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  • Porträt: Henning Höne (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 26.09.2023

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag. Der 36-jährige Industriekaufmann aus Coesfeld ist auch Chef der nordrhein-westfälischen FDP.
    "Das Beste liegt noch vor uns": Davon ist Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion und Landesvorsitzender der FDP, überzeugt. Er sagt aber auch: "Ich finde, dieses Land ist zu satt - diese Zufriedenheit liegt wie Mehltau über uns."
    Höne ist seit 2012 Mitglied des Landtags, er kam aus dem ländlichen Coesfeld in die Landeshauptstadt. Schon als Jugendlicher engagierte er sich in der Politik. "Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Individualität" waren die Schlagworte, die ihn zu den Jungen Liberalen brachten. Noch gut erinnert er sich an die Landtagswahl 2005, vor der er in der Coesfelder Innenstadt Flyer verteilte und ein Bürger ihn wegen Steinkohlesubventionen "sportlich angegangen" sei, wie Höne es ausdrückt: "Das Thema hatte ich in Coesfeld nun wirklich nicht auf dem Schirm."
    Für ihn zählten damals die Themen Bildung und Ausbildung. 2010, als er zum Landesvorsitzenden der Jungen Liberalen gewählt wurde und zum ersten Mal zu Gast in dem Büro war, das inzwischen sein eigenes ist, weitete sich sein Blick. "Besonders spannend war für uns die Zeit der Minderheitsregierung", erinnert sich Höne, "damals wurden wir als Jugendorganisation plötzlich deutlich stärker wahrgenommen, unsere Meinung zählte."
    2012 zog Höne dann selbst in den Landtag ein: "Plötzlich konnte ich hauptberuflich das machen, was bislang Ehrenamt war." Als die FDP 2017 nach vielen Jahren wieder mit in die Regierung kam, wurde Höne Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, hatte plötzlich viel mit dem in Coesfeld so fernen Steinkohleausstieg, aber auch mit anderen Themen zu tun. "Von außen wirkt es oft, als bestehe Nordrhein-Westfalen nur aus Rheinland und Ruhrgebiet", sagt Höne. "Dabei lebt knapp die Hälfte der Menschen im ländlichen Raum, das darf man nicht aus dem Blick verlieren."
    Dass die FDP seit 2022 wieder in der Opposition ist, findet Höne natürlich schade. "Aber jeder, der in die Politik geht, muss sich bewusst sein, dass er keine klassische Karriere macht, in der es immer nur aufwärts geht. Stattdessen musst du in der Lage sein, unterschiedliche Rollen zu übernehmen. Demokratie braucht eben jemanden, der den Finger in die Wunde legt. Jemanden, der die Offenheit zu beidem hat, zu gestalten, aber auch zu beaufsichtigen."

    "Wettbewerbsfähigkeit"

    Demokratie bedeute aber auch Streit: "Wenn wir in unserer Geschichte zurückblicken, dann waren die großen Entscheidungen oft auch besonders strittig", sagt Höne und verweist auf den Nato-Doppelbeschluss und die Agenda-Politik von Gerhard Schröder. "Nicht jede Entscheidung muss 90:10 ausgehen, so kommen wir im Land nicht weiter." Dass sich etwas tue, sei wichtig: "Wir nehmen das, was wir erreicht haben, heute viel zu selbstverständlich. Wenn wir sehen, dass sich die BRICS-Staaten erweitern und kein Problem haben, auch mit Russland Geschäfte zu machen, dann zeigt das doch, dass wir nicht leichtfertig damit umgehen dürfen, was wir hier geschaffen haben."
    Das bedeute auch, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht aus den Augen zu verlieren. "Es entsteht gerade bei manchen der Eindruck, wir könnten künftig alle vier Tage im Homeoffice sitzen und trotzdem unseren Lebensstandard halten, das kann rechnerisch nicht aufgehen." Dabei spricht sich Höne für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus: Er selbst ist Vater von zwei kleinen Kindern, pendelt für seinen Job zwischen Coesfeld und Düsseldorf. "Kinder erden dich", sagt der Familienvater. "Wenn du morgens mit deinem Sohn noch darüber diskutierst, wie viel Zahnpasta auf die Zahnbürste gehört, verfolgst du eine Haushaltsdebatte danach auf andere Art."
    Seine Freizeit verbringt Höne am liebsten mit seiner Familie. Beim Kinderturnen auf dem Trampolin oder auf dem Fahrrad mit Anhänger quer durchs Münsterland. So sehr er in Düsseldorf die vielfältige Gastronomie schätzt und "dass man bei dem engen Takt nicht erst schauen muss, wann die nächste Straßenbahn kommt", fährt er auch immer wieder gern zurück ins Münsterland. "Dort gibt es zwar weniger Auswahl, aber trotzdem schöne Restaurants und viel Natur. Ich bin dort groß geworden, Zuhause bleibt eben Zuhause."
    Maike von Galen

    Zur Person
    Henning Höne wurde in Coesfeld geboren, wo er bis heute lebt. Nach dem Abitur absolvierte er ein duales Studium der Betriebswirtschaft an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Münster und der Fachhochschule Münster. Er schloss das Studium als Industriekaufmann, Betriebswirt und Bachelor of Arts Betriebswirtschaft ab. Berufsbegleitend studierte er zudem von 2011 bis 2017 Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Management und Marketing an der Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen. Höne ist seit 2005 Mitglied der FDP. Von 2008 bis 2020 war er Vorsitzender des FDP-Kreisverbands Coesfeld, von 2014 bis 2023 Vorsitzender der FDP-Kreistagsfraktion. Von 2010 bis 2013 war er Landesvorsitzender der Jungen Liberalen. Seit 2012 ist er Mitglied des Landtags.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Die Buddenbrooks lassen mich nicht los -ein zeitloses Epos. Im Alltag gerne ein Krimi oder ein Sachbuch zu Geschichte und Zeitgeschehen.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Counting Crows, Matchbox Twenty, Goo Goo Dolls, Jason Mraz, John Mayer u. ä., aus der Zeit in den USA ist auch Country geblieben.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Joghurt und Orangensaft.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Die USA.

    ID: LI230616

  • Porträt: Vizepräsident Christof Rasche (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 27.12.2022

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Christof Rasche, 3. Vizepräsident des Landtags. Der 60-jährige FDP-Politiker aus Erwitte wurde Anfang Juni ins Parlamentspräsidium gewählt.
    In einer knappen Stunde beginnt der Verkehrsausschuss und Christof Rasche muss sich noch "verkleiden". So nennt er das, wenn er Anzug, Hemd und Krawatte für offizielle Termine aus seinem Büroschrank holt und anzieht. Jetzt sitzt er aber noch mit Jeans und olivgrünem Pullover an seinem Schreibtisch, hinter dem die Flaggen Nordrhein-Westfalens, Deutschlands und Europas aufgestellt sind. Rasche ist Vizepräsident des Landtags.
    Im Gespräch berichtet er, wie sein großer Bruder ihn 1983 in die FDP holte, obwohl sein Vater damals bereits 20 Jahre lang als CDU-Vorsitzender und Bürgermeister in seiner Heimatstadt Erwitte Politik machte. "Große Brüder sind eben oft Vorbilder", sagt Rasche. In seiner Familie sei nicht das Parteibuch entscheidend gewesen, sondern dass man sich gesellschaftlich engagiert: im Schützen- oder Sportverein, in der Kommunalpolitik.
    Seit 1994 ist Christof Rasche Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion in Erwitte. Obwohl er seit 22 Jahren im Landtag sitzt, ist er in der Kommunalpolitik immer aktiv geblieben: "Die Menschen sehen im Fernsehen viel über Weltpolitik, spüren in ihrem Alltag Kommunalpolitik - die Landespolitik verschwindet dazwischen ein bisschen", sagt er. Dabei seien Themen wie Schule, Polizei oder Verkehr und Gesundheit Bereiche, die Menschen ganz unmittelbar berührten: "Dafür müssen wir wieder stärker werben und rausgehen, es den Menschen erklären."
    Es war der damalige FDP-Landesvorsitzende Jürgen Möllemann, der ihn einst in die Landespolitik holte: Nachdem Rasche in Erwitte bei der Kommunalwahl 1999 mit 18 Prozent das beste Ergebnis landesweit für die FDP einfuhr, sollte er nach Wunsch von Möllemann auch im Land Stimmen für die Liberalen sammeln. Doch dazu musste Rasche einen guten Listenplatz ergattern, sich auf der Landesdelegiertenversammlung als Außenseiter durchsetzen. "Vielleicht war das mein großer Vorteil. Ich bin da nicht als große Nummer aufgetreten, sondern als Greenhorn, das sagen konnte: 'Ich bin einer von euch.' Das hat funktioniert."
    Schon 2002 kam Rasche in den Fraktionsvorstand, 2012 wurde er Parlamentarischer Geschäftsführer. Sein politisches Credo: "Man sollte immer respektvoll miteinander umgehen. In der Sache kann man streiten, aber nicht persönlich." Starre Parteigrenzen sind seine Sache nicht: "Ich könnte auch in einer SPD von Peer Steinbrück oder einer wirtschaftsnahen CDU sein", sagt der Liberale. Auch wenn er sich in der FDP "pudelwohl" fühlt, mag er das starre Denken in Parteigrenzen nicht. Wohl auch deshalb ist ihm die Zeit der Minderheitsregierung unter SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in guter Erinnerung. Das ständige Ringen um Mehrheiten in der Sache hat ihm gefallen. "Das war ein völlig neuer Umgang miteinander", erinnert er sich.

    "Schöne und intensive Zeit"

    Dennoch stand er 2012 vor der schwierigen Entscheidung, den vorgelegten Haushalt, der eine hohe Neuverschuldung vorsah, abzulehnen (wie es die politische Überzeugung der FDP verlangt habe) oder durchzuwinken (was das politische Überleben der Koalition bedeutet hätte). Innerhalb einer Viertelstunde entschieden sich Rasche und seine Kolleginnen und Kollegen gegen den Haushalt und damit für Neuwahlen.
    Gemeinsam mit dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner kämpfte der Erwitter sich und die Liberalen 2017 in die Landesregierung - mit einer Stimme Mehrheit für eine schwarz-gelbe Koalition. Die darauffolgenden fünf Jahre "waren eine schöne und intensive Zeit", sagt Rasche, in der Zeit FDP-Fraktionschef, im Rückblick. Doch auch in seinem neuen Amt als Vizepräsident des Landtags fühlt er sich wohl: "Das Werben für Demokratie ist schon immer Teil meines politischen Engagements gewesen", sagt er. "Wenn man sieht, dass nur ein Prozent der Deutschen ein Parteibuch haben und davon die meisten auch nur passive Mitglieder sind, dann müssen wir dringend dafür sorgen, dass die Politik in der Breite größere Akzeptanz findet."
    Ein Schlüssel dafür ist für Rasche der faire Umgang miteinander. Das kennt er aus dem Sport: 30 Jahre spielte Rasche Handball. "Da lernt man Respekt, Teamgeist und ein gutes Zweikampfverhalten." Was ihn ebenfalls prägt: ein ständiger Wechsel zwischen Stadt- und Landleben. "An Düsseldorf mag ich den Krach, die tollen Lokale und Konzerte", sagt er. Aber dann freut er sich, auch wieder nach Hause in die Region Lippstadt zu kommen: "Da sind die Menschen, die mich lange begleitet haben, da ist viel Ruhe und das italienische Restaurant, in das man einfach immer geht und bekannt ist. Zuhause eben."
    Maike von Galen

    Zur Person
    Christof Rasche wurde 1962 in Erwitte (Kreis Soest) geboren. Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Von Mai 2012 bis Oktober 2017 war er Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, von Oktober 2017 bis Mai 2022 deren Vorsitzender. Seit 2021 ist er Mitglied im FDP-Bundesvorstand. Rasche ist seit Juni 2000 Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags und seit Juni 2022 Vizepräsident.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    "Life Changer - Zukunft made in Germany: Wie moderner Erfindergeist unser Leben verändert und den Planeten rettet" von Christoph Keese, da hier der Zukunft optimistisch entgegengetreten wird.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Das ist unterschiedlich: Beim Skifahren im Skiurlaub Après-Ski-Hits, bei einer Party gerne Aktuelles oder Schlager. In einer ruhigen Phase gerne Oldies wie "You raise me up" von den Thomas-Schwestern - das habe ich gerade aktuell im Ohr.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Käse, Obst, Lachs, Nudeln und Wein - vorzugsweise für einen entspannten Abend.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Ich mag den Wintersport in Corvara oder im Berchtesgadener Land, Städte wie Hamburg und München sind sehr reizvoll. Im Sommer ist es der eigene Garten.

    ID: LI221021

  • Porträt: Daniela Beihl (FDP).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 10 - 30.11.2021

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Daniela Beihl (FDP). Die 36-jährige Politikwissenschaftlerin aus Espelkamp ist u. a. Sprecherin ihrer Fraktion im Wissenschaftsausschuss.
    Daniela Beihl ist sportbegeistert - und wegen dieser Leidenschaft ist die 36-Jährige, die eine Start-Zulassung für den Berlin-Marathon im kommenden Jahr hat, in die Politik gegangen: Vor 15 Jahren sollte das einzige Freibad ihrer Heimatstadt Espelkamp im ostwestfälischen Kreis Minden-Lübbecke geschlossen werden. Und Beihl, die als Jugendliche im Verein Fußball gespielt hat und bei Leichtathletik-Wettkämpfen dabei war, wollte das verhindern.
    2006 trat die Sportlerin deshalb in die FDP ein. Denn deren langjährige Fraktionsvorsitzende in Espelkamp, Gisela Vorwerg, kämpfte leidenschaftlich für das Waldfreibad, das heute gerade von Grund auf neu errichtet wird. In der FDP-Ratsfraktion der rund 25.000 Menschen zählenden Stadt wurde Beihl sachkundige Bürgerin, ging in den Sportausschuss. Im selben Jahr begann sie in Bielefeld ein Studium der Politik- und Medienwissenschaften. "Ich habe auch überlegt, Lehrerin zu werden", erzählt die Abgeordnete bei einem Gespräch im Landtag. "Doch dann war ich begeistert von meinem Studium und habe mir auch einen Job in der Politik vorstellen können."
    Aus einer "typischen FDP-Familie" komme sie nicht, sagt Beihl. Ihr Vater hat jahrzehntelang als Tischler gearbeitet, ihre Mutter ist gelernte Schneiderin, ihr 33-jähriger Bruder Koch. Ihr Studium hat die Liberale durch einen Job im Einzelhandel, als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft, finanziert. "Eigentlich hätte ich in die SPD eintreten müssen", lacht sie - aber mit der Partei habe sie sich einfach nicht identifizieren können.
    Sie sei eben so erzogen worden, dass sie "eigenverantwortlich und eigenständig durchs Leben gehen" solle, sagt Beihl - und dieses "Lebensgefühl" habe sie in ihrer Partei wiedergefunden: "Die FDP glaubt an jeden, will jedem die bestmöglichen Chancen geben - aber jeder soll immer noch eigenverantwortlich handeln können."
    Nach ihrem Master-Abschluss 2012 ging Beihl nach Hannover. Schon in der Landeshauptstadt Niedersachsens arbeitete die Politikwissenschaftlerin im Landtag, war Referentin für Schule, Wissenschaft und Kultur der FDP-Fraktion. 2015 wechselte sie dann an den Rhein, wurde in Düsseldorf Büroleiterin des FDP-Landtagsabgeordneten Marc Lürbke.
    Selbst Parlamentarierin ist Beihl seit dem 27. Juni 2019. Nachgerückt ist sie für den aus dem rheinischen Langenfeld stammenden Moritz Körner, der ins Europaparlament gewechselt ist. Wie Körner vertritt sie im nordrhein-westfälischen Landtag die FDP im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Fall Anis Amri, der sich mit dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz 2016 befasst - und ist hochschulpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
    Aus Düsseldorf nach Espelkamp zurückgezogen ist die Abgeordnete trotzdem direkt nach Antritt ihres Mandats. "Ich vertrete den Kreis Minden-Lübbecke - deshalb ist es selbstverständlich, dass ich dort lebe und wohne", sagt Beihl, die sich selbst als "Ostwestfälin durch und durch" beschreibt. Im Rat ihrer Heimatstadt ist sie FDP-Fraktionsvorsitzende, in Düsseldorf macht sie sich für gute Studienbedingungen stark. Die Hochschulpolitikerin kämpft für ein "auskömmliches" und vor allem "elternunabhängiges" BAföG ebenso wie für die Freiheit der Universitäten: Den Versuch Chinas, über seine Konfuzius-Institute Lesungen aus dem Buch "Xi Jinping - der mächtigste Mann der Welt" zu verhindern, hat sie scharf als "inakzeptabel" verurteilt.
    Als Ostwestfälin freut sich Beihl natürlich über die neue medizinische Fakultät der Universität Bielefeld, die ab diesem Wintersemester 60 Studierende ausbildet. Ein "sehr wichtiges Signal für den ländlichen Raum" sei das, findet sie - und hofft auf "Klebeeffekte", die helfen könnten, den immer drängender werdenden Hausärztemangel auf dem Land zu lindern.
    Möglich gemacht habe das die "Respekt-getragene" Koalition mit den Christdemokraten. Verbesserte Bildungschancen stünden auch für die kommende Legislaturperiode für Beihl im Fokus ihrer Arbeit. Auf der Landesliste der Liberalen steht Beihl an 24. Stelle - und sollte die FDP wie in aktuellen Umfragen 13 Prozent oder mehr erreichen, zieht der Listenplatz.
    Andreas Wyputta

    Zur Person
    Daniela Beihl wurde am 8. Dezember 1984 in Rahden geboren. Von 2005 bis 2012 studierte sie Politik- und Medienwissenschaften an der Universität Bielefeld. Das Studium schloss sie 2012 mit dem "Master" ab. Von 2013 bis 2015 arbeitete sie als Wissenschaftliche Referentin der FDP-Fraktion für Kultus, Wissenschaft und Kultur im Landtag Niedersachsen. Von 2015 bis 2019 war sie Wissenschaftliche Referentin/Büroleiterin im Büro des FDP-Landtagsabgeordneten Marc Lürbke. Beihl ist seit Juni 2019 selbst Abgeordnete im nordrhein-westfälischen Landtag. Sie rückte für Moritz Körner nach.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Da ich gerne und viel lese, ist die Frage nicht leicht zu beantworten. Ich mag politische Bücher, aber auch Biografien spannender Persönlichkeiten und im Urlaub auch sehr gerne Romane oder Klassiker.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Es kommt immer auf die Stimmung und die Situation an. Ich mag House- und Popmusik, aber auch mal die 80er oder Jazz.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Joghurt und je nach Saison: Himbeeren, Brombeeren und Heidelbeeren. Ich versuche, mich gesund zu ernähren, aber trotzdem ist auch mal eine Schokolade im Kühlschrank zu finden.

    Ihr liebstes Reiseziel?

    Am liebsten reise ich zur Erholung nach Italien. Sehr spannend finde ich aber auch Städtetrips nach New York oder Rom.

    ID: LI211025

  • Porträt: Thomas Nückel (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 04.05.2021

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Thomas Nückel (FDP). Der 58-jährige Journalist stammt aus Herne. Seine Schwerpunkte im Landtag sind die Verkehrs-, die Kultur- und Medien- sowie die Europapolitik.
    Den Rat eines längst verstorbenen Oberbürgermeisters seiner Heimatstadt Herne hat Thomas Nückel in den Wind geschlagen. Als der damalige Schülersprecher bei der Einweihung eines neuen Schulgebäudes mit einer sehr beeindruckenden Rede aufgefallen war, hatte ihm das Stadtoberhaupt empfohlen, der SPD beizutreten - sonst könne er in der Stadt nichts werden. Angesprochen fühlte sich Nückel dagegen wenig später vom Informationsstand der Liberalen Hochschulgruppen, als er für ein Referat Unterlagen aus der Bochumer Universitätsbibliothek sammeln musste. Kurz entschlossen gründete er mit ein paar Freunden in der Arbeiterstadt eine Ortsgruppe der Jungen Liberalen und trat mit 16 Jahren in die FDP ein.
    An ein Leben als Berufspolitiker dachte Nückel damals keine Sekunde. Er schlug die journalistische Laufbahn ein, arbeitete für verschiedene Zeitungen und Agenturen, wechselte dann zum Fernsehen, überwiegend mit dem Schwerpunkt Regionales. Schon damals habe ihn gestört, dass man als Journalist zwar viel über alle möglichen Probleme berichten, aber wenig tun konnte, um Probleme zu lösen.
    Das änderte sich in seinen Augen, als 2004 aus dem Kommunalverband Ruhr der Regionalverband Ruhr wurde, mit mehr Kompetenzen und besetzt entsprechend der Stärke der Parteien in der Region. Das sei die Chance, etwas zu verändern, dachte Nückel, zumal er die Mitgliedschaft im Ruhrparlament gut mit seiner beruflichen Arbeit vereinbaren konnte. Auch die FDP habe gemeint, er sei der Richtig für das neue Gremium. Zugute sei ihm dabei eine Erfahrung gekommen, die er als Parteimitglied der Liberalen im Ruhrgebiet gemacht habe: Er habe gelernt, mit Widerstand zu leben und in kontroversen Diskussionen standhaft zu bleiben.
    Nückels Wirbeln im Regionalverband blieb seiner Partei nicht verborgen, und so konnte er 2010 zum ersten Mal für den Landtag kandidieren, allerdings auf einem aussichtslosen Listenplatz. Zwei Jahre später, nach der völlig unverhofften vorzeitigen Auflösung des Landesparlaments, trat er erneut auf einem scheinbar genauso aussichtslosen Platz an. Doch weil die FDP weit besser abschnitt als erwartet, zog Nückel vor mittlerweile neun Jahren in den Landtag, für den er auch im nächsten Jahr wieder kandidieren will. Mittlerweile ist der 58-Jährige Vorsitzender des Verkehrsausschusses und Sprecher seiner Fraktion im Kulturund Medienausschuss sowie im Ausschuss für Europa und Internationales.

    Termine am Bildschirm

    Die seit über einem Jahr grassierende Corona- Pandemie habe die politische Arbeit massiv verändert. Es gebe zwar nicht weniger Termine als früher, aber die fänden jetzt am Bildschirm statt. An bis zu neun Videokonferenzen an einem Tag hat Nückel schon teilgenommen. Ortstermine, etwa die vor allem im Verkehrsbereich wichtigen Besichtigungen an Ort und Stelle, fallen weitgehend weg.
    "Es geht", sagt Thomas Nückel, "aber es geht einem auch auf den Wecker." Kontakt zu anderen Parteimitgliedern oder Bürgerinnen und Bürgern in seinem Wahlkreis in Herne hält er über Facebook, Instagram und Whats- App. An manchen Tagen laufen einige Hundert E-Mails bei ihm ein. Nückel vermisst vor allem die Begegnungen mit Medienschaffenden und den Aktiven in der Theaterszene, für die sein Herz ganz intensiv schlage. Ihm fehlten die Gespräche unter vier oder sechs Augen, ein paar persönliche Worte und dass man nach einem offiziellen Termin noch zusammen einen Wein trinke.
    Von den Auswirkungen der Pandemie besonders hart getroffen ist der Kulturbereich, in dem sich Nückel schon vor seiner politisch-parlamentarischen Arbeit als Schauspieler, Hörspielsprecher und Theatergründer engagiert hat. Jetzt gehe es darum, den Kulturbetrieb im Land am Leben zu halten und das werde schwierig. Viele Künstler, ob Musiker, Schauspieler, Kabarettisten oder andere hätten keine Reserven mehr.
    Das Land habe viel getan, die Ausgaben für Kultur kontinuierlich erhöht und erst kürzlich die Künstlerstipendien verlängert, der Bund dagegen habe die Notlage lange Zeit "verpennt". Und selbst wenn, wie Nückel hofft, sich im Sommer oder Spätsommer ein goldener Streifen am Horizont abzeichnet, werde es für die Kunstszene noch einige Zeit dauern, bis Theater, Konzertsäle, Kinos und anderes wieder voll sein würden.
    Peter Jansen

    Zur Person
    Thomas Nückel wurde in Herne geboren. Er ist seit 1979 Mitglied der FDP. Seit 2012 gehört er dem Landtag an, seit 2017 ist er Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Nückel ist zudem seit 2006 Mitglied im FDP-Landesvorstand NRW.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Kostolanys Börsenpsychologie (1991) - ein amüsant geschriebenes Buch eines brillanten Beobachters, der viel über menschliche Eigenarten und Unvollkommenheiten schreibt und so nebenbei praktische Tipps für Aktienfans vermittelt.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Klassik: Beethoven; Funk & Soul: Prince; Singer-Songwriter: Leonhard Cohen; Deutsch-Rock: Heinz-Rudolf Kunze

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Mineralwasser und dunkle Schokolade (früher: ein Satz Ilford-Filme)

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Portugal (Küste nördlich von Lissabon) & Hawaii (Big Island) & San Marino

    ID: LI210416

  • Porträt: Christian Mangen (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 9 - 01.12.2020

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Christian Mangen (FDP). Der Jurist stammt aus Mülheim/Ruhr und wollte eigentlich nie in die Berufspolitik, wie er sagt. Doch es kam anders. Mangen ist seit 2017 Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags. Als Sprecher der FDP-Fraktion im Rechtsausschuss profitiert er von seiner Erfahrung als Rechtsanwalt.
    Der parlamentarische Betrieb nimmt Fahrt auf an diesem Dienstagmorgen. Die Fraktionen tagen nach den Herbstferien zum ersten Mal, Abgeordnete eilen durch das Landtagsfoyer zu den Sitzungssälen. Christian Mangen sieht sich um, nippt an seinem Milchkaffee. "Ich wollte nie in die Berufspolitik", sagt der Freidemokrat nachdenklich. Jetzt ist er mittendrin.

    Erster Job bei Großwerft

    Darauf hat nichts hingedeutet, damals, als er 1991 an der Otto-Pankok-Schule in Mülheim das Abitur macht. Der Karriereentwurf sieht Politik nicht vor, sondern Rechtswissenschaft. Er studiert in Bielefeld, Speyer und Düsseldorf. Den ersten Job bekommt er 1996 als Vorstandsassistent bei der Bremer Vulkan. Als die Großwerft in Konkurs geht, übernimmt ihn kurzzeitig die renommierte Sozietät Redeker, die das Verfahren gegen den Vulkan-Vorstandschef geführt hat. Mit der Anstellung in einer Oberhausener Anwaltskanzlei kehrt Christian Mangen bald darauf an seinen Geburtsort Mülheim zurück.
    "Politisch war ich nicht vorgeprägt", sagt der 48-Jährige. Dabei ist Politik zu Hause immer ein Thema. Beide Elternteile sind Mitglied der FDP. Sein Vater, Betriebsleiter bei Mannesmann, sitzt für die Liberalen im Mülheimer Rat. Doch das politische Erweckungserlebnis des Sohnes kommt erst später und fällt paradoxerweise in eine Phase um sich greifender Politikverdrossenheit. "Das fand ich doof ", erzählt Mangen, "mein Standpunkt war immer, dass man sich engagieren muss."

    "Freiheitsgedanke" reizt

    Doch wo? Die SPD, zu der er bis heute einen "guten Draht" hat, und die CDU kommen durchaus in Frage, die Grünen dagegen scheiden aus. "Ihre Verbotskultur ging mir gegen den Strich", sagt er. Am meisten reizt ihn der "Freiheitsgedanke" der FDP, die Idee, jeder solle sich im Rahmen der Gesetze entfalten können. Es bleibt sein Credo bis heute: "Ich war und bin überzeugt, dass ich am besten weiß, was gut für mich ist." 1993 tritt er in die FDP ein.
    Zwölf Jahre vergehen - als Rechtsanwalt hat er sich längst selbstständig gemacht -, dann lenkt der Zufall sein Leben in eine neue Richtung. In Mülheim springt der bereits nominierte Landtagskandidat der FDP wieder ab. Ersatz muss her, Mangen ist zur Stelle. Auf Listenplatz 113 hat er "null Chance", denkt sich: Das war’s mit der Politik! Doch sein Einsatz hinterlässt Eindruck. Als die FDP drei Jahre später einen OB-Kandidaten sucht, spricht ihn Kreischefin Ulrike Flach an. Mangen macht’s wieder - und wieder vergeblich, auch wenn er das landesweit beste Ergebnis für die FDP einfährt.
    Ende der Fahnenstange, sagt er sich erneut, doch wieder kommt es anders. 2012, vor der vorgezogenen Neuwahl des Landtags, dümpelt die NRW-FDP im Umfragekeller, als der aufstrebende Spitzenkandidat Christian Lindner frische Kandidaten sucht. Diesmal verfehlt Christian Mangen den Einzug in den Landtag nur hauchdünn. Fünf Jahre später dann, als die Regierung Kraft/Löhrmann abgewählt wird, ist er "drin". Und findet sich schnell in der Realität des Abgeordnetendaseins wieder: Sein erlernter Beruf verkümmert fast zum Nebenjob. "Es ist schon viel, wenn ich einen Tag pro Woche als Rechtsanwalt arbeite", sagt er.
    Als Sprecher der FDP im Rechtsausschuss profitiert er von seiner Erfahrung - etwa bei der Gesetzesänderung zur Juristenausbildung ("Das schafft heute kein Student ohne fremde Hilfe") oder der Strafverschärfung bei sexuellem Missbrauch von Kindern, der künftig grundsätzlich als Verbrechen geahndet werden soll. Auch im Kampf gegen die Corona-Krise, sagt er, müssten gerade Rechtspolitiker darauf achten, "dass die Grundrechte der Bürger gewahrt bleiben".
    Wie geht es weiter? Bei der Landtagswahl 2022 will Mangen auf jeden Fall wieder kandidieren. "Mein Leben lang werde ich das aber nicht machen", sagt er. Mal sehen. Wäre ja nicht das erste Mal, dass es anders kommt.
    Theo Schumacher

    Zur Person
    Christian Mangen ist seit 2010 Chef der Mülheimer FDP und saß bis 2018 im Stadtrat. Mit seiner Frau Paulina, die er vor fünf Jahren beim FDP-Parteitag in Siegburg kennengelernt hat, lebt er in Mülheim-Holthausen. Mangen ist seit Juni 2017 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Marc Aurel "Selbstbetrachtungen". Es fällt nie aus der Zeit, obwohl es schon vor 2.000 Jahren geschrieben wurde.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Marinechöre

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Curry-Paste

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Kampen

    ID: LI200925

  • Porträt: Lorenz Deutsch (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 03.06.2020

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Lorenz Deutsch (FDP). Der 51-jährige Kölner ist kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion.
    Lorenz Deutsch hält einen Moment inne. Man hätte schon über hellseherische Gaben verfügen müssen, sagt er dann, um sich die Bedingungen vorzustellen, unter denen die Menschen in Nordrhein-Westfalen, in der Bundesrepublik, in Europa und nahezu überall auf der Welt seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor einigen Monaten zu leben gezwungen sind. Voller Staunen denkt er daran zurück, wie schnell sich sein normalerweise prall gefüllter Terminkalender binnen weniger Tage geleert hat, als ob "das Wasser abläuft, wenn der Stöpsel aus der Badewanne gezogen wird". Langweilig wurde es dem kulturpolitischen Sprecher der FDP-Landtagsfraktion dennoch nicht. Statt Stunden in der Bahn, dem Auto und den verschiedensten Sitzungsräumen zu verbringen, häuften sich die Telefon- und Videokonferenzen am heimischen Schreibtisch.
    Dass er auf viele direkte Kontakte mit Bürgerinnen und Bürgern des Landes, Begegnungen mit Familie, Freunden sowie Gesprächspartnerinnen und -partnern aus der Kulturszene verzichten musste, war für den 51-jährigen Kölner schmerzhaft und besonders gewöhnungsbedürftig. Die vom Staat angeordneten Einschränkungen hält Deutsch gleichwohl für richtig, sie hätten dazu beigetragen, dass Land und Bund die Herausforderungen einigermaßen bestanden haben. Bedenken hat der Liberale dennoch bei den tiefen Eingriffen in das private Leben der Menschen, so etwas habe es in der Geschichte der Bundesrepublik nie zuvor gegeben. Jetzt müssten nicht die Bürgerinnen und Bürger begründen, warum sie wieder mehr Freiheiten wollten, sondern die Politik müsse sehr sorgfältig darlegen, warum welche Einschränkungen weiterhin erforderlich seien. Wichtig seien dabei die richtigen Prioritäten, sagt Deutsch, "wir müssen parallel arbeiten". Ob es um Kultur, Sport, Wirtschaft oder die Kinder gehe - man dürfe nicht eins gegen das andere ausspielen, sondern müsse alle Bereiche gleichermaßen im Auge haben.
    Der Germanist und Politikwissenschaftler hat erst vergleichsweise spät den Weg in die praktische Politik gefunden. Zwar stand er schon immer den Gedanken des Liberalismus nahe, doch erst nach dem Studium befand er, es sei nun an der Zeit, sich politisch zu engagieren, und trat in seiner Heimatstadt Köln den Freien Demokraten bei. 2004 wurde er von der Partei gebeten, als sachkundiger Einwohner im Kulturausschuss des Stadtrates mitzuwirken, und dann, so sagt Deutsch heute, ist eins zum anderen gekommen. Wenige Jahre später rückte er in die Bezirksvertretung für die Kölner Innenstadt ein, wurde in den FDP-Kreisvorstand gewählt, stieg zum Vizeparteichef auf und ist seit 2017 der oberste Freidemokrat in Köln.
    Der Kulturpolitiker Deutsch empfindet es als Privileg, dass es auf diesem Feld, anders als etwa in der Innen-, Finanz- oder Bildungspolitik, einen großen Schulterschluss aller Beteiligten gebe, egal, ob sie einer Koalitions- oder Oppositionsfraktion angehörten. Die Vertreter aller Parteien empfänden sich als Sachwalter der Kultur im Lande, "da gibt es einen großen Korridor, in dem man gemeinsam agiert". Das Aufgabengebiet ist breit gefächert. Das Land Nordrhein-Westfalen ist selbst Träger einiger Institutionen wie der Kunstsammlung NRW oder dem Düsseldorfer Schauspielhaus, die Kulturpolitiker entscheiden über die Förderung von Projekten und Einrichtungen durch alle Sparten. Dabei ergänzen sie von Landesseite die Arbeit der Kommunen, auf denen die Hauptlast für Orchester und Theater liegt. Zurzeit werde an einem Rahmengesetz für die Kulturpolitik gearbeitet, in dem alle Regelungen zusammengefasst werden sollten.
    Besonders stolz ist Deutsch auf eine Neuerung, die durch die Corona-Beschränkungen allerdings derzeit noch auf Eis liegt. Hinter dem sperrigen Begriff "Bibliotheksstärkungsgesetz", das vor allem auf sein Betreiben zurückgehe und das vom Landtag einstimmig verabschiedet wurde, verbirgt sich die Möglichkeit, dass alle öffentlichen Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Mönchengladbach praktiziere den offenen Sonntag seit geraumer Zeit mit großem Erfolg, so Deutsch, jetzt sollten alle Kommunen folgen. Im Vordergrund steht für Deutsch dabei nicht die Ausleihe, sondern die Möglichkeit, sich in den Bibliotheken etwas anzuschauen, auszusuchen, auszuprobieren, mit der ganzen Familie nach Büchern, Spielen, Filmen oder anderem zu suchen.
    In der wenigen freien Zeit, die Landtagsfraktion und Kreisverband Deutsch lassen, bleibt er dem Thema Kultur treu, er liest viel und gerne, geht ins Theater und in Konzerte und gelegentlich schafft er es sogar zu joggen. Als gebürtiger Kölner ist es nahezu unvermeidbar, dass er nicht nur zu den Karnevalsjecken zählt, er ist auch Fan des 1. FC Köln. Nur die Dauerkarte, die er lange besaß, hat er nicht erneuert, ihm fehlt schlicht zu oft die Zeit, ins Stadion zu gehen.
    Peter Jansen

    Zur Person
    Lorenz Deutsch hat Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität zu Köln studiert. Von 1998 bis 2011 war er dort wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Sprache und Literatur. 2011 wechselte er ans Institut für Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Deutsch ist seit 1997 Mitglied der FDP. Er ist seit Oktober 2017 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Deutsch rückte für FDP-Chef Christian Lindner nach, der damals in den Bundestag wechselte.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Ich lese viel, und eigentlich ist immer das aktuelle mein Lieblingsbuch. Aber wenn ich mich entscheiden müsste (einsame Insel ...), dann fiele die Wahl auf: Shakespeare, Complete Works.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Das ist ganz stimmungsabhängig, und deshalb auch sehr vielfältig. Was ich immer schätze, ist gutes Songwriting. Hier ein Tipp: The Divine Comedy.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Es ist immer für ein gutes Frühstück an Samstag und Sonntag mit meiner Frau gesorgt - unverzichtbar: Käse.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Italien, eigentlich überall, aber besonders: Apulien.

    ID: LI200416

  • Porträt: Stephen Paul (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 03.12.2019

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Stephen Paul (FDP). Der 47-Jährige stammt aus Herford, er hat eine Banklehre absolviert sowie Politik- und Kommunikationswissenschaften studiert.
    Stephen Paul unterscheidet ganz genau. Nicht Langeweile. Für ihn geht es eher um "lange Weile". Der FDP-Abgeordnete hat einen vollen Kalender, ist viel unterwegs. Der 47-Jährige pendelt viel zwischen Düsseldorf, der Landeshauptstadt, und seiner Heimat Herford. Doch wenn in den seltenen Momenten einmal Ruhe eintritt, wird Paul nicht unruhig. Im Gegenteil. Aus der "langen Weile" zieht er die Kraft für neue anstehende Aufgaben.
    Wenn die Zeit dafür da ist, schnappt sich Paul seine Frau, den Sohn (10) und die Tochter (6) und geht sonntags raus in den Wald. "Dann nehmen wir einfach mal einen Zeichenblock und Stifte mit, setzen uns irgendwo hin und malen, was wir so sehen", so Paul. Die "lange Weile" - Paul mag den Begriff. "Mir sind solche Modewörter wie ‚Quality Time‘ eher zuwider", sagt er. Lange Weile soll für seine Kinder etwas Alltägliches werden. "Wir singen zum Beispiel auch sehr viel, lesen gemeinsam. Dann liegt auch mein Diensthandy mal ausgeschaltet im Büro und brummt nicht ständig in der Hosentasche", erklärt Paul.

    "Alter Hase" im politischen Geschäft

    Wenn er wieder Kraft getankt hat, ist Stephen Paul da für die, die ihn gewählt haben. "Ich versuche, der Politiker zu sein, den ich selbst auch wählen würde", gibt der Herforder als sein Credo aus. "Ich empfinde es als Privileg, einer von 199 Abgeordneten für knapp 18 Millionen Bürger sein zu dürfen", so Paul. "Da empfinde ich Dankbarkeit und habe an mich selbst den Anspruch, dieser Aufgabe gerecht zu werden." Im Landtag sitzt er "erst" seit 2017. Dennoch ist Stephen Paul im politischen Geschäft trotz seiner 47 Jahre bereits ein "alter Hase". Schon 1989 trat er in die FDP ein. Er schaute auch mal bei den Jusos und bei der Jungen Union rein, blieb dann aber bei den JuLis hängen. "Ich fand es bei den JuLis deutlich politischer als bei den anderen", erinnert er sich. Paul machte Abitur, eine Banklehre und seinen Zivildienst in der Schwerstbehindertenbetreuung, kümmerte sich um einen schwerbehinderten Jungen. Zu ihm hat er auch heute noch regelmäßig Kontakt. Danach studierte er in Münster Politik- und Kommunikationswissenschaften, arbeitete für diverse Bundestagsabgeordnete. Von 2004 bis 2017 war er selbstständiger Berater in einer Personalentwicklungsgesellschaft, machte Coachings, Trainings.
    Auch politisch entwickelte er sich weiter. Schnell wurde er Delegierter für den Bundesparteitag, 1999 Vorsitzender der FDP-Fraktion im Herforder Kreistag. "Mit 27 war ich damals der jüngste Fraktionsvorsitzende dort aller Zeiten", schmunzelt er. Der Kreistagsfraktion bleibt er auch weiter als Vorsitzender treu.
    In der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe war er zunächst sachkundiger Bürger, später dort auch Fraktionsvorsitzender bis 2017. Um seiner Verbundenheit zur Heimat besonderen Ausdruck zu verleihen, hat er sich vor 14 Jahren etwas Besonderes einfallen lassen. Seitdem organisiert er in Herford die Verleihung eines Bürgerpreises, den er ins Leben gerufen hat. "Das ist quasi eine Art ‚Oscar‘ für die stillen Stars in unserer Gesellschaft", so Paul.
    Im Fitness-Studio lernte Paul beim Sport seine Frau Dilek kennen. "Sie ist meine wichtigste Stütze und meine wichtigste Ratgeberin", sagt Paul. Mit ihr diskutierte er auch lange die Möglichkeit, über die Landesliste der FDP in den Landtag einziehen zu können. "Wenn sie nicht zu 100 Prozent dahintergestanden hätte, hätte ich es nicht gemacht", so Paul. Auch die Kinder waren einverstanden, obwohl sie ihren Vater wegen der Pendelei zwischen Herford und Düsseldorf seltener sehen als früher.
    Umso wichtiger ist Paul daher die Zeit mit der Familie, die bleibt. Deswegen steuern sie auch im Urlaub Ziele an, an denen sie möglichst viel Zeit miteinander verbringen können. "Wir fahren gerne an die Ostsee, nach Mecklenburg- Vorpommern oder auch an den Bodensee oder nach Italien", so Paul.

    "Probleme lösen"

    Den Einzug in den Landtag sieht Paul als beruflichen Neustart. "Es ist eine Freude, dass mir Vertrauen geschenkt wird. Das ist für mich eine Motivation. Die Freude, Probleme zu lösen." Für seine politische Tätigkeit ist sein Heimatbezug sehr wichtig. Für den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen war er daher prädestiniert. Für die FDP-Fraktion im Landtag ist er Sprecher für Heimat, Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung und Sprecher für Religion und Kirchen. Für den gläubigen Protestanten Paul ebenfalls eine Herzensangelegenheit.
    Jörg Löbker

    Zur Person
    Stephen Paul ist seit 2017 Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen und seit 1989 Mitglied der FDP. Der Herforder ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Ich lese gerne zeitgeschichtliche und gesellschaftskritische Literatur, etwa Egon Kischs "rasenden Reporter" oder Erich Kästners "blaues Buch".

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Mein Musikgeschmack ist vielseitig. Von Klein auf bedeuten mir Martin Luthers "ein feste Burg" oder Matthias Claudius "alle gute Gabe" sehr viel. Sie berühren mein Herz. Hier singe ich lauthals mit.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Ein kühles herrliches Herforder.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Die südliche Toskana.

    ID: LI190919

  • Porträt: Franziska Müller-Rech (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 16.04.2019

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Franziska Müller-Rech (FDP). Die 33-Jährige aus Bonn gehört dem Landesparlament seit 2017 an.
    Ein Schulreferat hat die schulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion in ihre Partei gebracht. An der Bonner Liebfrauenschule, einem katholischen Mädchengymnasium, sei sie dafür tief ins Programm der FDP eingetaucht, erzählt Franziska Müller-Rech. "Wir waren immer eine politische Familie", sagt die 33-Jährige - "die Tagesschau war Pflichtprogramm."
    An den Liberalen interessiert habe sie der "Freiheitsgedanke". Schließlich sei ihr Vater aus der DDR nach Westdeutschland geflohen, sagt die Bonnerin, die im gründerzeitlichen Musikerviertel aufgewachsen ist - und die Leistungsorientierung der Partei: Sie selbst hat schon in der Schule eine Klasse übersprungen. Und nach dem Abitur 2003 entschied sie sich für ein berufsintegriertes duales Studium: Versicherungswesen an der TH Köln. "Auch da bin ich familiär geprägt", lacht Müller-Rech: "Mein Vater war Versicherungsmakler, und auch zwei meiner drei Brüder arbeiten in der Versicherungsbranche."
    Sie habe es einfach toll gefunden, schon mit knapp 22 Jahren zwei Abschlüsse zu haben, sagt die Diplom-Kauffrau, die sich selbst als "Pragmatikerin durch und durch" beschreibt. Es folgten zehn Jahre beim Versicherungskonzern Talanx, wo sie nach Stationen als Assistentin und Referentin mit 29 Teamleiterin im Kundenservice eines Pensionsfonds wurde.
    2006, ein Jahr vor Ende des Studiums, ist Franziska Müller-Rech in ihre Partei eingetreten - auch wegen des aus Bonn stammenden Guido Westerwelle: "Bewundert" habe sie den ehemaligen FDP-Außenminister, sagt sie noch heute.
    Auch in der Partei gilt Müller-Rech als Senkrechtstarterin: 2014 wurde sie schulpolitische Sprecherin der Ratsfraktion und Schatzmeisterin des Ortsverbands, 2015 stellvertretende FDP-Kreisvorsitzende. Und seit 2018, als ihr Vorgänger Joachim Stamp zum Integrationsminister und Vize-Ministerpräsidenten aufstieg, leitet sie den Bonner Kreisverband.
    Dass die FDP oft als männlich dominiert wahrgenommen wird, weiß Müller-Rech - in der Landtagsfraktion sind von 28 Abgeordneten nur fünf Frauen. Ihr selbst habe im Job wie in der Partei weitergeholfen, dass sie von ihren 16, 18 und 20 Jahre älteren Halbbrüdern mitgeprägt wurde: "Wir sind eine echte Patchworkfamilie", erklärt sie. "Meine Brüder waren für mich immer die entspannteren Erwachsenen." Bei Themen wie Autos und Fußball habe sie deshalb immer mitreden können, sagt die begeisterte Unterstützerin des 1. FC Köln. Auch das Mädchengymnasium habe "immer vermittelt, dass wir uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen dürfen".
    Dennoch erscheine die FDP auch ihr oft als "Männerwelt", sagt Müller-Rech: Noch fehlten zu oft die weiblichen "Peers", gerade jüngere Frauen in Führungspositionen. Gegen die Parteilinie denkt die Abgeordnete deshalb darüber nach, ob eine "temporäre Frauenquote" helfen könne. In Bonn versucht sie außerdem, politisches Engagement generell familienfreundlicher zu machen.

    "Elternwillen"

    Im Landtag steht Müller-Rech dagegen voll hinter der Linie von FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer - schließlich habe sie erst das "Scheitern von Rot-Grün in der Schul- und Innenpolitik" 2017 in den Landtag gebracht. Vorwürfe der Opposition, die von CDU und FDP beschlossene Unterstützung der Förderschulen bremse die Inklusion behinderter Schülerinnen und Schüler, lässt sie nicht gelten: Stattdessen respektiere die Regierungskoalition in bester liberaler Tradition den Elternwillen.
    In sozialen Brennpunkten will Müller-Rech mit besonders geförderten "Talentschulen" für mehr Chancen Benachteiligter sorgen, und ein Unterrichtsausfall von durchschnittlich fünf Prozent aller Schulstunden sei zwar bitter - werde von CDU und FDP aber detaillierter erhoben als von Rot-Grün. "Alles hängt davon ab, dass wir genug Lehrer an die Schulen bekommen", glaubt die Bildungsexpertin.
    Auch die "Fridays for Future"-Klimastreiks der Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts sieht die Bildungsexpertin wie ihre Partei kritisch - auf Verbote und Druck allein setzt sie aber nicht. "Wir brauchen Euch", appelliert sie stattdessen an die Streikenden. Politisches Engagement sei wichtig, "egal in welcher demokratischen Partei", sagt sie und macht deutlich, dass sie die AfD oft "menschenfeindlich" findet.
    Ob sie sich bereits als zukünftige Schulministerin sehe? "Nein", lacht Müller-Rech noch einmal und betont, die 1966 geborene amtierende Ressortchefin Gebauer sei doch "auch noch jung". Sie selbst habe im Moment den "tollsten Job, den ich mir vorstellen kann", sagt die "Rheinländerin aus Überzeugung", die in drei Karnevalsvereinen dabei ist und in Bonn gerade mit ihrem Freund in einer Wohnung des Hauses zusammenzieht, das ihr Ur-Urgroßvater 1888 gebaut hat. "Ich bin glücklich wie nie zuvor in meinem Leben."
    Andreas Wyputta

    Zusatzinformationen:
    Zur Person
    Franziska Müller-Rech ist seit 2017 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags und seit 2006 Mitglied der FDP. Die gebürtige Bonnerin ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Gleichstellung und Frauen, im Sportausschuss sowie im Ausschuss für Schule und Bildung, in dem sie auch Sprecherin ihrer Fraktion ist.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Der Herr der Ringe - weil ich ein großer Fantasy- Fan bin. Den ersten Band habe ich an einem Tag durchgelesen.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Meine Playlist ist grundsätzlich wild gemischt. Einen großen Schwerpunkt bilden aber eindeutig die 90-er.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Mein Frühstück ist immer auf Vorrat im Kühlschrank: Frisches Obst, Skyr und Ingwer. Die meisten Dinge bleiben bei mir auch nicht zu lange im Kühlschrank, weil ich gerne selbst und frisch koche.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Ich fahre gerne und häufig in die schottische Heimat meines Partners. Außerdem bin ich großer Asien-Fan - da stehen noch ein paar Länder und Regionen an, die ich gerne besuchen möchte. Ich war schon länger nicht mehr auf der Nordseeinsel Juist, da möchte ich bald noch einmal hin.

    ID: LI190420

  • Porträt: Henning Höne (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 20.11.2018

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Henning Höne, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Der 31-jährige Coesfelder ist studierter Betriebswirt, hat aber auch schon journalistisch gearbeitet.
    Dass er auf den verschiedenen Stationen seiner steilen politischen Karriere immer einer der Jüngsten war, ist für Henning Höne, den Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, kaum der Rede wert. Der jetzt 31 Jahre alte studierte Betriebswirt aus dem westfälischen Coesfeld war schon der jüngste Kreisvorsitzende der Freien Demokraten in Nordrhein-Westfalen. Er war bei seiner Wahl in den Landtag 2012 der jüngste Abgeordnete und ist in seiner jetzigen Funktion auch jünger als alle seine Kollegen aus den anderen Fraktionen.
    Dabei ist der hochgewachsene Parlamentarier eher zufällig in die Politik geraten. Von der Schülerzeitung des Pius-Gymnasiums in seiner Heimatstadt stieg er als freier Mitarbeiter bei der Lokalzeitung ein, schrieb für sechs Cent die Zeile über Kita-Feste und Jugendtreffen, beschäftigte sich mit den politischen Programmen der Parteien und ihrer Jugendorganisationen und blieb bei den Vorstellungen der Jungen Liberalen hängen. Ihr Motto - der Staat solle sich um die Absicherung der großen Lebensrisiken kümmern, im Alltag die Menschen in Ruhe lassen - entsprach seiner eigenen Überzeugung.

    Pressearbeit und Internet

    Im Alter von 16 Jahren unterschrieb er den Aufnahmeantrag beim FDP-Nachwuchs, trat auch bald der Partei bei, kümmerte sich um die Pressearbeit und den Internet-Auftritt der Liberalen vor Ort und machte in beiden Organisationen Karriere: 2010 wurde er Chef der Jungen Liberalen in NRW. Da stand er schon zwei Jahre an der Spitze des Kreisverbands der FDP.
    2010 kandidierte Höne, der damals gerade sein duales Studium abgeschlossen hatte und im Marketing eines mittelständischen Möbelherstellers arbeitete, zum ersten Mal für den NRW-Landtag, damals allerdings auf einem aussichtslosen Listenplatz. Doch schon zwei Jahre später bei der überraschend angesetzten Neuwahl rückte er auf Platz 1 der FDP im Münsterland vor und pendelt seitdem zwischen Düsseldorf und dem heimischen Coesfeld. Trotz seines rasanten Aufstiegs zu einem der wichtigsten Vertreter der FDP in NRW kommt für Höne ein Wechsel in die Bundespolitik nach Berlin oder in die Europapolitik nach Brüssel nicht in Betracht. Landespolitik findet er spannend, weil sie viel unmittelbarer auf das Leben der Bürger Einfluss habe als die Bundespolitik - für ihn auch ein Grund, sich weiter kommunalpolitisch zu engagieren. Und vor allem schätzt er auch, dass er bei einigermaßen günstiger Verkehrslage von Düsseldorf aus in einer Stunde zu Hause bei Familie und Freunden sein kann. Im Übrigen kann sich Höne ohnehin nicht vorstellen, sein Leben lang Politik zum Beruf zu machen. Er hält einen Wechsel zwischen der Arbeit in Parlamenten und der Arbeit in Unternehmen für beide Seiten für sinnvoll.

    USA zweites Zuhause

    Seitdem er als Schüler ein Auslandsjahr bei einer amerikanischen Familie in Florida verbracht hat, ist Höne ein großer Fan der USA. Ihn beeindrucken die kulturelle, politische und landschaftliche Unterschiedlichkeit der Staaten, der verbreitete Optimismus, die meist souveräne Art und Weise, mit Veränderungen umzugehen, das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Einzelnen. Kritisch sieht er aber, dass bei großen Lebensrisiken wie Alter und Krankheit viele Amerikaner allein gelassen werden. Auch nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten hat sich Hönes grundsätzlich positive Einstellung zu den USA nicht geändert. Trotz seiner Sorge um das transatlantische Verhältnis und die möglichen negativen Folgen von Trumps Wirtschafts- und Außenpolitik bleiben die USA für ihn ein zweites Zuhause, er fliegt möglichst einmal im Jahr über den Atlantik, besucht seine Gastfamilie und wohnt wieder in seinem alten Zimmer.
    Sein Job in Düsseldorf und seine Verpflichtungen im Münsterland lassen ihm nur wenig Zeit für Hobbys, im Sommer geht er gerne segeln, im Winter macht er Urlaub auf Skiern und zwischendurch hat er, wie er klagt, zu wenig Zeit, um regelmäßig zu laufen. Dafür liest er immer wieder Sachbücher über die europäische Geschichte und wenn er nach Berlin muss, geht er gerne ins Deutsche Historische Museum.
    Peter Jansen

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Henning Höne (31) ist verheiratet. Er gehört dem nordrhein- westfälischen Landtag seit dem 31. Mai 2012 an. Seit Oktober 2017 ist er Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion. Höne ist seit 2005 Mitglied der FDP, seit 2008 FDP-Kreisvorsitzender in Coesfeld. Seit 2010 ist er Mitglied im FDP-Landesvorstand in NRW.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Ein Klassiker: Die Buddenbrooks. Ein toller Roman mit einer zugleich faszinierenden und tragischen Familiengeschichte. Im Alltag eher Sachbücher zur europäischen Geschichte. Aktuell: Das unvollendete Weltreich von John Darwin.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Pop/Rock und Singer/Songwriter: Counting Crows, Jason Mraz, John Mayer, Matt Nathanson, Dave Matthews Band, Five For Fighting. ... Aus den USA ist auch noch eine Vorliebe für Country-Musik hängen geblieben.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Ohne Orangensaft und Joghurt wird es schwierig.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Die Welt ist zu groß für nur ein Ziel. Je nach Anlass: USA, Kanada, Großbritannien, Österreich und die Niederlande. Die nächsten Ziele liegen wahrscheinlich in Skandinavien.

    ID: LI181016

  • Porträt: Christof Rasche (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 27.03.2018

    Politik liegt in seinem Erbgut. Der 55-jährige Christof Rasche hat auf seinem Weg bis zum Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion an Vieles anknüpfen können, was ihm seine Familie in die Wiege gelegt hatte. Im westfälischen Erwitte lenkte sein Vater bereits die Geschicke der Stadt als Bürgermeister, da war Sohn Christof gerade sieben Jahre alt. Als sein Vater knapp zehn Jahre später von der heimischen CDU nicht wieder aufgestellt wurde, zog Christof Rasche, der damals, 1979, als 16-jähriger Schüler in der Jungen Union aktiv war, gemeinsam mit seinem älteren Bruder Konsequenzen. Der Bruder gründete in Erwitte einen FDP-Ortsverband. Und Christof Rasche begleitete ihn beim Aufbau. Das war der Beginn eines steilen Aufstiegs, zunächst in der Kommunalpolitik. Bereits 1994 wurde Rasche FDP-Fraktionschef im Rat. Während landesweit die FDP aus den Räten flog, behauptete sich Rasches Liberale Partei in Erwitte mit acht Prozent der Wählerstimmen.
    Der damalige FDP-Landeschef Jürgen W. Möllemann wurde auf das "gallische Dorf" in Westfalen aufmerksam, als Rasche mit seinem Team bei der Kommunalwahl 1999 stolze 18,5 Prozent errang: das beste Ergebnis in NRW. Der FDP-Chef ermunterte ihn, sich um ein Landtagsmandat zu bewerben. "Mich kannte auf Landesebene damals keiner, deshalb hatte ich auch keine innerparteilichen Gegner", erinnert sich der Politiker. Auf Anhieb schaffte Rasche, der sich selbst als "Netzwerker" sieht, im Jahr 2000 den Listenplatz für ein Parlamentsmandat. Mit der Erfolgsstory Erwitte konnte er punkten. 2014 erreichte die FDP in diesem Städtchen sogar 20,1 Prozent bei den Kommunalwahlen.
    Bei all diesen Erfolgen blieb Rasche bodenständig. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. 22 Jahre arbeitete er sich bei der Erwitter Sparkasse vom Lehrling zum Geschäftsstellenleiter hoch. Dort erfuhr er hautnah von den Problemen der Menschen. Etwa bei einer Kundin, die vor dem Tresen stand und 5 Mark abheben wollte. Weil sie im Minus war und kein Einkommen hatte, durfte er nichts auszahlen. "Ich tat es trotzdem", erinnert er sich - und zog sich prompt einen Rüffel der Vorgesetzten ein. "Es ist immer ein schmaler Grat, auf dem man geht, das gilt auch für die Politik", sagt Rasche.

    "Respekt vor dem Gegner"

    In Beruf und Politik habe er nur deshalb erfolgreich sein können, weil andere ihm den Erfolg auch gegönnt und ihn gefördert haben, glaubt er. Vielleicht hat seine geradlinige Haltung dazu beigetragen. Sehr wichtig ist ihm, dass andere wissen, dass man auf sein Wort vertrauen kann. "Das trägt auf Dauer." Dabei kann er durchaus auch sehr kantig sein. Dies ist eine Eigenschaft, die er sich als aktiver Handballspieler zu eigen gemacht hat. Als "Kreisläufer" vor dem gegnerischen Tor geht es hart zur Sache und er musste schon einmal einen Zahn opfern. Im Sport wie auch in der Politik gelte: Man muss Respekt vor dem Gegner haben.
    In Düsseldorf muss der Westfale indes keine Sorge vor Rempeleien haben. Die regelmäßigen Sitzungen im Koalitionsausschuss mit der CDU verliefen geradezu harmonisch. Und dass er mit der SPD keine Berührungsängste hat, bewies er schon während der Fußball-WM 2006. Die SPD hatte damals vor ihrer Fraktion zum Tischfußball-Turnier eingeladen und Rasche, damals FDP-Fraktionsvize, war einer der wenigen Landtagsabgeordneten, die die Ärmel hochkrempelten und mitmachten, selbst im Doppel mit Grünen-Fraktionsmitarbeitern. Sport verbindet eben - überparteilich.
    Heinz Tutt

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Christof Rasche (55) ist seit 2000 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Von 2002 bis 2012 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender, danach bis 2017 Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion. Seit Oktober 2017 ist Rasche Fraktionschef.

    ID: LI180319

  • Porträt: Angela Freimuth (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 24.11.2017

    Wenn etwas nicht so funktioniert wie es sollte, dann kann Angela Freimuth schon mal "auf die Palme" gehen, wie sie selbst sagt. Die FDP-Politikerin kümmert sich zur Not auch um die Verkabelung des Computers in ihrem Landtagsbüro, das sie nach der erneuten Wahl zur Landtagsvizepräsidentin erst kürzlich bezogen hat. Es ist kein repräsentativer Raum, eher ein helles, vielleicht nüchternes Arbeitszimmer, in dem nur wenige Dinge an den Privatmenschen Angela Freimuth erinnern. Etwa ein Bild an der Wand hinter ihrem Schreibtisch, das kleine Hand- und Fußabdrücke aus der Kindergartenzeit ihres mittlerweile fast elfjährigen Sohnes zeigen. Oder etwa der Druck "Map" des amerikanischen Künstlers Jasper Johns, der die stilisierte Landkarte der USA in seiner unnachahmlichen Pop-Art darstellt.

    "Etwas Handfestes"

    Die 51-jährige Politikerin blickt auf einen ungewöhnlichen Lebenslauf zurück. Nach dem Abitur in ihrer Heimatstadt Lüdenscheid im Jahr 1985 hatte sie erst einmal genug von allem Theoretischen. "Ich wollte etwas Handfestes machen", sagt sie. Sie begann eine Lehre als Werkzeugmacherin. Dort lernte sie viele Menschen schätzen, die mitten im Leben standen, hart arbeiteten, um für sich und ihre Familien Chancen zu eröffnen. Sie traf auch auf Studenten, die ihr Praktikum im Betrieb absolvierten und sich manchmal für etwas Besseres hielten. Pech für jene angehenden Ingenieure, wenn Angela Freimuth diesen Schnupper-Azubis die Gelegenheit eröffnete, auch durch händische spanende Metallverarbeitung die Fachkenntnisse und Fertigkeiten der Kollegen schätzen zu lernen.
    Nach der Lehre nahm sie ein Jura-Studium in Bonn auf, das sie als Volljuristin abschloss. Anschließend arbeitete sie als Rechtsanwältin (Fachgebiet Steuer- und Insolvenzrecht). 1987 setzte sie sich erstmals intensiv mit Politik auseinander. Die FDP, der sie mittlerweile 30 Jahre angehört, war damals keineswegs ihr Favorit. "Ich schätzte Helmut Schmidt, die Grünen fand ich auch ganz sympathisch." Ihre Wahl fiel aber dann doch auf die FDP, nachdem sie alle Wahlprogramme sorgfältig verglichen hatte. Ausschlaggebend war wohl auch, dass es "so unkompliziert war, in der FDP zu diskutieren". Im Ortsverband Lüdenscheid wurde sie bald Vorsitzende der Jungen Liberalen, plante für die Aufgabe aber nur ein Jahr ein, weil sie danach in die USA auswandern wollte. Die junge Politikerin hat Verwandte in Amerika und fühlt sich den Vereinigten Staaten auch heute noch als Vorsitzende der Parlamentariergruppe NRW-USA im Landtag verbunden.
    Mit dem Auswandern wurde es aber dann nichts, stattdessen startete sie politisch durch. Unter dem damals umstrittenen Parteichef Jürgen W. Möllemann geriet die FDP in schwieriges Fahrwasser. "Für Pessimisten ist die FDP keine Partei", erinnert sich Angela Freimuth. Optimismus und Ideen wurden anerkannt, 1994 wurde sie in den Landesvorstand gewählt. Bei der Landtagswahl 1995 reichte ihr Listenplatz noch nicht für den Einzug in den Landtag. Fünf Jahre später schaffe sie den Sprung ins Parlament und ist seitdem Abgeordnete, die sich sowohl im Haushalt als auch im Kultur- und Wissenschaftsbereich auskennt und engagiert. Herzensanliegen waren für sie beispielsweise die Implementierung der Doppik, die Schuldenbremse oder die Verzahnung von Kultur und Schule. Es sei wichtig, Kultur aus einem elitären Bereich zu lösen und Kinder und Jugendliche zu interessieren und ihre Kreativität zu fördern: "Auch Digitalisierung verlangt innovatives und kreatives Denken, wenn wir sie erfolgreich gestalten wollen."
    Mittlerweile ist Angela Freimuth mit Unterbrechung sieben Jahre Vizepräsidentin des Landtags. Diese Aufgabe erfüllt sie routiniert und doch mit einem großen Herzen, etwa wenn sich Parlamentarier in der Hitze des Redegefechts einmal im Ton vergreifen. Dann baut sie den Kolleginnen und Kollegen Brücken, damit sie den Fehler korrigieren und ihr Gesicht dennoch wahren können. Das sei für sie eine Frage der gegenseitigen Wertschätzung. Sie habe in diesem Landtag tolle Persönlichkeiten über Fraktionsgrenzen hinaus kennen und schätzen lernen dürfen, die hart dafür arbeiteten, diese Gesellschaft voranzubringen und Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu suchen.
    Heinz Tutt

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Angela Freimuth (51), 2. Vizepräsidentin des nordrheinwestfälischen Landtags, ist verheiratet und Mutter eines Sohnes. Sie ist seit 2. Juni 2000 Landtagsabgeordnete.

    ID: LI171016

  • Porträt: Ingola Schmitz (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 12.04.2017

    Mit dem ungewöhnlichen Vornamen Ingola tat sich sogar der Pastor schwer, wollte die Taufe verweigern und lenkte erst ein, weil der zweite Vorname Stefanie lautet. Jahre später fand die heutige FDP-Landtagsabgeordnete Ingola Stefanie Schmitz heraus, dass sie nach der besten Freundin ihrer Mutter benannt worden war und dass es sich bei Ingola wahrscheinlich um eine aus dem Osten Deutschlands stammende Form von Angela handelt.
    Ebenso ungewöhnlich wie der Vorname war der Weg, auf dem die heute 54-jährige Lehrerin in die Politik gefunden hat. Bis Ende des vorigen Jahrzehnts war sie mit ihrem Beruf ausgefüllt, in ihrem Berufsleben hatte sie an nahezu allen Schulformen unterrichtet, von der Hauptschule über das Berufskolleg bis zum Gymnasium, und kannte die sehr unterschiedliche Klientel. Zeit für politisches Engagement blieb da nicht, zumal sie noch Theater-AGs leitete und regelmäßig Wochenendworkshops veranstaltete. Doch weil sie mit der allgemeinen Situation an den Schulen zunehmend haderte, begann sie eines Tages, selbst eine Art schulpolitisches Konzept zu entwickeln mit der Grundidee, an den Schulen einen eher berufsorientierten Zweig zu etablieren und einen eher theoretisch-allgemeinbildenden. Damit ihr Konzept auch von den politisch Handelnden zur Kenntnis genommen werden konnte, beschloss Ingola Schmitz, sich selbst politisch zu engagieren, studierte die politischen Programme der vier damals im Landtag vertretenen Parteien und fühlte sich von der Programmatik der Freien Demokraten am ehesten angesprochen.

    Ortsverband gegründet

    Der Eintritt in die FDP war dann etwas mühsam, denn in ihrem Heimatort Nörvenich am Nordrand der Eifel war die Partei gar nicht vertreten. So fuhr sie in die Kreisstadt Düren, wurde Parteimitglied und gründete kurz danach mit einigen Freunden einen Ortsverband Nörvenich, der sich nach und nach vergrößert hat. Schon nach dreijähriger Mitgliedschaft eröffnete sich ihr die Chance, bei den Landtagswahlen 2012 im Bezirk Aachen zu kandidieren. Der bisherige FDP-Kandidat sah keine großen Erfolgschancen und zog es vor, statt in den Wahlkampf mit seiner frisch vermählten Ehefrau in die Flitterwochen zu ziehen.
    Ingola Schmitz wagte den Sprung ins kalte Wasser und wurde prompt belohnt. Am Wahltag flüsterte ihr der Landrat schon kurz nach 18 Uhr zu: "Frau Schmitz, Sie haben es geschafft!" Die FDP-Liste hatte bis Platz 22 gezogen, die Lehrerin aus Nörvenich hatte auf Platz 19 kandidiert und war damit im ersten Anlauf ins Landesparlament gewählt worden.
    In Düsseldorf beschäftigt sich Ingola Schmitz mit dem Thema, das ihr zur Herzensangelegenheit geworden ist. Zwar sorgte die Bildungspolitik in der jetzt zu Ende gehenden Wahlperiode nicht für so viele Schlagzeilen wie in den Jahren und Jahrzehnten zuvor, aber zu tun gibt es nach ihrer Ansicht noch genug. "Schließlich sind die jungen Menschen die Zukunft unseres Landes und sollen die Grundlage für den Wohlstand der Gesellschaft schaffen", ist sie überzeugt. Handlungsbedarf sieht sie bei den neu geschaffenen Sekundarschulen, die von den Eltern kaum nachgefragt würden, bei der Sicherstellung einer ausreichenden Unterrichtsversorgung und bei der Planungssicherheit für Schulleiter. Bei dem zuletzt wieder heiß diskutierten Thema, ob das Gymnasium in acht oder wie früher in neun Jahren zum Abitur führen soll, plädiert die im Hunsrück geborene Politikerin für eine Lösung wie in Rheinland-Pfalz: Dort können die Schulen selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen.
    Politisch weit weniger umstritten ist ihr zweites Arbeitsfeld, die Kulturpolitik. Hier ziehen die Kulturpolitiker aller Fraktionen oft an einem Strang und drängen das Land, in der Kultur stärker Flagge zu zeigen. Da geht es um klarere Regelungen im Kulturfördergesetz des Landes, die auch von allen Betroffenen verstanden werden, um eine Stärkung der kulturellen Bildung an den Schulen und insbesondere an den Berufskollegs oder um die Unterstützung der Landesmuseen und anderer kultureller Einrichtungen. Von der Landtagswahl am 14. Mai erhofft sich Ingola Schmitz natürlich ein gutes Ergebnis für ihre Partei, das ihr die Rückkehr an die Landesregierung ermöglicht. Sie kann sich dann auch gut eine Ampelkoalition aus SPD, GRÜNEN und der FDP vorstellen. "Ich halte nichts davon, Regierungsbündnisse mit den anderen Parteien von vornherein auszuschließen."
    Peter Jansen

    ID: LI170416

  • Porträt: Marcel Hafke (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 18.05.2016

    Eine Mischung aus Verärgerung, Widerstand und Faszination haben Marcel Hafkes Interesse für die Politik geweckt. Vor 16 Jahren hatte der FDP-Landtagsabgeordnete gerade seinen Führerschein geschaff, als Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit der Einführung der Ökosteuer das Autofahren verteuerte. Keine finanzielle Kleinigkeit für den damals 18-jährigen Schüler. Das weckte Widerspruch, sorgte für Engagement. Konsequenz: Er informierte sich in seiner Heimatstadt Wuppertal über die politischen Angebote der Jungen Union, Grünen Jugend und der Jungen Liberalen (Julis). Ergebnis: Er entschied sich für den Nachwuchs der freien Demokraten, weil er dort auf eine "total nette Runde" traf, ihn menschliche und inhaltliche Gründe überzeugten.
    Nicht ungewöhnlich für eine kleine Partei, dass er schnell einen Posten übernehmen sollte. Folge: Von 2004 bis 2010 war er Juli-Landesvorsitzender, zog vor sechs Jahren über die Reserveliste ins Landesparlament ein. Hafke hat gelernt, mit Klischees, Vorurteilen und Unterstellungen umzugehen. Als FDP-Jungpolitiker ist er daran gewöhnt, in eine politische Schublade gesteckt zu werden. Als Versicherungskaufmann mit Abschluss Diplom-Kaufmann (FH) bedient er vermeintliche Vorstellungen über gewiefte Geschäftsleute. Als Golfspieler fühlt er sich mit einem "Stempel" versehen, der sogar Neid und Missgunst wecke, befindet Hafke. "Ich habe gelernt, mit Vorurteilen zu leben", hält er es mit dem Wahlspruch von Otto Graf Lambsdorff, dass Liberalismus "nichts für Leute mit schwachen Nerven" sei. FDP-Mitglieder seien eben nicht immer beliebt: "Da gewinnt man nicht nur Freunde", wertet er Vorbehalte eher als Aufforderung, noch stärker für seine Ideen zu streiten und zu werben, somit echte Überzeugungsarbeit zu leisten.
    Dabei verlief beim inzwischen 34-Jährigen vieles abseits der üblichen Schablonen: "Ich wollte etwas mit Menschen machen und unterwegs sein", erläutert er seinen Einstieg in die Versicherungsbranche. 2008 übernahm er die Agentur seines Vaters, die er - mit Unterstützung seiner Mutter - weiter führt, weil die Selbstständigkeit ihm "Unabhängigkeit und Freiheit" gewähre. Im Landtag seien zu wenige Unternehmer vertreten, was auch auf die Verschärfung der Offenlegung der Einkünfte zurückzuführen sei. Die FDP müsse neben dem wirtschaftlichen Profil stärker auf gesamtgesellschaftliche Themen setzen. Nicht nur Führungskräfte in der Wirtschaft, sondern auch deren Mitarbeiter müssten im Blick behalten werden. "Das ist der FDP phasenweise verloren gegangen."
    Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei der Schlüssel zum Erfolg, befindet der familienpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion - und plädiert für eine Stärkung der sozialen Themen. Liberal und sozial - das passt für ihn gut zusammen. "Neid-Diskussionen sind extrem schwer auszuhalten", kritisiert Hafke, dass Schein gelegentlich mehr als Sein betrachtet werde. Unter diesem Aspekt schätzt er, dass soziale Medien inzwischen eine Vertriebsform für politische Inhalte seien - ohne dabei die Wirklichkeit auszublenden. Über das Internet könne der "direkte Draht zu Bürgern" hergestellt werden, so dass Politiker Rückmeldungen intensiver nutzen könnten. Wenn er die Chance bekomme, wieder in den nächsten Landtag einzuziehen, wolle er "mehr Verantwortung übernehmen", etwa durch die Mitarbeit im Fraktionsvorstand. Durch den absehbaren Wechsel von "FDP-Superstar" Christian Lindner nach Berlin komme Bewegung ins Personalkarussell, will der 34-Jährige seine mögliche Chance nutzen. Es sei kein Nachteil, als Familienpolitiker noch unverheiratet und kinderlos zu sein, denn letztlich sei entscheidend, "zuhören" zu können, sich die Anliegen von Bürgern zu eigen zu machen.
    Gleichwohl hat Hafke auch im Privatleben klare Zukunftspläne: Noch in diesem Jahr will er seine Freundin heiraten und hofft dann auf Nachwuchs. Dass seine Frau in spe sich bewusst für den Hauptschullehrerin-Beruf entschieden hat, passt ins Bild des Liberalen mit den vielen Facetten. Es gehe um Startchancen fürs Leben, das dann in Eigenregie gestaltet werden müsse. Das füge sich in eine veränderte Wertehaltung jüngerer Menschen: Kinder und Familie sind wieder stärker gefragt, befindet Hafke. "Darauf muss die Gesellschaft reagieren." Fasziniert ist der Liberale von Menschen, deren bloßes Auftreten bereits einen ganzen Raum ausfüllt. Wie der jüngst gestorbene Hans-Dietrich Genscher, der den Wuppertaler Westen von 1965 bis 1998 im Bundestag vertreten hat. Gemessen an der FDP-Ikone, hat Hafke noch viel Zeit, seinen eigenen Weg zu gehen. 
    Robert Vornholt

    ID: LI160419

  • Persönlich: Susanne Schneider (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 06.10.2015

    Susanne Schneider lebt die liberale Idee. Freiheit, Eigenverantwortung und Unabhängigkeit sind für sie ganz wichtige Werte. Als gesundheits- und gleichstellungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion provoziert sie nicht nur ihre politischen Mitbewerber mit unbequemen Positionen. Auch unter Gleichgesinnten bringt sie sich ins Gespräch, denn sie hat zwar Respekt, aber keine Angst vor großen Namen. "Es geht mir um die Sache", erläutert die in Schwerte lebende Mutter von drei Kindern im Alter von 8, 14 und 17 Jahren einen ihrer - für sie selbstverständlichen - Grundsätze.
    "Jedem sein Leben lassen, wie er es sich vorstellt, solange es keinen anderen beeinträchtigt", ist eine der liberalen Positionen, die die 48-Jährige verkörpert. Dass sie dabei deutliche Worte findet, wurde beispielhaft in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation deutlich, als Schneider in der Diskussion über traumatisierte Flüchtlingsfrauen mit kritischen Anmerkungen heftigen Widerspruch auslöste. "Träume und Hirngespinste" seien die begleitenden Angebote für die Zugewanderten, denn deren Versorgung und Sicherheit müsse zunächst gewährleistet werden, argumentierte die Liberale. Und überhaupt: "Was ist mit der Behandlung von Männern?", fragte sie - und erntete bei einigen Parlamentarierinnen Kopfschütteln.
    Die Liberale ist in ihrer politischen Laufbahn einen geraden, bisweilen nicht angenehmen Weg gegangen: Im badischen Bretten geboren, wusste sie schon als vierjähriges Kind, dass sie - nach der Mittleren Reife 1984 - Krankenschwester werden wollte. 1988 schaffte sie das Staatsexamen, absolvierte anschließend eine berufsbegleitende Fortbildung, um als Stationsleiterin in Karlsruhe tätig zu werden. Mit den dabei erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattet, folgte fünf Jahre später die Ausbildung zur Pharmareferentin. "Das ist eine ganz spannende Branche", erläutert sie, denn in einem umkämpften Markt mit verfügbaren Daten über die Verkaufszahlen von Konkurrenzprodukten seien besondere Energie, große Ausdauer und ein gewisses Durchsetzungsvermögen gefordert. "In diesem Beruf habe ich jahrelang ausgesprochen erfolgreich gearbeitet - bis zur Geburt meiner Kinder", schreibt sie unter "Persönliches" auf ihrer Homepage. Zwölf Jahre lang habe sie - inzwischen in Schwerte lebend - "in der Familienphase nicht für Geld gearbeitet" und dabei die Defizite in der Kinderbetreuung und im Bildungswesen kennengelernt. Das war der Anstoß für das politische Engagement: "Machen statt Meckern", war die Devise. "Die SPD war mir zu gleichmacherisch, die CDU zu konservativ - und von der Verbotskultur der Grünen habe ich auch nichts gehalten", schildert sie ihren Prozess zur Klärung ihrer politischen Heimat. 2010 kandidierte sie zeitgleich mit dem Wiedereinstieg in die Pharmareferenten-Tätigkeit erstmals für den Landtag. Als an ihrem Geburtstag am 14. März 2012 der NRW-Landtag aufgelöst wurde, trat sie erneut als Bewerberin um den Parlamentsplatz an und zog in den Landtag ein.

    "Gutes Wahlergebnis abliefern"

    "Rot-Grün hat keine Mehrheit mehr", sieht sie gute Chancen auf einen Machtwechsel in NRW. Auf mögliche Koalitionspartner will sie sich aber nicht festlegen lassen. "Erst müssen wir ein gutes Wahlergebnis abliefern", lautet ihre persönliche Vorgabe. "Es hängt viel von den handelnden Personen ab", bleibt sie - entgegen ihren eigentlichen Gewohnheiten - bewusst unbestimmt. Erfahrungen mit der Situation, als Vertreterin einer kleinen Fraktion mit wenig Abgeordneten viele Aufgaben und Themen bewältigen zu müssen, hat sie genügend gesammelt. Mit dem nötigen Selbstbewusstsein ausgestattet, ist sie inzwischen zur Kreisvorsitzenden in Unna, zur Vize-Vorsitzenden in den Bezirksvorstand Westfalen-Süd sowie in den Landesvorstand aufgerückt. Und die erneute Kandidatur für die Landtagswahl im Mai 2017 hat sie auch schon angekündigt.
    Diese kämpferische wie gleichermaßen disziplinierte, mit Einsatz und Fleiß verbundene Einstellung hat sie bereits von Kindesbeinen an in Baden gelehrt bekommen: Als Kind war sie beim Fußballspielen das einzige Mädchen, denn es gab in der Nachbarschaft nur Jungen. Geblieben ist das Interesse als Fan des VfL Bochum. Auch Boxkämpfe schrecken sie nicht ab, wenn die Freizeit nicht gerade mit Fahrten als "Taxi-Mama" gefüllt ist. Für sie sind als weitere Hobbys Besuche im Theater oder von Konzerten kein Gegensatz, sondern gern genutzte Ergänzung.
    Robert Vornholt

    ID: LI150719

  • Portrait: Dr. Robert Orth (FDP).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    Ein Satz wie in Stein gemeißelt: "Wenn man Volksvertreter wird, darf man nicht aufhören, Teil des Volkes zu sein." So versteht Dr. Robert Orth sein Verständnis als Abgeordneter. Deshalb dürfe der Landtag nicht zu einer Käseglocke werden, sondern müsse Teil der Gesellschaft bleiben, betont der Liberale die Unabhängigkeit der Mandatsausübung. Zugleich ist seine Einschätzung eine Werbung für eine möglichst breite berufliche Vielfalt der im Parlament vertretenen Politikerinnen und Politiker.
    Dass der 46-Jährige neben seiner Abgeordnetentätigkeit erfolgreich als Rechtsanwalt und Sozius in einer Düsseldorfer Kanzlei tätig ist, habe direkt nichts miteinander zu tun, weist der Vorsitzende des Landtags-Rechtsausschusses mögliche Vorteile durch die Parlamentsarbeit von vornherein zurück. "Weniger Beruf als Berufung" ist ihm das politische Engagement, weil er als "zutiefst Liberaler" die Freiheit als Lebensentwurf im Parlament vertreten wissen will.
    Vor 28 Jahren traf Orth seine bis heute gültige Grundsatzentscheidung: Im Vorfeld der letzten Bundestagswahl vor der deutschen Wiedervereinigung verglich er als damals 18-jähriger Schüler die Programme der Parteien und kam zu dem Schluss, dass ihm das Klima, das der damalige CDU/CSU-Fraktionschef Alfred Dregger schuf, "gar nicht gefiel". Er hatte einfach kein Verständnis für das Flügeldenken des Christdemokraten und die damit verbundene einseitige Ausrichtung. "Man steht doch auf zwei Beinen", befindet er fast 30 Jahre später nicht weniger überzeugt. Fasziniert war er dagegen von den Vorstellungen der FDP: "Freiheit ist unteilbar", meint Orth nachdrücklich. Sie bestimme alle Lebensbereiche. Deshalb verwundert es nicht, dass Orth die FDP-Spitzenpolitiker Burkhard Hirsch und Otto Graf Lambsdorff - Rheinländer wie er selbst - als seine Vorbilder bezeichnet. Die Wahrung der Bürgerrechte sei ein gemeinsames ganz hohes Gut, ist eine Klammer, die über politische Detailfragen hinweg verbindet, ist ein Fundament, das mit den liberalen Grundgeboten von Rechtsstaatlichkeit, Selbstbestimmung und Individualität einhergeht. "Wenn man selbst nicht gegängelt werden möchte, muss man sich dafür einsetzen, dass niemand gegängelt wird", beschreibt Orth ein weiteres Hauptmotiv seines politischen Handelns. Das wird außerdem vom konstruktiven Willen zur Gestaltung bestimmt: Als Ratsmitglied in Düsseldorf habe er im Jahr 1999 für den Verkauf der Stadtwerke geworben: "Das war der erste Schritt zur Schuldenfreiheit", lässt der Liberale ein wenig Stolz über die Entscheidung in seiner Heimatstadt durchschimmern.
    Es sind ansonsten eher die leisen Töne, die der dienstälteste Ausschussvorsitzende anschlägt. Auch politische Mitbewerber attestieren ihm, neutral, fair und sachlich das Gremium zu leiten. Souverän gestalte er seine Rolle als Vorsitzender des Rechtsausschusses, heißt es anerkennend. Da er der Neutralität verpflichtet sei, mache er deutlich, wann er seine eigene Meinung in die Beratungen einbringt: Gelegentlich setzt er sich in kontroversen Debatten - nach vorheriger Ankündigung - selbst auf die Rednerliste, um die Positionen der Liberalen zu betonen. "Die Übergänge sind fließend", erläutert der verheiratete Vater von zwei Kindern zu seiner zusätzlichen Aufgabe als innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Halbherzigkeit ist seine Sache nicht. Beispiel: Als im vergangenen Jahr klar war, dass er bei der möglichen Wiederwahl zum Vorsitzenden des FDP-Bezirksverbandes Düsseldorf mit einer Gegenkandidatur zu rechnen hat, zog Orth seine Bewerbung zurück. "Ich hätte nicht mit der gleichen Kraft weitermachen können."
    Und wie geht der Liberale mit der Krise seiner Partei um, die sich nach dem Abschied aus dem Bundestag in einer Wiederaufbauphase befindet? "Die Menschen werden erkennen, dass der Liberalismus im Bundestag fehlt", glaubt der Jurist. Die Plädoyers für Datenschutz und Internetsicherheit verdeutlichten die kritische Haltung der Liberalen gegenüber dem Staat und seien zugleich ein politisches Angebot gerade für junge Menschen. Als Ausschussvorsitzender hebt er auch Gemeinsamkeiten hervor - wie jüngst bei der Israel-Reise der Rechtsausschussmitglieder: "Im Ausland sind wir alle Nordrhein-Westfalen."
    "Auch Abgeordnete haben ein Recht auf Privatheit", betont Orth. Die wenig verbleibende freie Zeit füllt er übrigens mit Gartenarbeit, Tennis oder Skifahren.
    Robert Vornholt

    ID: LI140732

  • Rasche, Christof (FDP)
    Portrait: Christof Rasche (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 27.11.2013

    Christof Rasche kann kämpfen. Als Handballspieler hat er im 25-jährigen Einsatz früh gelernt, Siege und Niederlagen gleichermaßen verkraften zu können. Besondere Nehmer-Qualitäten sind seit dem Rauswurf der FDP aus dem Bundestag gefragt. Neben seinem Amt als Parlamentarischer Geschäftsführer (PG) der FDP-Landtagsfraktion muss der Erwitter nun als "rechte Hand" von NRW-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner den Wiederaufbau der Partei mitgestalten.
    Wie soll die angestrebte Renaissance der FDP funktionieren? Rasche setzt auf eine "Jetzt-erstrecht- Strategie" und auf liberale Tugenden wie Freiheit, Sparsamkeit, Glaubwürdigkeit, Solidität und parteiinterne Geschlossenheit. Diese Aspekte des "Projektes 2017" verdeutlichen zugleich, wo es bei den Liberalen jüngst Defizite gegeben hat. Die FDP-NRW-Landtagsfraktion ist eine wichtige Basis für den angestrebten Wiedereinzug in den Bundestag in vier Jahren. Eine stärkere Akzentuierung der liberalen Inhalte mit einer verschärften Abgrenzung zu den Positionen der CDU sind die Folge.
    Dass der FDP-PG ein freundschaftliches Verhältnis zum liberalen Hoffnungsträger hat, dürfte dabei dienlich sein: "Wir kennen uns seit 2000. Er hat mich ausgesucht." Seine wichtigsten Aufgaben als noch vergleichsweise junger Amtsinhaber sieht er in der "Koordination und Kommunikation". Zuchtmeister der Fraktion mag der 51-Jährige nicht sein."Ich bin kein Jurist. Ich löse die Fragen lieber mit gesundem Menschenverstand", beschreibt Rasche seine Arbeitsweise möglichst abseits von Paragrafen und Geschäftsordnungen. Der PG-Runde bescheinigt Rasche eine "konstruktive Zusammenarbeit": "Das gute Miteinander führt zur gegenseitigen Stärkung", kommentiert er das Miteinander im wichtigen parlamentarischen Gremium.
    Als Neuling startete Rasche im Jahr 2000 seine Tätigkeit im Landesparlament, fünf Jahre später wechselte er von der Oppositions- in die Regierungsrolle. Unter der rot-grünen Minderheitsregierung sei seine Funktion "eine Art Mischung" gewesen, ehe der Abschied von der Macht kam. "Ich habe mich nicht aufgedrängt", macht Rasche deutlich, dass Geduld, Beharrlichkeit und Einsatz wichtige Tugenden in der Politik sind. Als er nach nur zweijähriger Landtagszugehörigkeit zum Vize-Fraktionschef sowie Sprecher für Bau, Verkehr und Sport aufgerückt sei, habe er erfahren, was es bedeutet, ins kalte Wasser gestoßen zu werden. Ähnlich spontan startete Rasche in die Politik: Als sein Vater nach 20-jähriger Funktion als CDU-Vorsitzender ausschied und sich sein älterer Bruder den Liberalen zuwandte, folgte er dem politischen Richtungswechsel. Seit 1980 ist er FDP-Mann. Seit 2004 ist Rasche Mitglied des Landesvorstands, vor drei Jahren übernahm er den Vorsitz des FDP-Bezirksverbands Westfalen-Süd.
    Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat ihn dann vor drei Jahren die zufällige, aber noch rechtzeitige Entdeckung einer schweren Krankheit getroffen: "Mir geht es klasse", schildert der inzwischen wieder verheiratete Vater eines erwachsenen Kindes jetzt erleichtert. "Man wird gelassener und lebt intensiver", schildert er seine Konsequenzen aus der zwischenzeitlich beängstigenden Lage. Mittlerweile hat er die Gefahr gemeistert, wie jüngste medizinische Untersuchungen belegen. Der Heilungsverlauf sei "optimal" gewesen, somit ist die beunruhigende Ungewissheit vorüber.
    Glaubwürdigkeit, sachliche und verlässliche Arbeit sowie die Fähigkeit, mit allen reden zu können, hält Rasche für die wichtigsten Ziele seines Engagements. "Für mich ist Politik auch eine Charakterfrage", hält er eine "solide Finanz-, rationale Energie- und eine aktive Infrastrukturpolitik" für die Voraussetzungen, um für Arbeitsplätze und Wohlstand in NRW zu sorgen. Sein besonderes Interesse gilt der Verkehrspolitik: Engpässe auf Schienen und Straßen müssten dringend beseitigt werden, fordert der Liberale.
    Ein Beispiel dafür, wie sehr Rasche mit seinem regionalen Umfeld verwurzelt ist, wurde im Juni beim zwischenzeitlich verhinderten Einsatz der Erwitter Feuerwehrleute in der vom Hochwasser betroffenen Partnerstadt Aken deutlich: Er nutzte seine guten Kontakte zu Innenminister Ralf Jäger (SPD), um eine schnelle und unbürokratische Lösung für die Feuerwehrleute zu ermöglichen, zugleich griff er den Konflikt politisch auf, um im Landtag kritische Aspekte der Koordinierung des Hilfseinsatzes zu beleuchten. Nicht markige Worte, sondern eher leise Töne schlug der 51-Jährige an, um die zwischenzeitlich verfahrene Situation zu entkrampfen. Ein Beleg dafür, dass parlamentarische Kärrnerarbeit letztlich zum Ziel führt.
    Robert Vornholt

    ID: LI131023

  • Lindner, Christian (FDP)
    Im Interview: Christian Lindner (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 15.05.2013

    Was bedeutet heute liberale Politik, wofür tritt der politische Liberalismus ein?

    Wir wollen, dass jeder etwas aus seinem Leben machen kann. Deshalb sind Liberale für Selbstbestimmung und ein Verantwortungsgefühl, das nicht sofort an den Staat abgeschoben wird. Für faire Chancen und die Akzeptanz der Vielfalt, die sich aus Freiheit und Leistung ergibt. Und in der Konsequenz für einen Staat, der bei den großen Lebensrisiken die Menschen nicht im Stich lässt, aber im Alltag in Ruhe.

    Ist die Freiheit des Einzelnen durch den Staat und seine Organe stärker bedroht als durch Wirtschaftsmacht oder organisiertes Verbrechen?

    Da will ich mich nicht auf eine Seite schlagen. Der Staat ist nicht per se Bedrohung der Freiheit, aber durch falsche Politik wird er es. Freiheit ist bedroht, wenn wir unter dem Machtdiktat anderer stehen. Wenn der Staat nicht Schiedsrichter ist, sondern uns bevormundet wie neuerdings zu oft in Nordrhein-Westfalen. Und wenn der Markt nicht geordnet ist, sondern durch die Ballung von wirtschaftlicher Kraft der faire Wettbewerb ausgehebelt wird. Es kommt eben auf die richtige Balance an.

    Wie wehren Sie sich gegen das Vorurteil, politischer Liberalismus bediene in Wirklichkeit nur die Interessen der Wirtschaft, der Gutsituierten und Wohlhabenden?

    Solche Angriffe kommen von denjenigen, die private Initiative und die Vielfalt des Lebens durch ihre ideologischen Blaupausen ersetzen wollen. Von der Sozialen Marktwirtschaft profitieren Millionen Menschen, die einen sicheren Arbeitsplatz haben. Der Erfolg der Agenda 2010 hat das erneut gezeigt. Wir eröffnen durch ein leistungsorientiertes, aber faires Bildungssystem allen Aufstiegschancen. Aber Liberale geben eben keine Garantie gleicher Ergebnisse ab, sondern stehen für Leistungsgerechtigkeit.

    Sie gelten als Hoffnungsträger der FDP bundesweit, der große alte Mann der FDP, Hans- Dietrich Genscher, schätzt Sie und fördert Sie nach Kräften - belastet Sie das?

    Ich sehe mich als Verantwortungsträger. Mich beschäftigen die Etiketten, die mir von außen aufgeklebt werden, nicht sehr.

    Bedrückt Sie das, zumindest in den Medien ständig als potenzieller Nachfolger des jetzigen Parteivorsitzenden gehandelt zu werden?

    Es ist eher lästig, weil es von den Themen ablenkt, die mir wichtig sind. Wir haben einen Parteivorsitzenden. Philipp Rösler und Rainer Brüderle haben sich gefunden, und ich unterstütze die beiden nach Kräften. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich meine Rolle in Nordrhein-Westfalen sehe. Hannelore Kraft und ihre Regierung im Landtag zu jagen, das verfolge ich mit Leidenschaft. Nach dem Verfassungsbruch beim Haushalt und dem Wortbruch bei der Beamtenbesoldung beginnt ja auch der Lack zu bröckeln.

    Sie haben sowohl den Bundestag wie den Landtag als Abgeordneter erlebt. Wie unterscheiden sich die Arbeitsweise, der Stil, der Umgang miteinander, in beiden Parlamenten?

    Die Debatten im Landtag empfinde ich als intensiver, weil es in unserem Plenarsaal eine dichtere Atmosphäre als im Reichstag gibt. Nach meiner Rückkehr nach Düsseldorf musste ich im Vergleich allerdings feststellen, dass im Landtag wesentlich öfter die Person und ihre angeblichen Charaktereigenschaften attackiert werden als im Bundestag. Das ist vor allem eine Masche der Grünen. Als Debattenredner lege ich auch mit Schärfe Verantwortung offen, aber bei solchen Attacken möchte ich nicht mitmachen.

    Sind Bundestagsabgeordnete höher qualifiziert als Landtagsabgeordnete, ist das ein Unterschied wie zwischen Bundesliga und Regionalliga?

    Tempo, Komplexität und Termindichte sind im Bundestag spätestens seit der Euro-Krise höher. Der Landtag ist dafür viel enger verbunden mit der Kommunalpolitik, der Fachverwaltung und den Alltagssorgen vieler Menschen. Die Themen erfordern daher oft viel Detailwissen. Die Landtagsabgeordneten sind zudem Transmissionsriemen zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen. Der Landtag ist keine zweite Bundesliga, er ist ein anderer Sport.

    Stimmt mein Eindruck, dass die Themen im Landtag oft näher an den praktischen Problemen der Menschen sind als die Bundestagsthemen?

    Ja, weil es oft ganz praktische Konsequenzen gibt. Wenn Rot-Grün beispielsweise die Probleme der Gymnasien ignoriert, dann verschlechtern sich ganz konkret die Förderbedingungen. Der Mittelstand spürt unmittelbar die Bürokratie des Tariftreue- und Vergabegesetzes. Die Wohlstands- und Wachstumslücke im Vergleich zu anderen Bundesländern kann man in Euro und Cent angeben: 1.000 Euro haben die Menschen an Rhein und Ruhr weniger an jährlicher Kaufkraft. Und durch die von den Grünen diktierte Energie- und Industriepolitik wird die Lücke nicht kleiner, sondern größer.

    Wieviel Freizeit lässt Ihnen die Arbeit im Parlament und in der Partei? Ein bisschen habe ich schon noch. Meine Frau und ich laden gerne und sehr oft Freunde nach Hause ein. Oder ich lese vor dem Kamin.

    Träumen Sie manchmal von einem Leben ohne Politik?

    Nein. Dann würde ich etwas anderes machen. Ich habe aber dafür gekämpft, meine Überzeugungen in der Politik einbringen zu können. Für mich ist es die faszinierendste Aufgabe. Bei welcher Sportveranstaltung kann man Sie am ehesten an einem Wochenende antreffen? Aktuell beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Die Atmosphäre ist einmalig, die Fans campen und grillen Würstchen, dazu hört man Motoren in allen Tonarten. Ich habe generell ein Faible für Sportwagen, aber insbesondere für klassische. Die aktuellen sagen mir nicht so viel.
    Peter Jansen

    ID: LI130521

  • Dr. Papke, Gerhard (Landtagsvizepräsident)
    Im Interview: Landtagsvizepräsident Dr. Gerhard Papke (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 12.12.2012

    Herr Papke, haben Sie nach dem Wechsel vom Fraktionschef zum Landtagsvizepräsidenten Entzugserscheinungen von der Tagespolitik?

    Nein, ich verspüre keinen Phantomschmerz. Ich habe viele Jahre Politik mit durchgedrücktem Gaspedal gemacht. Wenn man dann operative Verantwortung abgibt, ist diese Situation zugegebenermaßen schon neu. Aber ich habe mit Christian Lindner den idealen Nachfolger gefunden und bin froh, dass er wieder nach NRW zurückgekehrt ist. Außerdem bekleide ich jetzt ein anderes wichtiges Amt, das auszuüben mir viel Freude bereitet.

    Welchen Tribut muss man als Politiker an vorderster Front zollen?

    Sie sind als Fraktionsvorsitzender extrem eingebunden ins tagesaktuelle Geschehen. Sie müssen sich mit allen relevanten Themen und politischen Vorgängen befassen und gucken, wo es Interventionsbedarf gibt. Das ist ein sehr spannender und intensiver Prozess. Sie dürfen auch die vielfältige Binnenwirkung nicht unterschätzen. So eine Fraktion ist ein lebendiger Organismus, und glauben Sie nicht, dass das in kleineren Fraktionen anders ist. Sie müssen mit jedem Abgeordneten eng zusammenarbeiten, damit er sein fachpolitisches Potenzial entfalten kann. Das ist eine multifunktionale Aufgabe, deren geringerer Teil öffentlich sichtbar wird.

    Ist Politik schneller geworden? Wird man stärker getrieben?

    Ja, das gilt für Politiker genauso wie für Journalisten. Das Tempo hat in den letzten zehn Jahren gewaltig zugenommen. Das hat schlichtweg mit den neuen Medien, dem Internet zu tun. Neue Nachrichten werden 24 Stunden lang generiert. Der Newsflow kommt nie zum Erliegen. Das ist aus Sicht des Parlaments nicht nur von Vorteil, weil sich viele Diskussions- und Entscheidungsprozesse außerparlamentarisch vollziehen und die emotionale Aufladung der Berichterstattung häufig dazu führt, dass die schnelle Schlagzeile wichtiger wird als das ruhige Nachdenken. Politik wird immer mehr gefordert, ganz schnell scheinbar perfekte Antworten zu geben. Das ist leider nicht möglich. Aus diesem Dilemma kann sich Politik nur noch schwer befreien.

    Vermissten Sie die Möglichkeit, sich mit einem Thema mal in Ruhe zu befassen?

    Jeder Politiker in Führungsverantwortung ist gezwungen, in erheblichem Maße aus der Substanz zu leben, weil man nicht mehr wie neben einem normalen Beruf Zeit und Möglichkeit hat, die Batterien intellektuell aufzuladen. Das geht häufig nur im Urlaub oder spät in der Nacht, wenn die Termine abgearbeitet sind. Das empfindet man gerade dann als unbefriedigend, wenn man selber als Politiker von den Inhalten her kommt.

    Sie sind es ja gewohnt, wissenschaftlich zu arbeiten. Kommt Ihnen diese Lebensphase im Rückblick unwirklich vor?

    Das sind sehr unterschiedliche Welten. Ich habe schon gelegentlich Probleme, mich an mein Leben zu erinnern, als ich Zeit hatte, Bücher zu schreiben. Aber es gab in den vergangenen Jahren durchaus Momente, in denen ich gedacht habe, es muss paradiesisch gewesen sein. Ich will mich jedoch wahrlich nicht beklagen. Viel spannender und intensiver hätte meine bisherige Zeit als Abgeordneter kaum sein können: viele Höhen, aber auch belastende, sogar schlimme Momente, wie etwa der Tod von Jürgen Möllemann, der sich im nächsten Jahr schon zum zehnten Mal jährt. Fünf Jahre konnte ich in unserer Regierungszeit an vorderster Front mitgestalten und meine Überzeugungen einbringen. Auch die Zeit der rot-grünen Minderheitsregierung war ja bekanntlich äußerst spannend, von ihrem Ende ganz zu schweigen. Und wer weiß, was noch kommt. Ich war immer Parlamentarier aus Leidenschaft und arbeite deshalb mit Freude in meinem neuen Amt.

    Gibt es eine Lösung, aus der Knochenmühle herauszukommen? Müsste es mehr Ruheräume für Politiker geben?

    Man hat immerhin in der Sommerpause und in der Weihnachtspause mehr Zeit, aber die braucht man dann auch, um wieder Kraft zu schöpfen. Wir werden in Zukunft häufiger erleben, dass Politiker sehr konsequent für sich persönlich entscheiden, dass sie nicht immer neue Ämter anstreben wollen. Roland Koch in Hessen, Ole von Beust in Hamburg und vielleicht auch Frank-Walter Steinmeier zeigen, dass Politiker, die schon viel geleistet haben, an einen Punkt kommen, an dem sie sagen, das reicht mir jetzt, ich greife nicht nach jedem Amt, oder ich mache nochmal etwas ganz anderes. Das scheint uns jetzt noch außergewöhnlich, ist aber auch eine Antwort darauf, dass Politik immer radikaler Besitz von den Menschen ergreift, die sich ihr verschrieben haben.

    Ist es zu bedauern, dass Politik zu einem Lebensabschnitt wird und nicht mehr lebenslange Berufung?

    Vor diesem Hintergrund sicherlich nicht. Es ist immer weniger möglich, sich Freiräume neben der politischen Laufbahn zu bewahren. Das war früher leichter. Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, da war ich Mitarbeiter im Deutschen Bundestag, als es noch keine Mobiltelefone und kein Internet gab. Da wurden Briefe statt EMails geschrieben und Presseerklärungen per Fax in die Redaktionen geschickt. Wenn Redaktionsschluss war, wurde politisch gearbeitet, aber in anderer Form. Das wird so nicht wiederkommen. Wenn das Privatleben nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt und man sich keine Rückzugsmöglichkeiten sichern kann, sagen sich einige, dann begrenze ich das eben auf der Zeitachse. Man sollte als Abgeordneter ohnehin nie aus dem Blick verlieren, dass man nur auf Zeit gewählt ist.

    Was machen Sie mit Ihren neuen Freiräumen?

    Ich mische nach wie vor kräftig mit, wenn auch stärker im Hintergrund. Ich bin in vielen Gesprächen und lerne mehr denn je interessante Menschen kennen, ohnehin eines der großen Privilegien, die einem die Politik eröffnet. Ich schaue voller Neugier auf das, was vor uns liegt. Der Landtag ist bis 2017 gewählt. Aber wenn wir etwas gelernt haben in diesem Jahr, dann ist es, wie extrem schnell sich die politische Lage verändern kann. Wer vor zwölf Monaten vorhergesagt hätte, dass wir uns hier unterhalten würden, im Büro des Landtagsvizepräsidenten, den hätte ich für verrückt erklärt.
    Kristian Frigelj

    ID: LI121222

  • Porträt: Ralf Witzel (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 16.11.2011

    Parteifreunde wundern sich längst nicht mehr, wenn nachts um zwei Uhr eine E-Mail einläuft. Der Absender ist bekannt: Ralf Witzel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, macht die Nacht gern zum Tag, wenn es eilt. "Ich bin vor Arbeit nicht fies", fällt der gebürtige Essener in die Sprache des Ruhrpotts. Witzel versteht sich - ganz "Ruhri" - als fleißiger Malocher, der sich voll reinhängt, um Polit-Projekte voranzutreiben.
    Der 39-jährige Liberale ist seiner Heimatstadt als Kind des Reviers stets treu geblieben. Aufgewachsen in einem Essener Hochhaus, Schule, Studium der Betriebswirtschaft mit Abschluss Diplom-Kaufmann, ab 2000 einziger FDP-Landtagsabgeordneter im Ruhrgebiet. Seit 2005 organisiert Witzel die Arbeit der FDP-Fraktion und gilt gemeinhin mit seinem Vorsitzenden Gerhard Papke als schärfster Kritiker einer staatlichen Bevormundungspolitik. "Es treibt mich um, dass die Freiheit durch Vorschriften und Verbote der Tabuwächter zentimeterweise stirbt", setzt Witzel das Modell des mündigen Bürgers dagegen. Argumente statt Verbote.
    Der FDP-Politiker spricht gern Klartext. Damit hat er sich beim politischen Gegner über die Jahre hinweg wenig Freunde gemacht. "Ich bin nicht gerade als linkes Schreckgespenst bekannt", schmunzelt Witzel. Er wirbt für eine Politik, die auf Leistung und bildungspolitische Chancengerechtigkeit setzt. Beim jüngsten Schulkonsens hat sich die FDP verweigert. Witzel fürchtet, dass mit der neuen Sekundarschule der Leistungsgedanke auf Dauer weiter Schaden nehmen wird. Bessere Bildung und Betreuung standen für den überzeugten Bildungspolitiker schon in der schwarz-gelben Koalition in NRW ganz oben auf der Agenda.
    Auch wenn den Liberalen derzeit bundesweit der Wind heftig ins Gesicht weht, pocht Witzel auf den Markenkern der FDP. "Wer morgens aufsteht, muss es besser haben." Soziale Gerechtigkeit als Leistungsgerechtigkeit - diese Botschaft wird sich aus Sicht des Liberalen auf Dauer wieder durchsetzen. "Es ist ein Klischee, dass die FDP die Partei der Superreichen ist." Dass es in der Vergangenheit "kommunikative Fehler" gegeben hat und die Landespartei unter dem schlechten Bild der Berliner leidet, räumt Witzel unumwunden ein.
    In NRW haben die Liberalen nach dem Regierungswechsel und einer gewissen Anlaufzeit ihre Rolle in der Opposition angenommen. "Jede Rolle hat ihren Reiz", betont Witzel. Das Land brauche eine funktionsfähige Opposition, um den "Schönsprech" der rot-grünen Minderheitskoalition Krafts zu hinterfragen. Zuletzt hat die FDP allerdings überrascht, als sie Rot-Grün eine mögliche Zustimmung zum kommunalen Rettungspakt in Aussicht stellte. Witzel sieht darin keinen Strategiewechsel oder gar die Öffnung für eine spätere rot-gelb-grüne Ampelkoalition. Wenn sich aber die Chance biete, dass die FDP eigene politische Ziele durchsetzen könne, müsse die Partei diese auch nutzen. "Wir sind keine Ampelmänner. Es wäre aber ein strategischer Fehler, wenn wir uns einseitig auf alle Zeiten limitieren würden."
    Witzel lobt das weiterhin ungetrübte Verhältnis zu den Kollegen der CDU. Der FDP-Geschäftsführer freut sich aber über das erkennbare Bemühen der SPD um persönlich-menschliche Kontakte. Die Distanz zu den Grünen sei allerdings relativ groß, schon weil die Lebensstile oft sehr unterschiedlich sind. Witzel setzt unbeirrt auf die Philosophie der FDP - Privat vor Staat. Da scheiden sich die Geister von Rot-Grün und Liberalen.
    Ob der Rund-um-die-Uhr-Politiker überhaupt noch Zeit für Persönliches findet? Der ledige Liberale hat sein Hobby zum Beruf gemacht. In der knapp bemessenen Freizeit besucht er Freunde, Familie oder geht ins Theater. Und wenn mal überraschend keine Termine am Wochenende anstehen, holt Witzel das Rad aus der Garage und strampelt eine Runde um den idyllischen Essener Baldeneysee.
    Einen persönlichen Grundsatz pflegt der Liberale: kein Doppelmandat. Um sich nicht zu verzetteln, sitzt Witzel parallel zum Landtag nicht auch noch im Essener Stadtrat. Ralf Witzel ist ein typischer homo politicus. Schon mit 14 Jahren zog es ihn zu den Jungen Liberalen - von 1994 bis 2003 war er deren Landesvorsitzender. Für seine Überzeugungen lasse er sich gern beschimpfen, demonstriert Witzel Willensstärke. In Plenum wie Landtagsausschüssen gehört der stets gut vorbereitete Ruhrpöttler laut Protokoll zu den emsigsten Fragestellern. "Die Politik im Parlament muss transparent sein", wirbt Witzel für einen offenen Streit über den richtigen Weg. "Politik wird langweilig, wenn alles weichgespült wird." Diese Gefahr besteht beim überzeugten Ordnungspolitiker sicher nicht.
    Wilfried Goebels

    ID: LI111122

  • Porträt: Dr. Gerhard Papke (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 19.05.2011

    Eigentlich müsste Gerhard Papke, der Vorsitzende der FDP-Fraktion im NRW-Landtag, einer der glühendsten Verfechter des deutschen Steinkohlebergbaus sein. Er ist, wie er selber sagt, "auf Kohle geboren", in Recklinghausen, und wuchs in der Kohlestadt Erkenschwick am Nordostrand des Ruhrreviers auf. Seine Eltern haben sich durch den Bergbau kennengelernt. Die Familie seines Vaters war wegen der Arbeitsmöglichkeiten in den Bergwerken an die Ruhr gezogen, seine Mutter war Buchhalterin auf der Zeche "Ewald Fortsetzung". Und Papke selbst hat als Schüler seinem Großvater, ebenfalls ein Bergmann, dabei geholfen, die Kohlen von der Straße in den Keller zu schaffen.
    Doch als Papke als junger Abgeordneter seine erste Rede im Landtag hielt und sich dabei vehement für das Ende der Subventionierung des Steinkohlebergbaus einsetzte, da guckten ihn die Abgeordneten von SPD, CDU und selbst den Grünen an, als käme er aus einem anderen Universum. "Das war ein regelrechter Kulturschock, ein absoluter Tabubruch", erinnert sich Papke an seine Jungfernrede. Schon damals stand für ihn fest, dass der Bergbau zwar zur Tradition des Ruhrgebiets gehört, aber nicht zur Zukunft.
    Papke kommt aus einem politisch interessierten Elternhaus, das aber an keine Partei gebunden war. Die SPD, damals in seiner Heimatstadt übermächtig, konnte ihn nicht locken. "Nicht einmal einen Ferienjob konnte man in der Stadt bekommen, wenn man nicht das richtige Parteibuch hatte", ärgert er sich noch heute über den "Genossenfilz". Während seines Studiums an der Ruhr-Universität in Bochum kam er in Kontakt mit der FDP. Die politische Philosophie, die auf Freiheit und Verantwortung setzt, faszinierte ihn. 1983 trat er der Partei bei und mit einem Stipendium der parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung konnte er in Bochum promovieren.
    Seinen ersten Job fand Papke an der Theodor- Heuss-Akademie in Gummersbach, eine Einrichtung der Naumann-Stiftung. Politisch engagierte er sich damals vor allem ehrenamtlich, unter anderem als sachkundiger Bürger im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises.
    Gemeinsam mit einem jungen Parteifreund aus dem Oberbergischen, der an der Heuss- Akademie seinen Zivildienst ableistete, beschloss Papke 1999, für den Landtag zu kandidieren. Der Parteifreund war Christian Lindner, heute Generalsekretär der FDP in Berlin, und gemeinsam schafften sie, was als nahezu aussichtslos gegolten hatte. Bei der Wahl 2000 errangen beide ein Landtagsmandat, Papke auf Platz 14, Lindner auf dem schier unmöglichen Platz 19. Dank eines furiosen Wahlkampfs holte die FDP damals immerhin 23 Mandate.
    Für Landespolitik hat sich Papke entschieden, weil er das Land NRW liebt und sich hier wohlfühlt und weil er überzeugt ist, dass Nordrhein-Westfalen aufgrund seiner Größe, seiner Einwohnerzahl und seines wirtschaftlichen Gewichts eine ganz besondere Rolle im Kreis der 16 Bundesländer spielt. Wiederholt habe NRW eine Vorreiterrolle für die Bundespolitik gespielt, etwa bei der Bildung der ersten sozial-liberalen Koalition 1966, der drei Jahre später eine SPD/FDP-Koalition im Bund folgte, beim ersten rot-grünen Bündnis 1995 und bei der Neuauflage einer schwarzgelben Koalition 2005, der jedes Mal wenig später entsprechende Bündnisse im Bundestag folgten. Mit einem Wechsel in die Bundespolitik hat Papke nie geliebäugelt. Er ist überzeugt, dass man auch aus einer Führungsrolle in der nordrhein-westfälischen Landespolitik Einfluss auf die Bundespolitik nehmen kann. Er schätzt es sehr, dass die Arbeit im Landtag noch überschaubar ist, dass man sich im Hohen Haus am Rhein kennt. "Der Betrieb in Berlin ist mir viel zu anonym."
    Im Plenum zeigt sich der sonst eher sanftmütige Papke als einer der geschliffensten und scharfzüngigsten Debattenredner. Dabei legt er Wert darauf, dass er nicht polemisiert und den politischen Gegner "nicht persönlich diffamiert oder herabsetzt". Aber das Parlament sei nun mal der Ort der politischen Debatte und da müssten die unterschiedlichen Standpunkte auch präzise herausgearbeitet werden. Neben der "Hochgeschwindigkeitspolitik", die Papke betreibt, ist es schwierig, sich persönliche Freiräume zu erhalten. Ein großer Teil der knappen Freizeit verschlingt sein Engagement für Borussia Dortmund, wo Papke im Wirtschaftsrat und, wenn es eben geht, bei Heimspielen auf der Tribüne sitzt.
    Peter Jansen

    ID: LI110617

  • Porträt: Angela Freimuth (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 20.12.2010

    Schon der Lebenslauf der FDP-Abgeordneten Angela Freimuth weist auf ein hohes Maß an persönlicher Liberalität hin. Werkzeugmacherin und Rechtsanwältin, Expertin für Finanzen und Kultur, Amerika-Fan und leidenschaftliche Patriotin - die 44-Jährige deckt ein für Karrierepolitiker ungewöhnlich breites Spektrum ab. Der große Erfahrungsschatz ist dabei durchaus hilfreich im politischen Betrieb. Seit zehn Jahren ist die gebürtige Lüdenscheiderin Mitglied des NRW-Landtags, von 2005 an auch Vizepräsidentin.
    Eigentlich wollte Angela Freimuth der Republik in jungen Jahren den Rücken kehren und wie zwei Brüder ihres Vaters in die Vereinigten Staaten auswandern. Um die eigenen Chancen für eine Aufnahme in den USA zu verbessern, absolvierte die junge Frau nach dem Abitur eine Lehre als Werkzeugmacherin. "Ich bin nicht aus Zucker", berichtet Freimuth nicht ohne Stolz über tolle Erfahrungen an der Werkbank. Kleinere Reparaturen im Haushalt erledigt die patente Mutter eines Sohnes noch heute selbst. Gelernt ist gelernt.
    Nach der Lehre entschied sich die Sauerländerin 1988 dann aber doch für ein Jurastudium in Bonn. 1998 wurde Angela Freimuth nach dem 2. juristischen Staatsexamen als Rechtsanwältin zugelassen und ist selbstständig tätig. Dieser Schritt bedeutete allerdings auch den Abschied von der Idee der Auswanderung. Die Entscheidung für Deutschland hat die Liberale nie bereut. Zwar reist sie regelmäßig und begeistert in die USA - Freimuth pflegt aber einen gesunden Patriotismus: "Ich lebe gern hier. Deutschland ist ein tolles Land."
    In der FDP hat die lebensfrohe Politikerin schnell Karriere gemacht. Heute ist sie Bezirksvorsitzende Westfalen West, stellvertretende Landesvorsitzende und sitzt seit 2003 auch im FDP-Bundesvorstand. Als Landtagsvizepräsidentin bemüht sich die Liberale um mehr Nähe zu Jugendlichen. In den letzten Jahren sind Freimuth und ihre vier Mitstreiter im Präsidium regelmäßig in die Schulen gegangen, um junge Menschen für Demokratie und Parlamentarismus zu begeistern. Was wird gefragt? "Es gibt sehr politische Diskussionen. Oft stehen aber auch Fragen nach der PSZahl des Dienstwagens, nach meinem Gehalt oder ob ich Haustiere habe im Vordergrund." Oberstufenschüler interessiert eher, welche politische Haltung die FDP-Politikerin zu tagesaktuellen Fragen hat. Als Vizepräsidentin bemüht sich Freimuth um Überparteilichkeit in der Amtsführung. "Ich bin aber kein politisches Neutrum. Da gibt es auch markige Sprüche."
    Abseits ihres politischen Aktionsfeldes im Landtag sucht die Liberale Entspannung beim Kochen mit Freunden, in der Familie und bei Musik, Krimis und im Kino. Welche Fehler sie entschuldigt? "Kein Mensch ist ohne Fehler." Politisch am Herzen liegt der Liberalen das Ziel einer nachhaltigen Finanzpolitik. Wer Beamte einstellt, soll schon heute für spätere Pensionen Vorsorge schaffen. "Es geht nicht an, dass wir unseren Kindern die Rechnung für unsere Personalpolitik präsentieren", warnt Freimuth.

    Toleranz

    Dass eine Juristin von 2005 bis 2010 gleichzeitig als finanz- und kulturpolitische Sprecherin der FDP im Landtag agierte, hält die Vizepräsidentin für durchaus normal. Außerdem sei die "inspirierende Unordnung" der Akteure im Kunstbetrieb für eine Anwältin hochinteressant. "Das sind tolle Leute, die anders ticken und Kreativität freisetzen", weiß Freimuth. Auch die eher nüchterne Parlamentsarbeit empfindet die Juristin aber als spannend. Mit dem Einzug der Linkspartei sind neue Personen auf die politische Bühne im Landtag getreten. Über die Zusammenarbeit mit der Linken Ursula Böth im Präsidium kann und will Freimuth bislang nichts Negatives sagen - auch wenn beide programmatisch Welten trennen. An der FDP habe ihr immer die Betonung der Toleranz gegenüber Andersdenken gefallen, erinnert sich die Liberale, warum sie sich in jungen Jahren gerade der FDP angeschlossen habe.
    Im Amt der Vizepräsidentin sieht Angela Freimuth einen wesentlichen Teil ihrer Aufgabe darin, für ein geordnetes Verfahren im Parlament zu sorgen. "Die Leute wollen, dass wir uns um Lösungen kümmern und nicht gegenseitig mit Schuldvorwürfen überschütten."
    Wilfried Goebels

    ID: LI101121

  • Porträt: Dietmar Brockes (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 03.02.2010

    Als waschechter Niederrheiner wurde Dietmar Brockes in jungen Jahren zunächst Schützenbruder - und erst später FDP-Mitglied. Bis heute gehört dem Schützenverein der St.Johannes- Bruderschaft Bracht die große Leidenschaft des 39-jährigen Liberalen. Dabei schoss Brockes den Vogel ab: Mittlerweile ist der gebürtige Nettetaler zum Hauptmann der Preußischen Grenadiere aufgestiegen. Auch das karnevalistische Treiben in der Dülkener Narrenakademie ist für den fest verwurzelten Rheinländer nicht nur Ehrensache, sondern längst zum geliebten Hobby geworden.
    Dass der lebensfrohe Politiker mit gerade mal 19 Jahren bei den Liberalen landete, führt Brockes auf seine tiefe Bewunderung für das FDP-Urgestein Hans-Dietrich Genscher zurück. "Einige hat es schon gewundert, dass ich nicht in die CDU gegangen bin", erinnert sich Brockes. Schließlich war der gläubige Katholik nicht nur elf Jahre lang Messdiener im 6.000-Seelen-Ort Brüggen nahe der deutsch-niederländischen Grenze. Auch in der kirchlichen Jugendarbeit war Brockes lange aktiv. Überhaupt hat ihm die Kirche viel Halt gegeben - vor allem nach dem frühen Tod der Mutter. Seit 2000 nun sitzt der studierte Betriebswirt, der seine berufliche Karriere als Bürokaufmann im Großhandel begann, als Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag. Gleichzeitig ist Brockes Bezirksvorsitzender der FDP am Niederrhein und seit 2004 auch Mitglied des Kreistages Viersen. "Ich will gute Ideen aus Düsseldorf in den Kreis bringen - und umgekehrt", begründet der Liberale seine Multifunktionen. Und als wäre das alles nicht genug, ist Brockes seit 2009 auch Mitglied im Ausschuss der Regionen der EU.
    Bei dieser politischen Dauerbelastung fällt es dem zweifachen Familienvater nicht immer leicht, sich freie Stunden aus dem engen Terminplan herauszuschneiden. Der Besuch der Borussia in Mönchengladbach ist für den begeisterten Fußballfan und Dauerkartenbesitzer aber ein absolutes Muss. Wenn es die Zeit zulässt, besucht Brockes auch die Fußballspiele des Sohnes beim TSF Bracht. Außerdem kickt der Liberale selbst noch beim FC Landtag - wenn ihn nicht wie gerade eine Verletzung auf die Zuschauertribüne zwingt. "Nach meinem Wadenbeinbruch im letzten Jahr möchte ich bald wieder spielen."
    Im väterlichen Malerbetrieb hatte Brockes schon früh gelernt, kräftig mit anzupacken und Verantwortung zu übernehmen. Als einer von 120 Pionierstudenten schrieb sich der junge Mann 1994 für das Studium der Betriebswissenschaften in die Fonty’s Highschool im niederländischen Venlo ein. Bereits während des Studiums machte sich der Wirtschaftskenner selbstständig und gründete 1996 den ESB Service Dietmar Brockes. Die Firma begann mit dem Internet-Software-Versand und erweiterte ihr Programm später auf Internet-Dienstleistungen aller Art. 1998 schloss Brockes parallel sein Studium ab. Seit dem Verkauf des Unternehmens gönnt sich der gelernte Mittelständler eine unternehmerische Pause und konzentriert sich ganz auf die Politik. "Das ist aber ein Mandat auf Zeit", schränkt der Liberale ein. "Ich möchte nicht mit 80 Jahren aus dem Landtag getragen werden. Deshalb werde ich mich sicher irgendwann wieder selbstständig machen." Bei der Landtagswahl im Mai 2010 hat Brockes mit Listenplatz 8 eine aussichtsreiche Chance auf die Wiederwahl in das Düsseldorfer Parlament. Erstmals gilt bei der Landtagswahl das Zweistimmenwahlrecht: Brockes erhofft sich ein FDP-Wahlergebnis von "10 Prozent plus X". Als wirtschaftspolitischer Sprecher und neu gewählter stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag ist Brockes in der liberalen Partei zuletzt weit nach vorn gerückt. Das Gewicht der Landes-FDP in der Bundespartei sieht der Politiker mit der Nominierung des neuen Generalsekretärs Christian Lindner weiter gestärkt.
    Nach fast zehn Jahren im Landtag hat der Liberale natürlich auch Schwachstellen im Landesparlament entdeckt. "Die Organisation müsste effektiver sein." Während der Bundestag zwischen Sitzungs- und Wahlkreiswochen unterscheide, tage der Landtag außerhalb der Ferienzeit fast durchgängig. "Auch deshalb sitzen im Parlament zu wenige Selbstständige und enorm viele Abgeordnete aus dem Öffentlichen Dienst", klagt Brockes. Folgewirkungen: "Bürokratie und hoher Personalbestand in Behörden lassen sich so nur schwer abbauen."
    Wilfried Goebels

    ID: LI100222

  • Porträt: Ingrid Pieper-von Heiden (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 18.03.2009

    Bei Ingrid Pieper-von Heiden geht immer alles schnell. Das kann man beobachten, wenn die lippische Abgeordnete durch die Gänge und Flure des Landtags eilt, das kann man hören, wenn sie am Rednerpult des Plenarsaals steht und mit beeindruckend vielen Wörtern pro Minute ihre Argumente vorträgt, das kann man auch an ihrer politischen Karriere sehen. 1996 trat die damals 48-Jährige in die FDP ein, damals noch in außerparlamentarischer Opposition, drei Monate später saß sie im Landesfachausschuss Bildungspolitik und noch einmal drei Monate später war sie bereits dessen Vorsitzende. In demselben Tempo ging es weiter: 1998 wurde sie zur Kreisvorsitzenden in Lippe gewählt, 2000 in den NRW-Landtag und in den FDP-Bezirksvorstand Ostwestfalen-Lippe, 2002 in den Landesvorstand ihrer Partei.
    Dass sie sich nach Ausbildung, Berufstätigkeit und Familienleben politisch engagieren wollte, stand für Pieper-von Heiden schon zu Schulzeiten fest und dabei war es für sie ebenso eindeutig, dass dieses Engagement in der FDP stattfinden würde. Auch wenn sie in den 70er-Jahren Sympathien für den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) empfand, hingezogen fühlte sie sich zu anderen Parteien nie. Die Freiburger Thesen, Anfang der 70er-Jahre vom damaligen FDP-Generalsekretär Karl-Hermann Flach entwickelt, waren ihre politische Richtschnur. Hinzu kam, dass sie aus einem liberalen Elternhaus stammt, auch wenn ihr Vater nicht Mitglied der Partei gewesen war. Ihren langfristigen Lebensplan setzte Pieper- von Heiden Schritt für Schritt um. Nach dem Schulbesuch in Lemgo arbeitete sie als Fremdsprachenkorrespondentin und Wirtschaftskorrespondentin, schloss ein Studium der Betriebswirtschaft an, arbeitete bis 1977 als Direktionsassistentin und legte dann eine zehnjährige Auszeit für die Familie ein, allerdings unterbrochen von gelegentlichen Einsätzen als Dolmetscherin für ihren alten Arbeitgeber auf internationalen Messen und Konferenzen. 1988 kehrte sie in das Berufsleben zurück, gab ihre Position aber schon zwei Jahre später für ihre alte Leidenschaft Politik wieder auf. 2000 wurde sie auf dem zunächst aussichtslos erscheinenden Platz 17 der FDP-Landesliste in den Landtag gewählt, mittlerweile muss sie sich um ihre Aufstellung und Wiederwahl nur wenig Sorgen machen.
    Pieper-von Heiden ist mit Leib und Seele Bildungspolitkerin und ihr besonderes Augenmerk gilt dabei hochbegabten Kindern. Schon als ihr mittlerweile 30 Jahre alter Sohn noch zur Schule ging und sie sich in der Elternvertretung engagierte, wurde ihr klar, dass viele dieser Kinder besondere Probleme haben. 2001, als die FDP in NRW in der Opposition war, gründete sie die Stiftung Bildung mit Spenden aus der Wirtschaft, die sie noch heute leitet. Die Stiftung hat mittlerweile einen Leitfaden für den Umgang mit Hochbegabten herausgebracht und Module für die Lehrerfortbildung entwickelt. Sie ist überzeugt, dass es in jeder Schulklasse ein paar Kinder gibt, die mit dem normalen Unterricht unterfordert sind. Erst nach und nach werde über dieses Problem offen gesprochen, sagt sie. Allerdings stecke Deutschland noch in den Anfängen. Es fehle an einer individuellen speziellen Förderung dieser Kinder, nicht zuletzt, weil auch die Lehrer darauf nicht vorbereitet seien.
    Ingrid Pieper-von Heiden ist tief in ihrer lippischen Heimat verwurzelt. Sie bietet ihr die notwendige Sicherheit, hier leben ihre Freunde, hier erholt sie sich an Wochenenden vom Stress der Politik, unter anderem durch Joggen. Dreimal, wenn es gut geht, sonst zweimal schnürt sie am Wochenende die Laufschuhe und besonders stolz ist sie darauf, dass sie schon einmal erfolgreich den Hermannslauf von Detmold nach Bielefeld über gut 30 km geschafft hat und dabei den zehnten Platz in ihrer Altersgruppe belegte. Ihre eigenen Kochkünste stuft sie zwar selbst als äußerst bescheiden ein, umso mehr freut sie sich, wenn sie zu gutem Essen mit Freunden zusammentrifft, vor allem, wenn die Küche italienisch inspiriert ist. Italienisch soll auch der Rotwein sein, bei dem sie nach langen Arbeitstagen vor dem Schlafengehen noch einmal tief durchatmet. Und damit ihre Französisch- Kenntnisse nicht einrosten, liest sie einmal im Jahr ihr Lieblingsbuch, von Emile Zola "Au Bonheur des Dames".
    Peter Jansen

    ID: LI090322

  • Porträt: Dr. Stefan Romberg (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 27.08.2008

    Ich erfahre häufig in meinem Praxisalltag, dass ich als Arzt viele Erkrankungen nicht heilen kann, weil gesellschaftliche Faktoren die Menschen krank machen." Nur wenige Abgeordnete dürften eine solch enge Verbindung zwischen ihrem Beruf und ihrem politischem Engagement ziehen, wie sie Dr. Stefan Romberg für sich formuliert. Der 39-jährige Mediziner, der seit 2000 für die FDP im Landtag sitzt, legt allergrößten Wert darauf, neben seinen parlamentarischen und parteipolitischen Verpflichtungen seiner Tätigkeit als Psychotherapeut und Facharzt für Nervenheilkunde nachzugehen: Montags am Marien-Hospital sowie regelmäßig an Wochenenddiensten an einem sozialen Brennpunkt in Hamm. "Ich glaube, dass ich da noch einiges mehr mitbekomme von Menschen und ihren Nöten als viele, die in Gesprächen mit Verbänden ihre politische Meinung fortentwickeln", sieht Romberg sich sehr nah an der Basis.
    Dass der älteste von vier Söhnen eines Ärzte- Ehepaars selbst einmal Medizin studieren würde, war zunächst keinesfalls abgemachte Sache: "Ich habe lange geschwankt zwischen Lebensmittelchemie und Theologie und mich dann für den mittleren Weg zwischen Naturwissenschaft und Umgang mit den Menschen entschieden", blickt Romberg auf die Zeit als Gymnasiast zurück, die er auf dem altehrwürdigen Gymnasium Antonianum in Geseke absolvierte. Wie im Übrigen auch der jetzige Münchener Erzbischof Reinhard Marx, dem Romberg, der derselben katholischen Kirchengemeinde angehörte, als Messdiener in den achtziger Jahren regelmäßig begegnet ist.
    Die Entscheidung, sich politisch bei den Liberalen zu engagieren, fiel mit 17 Jahren relativ früh und unbeeinflusst vom Elternhaus. Der Vater sei zwar trotz seines katholischen Glaubens stets ein "liberaler Geist" gewesen, aber ebenso wie sein Bruder erst später der FDP beigetreten: "Da habe ich ein bisschen die Familie erweckt", freut sich Romberg noch heute über seine erfolgreiche "Missionierung" seiner Familie. In die Landespolitik geriet Romberg eher zufällig und ohne gezielte Karriereplanung. Als 1999 im Kreis Warendorf kurzfristig ein Kandidat abgesprungen war, ließ Romberg sich von dem seinerzeitigen Kreisvorsitzenden in die Pflicht nehmen. Kuriosum am Rande: Weil er bereits einen Urlaub auf La Palma gebucht hatte, wählten ihn die Delegierten aufgrund einer Videopräsentation. Da Romberg als Münsterländer eine besondere Nähe zu Jürgen Möllemann hatte, war er in die Zerreißprobe der ersten Parlamentsjahre hautnah verwickelt. "Aber man lernt ja in schwierigen Lebenssituationen, und ich glaube, dass die Zeit mich auch gestärkt hat", beurteilt der Familienvater im Nachhinein die Jahre bis 2003. Als die FDP 2005 Regierungsfraktion wurde, hat sich auch für Romberg vieles geändert. Die Möglichkeit, Gestaltungsverantwortung zu übernehmen, macht das Mandat naturgemäß sehr viel interessanter. Insbesondere die Chance, in der Diskussion um das Krankenhaus-, das Heim- und das Nichtraucherschutzgesetz Akzente setzen zu können, war für Romberg eine starke Motivation und Herausforderung. Die Kritik an der FDP, ein radikales Rauchverbot in der Gastronomie verhindert zu haben, weist Romberg entschieden zurück: "Die praktische Erfahrung im Umgang mit Menschen und auch Patienten lehrt, dass es wichtig ist, Regelungen zu finden, in die auch viele reinpassen", begründet er die Haltung seiner Fraktion. Viel wichtiger als nicht durchsetzbare und administrierbare Verbote ist dem Gesundheitspolitiker die gesellschaftliche Diskussion: "Die meisten Opfer von Passivrauchen befinden sich doch in den eigenen vier Wänden, wo der Staat nicht eingreifen kann. Wir brauchen mehr gesellschaftliches Engagement, damit Eltern ihre Kleinen nicht vollschmöken." Privat ist der überzeugte und praktizierende Westfale Romberg Italien-Fan, Hobby-Fußballer und kurioserweise Anhänger des 1. FC Kaiserslautern ("unkonventionell und mit viel Begeisterungskraft in der Region"). Außerdem sieht der verheiratete Vater eines anderthalbjährigen Sohnes im Oktober neuen Vaterfreuden entgegen: "Ein kleines Menschenleben relativiert vieles und richtet das Augenmerk noch stärker auf die Kleinen dieser Welt", schnürt er auch hier Privates und Politik zusammen.
    Michael Fritsch

    ID: LIN05269

  • Porträt: Holger Ellerbrock (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 13.06.2007

    Der Mann paddelt gegen den Strom, nicht nur als leidenschaftlicher Kajak- Fahrer. Schon die unverzichtbare Fliege des Liberalen lässt ahnen, dass Holger Ellerbrock kein angepasster Mitläufer ist, sondern ganz bewusst sein Image als Querdenker pflegt. Wenn der 59-jährige Umweltexperte ans Rednerpult tritt, ist ihm die Aufmerksamkeit der Abgeordneten im Landtag gewiss. Ellerbrock ist keiner, der anderen nach dem Mund redet und leistet sich eine eigene Meinung. Dass er damit nicht nur bei der Opposition oft heftiges Kopfschütteln auslöst, nimmt der studierte Diplom- Geograf sportlich.
    "Das Schlimmste wäre es, dumm zu sterben", umschreibt Ellerbrock seine unangepasste Sicht der Dinge. Der Liberale legt Wert auf sachliches Argumentieren und lehnt Symbolpolitik nicht nur in Umweltfragen rigoros ab. In der Klimadebatte sorgte der Umweltfachmann unlängst für erheblichen Unmut im Parlament, als er die hitzige Debatte über den Klimawandel als Hysterie abtat. "Natürlich gibt es menschliche Einflüsse aufs Klima. Viele Probleme lassen sich aber mit modernster Technik lösen." Ellerbrock glaubt an die Magie der Technik.
    Zwischen 1989 und 2000 arbeitete der Wissenschaftler im Düsseldorfer Umweltministerium - zuletzt als Ministerialrat und Referatsleiter. Dabei überrascht die persönliche Bewertung des Liberalen über seine früheren Minister Klaus Matthiesen (SPD) und Bärbel Höhn (GRÜNE). "Ich habe nur gute Erinnerungen an den Profi Matthiesen." Und selbst die grüne "Mutter Courage" Höhn kommt gar nicht schlecht weg. "Die Zusammenarbeit war durchaus in Ordnung. Auch wenn Frau Höhn natürlich eine andere politische Ausrichtung in der Umweltpolitik hat."
    Heute heißt der Umweltminister Eckhard Uhlenberg und ist ein Koalitionspartner der Liberalen. Ellerbrock mag den verlässlichen Uhlenberg, der Umweltschutz mit Augenmaß betreibe. Regelmäßige Treffen und Absprachen habe ein Grundvertrauen wachsen lassen. Das heißt nicht, dass Ellerbrock mit dem CDUMann Uhlenberg immer einer Meinung wäre. "Wir haben unterschiedliche Zielgruppen." Ellerbrock setzt darauf, dass die Politik lediglich Umweltziele vorgibt und die Wirtschaft dann nach den besten Lösungen sucht. "NRW verfügt über hervorragende Universitäten und engagierte Unternehmen."

    "Rotes Tuch"

    Seit dem Jahr 2000 sitzt der Liberale als umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Landtag. Die frühen Jahre bis 1989 als Umwelt- Referent der Fraktion in der Amtszeit des Fraktionschefs Achim Rohde haben ihn stark geprägt: Andere Meinungen akzeptieren, aber gegen die verbreitete Technik-Feindlichkeit ankämpfen. Ellerbrock ist ein erklärter Verfechter der Kernkraft und wird damit im Landtag zum "roten Tuch" für die Grünen. Gleichwohl schätzt der Liberale die Sachkenntnis seiner grünen Pendants im Landtag, Reiner Priggen und Johannes Remmel. "Die wissen, wovon sie reden." Dagegen sei die SPD in der Umweltpolitik "weggebrochen", beklagt der Politiker.
    Ein Dorn im Auge ist Ellerbrock allerdings, dass sich die Grünen in ihrer Regierungszeit in den Ministerien breit gemacht haben. "Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass der rote Filz getoppt werden könnte. Das haben die Grünen aber mit Höhn geschafft." Heute leide die schwarz-gelbe Koalition unter vielen Durchstechereien. Vieles werde in einigen Ministerien auch von interessierter Seite verzögert.
    In der eigenen Partei hat sich Ellerbrock als stellvertretender Vorsitzender des Bezirks Niederrhein und Mitglied des FDP-Bundesfachausschusses einen Namen gemacht. Abseits der Politik bleibt da nur wenig Zeit für die Hobbys: Motorradfahren und Oldtimer. Der gebürtige Duisburger, verheiratet, zwei Kinder, liebt es mit seinem Sohn auf kräftigen Zweirädern durch die Alpen zu fahren. Seine alten Autos sucht ein Freund aus. "Da weiß ich oft gar nicht, was ich als nächstes fahre." Auch das sicher typisch für die unkonventionelle Art des Holger Ellerbrock.
    Autor: Wilfried Goebels

    ID: LIN03182

  • Porträt der Woche: Christian Lindner (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 24.01.2007

    Im Zivilleben ist Christian Lindner bundesweit der jüngste "FDP-General". Gelegentlich tauscht der 28-jährige Landtagsabgeordnete aber für einige Wochen den Schreibtisch im Düsseldorfer Parlament mit der Kaserne in Köln-Wahn. Dann dient Lindner, der zunächst den Wehrdienst verweigert hatte, als Oberleutnant der Reserve im Führungszentrum der Luftwaffe.
    Kein Zweifel, der schlacksige Twen mit dem blonden Haar und dem asketischen Gesicht ist eine schillernde Persönlichkeit. In Politik und Wirtschaft hat der Frühstarter aus dem Heimatort Wermelskirchen in jungen Jahren mehr ausprobiert als mancher gestandene Alt-Liberale. Bereits als Schüler gründete Lindner bei einer 80-Stunden-Woche 1997 eine Werbeagentur, als Politikstudent zog er 2000 in den Landtag ein und gab nebenbei Wirtschaftsbücher heraus. Das Buch "Die Aktie als Marke" wurde sogar Wirtschaftsbuch des Jahres.
    Als Chef einer Software-Firma verdiente Lindner ab 2000 gutes Geld und leistete sich einen Porsche. Als die New-Economy-Blase platzte, meldete der Liberale Insolvenz an. "Unsere Kunden lösten sich auf, unsere Firma auch", erinnert sich Lindner. "In meinem Lebenslauf ging es rauf und runter." Inzwischen hat Lindner drei Lebenskrisen bewältigt. Die Werbeagentur hatte ihn mit permanenter Nachtarbeit zeitlich bis an die körperlichen Grenzen beansprucht, weil er gleichzeitig nach dem Zivildienst einen freiwilligen Wehrdienst hinlegte. Später hat ihn das Aus der Software-Firma schwer getroffen. Und dann der "Fall Möllemann": Das Drama um den ehrgeizigen Tausendsassa aus Münster veränderte Lindners Verständnis von Politik. "Ich habe gesehen, dass man mit zuviel Ehrgeiz am Ende tragisch enden kann."
    Von Möllemann hat das agile Jungtalent Lindner einst den Spitznamen "Bambi" verpasst bekommen. Inzwischen hat sich "Bambi" längst in einen erfolgreichen Polit-Profi verwandelt. Der junge Mann kann reden - darin sind sich Parteifreunde und politische Gegner einig. Unermüdlich tourt Lindner durch die FDP-Kreisverbände, besucht Podiums-Diskussionen und hat nebenbei gerade an der Universität Bonn seinen Magister für Politik, Öffentliches Recht und Philosophie abgelegt.
    Bleibt da überhaupt noch Zeit für ein Privatleben? "Relativ wenig", räumt der Jungpolitiker ein. Mit der Freundin, die in Leipzig studiert, pflegt der Liberale eine Fernbeziehung. "Familienstand ledig, aber seit neun Jahren verliebt", fasst Lindner knapp zusammen. So oft es geht, saust der Politiker für ein Wochenende nach Leipzig.
    Ansonsten joggt der Parteimanager an der heimischen Dhünntalsperre oder schaut sich an den seltenen freien Abenden mit Vorliebe triviale US-Actionfilme an. Eine Erfahrung ist dem selbstbewussten Lindner aber zum eigenen Leidwesen im Alltagsstress versagt geblieben: "Ein normales Studentenleben mit Partys und Kaffee trinken in der Mensa hatte ich nie."

    Zukunft

    Dafür spielt der Liberale mit dem "Hobby FDP" inzwischen politisch in der ersten Landesliga. Dort kämpft der Jungpolitiker vor allem für die Interessen der jungen Generation. "Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft besteht die Gefahr, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen unter die Räder kommen."
    Im Landtag sieht der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion viele Schnittmengen mit dem Koalitionspartner CDU. Das schließt nicht aus, dass er von Zeit zu Zeit auch gegen die CDU-Ministerriege und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers stichelt. Als Vertreter einer "Partei für wirtschaftliche Vernunft" setzt Lindner naturgemäß andere Akzente als Arbeiterführer Rüttgers. "Getrennt marschieren, vereint schlagen." Hauptsache, dass es in der Addition für Schwarz-Gelb reicht.
    Ob er sich eine spätere Rückkehr aus der Politik in die Wirtschaft vorstellen kann? Lindner schließt das nicht aus. "Dass ich 2010 noch politisch aktiv sein werde, ist klar. Ob das auch 2020 noch gilt, weiß ich nicht", sagt der Generalsekretär. Im Jahr 2020 wäre Lindner gerade knapp über 40 Jahre alt - sicher noch nicht zu spät für einen Umstieg in die Wirtschaft. Lindner ist viel zu aktiv und neugierig, als dass er sich selbst Fesseln anlegen wollte.
    Wilfried Goebels

    ID: LIN02754

  • Portrait der Woche: Dr. Gerhard Papke (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 4 - 15.03.2006

    Aufgewachsen auf Kohle in der Bergarbeiterstadt Oer-Erkenschwick; die Eltern lernten sich auf der Zeche Ewald Fortsetzung kennen, wo der Vater unter Tage und die Mutter im Lohnbüro arbeitete: Eine Biografie, die einen Politiker nicht unbedingt an die Spitze der FDP-Fraktion führt und zum unnachgiebigsten Kohle-Kritiker im Landtag macht.
    Doch sich gegen scheinbar überwältigende Mehrheiten zu stemmen, damit ist Gerhard Papke von Jugendtagen an vertraut. In seiner Heimatstadt ist bis heute der mitgliederstärkste SPD-Ortsverein in ganz Deutschland zu Hause, der liberale Ortsverband hingegen seinerzeit nicht mehr als ein "Fähnlein von sieben Aufrechten". Später im Studentenparlament, wo der orthodox-kommunistische MSB Spartakus dominierte, waren die Verhältnisse ähnlich gelagert: "Da intonierten auf der linken Seite 300 Mann rote Fahnen schwenkend die Internationale, rechts stand eine kleine standhafte Truppe von Liberalen, die Einigkeit und Recht und Freiheit sang", erinnert sich Papke an die 80-er Jahre zurück, als er an der Bochumer Ruhr-Universität die Liberalen Hochschulgruppen mitbegründete. "Ich habe Gegenwind aber nie als Belastung empfunden, sondern immer als Ansporn, umso nachdrücklicher für meine Überzeugungen zu werben", blickt er zurück. Schon damals habe ihm die politische Debatte sehr viel Spaß gemacht.
    Papkes Interesse an Politik war bereits auf dem Gymnasium, das er in der Nachbarstadt Datteln besuchte, sehr ausgeprägt. Der FDP trat er 1983 während des Studiums bei. Keine konkreten Ereignisse oder Vorbilder waren der Auslöser, sondern das Interesse an inhaltlichen Fragen: "Ich habe sehr schnell festgestellt, dass für mich das Freiheitsthema im Vordergrund steht," sagt der heute 44-Jährige.
    Politikwechsel
    An der Ruhr-Universität Bochum studierte Papke Wirtschaftsgeschichte, Politikwissenschaft und Völkerrecht, machte 1987 den Magister Artium, promovierte 1991 und zog anschließend nach Königswinter. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem politischen Liberalismus führte ihn zur Friedrich-Naumann-Stiftung nach Gummersbach. Von 1996 bis 1999 war er in der FDP-Bundestagsfraktion wissenschaftlicher Referent für den Bereich Wirtschaftspolitik.
    Als das Parlament von Bonn nach Berlin zog, liebäugelte Papke zunächst mit der neuen Hauptstadt, entschloss sich aber zu einer Kandidatur für den Landtag, in den 2000 die FDP mit 9,8 Prozent und 24 Abgeordneten einzog. Im Gegensatz zum damaligen Parteichef Jürgen Möllemann hat Papke den Gang in die Opposition nicht als Enttäuschung empfunden, da er aufgrund der "Berliner Verhältnisse" ohnehin mit einer Fortsetzung von Rot-Grün in NRW rechnete. Im Nachhinein fühlt er sich bestätigt: "Auf einen vollständigen Politikwechsel zu bauen, war das Beste."
    Mit dem tragischen Tod Möllemans - für Papke "nach wie vor das menschlich Bedrückendste, was ich in meiner politischen Laufbahn erlebt habe" - und der Neuaufstellung von Partei und Landtagsfraktion 2003 gewann Papke als wirtschaftspolitischer Sprecher zusehends an Profil. Nach dem Regierungswechsel 2005 setzte er sich in einer Kampfabstimmung als Fraktionsvorsitzender durch.
    Dass er auch in diesem Amt immer wieder prägnante Akzente setzt und damit beim politischen Gegner aneckt, ist für Papke etwas völlig Selbstverständliches: "Wir sind gewählt worden, um das Land zu verändern und nicht, um die Dinge so zu belassen, wie sie sind." Kritik der Opposition in Richtung CDU, dass sich die FDP überproportional bemerkbar mache, empfindet Papke als Anerkennung und Ansporn: "Es würde mich in größte innere Unruhe stürzen", meint er mit der ihm eigenen Ironie, "wenn ich den Eindruck hätte, wir machen hier unseren Job, und keiner merkt es." Dass man dabei auch in Zukunft von ihm hören wird, und zwar auch in der gewohnten Unzweideutigkeit, daran lässt Papke keinen Zweifel: "Politiker müssen mit der nötigen Klarheit sprechen, damit sie verstanden werden."
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN01584

  • Porträt der Woche: Ralf Witzel (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 14 - 21.12.2005

    Ralf Witzel liebt die USA als Reiseziel. Fünf Mal im vergangenen Jahrzehnt war er dort privat unterwegs, nicht als Abenteurer, Tramper oder dergleichen, was man bei jemandem vom Geburtsjahrgang 1972 vielleicht erwartete. Nein, der Freidemokrat ist mehr fürs konventionelle Reisen, also mit Mietwagen und ordentlicher Bleibe für die Nacht. Keine wilde Bootstour durch den reißenden Colorado-River, keine wacklige Fliegerei zwischen den Felsschichten des Grand Canyon. Witzel strahlt Bürgerlichkeit aus, was nicht nur an seinem soliden Geschäftsanzug liegt.Witzel, der mit 14 Jahren in die FDP eintreten wollte, es aber noch nicht durfte und deshalb das Mitgliedsbuch erst mit 16 bekam, sagt auch Sätze, die von einem jüngeren Wertkonservativen stammen könnten: Er hoffe auf ein Rollback von intakten Familienstrukturen, von family values, wie die Amerikaner das nennen. Der Gesellschaft gehe zuviel verloren durch das Infragestellen von Familie als Institution und das Auseinanderbrechen von Familien.
    Familie sei gelebte Subsidiarität. Hinter der Feststellung lugt das spezifisch Liberale des früheren Chefs der Jungen Liberalen (1994-2003) hervor. Familie zu stärken, das heißt für ihn auch, die Verantwortung des Einzelnen für sich und die Seinen zu kräftigen, den Staat zurückzudrängen. Der "Parlamentarische" der FDPFraktion, das merkt man im Gespräch rasch, ist nicht angehaucht von linksliberalem Gedankengut, wiewohl er die Freiburger Thesen eines Karl-Hermann Flach für ein respektables Stück FDP-Geschichte hält. Der Essener, der in der Metropole geboren wurde, dort als Einzelkind aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, dort Betriebswirtschaft studiert hat und auch heute lebt, gehört zu den Bannerträgern von "Mehr Freiheit -Weniger Staat". Die schwarzgelbe Koalition ist Witzels politisches Wunschbündnis, er sagt sogar "Zukunftsbündnis". Beim Stichwort "Jamaika"-Koalition scheint es den sonst sehr behutsam, versiert und gepflegt argumentierenden jungen Politiker zu durchzucken: "Jamaika" sei für ihn eine Horrorvorstellung: "Das ist nicht auf meinem Radar, die Grünen unterscheiden sich in ihrem ganzen staatsgläubigen Welt- und Gesellschaftsbild diametral von der FDP."
    Witzel lässt sich von niemandem widerspruchslos das Etikett "unsozial" ankleben: "Nicht derjenige handelt sozial, der Wohltaten mit der Gießkanne gibt. Ich will Sozialpolitik gezielt mit dem Gartenschlauch machen, will nur dort wässern, wo wirklich Not herrscht."
    Vater und Mutter - er Diplom-Ingenieur, sie Hausfrau - hat der Filius von der FDP überzeugt, die Eltern gehören jetzt auch zu den Liberalen. Man kann das nachvollziehen, weil Witzel überzeugend und unaufgeregt zu argumentieren versteht, den Eindruck von Ernsthaftigkeit und Sachkunde vermittelt, ohne verbissen zu erscheinen. Die Bildungspolitik zählt zu Ralf Witzels Steckenpferden. Er glaubt, dass NRW in fünf Jahren das führende deutsche Bildungsland sein wird. Man spürt, dass der "Parlamentarische", der nach eigenem Bekunden überglücklich mit seiner Aufgabe ist, vom Zauber des Neuanfangs stark umfangen ist. Da ist noch viel Hoffnung auf grundlegende Veränderungen nach dem großen politischen Farbenwechsel. Da kommt auch noch unverstellte Freude an der "unwahrscheinlich spannenden" Aufgabe auf, die ihm gestellt wurde.
    Bevor er 2000 ins Parlament kam, war Witzel in einer großen Essener Firma beschäftigt, Bereich Personalmanagement. Buchhalterei oder Controlling ist seine betriebswirtschaftliche Sache nicht. Auf die Frage, ob er eine Ministerlaufbahn erhoffe, kommt eine nahezu perfekte Parlamentarier-Antwort: Manche hielten ein hohes Amt in der Administration für eine Veredelung von Politik; er nicht. Im Übrigen, so Witzel, gelte für ihn: "Schuster, bleib’ bei deinem Leisten."
    Der noch ledige Mann ist auch bei seinen Freizeitaktivitäten kein Extremer: Ein wenig radeln, ein bisschen joggen, ins Kino gehen, ein gutes Buch lesen, und dann, wie eingangs geschildert: ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten verreisen, am liebsten in die US-Südstaaten, weil es dort vergleichsweise traditionell und gemächlich zugehe.
    Reinhold Michels

    ID: LIN01285

  • Porträt der Woche: Angela Freimuth (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 28.09.2005

    Von der Werkbank über die Anwaltskanzlei ins Parlamentspräsidium. Ganz viele Frauen im Politikbetrieb dürfte es nicht geben, die mit gerade einmal 39 Jahren auf eine solch außergewöhnliche Vita verweisen können. Ein sicheres Indiz dafür, dass Angela Freimuth, seit dem 8. Juni Vizepräsidentin des Landtages, ihre Karriere nicht von vornherein zielstrebig auf Düsseldorf hin ausgerichtet hat. Das Ziel ihrer Jugend lag vielmehr ein paar tausend Kilometer weiter westlich in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort leben zwei Brüder ihres Vaters mit ihren Familien. Und dorthin zog es lange auch die junge Angela Freimuth. Auch um ihre Chancen zu erhöhen, in die USA auswandern zu können, entschied sich die gebürtige und überzeugte Lüdenscheiderin deshalb nach ihrem Abitur 1985 für eine Ausbildung zur Werkzeugmacherin. Gekommen dazu ist es dann zwar nicht, doch die große Liebe sind die Vereinigten Staaten für Angela Freimuth bis heute geblieben. 26 Bundesstaaten hat sie bislang bereist, alle 50 sollen es noch werden.
    Berufsweg
    Zur FDP und damit auch den Jungen Liberalen, deren erste Ortsvorsitzende in Lüdenscheid sie wurde, stieß Angela Freimuth noch während ihrer Lehre. Für eine Auszubildende in einem Metallberuf eher untypisch. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung waren allerdings weder ihre Eltern noch persönliche Vorbilder. "Es waren vielmehr die programmatischen Grundideen und Werteprioritäten wie Freiheit und Eigenverantwortung, Individualität und Toleranz. Dort fand ich mich am ehesten wieder", sagt Angela Freimuth im Rückblick: "Und das gilt auch heute noch."
    Ihr Jurastudium absolvierte Angela Freimuth von 1988 an in Bonn. Das Arbeiten in einem freien Beruf passe sehr gut in ihre liberale Philosophie, findet sie. Die Tätigkeit im Bereich Wirtschafts- und Steuerrecht und ein Fachanwaltslehrgang Steuerrecht Ende der neunziger Jahre stellten die Weichen bei ihrem Einstieg in die professionelle Politik. Dieser begann nur ein Jahr darauf mit ihrem Einzug in den Landtag im Jahr 2000. Die FDP war seinerzeit nach fünfjähriger Abstinenz mit 9,8 Prozent mit 24 Abgeordneten in das Landesparlament zurückgekehrt und Angela Freimuth, eine der zahlreichen liberalen Neulinge im Parlament, fand im Haushalts- und Finanzausschuss ihr zentrales Betätigungsfeld.
    Mit den Wahlen vom 22. Mai 2005, die ein neues Kapitel in der Landesgeschichte einleiteten, kam die FDP erstmals nach 25 Jahren wieder in Regierungsverantwortung. Und Angela Freimuth, seit Dezember 2002 auch stellvertretende Landesvorsitzende der NRW-FDP, schrieb mit am Koalitionsvertrag, dem Drehbuch der Wende. Bei der Aufstellung des liberalen Personaltableaus trug ihre Fraktion ihr mit der Nominierung zur Stellvertretenden Landtagspräsidentin ein parlamentarisches Spitzenamt an. Eine völlig neue Rolle also, mit der sich die Politikerin derzeit vertraut zu machen hat. Zu einem Zeitpunkt, da die Arbeit in Partei und Fraktion nicht gerade weniger geworden ist. So ist für sie der Bereich Kultur hinzugekommen und damit ein neues inneres Spannungsverhältnis entstanden: "Der Haushälter wird ja oft als der natürliche Feind des Kulturpolitikers betitelt und umgekehrt", beschreibt sie umgangssprachlich die auf sie zukommende Situation.
    Eine Konfliktlage sieht Angela Freimuth ihrer Doppelrolle als FDP-Politikerin und Neutralität verpflichtetes Präsidiumsmitglied nicht: Kein Landtagsabgeordneter sei ein "politisches Neutrum" und der sachpolitische, argumentative Streit, so ihr Credo, gehört zur Demokratie dazu: "Allerdings haben wir darüber hinaus eine parteiübergreifende Verpflichtung, insbesondere gegenüber der jungen Generation, die Menschen für Demokratie und Parlamentarismus wieder zu interessieren und wenn möglich zu begeistern."
    Michael Fritsch

    ID: LIN01129

  • Porträt der Woche: Christof Rasche (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 13 - 24.11.2004

    Christof Rasche ist ein klassischer "Überläufer". Sein Vater war 20 Jahre lang Vorsitzender der CDU in Erwitte und der Sohn war drauf und dran, in seine Fußstapfen zu treten. Immerhin war er Ende der 70-er Vorsitzender der Jungen Union in seiner Heimatstadt. Doch einer seiner beiden Brüder - elf Jahre älter - "bekehrte" ihn, als Christof 16 war, indem er in Erwitte die FDP gründete. Und sie hatten hohe Ziele: "Mein Bruder und ich wollten schon immer die absolute Mehrheit der CDU brechen."
    Das ist zwar nicht ganz gelungen. Aber die FDP in Erwitte kam immer näher dran. Denn bis 1994 hatten die Liberalen in der 16.500- Einwohner-Stadt immer Kommunalwahlergebnisse von sieben bis acht Prozent. Bei den nächsten Wahlen waren es schon 18,5 Prozent, danach schon 23,3. Und bei der Landtagswahl 2000 schaffte die FDP in Erwitte mit Rasche sogar stolze 24,5 Prozent. "Wir haben in der Bevölkerung endlich Anerkennung gefunden", sagt Rasche. Und: "Diese Zahlen zeigen schon alleine, was möglich ist."
    Auch der Einzug in den Landtag war möglich, wie sich im Mai 2000 herausstellte. Über Platz elf der Landesreserveliste bekam der Ostwestfale sein Mandat. Und inzwischen hat er sich in seiner Fraktion zum echten Verkehrsexperten entwickelt, ist verkehrspolitischer Sprecher und stellvertretender Sprecher des Landesfachausschusses "Verkehr" in der FDP. "Ich wollte mich um das kümmern, was mich immer am meisten geärgert hat, weil ich viel unterwegs war und bin: die ständigen Staus auf der Autobahn."
    Viel unterwegs war er vor allem in der Zeit, in der er geglaubt hat, er könne zwei Jobs nebenher machen. Den einen seit der Wahl im Landtag und den anderen als Filialleiter der Sparkasse in Erwitte-Anröchte. "Ich war am Anfang in einer Phase, in der ich geglaubt habe, man kann das miteinander verbinden. Halbtags Bank, halbtags Politik." Doch schnell hat der jetzt 42-Jährige gemerkt, dass das nicht geht. "Wenn man seinen Job hier ernst nehmen will, dann muss man raus, dann ist man permanent unterwegs. Vor allem als Verkehrspolitiker." Rasche: "Also habe ich mich dann entschieden: Ich setze auf Politik und mache das jetzt richtig."
    Handballer
    Deshalb bleibt ihm jetzt auch immer weniger Zeit für seine schönste Nebensache der Welt: Handball. In der Kindheit noch, wie fast alle dem Fußball verfallen, zog es ihn mit 14 zu den etwas kleineren Toren in die Halle. Insofern ist er auch hier ein Überläufer. Und hat dabei die Seiten bis heute nicht mehr gewechselt. Allerdings muss der TuS 06 Anröchte ab und an schon mal ohne ihn auskommen, das Mandat geht schließlich vor. Dennoch liegt die Mannschaft ganz gut im Rennen: Platz 4 der 2. Kreisklasse im Kreis Hellweg zurzeit.
    Dass viele seinen Lieblings-Sport als "zu brutal" abqualifizieren, stört ihn nicht: "Man kann sich ja wehren. Außerdem kenne ich keinen anderen Sport, bei dem man sich über eine Stunde lang schöner austoben kann als beim Handball." So sehr austoben, dass ihm innerhalb eines Jahres schon mal zwei Schneidezähne abhanden kamen - "aber das war eher Zufall".
    Dann doch lieber als Zuschauer bei seinem "FC Schalke 04". Da ist der Vorsitzende des städtischen Sportverbandes Erwitte dann genauso "bekloppt" wie alle "Blau-Weißen". Denn wenn er mit seinem älteren Bruder "auf Schalke" geht, dann merkt er immer wieder, dass er sich "mit Herz und Bauch" dem Verein angeschlossen hat. "Vielleicht aber auch ohne den Kopf, denn logisch ist das alles nicht."
    Und wenn Christof Rasche mal Ruhe und Erholung braucht, dann fährt er zwei Wochen Ski, trinkt ein Bier mit Freunden oder spielt eine Runde Doppelkopf. Oder er geht mit seinem Airedale-Terrier "Aisha" spazieren. Aber kaum etwas kann ihn so sehr entspannen wie eine Mütze Kurz-Schlaf: Er setzt oder legt sich hin, irgendwo, macht die Augen zu - und schläft ein. "Innerhalb von einer Minute. Nach einer Viertelstunde bin ich fit. Das brauchte ich mir noch nicht einmal anzutrainieren, das ist einfach so."
    Ralph Goldmann

    ID: LIN00879

  • Porträt der Woche: Dr. Stefan Grüll (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 11.11.2004

    Was macht den Politiker aus? Der unbedingte Wille, sich um die öffentliche Sache zu kümmern? Wenn das die zulässige Definition eines Politikers ist, wird man Dr. Stefan Grüll als homo politicus bezeichnen dürfen. Denn der Wille, sich einzubringen, sich zu kümmern, mit zu bestimmen und - natürlich - mit zu entscheiden, das ist der wichtigste Antrieb des FDP-Abgeordneten Grüll, der seit 2000 im Landtag sitzt.
    Das gilt im Kleinen wie im Großen. Das gilt für Hundeverordnung wie Medienpolitik, für Finanz- und Haushaltspolitik wie für die Innenpolitik. In diesem Sinn wird man Grüll bescheinigen können und müssen, dass er der klassische politische Generalist ist. Einer, der sich um alles kümmert. Einer, der öffentliche Wirkung erzielen will. Jemand halt, der führen will und diesen Anspruch auch stets geltend macht - ganz gleich, ob er dazu selbst aktiv wird, wie bei seiner jüngsten, durchaus erfolgreichen Kandidatur bei den Kommunalwahlen für das Landratsamt im Kreis Borken; oder ob er von dritten in die erste Reihe ge- schoben werden soll, wie nach seinem Einzug in den Landtag im Jahr 2000 durch den damaligen FDP-Partei- und Fraktionschef Jürgen W. Möllemann; Oder ob er sich selbst dazu in Stellung bringt, wie bei seiner Kandidatur zum Fraktionsvorsitz im Landtag nach dem Rücktritt Möllemanns, die er knapp, aber kläglich verlor.
    Liberaler Kopf
    Kläglich war diese Niederlage in doppelter Hinsicht: Sie traf zunächst Grüll selbst unerwartet und kann insofern als Beleg dafür gelten, dass der jung-dynamische 43-Jährige Mehrheiten und Diskurs in seiner Partei nicht immer realistisch bewertet. Kläglich aber auch für die FDP, weil die nicht übermäßig mit politischen Talenten ausgestattete liberale Partei, die unter Möllemann mit dem Anspruch antrat, Volkspartei werden zu wollen, sich mit der Ausgrenzung eines Kopfes aus ihrem sonst wenig profilierten Team von dem Ziel verabschiedet, Partei mit eigenem Anspruchsund Inhaltsprofil zu sein und zurückkehrt zu ihrer alten Funktion als Mehrheitsbeschafferin.
    Grüll verfügt bis heute über ausgezeichnete Kontakte zur intellektuellen Führung der Bundespartei und doch macht es der liberale Kopf sich und der FDP nicht eben leicht, miteinander zurecht zu kommen. Er hat es noch nie getan. Früher als andere ging er auf Distanz zu Jürgen W. Möllemann, der doch sein politischer Ziehvater war, als der mit dem Israelkritischen Wahlkampf-Flyer den Boden liberaler Politik in Richtung Populismus zu verlassen schien. Kein Zufall, dass gerade Grüll damals den FDP-Antrag "Jüdisches Leben in NRW" schrieb.
    Auch heute noch schwingt unüberhörbar Respekt, geradezu Zuneigung mit, wenn Grüll über seinen früheren Mentor spricht. Entschiedener als möglicherweise die Partei selbst, hält der Jurist an Möllemanns Volkspartei- Konzept und der Strategie der Eigenständigkeit fest. Er ist überzeugt, die FDP habe das Zeug zu mehr. Aus diesem Ansporn heraus veröffentlichte Grüll gemeinsam mit dem früheren Schatzmeister Andreas Reichel im Oktober 2003 den Aufruf "Freie Demokraten in der FDP", ein Papier, das er angesichts der damaligen Lage der Partei für notwendig hielt. Den Titel würde er heute ändern. Eine Abspaltung, wie die Parteiführung unterstellte, war nie angestrebt. Dennoch tut sich seither die FDP mit dem führenden politischen Kopf noch ein wenig schwerer. Das gilt auch umgekehrt und dürfte wohl so bleiben. Gerade erst hat der Jesuitenschüler seine Kritik an der Haltung der FDP gegenüber dem als EU-Kommissar gescheiterten Italiener Buttiglione formuliert. Eine liberale Gesellschaft müsse nicht zwingend voller Liberaler sein, umschreibt Grüll sein Credo von Meinungsfreiheit.
    An Rückzug denkt der gelernte Bankkaufmann und praktizierende Rechtsanwalt nicht. Im Gegenteil. Mit seiner Ehefrau ist Grüll gerade von Bonn nach Düsseldorf umgezogen und setzt damit zugleich zwei politische Signale: Er ist kampfbereit und dabei - wie das Borkener Ergebnis zeigt - auch erfolgreich. Kein Zweifel, Grüll will weiter Politik machen.
    Thomas Seim

    ID: LIN00829

  • Porträt der Woche: Horst Engel (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 28.04.2004

    Es gab im Leben von Horst Engel so ziemlich genau zwei Termine, an denen sich seine politische Arbeit grundlegend veränderte. Der eine war die Landtagswahl, der andere der Tag der Anschläge in New York und Washington.
    Am 14. Mai 2000 saß er mit zwei Zetteln in den Taschen in seinem Wagen auf dem Weg ins Kreishaus nach Bergheim und hörte im Radio die Hochrechnungen, die die FDP bei zehn Prozent sahen. "Das ist ein Irrtum, das kann nicht sein", dachte er sich. Denn ursprünglich, so erinnert er sich, war er "für die Kommunalpolitik im Erftkreis gebucht", kam dann aber über Platz 2 der Landesreserveliste in den Landtag.
    Und nur 16 Monate später dann der zweite wegweisende Termin im Leben von Horst Engel: "Seit dem 11. September 2001 ist bei mir der Teufel los. Das Telefon klingelt fast rund um die Uhr. Ich habe noch nie so hart gearbeitet wie in der Zeit nach den Anschlägen", sagt der innenpolitische Sprecher seiner Fraktion, der sich seither hauptsächlich mit Sicherheitspolitik beschäftigt.

    "Gelernter Kölner"

    Geboren wurde Horst Engel 1947 in Leipzig: "Das war reiner Zufall", meint er im Rückblick. Darum bezeichnet sich der 57-Jährige gerne als "gelernten Kölner", der inzwischen in Pulheim lebt, aber ständig unterwegs ist.
    In Köln verwirklichte Engel dann Ende der 60-er Jahre auch seinen alten Kindheitstraum: Er wurde Kommissar. Mit 24 war er "Oberbeamter vom Dienst" auf der Einsatzleitstelle "Arnold". "Eine spannende Zeit, die ich nicht missen will", erinnert er sich. Er traf auf alle Schichten der Bevölkerung, lernte mit Menschen umzugehen. Und holte sich dort auch das nötige Einfühlungsvermögen. "Das hat mir natürlich später bei meiner Arbeit als Abgeordneter sehr geholfen."
    In die Politik trieb es ihn 1976, eher als Seiteneinsteiger, wie er sagt. Schon früh hatte er Veranstaltungen der Europa-Union besucht. Nach dem Umzug nach Pulheim wurde er gefragt, ob er nicht bei der FDP mitmachen wolle. Er machte mit, weil er die Liberalen eher in der Nähe des europäischen Gedankens sah als die anderen Parteien. Und das alles "ohne irgendwelche Ambitionen", aber mit großem Erfolg: Auf Anhieb schaffte er 28,3 Prozent bei der ersten Kommunalwahl, bei der er kandidierte. Doch die Ansprüche hat er inzwischen heruntergeschraubt. Bei der nächsten Kommunalwahl heißt das Ziel: sieben Prozent. Für die kommende Landtagswahl lautet die Devise:"Wir haben die besseren Startvoraussetzungen als 2000, weil wir jetzt im Landtag sind. Das ist ein schweres Pfund. Deshalb bin ich auch sehr optimistisch, dass wir ein gutes Wahlergebnis erzielen." Ob es aber so wird wie vor vier Jahren, das möchte Horst Engel heute noch nicht beurteilen.
    Und wenn sich Horst Engel einmal nicht mit Wahlen, nicht mit den Sorgen und Nöten der Bürger im Land und im Kreis und nicht mit Innen- oder Sicherheitspolitik beschäftigt, dann geht es ab zum Ski fahren - und da führt kein Weg dran vorbei: "Diese 14 Tage im Winter, immer in der letzten Februar- und in der ersten März-Woche, das haben wir bis heute durchgehalten."
    Nicht ganz so konsequent ist er da bei seiner zweiten großen sportlichen Leidenschaft: dem Surf- und Segelsport. Nachdem er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Badminton spielen konnte, trieb es ihn aufs Wasser. Und dort ging er seinem Ziel, die Segelscheine bis zum "Hochseeschein" zu machen, genauso geradlinig nach wie zuvor seinem Ziel Kommissar zu werden.
    Und beim bislang letzten Törn hat er sich dann einfach mal segeln lassen, auf dem Nachbau einer amerikanischen Brigantine, einem riesigen Segel-Schoner: "Sie brauchten nicht unbedingt mit anfassen, konnten aber." Da hat er es sich dann so richtig gemütlich gemacht und mal die anderen arbeiten lassen. Arbeiten, dachte er sich wohl, kann ich zu Hause noch genug. Erst recht nach den zwei Tagen, an denen sich seine Arbeit grundlegend veränderte.
    Ralph Goldmann

    ID: LIN00450

  • Porträt der Woche: Dr. Jens Jordan (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 1 - 28.01.2004

    Jens Jordan macht ungern viel Aufhebens um seine Person. Vor seinem sechzigsten Geburtstag ließ der Waltroper Bürgermeister anfragen, ob eine Glückwunsch-Visite genehm sei. Jordan winkte ab: "Ganz normaler Arbeitstag, da bin ich im Büro in Duisburg." Im engeren Mitarbeiterkreis gab"s am 24.April um Elf ein Glas Sekt zum Festtag - ansonsten business as usual. Am Wochenende danach kamen die vier erwachsenen Kinder (drei Söhne, eine Tochter, zusätzlich vier Enkel) ins Elternhaus, um dem Vater und Großvater zu gratulieren. "Ich will meinen Sechzigsten nicht hochstilisieren", sagt Jens Jordan, der Diplomchemiker in der Stahlbranche, der als Bereichsleiter bei ThyssenKrupp für Messen und Ausstellungen zuständig ist und in der FDP-Fraktion ohne gewaltige parlamentarische Ambitionen die Hinterbank besetzt.
    Das altpreußische Motto, mehr zu sein als zu scheinen, möchte sich der in Heidelberg gebürtige Jordan nicht zu eigen machen. Er ist wohl ein nüchterner Zeitgenosse, der dort, wo er steht, versucht, seine Pflicht zu tun. Der FDP-Abgeordnete hätte es gern, wenn man über ihn sagte, dass man sich auf ihn verlassen könne. Wenn er etwas zugesagt hat, setzt er alles daran, dass den Worten auch Taten folgen, getreu dem Kästner-Spruch: Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es. Jordan versteht sich als einen Mann der unspektakulären Tat, als jemand, der es nicht leiden kann, wenn Leute "rumhängen". Wo immer er Unternehmensgeist wittert, möchte er diesen beflügeln.
    Als Ratsherr in Waltrop und als Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Castop-Rauxel/Waltrop engagiert sich der Freidemokrat besonders für das Projekt "newPark". Auf einem früheren Großindustriegebiet soll ein Mix aus produzierendem und dienstleistendem Gewerbe entstehen ? zum Nutzen einer strukturgeschwächten Region, deren Arbeitslosenquote deutlich über dem Landesdurchschnitt von 10,3 Prozent liegt.

    Kompromissbereitschaft

    Alles, was den Wettbewerb behindere, sei nicht arbeitsplatztauglich. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Jens Jordan ist kein Manchester-Kapitalist. Dafür fehlt ihm das kalte Herz des Nur-Profitlers. Er möchte, dass die Menschen in der freien Wirtschaft anständig behandelt werden und geht selbst nach eigenem Urteil liebevoll mit seinen Mitarbeitern um.
    Als Sozialliberalen will sich Freidemokrat Jordan nicht bezeichnen. Politisch und privat neigt er sehr zum Kompromiss, wobei er versteht, dass es manchmal der Brechertypen bedarf, um eine Sache zuzuspitzen und machtvoll voranzubringen. Wiewohl er politisch von gebremstem Ehrgeiz ist, lehnt er Menschen nicht ab, die vor Ehrgeiz brennen, es sei denn, sie vertreten ihre Ansichten ausschließlich aus Eigennutz.
    Als Studiosus der Chemie ließ es der junge Heidelberger beim Lernen langsam angehen. Jordan war ein "68er", kein Linksradikaler, aber ein Verbalradikalinski, der an frechen politischen Sprüchen, an Sitzblockaden und Vorlesungsboykott sowie dem ganzen antiautoritären Gebaren der damaligen Aufbruchjahre seinen Gefallen hatte. 1968/69 wechselte Jordan an die junge Uni Dortmund. Der politisierende Chemiestudent entschloss sich, in die FDP einzutreten. Sechs Monate kurz hat er einmal dem Bundestag angehört. Das war 1994. Im Mai 2000, als er gerade in kurzen Hosen am Gartengrill stand, erreichte ihn die frohe Botschaft, dem neuen Landtag anzugehören. Wie man den ruhigen Mann kennt, wird er sich gefreut haben, aber weiter die Würste gewendet und hernach vertilgt haben. Es ist falsch, von Jordans schlanker Erscheinung auf einen Sportfreund zu schließen. "First of all, no sports" antwortet er auf die Frage nach privaten Leidenschaften. Die Folge dieser Art von Enthaltsamkeit: Ihn plagen weder Tennisarm noch Knieprobleme und auch die manchem Golfer vertrauten Wehwehchen im Lendenwirbelbereich sind ihm fremd. Jordan ist Hobby-Ornithologe. Vom Landtags-Bürofenster aus, das den Blick auf Rhein und Hafenviertel freigibt, beobachtet der Vogelkundler hin und wieder auch mit dem Fernglas Gänse und anderes Federvieh am Flussufer.
    Autor: Reinhold Michels

    ID: LIN00085

  • Porträt der Woche: Marianne Thomann-Stahl (FDP).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 14 - 12.11.2003

    Marianne Thomann-Stahl lässt wieder einmal Strenge walten. Sie hält ihren Rücken am Schreibtisch kerzengerade und streicht mit dem blauen Stift durch die Antragstexte in ihrer Mappe. Hin und wieder entfährt ihr ein ärgerliches Murmeln. "Das versteht doch kein Mensch", sagt sie dann tadelnd mit ihrem dunklen Timbre. Der Antragsschluss vor einer Plenarwoche rückt näher, und sie redigiert wie gewohnt sämtliche Vorlagen.
    Als Parlamentarische Geschäftsführerin (PG) der FDP-Landtagsfraktion ist sie für deren Wohl zuständig, und dazu gehört auch, die Abgeordneten vor unverständlichen Anträgen zu bewahren. Dass Marianne Thomann-Stahl nach der Landtagswahl 2000 für die Aufgabe der PG auserkoren wurde, ist bei all ihrer Erfahrung nachvollziehbar. Zwischen 1985 und 1995 war sie bereits als Abgeordnete und Fraktionsvize im Düsseldorfer Parlament aktiv. Über sich selbst sagt die gebürtige Schwäbin ohne Überheblichkeit: "Ich bin gut im Organisieren."
    Diese Qualität hat an Bedeutung gewonnen, weil sich die Arbeit verändert hat. Es sei alles kleinteiliger geworden, sagt sie. Beispielsweise seien einmal allein zum Thema WestLB Hunderte von E-Mails bei ihr eingegangen. Ihre dritte Legislaturperiode hat aber auch Marianne Thomann-Stahl an Belastungsgrenzen geführt. Die 49-Jährige war mit der seltenen Gefahr konfrontiert, dass eine Fraktion innerlich zerrissen wird. Es war der Streit um den inzwischen verstorbenen Ex- Fraktionschef Jürgen Möllemann, dessen Spendenaffäre und dessen heraufbeschworenem Antisemitismus-Streit, der zu diesem Ausnahmezustand geführt hatte. Sie habe viele Wogen glätten müssen, sagt die Mindenerin, die den Führungswechsel von Möllemann zu Dr. Ingo Wolf überstanden hat. Mit Interna hält sie sich eisern zurück, auch wenn vieles über die Auseinandersetzungen nach außen gedrungen ist. Schließlich gehört Verschwiegenheit zu den Kardinaltugenden einer PG.

    Rückzugsgebiet

    Diese Zurückhaltung ist es mithin auch, die sie oftmals unnahbar erscheinen lässt. Emotionale Reaktionen kennt man von ihr kaum. Im Zwiegespräch verrät sie aber, dass sie regelmäßig aus der Haut fahre. "Dann lassen sich strittige Angelegenheiten leichter klären." Hinter ihrer Gefasstheit war zuletzt auch große Bestürzung zu sehen. Es war jener Freitag im Juni dieses Jahres, als Jürgen Möllemann nach seinem tödlichen Fallschirm- Absturz beigesetzt wurde. Marianne Thomann-Stahl war eine der wenigen FDP-Abgeordneten, die auf dem Zentralfriedhof in Münster Abschied nahmen. Sie stand mit verwässerten Augen in der Kapelle und brachte kein Wort heraus.
    Es braucht ein wenig Zeit, den Menschen Thomann-Stahl zu entdecken. Doch wenn man ihm erst einmal begegnet, sieht man viele neue Facetten: eine passionierte Operngängerin und Fernreisende, eine Hobby-Gärtnerin und eine engagierte Mutter, die täglich mit ihren beiden Kindern telefoniert. Sie sei die erste Parlamentarierin gewesen, die während ihrer Zeit als Mandatsträgerin schwanger geworden sei, verrät die Diplom- Kauffrau en passant. Sie schwärmt von einem intakten Familienleben, und dabei wird deutlich, dass ihr Zuhause im weit entfernten ostwestfälischen Minden ein wichtiges Rückzugsgebiet ist.
    Als sie vor sechs Jahren dorthin zog, da darbte die FDP vor sich hin. Die Liberalen waren in Nordrhein-Westfalen nur noch eine belächelte außerparlamentarische Opposition. Diese Hungerjahre wird sie trotz der fulminanten Rückkehr in den Landtag vor drei Jahren nicht vergessen. Dabei sieht Marianne Thomann-Stahl, die seit 30 Jahren den Freien Demokraten angehört, die Unberechenbarkeit in der Politik sehr nüchtern und würde eher zu einem "So ist das eben" neigen als zu schicksalsschwangeren Betrachtungen. Von einer schnörkeligen Ausdrucksweise hält sie ohnehin nicht viel. Philosophische Weisheiten wie die des Dalai Lama seien auch nicht so ihr Fall, sagt sie und fügt schmunzelnd hinzu: "Da ist mir ein ordentlicher Krimi lieber."
    Kristian Frigelj

    ID: LIN01647

  • Porträt der Woche: Ralf Witzel (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 11 - 17.07.2003

    Wenn man sich mit dem FDP-Abgeordneten Ralf Witzel zu einem Gesprächstermin im Landtag verabreden will, dann muss man sich auf ein relativ spätes Treffen einstellen. "Nach 17 Uhr können Sie kommen, wann Sie wollen. Ich bin bestimmt bis 22 Uhr im Haus", sagt der Mann, der gerade erst 28 geworden war, als er vor drei Jahren in den Landtag einzog.Der 31- Jährige Essener ist seither der drittjüngste Abgeordnete im Parlament - nach seinem Parteifreund Christian Lindner (24) und dem Kaufmann Thomas Kufen (CDU, 29 Jahre).
    In seinem Heimat-Wahlkreis seien die Leute erst einmal sehr überrascht gewesen. Dort habe er vor allem bei seinem ersten Anlauf als Kandidat für den Landtag 1995 Probleme gehabt, akzeptiert und anerkannt zu werden. Viele lebens- und berufserfahrene Wählerinnen und Wähler hätten damals gesagt, er solle doch erst mal sein eigenes Geld verdienen, sich informieren, wie viele Steuern die Leute zahlen und wie das Geld der Bürger ausgegeben werde.
    Dabei wusste er das freilich schon recht früh: Nach dem Abitur 1991 am Essener Stadtwald-Gymnasium und dem Besuch der Höheren Handelsschule für Wirtschaft und Verwaltung studierte er Betriebswirtschaftslehre. Das führte ihn nach dem Examen und der Diplomarbeit geradewegs zum Baukonzern Hochtief, wo er seit dem Herbst 1999 als Personalreferent für Führungskräfteentwicklung arbeitet. Eine Doppelbelastung neben der Abgeordneten-Tätigkeit? "Nein", sagt Ralf Witzel, "das eine profitiert vom anderen, doch Sie brauchen sehr viel Disziplin." Und das führt dann - siehe oben - zu langen Abenden im Landtag.
    Nach drei Jahren dort und viel Überzeugungsarbeit hat er dazugelernt und ist auch selbstbewusster geworden: "Wenn ich mit der Fachöffentlichkeit im Bildungsbereich rede, dann habe ich den Eindruck, dass ich als kompetenter Ansprechpartner respektiert werde." Überhaupt ist es schwer, in einem Gespräch mit Ralf Witzel nicht früher oder später auf das Thema Bildung zu kommen - mit Abstand Witzels Lieblingsthema, schließlich ist er bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Dann könnte er sich in Fahrt reden, die steigenden Schülerzahlen und die schlechte Bildung im Vergleich zu früher beklagen, dass NRW hier auf einem Niveau mit Mexiko stehe, dass Lehrer und Schüler viel zu schlecht motiviert seien und dass den Lehrern viel praktische Erfahrung fehle.
    Und wenn er mal wieder über Bildung spricht, dann denkt er auch immer wieder an seine eigene Schulzeit zurück: "Wir hatten einen außerordentlich lebendigen Politikunterricht, haben Podiumsdiskussionen in der Klasse gemacht." Immer, wenn zwei Schüler in Pro- und Contra-Runden gegeneinander antreten mussten, dann war Witzel einer der ersten, der sich gemeldet hat. Damals habe er mehr und mehr festgestellt, dass seine Vorstellungen inhaltlich mit denen der FDP am besten zusammenpassten. Elterliche Vorbelastungen habe es nicht gegeben, auch keine Einflüsse aus dem Freundeskreis. Und so kam es, dass er schon 1986 in den Parteijugendverband der FDP eintrat. Das war an seinem 14. Geburtstag. "Ich habe mich furchtbar geärgert, dass ich noch zwei Jahre warten musste, bis ich dann bei der richtigen Partei mit 16 mitmachen durfte." Inzwischen hat es der Autor des Buchprojektes "Bürgergeld rettet Arbeitsmarkt" bis zum Landesvorsitzenden der Jungen Liberalen und zum Vorsitzenden der Essener Freidemokraten gebracht. Seit fast zehn Jahren ist er Mitglied des FDP-Landesvorstandes.
    Für private Dinge außerhalb seiner Hauptbeschäftigungen als Landespolitiker und Personalreferent bleibt dem Single Ralf Witzel nicht viel Zeit. Gerne besucht er Fußballspiele seines Lieblingsvereins, dem 1. FC Köln, oder genießt einen Theater- Abend. Gerne lässt er sich bekochen, denn bei ihm zu Hause gilt das Motto "Tüte auf, Wasser drauf". Witzel: "Es gibt einige Dinge, die sollte man besser denen überlassen, die sich damit auskennen."
    Ralph Goldmann

    ID: LIN01781

  • Porträt der Woche: Angela Freimuth (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 17.09.2002

    Man könnte es so formulieren: Die einzige Konstante im jungen Leben von Angele Freimuth ist die Vorläufigkeit. Im Juli wurde die FDP-Abgeordnete 36 Jahre alt, da ist noch viel Zukunft möglich. Freimuth, weder verwandt noch verschwägert mit dem gleichnamigen SPD-Abgeordneten, sagt voller innerer Gelassenheit: "Wer oder was hetzt mich?" Für die nächsten 36 Lebensjahre werde sie sich vornehmen, den für sie richtigen Weg herauszufinden.
    Als Schülerin hatte Angela Freimuth starke Vorbehalte gegenüber Politikern und Politik. Die Jusos und Junge-Union-Kadetten missfielen ihr besonders. Seinerzeit reifte die Idee, es den beiden Brüdern ihres Vaters gleichzutun und in die USA auszuwandern. 1987, nach dem Abitur und in der Werkzeugmacher-Ausbildung, stand Freimuth als Lüdenscheider Ortsvorsitzende der Jungen Liberalen zur Wahl. Sie sagte den Mitstreitern der Julis: "Ihr könnt mich aber nur für ein Jahr wählen, danach will ich auswandern."

    Auswanderungspläne

    So wie ihre Vorurteile und Abneigungen gegen Politik und Politiker ziemlich schnell verschwanden, so verflüchtigte sich auch der Wunsch, Deutschland den Rücken zu kehren. "Auf einmal merkte ich, wie viel Möglichkeiten und Herausforderungen das eigene Land bietet."
    In die USA fliegt die FDP-Abgeordnete häufig, nicht nur, weil dort Onkel, Cousins und Cousinen leben, sondern auch wegen Einladungen wie derjenigen des "International visitors program" für jüngere ausländische Führungskräfte aus Politik und Gesellschaft. Vor kurzem hat sie in den Vereinigten Staaten ihre ersten beiden Reden in Englisch gehalten. Perfekt war das noch nicht, aber sie will jetzt die Weltsprache Nr. 1 büffeln.
    Warum die Werkzeugmacher-Lehre nach dem Abi, wo sie doch Jura studieren wollte? Da spielte zunächst einmal der Wunsch eine Rolle, nach den Jahren der Schultheorie etwas Praktisches, Handwerkliches zu tun. Die Entscheidung, dann doch Recht zu studieren und Anwältin zu werden, bedeutete auch den Abschied von der Auswanderungs-Idee.
    Warum FDP? Als sie merkte, das Politiker und Politik besser sind als ihr Ruf, und als sie sich entschieden hatte, politisch aktiv zu werden, las die junge Frau die diversen Parteiprogramme, besuchte politische Veranstaltungen. SPD und CDU seien bei ihr schnell aus dem Rennen gewesen, nicht so die GRÜNEN. Schnell habe sie jedoch die Widersprüche im Reden und Handeln der GRÜNEN bemerkt. An der FDP gefällt ihr die Betonung der Individualität als Grundidee, die Toleranz gegenüber Andersdenkender. Das, so meint sie, seien Werte für ihr eigenes Lebenskonzept.
    Gibt es politische Vorbilder? Helmut Schmidt habe sie sehr beeindruckt, auch die DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, Petra Kelly ebenso und auch Hildegard Hamm-Brücher, "bis ich sie kennen lernte. Die Alt-Liberale sei eine großartige Frau, aber auch bei ihr gebe es Widersprüche zwischen Sagen und Sein.
    Ob der deutschen Politik ein Riesentalent verloren gegangen wäre, wenn Angela Freimuth mit 21 jenseits des Großen Teichs ihr Glück versucht hätte, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Feststellen hingegen lässt sich schon jetzt: Das Landesparlament wäre ohne die Liberale um eine politisch entwicklungsfähige und sympathische Frau ärmer.
    Ihr Aktionsfeld im Landtag sind Haushalt und Finanzen. Als gelegentlich tätige Anwältin konzentriert sie sich auf Fälle des Wirtschafts- und Steuerrechts. Ihr ist wichtig, dass genügend Zeit übrig bleibt für die schönen, privaten Dinge des Lebens, wozu Angele Freimuth Partnerschaft, Kino, Krimis, Skifahren, Menschen-Kennenlernen zählt. Kinder hat sie noch nicht: "Ich hätte aber nichts dagegen." Sie engagiert sich im Kinderschutzbund. Ob sie als Anwältin einen wegen Kindesmissbrauchs oder gar -tötung Angeklagten verteidigen würde? "Jeder hat das Recht auf Verteidigung, auch der, dem schlimme Dinge vorgeworfen werden. Aber reißen wurde ich mich um ein solches Mandat nicht." Reinhold Michels

    ID: LIN00864

  • Porträt der Woche: Dr. Ingo Wolf (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 25.06.2002

    Ingo Wolf ist einer der eifrigsten Redner im Düsseldorfer Landtag. Obwohl der 47-jährige FDP-Abgeordnete erst seit 2000 dem Parlament angehört, hat er bereits zwanzig Mal im Plenum gesprochen. In "seinen" Ausschüssen, dem Haushalts- und Finanzausschuss sowie im Ausschuss für Kommunalpolitik brachte er es in dieser kurzen Zeit sogar auf mehr als 80 Beiträge. Der massive Einsatz hat viel damit zu tun, dass der frühere Oberkreisdirektor und Kreispolizeichef in Euskirchen auf fast allen Gebieten fit und damit auch für spontane Einsätze gut ist.
    Bedauerlich findet es der ehemalige Verwaltungsmanager nur, dass die Umsetzungsgeschwindigkeit im Landtag "schlicht miserabel" ist. Als Oppositionspartei sei es ohnehin schwierig, etwas zu bewegen. Die FDP habe sich heftig bemüht, die Liberalisierung der Sperrzeiten bei Gaststätten voranzutreiben und sei damit ja auch schließlich erfolgreich gewesen. Doch beispielsweise sei die Ladenschlussproblematik noch immer nicht befriedigend geregelt. "Es gibt noch viele andere Bereiche, von denen ich sage: "Da müsste was passieren." Für einen Liberalen sei es einfach unglaublich, dass man oft für solche kleinen Fortschritte fast Jahrzehnte brauche. "Es ist zu wenig Bewegung", bilanziert er ein wenig enttäuscht.

    Vorliebe für Kommunales

    Zentrales Anliegen des in der Wolle gefärbten Kommunalpolitikers ist eine gerechte Finanzausstattung der Kommunen und damit eng verbunden der Abbau von Bürokratie. Für Wolf ist klar, dass angesichts der sich dramatisch verschlechtern-den Finanzlage die Notwendigkeit einer gesamtstaatlichen Finanzreform alle anderen Themen überstrahlt. Der FDP-Abgeordnete: "Es gilt nun mal der Grundsatz: Ohne Moos nichts los." Im Rahmen einer Neuordnung der gesamtstaatlichen Finanzen fordern die Liberalen die Abschaffung der Gewerbesteuer und plädieren für ein eigenes kommunales Hebesatzrecht auf Einkommen und auf die Körperschaftssteuer. Natürlich ist Wolf klar, dass seine Liberalen - noch dazu aus der Rolle der Opposition -, so ein Mammut-Projekt kaum wirksam anstoßen können. Deshalb fordert der Liberale für die kleineren Parteien ein größeres Mitspracherecht zumindest in den Räten.
    Seine Vorliebe für das Kommunale hat sich bei Ingo Wolf wohl durch die praktische Erfahrung ergeben. Der 1955 in Braunschweig in einem liberal geprägten Elternhaus geborene und seit seinem zweiten Lebensjahr in Köln aufgewachsene Wolf studierte in Köln Rechtswissenschaft, machte 1980 sein erstes Staatsexamen, absolvierte sein Rechtsreferendariat von 1981 bis 1983 in Aachen. Das zweite Staatsexamen legte er 1983 ab. Von 1983 bis 1984 arbeitete er als Richter am Landgericht Aachen. Danach war er bis 1989 Geschäftsführender Assistent am Institut für Energierecht an der Kölner Universität. 1989 folgten die Promotion und die Zulassung als Anwalt. 1990 bis 1993 war er stellvertretender Stadtdirektor in Euskirchen und 1993 bis 1999 Oberkreisdirektor und Kreispolizeichef in Euskirchen.
    In die FDP trat Wolf 1988 ein. "Es gab keinen konkreten Anlass dafür", erinnert ei sich heute. "Mit dem Herzen war ich schon immer bei der FDP." Mit dem Parteieintritt signalisierte er wohl mehr seine Bereitschaft nach langer Sympathisantenschaft sich auch nach außen parteipolitisch zu engagieren. Der Jurist war in seiner Partei ein gefragter Mann, hielt sich aber auf seinen Posten als stellvertretender Stadtdirektor und dann als Oberkreisdirektor parteipolitisch zurück. Erst als 1999 seine Kandidatur als Landrat scheiterte, griff der Vater von drei Kindern zu, als ihm Partei-freunde die Kandidatur für den NRW-Landtag antrugen. Als 22. schaffte er den Sprung in das Landesparlament.
    Obwohl er über die Reserveliste gewählt wurde, pflegt der Liberale seinen Wahlkreis sorgfältig. "Ich habe ein Wahlkreisbüro, aber die Veranstaltungen finden zumeist vor Ort statt", sagt Wolf. Das hängt damit zusammen, dass er einen flächenmäßig mit 1 250 Quadratkilometern großen, aber mit 186 000 Bürgern bevölkerungsarmen Wahlkreis betreut. "Logischerweise sind meine Reiseaktivitäten dadurch besonders groß", meint er lachend und fügt hinzu: "Außerdem bin ich für die Bürger jederzeit über Handy zu erreichen."
    So gut sich die Arbeit für den FDP-Landtagsabgeordneten Wolf in Düsseldorf auch angelassen hat, sie wird nur eine kurze Episode in seiner beruflichen Karriere bleiben. Wegen seiner Fähigkeiten und sicher auch wegen seines Bekanntheitsgrades hat die NRW-FDP ihn als Bundestagskandidaten ausgeguckt. Auf dem Landesparteitag in Gütersloh kam er auf Platz neun der Landesliste und ist damit so gut wie sicher ab September Bundestagsabgeordneter im Berliner Bundestag. Der FDP-Mann der früher in seiner Freizeit Feldhockey-Bundesligaspieler bei Rot-Weiß in Köln war und heute Inlineskating macht und Fahrrad fährt, scheidet mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus Düsseldorf: "Ich glaube, die FDP ist ein belebendes Element im Landtag." In jedem Fall will der FDP-Mann die Kontakte, die er in der Landespolitik geknüpft hat, weiter pflegen.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN01418

  • Porträt der Woche: Dr. Robert Orth (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 27.11.2001

    Beim dritten Anlauf hat er es geschafft - dem Düsseldorfer Liberalen Robert Orth gelang dank eines überraschenden landesweiten Wahlergebnisses von 9,8 Prozent für die FDP im Mai letzten Jahres der Sprung in das Landesparlament am Rhein. Der 33-jährige gebürtige Düsseldorfer interessierte sich schon seit längerem für die Landespolitik "vor der Haustür". Und bereits als Jugendlicher habe er den ersten "Kontakt" mit der Stätte des landespolitischen Geschehens gehabt - "in der damaligen Baugrube spielten wir Fußball", erinnert er sich.
    Nach Einschätzung des promovierten Juristen wird im Rahmen des zusammenwachsenden Europas die Landes- weniger als die Bundespolitik an Bedeutung verlieren. Die EU-Richtlinien müssten vor allem regional umgesetzt werden und beim erforderlichen Harmonisierungsprozess werde der Entscheidungsspielraum des Bundes eingeschränkt, argumentiert Robert Orth. Für ihn darf die Landespolitik ohnehin nicht an den Grenzen eine Bundeslandes enden.
    Nach dem Abitur und dem Wehrdienst absolvierte der Freidemokrat eine Ausbildung als Bankkaufmann, der sich dann das Jurastudium an der Kölner Universität anschloss. Nach beiden Staatsprüfungen und dem Referendariat gründete er 1996 eine Rechtsanwaltssozietät in seiner Heimatstadt mit dem Schwerpunkt Aktienrecht. Der Düsseldorfer, der auch Aufsichtsratsmitglied mehrerer Unternehmen ist, übt seine berufliche Tätigkeit auch als Abgeordneter aus, um sich seine persönliche Unabhängigkeit zu erhalten.
    Bereits als 18-Jähriger schloss sich Robert Orth der FDP an und engagierte sich gleich bei den Jungen Liberalen wie auch in der Partei. Es folgte die Wahl in verschiedene Führungsgremien. So gehört der Rheinländer schon seit längerem dem FDP-Landesvorstand an und ist seit 1998 auch stellvertretender Vorsitzender des Kreis- wie des Bezirksverbandes Düsseldorf seiner Partei. Bei der letzten Kommunalwahl im Herbst 1999 in den Rat seiner Heimatstadt gewählt, legte der Liberale sein kommunales Mandat nach dem Einzug in den Landtag nieder. "Ich halte nichts von Doppelmandaten."
    Seine Fraktion berief den Juristen in den Rechtsausschuss, dessen Vorsitzender er heute ist. Außerdem gehört er dem Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie an. Eines seiner ersten Anliegen war es, das Gewicht des Rechtsausschusses zu stärken. So widersprach es dem politischen Verständnis des Freidemokraten, dass das Parlamentsgremium beispielsweise zwar bei Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof hinzugezogen werde, aber bei Verfassungsänderungen nicht beratend mitwirkte. Diese Lücke wird nun geschlossen.
    Auch ist für ihn die Unabhängigkeit der Justiz eine stete Herausforderung. Besonders erfreut ist der Liberale in diesem Zusammenhang, dass die erste Gesetzesinitiative seiner Partei in dieser Legislaturperiode, die Entpolitisierung der Staatsanwälte, eine breite parlamentarische Zustimmung gefunden hat. Als eine seiner wesentlichen Aufgaben als Vorsitzender sieht Robert Orth auch, jeden Eingriff des Staates in die Rechte des einzelnen Bürgers kritisch zu begleiten. Als Beispiel nennt er die nach seiner Einschätzung zu große Zahl der Telefonüberwachungen.
    Der Liberale möchte nicht nur Ansprechpartner für die Bürger sein, sondern ist auch offen für die Probleme der Mitarbeiter der Justizbehörden. An die Landesregierung hat er die Erwartung, dass sie bei den großen justizpolitischen Themen auf Bundesebene die Interessen Nordrhein-Westfalens wahrt, beispielsweise bei der Zivilprozessreform.
    Politik und Beruf lassen für den Familienvater von zwei Kindern wenig Raum für freizeitliche Aktivitäten, für das Skifahren und das Tennisspielen. Doch dafür wird er durch manchen Erfolg in seinem politischen wie beruflichen Engagement "entschädigt".
    Jochen Jurettko

    ID: LIN02971

  • Porträt der Woche: Karl Peter Brendel (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 18.09.2001

    Die unersättlich wuchernde Bürokratie ist für Karl Peter Brendel ein ständiges Ärgernis. "Kein Mensch hat bei dieser Regelungsdichte noch einen Durchblick", argumentiert der FDP-Landtagsabgeordnete aus dem sauerländischen Marsberg. Und wenn alle Vorschriften auch beachtet würden, funktionierte nichts mehr. "Viele sind ohnehin Unfug und werden einfach ignoriert." So erinnert er sich an eine Auflage beim Bau einer Kindertagesstätte in seiner Heimatstadt, für jedes Kind eine Schlafstelle bereitzuhalten. "Die Kinderbetten stehen heute noch verpackt auf dem Boden."
    Zusammen mit der Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker hat der 46-Jährige denn auch einen Gesetzesentwurf erarbeitet, nach dem jedes Gesetz eine zeitliche Befristung erhalten soll. "Läuft sie aus, ist das Gesetz weg, es sei denn, es wird ausdrücklich bestätigt." Mit einer solchen gesetzlichen Regelung lässt sich der Bürokratieabbau nach seiner Einschätzung leichter realisieren als mit allen Appellen. Für das Regelungsdickicht macht Karl Peter Brendel allerdings auch die Bürger mitverantwortlich. "Sie erwarten, dass der Staat alles regelt, und dann beklagen sie diesen Zustand."
    Der gebürtige Marsberger studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Während der Referendarzeit am Paderborner Landgericht besuchte er die Verwaltungshochschule in Speyer und gründete 1984 mit seiner späteren Ehefrau sowie einem Studienkollegen eine Anwaltskanzlei mit Schwerpunkt Mietrecht. Seit Anfang letzten Jahres auch Notar, engagierte sich der Marsberger auch im Vormundschaftsbereich. Beide Tätigkeiten setzt er auch nach seiner Wahl in den Landtag fort, "weil man als Abgeordneter den Blick für die Wirklichkeit schnell verlieren kann".
    Bereits mit 16 Jahren trat Karl Peter Brendel der FDP bei und übernahm später mehrere Führungsämter auf Kreis- und Landesebene und organisierte zahlreiche Wahlkämpfe. Seit längerem ist er stellvertretender Vorsitzender des Bezirkes Westfalen-Süd seiner Partei.
    Auch betätigt sich der Freidemokrat schon viele Jahre kommunalpolitisch. So war er 1989/94 Vorsitzender der FDP-Fraktion des Kreistages des Hochsauerlandkreises und nach dem Wiedereinzug der Liberalen 1999 wurde er erneut in diese Führungsrolle gewählt. Seit der letzten Kommunalwahl gehört der Vater von zwei Kindern auch dem Marsberger Stadtrat an.
    Mit seiner Wahl in das Düsseldorfer Landesparlament im Frühjahr 2000 hatte der Sauerländer nicht im entferntesten gerechnet - hatte er doch den Listenplatz 20. "Eine aussichtslose Position", meint er rückblickend. Doch nach dem großen Wahlerfolg der Liberalen "zog" die Reserveliste sogar bis Platz 24.
    Die FDP-Fraktion berief ihn dann in den Ausschuss für Innere Verwaltung und Verwaltungsstrukturreform, wo er dessen stellvertretender Vorsitzender wurde sowie in den Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen. Auch im letzteren Parlamentsgremium sieht der Liberale bei der Wohnungsbauförderung einen großen Handlungsbedarf. Sie sei überreguliert und daher unflexibel und teuer, kritisiert er. Außerdem gehört er der Enquetekommission "Zukunft der Städte" an. Alle drei Gremien tangiert auch der aktuelle Bereich Integration.
    Neben Beruf und Mandaten verursacht die Fahrt des Sauerländers zwischen Marsberg und Düsseldorf einen großen Zeitaufwand. "Das sind jeweils drei Stunden in beide Richtungen, da ist Freizeit ein Fremdwort."
    Jochen Jurettko

    ID: LIN03216

  • Porträt der Woche: Joachim Schultz-Tornau (FDP).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 11 - 26.06.2001

    Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder. Es war Mitte der achtziger Jahre. Die FDP-Landtagsfraktion mit Achim Rohde an der Spitze war auf Bildungsreise in der Toskana unterwegs. Die Sonne schien, die italienische Küche trumpfte auf, herrlicher Wein löste die Zungen und hob die Stimmung in immer schönere Höhen. Animiert von seinen Kolleginnen und Kollegen, reckte sich nach dem Dessert der stattliche Abgeordnete Joachim Schultz-Tornau empor und sang mit hörbar geschultem Bariton romantische deutsche Lieder. Der Mann, der 1943 im deutsch besetzten Metz geboren wurde, dann nach Koblenz kam, in Saarbrücken seine Jugendzeit verbrachte und heute in Bielefeld zu Hause ist, zählt zu den freundlichen Zeitgenossen, die sich in geselliger Runde nicht zu schade sind, die Stimmungskanone zu geben.
    Eine gewisse Arglosigkeit war dem Liberalen lange Zeit eigen. Das hat sich geändert, weil es Enttäuschungen gegeben hat. Schultz-Tornau sagt, dass er zwar nicht zum Zyniker geworden sei, aber ein Stück Vertrauen sei schon im Laufe der politischen Jahre verloren gegangen.
    So seien beispielsweise Schmunzelgeschichten, die er selbst von sich preisgegeben habe, durch übelmeinende politische Wettbewerber überspitzt, am Ende sogar derart verfälscht worden, dass Dritte meinen könnten, der Bielefelder Jurist sei fürs richtige politische Leben, für Führungsaufgaben sowieso, untauglich. Schultz-Tornau gibt zu, dass er ein bisschen den Typ "zerstreuter Professor" verkörpere. Gut, da schlüpft man mal aus Versehen in den falschen Mantel, lässt unachtsam Schirme im Ständer zurück. Das sind eher liebenswürdige Eigenschaften. Parteifeinde machten daraus böse Geschichten, Karikaturen des Menschen Schultz-Tornau. Eingepennt sei er im Zug von Bielefeld nach Düsseldorf und erst im Bahnhof Amsterdam aufgewacht. Schultz-Tornau korrigiert die Geschichte: "Alles dummes Zeug, ich war so ins Gespräch vertieft mit einem bekannten Mitreisenden von der Landesrundfunkanstalt, dass wir beide den falschen Zug gewählt haben und anstatt nach Düsseldorf zu fahren, in Emmerich, also kurz vor der holländischen Grenze, den Irrtum bemerkt haben." Schultz-Tornau empfindet es als mies, wenn andere daraus eine Tölpelstory zu machen versuchen und ihn so in die Unfähigkeitsecke manövrieren wollen. Schultz-Tornau ist zu vorsichtig und zu vornehm, Namen zu nennen, aber man hat so seinen Verdacht, dass er nicht die so genannten politischen Gegner aus anderen Parteien im kritischen Blick hat.
    Schultz-Tornau legt Wert auf fairen Umgang miteinander, einen gewissen Stil möchte er gewahrt wissen. Wichtigtuer, Schreihälse, Großkotze sind ihm ein Greuel. Der Mann wirkt unmodisch. Er ist nicht nur Parteiliberaler, sondern auch Gesinnungsliberaler. Liberal zu sein, bedeutet für ihn, Verantwortung für sich selbst, für andere und für zukünftige Generationen zu übernehmen. Effizienz sei gut, aber nicht alles dürfe dem Diktat des Ökonomischen untergeordnet werden. Wertevermittlung hält der Kinderlose in der Erziehung für ganz entscheidend, den Kirchen komme bei der Sinnstiftung eine unverzichtbare Rolle zu. Schultz-Tornau hält nichts von den Radikalliberalen in der Tradition des 19. Jahrhunderts, denen Hass auf Papst und Kirche Pflicht war. Anachronistisch nennt er so etwas. Sein Elternhaus war gemischt konfessionell, da konnte der Sohn des liberalen Juristenehepaares Schultz-Tornau ("Stresemann-Liberale") den Wert Toleranz schätzen lernen.
    Er wurde später in der evangelischen Landeskirche aktiv. Zur FDP stieß Schulz-Tornau 1966. Seit 1963 gehörte er bereits zur damaligen Jugendorganisation der Partei, den Jungdemokraten, die sich erst viel später politisch radikalisierten, in eine andere Partei als die FDP einzutreten, hat Schultz-Tornau nie erwogen. Werner Maihofer, der Juraprofessor und FDP-Bundesminister am Tische der Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt, war an den Universitäten Saarbrücken und Bielefeld Schultz-Tornaus akademischer Vater. Ihm diente er eine Zeit lang als Assistent, bis der junge Liberale Rechtsdezernent im Ostwestfälischen wurde.
    Schultz-Tornau politische Karriere machte einmal einen ungewöhnlichen Satz. Das war 1994, als er beim Landesparteitag in Castrop-Rauxel gegen die Mitbewerber Schaumann und Möllemann den Vorsitz erklomm. Seine Vorstellungsrede war die beste. Diesmal hatte er, anders als sonst, nicht frei gesprochen, vielmehr am Tag vor der Personalentscheidung sein zündendes Redekonzept fertiggestellt. Schultz-Tornaus Vorsitzendenzeit dauerte nur zwei Jahre, wohl auch, weil er nicht der Typ machtsichernder Leitwolf ist, der sich den Weg freibeißt. Niemandes Herr und niemandes Knecht zu sein - das könnte wohl sein Lebensmotto sein.
    Aus dem jungen Sportler, der einst den 35 Kilometer langen Hermannslauf im Ostwestfälischen schaffte, ist eine gesetzte Persönlichkeit geworden, die andere Hobbys pflegt. Einmal in der Woche ist Chorprobe, vor Aufführungen wird zusätzlich geübt. Schultz-Tornau ist Vorsitzender des Musikvereins Bielefeld, eines 1820 gegründeten Oratorienchors. In diesem Jahr werden noch drei Konzerne in der Oetker-Halle Bielefeld gegeben. Schultz-Tornaus, der an einem ehrwürdigen humanistischen Gymnasium in Zweibrücken mit Griechisch und Latein vertraut gemacht wurde, gehört zur sich rar machenden Spezies deutscher Bildungsbürger. Er kann sich mächtig über neumodische Aufgeblasenheiten aufregen, wenn etwa alltägliche Dinge zunehmend englisch ausgedrückt werden. Er nennt es bizarr und lächerlich, wenn etwa eine Bahnhofstoilette McClean heißt. So jemand wie Schultz-Tornau hat selbstverständlich Interesse en anspruchsvoller Lektüre, Historischem zum Beispiel. Aber auch "Harry Potter" ist ihm nicht fremd. Alle erschienenen Bände hat er gelesen. Und sie haben ihm gut gefallen.
    Reinhold Michels

    ID: LIN03333

  • Portät der Woche: Christian Lindner (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 27.03.2001

    Christian Lindner kam mit 21 Jahren in den NRW-Landtag und ist dessen jüngstes Mitglied. Auch die Berufsangabe des FDP-Abgeordneten "Jungunternehmer" sichert ihm weitere Aufmerksamkeit. Zusammen mit einem Partner leitet er eine Kölner Agentur für Unternehmenskommunikation. Das ist ein Berufsfeld, auf dem er schon auf eine vierjährige Erfahrung zurückblicken kann. Noch während seiner Schulzeit hatte er zunächst mit einem Mitschüler eine eigene Werbefirma gegründet und nach ersten kleinen Projekten für örtliche Unternehmen Aufträge von einer Telefongesellschaft und einem Kreditinstitut erhalten.
    Bei Kampfabstimmungen in der FDP setzte er sich als Mitglied des Landesvorstand durch und gewann auch im Wettbewerb die Aufstellung als Kandidat für die NRW-Landtagswahl auf Platz 19 der Landesliste. "Das führte zum Erfolg", meint Lindner. Mit 12,9 Prozent der Stimmen für die FDP holte er in seinem Rheinisch-Bergischen Wahlkreis II außerdem ein Ergebnis noch über dem plötzlich angestiegenen Landesdurchschnitt der Partei. Lindner fügt hinzu, dass er keine Laufbahn als Berufspolitiker anstrebt, sondern die Politik als "Job auf Zeit" betrachtet. Im Landesparlament meinte er: "Ich will, dass es vorangeht. Wir können uns das Abwarten nicht mehr leisten." Als sachkundiger Bürger hatte er im Kreistag mitgearbeitet, war Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen und seit 1996 Mitglied im Landesfachausschuss für Schule und Weiterbildung.
    "Der kleine Möllemann" oder "politischer Ziehsohn von Möllemann" sind rasch angeklebte Etiketten, die der junge FDP-Abgeordnete nicht gelten lassen will. Daran dass sein Parteichef ihn zuweilen Bambi nennt, kann er nichts ändern. Aber lässiges Selbstbewusstsein und fröhlich optimistisches Auftreten lassen wohl wenig Bedarf an Protektion entstehen. Mit Möllemann habe er bisher höchstens 15 Minuten geredet, sagte Lindner noch gut einen Monat nach der Wahl.
    Die Gründe für seinen Eintritt in die FDP erläutert er fast wie eine Marktanalyse. Die CDU war ihm zu konservativ und am klassischen Familienbild orientiert, die SPD zu "zähflüssig und festgefahren in ihren Traditionen". Und bei den GRÜNEN schreckt ihn die lange Liste der Feindbilder ab, -vom BMW-Fahrer bis zur Großindustrie. Da kam ihm die FDP mit ihrer Weltoffenheit, ihrem kollegialen Flair und dem Bekenntnis zur Leistungsbereitschaft schon mehr entgegen.
    Lindner glaubt an seine eigene Generation, die an Zusammenarbeit in Netzwerken denkt, in modernen Wirtschaftszweigen arbeitet oder an den Universitäten studiert. Dort hat der junge Bildungspolitiker eigene Erlebnisse. Schließlich ist er ."als mein dritter Beruf, der zur Zeit etwas zu kurz kommt" - an der Universität Bonn immatrikuliert und studiert Politische Wissenschaften, Philosophie und Neuere Geschichte. Am Ziel eines Abschlusses als M.A. hält er auf Sicht von einigen Jahren dennoch fest.
    Die Schieflage des Landes in der Hochschul- und Bildungspolitik ist so für ihn ein direktes Erlebnis: "Ich bin doch der einzige im Parlament, der weiß, was es heißt, zurzeit zu studieren. Ich habe die Bildungsmisere am eigenen Leib erfahren." In den Landtagsausschüssen für Wissenschaft und Forschung sowie für Schule und Weiterbildung ist Lindner stellvertretendes Mitglied. Dem Ausschuß für Sport und dem Ausschuß für Kinder, Jugend und Familie gehört er als Vollmitglied an.
    Mit der Frage, ob Eltern in Nordrhein-Westfalen ihre Kinder etwa bei McDonalds abgeben sollen, greift der junge Landtagsabgeordnete immer wieder Schwachstellen der landeseigenen Familienpolitik an. Eine anspruchsvollere Ganztagsbetreuung sei jedenfalls mit dem von der Landesregierung angekündigten Betrag von 50 Millionen DM nicht zu verwirklichen. In NRW gebe es 193 000 voll erwerbstätige Frauen mit teilweise mehreren Kindern im Alter von sechs bis 14 Jahren.
    Christian Linder: "Junge Frauen und junge Männer wollen sich heute nicht mehr alternativ zwischen Beruf und Familie entscheiden. Der bedarfsgerechten und flexiblen Betreuung ihrer Kinder kommt daher eine Schlüsselrolle zu." Mit einer Schärfe, die ihn schon mehrfach in Kontroversen mit Sozialdemokraten verwickelt hat, meint Lindner, er müsse befürchten, daß die pädagogischen Mindeststandards bei den in Ausssicht gestellten 200 000 Betreuungsplätzen von Ministerpräsident Clement "im haushaltspolitischen Tiefflug" unterboten werden sollen.
    Es gibt bei uns eine sehr schwierige Differenz zwischen Ankündigungen auf der einen Seite und der tatsächlichen Situation." Diesem Vorbehalt Lindners in einer Plenardebatte des Landtags zeigt die Unzufriedenheit seiner Generation mit der eingefahrenen Routine. "Die Politik entscheidet sich im Zweifel immer für den einfachsten Weg, auf dem der geringste Widerstand droht", stellt er kritisch in der Ankündigung einer Gesetzesiniative seiner Partei zur Einführung eines auch die Städte und Gemeinden verpflichtenden Schutzes der Rechte künftiger Generationen fest. Dabei verfehlt er nicht, auf beispielhaftes Verhalten des Landes Schleswig-Holstein hinzuweisen.
    Bitterernstes Festbeißen in politischen Geschäften allein ist nicht Lindner Sache. "Spaß muß sein", könnte ebenso als Schlüsselwort im Schulterschluß mit der jungen Generation gelten. So ist er Chef eines Wagenteams bei der Berliner Love-Parade vor zwei Jahren gewesen, hat im letzten Jahr den Nachrichtensender n-tv als Gast mitfahren lassen und will auch in diesem bei der Love-Parade wieder mitmachen. "Events und überraschende Anzeigenmotive sichern Aufmerksamkeit, wenn sie mit Stil und Einfallsreichtum realisiert werden", heißt es im jüngsten Buch, das Lindner und sein Kölner Geschäftspartner herausgegeben haben. Und so ist Lindner vielleicht auch Teil einer Zielgruppe in der Jugend, auf die es sein FDP-Landeschef Möllemann abgesehen hat.
    Peter Weigert

    ID: LIN03561

  • Portrait der Woche: Dietmar Brockes (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 20.02.2001

    Er ist als 29-Jähriger ein Repräsentant jener jungen Generation unter den nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten, die selbstbewusst und undoktrinär die Gesellschaft mitgestalten wollen: der Freidemokrat Dietmar Brockes. Und weil nach Überzeugung des gebürtigen Nettetalers jeder Einzelne einen möglichst großen Freiraum erhalten sollte - ohne den des anderen einzuschränken, trat er genau zu seinem 19. Geburtstag der FDP bei. In dieser Partei sieht er die größte Chance, sein politisches Ziel zu realisieren.
    Nach dem Abitur absolvierte Dietmar Brockes eine kaufmännische Ausbildung im Großhandel, doch schon bald danach studierte er Betriebswissenschaft an der Fachhochschule im niederländischen Venlo. Parallel zu seinem Studium machte er sich, animiert von seinem Bruder, selbstständig - als sogenannter Internet-Dienstleister, der Unternehmen im Internet präsentiert. Aus dem ersten Auftrag wurden sehr schnell weitere. Inzwischen hat sich der Rheinländer auf den Event-Bereich spezialisiert, richtet so genannte Marktplätze zu einzelnen Themen ein.
    Schon früh engagierte sich der Brüggener in der Kommune, war aktiv in der katholischen Jugend tätig. Er organisierte u.a. Veranstaltungen und Konzerte. Doch schließlich erkannte er, dass man mit seinen lokalen Aktivitäten "an die Grenze stößt". So trat er der FDP bei, war zunächst bei den jungen Liberalen tätig und wurde deren Vorsitzender im Kreis Viersen. "Man ist bei uns sehr früh auch in die Parteiarbeit eingebunden", begründet Dietmar Brockes seinen zügigen Aufstieg zum stellvertretenden Kreisvorsitzenden, seine Berufung in den FDP-Landesvorstand vor drei Jahren und schließlich im März diesen Jahres seine Wahl zum niederrheinischen Bezirkschef.
    Die niederrheinischen Parteifreunde wählten ihn auch auf Platz 1 ihrer Vorschlagsliste für die Landtagswahl-Kandidaten. Mit Platz 8 auf der FDP-Landesliste rückte der Brüggener dann sicher im Mai in den Düsseldorfer Landtag ein. Seine Fraktion berief ihn in den Ausschuss für Europa- und Eine-Welt-Politik sowie in den Verkehrsausschuss.
    Für den Liberalen ist es sehr wichtig, dass im europäischen Einigungsprozess die Interessen der Regionen stärker berücksichtigt werden und mehr Einfluss erhalten, "damit die Entscheidungen in Brüssel möglichst nahe am Bürger getroffen werden". Für nicht minder wichtig hält er eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen in den EU-Staaten. In diesem Zusammenhang ist das Lamentieren der deutschen Politiker über Wettbewerbsverzerrungen durch andere Länder für ihn unglaubwürdig, wo doch die Bundesrepublik mit den Milliarden-Kohle-Subventionen selbst in den Markt eingreift.
    Im Verkehrsbereich macht sich Dietmar Brockes für eine Erweiterung der grenzüberschreitenden Verkehrsverbindungen stark, so beispielsweise eine Anbindung Antwerpen-Ruhrgebiet ("Eiserner Rhein"). Im Schienenverkehr fordert er mehr Wettbewerb, eine Trennung von Netz und Betreibern, und nennt die Schweiz als Vorbild. Entscheidend seien konkurrierende Anbieter auf der Schiene, damit der Transport von Personen und Gütern endlich kostengünstig, servicefreundlich und pünktlich werde. Nur dann würden die Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen, nur dann würden mehr Spediteure ihre Transporte auf der Schiene abwickeln.
    Körperlich fit hält sich der FDP-Abgeordnete insbesondere beim Inline-Skating und Badminton. Zwar hat er inzwischen die Fußballschuhe an den Nagel gehängt, doch auch als passives Mitglied von Borussia Mönchengladbach nimmt er teil an den Höhen und Tiefen des niederrheinischen Renommeevereins.
    Jochen Jurettko

    ID: LIN03732

  • Porträt der Woche: Jan Söffing (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 17 - 24.10.2000

    Nein, sagt Jan Söffing, die saloppe Bemerkung von Jürgen Rüttgers, er werde im Büro Billy-Regale aufstellen, wenn die Wandschränke nicht genügend Platz für seine Bücher böten, wäre nicht nach seinem Geschmack. Die Räume im Präsidialtrakt seien doch etwas Besonderes, ein bisschen Stil sei schon zu wahren, die Fraktionen mögen das in ihren Büros anders halten. Jan Söffing ist nicht einfacher Landtagsabgeordneter, sondern Vizepräsident. Da soll es schon ein wenig repräsentativ zugehen. Söffings Raum hat Wände aus Kirschbaum. Soeben stellte ein Künstler zur Probe drei Bilder hin. Söffing meint, sie wirkten ästhetisch, passten zum mittelbraunen Holz rundherum und korrespondierten im Übrigen auch mit der Rundform des schönen Parlamentsbaus am Strom.
    Hat der Landtag einen Schwarmgeist, einen Kenner und Liebhaber der Künste auf den Vizepräsidenten-Sessel gewählt? "Nein", korrigiert der FDP-Mann, "besonders sachverständig bin ich nicht, kunstinteressiert aber wohl." Ob er das Gefühl habe, in einem Hohen Haus zu arbeiten? Wieder ein Nein. Aber: "Das hier ist schon mehr als ein normaler Arbeitsort, hier trägt man Gesamtverantwortung für 18 Millionen Menschen." "Oh", denkt man, "wenn das die 18 Millionen doch auch so sähen."
    Jan Söffing aus dem rheinischen Mettmann ist von tadelloser äußerer Erscheinung, ein Mittvierziger vom Jahrgang 1954 - schlanke Figur, grauer Businessanzug, Haar etwas länger, also nicht übertrieben modisch, der Schnäuzer womöglich ein Relikt aus Studentenjahren in Bonn. Das Jackett, das über der Sessellehne hängt, zieht er an, als er den Besucher bittet, Platz zu nehmen. Der Mann hat bürgerliche Erziehung genossen. Söffings Vater ist Ingenieur und Architekt. Zu Juristen hat der alte Herr ein kritisches Verhältnis. Das sei keine exakte Wissenschaft, meint Söffing senior über die Juristerei, die den Lebensweg seines Sohnes Jan so bestimmen sollte.
    Der Vizepräsident, der mit dem Anwaltsberuf geliebäugelt, sich nach dem Zweiten Staatsexamen mit Prädikat jedoch für die Richterlaufbahn entschieden hat, ist Jurist und Rechtspolitiker aus Passion. Der gebürtige Hildesheimer war Amtsrichter, Richter am Landgericht, am Oberlandesgericht, abgeordnet ans Justizministerium, Repetitor für Jurastudenten, Dozent. Auch als Parlamentarier im Landtag beschäftigt sich Söffing vorrangig mit Rechtspolitik. Er ist ein glühender Anwalt für eine unabhängige Justiz. Deshalb ist dem Liberalen das politische Beamtentum der Generalstaatsanwälte ein Dorn im Auge, ebenso der "schlimme Fauxpas", die Eigenständigkeit des Justizministeriums preiszugeben oder die Unart, die Justiz finanziell darben zu lassen. Wer Gerichte und Staatsanwaltschaften wolle, die gut und schnell arbeiteten, müsse sich das etwas kosten lassen, findet Söffing. Außerdem: Nur fünf Prozent des Haushalts stehe für die Justiz zur Verfügung, "und die Hälfte davon spielen wir durch Gebühren wieder ein".
    Zur FDP kam Söffing 1992, in dem Jahr, als Genscher seinen Abschied vom aktiven Staatsdienst nahm. Sympathisiert hat Söffing schon lange mit der liberalen Partei. Als die allgemeine Nörgelei über Politik und Politiker einsetzte, dachte der eingefleischte Jurist, nun gelte es, Farbe zu bekennen, anzupacken. Im Mettmanner Rat wurde er sachkundiger Bürger, 1999 war er Bürgermeisterkandidat der FDP. Seinen Wahlspruch klaute er beim Revoluzzer Che Guevara: "Seien wir Realisten, versuchen wir das Unmögliche."
    Politische Vorbilder hatte und hat Söffing nicht. Das Individualistische der Freien Demokraten zog ihn frühzeitig an. Nie gab es die ernsthafte Überlegung, bei einer anderen Partei mitzumachen.
    Seinen Vizepräsidentenjob nimmt er ernst. Am Betriebsausflug der Landtags-Mitarbeiter nach Bonn und Linz nahm er teil, das Haus und seine Mitarbeiter kennen zu lernen, war ihm direkt nach der Wahl zum Stellvertreter des Präsidenten ein Anliegen. Mit einem wie Söffing ist gut Kirschen essen. Er glaubt, dass er zu älteren Liberalen mit vermeintlich älteren Rechten auf den Vizepräsidenten-Posten inzwischen ein normales Arbeitsverhältnis geschaffen hat. Es scheint nicht leicht zu sein, mit Jan Söffing auf Dauer im Streit zu bleiben. Er sagt von sich: "Ich bin ein offener Mensch."
    Daheim in Mettmann gibt es die französische Ehefrau und zwei Kinder, die zweisprachig aufwachsen und bei denen der Vater Wert darauf legt, dass sie sich gesellschaftlich engagieren, egal ob politisch oder in einer Jugendgruppe. Fechten, Wildwasser-Kanufahren und das Schrauben und Basteln an Oldtimern gehören zur vernachlässigten Abteilung "Hobby".
    Reinhold Michels

    ID: LIN04176

  • Porträt der Woche: Jürgen W. Möllemann (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 12.09.2000

    Gleichsam von oben mit dem Fallschirm, wie es seine Art ist, landete Jürgen W. Möllemann im Landtag. Mag für viele seiner neuen Parlamentarier-Kollegen das Landtagsmandat die Krönung einer Laufbahn sein, die unten, in den Kommunen und Ortsvereinen der Parteien begann - für Jürgen Möllemann ist es ein Sprung aus den Höhen der Bundes- in die Niederungen der Landespolitik.
    Die typische Ochsentour hat Möllemann nie absolviert. Kaum war er 1970 der FDP beigetreten (nachdem er zuvor sieben Jahre der CDU angehört hatte ), zog er schon zwei Jahre später 27jährig über die NRW-Landesliste in den Bundestag ein und wurde sogleich bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, drei Jahre später sicherheitspolitischer Sprecher. 28 Jahre lang gehörte Möllemann dem Bundestag an, erst kürzlich legte er das Mandat nieder, um sein Landtagsmandat wahrzunehmen.
    Der Sohn eines Polsterermeisters brachte es zum Staatsminister im Auswärtigen Amt ( von 1982 bis 1987 ), zum Bundesbildungsminister ( von 1987 bis 1990 ), schließlich zum Bundeswirtschaftsminister und sogar Vize-Bundeskanzler ( von 1991 bis 1993 ) - eine Karriere, die ein kleiner Einkaufswagen-Chip beendete, das Produkt eines angeheirateten Vetters, für das Möllemann auf amtlichen Minister-Briefbögen bei deutschen Handelsketten warb.
    Wenig später, im Oktober 1994, verlor Möllemann auch den Vorsitz der NRW-Liberalen, den er seit 1983 innegehabt hatte. Der Landesvorstand trat geschlossen zurück und zwang ihn so zur Amtsaufgabe. Damit büßte er auch seinen Sitz im FDP-Bundesvorstand ein. Viele Parteifreunde verübelten Möllemann seine Attacken auf den damaligen FDP-Chef Klaus Kinkel.
    Ein anderer hätte sich von diesem Karriereknick womöglich nicht mehr erholt. Doch Möllemann gelang der Wiederaufstieg. Im Januar 1995 wurde er gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Wenig später in der Abstimmung um den Bundesvorsitz der Partei als Nachfolger Kinkels unterlag er zwar dem hessischen FDP-Chef Wolfgang Gerhardt, war aber im April 1996 erfolgreich, als er sich erneut um den Vorsitz des NRW-Landesverbandes bewarb und sich gegen den Vorsitzenden Joachim Schultz-Tornau sowie dessen Stellvertreter Hagen Tschoeltsch durchsetzte.
    Mit beachtlichen 9,8 Prozent der Stimmen führte er als Spitzenkandidat die FDP, die 1995 an der fünfprozenthürde gescheitert war, nun wieder in den Düsseldorfer Landtag zurück und machte sie zur drittstärksten Fraktion. Sein weiteres Wahlziel, Juniorpartner in einer neuen sozialliberalen Koalition zu werden, hat er indes (noch ? ) nicht erreicht. Möllemann räumt unumwunden ein, er habe gehofft, als Minister über den Bundesrat auch weiterhin Bundespolitik machen zu können.
    Statt dessen ist er nun Vorsitzender der neuen FDP-Fraktion - mit 24 Abgeordneten die größte, die je im nordrhein-westfälischen Landtag vertreten war, wie er betont, und die jüngste im Vergleich zu den anderen Fraktionen. Eine "sehr kreative, fröhliche Truppe" sei das, die "ein belebendes Element" im Parlament sein werde. Seine eigene Rolle sieht er als Oppositionsführer, der gezielt die "Bruchstellen" der rot-grünen Regierungskoalition ins Visier nimmt, vor allem bei den Themen Wirtschaft, Bildung und Verkehr.
    Dass er jedoch weiter gehende Ziele verfolgt, wird deutlich, wenn er berichtet, dass das gute Landtagswahlergebnis nun die Basis für das "Projekt 18" werden soll - 18 Prozent der Stimmen müsse die FDP bei der nächsten Bundestagswahl anstreben, und die werde sie auch erreichen. Eigene bundespolitische Ambitionen, etwa auf den Parteivorsitz, bestreitet er dabei jedoch.
    # Verwundern würde es nicht. Das sonst eher zurückhaltende Prominentenarchiv Munzinger nennt Möllemann einen "ambitionierten Politiker", der "mit publicityträchtigen Erklärungen immer wieder für Aufsehen" sorge. Im Unterschied zu früher, als er mit seinen "unorthodoxen Gedanken" (Munzinger-Archiv) oft auch aneckte, trifft Möllemanns Stil nun offenbar den Zeitgeist, wie sein Wahlkampf gezeigt hat. So hatte er die Lacher auf seiner Seite, als er von seinem Plan berichtete, er habe mit dem Fallschirm vor dem "Big-Brother"-Container landen und dort ein Plakat mit der Aufschrift "Deutschland braucht mehr Bildung" anbringen wollen.
    Sein Privatleben spart er bei aller Publicity jedoch sorgsam aus. So wissen nur wenige, dass seine Frau im gemeinsamen Wohnort Münster, wo Möllemann einst für das Lehramt studierte und seither wohnt, FDP-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat ist. Mit ihr habe er die Verabredung getroffen, sagt er, sie mische sich nicht in die Landes- und Bundespolitik ein und er dafür nicht in die Kommunalpolitik. Wie das weiterhin funktionieren wird, bleibt abzuwarten - betrifft die Landespolitik doch in erster Linie kommunale Angelegenheiten.
    Roland Kirbach

    ID: LIN04002

  • Porträt der Woche: Dr. Achim Rohde (F.D.P.)
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 2 - 31.01.1995

    Beinahe hätte er nach der Niederlage seines Freundes Jürgen Möllemann auf dem jüngsten F.D.P.-Landesparteitag die Brocken hingeworfen. Doch nach dem Liebeswerben des neuen Vorstands wollte er die niedergedrückte Partei dann doch nicht im Stich lassen. Und weil für Achim Rohde das Abenteuer stets wesentliche Triebfeder für sein politisches Engagement war, will er es letzt noch einmal wissen und die Liberalen auch nach dem 14. Mai in den Landtag führen.
    Im Düsseldorfer Parlament begann vor knapp 30 Jahren Rohdes politische Karriere, die viele Wellentäler durchlebte. Gezielte Karriereplanung war dem Liberalen stets fremd, insofern sieht er auch politische Rückschläge gelassen. Das Jurastudium in Bonn und München zielte erst einmal auf eine freiberufliche Tätigkeit. Doch 1966 stieg der Verwaltungsjurist in die Ministerialbürokratie ein, zunächst als Referent der Landesminister Kienbaum und Kohlhase. 1968 holte ihn Walter Scheel als "Persönlichen" und Redenschreiber nach Bonn, ihn begleitete Rohde ein Jahr später auch ins Auswärtige Amt. Die sozialliberale Ostpolitik ist für Rohde bis heute ein politischer Meilenstein, auch ein Schlüssel für den Zusammenbruch des Kommunismus und die deutsche Wiedervereinigung. Damals, so gerät Rohde heute in fast nostalgisches Schwärmen, hätte die F.D.P. ein klares Profil gehabt und auch den Anspruch auf Moral in der Politik eingelöst.
    Doch der politische Mittelpunkt war für den gebürtigen Düsseldorfer schnell wieder die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt: 1970 wurde Rohde Kabinettsreferent und später Gruppenleiter im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium, als Horst-Ludwig Riemers Chefdenker und Intimus — eine makellose Polit- Bürokratenkarriere: In neun Jahren vom Assessor zum Ministerialdirigenten. Rohdes Managementqualitäten wurden parteiübergreifend anerkannt. Und so stand 1975 auch bei der Berufung zum Düsseldorfer Regierungspräsidenten nichts im Wege. Diesen Posten nahm der FDP.-Mann selbstbewußt wahr und verärgerte damit bald die SPD. Er sorgte für einen Bezirksplanungsrat aus CDU und F.D.P., kurbelte eine eigene regionale Wirtschaftsförderung an, unterzeichnete private Umweltschutzverträge und kritisierte deutlich und öffentlich die schleppende Umweltpolitik der SPD-Landesregierung Anfang der 80er Jahre. Offensiv verteidigte er die Wende der Bonner Parteifreunde hin zur CDU. 1983 kam es dann zum Eklat: Innenminister Schnoor entließ Rohde aus dem Amt des Regierungspräsidenten wegen "fehlender Vertrauensbasis".
    Überdies war Rohde wegen einer umstrittenen Nebentätigkeit in die Schlagzeilen geraten, das politische Aus schien besiegelt. Doch als privater Unternehmensberater arbeitete der passionierte Politiker gerade einmal zwei Jahre. Aus einem plötzlichen Gefühl heraus stimmte er einer Kandidatur zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 1985 zu, arbeitete als Nachfolger von Jürgen Möllemann an einem markanten Profil der Landes-F.D.P. und hatte Erfolg: Die F.D.P. zog nach fünfjähriger Abstinenz wieder in den Landtag ein, Rohde wurde Fraktionsvorsitzender und geißelt seitdem mit scharfen Worten Schuldenpolitik, Filz und Bürokratie der Sozialdemokraten. Doch Opposition um ihrer selbst willen war Rohdes Sache nie. Bei dem Versuch der CDU etwa, Ministerpräsident Johannes Rau in Kungeleien mit dem einstigen SED-Regime zu verwickeln, stellte er sich demonstrativ an die Seite des sozialdemokratischen Regierungschefs. Und öffentlich plädierte Rohde auch für die Wahl Raus zum Bundespräsidenten, freilich nicht ganz ohne strategischen Hintergedanken: Ein Weggang des Wahlmagneten Rau nach Berlin hätte die Chancen auf eine sozialliberale Regierung in Düsseldorf zweifellos erhöht. Gleichwohl ist laut Rohde "ein Neuanfang in NRW nur mit der CDU möglich", auch wenn er Teile der CDU gerne als "katholische SPD" abkanzelt.
    Achim Rohde sieht sich als Liberal-Konservativer, wenngleich er Ende der 60er Jahre an der sozial-liberalen Wende in Land und Bund mitwirkte. Seine immerwährende Forderung nach Entbürokratisierung schließt auch eine radikale Parlamentsreform ein: Maximal 100 Landtagsabgeordnete, Schluß mit den "endlosen Plenardebatten voller Langeweile und Geschwafel", Konzentration auf politische Expertenrunden.
    Prinzipiell kritisiert Rohde die Kurzatmigkeit der Tagespolitik, auch in der eigenen Partei. Allzu selten würden klare Ziele formuliert und nach den nationalen Interessen gefragt. Die wichtigste aktuelle Aufgabe sieht der passionierte Leser von Science-fiction-Büchern in der Vorbereitung auf die Zukunft: Weg von der Subvention alter Industrien, hin zu Investitionen in Forschung, Technologie und Bildung. Dies sei im Hinblick auf künftige Generationen geradezu ein moralisches Gebot der Stunde. Nach zehn Jahren als F.D.P.-Fraktionschef würde Rohde gerne auch mal wieder den Job wechseln. Da könnte er sich natürlich gut einen Ministerposten vorstellen, denn als reiner Parlamentarier würde er ja vor allem "Worte dreschen", als Minister könne er gestalten.
    Den Rutsch unter die Fünfprozenthürde empfände der Liberale natürlich als "Katastrophe für NRW". Doch selbst könnte sich der 58jährige nach beinahe 30 Jahren aktiver Politik auch attraktive politikferne Aktivitäten vorstellen: Bücher schreiben, als Unternehmensberater arbeiten, Filme drehen, zum Mond fliegen. Auf seine Kosten käme der Abenteurer Rohde sicherlich auch außerhalb des Düsseldorfer Parlaments.
    Richard Hofer

    ID: LI950274

  • Porträt der Woche: Achim Reichel (F.D.P.)
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 7 - 07.04.1992

    "Ich will die Führungslücke schließen zwischen Landes- und Fraktionsvorsitzendem." Ambitioniert und selbstbewußt beschreibt Andreas Reichel seine künftige Aufgabe. Die Wahl zum Generalsekretär auf dem jüngsten Landesparteitag ist ein weiterer Meilenstein in einer politischen Blitzkarriere. Mit 21 Jahren wurde er Landesvorsitzender der Jungen Liberalen NRW und saß bereits ein Jahr später im Landesvorstand der Gesamtpartei. 1985 war er der absolute 'Benjamin' im Düsseldorfer Parlament, als er mit gerade 25 Jahren Landtagsabgeordneter wurde. Der jüngste Abgeordnete ist er bis heute geblieben, nach immerhin sechs Parlamentsjahren. Und jetzt, knapp 31 Jahre alt, soll er die Partei in Nordrheinwestfalen managen. Es gebe 'Defizite zu beheben', die durch einen als Bundeswirtschaftsminister im Land zu wenig präsenten Landesvorsitzenden Möllemann entstanden seien. "Es muß wieder eine NRW-F.D.P.-Position pur erkennbar werden."
    Zielstrebig will der erste Generalsekretär der NRW-F.D.P. die neue Aufgabe angehen. Die Partei brauche "programmatischen Schwung". Und: "Die Kompetenz der Liberalen müsse über die reinen Wirtschaftsthemen hinaus erweitert werden." Reichel selbst hat als schul- und bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Landtag bereits einen ersten Schritt dahin getan: Das Zwei-Säulenmodell, das neben dem Gymnasium nur noch eine berufsorientierte Realschule mit Berufsgymnasium vorsieht, trägt im Kern seine Handschrift, ein Modell, mit dem sich SPD wie CDU derzeit lebhaft auseinandersetzen. Und unter den Kollegen hat sich der Jung-Parlamentarier über die Parteigrenzen hinweg durch geschliffene und pointierte Plenarreden profilieren können, wenn er beispielsweise die Schulpolitik der Landesregierung mit Begriffen wie 'populistischer Lehrerschelte' und 'unwürdiger Flickschusterei' brandmarkte. Längst ist er in der Fraktion über das Stadium hinaus, wo er als Jung-Parlamentarier in erster Linie über Jugendfragen im Plenum reden durfte.
    Der Partei im Lande will der frischgebackene Generalsekretär nun auch ökologisches Profil verleihen. "Die F.D.P. muß wieder die Themenführerschaft beim Umweltschutz zurückgewinnen". Dabei erinnert Reichel daran, daß bereits 1980 die Jungen Liberalen ein Thesenpapier zur ökologischen Marktwirtschaft verabschiedet haben. Und das Fehlen der Grünen im Bundestag müsse die Partei als Chance begreifen: "Schließlich kann man auch mit Umweltschutz Geld verdienen", charakterisiert Reichel die Möglichkeiten ökologischer Marktwirtschaft.
    Politisch will sich Reichel durchaus von seinem Ziehvater und Förderer Jürgen Möllemann absetzen: Schon als Vorsitzender der Jungen Liberalen habe er unterschiedliche Auffassungen zum Beispiel beim Schnellen Brüter in Kalkar und der Bedeutung regenerativer Energien deutlich zum Ausdruck gebracht. "Inhaltlich gibt es zwischen uns Unterschiede, aber persönlich können wir gut miteinander", umschreibt Reichel sein Verhältnis zum F.D.P.-Landesvorsitzenden. Das wundert nicht, ist die Typenverwandtschaft doch unverkennbar: Zielgerichtet, karrierebewußt, öffentlichkeitsorientiert. Und dabei scheinen beide stets das sichere Gefühl zu haben, alles ein wenig besser zu wissen als andere. "Allen Parteien im Lande mangelt es an kompetenten Lösungsmustern", sagt Reichel. Dem würde Möllemann wohl kaum widersprechen.
    Als politisches wie menschliches Vorbild fällt Andreas Reichel spontan ein Name ein: John F. Kennedy. Der sei "einer der letzten großen Reformpolitiker" gewesen, einer, "der die Welt verändern wollte". Den amerikanischen Glaubenssatz vom "what we can dream we can do" ist Reichel näher als die Politikermentalität hierzulande: "Politik in NRW ist doch alles nur kraftlose Verwaltung!"
    Und so erkläre sich auch die zunehmende Politikverdrossenheit, gerade bei jungen Menschen. Gerade sie will der knapp 31 jährige auf seinem Fachgebiet Bildungs- und Hochschulpolitik gewinnen. Als Parteimanager will er diese Themen auch außerhalb des Parlaments diskutieren, zum Beispiel in Foren und Fachkongressen. Die neue Rolle wolle er nutzen, um das Thema Bildungspolitik insgesamt zu verstärken. Denn dieses 'Kernthema der Landespolitik' sei in NRW 'völlig ungelöst'.
    Trotz der unaufhaltsam erscheinenden Parteikarriere will der Jungpolitiker den Beruf als zweites Standbein nicht aus den Augen verlieren. Nach einer Bankausbildung folgte ein Jurastudium in Köln. Die Promotionsarbeit über 'Auswirkungen von EG-Kompetenzen der Bundesländer, dargestellt am Beispiel der beruflichen Bildung' ist abgeschlossen, auf das Rigorosum will er sich in der Parlamentspause im Sommer vorbereiten. Mit dar Doppelbelastung, parallel zu seinem politischen Amt, werde er schon fertig. "Das Studium habe ich als Abgeordneter abgeschlossen, warum sollte ich die Promotion nicht als Generalsekretär abschließen können."
    Junge Politikautsteiger wie Reichel, gut ausgebildet, aber wegen ihres Alters zwangsläufig ohne Berufspraxis, laufen indes leicht Gefahr, von der Partei abhängige Berufspolitiker zu werden. Genau das will der F.D.P.-Abgeordnete vermeiden:"Wir haben ja alle nur Zeitverträge." Über seine weitere politische Karriere will der neugekürte Amtsinhaber gegenwärtig nicht öffentlich spekulieren. Zweifellos wäre er einer der Anwärter für ein Ministeramt, sollten nach 1995 die Liberalen mit einer der großen Landtagsparteien eine Regierungskoalition bilden.
    In Düsseldorf möchte er aber für absehbare Zeit auf jeden Fall bleiben. Andreas Reichel strahlt Selbstsicherheit und Selbstbewußtsein aus. Gewandt in der Wortwahl, sicher im Auftreten, modisch in der Kleidung, verkörpert er den Typ von Politiker, der einen immer an das Klischee des Yuppies erinnert: Jung, ehrgeizig, erfolgreich. Mit diesem Schlagwort immer wieder konfrontiert, betont der Shooting-Star der NRW-F.D.P., die 'ausgeprägte Sozialempfindlichkeit' der Yuppies in den USA. Dort habe es sich stets um eine Modernisierungsbewegung gehandelt. "Warum sollte einer, der hart arbeitet, nicht auch gut leben?": fragt Reichel, der deutlich macht, daß er sich mit Yuppies in dem Sinn, wie sie in den USA verstanden werden, durchaus identifizieren kann.
    Ja, er habe sich gefreut, vom Landesvorsitzenden Möllemann ein so verantwortungsvolles Amt übertragen bekommen zu nahen. Aber Stolz könne er über das bloße Amt des Generalsekretärs nicht empfinden. "Vielleicht darf ich in drei Jahren stolz auf das sein, was ich bis dahin geleistet habe." Das klingt vernünftig, abgeklärt, wie das Wort eines alten politischen Routiniers.
    Richard Hofer

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    ID: LI920766

  • Porträt der Woche: Michael Ruppert (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 14.05.1991

    Mit 15 Jahren schon sei er politisiert worden, erinnert sich Michael Ruppert an die Zeit, als der F.D.P.-Bundesvorsitzende noch Erich Mende hieß und der Bundeskanzler noch Konrad Adenauer. Damals, 1961 bei der Bundestagswahl, fand der junge Ruppert Gefallen an der F.D.P. 1968, er war Student der Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Bochum, trat der in Wuppertal-Elberfeld geborene Ruppert in die F.D.P. ein. Männer wie Dahrendorf und Scheel, Frauen wie Hamm-Brücher — aber vor allem Hans-Dietrich Genscher — hatten ihn stark beeindruckt. Genscher, der seinen Wahlkreis seit 1965 in Wuppertal habe, halte er auch heute noch für unverzichtbar für die Liberalen: "Ihn wünsche ich mir noch etliche Jahre als die in unserer Parteisatzung eigentlich nicht vorgesehene Leitfigur."
    Bei Namen wie Jürgen Möllemann oder Otto Graf Lambsdorff formuliert der Landtagsabgeordnete erheblich zurückhaltender. Möllemann wisse, daß er bestimmte Dinge nicht "überdrehen" dürfe, er, Ruppert, gehe im übrigen davon aus, daß keineswegs schon alle in der F.D.P. in Möllemann den künftigen Bundesvorsitzenden sähen. Wohl sei Möllemann momentan der sichtbarste Kandidat für die Lambsdorff-Nachfolge an der Spitze der F.D.P. Bei der Frage nach Lambsdorffs Qualitäten weicht Ruppert zunächst aus, indem er wieder über Genschers Fähigkeiten und dessen "enormes politisches feeling" schwärmt. Etwas später dann immerhin der Satz: "An Lambsdorff hat mir immer gefallen, wie kurz und knapp er politische Fragen beantwortet." Doch gerade hierin liege wohl auch ein Problem: Je klarer man sich in der Politik äußere bzw. festlege, um so größer sei die Gefahr, daß man sich hernach korrigieren müsse.
    Im Landtag, dem Ruppert seit 1985 angehört, war der Freidemokrat fünf Jahre lang umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Wie beurteilt er diese Zeit, hat er etwas erreicht? In der Opposition, meint der F.D.P.-Mann mit einem Anflug von Resignation, lerne man Bescheidenheit, was das Erreichen von Zielen angehe. Er, der seit der letzten Wahl kommunalpolitischer Sprecher der F.D.P. im Landtag ist, widmet sich seinem neuen Betätigungsfeld auch deshalb so gerne, weil er aus praktischer Erfahrung schöpfen kann: Ruppert ist F.D.P.-Fraktionschef im Wuppertaler Stadtrat. Zur Kommunal-Verfassungsreform gefallen ihm weder die Vorschläge von Innenminister Herbert Schnoor noch die Positionen der CDU. Die F.D.P. sei zwar für einen gestärkten politischen verwaltungschef in den Kommunen, das heißt für die Abschaffung der Doppelspitze, aber auch der Rat sollte in Anlehnung an die Landesparlamente und den Bundestag einen Präsidenten haben. Zur Rolle der F.D.P. im Landtag äußert sich Ruppert vorsichtig bis selbstkritisch. Der Einzug der Grünen ins Düsseldorfer Parlament wirke sich schon aus: "Vor fünf Jahren waren wir alleine Hecht im Karpfenteich." Die Grünen nähmen den Liberalen ein bißchen die Aufmerksamkeit weg, die F.D.P. müsse deshalb über die eigene Rolle im Landtag mehr nachdenken. Seine Devise laute: Realitätsbezogen, seriös und glaubwürdig arbeiten und argumentieren, denn was die F.D.P. mache, müsse auch dann Bestand haben, wenn es dafür eine politische Mehrheit gäbe.
    Natürlich glaubt er, daß 1995 die Chance besteht, die politischen Gewichte im Land NRW zu verschieben. Daß dies nicht völlig undenkbar sei, habe sich doch am 13. Mai 1990 gezeigt, meint Ruppert. Der Freidemokrat, der als Student in Bochum einmal zusammen mit Ingo von Münch einen Freidemokratischen Hochschulverband ins Leben gerufen hat, um gegen die vereinigten Linken zu protestieren, war nach der Hochschulzeit zunächst Journalist mit dem Schwerpunkt Sport. Sport spielt bis heute eine wichtige Rolle in seinem Leben. Seit über 20 Jahren ist er aktiver Fußballer, fast ebenso lange spielt er Tennis zu Hause in Wuppertal, dem Wuppertaler SV gehört er als Verwaltungsrats-Mitglied an. Zusammen mit seinem erwachsenen Sohn (Chemiestudent) besucht Michael Ruppert die Eishockeyspiele der Düsseldorfer EG. Er sei Fan und Dauerkarteninhaber, gesteht er.
    Reinhold Michels

    ID: LI910952

  • Porträt der Woche: Andreas Reichel (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 03.04.1990

    Als Benjamin zog Andreas Reichel 1985 in den Düsseldorfer Landtag ein. Heute ist der jetzt 28jährige schon ein richtiger Routinier. Er blickt mit ganz dezidierten Vorstellungen auf das Aufgabenpaket, das der nächste Landtag seiner Auffassung nach anpacken muß. "In der europäischen Bildungspolitik beispielsweise müssen sich die Länder in den nächsten Jahren eine eigenständige Rolle erkämpfen, wenn sie nicht ihre Kompetenzen verlieren wollen", erklärt der frischgebackene Jurist, der sich diese Thematik zum Thema seiner Doktorarbeit erkoren hat.
    Zum einen gelte es durchzusetzen, daß die Länder aktiver als bisher in Brüssel mitarbeiteten, zum anderen sollten die einzelnen Regionen der europäischen Staaten untereinander Koalitionspartner für eine föderale, europäische Bildungspolitik gewinnen, um so ihren Einfluß auf die Kommission in Brüssel zu verstärken. Ganz konkret wäre dies nach Meinung des Liberalen über Rundvorlesungen an den Universitäten oder durch einen intensiveren Lehreraustausch zur Überwindung der Sprachbarrieren möglich.
    Als weiteren Schwerpunkt in der Bildungspolitik sieht der F.D.P.-Politiker die Weiterbildung, an der verstärkt gearbeitet werden müsse. Hier liegt eine besonders wichtige Aufgabe für das nächste Parlament, denn kaum ein Mensch bleibt heute noch während seines gesamten Berufslebens in einem "Job", meinte Reichel.
    Für Andreas Reichel ist es keine Frage, daß er an der Gestaltung der NRW-Bildungspolitik aktiv mitarbeiten möchte. Mit Platz zehn, den der gebürtige Bielefelder auf der Landesreserveliste der FDP. belegt, gibt es auch keinen Zweifel daran: wenn die Liberalen am 13. Mai 1990 die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, ist auch der junge Liberale wieder dabei.
    In den letzten fünf Jahren hatte der jüngste Abgeordnete im Parlament immer dann seinen Auftritt im Parlament, wenn es um Jugendpolitik ging. Allerdings gab ihm seine Fraktion darüber hinaus die Chance zu Gegenwerts- und Zukunftsfragen seiner Generation zu sprechen, beispielsweise Anträge zur Verschuldungspolitik, zu Energie- oder Hochschulfragen zu begründen.
    In der nächsten Legislaturperiode möchte der Liberale allerdings mit der Bildungspolitik in ein richtiges Fachgebiet einsteigen. "Das ist ein zentrales Arbeitsfeld für einen F.D.P.- Politiker", meint er überzeugt. Trotz dieser festgefügten Wertvorstellungen kommt Andreas Reichet aus keiner parteipolitisch festgelegten Tradition. Sein Vater ist Bankkaufmann, die Mutter Schulsekretärin. "Bei uns war bisher niemand parteipolitisch engagiert, allerdings herrschte immer eine liberale Grundeinstellung", resümiert der Abgeordnete, der über die Schülerpresse, wo er eifrig mitwerkelte, erste Beziehungen zu den Liberalen geknüpft hat.
    Als Ende der 70er Jahre die Jungdemokraten bei der Mutterpartei in Ungnade fielen, gehörte Andreas Reichel zu dem kleinen Trupp sehr junger Menschen, die die Jungliberalen gründeten. "Wir waren bundesweit 37 Jugendliche, als wir uns zu den 'Julis' zusammenschlossen", erinnert sich der F.D.P.-Politiker, der heute in Köln lebt. Seit 1982 ist er Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalens. Mit Beendigung seiner Promotion will er das Amt abgeben. "Die 30er Marke ist für mich die Grenze, sonst wird eine Jugendorganisation unglaubwürdig", betont der Juli-Chef.
    Mit der Berufsausbildung ging es bei dem FDP-Mann ebenso gradlinig voran wie in der Partei. Nach dem Abitur folgte der Wehrdienst. Ihm verdankt Reichel vor allem, daß er perfekt Maschineschreiben kann, weil man ihn als Schülerzeitungsredakteur zu einer Fernmeldeeinheit nach Wuppertal geschickt hatte. Danach folgt eine solide Bankausbildung, die der Liberale nicht missen möchte. "Das hat mich auf den richtigen Weg gebracht", sagt er und fügt hinzu: "Ohne diese Erfahrung hätte ich vermutlich Volkswirtschaft studiert, was mir bei weitem nicht so liegt wie Jura." Nach elf Semestern hat er sein Examen gebaut und nach der Promotion, die er in zwei Jahren schaffen möchte, will er wieder zurück ins Bankgeschäft.
    Denn eines ist für den zielstrebigen Jungpolitiker klar: der Beruf muß stets als Standbein vorhanden sein, damit er als Politiker unabhängig bleibt. Auf keinen Fall will er zu einem von der Partei abhängigen Berufspolitiker werden.
    Dabei hat sich bei Andreas Reichel die politische Karriere wie im Bilderbuch entwickelt. Fast gleichzeitig mit seinem Eintritt bei den Julis wurde er auch F.D.P.-Mitglied und als Landesvorsitzender der Jugendorganisation kam er auch automatisch in den NRW-Landesvorstand der FDP. Als 1984 eine neue Mannschaft für die zwischen 1980 und 1985 außerparlamentarischen Liberalen aufgestellt wurde, stand der Juli-Chef auf der Kandidatenliste. "Ohne Rücksicht auf Erblasten und alte Besitzstände wurde ein Team aufgestellt, das möglichst repräsentativ für die Wähler der F.D.P. sein sollte", sagt Reichel. Er selber hatte zunächst Zweifel, ob ein Landtagsmandat mit seinem Studium zu vereinbaren sei. "Diese Bedenken hat dann Willi Weyer zerstreut", erinnert sich der junge Liberale und fügt hinzu: "Er meinte, ich könne das Jurastudium ganz gut über die Runden bringen, wenn ich nicht nur Gesetze lernte, sondern gleichzeitig im Parlament welche machte."
    Die damalige Entscheidung hat der FDP-Abgeordnete nicht bereut, auch wenn er heute schon wie ein richtiger alter Fuchs über Freizeitmangel stöhnt. "Obwohl ich früher mal recht sportlich war, ist heute so gut wie nichts mehr drin", meint er und setzt hinzu, außer zweimal in der Woche joggen gäbe es keine andere Bewegungsmöglichkeit. Dafür geht er recht häufig ins Konzert. Klavierstücke von Mozart und Chopin gehören zu seiner bevorzugten Musik. Eine besondere Schwäche hat er für italienische Opern — vorzugsweise in Freilichtaufführungen. Soweit die Zeit reicht, liebt er Kurzreisen in europäische Großstädte als Verschnaufpausen vom Politikerleben. Wien und London sind seine Lieblingsmetropolen.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI900741

  • Porträt der Woche: Hans-Joachim Kuhl (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 17 - 24.10.1989

    Sein Berufsweg unterscheidet sich deutlich von dem der meisten Kollegen im nordrhein-westfälischen Landtag: Nach Besuch der Volksschule absolvierte Hans-Joachim Kuhl, F.D.P.-Abgeordneter aus Kamp-Lintfort, erfolgreich eine Mechanikerlehre. Als nächstes folgte die Ausbildung als Werkzeugmacher mit Gesellenprüfung. Nach Erlangung der Fachschulreife kam für den Niederrheiner nach eigenem Bekunden eine "flippige Zeit", zwei Jahre lang verdiente er seinen Lebensunterhalt als Discjockey. Bei der Bundeswehr kam er zu den Fallschirmspringern und nach Abschluß des Wehrdienstes wollte er zur Kripo — doch sie hatte Einstellungsstopp. So entschied sich der Freidemokrat für die Berufsfeuerwehr. Bis zu seiner Wahl in den Landtag 1985 war er als Brandmeister in Krefeld tätig.
    Die damalige sozial-liberale Koalition unter Führung von Brandt und Scheel "imponierte" Hans-Joachim Kuhl und führte ihn 1972 in die F.D.P. Persönliches Engagement brachten den Liberalen in mehrere Parteiämter: So ist er Vorsitzender des F.D.P.-Ortsverbandes Kamp-Lintfort und gehört dem Landeshauptausschuß der NRW-FDP. sowie dem Bezirksvorstand Niederrhein an.
    Schon früh galt sein Interesse der Kommunalpolitik. So stellte er sich mehrere Jahre als sachkundiger Bürger dem Stadtrat und auch dem Kreistag in Wesel zur Verfügung. Als bei der Kommunalwahl 1979 die F.D.P. nach langjähriger Abstinenz wieder in den Kamp-Lintforter Rat kam, beriefen ihn seine Kollegen zum Fraktionsvorsitzenden. 1984 wieder aus dem Kommunalparlament ausgeschieden, stellt Hans-Joachim Kuhl auch heute noch Wissen und Erfahrung dem Weseler Kreistag als sachkundiger Bürger zur Verfügung.
    Nach einem vergeblichen Anlauf 1980 schaffte der Freidemokrat fünf Jahre später über die Landesreserveliste seiner Partei den Sprung in den Düsseldorfer Landtag. Als wohnungs- und städtebaupolitischer Sprecher seiner Fraktion findet er auch bei den beiden anderen Parteien Aufmerksamkeit. Die Liberalen beriefen ihn in den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen, den Ausschuß für Grubensicherheit und in die Kommission Mensch und Technik. Als stellvertretendes Mitglied gehört er auch dem Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales an. Dem damaligen Untersuchungsausschuß Neue Heimat gab der heute 39jährige deutliche Impulse.
    Der F.D.P.-Abgeordnete hält die Wohnungsbaupolitik der Landesregierung für perspektivlos, weil "sie sich nur nach dem nächsten Wahltermin richtet". Statt dessen fordert er eine Kontinuität in der staatlichen Förderung. Bauwirtschaft und private Bauwillige brauchten verläßliche Daten über den geplanten sozialen Wohnungsbau. Nur so sei es ihnen möglich, das notwendige Kontingent an frei finanzierten Wohnungen zu ermitteln. Wenn dieses Verfahren in der Vergangenheit praktiziert worden wäre, gäbe es trotz Aussiedlerstroms nach seiner Auffassung die derzeitigen Wohnungsprobleme kaum. In einem anderen Bereich hat Hans-Joachim Kuhl bereits etwas bewegt. Nicht zuletzt auf seinen persönlichen Anstoß haben alle drei Fraktionen im Landtag die Landesregierung aufgefordert, ein eigenes Ingenieurkammer-Gesetz vorzulegen. Sein Anliegen ist es, daß dieses Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet wird. Der Liberale hält es zur Abwendung möglicher Wettbewerbsnachteile der deutschen Ingenieure im künftigen EG-Binnenmarkt für erforderlich und hofft darüber hinaus, daß sie durch diese Initiative im eigenen Land mehr selbstverantwortlich tätig werden können. Die Parlamentsarbeit macht dem F.D.P.- Abgeordneten viel Spaß, auch wenn sie ihn mehr als zunächst vermutet beansprucht. Als Landtagsabgeordneter einer kleinen Partei sei man zudem nicht nur für den eigenen Wahlkreis "zuständig", sondern von vielen Kreis- und Ortsverbänden gefragt, meint der gebürtige Niederrheiner vom Jahrgang 1949. Und wenn den Abgeordneten der Opposition auch die "großen Erfolge" versagt bleiben, den Menschen vor Ort helfen zu können, ist für ihn eine lohnende Aufgabe. Daher sucht der Freidemokrat auch intensiv die Gespräche mit den Bürgern. Bei der Landtagswahl im nächsten Jahr möchte Hans-Joachim Kuhl wieder für das Düsseldorfer Plenum kandidieren.
    Wenn nach der Politik noch Zeit für Familie und Hobby bleiben, entspannt sich der Freidemokrat bei Tennis und Büchern. Gern würde er auch wieder aktiv Handball spielen. Doch bei dieser "Absichtserklärung" dürfte es noch länger bleiben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI891737

  • Porträt der Woche: Ruth Witteler-Koch (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 15.06.1989

    Immer, wenn im Landtag Kulturpolitisches debattiert wird, ist Ruth Witteler-Koch zur Stelle. Die 42jährige Liberale hat sich mit viel Engagement in dieses Thema eingearbeitet. Jüngster Beleg ihres Einsatzes ist eine große Anfrage zur Situation der Theater in Nordrhein-Westfalen.
    Auf 14 Seiten hat die F.D.P.-Frau einen Mammutkatalog zusammengestellt, in dem sie von der Landesregierung umfassend Auskunft verlangt. "Mir geht es um eine wirkliche Bestandsaufnahme. Es gibt zwar in Einzelbereichen Analysen, aber keine Gesamtschau", erklärt die Politikerin und fügt hinzu: "Beispielsweise fehlt der Themenkreis Theaterpädagogik vollständig, und es gibt nichts Konkretes über Kinder- und Jugendtheater." Auch Sondergebiete wie die Frage nach Abonnements und Zuschauerstrukturen oder das Verhältnis zwischen technischem Personal und Künstlern müsse einmal grundsätzlich durchleuchtet und daraus die notwendigen Schlüsse gezogen werden, meint die F.D.P. -Politikerin.
    Bei einer der letzten Kulturdebatten fühlte sich Ministerpräsident Johannes Rau von der Liberalen direkt angesprochen und gab Ruth Witteler-Koch auch Recht, als sie für ihre Fraktion einen Antrag auf Gründung einer "Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen" begründete. Die Politikerin machte klar, daß die 1986 in Gang gebrachte Stiftung "Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege" nicht so funktioniere wie erhofft, weil zuviele unterschiedliche Bereiche unter einem Dach vereint worden seien. Deshalb müsse jetzt eine separate Kulturstiftung NRW geschaffen werden, in der es allein um Kunst und Kunstförderung gehe. Als Pragmatikerin hatte sie auch gleich einen Finanzierungsvorschlag parat: "Das Startkapital für diese Stiftung muß aus dem Landesvermögen kommen. Zuwendungen könnte es aus dem Bereich Lotto oder Totto, aber auch aus allgemeinen Haushaltsmitteln geben." Bei klarer Zielsetzung würden sich auch Mäzene finden, die zur weiteren Finanzierung bereit wären.
    Neben dem Schwerpunkt Kulturpolitik beschäftigt sich die Liberale auch mit der Fremdenverkehrspolitik, die ihrer Ansicht nach für Nordrhein-Westfalen immer mehr an Bedeutung gewinnt. "Hier muß genau nachgedacht werden, wie die Landesmittel optimal eingesetzt werden und die Fremdenverkehrsverbände zu einer für alle gewinnversprechenden Zusammenarbeit kommen können."
    Bei allem Engagement für Sachfragen ist Ruth Witteler-Koch festverwurzelt in der Frauenpolitik. 1980 wurde sie stellvertretende, 1983 Vorsitzende des Landesfrauenausschusses und seit 1982 ist sie Mitglied der Bundeskommission Gleichberechtigung und Familienpolitik. Seit 1983 leitet sie die Arbeitsgruppe Frauen in NRW. "Mit Vehemenz werde ich gegen das Frauenförderungsgesetz, wie es die SPD will, kämpfen", erklärt die Liberale und fügt hinzu, "zwar wäre es wahnsinnig leicht zu sagen, ich lehne mich zurück und bin für die Quote, aber das würde die Probleme nur vordergründig lösen", weiß die F.D.P.-Frau, die übrigens auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der 14köpfigen F.D.P.-Abgeordnetenschar ist. Sie meint: "Man kann die Gleichberechtigung nicht per Gesetz einführen". Vielmehr müsse echte Pionierarbeit geleistet werden und zwar von den Frauen, die bereits erfolgreich im Berufsleben stehen.
    Damit ist man bei Ruth Witteler-Koch wieder an der richtigen Adresse. Sie wurde am 24. Mai 1947 in Iserlohn geboren. Der Vater war Elektromeister, das Elternhaus nicht besonders politisch ausgerichtet. "Mein Großvater war für die CDU im Stadtrat. Die ganze Familie war sehr konservativ und ich wurde streng erzogen", erinnert sie sich lachend und fügt hinzu: " Vielleicht rührte daher auch mein späterer Freiheitsdrang." Bei frühestmöglicher Gelegenheit hat sich die heutige Landtagsabgeordnete von zu Hause freigeschwommen.
    Nach der mittleren Reife hat sie die höhere Handelsschule und mehrere Sprachenschulen besucht und ist dann in die Wirtschaft gegangen. Sie hat als Auslandskorrespondentin gearbeitet, wurde bei einem großen Unternehmen PR-Assistentin und Pressereferentin. Seit 1982 arbeitet die F.D.P.-Politikerin als freie Journalistin und PR-Beraterin. Mitglied der F.D.P. ist Ruth Witteler-Koch seit 1975. "Es war ein konsequenter Schritt in meiner beruflichen und privaten Entwicklung", bilanziert die Liberale. Da alleinstehende politisch-motivierte Frauen bei den Blaugelben damals nicht eben häufig anzutreffen waren, wurde sie gleich zur aktiven Mitarbeit aufgefordert. 1976 wurde sie Bürgerschaftsvertreterin in ihrer neuen Heimatstadt Mönchengladbach und zog 1979 in den Rat der Stadt ein, wo sie vier Jahre später zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden aufstieg.
    1980 versuchte sie erstmals den Sprung ins Landesparlament, doch die F.D.P. scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Fünf Jahre später war es dann geschafft. Die Liberale zog ins Landesparlament. Die Arbeit macht der F.D.P.-Frau nach ersten Einarbeitungsschwierigkeiten soviel Spaß, daß sie 1990 wieder kandidieren möchte. "Das ist ganz klar, ich will weitermachen", sagt sie entschieden. "Ich habe mich jetzt so in die Kulturszene eingearbeitet, daß ich weiß, wovon ich spreche. Die Kulturpolitik ist eine ureigene Aufgabe des Landes und für mich ein liebgewordenens Thema, das ich nicht mehr missen möchte". Zwar wird durch ihre intensive politische Arbeit die Zeit für die Privatsphäre etwas eng, aber ihr Mann, ein Anwalt, den Ruth Witteler-Koch übrigens bei einer Parteiveranstaltung kennenlernte, hat Verständnis für das Engagement seiner Frau. Umgekehrt sagt die Politikerin: "Mein Mann und meine beiden Töchter stehen an allererster Stelle." Wenn nach Politik und Haushalt noch ein wenig Zeit für Hobbys bleibt, dann entspannt die FDP.-Frau bei Tennis oder Lesen, am liebsten aber beim Nähen. "Ich habe eine Vorliebe für schöne Stoffe. Daraus nähe ich Tischtücher, Taschentücher oder Dinge für die Kinder." Gerade ist sie dabei, ihr ganzes Heim mit neuen Vorhängen auszustaffieren.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI891148

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Die Fraktionen im Landtag NRW