drücken!
    SH

    ID: LIN02106

  • Hinnemann, Gisela (CDU)
    "Wir wollen etwas bewegen und gewinnen."
    Gespräch mit Gisela Hinnemann, Vorsitzende des Sportausschusses.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 4 - 26.03.2003

    Was hat der Sportausschuss mit der Olympiabewerbung überhaupt zu tun?

    Eine ganze Menge. Denn die Olympiabewerbung betrifft den Sport im ganzen Land. Und dafür ist der Sportausschuss zuständig. Außerdem kostet die Bewerbung Geld, das der Landtag bewilligen muss. Auch den mit einer erfolgreichen Bewerbung verbundenen Folgekosten, etwa für den Sportstättenbau und die Förderung des Sports im allgemeinen, muss das Parlament zustimmen.

    Wie ist der Sportausschuss in die laufenden Vorbereitungen für die Olympiabewerbung involviert?

    Wir haben ganz am Anfang, nämlich Ende 2001, einen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen ins Plenum eingebracht, in dem wir gesagt haben: Wir wollen Olympia in Düsseldorf/Rhein-Ruhr und unterstützen die Bewerbung. Dieser Antrag ist einstimmig verabschiedet worden. Seitdem ist der Punkt "Stand der Olympia- Vorbereitungen" fester Bestandteil jeder Sportausschusssitzung. Zusätzlich haben wir einen Vertreter aus jeder Fraktion in den Beirat der Düsseldorf Rhein-Ruhr 2012 GmbH entsandt.

    Wie sind die Vorbereitungen aus Sicht des Sportausschusses verlaufen?

    Die Vorbereitungen haben eine ganze Reihe von Maßnahmen umfasst: Veranstaltungen, Tagungen,wissenschaftliche Beiträge.Wir haben versucht, als Sportausschuss-Mitglieder an möglichst vielen dieser Veranstaltungen und Tagungen teilzunehmen, um auf dem Laufenden zu bleiben und die Bewerbung tatkräftig unterstützen zu können.

    Wie wirkt sich die Olympiabewerbung auf NRW und den Schul- und Vereinssports aus?

    Nicht nur die Politik, sondern auch die interessierte und olympiabegeisterte Öffentlichkeit haben ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf den Sport gerichtet. Alle Verantwortlichen haben versucht, den Kriterienkatalog des NOK zu erfüllen, denn wir und über 80 Prozent der Bevölkerung wollen nicht nur die Olympischen Spiele 2012 an Rhein und Ruhr holen, sondern natürlich auch die eigenen Athleten an den Start schicken. Deshalb haben wir uns verschiedene Fragen gestellt: Wird genügend Sportunterricht an unseren Schulen erteilt? Wird in den Vereinen genug getan? Wird der Breitensport unterstützt? In einem Bereich haben wir in NRW einen gewissen Nachholbedarf, nämlich beim Verbundsystem Schule-Leistungssport. Insbesondere gab es zu wenig Eliteschulen des Sports. Das hat sich aber mittlerweile schon geändert.

    Stehen mehr Mittel zur Verfügung?

    Ja, zum Beispiel für das Elite-Schulprogramm. Diese Schulen brauchen zusätzliche Lehrer und Betreuer, die Geld kosten. Dann hat die "Sportstiftung NRW", die Ende 2000 in Köln gegründet wurde, die Aufgabe, den Nachwuchs im Leistungssport zu fördern (die Mittel dafür erhält sie u.a. aus der Oddset-Wette). Dafür, dass im Landeshaushalt in den letzten Jahren an vielen Stellen gekürzt werden musste, ist der Sport relativ gut weggekommen. Das hat sicher auch etwas mit der Olympiabewerbung zu tun.

    Konnten vor dem Hintergrund der Bewerbung in NRW Sport bezogene Modernisierungsprojekte schneller realisiert werden?

    Das ist ein großes Problem. Die Modernisierung oder die Renovierung von Sportstätten ist eine kommunale Aufgabe. Dafür gibt es keine Zuschüsse. Finanzielle Unterstützung durch das Land gibt es nur für den Neubau von Sportstätten und hier herrscht schon seit vielen Jahren ein gewaltiger Investitionsstau. Leider sind die Fördermittel weiter gekürzt worden.

    Wie schätzen Sie persönlich die Chancen auf einen Erfolg am 12. April ein?

    Ich schätze sie sehr hoch ein, weil wir eine riesengroße sportbegeisterte Region sind und viele der benötigten Sportstätten schon vorhanden sind. Außerdem genießen wir die notwendige Unterstützung durch die Wirtschaft, haben eine super Infrastruktur, viel Erfahrung mit sportlichen Großereignissen - und dadurch eben eine tolle Bewerbung.

    Angenommen, Düsseldorf Rhein-Ruhr erhält am 12. April eine Absage. Wie würde sich das auf den Sport in NRW auswirken?

    Ich hoffe, nicht negativ. Wir werden uns natürlich für die Olympiabewerbung der Sieger- Stadt einsetzen. Und all das, was angestoßen worden ist, wird weiter verfolgt. Aber erst mal sind wir optimistisch und wollen gewinnen.

    Das Gespräch führten Stephanie Hajdamowicz und Mirona Pokorny.

    ID: LIN02117

  • "Olympia nach NRW holen: Gemeinsam für die Olympischen Spiele an Rhein und Ruhr".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 4 - 26.03.2003

    Schon am 5. Oktober 2001 wurde im Plenum ein fraktionsübergreifender Antrag von SPD, CDU, FDP und GRÜNEN einstimmig angenommen. Er enthielt unter anderem folgende Punkte:
    Der Landtag unterstützt die Bewerbung der Städte der Region Rhein-Ruhr für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012.
    Das Land und die Städte wollen gemeinsam, über alle Parteigrenzen hinweg, alles tun, um die Bewerbung zum Erfolg zu führen.
    Schon die Bewerbung um die Olympischen Spiele, erst recht deren Ausrichtung, kann zu einem großen Schub für die Region und das ganze Land werden.
    Die Bewerbung um die olympischen Spiele ist auch eine Kampagne für einen attraktiven Lebens- und Wirtschaftsstandort.

    Systematik: 7600 Sport

    ID: LIN02118

  • Eine Bewerbung der Vernunft, die von Herzen kommt.
    Steinbrück, Vesper und Erwin über die Chancen für die Olympiade 2012.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 10 in Ausgabe 4 - 26.03.2003

    Drei Politiker mit nur einem Gedanken im Kopf: die olympischen Spiele 2012 nach Düsseldorf Rhein-Ruhr zu holen.Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD), NRW-Sportminister Dr. Michael Vesper (GRÜNE) und Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) übertrumpften sich gegenseitig mit optimistischen Bekundungen, viel versprechenden Zahlen und wahren Lobeshymnen auf ihre Bewerber-Region. Denn am 12. April ist es soweit: Das Nationale Olympische Komitee (NOK) entscheidet an diesem Tag in München, welche deutsche Stadt ins internationale Rennen um den Austragungsort der Spiele in neun Jahren geschickt wird.
    Die Argumente sind schlagkräftig, die Fakten überzeugend. Peer Steinbrück listete die wichtigsten auf. Haupttenor: Vernunft. Über 80 Prozent der Wettkampfstätten in Düsseldorf und der Rhein-Ruhr-Region sind bereits vorhanden, genauso wie weitreichende Erfahrung in der Durchführung sportlicher Großereignisse. Fünf Millionen Mitglieder sind in über 20.000 Vereinen sportlich aktiv. Die Region ist wirtschaftlich stark, immerhin haben 40 von den 100 größten deutschen Unternehmen hier ihren Firmensitz, ganz zu schweigen von der vorbildlichen Infrastruktur, den höchsten Hotelkapazitäten, der zentralen Lage in Europa und dem internationalen Flair. "Wir bieten Spiele der Nachhaltigkeit und der ökonomischen Vernunft im sportlichen Herzen Deutschlands", so Steinbrück.
    Aber die Nordrhein-Westfalen müssen nicht überzeugt werden. Eine aktuelle Umfrage, die die Düsseldorf Rhein Ruhr GmbH bei Emnid in Auftrag gegeben hat, macht es offiziell: Sage und schreibe 80 Prozent der Bevölkerung unterstützen die Olympia- Bewerbung und möchten das Weltspektakel des Sports vor die eigene Haustür holen. Der Minister für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, Dr. Michael Vesper, weiß gar nicht, wo er anfangen soll mit seiner Aufzählung der Unterstützer: bei den Sportvereinen, den Umweltorganisationen, den nordrhein-westfälischen Orchestern oder den Künstlern. "Unsere Bewerbung stößt nahezu grenzenlos auf Sympathie. Sie vereinigt das Land."
    Sogar über Städte-Rivalitäten hinaus sorgt die olympische Idee für Einigkeit. Das bekräftigte auch Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin. Von Leichtathletik in Düsseldorf, Rudern in Köln, Reiten in Aachen oder Handball in Dortmund sind die geplanten Wettkampfstätten im gesamten Rhein- Ruhr-Gebiet verteilt.
    Was bei dieser dem olympischen Gedanken und damit dem Gebot der Fairness verpflichteten Pressekonferenz im Landtag auffiel: Mit kaum einem Wort wurden die Konkurrenzstädte bedacht. Keine Vergleiche, keine Abwertungen, keine Anti-Reklame. Von ihren Stärken und Argumenten überzeugt zeigten sich alle drei Volksvertreter zuversichtlich und selbstbewusst. Aber wenn es doch nicht klappen sollte? "Dann werden wir patriotisch reagieren und die anderen unterstützen", so der Ministerpräsident.
    MP

    Ergänzung:
    "Ob wir in der Rhein-Ruhr-Region erfolgreich sein werden, hat leider nicht der Landtag zu entscheiden, sondern das NOK. Fest steht aber schon heute, dass unsere Bewerbung in einem Punkt längst den Sieg davongetragen hat: Die Bevölkerung vom Niederrhein bis nach Ostwestfalen steht hinter dem olympischen Gedanken. Ich bin mir mit den hier Anwesenden sicher, dass die Olympiade zu einem großen Schub für die Rhein-Ruhr-Region führen wird. Olympia bietet eine große Chance für dauerhaft neue Arbeitsplätze, für stärkere Wirtschaftskraft, für die Belebung des Tourismus, verbesserte Mobilität und zugleich ökologischen Fortschritt in NRW."
    Ausschnitt aus der Resolution, die Vizepräsident Dr. Helmut Linssen zu Beginn der Plenarsitzung am 19. Februar verlas.

    Bildunterschriften:
    Frauenmehrheit in der überparteilichen Sportfraktion (v.r.): Ingrid Pieper-von Heiden (FDP), Ina Meise-Laukamp (SPD), Dr. Annemarie Schraps (CDU) und Sportausschussvorsitzende Gisela Hinnemann (CDU). Ganz links Ewald Groth (GRÜNE); dritter von links Moderator Peter Großmann.
    Ministerpräsident Peer Steinbrück (l.) ließ im Gespräch mit dem Moderator keinen Zweifel daran, dass die Politik geschlossen hinter dem Wunsch steht, Olympia an Rhein und Ruhr zu holen.

    ID: LIN02119

  • "Durchhalten auf der Zielgeraden".
    Parlamentarischer Abend im Zeichen der fünf Ringe.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 11 in Ausgabe 4 - 26.03.2003

    Das olympische Feuer ist nicht nur in den Herzen der Menschen in Nordrhein-Westfalen entfacht, es lodert auch im Landtag. Im Rahmen eines Parlamentarischen Abends standen dort alle Zeichen, besonders die der Rheinturm-Uhr, auf bunt - "so bunt wie die Welt". Moderiert von WDR-Mann Peter Großmann, ließen die geladenen Gäste aus Politik und Sport keinen Zweifel offen: Wenn es bei der Entscheidung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) am 12. April einzig um Enthusiasmus und allgemeine Euphorie ginge, sollte Düsseldorf Rhein-Ruhr die Nase vorn haben.
    Die Wortbilder bei allen Rednern und Diskussionspartnern waren vom sportlichen Wettkampf geprägt. Fast hätte man meinen können, die Bewerbung sei bereits eine olympische Disziplin per se. "Es geht in die Zielgerade", so Landtagsvizepräsident Dr. Helmut Linssen in seiner Eröffnungsrede. Und: "Für den Sieg gegen andere gute Mitbewerber ist gerade das Durchhaltevermögen auf der Zielgeraden entscheidend." Auf die Laufwettbewerbe freut er sich am meisten.
    Laut Richard Winkels, Präsident des LandesSportBundes NRW, darf man "die Führung, die man hat, nicht wieder aufgeben". Das gelte nicht nur beim 100-Meter Lauf. Mit Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin und NRW Sportminister Dr. Michael Vesper (GRÜNE) war er einer Meinung: Allein von der Bewerbung profitiert der Breitensport in NRW. Auch von Seiten der PR-Branche kamen nur begeisterte Prognosen: "Durch Olympia kann NRW weltweit berühmt werden", so Walter Hagemeier von der Unternehmensberatungsfirma Roland Berger. Grund genug, die Werbe- und PR-Trommel noch einmal heftig zu rühren.
    Die farbenprächtige Illumination des Fernsehturms, möglich gemacht durch die Düsseldorf Illuminated Stiftung, sorgte am nächsten Tag für Schlagzeilen. Und es gab sogar einen Rekord an diesem Abend: Das kleinste Olympia- Museum der Welt, zusammengestellt von einem Sammler aus Neuss, war in der Wandelhalle des Landtags aufgebaut. Die rheinländischen Bands "Kläävbotze" und "Halve Hahn" sorgten musikalisch für gute Stimmung. Begeisterung rief auch eine Gruppe junger Turnerinnen aus Mönchengladbach hervor, die mit olympiareifen Salti glänzte. Viele der Mädchen waren im richtigen Alter, um 2012 mit dabei zu sein.
    Aber auch die hochkarätigen Sportler, die als Olympia-Botschafter im Dienste der NRW- Bewerbung durchs Land ziehen, konnten sich sehen lassen. Die Dressurreiterin Nadine Cappellmann und der Schwimmer Christian Keller setzten sich geradezu leidenschaftlich für Olympia in ihrer Heimatregion ein. Christian Keller ging sogar so weit: "Wenn mir jemand sagen würde, wir bekämen dafür die Spiele, würde ich auch ohne zu zögern den Rhein entlang schwimmen". Der olympische Virus hat nicht nur ihn erwischt.
    MP

    Bildunterschriften:
    Unübersehbar im dunklen Abendhimmel erstrahlte der Fernmeldeturm neben dem Landtagsgebäude in den Farben der Bewerbung.
    Hoch hinaus wollten die Turnerinnen aus Mönchengladbach, die unter der Kuppel der Wandelhalle ihre akrobatischen Sprünge zeigten.

    ID: LIN02120

  • Howe, Inge (SPD)
    Inge Howe (SPD) - als Expertin hochwillkommen.
    Interview mit der neuen Vorsitzenden des Frauenausschusses.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 3 in Ausgabe 3 - 05.03.2003

    Sie gehören dem Landtag erst seit knapp drei Jahren an und wurden am 7. Februar schon als Vorsitzende eines Ausschusses gewählt. Wie kam es dazu?

    Durch den Weggang von Renate Drewke war der Vorsitz des Arbeitskreises III der SPD-Fraktion neu zu besetzen. Diese Funktion wollte ich lieber einer Kollegin mit mehr Parlamentserfahrung überlassen. Deshalb übernahm Gerda Kieninger den Vorsitz im Arbeitskreis und ich den Vorsitz im Ausschuss.

    Welche Gesetzgebungsvorhaben hat oder hatte der Ausschuss für Frauenpolitik in der laufenden Wahlperiode federführend zu beraten?

    Ein wichtiges Vorhaben war das Thema Gewaltschutz mit der Änderung des Polizeigesetzes. Für NRW neu geregelt ist darin, dass die Polizei gewalttätige Männer aus der Wohnung verweisen kann. In diesem Zusammenhang steht noch an, dass wir uns mit der Rolle der Kinder bei Gewalt in der Familie befassen. Hauptthema zur Zeit ist die Umsetzung des Hartz-Konzepts, konkret: die angemessene Berücksichtigung der Belange von erwerbstätigen und arbeitslosen Frauen.

    In Ihrem erlernten Beruf einer Krankenschwester haben Sie sich mehr und mehr auf Pflege spezialisiert und begannen sogar noch das Studium "Pflegemanagement". Im Landtag arbeiten zwei Enquetekommissionen an Themen der Frauengesundheit und an der Zukunft der Pflege. Können Sie Ihre Mitarbeit dort als Ausschussvorsitzende fortsetzen?

    Ja. Ich bin in der Enquetekommission "Frauengerechte Gesundheitsversorgung" Sprecherin meiner Fraktion. Die Arbeit ist sehr umfangreich. Wir stoßen dort häufig auf Ungleichbehandlung von Frauen und Männern, wo das bisher niemand vermutet hat. In meinem früheren Beruf war ich als Personalratsvorsitzende des drittgrößten Krankenhauses in NRW, nämlich des Klinikum Minden mit 2800 Beschäftigten, mit vielen Problemen befasst, die sowohl im Frauenausschuss als auch in der Enquete-Kommission behandelt werden. Meine Fraktion war heilfroh, dass sie für das Ressort Frauen/Gesundheit/ Pflege eine Fachfrau hatte. Bei akauftuellem Handlungsbedarf bemühen sich beide Gremien auch gemeinsam, so zum Beispiel, als es um die Schließung eines Brustkrebszentrums ging.

    Zur Zeit beschäftigt sich der Ausschuss mit sehr sensiblen Themen wie anonyme Geburt, Babyklappe, Spätabtreibungen. Welche Erfahrungen haben Sie bei solchen Themen mit den anderen Fraktionen gemacht?

    Natürlich gibt es auch kontroverse Meinungen, gerade bei solchen Themen, bei denen es um sehr persönliche Dinge geht. Wir wollen individuelle Entscheidungen möglichst nicht einengen. In vielen Fragen haben wir alle das gleiche Interesse. Das macht die Ausschussarbeit angenehm. Es ist auch wichtig, dass wir männliche Ausschussmitglieder haben. Die Mehrheit wird jedoch immer weiblich sein.

    Welche Aufgaben sehen Sie künftig für den Ausschuss für Frauenpolitik?

    In Zeiten vermeintlich erreichter Gleichberechtigung ist dieser Ausschuss keinesfalls überflüssig. Wir passen auf, dass die bisher erreichten Erfolge nicht wegen knapper Mittel gefährdet werden. Und es gibt immer wieder neue Aufgaben wie "gender mainstreams", zum Beispiel bei der Beschäftigungspolitik im Hartz-Konzept, bei frauengerechten Reformen im Gesundheitswesen sowie bei allen neuen Gesetzgebungsvorhaben.

    Bildunterschrift:
    Der Ausschuss für Frauenpolitik wählte am 7. Februar Inge Howe (SPD, l.) zur neuen Vorsitzenden. Die bisherige Vorsitzende Gerda Kieninger (SPD, r.) hat den Vorsitz im Arbeitskreis der Fraktion übernommen und ist jetzt Sprecherin im Ausschuss.

    ID: LIN00412

  • Jüngere Frauen sind besser qualifiziert.
    Erwerbstätigkeit und die Umsetzung des Hartz-Konzepts.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 3 in Ausgabe 3 - 05.03.2003

    Im Ausschuss für Frauenpolitik berichtete Referatsleiterin Inke Böhrnsen (Landesarbeitsamt) über Frauenerwerbstätigkeit in NRW und die Umsetzung des Hartz-Konzepts. Sie informierte auch über Neuerungen in Gesetzen zu Dienstleistungsberufen.
    Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist danach auch in NRW gestiegen und lag im Jahr 2001 mit 59 Prozent nur noch wenig unter dem westdeutschen Durchschnitt. Das sei Ausdruck der guten Qualifikation der jüngeren Frauen,meinte Inke Böhrnsen.Nur ein Drittel der Frauen ist allerdings vollzeitbeschäftigt. Ihr Anteil an Teilzeit- und an geringfügiger Beschäftigung beträgt 85 und 73 Prozent. Bei den Arbeitslosen steigt aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktlage der Anteil der Männer, während er bei Frauen auf 41,5 Prozent (2002) sank. Das sei darauf zurückzuführen, dass vor allem in männlich dominierten gewerblichen Berufen Arbeitsplätze abgebaut würden. Fast die Hälfte aller arbeitslosen Frauen nimmt an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung teil. Das sei auch auf ihre höhere Vorqualifikation zurückzuführen, sagte Böhrnsen.
    Bei der Umsetzung des Hartz-Konzepts komme es darauf an, für Frauen mehr Teilzeitbeschäftigung zu schaffen. Für Mini-Jobs bis 400 Euro bei haushaltsnahen Dienstleistungen gibt es seit Jahresbeginn steuerliche Anreize. So genannte Midi-Jobs bis 800 Euro sind voll sozialversicherungspflichtig. Die Beitragssätze sind jedoch gestaffelt. Durch den Existenzgründungszuschuss, der drei Jahre lang vom Arbeitsamt gezahlt wird, steigen die Chancen für Frauen, die sich in einer Ich-AG oder einer Familien-AG selbstständig machen wollen.

    Systematik: 5040 Frauen; 2410 Arbeitsmarkt

    ID: LIN00727

  • Ostwestfalen - Modellregion für Frauengesundheit.
    Kommission will im kommenden Jahr ihren Bericht vorlegen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4 in Ausgabe 3 - 05.03.2003

    Ostwestfalen hat sich in den vergangenen fünf Jahren zu einer Modellregion für Frauengesundheit entwickelt. Davon hat sich die Enquetekommission "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW" in ihrer Sitzung Mitte vergangenen Monats vor Ort überzeugen lassen. Bei ihrem Besuch in Bad Salzuflen informierten sich die Abgeordneten des Landtags sowie die sachverständigen Mitglieder der Kommission über die Arbeitsbereiche des Internationalen Zentrums für Frauengesundheit (IZFG) sowie ihre Erfahrungen bei der Umsetzung frauengerechter Angebote im Gesundheitswesen.
    Beeindruckt zeigten sich die Kommissionsmitglieder von:
    > der Second-Opinion-Ambulanz zur Entscheidungsfindung bei gynäkologischen Problemen,
    > den präventiven und rehabilitativen Gesundheitsangeboten der Burggrabenklinik, zum Beispiel der Frauen-Bewegungskur und der Amazonen-Kur nach Brustkrebs,
    > der Arbeit der Koordinationsstelle NRW Frauen und Gesundheit, die gemeinsam mit dem Feministischen Frauengesundheitszentrum Hagazussa in Köln betrieben wird und insbesondere
    > vom Aufbau regionaler Strukturen und Netzwerken sowie den Veranstaltungen und Fachberatungen durch die Mitarbeiterinnen der Koordinationsstelle.
    Dr. Barbara Ehret-Wagener, Dr. Monika Weber, Dr. Christiane Niehues und Dorothea Jöllenbeck sind die engagierten Gesundheitsprofis des IZFG in Bad Salzuflen und haben frauengerechte Ansätze für die Rehabilitation entwickelt. Sie erproben die Übernahme in das gesundheitliche Versorgungssystem und entwickeln ihre Angebote entsprechend weiter.
    Eine wichtige Aufgabe des Internationalen Zentrums für Frauengesundheit ist die gemeinsam mit dem Frauengesundheitszentrum in Köln betriebene Koordinationsstelle Frauen und Gesundheit NRW - ein vom Land NRW gefördertes Modellprojekt. Fünf Mitarbeiterinnen, Carola Lehmann, Gabriele Klärs, Dr. Monika Weber, Walburga Freitag und Christina Kuhlemann arbeiten für die Vernetzung frauengerechter Ansätze in der landesweiten Versorgung. Sie profitieren davon, dass sie an unterschiedlichen Orten des Landes, in der Metropole Köln sowie in der ländlichen Region Ostwestfalen angesiedelt wurden. Außerdem ist es ein Vorteil, dass sie einerseits durch das IZFG nah am etablierten Versorgungssystem angegliedert sind und andererseits durch das Frauengesundheitszentrum Köln die aus der Selbsthilfe hervorgegangene Frauengesundheitsberatung und -praxis mit im Boot haben. So gelingt es ihnen optimal, die unterschiedlichen Hintergründe für das gemeinsame Ziel der Verbesserung der Frauengesundheit in NRW nutzbar zu machen.
    Die Enquetekommission erarbeitet zurzeit Perspektiven für eine frauengerechte gesundheitliche Versorgung in Nordrhein-Westfalen. Dazu hat sie sich in zehn Themenfeldern schwerpunktmäßig einen Überblick über das aktuelle Wissen und die anstehenden Herausforderungen verschafft. 2004 will die Enquetekommission dem Landtag NRW ihren Bericht vorlegen, in dem Handlungsempfehlungen für zukünftige politische Entscheidungen präsentiert werden.
    Die Mitglieder der Enquetekommission "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW" waren sich einig, dass die Gesundheitsleistungen von Frauen im Alltag gesellschaftspolitisch höher eingeschätzt werden müssen als bisher. Die Kommission will daher die erforderlichen Rahmenbedingungen verändern. Das Projekt Frauengesundheit braucht Orte, sie braucht Anerkennung für die geleistete Arbeit und Ressourcen sowie über die Modellphasen hinausgehende Perspektiven.

    Systematik: 5040 Frauen; 5200 Gesundheit

    ID: LIN00978

  • Neue Gleichstellungsbeauftragte seit Februar im Amt: "Es gibt noch was zu tun".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 5 in Ausgabe 3 - 05.03.2003

    Nach fünf Minuten Gespräch mit ihr steht fest: Es ist noch lange nicht selbstverständlich, dass Frauen in höheren Positionen beschäftigt sind. Katrin Sandmann ist seit Anfang Februar die neue Gleichstellungsbeauftragte des Landtags. Resolut, selbstbewusst und mit einem Ziel vor Augen: Sich für die gleiche und faire Behandlung von Frauen und Männern in der Landtagsverwaltung einzusetzen. Katrin Sandmann weiß, wovon sie spricht. Die Juristin hat früher selber erlebt, wie es ist, wenn man als einzige Frau auf einem Posten sitzt, der sonst nur Männern vorbehalten war. So bekam sie bei einem Termin außer Haus von ihrem männlichen Verhandlungspartner überrascht zu hören: "Oh, eine Frau. Sonst kennen wir ja nur Ihren Altherrenverein".
    Ihr Job umfasst die Teilnahme an Sitzungen, Arbeitsgruppen und Vorstellungsgesprächen und die Pflege von Kontaktenvon Kontakten zum Personal-Management und zum Organisations- und Haushaltsreferat. Überall heißt es: Fragen stellen, Maßnahmen begleiten, Vorstellungen einbringen.Aktiv beteiligt sich Katrin Sandmann an Personalentscheidungen, um die Auswahlgremien zu sensibilisieren. "Die Qualifikationen von Frauen, auch außerberufliche, wie Kindererziehung, müssen stärker berücksichtigt werden". Im Landtag sei der Anteil der Frauen an den Spitzenpositionen im höheren Dienst noch viel zu gering - nur drei von 18 Referatsleitern/-innen sind weiblich.
    Die Arbeit von Katrin Sandmann beruht auf folgendem Recht und Gesetz: Das Landesgleichstellungsgesetz von 1999 und der aktuelle Frauenförderplan von 2002, der Ende März 2004 ausläuft und dann mit den neuesten Zahlen fortgeschrieben wird. "Es ist erklärter Wille der Politik, die Rechte der Frauen mit denen der Männer gleichzusetzen. An der Umsetzung muss aber noch gearbeitet werden ... ", so die 35-Jährige, die ansonsten im Petitionsreferat für Ausländerrecht zuständig ist. Die Erfahrungen, die sie dort in Sachen ÜberLandesgleichstelzeugungsarbeit, Verhandeln und Argumentieren gesammelt hat, kann sie auch für ihre neue Herausforderung gut gebrauchen.
    Beispiel Telearbeit: "Die Arbeit von zu Hause aus ist nicht nur ein Instrument für Frauen, sondern auch für Männer, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen möchten". Ein Thema so zu diskutieren heißt für Katrin Sandmann Gleichstellung vorantreiben - oder auch: "Gender-Mainstreaming". Ein besonderes Anliegen ist ihr auch die Verankerung der geschlechtsneutralen Sprache in Gesetzen, Verordnungen, aber auch in der Presse. Als Absolventin der Kieler Uni weiß sie, wie gut das dort funktioniert, denn Schleswig-Holstein ist ein Vorreiter in dieser Beziehung.
    Also: Handlungsbedarf gibt es genug. Seit vier Jahren wohnt die Hobby-Köchin in der Landeshauptstadt am Rhein, vermisst aber immer noch das Meer und "den Blick in die Weite". Der Kampf für die Rechte der Frauen, wofür sie halb freigestellt wurde, ist aber ein Ansporn und eine lohnenswerte Aufgabe für sie: "Da ist noch was zu tun, auch wenn meine Vorgängerin Maria- Anna Schmitz sehr gute Arbeit geleistet hat".
    MP

    Bildunterschrift:
    Nachfolgerin und Vorgängerin mit den Spitzen des Hauses: Die neue Gleichstellungsbeauftragte Katrin Sandmann (r.) zusammen mit Landtagspräsident Ulrich Schmidt (2.v.r.), Landtagsdirektor Peter Jeromin (2.v.l.) und Amtsvorgängerin Maria- Anna Schmitz (l.)

    ID: LIN00980

  • Von Politikverdrossenheit keine Spur.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 5 in Ausgabe 3 - 05.03.2003

    Anlässlich des Internationalen Frauentages gastiert ab dem 11. März die Wanderausstellung "Ich pack aus und mach mit" in der Wandelhalle des Landtags Nordrhein-Westfalen.
    Einmischung erwünscht!" - dieser Aufforderung waren mehr als 700 Mädchen und junge Frauen nachgekommen, die an einem Projekt zum Thema "Mädchen mischen sich ein in Politik und Öffentlichkeit" mitgearbeitet haben. Die Idee für das Projekt stammt von dem Verein "Frauen unterstützen Mädchenarbeit e. V." (FUMA), ein Zusammenschluss von Menschen, die sich gemeinsam für die Interessen und Anliegen von Mädchen und jungen Frauen in Nordrhein-Westfalen einsetzen. Mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder in NRW und in Kooperation mit zahlreichen Kommunen und örtlichen Einrichtungen konnte das Projekt bereits im Sommer 2001 realisiert werden. Den Mädchen und jungen Frauen sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihre Meinungen, Wünsche und Hoffnungen, ebenso wie ihre Ängste und Forderungen hinsichtlich aktueller politischer, kultureller und sozialer Fragen publik zu machen.
    Mädchen in Schule und Politik, Grenzverletzungen und sexuelle Gewalt, Mädchen gegen Rechtsextremismus, Berufs- und Lebensplanung sowie Mädchen in Kultur und Medien - das sind nur einige der Themen, welche die beteiligten Mädchen aus 16 Städten in NRW in insgesamt 23 Einzelprojekten vorstellen werden. Für die Eröffnungsfeier sind unter anderem die Auftritte der "Streetdance-Gruppe Gütersloh", des Kölner Mädchen Hip Hop Musicals "Schäl Sick Sistas" sowie der Theatergruppe der Gesamtschule Velbert geplant, die ein Theaterstück zum Thema sexueller Missbrauch aufführen werden. Darüber hinaus erwartet die Besucher die Ausstellung einer Vielzahl von Bildern, bemalten Stofffahnen, Skulpturen und Modellen sowie Videofilme und CD-Präsentationen. Gleichzeitig werden die Teilnehmerinnen die Möglichkeit haben, ihre Fragen im Rahmen einer Diskussionsrunde direkt an die Abgeordneten des Landtags NRW zu stellen. Moderiert wird die Veranstaltung durch die FUMA Schirmfrau Helga Kirchner vom WDR Köln. Die Ausstellung läuft bis zum 21. März.

    ID: LIN00981

  • Monotonie bei der Arbeit ist "negativer Stress".
    Auch Geringschätzung belastet Frauen in speziellen Berufen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6 in Ausgabe 3 - 05.03.2003

    Wie kann frauengerechter Gesundheits- und Arbeitsschutz aussehen? Dieser Frage widmete sich ein Fachgespräch der Enquetekommission "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW". Unter der Leitung der Vorsitzenden der Enquetekommission, Marianne Hürten (GRÜNE), diskutierten im Landtag über 50 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Institutionen und Organisationen. Die Stellungnahmen zahlreicher ExpertInnen aus Wissenschaft, Landesbehörden, Gewerkschaften, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Betrieben lieferten dabei den fachlichen Hintergrund und vielfältige Vorschläge für einen frauengerechten Arbeits- und Gesundheitsschutz.
    Einseitige körperliche Belastungen auf der einen Seite und psychosoziale Belastungen andererseits prägen den Arbeitsalltag vieler erwerbstätiger Frauen. Zu nennen sind die vielen Stehberufe, schweres Heben und Tragen, die hohe Beanspruchung im Pflegebereich aber auch einseitige Belastungen in neuen Berufen, etwa in Call- Centern. Relativ unbeachtet ist bis heute die arbeitswissenschaftliche Erkenntnis, dass Monotonie in der Arbeitsgestaltung und fehlende Entscheidungsmöglichkeiten wesentliche negative Stressfaktoren sind. Dazu kommen die Belastungsfaktoren Zeitdruck und hohe Arbeitsintensität.
    Mit VertreterInnen von Krankenkassen und Instituten wurde intensiv über die Frage diskutiert, welchen Beitrag zur Frauengesundheit betriebliche Gesundheitsberichterstattung leisten kann. Da die Krankenkassen häufig nicht über repräsentative Versichertengruppen in einzelnen Betrieben verfügen, werden alternativ Berufsgruppen- oder auch Branchengesundheitsberichte erstellt.

    Datenlage

    Zur Verblüffung vieler TeilnehmerInnen berichtete Dr. Bernard Braun, dass Geschlechtsunterschiede bewusst herausgerechnet werden, um auf Grundlage einer standardisierten Belegschaftszusammensetzung zu Branchenvergleichen zu kommen. Eine Schlussfolgerung war daher, dass die Standards der betrieblichen Gesundheitsberichterstattung verändert werden müssen. Denn solange es keine geschlechtsdifferenzierten, arbeitsplatzbezogenen Daten über die gesundheitliche Situation gibt, fehle die konkrete Grundlage für einen gendersensiblen Arbeitsschutz.
    Am Nachmittag wurden in drei von Claudia Pinl moderierten Foren Praxisbeispiele für einen frauenrelevanten Arbeits- und Gesundheitsschutz vorgestellt und diskutiert.
    Als besonders belastend wurde die Situation der Reinigungskräfte dargestellt.
    Dabei gestalten sich die Arbeitsbedingungen für Frauen in Abhängigkeit von den Arbeitsorten und den betrieblichen Strukturen unterschiedlich.Vor allem in großen Reinigungsunternehmen mit großräumig verteilten Einsatzorten klagen die Beschäftigten über lange Wegezeiten, hohe Arbeitsbelastungen, mangelnde Gestaltungsmöglichkeiten, das schlechte Image ihres Berufs und die Geringschätzung ihrer Arbeit. Deutlich positiver wurde vom landesgeförderten Modellprojekt "Dienstleistungspool für Privathaushalte" berichtet. Hier lassen sich die Arbeits- und Gesundheitsbedingungen gesundheitsförderlich gestalten. Zeit und Raum für die Integration von Arbeitsschutzunterweisungen in den Alltag oder auch für den wichtigen Austausch der Beschäftigten untereinander sind gegeben. Vielfältige Forderungen zur Verbesserung der Situation der Reinigungskräfte wurden formuliert. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass die Forderung nach einer Imagekampagne zur Verbesserung des Ansehens des Berufs in der Öffentlichkeit ganz oben steht?
    Die verschiedenen AkteurInnen der Friseurbranche präsentierten ihren Bereich als besonders gelungenes Good-Practice-Beispiel. In einer groß angelegten Hautschutzkampagne mit verschiedenen auf die unterschiedlichen Gruppen zugeschnittenen Elementen gelang es, die Arbeitsgestaltung von Friseurinnen zu verbessern und die Hautallergien auf einen Bruchteil zurück zu drängen. Aber auch hier wurde deutlich, dass die Geringschätzung der Kundinnen zum Belastungsfaktor werden kann und ihre mangelnde Einsicht Arbeitsschutzmaßnahmen in Frage stellt. Am Beispiel der Friseurin wurden anschließend Forderungen zur systematischen Integration des Themas Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Berufsschulunterricht entwickelt.
    Den spannenden Schluss bildeten die Arbeitsbedingungen im Call-Center. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die dauerhafte, oft faIsche Beanspruchung der Stimme Frauen stärker belastet als Männer. Der Gesundheitsschutz kann durch Stimmtrainings und veränderte Arbeitsgestaltung erheblich verbessert werden. Es wurde empfohlen, diese Stimmtrainings in die Gesundheits- und Arbeitsschutzrichtlinien für Call- Center Angestellte mit aufzunehmen. Von Gewerkschaftsvertreterinnen wurde kritisiert, dass häufig die Bildschirmarbeitsplatzverordnung nicht umgesetzt wird. Hier ist nach wie vor die Überwachung durch den staatlichen Arbeitsschutz gefordert.
    Ohne der noch bevorstehenden Auswertung der Fachtagung vorzugreifen, lässt sich ein positives Ergebnis bereits festhalten: Dr. Eleftheria Lehmann, Leiterin der Landesanstalt für Arbeitsschutz NRW, nahm für sich als Arbeitsauftrag aus der Veranstaltung mit, Handlungsanleitungen für geschlechtssensible Gefährdungsanalysen zu entwickeln. Die Veranstaltung hat gezeigt, dass Interesse an Gender Mainstreaming im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz da ist, ees allerdings noch an Konzepten fehlt.

    Bildunterschrift:
    Die Probleme beim Namen genannt und dabei nicht durch die Blume gesprochen (v.l.): Dr. Judith Berger von der Krankenkasse DAK, Dr. Deden vom Arbeitsministerium und Kommissionsvorsitzende Marianne Hürten (GRÜNE).

    Systematik: 5040 Frauen; 5200 Gesundheit; 2450 Arbeitsbedingungen

    ID: LIN00985

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Die Fraktionen im Landtag NRW