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  • Porträt: Thomas Kutschaty (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 17.07.2018

    Thomas Kutschaty strahlt eine zufriedene Ruhe aus. In dem sachlich eingerichteten Büro des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Düsseldorfer Landtag blickt er durch große Fenster auf den Rhein, wo die Frachtschiffe ihre Bahnen ziehen. Vor wenigen Tagen ist der SPD-Politiker und Vater von drei Kindern 50 Jahre alt geworden. Ein markantes Datum. Der neue SPD-Fraktionvorsitzende kann für seinen Lebensweg bilanzieren: Er hat wieder eine Etappe geschafft.

    "Aus einfachen Verhältnissen"

    Den politisch bemerkenswerten Aufstieg innerhalb der NRW-SPD hat sich der Jurist hart erkämpft. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, wie er selbst sagt. Der Vater war Eisenbahner. Thomas Kutschaty war der erste seiner Familie im Essener Norden, der aufs Gymnasium gehen durfte und Abitur machte. Sein Elternhaus war parteipolitisch nicht gebunden und doch war es sein Vater, der ihn mit zwölf Jahren auf eine Wahlveranstaltung mit Willy Brandt in die Essener Gruga-Halle mitnahm. Das habe ihn damals beeindruckt. Soziale Gerechtigkeit war das Thema. Noch vor dem Abitur, zwei Wochen nach seinem 18. Geburtstag, trat Kutschaty in die SPD ein und ließ sich auf die damals noch übliche Ochsentour ein: Jusochef, Ortsvereinsvorsitzender und Chef des mitgliederstarken SPD-Unterbezirks Essen.
    Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter verlor er die reale, berufliche Welt nie aus den Augen. Während seiner Zivildienstzeit entschied er sich, Rechtsanwalt zu werden. Die beiden dafür notwendigen Staatsexamen absolvierte er zügig. Als Strafverteidiger arbeitete er dann sehr bald selbstständig bis zum Jahr 2005, als er erstmals in den Landtag gewählt wurde. Wegen der engen Termintaktung vor Strafgerichten spezialisierte sich Kutschaty danach auf Baurecht. "Die Anwaltstätigkeit war für mich wichtig, weil ich ein zweites Standbein neben der Politik haben wollte", sagt Kutschaty.
    Als er im Landtag startete, war die Lage der SPD in NRW denkbar schlecht. Die CDU hatte die langjährige rot-grüne Regierung abgelöst. Natürlich konzentrierte sich der Anwalt auf das, was er am besten konnte. In einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Vorgängen im Umweltministerium zeigte Kutschaty in seiner nüchternen und unaufgeregten Art, was er drauf hatte. Die spätere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft entdeckte sein Talent und ernannte ihn 2010 zum Justizminister.
    Seine anschließende siebenjährige Amtszeit lief in ruhigem Fahrwasser. Das ist gut für einen Justizminister, denn nichts schadet mehr, als dass die Justiz ins Gerede kommt. Kutschaty hält sich zugute, die Arbeitsbedingungen der NRW-Justiz verbessert zu haben. Mehr als 1.800 neue Stellen seien geschaffen worden. Er habe seinem Nachfolger einen ausgezeichneten Apparat übergeben. Ein bisschen Stolz schwingt bei Kutschaty dabei mit. Sein seriöses Outfit, das er nicht nur als Minister pflegt (dunkler Anzug und meistens auch Krawatte), passt zu ihm, wirkt nicht aufgesetzt. Er "verkleidet" sich auch nicht auf Parteitagen und gibt dann den lässigen Politiker. Er scheint mit sich selbst im Reinen. Seine neue Aufgabe als Fraktionsvorsitzender wird womöglich nicht die letzte Stufe auf seiner Karriereleiter sein. Vom Spezialisten und Fachpolitiker, der er als Justizminister war, muss er jetzt die Rolle des Generalisten übernehmen: Er muss also in allen Themen bewandert sein.
    Kutschaty ist mit 50 noch nicht im rentenfähigen Alter, wie er selbst betont. Und wie es sich anhört, demnächst selbst Ministerpräsident werden zu wollen, klingt bei Kutschaty so: "Wer sich für ein Spitzenamt bewirbt, muss willens sein, auch weitere Aufgaben zu übernehmen." Man darf gespannt sein.
    Heinz Tutt

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Thomas Kutschaty (50) ist seit 2005 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Der Jurist aus Essen war von Juli 2010 bis Juni 2017 NRW-Justizminister. Seit April 2018 ist er Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.

    ID: LI180715

  • Porträt: Markus Wagner (AfD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 19.06.2018

    Für Politik interessiert sich Markus Wagner, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, seit er denken kann. Bereits als Achtjähriger hatte er gebannt den Ablauf des konstruktiven Misstrauensvotums gegen den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) verfolgt. Wagner war aufseiten der Konservativen und drückte Herausforderer Rainer Barzel (CDU) die Daumen. 1972 war das. Etliche Jahre später trat Wagner, mittlerweile vom oberbayerischen Bad Tölz ins ostwestfälische Bad Oeynhausen umgezogen, in die CDU ein und gründete in seinem Heimatort einen Kreisverband der Jungen Union.
    Doch Mitte der 1990er-Jahre fühlte er sich in der Union nicht mehr richtig wohl. Die vom damaligen Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl versprochene geistig-moralische Wende vermochte er nicht zu erkennen, die geplante Einführung des Euro hielt er für einen großen Fehler. Insgesamt konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, die Union marschiere nach links. 1996 trat er aus der Partei aus.

    "CSU des Nordens"

    Sein Interesse an Politik wurde wieder angefacht, als nach der Jahrtausendwende in Hamburg die Partei "Rechtsstaatliche Offensive" gegründet und deren Vorsitzender Ronald Schill 2001 zum Innensenator berufen wurde. In der Hoffnung, Kriminalität werde nun kompromisslos bekämpft, trat Wagner 2001 der Schill-Partei bei, die er als "CSU des Nordens" ansah, und wurde schon zwei Jahre später stellvertretender Vorsitzender. Doch 2004 brach die Partei an internen Querelen um ihren Vorsitzenden auseinander. Wagner engagierte sich kurzfristig in kleineren Parteien; spätestens 2008 jedoch, so sein Plan, wollte er sich ganz aus der Politik zurückziehen.
    Als 2013 die Alternative für Deutschland gegründet wurde, fühlte Wagner sich angesprochen. Der damalige AfD-Vorsitzende Bernd Lucke sorgte mit seiner Kritik an der Euro-Rettungspolitik für Aufsehen; Wagner teilte die Kritik. Die Euro-Rettungspolitik war es auch, die ihn vor fünf Jahren zum Eintritt in die AfD bewogen hat. Sie stehe heute zwar nicht mehr so im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung, die aktuelle Diskussion um die Situation in Italien zeige aber seiner Ansicht nach, auf wie tönernen Füßen die Gemeinschaftswährung nach wie vor stehe.
    In der Landespolitik, mit der sich Wagner seit seiner Wahl in den NRW-Landtag vor gut einem Jahr vorwiegend beschäftigt, tritt seine Partei für ein mehrgliedriges und durchlässiges Schulsystem ein, das auch kooperative Gesamtschulen umfasst. Der "Inklusion mit der Brechstange" stehe die AfD kritisch gegenüber; stattdessen will sie die Förderschulen stärken. Die AfD will darauf drängen, dass in Fragen der Inneren Sicherheit die von der Landesregierung versprochene Null-Toleranz-Politik gegen Kriminalität auch umgesetzt wird. Die angekündigte Zahl der zusätzlichen Ausbildungsplätze für Polizisten hält sie für zu gering.
    Auch in der Landtagsarbeit hat für die AfD die Flüchtlingspolitik einen hohen Stellenwert. 97 Prozent der seit 2015 nach NRW gekommenen Flüchtlinge hätten nach dem Asylkompromiss der 1990er-Jahre keinen Anspruch auf Asyl. Diese Menschen müssten fit gemacht werden für die Rückkehr in ihre Heimatländer. Es sei nicht hinnehmbar, dass zahlreiche Ausreisepflichtige dieser Pflicht nicht nachkämen. Die Kinder der Flüchtlinge sollten nicht in den Regelschulen, sondern in den Unterkünften unterrichtet werden, sagt Wagner. Weil es dafür nicht genug Lehrer gebe, sollten geeignete Lehrkräfte unter den Flüchtlingen angeworben werden.
    Wagner hält es grundsätzlich für denkbar und wünschenswert, dass die AfD irgendwann auch in der Landesregierung vertreten sein könnte.
    Peter Jansen

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Markus Wagner (54) ist verheiratet und Vater eines Kindes. Er ist stellvertretender Sprecher des AfD-Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe und Sprecher des AfD-Kreisverbandes Minden-Lübbecke. Dem nordrhein-westfälischen Landtag gehört Wagner seit 1. Juni 2017 an. Seit Oktober 2017 ist er Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion. Seit 1993 ist er zudem geschäftsführender Gesellschafter einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für psychisch erkrankte Menschen.

    ID: LI180619

  • Porträt: Arndt Klocke (Grüne).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 5 - 23.05.2018

    Die Sitzung im Verkehrsausschuss war gerade vorbei, da twitterte Arndt Klocke es in alle Welt: Die Landesregierung wolle das Sozialticket abschaffen - eben jenes Ticket, für das die Grünen sich jahrelang so stark gemacht hatten; sozial benachteiligte Menschen können damit vergünstigt im öffentlichen Nahverkehr fahren. Noch immer ist Arndt Klocke fassungslos, als er mehr als ein halbes Jahr später im Kreisbüro der Grünen am Ebertplatz in Köln sitzt. Als er im Herbst seinen Tweet verschickte, reagierten da- rauf Tausende Menschen. Ein fulminantes Echo. Der Rest ist bekannt: Der Widerstand wuchs, die Regierung ruderte zurück, das Sozialticket blieb. Und wieder einmal hatte sich für Arndt Klocke gezeigt, dass er wach sein muss als Politiker - und er auch in der Rolle der Opposition etwas erreichen kann. "Ich trete an, um etwas zu bewegen", sagt der gebürtige Ostwestfale.
    Seit 2010 ist Klocke Abgeordneter im Landtag, Schwerpunkte: Verkehr, Hochschule, Bauen und Wohnen. Im Mai 2017 wurde er zum Fraktionsvorsitzenden gewählt und bildet seitdem mit Monika Düker die Doppelspitze der Grünen. Mehr als ein halbes Dutzend Termine habe er im Schnitt pro Tag, zudem die Debatten und seine Reden im Plenum, die er aus einer "kritisch-konstruktiven Haltung" der Opposition hält, wie er es nennt. Hinzu kommen Hintergrundgespräche, Vernetzungstreffen mit Grünen-Politikern aus Bund und Ländern sowie Besuche vor Ort in ganz Nordrhein-Westfalen. Ja, sein Kalender sei "rappelvoll", sagt der 47-Jährige. Bei Arbeitstagen von zwölf bis 14 Stunden müsse er darauf achten, dass die Belastung nicht zu groß werde. Aber er habe auch gelernt, seine "Work-Life-Balance" im Blick zu halten.
    Es klingt eher nebensächlich, wie er erzählt, worüber andere lieber schweigen, zumal als Spitzenpolitiker: In der Vergangenheit habe er mit Depressionen zu kämpfen gehabt; vor vier Jahren sei er wegen eines Burn-outs zwei Monate stationär in Behandlung gewesen. Im Dezember 2017 erzählte Klocke einem Reporter davon und machte ein Tabuthema öffentlich, um ein Zeichen zu setzen. Und das Echo sei überwältigend gewesen: Auf den Zeitungsartikel habe er mit Abstand die meisten Rückmeldungen in seiner Zeit als Politiker bekommen. Nicht nur in virtuellen Netzwerken, auch in Briefen und Gesprächen werde er darauf angesprochen, bis heute. "Es ist ja ein gesellschaftliches Thema, das sehr viele Menschen betrifft", sagt Klocke, der eine Debatte anstoßen möchte. "Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen dringend mehr psychologische Beratungsstellen und Therapieplätze."
    Er selbst ist wieder gesund und voll belastbar. Damit das auch so bleibt, sei wichtig, sich auch mal einen freien Nachmittag zu gönnen: mit Yoga, Fahrrad fahren am Rhein oder einem Museumsbesuch; oft gemeinsam mit seinem Lebensgefährten, dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven Lehmann. Ein paar Stunden genügten, um die Akkus aufzuladen. "Ich erhole mich schnell", sagt Klocke, als er auf dem grünen Sofa im Büro sitzt, mit Polohemd, Jeans und weißen Sneakern.
    Bei seinen Aufgaben als Fraktionsvorsitzender hilft ihm seine politische Erfahrung: Klocke wuchs in einem SPD-nahen Elternhaus auf, der Vater war Stadtkämmerer in Vlotho, die Mutter Einzelhandelskauffrau. Während der Schulzeit kam er über eine Freundin in Kontakt mit den Grünen und fand in den 1980er-Jahren dort seine politische Heimat. Er leitete den Kreisverband der Partei in Münster, bevor er Ende der 1990er-Jahre nach Köln zog, um dort das Wahlkreisbüro der Bundestagsabgeordneten Kerstin Müller und Volker Beck zu leiten. Die Zeiten haben sich geändert, aber die Ziele sind geblieben: ökologisch, sozial und gerecht - das seien nach wie vor die Grundsätze der Grünen, sagt Klocke. Und so will er die Fraktion mit der Landtagswahl 2022 wieder in die Regierung führen. Und dann? Nein, er müsse nicht sein Leben lang als Politiker arbeiten, auch wenn das ein Herzensanliegen sei. Er könne sich auch vorstellen, Akzente woanders zu setzen, etwa in der genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft oder bei Projekten zur Verkehrswende. Hauptsache, etwas bewegen und weiter engagiert zu Werke gehen.
    Thomas Becker

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Arndt Klocke (47) ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag. Er lebt in Köln.

    ID: LI180517

  • Porträt: Monika Düker (Grüne).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 02.05.2018

    Der Weg in die Politik begann für Monika Düker, heute gemeinsam mit Arndt Klocke Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag, mit Protest und Widerstand. Es könne doch nicht sein, dass Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben und in die Obdachlosigkeit geschickt werden, weil ein Spekulant die schnelle Mark habe machen wollen, sagt sie. Düker war damals Sozialpädagogin in einem Jugendzentrum der Arbeiterwohlfahrt in Düsseldorf.
    In jener Zeit hätten "Immobilienhaie" in dem sozialen Brennpunktgebiet die Menschen, darunter viele Türken und Roma, vor die Tür setzen wollen, um dort Luxussanierung in großem Stil zu betreiben. Als einzige politische Partei hätten sich die Grünen um die Not der Mieter gekümmert. Die Grünen fragten die junge Sozialpädagogin, die erst kurz zuvor aus dem ostwestfälischen Höxter an den Rhein gezogen war, ob sie nicht Lust habe, bei den Kommunalwahlen für sie zu kandidieren. Monika Düker, obwohl damals noch kein Parteimitglied, hatte Lust, wurde gewählt und gehörte von 1989 an dem Rat der Landeshauptstadt an. Nicht aus Dankbarkeit, sondern aus Überzeugung trat sie dann der Partei bei, die sie schon immer aus Gründen der Ökologie gewählt hatte.

    Wechsel in die Landespolitik

    Nach zehnjähriger Arbeit in der Kommunalpolitik wurde Monika Düker vor knapp 20 Jahren zum ersten Mal in den Landtag gewählt. Auch nach dem Wechsel in die Landespolitik blieb sie den sozialpolitischen Fragen, für sie eine Herzensangelegenheit, immer treu, u. a. als flüchtlingspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
    Der Wechsel in die Opposition nach der Landtagswahl vor einem Jahr, bei der die Grünen- Fraktion auf 14 Mitglieder schrumpfte, ist der Abgeordneten nicht leichtgefallen. "Regieren ist schöner", sagt sie und das konnten die Grünen zuvor fast zwei Jahrzehnte lang, mit fünfjähriger Unterbrechung. Aber der Wechsel in die Opposition sei in einer Demokratie normal und dürfe nicht völlig frustrieren. Die Arbeit habe sich gegenüber den früheren Legislaturperioden allerdings erheblich verändert. Jeder Abgeordnete müsse jetzt deutlich mehr Themen und eine größere Region abdecken. Sie selbst, die bislang vor allem für Fragen der Innen- und Rechtspolitik zuständig war, kümmert sich mittlerweile u.a. auch um die Haushalts- und Finanzpolitik. Als Abgeordnete betreut sie neben ihrem Wohnort Düsseldorf zusätzlich das Bergische Land und reist zudem oft in ihre ostwestfälische Heimat.
    In der Opposition im Landtag gibt es keine Koalition mehr mit dem langjährigen Regierungspartner SPD. Im Gegenteil, beim grünen Kernthema Energie- und Klimapolitik seien die erheblichen Unterschiede zu den Sozialdemokraten sehr viel deutlicher geworden, sagt Monika Düker. Auf diesem Feld sieht sie auch die größten Differenzen mit der neuen Regierung von CDU und FDP. Das Festhalten an der Braunkohleverstromung, Hürden für die Windkraft, fehlende Konzepte in der Diesel-Debatte und die konventionelle Landwirtschaftspolitik sind in ihren Augen schwere Fehler. Dabei wollen die Grünen nicht von vornherein zu allem Nein sagen, was von der Regierung kommt: "Wir sind eine konstruktive und kritische Opposition." Als Beispiel für Übereinstimmung im Grundsatz nennt sie den Beschluss, in der Schulpolitik wieder zum Abitur nach neun Jahren zurückzukehren.
    Um fit zu bleiben, geht Monika Düker regelmäßig schwimmen und zwar möglichst lange Strecken. Ihr größtes Interesse gilt neben der Politik alter Geschichte. Als Schülerin hat sie davon geträumt, Archäologin zu werden, und noch heute findet sie die Welt der alten Ägypter und Römer hoch spannend. Für die Zukunft hat sie zwei Wunschträume: Politisch möchte sie erleben, dass das letzte Braunkohlekraftwerk in NRW sehr bald vom Netz geht, und privat will sie noch einige Nationalparks im südlichen Afrika besuchen.
    Peter Jansen

    Zur Person
    Monika Düker (55) ist seit 2000 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags und seit 1989 Mitglied der Grünen. Von 2010 bis 2012 war sie Vorsitzende im Innenausschuss, von 2010 bis 2014 neben der Abgeordnetentätigkeit zusammen mit Sven Lehmann Vorsitzende der NRW-Grünen. Monika Düker lebt in Düsseldorf.

    ID: LI180418

  • Porträt: Christof Rasche (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 27.03.2018

    Politik liegt in seinem Erbgut. Der 55-jährige Christof Rasche hat auf seinem Weg bis zum Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion an Vieles anknüpfen können, was ihm seine Familie in die Wiege gelegt hatte. Im westfälischen Erwitte lenkte sein Vater bereits die Geschicke der Stadt als Bürgermeister, da war Sohn Christof gerade sieben Jahre alt. Als sein Vater knapp zehn Jahre später von der heimischen CDU nicht wieder aufgestellt wurde, zog Christof Rasche, der damals, 1979, als 16-jähriger Schüler in der Jungen Union aktiv war, gemeinsam mit seinem älteren Bruder Konsequenzen. Der Bruder gründete in Erwitte einen FDP-Ortsverband. Und Christof Rasche begleitete ihn beim Aufbau. Das war der Beginn eines steilen Aufstiegs, zunächst in der Kommunalpolitik. Bereits 1994 wurde Rasche FDP-Fraktionschef im Rat. Während landesweit die FDP aus den Räten flog, behauptete sich Rasches Liberale Partei in Erwitte mit acht Prozent der Wählerstimmen.
    Der damalige FDP-Landeschef Jürgen W. Möllemann wurde auf das "gallische Dorf" in Westfalen aufmerksam, als Rasche mit seinem Team bei der Kommunalwahl 1999 stolze 18,5 Prozent errang: das beste Ergebnis in NRW. Der FDP-Chef ermunterte ihn, sich um ein Landtagsmandat zu bewerben. "Mich kannte auf Landesebene damals keiner, deshalb hatte ich auch keine innerparteilichen Gegner", erinnert sich der Politiker. Auf Anhieb schaffte Rasche, der sich selbst als "Netzwerker" sieht, im Jahr 2000 den Listenplatz für ein Parlamentsmandat. Mit der Erfolgsstory Erwitte konnte er punkten. 2014 erreichte die FDP in diesem Städtchen sogar 20,1 Prozent bei den Kommunalwahlen.
    Bei all diesen Erfolgen blieb Rasche bodenständig. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. 22 Jahre arbeitete er sich bei der Erwitter Sparkasse vom Lehrling zum Geschäftsstellenleiter hoch. Dort erfuhr er hautnah von den Problemen der Menschen. Etwa bei einer Kundin, die vor dem Tresen stand und 5 Mark abheben wollte. Weil sie im Minus war und kein Einkommen hatte, durfte er nichts auszahlen. "Ich tat es trotzdem", erinnert er sich - und zog sich prompt einen Rüffel der Vorgesetzten ein. "Es ist immer ein schmaler Grat, auf dem man geht, das gilt auch für die Politik", sagt Rasche.

    "Respekt vor dem Gegner"

    In Beruf und Politik habe er nur deshalb erfolgreich sein können, weil andere ihm den Erfolg auch gegönnt und ihn gefördert haben, glaubt er. Vielleicht hat seine geradlinige Haltung dazu beigetragen. Sehr wichtig ist ihm, dass andere wissen, dass man auf sein Wort vertrauen kann. "Das trägt auf Dauer." Dabei kann er durchaus auch sehr kantig sein. Dies ist eine Eigenschaft, die er sich als aktiver Handballspieler zu eigen gemacht hat. Als "Kreisläufer" vor dem gegnerischen Tor geht es hart zur Sache und er musste schon einmal einen Zahn opfern. Im Sport wie auch in der Politik gelte: Man muss Respekt vor dem Gegner haben.
    In Düsseldorf muss der Westfale indes keine Sorge vor Rempeleien haben. Die regelmäßigen Sitzungen im Koalitionsausschuss mit der CDU verliefen geradezu harmonisch. Und dass er mit der SPD keine Berührungsängste hat, bewies er schon während der Fußball-WM 2006. Die SPD hatte damals vor ihrer Fraktion zum Tischfußball-Turnier eingeladen und Rasche, damals FDP-Fraktionsvize, war einer der wenigen Landtagsabgeordneten, die die Ärmel hochkrempelten und mitmachten, selbst im Doppel mit Grünen-Fraktionsmitarbeitern. Sport verbindet eben - überparteilich.
    Heinz Tutt

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Christof Rasche (55) ist seit 2000 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Von 2002 bis 2012 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender, danach bis 2017 Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion. Seit Oktober 2017 ist Rasche Fraktionschef.

    ID: LI180319

  • Porträt: Norbert Römer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 06.03.2018

    In der ersten Reihe seiner Fraktion saß er schon immer, jetzt steht er auch noch ganz vorn. Norbert Römer hat die alleinige Spitze der SPD im Landtag übernommen, seit die Macht samt Ministerpräsidentin den Sozialdemokraten bei der letzten Wahl abhanden kam. Ist Opposition wirklich Mist? "Man arbeitet viel für den Papierkorb", sagt der 70-Jährige, "aber wir müssen die Chance nutzen, unser Profil neu zu schärfen." Er jedenfalls habe seine neue Rolle schnell angenommen.
    Norbert Römer verkörpert ein Stück klassische SPD-Identität im Ruhrgebiet, wie man sie im Parlament nur noch selten findet. Der Bergbau hat ihn geprägt, obwohl er nie Kohle vor Ort gemacht hat. "Ich bin ein angelesener Bergmann", erzählt er, nicht ohne Selbstironie, in seinem Landtagsbüro. Seine Montan-Karriere fand über Tage statt: bei der IG Bergbau, als Pressesprecher und Redakteur des Gewerkschaftsmagazins, später dann als Gewerkschaftssekretär.

    "Er kommt nicht auf den Pütt"

    Als er fünf ist, zieht die Familie nach Castrop-Rauxel. Sein Vater arbeitet auf Zeche Erin. Der Sohn schließt 1961 die Volksschule ab, da hat die Steinkohlekrise bereits eingesetzt. Die Eltern sprechen ein Machtwort: "Aus dem Jungen darf alles werden, aber er kommt nicht auf den Pütt." Norbert Römer schlägt eine Verwaltungslaufbahn ein, wird später Zeitsoldat, absolviert schließlich ein Volontariat bei der WAZ. So landet er in der Pressestelle der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE).

    Da ist er schon Mitglied der SPD. Bergbau und Genossen - das gehört in jenen Jahren zusammen wie Castrop und Rauxel. Seine Mutter betreibt eine Gaststätte, wo auch der SPD-Ortsverein tagt. Ab und zu hilft er aus, steht hinterm Tresen, zapft Pils. Die Eltern gehören der SPD an und so ist es auch für ihn nur ein kurzer Weg zum Parteieintritt. Es ist 1968. "Ich hatte gar keine andere Chance", sagt Römer, kein Freund verschnörkelter Sätze.
    Heute, 50 Jahre danach, mag er nicht begreifen, dass demnächst die beiden letzten Pütts in NRW schließen werden. Für ihn war es stets unvorstellbar, dass es an der Ruhr einmal keinen Bergbau mehr gibt. "Ich halte das nach wie vor für falsch", sagt er. Zwar sei es die "große Leistung" von IGBE und SPD, dass Unruhen und Brüche vermieden wurden. Aber die Folgen sozialer Verwerfungen spürt er fast täglich, auch bei seiner Arbeit im Landtag.
    Dort zieht er 2005 ein. Ein Jahr später ist er Fraktionsvize. Als Hannelore Kraft 2010 mit den Grünen eine Minderheitsregierung bildet, organisiert Römer als Fraktionschef mit dem Grünen Reiner Priggen die mühsame Suche nach Mehrheiten. Der Kohlemann und der Ökostromer: Das gegensätzliche Duo bildet - so Römer - "den Stabilitätsanker" der Koalition. Bis heute haben sie privat Kontakt. Rückblickend sagt Römer, es sei ein "schweißtreibender, aber spannender" Job gewesen, den er nie gegen ein Ministeramt eingetauscht hätte: "Ich eigne mich nicht für Kabinettsdisziplin."
    Was hat sich im Landtag verändert? Römer legt Wert auf Respekt vor den Kollegen der politischen Konkurrenz, mit Ausnahme der AfD. "Ihr Auftreten ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund", zitiert er Kurt Schumacher, der mit diesen Worten 1932 im Reichstag Goebbels und die NSDAP attackierte. Mit den "bewussten Provokationen" der AfD müsse man umgehen, ohne ihnen eine Bühne zu bieten.
    In seiner eigenen Partei sieht der Chef des Bezirks Westliches Westfalen großen Nachholbedarf. "Wir müssen wieder erkennbar werden", sagt der GroKo-Kritiker, "die Menschen müssen uns besser unterscheiden können." Das bedeute, dass die SPD klarer Partei ergreifen müsse. Daran will er arbeiten, wenn er Ende Mai - wie angekündigt - den Fraktionsvorsitz abgibt. Vielleicht hat er dann auch etwas mehr Zeit für seine große Leidenschaft, das Kochen - für seine Frau Christine, und dafür, der Familienmensch sein zu können, der er so gern ist.
    Theo Schumacher

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Seit 2010 ist Norbert Römer Vorsitzender der Parlamentariergruppe NRW-Israel. Das will er bleiben. "Wir legen großen Wert auf gute Kontakte zu den jüdischen Gemeinden", sagt er.

    ID: LI180217

  • Porträt: Bodo Löttgen (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 23.01.2018

    Dass Bodo Löttgen einmal Politiker werden würde, das war gewissermaßen schon bei seiner Geburt vorbestimmt. Sein Großvater und sein Vater waren kommunalpolitisch in ihrer Heimatgemeinde Nümbrecht im Oberbergischen Kreis aktiv. Und wenn man Löttgen heute von der wunderschönen Landschaft und den vertrauten Menschen erzählen hört, kann man den Eindruck gewinnen, fast noch lieber, als der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag vorzustehen, säße er immer noch im Rat seines Heimatortes und im Kreistag in Gummersbach. "Haferspanien" sei das Oberbergische früher genannt worden, weil die Gegend bitterarm war. Viele Menschen seien ins über 50 Kilometer entfernte Wuppertal gelaufen, um sich dort auf dem Bau oder in der Industrie zu verdingen. Kein Wunder, dass sein "Herz immer noch für die Keimzelle der Demokratie schlägt und das ist die Kommunalpolitik", sagt der 58-jährige ehemalige Kriminalhauptkommissar. Und es sei auch heute noch sein Antrieb, die Kommunen und ihre Vertreter zu unterstützen und zu stärken.
    Seine eigene politische Arbeit im Nümbrechter Rat und Gummersbacher Kreistag begann, nachdem er nicht mehr als Personenschützer des Bundeskriminalamts u. a. für die Sicherheit des damaligen Finanz- und Verteidigungsministers Gerhard Stoltenberg zuständig war, sondern in der Zentrale in Meckenheim bei Bonn saß. Von Personenschützern werde erwartet, dass sie nicht aktive Parteipolitik betreiben, sagt Löttgen lächelnd, da seien ja durchaus Verwicklungen denkbar. Seine landespolitische Karriere begann 2004, als ihn ein Parteifreund fragte, ob er nicht für die CDU antreten wolle. Löttgen wollte, setzte sich gegen vier Mitbewerber durch und wurde 2005 erstmals in den Landtag gewählt.
    Jeder junge Abgeordnete habe erstmal das Ziel, die Welt zu verändern - und das möglichst schnell, erinnert sich Löttgen an seine Sturm- und Drangzeit unter der CDU/FDP-Regierung mit Jürgen Rüttgers und Andreas Pinkwart. Doch die älteren Kollegen hätten ihn rasch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Dabei zieht er Parallelen zum Beruf seines Vaters, der als Fliesenleger gearbeitet hat. Drei Jahre als Lehrling und zwei Jahre als Geselle seien üblich gewesen. Und ein ähnliches Modell hält er auch in der Politik für angemessen.
    Bewusst entschied sich Löttgen beim Einstieg in die Landespolitik gegen ein Engagement im Bereich der inneren Sicherheit. Er habe die Gefahr vermeiden wollen, aufgrund der Erfahrungen aus seiner eigenen Arbeit mit einem "Tunnelblick" auf die Sicherheitsprobleme zu schauen. Stattdessen engagierte er sich im Wissenschaftsausschuss und avancierte zum kommunalpolitischen Sprecher seiner Fraktion. Nachdem er bei der Landtagswahl 2012 sein Mandat im Oberbergischen Kreis verloren hatte, ernannte ihn CDU-Landeschef Armin Laschet zum Generalsekretär. Im Mai vorigen Jahres konnte Löttgen den Wahlkreis zurückerobern.
    Mit dem Einzug der AfD in den Landtag hat sich nach Einschätzung Löttgens die Atmosphäre verändert. "Bei einigen Beiträgen von AfD-Abgeordneten stockt einem schon mal der Atem." Viele in der neuen Partei spielten mit den Ängsten der Menschen und nähmen es billigend in Kauf, dass ihre Äußerungen für antidemokratische und rechtswidrige Tendenzen genutzt würden. Aber auch die Vertreter der AfD seien demokratisch gewählte Abgeordnete, "die Demokratie muss auch die AfD aushalten können". Allerdings gebe es in der CDU die klare Absprache, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD gebe.
    Seine wenige Freizeit verbringt Löttgen am liebsten in seinem Heimatdorf Altennümbrecht. Frühmorgens streift er dann mit seinen beiden Pyrenäenhütehunden durch Felder und Wälder. Hobbys sind neben Kochen und Essen Bücher, am liebsten gedruckte Exemplare, aber auch zunehmend E-Books. Und neben der Liebe zur Heimat hat sich auch eine weitere Leidenschaft seit der Schulzeit nicht geändert: Sein Fußballherz schlägt für Borussia Mönchengladbach.
    Peter Jansen

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Bodo Löttgen (58) war bereits von 2005 bis 2012 Mitglied des Landtags und gehört dem Parlament seit 1. Juni 2017 wieder an. Der frühere Generalsekretär der NRW-CDU ist heute Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag.

    ID: LI180115

  • Porträt: Oliver Keymis (Grüne).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 22.12.2017

    Oliver Keymis ist vorbereitet, wenn es einmal anders kommt. "In der Politik muss man immer wissen, dass es vorbei sein kann", sagt der 57-jährige Meerbuscher. Das klingt recht überraschend aus dem Mund eines Abgeordneten, der immerhin viermal in Folge zum Vizepräsidenten des Landtags gewählt wurde. Koalitionen kamen, Koalitionen gingen: Er blieb. Demokratie mag vom Wechsel leben - Oliver Keymis lebt von Konstanz.
    Seit er im Jahr 2000 ins Parlament einzog, ist aus dem grünen Quereinsteiger ein Evergreen geworden. Dabei deutet sich eine politische Karriere gar nicht an, als Keymis 1984 sein Studium in Köln nach der Zwischenprüfung abbricht, um am Düsseldorfer Schauspielhaus als Regieassistent anzufangen. Das bedeutet ihm viel: die Arbeit an einem renommierten Sprechtheater und die Aussicht, von der Theaterkunst den Lebensunterhalt bestreiten zu können.

    Regie mit Millowitsch

    Es wird der Einstieg in einen Beruf, der ihn als Regieassistent und Bildregisseur zum Fernsehen bringt und schließlich als freischaffenden Regisseur an mehrere Landes-, Stadt- und Staatstheater. Mit Willy Millowitsch führt er in Köln im Auftrag des WDR Regie für den Schwank "Tante Jutta aus Kalkutta", in Graz inszeniert er die Dreigroschenoper. Für Keymis ist es eine prägende Zeit. Gerade hat er die Schauspielerin Andrea Sawatzki, längst prominent, bei einer Kinopreis-Verleihung wiedergetroffen. 27 Jahre zuvor spielt die noch unbekannte junge Frau die Hauptrolle in einem Stück von Dario Fo, das Keymis an einer norddeutschen Provinzbühne in Szene setzt.
    "Eher SPD-nah" war sein Elternhaus, erzählt der gebürtige Düsseldorfer in seinem Landtagsbüro, "ich wurde liberal und weltoffen erzogen". Die "Willy wählen"-Kampagne pro Brandt politisiert den Zwölfjährigen. Erst später wird ihn der Einsatz für den Naturschutz zu den Grünen ziehen - und in die Politik. Als die Rheinquerung der A44 bei Meerbusch gebaut werden soll, kämpft er jahrelang dagegen. Am Ende kommt die Autobahnbrücke, aber die Widerständler ringen den Planern wichtige Teilerfolge ab. "Wir hatten verloren", erinnert sich Keymis, "aber nicht null zu fünf, sondern drei zu fünf."
    Die Arbeit in der Bürgerinitiative lehrt ihn auch, "dass man Kompromisse erzielen kann und lernen, damit zu leben". Bis heute fühlt er sich bestätigt durch das Naturerlebnis in der Ilvericher Altrheinschlinge. Die Grünen werden auf Keymis aufmerksam. Landtagsfraktionschefin Gisela Nacken ruft ihn an, will ihn als Verstärkung für den in ihrer Partei schwächelnden Kulturbereich gewinnen. Im Dezember 1997 wird Keymis Mitglied der Grünen. Genau an dem Tag, als SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement den Rahmenbetriebsplan für den bitter umkämpften Braunkohletagebau Garzweiler II unterschreibt.
    Dann geht alles schnell. Keymis tritt 1999 als Bürgermeisterkandidat in Meerbusch an. Kurz darauf stellt er sich beim Grünen-Parteitag der Kampfkandidatur um einen Listenplatz für die Landtagswahl. Statt den bei solchen Anlässen üblichen groben Klotz auszupacken, lässt er mit einer Rede über Heine, Tucholsky und das Verhältnis von Geist und Macht aufhorchen - und wird nominiert. Ein halbes Jahr darauf sitzt er im Landtag. Dort begegnet er Clement wieder, der inzwischen Regierungschef der rot-grünen Koalition ist. "Sie habe ich auch der A44 zu verdanken", frotzelt der SPD-Mann.
    Lange her. Im Oktober 2006 wird Keymis als Nachfolger des grünen "Realissimo" Michael Vesper erstmals Vizepräsident des Landtags. Er ist es bis heute. Was auch bleibt, ist sein Credo, das er von Hannah Arendt übernommen hat: "Der Sinn von Politik ist Freiheit." Und es bleibt die Liebe zu Theater, Kino und Kunst, die der Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien privat pflegt. Gemeinsam mit seiner Frau Gabi, mit der er seit 40 Jahren zusammen ist. Und das ist noch eine Konstante.
    Theo Schumacher

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Oliver Keymis (57) zog erstmals am 2. Juni 2000 in den Landtag ein. Der Vizepräsident war vor sieben Jahren Mitbegründer der deutsch-französischen Parlamentariergruppe, deren Vorsitzender er auch ist.

    ID: LI171120

  • Porträt: Angela Freimuth (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 24.11.2017

    Wenn etwas nicht so funktioniert wie es sollte, dann kann Angela Freimuth schon mal "auf die Palme" gehen, wie sie selbst sagt. Die FDP-Politikerin kümmert sich zur Not auch um die Verkabelung des Computers in ihrem Landtagsbüro, das sie nach der erneuten Wahl zur Landtagsvizepräsidentin erst kürzlich bezogen hat. Es ist kein repräsentativer Raum, eher ein helles, vielleicht nüchternes Arbeitszimmer, in dem nur wenige Dinge an den Privatmenschen Angela Freimuth erinnern. Etwa ein Bild an der Wand hinter ihrem Schreibtisch, das kleine Hand- und Fußabdrücke aus der Kindergartenzeit ihres mittlerweile fast elfjährigen Sohnes zeigen. Oder etwa der Druck "Map" des amerikanischen Künstlers Jasper Johns, der die stilisierte Landkarte der USA in seiner unnachahmlichen Pop-Art darstellt.

    "Etwas Handfestes"

    Die 51-jährige Politikerin blickt auf einen ungewöhnlichen Lebenslauf zurück. Nach dem Abitur in ihrer Heimatstadt Lüdenscheid im Jahr 1985 hatte sie erst einmal genug von allem Theoretischen. "Ich wollte etwas Handfestes machen", sagt sie. Sie begann eine Lehre als Werkzeugmacherin. Dort lernte sie viele Menschen schätzen, die mitten im Leben standen, hart arbeiteten, um für sich und ihre Familien Chancen zu eröffnen. Sie traf auch auf Studenten, die ihr Praktikum im Betrieb absolvierten und sich manchmal für etwas Besseres hielten. Pech für jene angehenden Ingenieure, wenn Angela Freimuth diesen Schnupper-Azubis die Gelegenheit eröffnete, auch durch händische spanende Metallverarbeitung die Fachkenntnisse und Fertigkeiten der Kollegen schätzen zu lernen.
    Nach der Lehre nahm sie ein Jura-Studium in Bonn auf, das sie als Volljuristin abschloss. Anschließend arbeitete sie als Rechtsanwältin (Fachgebiet Steuer- und Insolvenzrecht). 1987 setzte sie sich erstmals intensiv mit Politik auseinander. Die FDP, der sie mittlerweile 30 Jahre angehört, war damals keineswegs ihr Favorit. "Ich schätzte Helmut Schmidt, die Grünen fand ich auch ganz sympathisch." Ihre Wahl fiel aber dann doch auf die FDP, nachdem sie alle Wahlprogramme sorgfältig verglichen hatte. Ausschlaggebend war wohl auch, dass es "so unkompliziert war, in der FDP zu diskutieren". Im Ortsverband Lüdenscheid wurde sie bald Vorsitzende der Jungen Liberalen, plante für die Aufgabe aber nur ein Jahr ein, weil sie danach in die USA auswandern wollte. Die junge Politikerin hat Verwandte in Amerika und fühlt sich den Vereinigten Staaten auch heute noch als Vorsitzende der Parlamentariergruppe NRW-USA im Landtag verbunden.
    Mit dem Auswandern wurde es aber dann nichts, stattdessen startete sie politisch durch. Unter dem damals umstrittenen Parteichef Jürgen W. Möllemann geriet die FDP in schwieriges Fahrwasser. "Für Pessimisten ist die FDP keine Partei", erinnert sich Angela Freimuth. Optimismus und Ideen wurden anerkannt, 1994 wurde sie in den Landesvorstand gewählt. Bei der Landtagswahl 1995 reichte ihr Listenplatz noch nicht für den Einzug in den Landtag. Fünf Jahre später schaffe sie den Sprung ins Parlament und ist seitdem Abgeordnete, die sich sowohl im Haushalt als auch im Kultur- und Wissenschaftsbereich auskennt und engagiert. Herzensanliegen waren für sie beispielsweise die Implementierung der Doppik, die Schuldenbremse oder die Verzahnung von Kultur und Schule. Es sei wichtig, Kultur aus einem elitären Bereich zu lösen und Kinder und Jugendliche zu interessieren und ihre Kreativität zu fördern: "Auch Digitalisierung verlangt innovatives und kreatives Denken, wenn wir sie erfolgreich gestalten wollen."
    Mittlerweile ist Angela Freimuth mit Unterbrechung sieben Jahre Vizepräsidentin des Landtags. Diese Aufgabe erfüllt sie routiniert und doch mit einem großen Herzen, etwa wenn sich Parlamentarier in der Hitze des Redegefechts einmal im Ton vergreifen. Dann baut sie den Kolleginnen und Kollegen Brücken, damit sie den Fehler korrigieren und ihr Gesicht dennoch wahren können. Das sei für sie eine Frage der gegenseitigen Wertschätzung. Sie habe in diesem Landtag tolle Persönlichkeiten über Fraktionsgrenzen hinaus kennen und schätzen lernen dürfen, die hart dafür arbeiteten, diese Gesellschaft voranzubringen und Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu suchen.
    Heinz Tutt

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Angela Freimuth (51), 2. Vizepräsidentin des nordrheinwestfälischen Landtags, ist verheiratet und Mutter eines Sohnes. Sie ist seit 2. Juni 2000 Landtagsabgeordnete.

    ID: LI171016

  • Porträt: Carina Gödecke (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 17.10.2017

    Die Niederlagen ihrer Partei bei der Landtagswahl im Mai und der Bundestagswahl im September beschäftigen Landtagsvizepräsidentin Carina Gödecke noch sehr. "Mir tut es persönlich weh", gesteht sie ein. Ihr Mitgefühl gelte vor allem den vielen jungen Mitgliedern der SPD, die mit einer großen Volkspartei etwas verändern und bewegen wollten und sich jetzt "in einem 20-Prozent-Turm wiederfinden". Die 58-jährige Abgeordnete aus Bochum ist dann manchmal froh, dass sie in der Politik schon viel erlebt hat: "Darum zieht mich das Ergebnis nicht komplett runter."
    Carina Gödecke kommt aus einer durch und durch sozialdemokratischen Familie. Schon ein Urgroßvater und ein Großvater waren Mitglieder in der SPD, Vater und Mutter gehörten eine Zeit lang dem Stadtrat in Bochum an. Sie selbst half in Wahlkämpfen, verteilte Flugblätter und klebte Plakate, als sie noch zu jung war, um Parteimitglied zu werden.
    Genauso eng wie mit der Sozialdemokratie ist ihr Lebensweg mit der Firma Opel verbunden. Ihr Vater war Meister im Stammwerk in Rüsselsheim und wurde gebeten, beim Aufbau des neuen Opel-Werks in Bochum mitzuarbeiten. Nach anfänglichem Zögern zog die Familie vom idyllischen Groß-Gerau in die Großstadt an der Ruhr und wohnte nur einen Steinwurf entfernt von den neuen Fabrikanlagen. Die Tochter einer Arbeiterfamilie hatte einige Mühe, sich am Hildegardis-Gymnasium durchzusetzen - einer Schule, die in den 1960er- und 1970er-Jahren vor allem von Töchtern aus gutbürgerlichen Elternhäusern besucht wurde. Dass sie am mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig der hoch angesehenen Schule schließlich ein gutes Abitur ablegte, ist für sie noch heute der Beweis, dass man schaffen kann, was man sich vorgenommen hat - und darüber hinaus, wie wichtig Bildungspolitik für die Zukunftschancen der jungen Generation ist.
    Diese Priorität spiegelt sich auch in ihrem beruflichen Werdegang wider. Sie studierte Chemie und Erziehungswissenschaften mit dem Ziel, Lehrerin zu werden, arbeitete vier Jahre lang für einen Bochumer Landtagsabgeordneten, bevor sie 1990 als pädagogische Referentin zum Heinz-Kühn-Bildungswerk wechselte. 1995 wurde sie erstmals in den NRW-Landtag gewählt. Schon fünf Jahre später wählte die Fraktion sie zu ihrer Parlamentarischen Geschäftsführerin, nach dem Amt des Vorsitzenden die wichtigste Funktion. Nach zehn anstrengenden Jahren wechselte sie 2010 ins Landtagspräsidium und nach dem Wahlsieg der SPD bei den vorgezogenen Wahlen 2012 wurde sie zur Landtagspräsidentin gewählt. Den Wechsel zurück auf den Stuhl der Vizepräsidentin nach der Wahl im Mai hat sie sich gut überlegt. Sie ist überzeugt, dass sie mit ihrer Erfahrung im Präsidium bei der Bewältigung kritischer Situationen dort sinnvolle Arbeit leisten kann.
    Der Grund, sich nach wie vor in der Politik, im Landtag wie in der Partei, zu engagieren, ist für Carina Gödecke derselbe wie zu Beginn ihrer politischen Laufbahn: Sie will helfen, die Welt ein Stück besser, ein Stück gerechter zu machen. Schülerinnen und Schülern habe sie einmal gesagt, wenn sie Regierungschefin wäre, würde sie ein "Kinder-glücklich-machen-Gesetz" erlassen, damit jedes Kind morgens zu Hause ein Frühstück hat, dass es zwischen mindestens zwei Paar Schuhen wählen kann und dass immer mindestens ein Elternteil für das Kind da ist. "Durch mein politisches Engagement will ich verhindern, dass die soziale Schere immer weiter auseinandergeht, und ein Schlüssel dazu ist die Bildungspolitik", ist ihre feste Überzeugung.
    In der wenigen Freizeit, die ihr die politische Arbeit lässt, kümmert sich Carina Gödecke um ihre Familie und erfreut sich am eigenen Garten. Immerhin hat sie es geschafft, mindestens einmal im Monat mit ihrem Mann ins Kino, Theater oder in ein Konzert zu gehen. Und zu den Träumen, auf deren Erfüllung sie hofft, gehört einerseits, genügend Zeit zu haben, um ihr Schul-Englisch aufzufrischen - und andererseits der Aufstieg des VfL Bochum in die erste Bundesliga. Eine Dauerkarte fürs Ruhrstadion haben ihr Mann und sie bereits.
    Peter Jansen

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Carina Gödecke (58), 1. Vizepräsidentin des nordrheinwestfälischen Landtags, ist verheiratet und wohnt in Bochum. Seit 1. Juni 1995 ist die Sozialdemokratin Abgeordnete des Landtags Nordrhein-Westfalen. In der 16. Wahlperiode war sie dessen Präsidentin.

    ID: LI170917

  • Porträt: Armin Laschet (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 19.09.2017

    Die Bücherregale sind noch leer. An den Wänden hängen die alten Bilder. Doch Armin Laschet fühlt sich in seinem neuen Büro schon wohl. "Man ist hier deutlich näher am echten Leben dran", sagt er und schaut aus dem Fenster auf die Düsseldorfer Rheinuferpromenade. Der neue nordrhein-westfälische Ministerpräsident ist zwar erst wenige Wochen im Amt. Doch Laschet hat schon einen Umzug hinter sich. Statt im Stadttor hoch über der Landeshauptstadt regiert der CDU-Politiker nun aus der dritten Etage des Landeshauses direkt am Rhein.
    Dass Armin Laschet überhaupt in die Staatskanzlei einziehen würde, haben viele politische Beobachter lange Zeit für unwahrscheinlich gehalten. Doch im Frühjahr drehte die Stimmung im Land und Laschet machte seine CDU zum Gewinner der NRW-Wahl. Jetzt führt der 56-Jährige eine schwarz-gelbe Koalition an. Oder wie er selbst gerne sagt: die Nordrhein-Westfalen-Koalition.
    Dabei war der Weg für Laschet arbeitsreich. Vor fünf Jahren übernahm er eine NRW-CDU, die nach der damaligen Schlappe bei der Wahl am Boden lag. Manch einer sah ihn als Verlegenheitslösung an. Profilschwach, zu harmlos und ungefährlich - so lautete die Kritik. Doch mit dem Sieg bei der Wahl im Mai ist all das verstummt. Für Laschet heißt es nun: Er muss liefern. "All die Ideen, die man in der Opposition hatte, kann man jetzt endlich in die Realität umsetzen", sagt er. Vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Sicherheit und Bildung sollen Akzente gesetzt werden.
    Als Laschet Ende Juni im Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, saß auf der Besuchertribüne neben Frau und Kindern auch der Vater. Freudentränen flossen. Als Sohn aus einer Aachener Bergmannsfamilie war der Weg ins Staatsamt für ihn alles andere als vorgezeichnet. Der Vater arbeitete unter Tage und wurde später Lehrer. Sohn Armin konnte studieren und entschied sich für Jura. Nach einer ersten Karriere als Journalist folgte die als Politiker: Ratsherr in Aachen, Bundestags- und Europaabgeordneter in Bonn und Brüssel sowie Integrationsminister in Düsseldorf.
    Politisch erlebt hat Laschet schon viel. Doch fragt man ihn nach der spannendsten Zeit seines Politiklebens, muss er gar nicht so weit zurückblicken: "Das sind die letzten 70, 80 Tage. Alles, worauf man seit Jahren hingearbeitet hat, wird nun Wirklichkeit."
    Die Zeit des Umgewöhnens - vom Oppositions- zum Regierungschef - hat Laschet hinter sich. Nach den Koalitionsverhandlungen und dem Regierungsaufbau kündigt er jetzt die ersten Gesetzgebungsinitiativen an. Davon, wie er das Amt ausfüllen will, hat Laschet konkrete Vorstellungen: Er will im Land präsent sein, nahbar sein, auch mal die Rolle des Parteipolitikers verlassen und Landesvater sein. "Ein Ministerpräsident muss auch über seine eigene Partei hinweg das Land zusammenhalten", beschreibt er das Amtsverständnis.
    Neben dem Regieren geht es aber auch um das Repräsentieren. Im Büro des Ministerpräsidenten gehen dieser Tage viele Terminanfragen ein. Es gilt, den Neuen kennenzulernen. "Wenn ich jeden Wunsch nach einem Antrittsbesuch erfüllen würde, wäre ich allein damit zwei Jahre lang beschäftigt", sagt Laschet.
    Auch wenn die Regierung steht, dürfte es in den kommenden Jahren weiter spannend bleiben - vor allem im Landtag. Denn die Koalition hat eine Mehrheit von einer Stimme. "Die Rolle eines jeden Abgeordneten ist dadurch gestärkt", weiß auch Laschet. Er muss sich auf seine Leute verlassen können. Stimmungen müssen frühzeitig erkannt und widerstreitende Interessen zu einer Lösung gebracht werden. "Der Zwang zum Konsens ist Woche für Woche da."
    Geht es nach Laschet, soll der nächste Umzug aber auf jeden Fall erst einmal eine Weile dauern. Auf die Frage, wie lange er in seinem neuen Büro nun bleiben möchte, sagt er nur: "Lange."
    Christian Wolf

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Ministerpräsident Armin Laschet (56) ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Er wohnt in Aachen. Seit 9. Juni 2010 ist er Abgeordneter des Landtags Nordrhein- Westfalen. In der 16. Wahlperiode war er von 2013 an Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Laschet war von 1994 bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestags und von 1999 bis 2005 Mitglied des Europäischen Parlaments. Seit 2008 ist er Mitglied des CDU-Bundesvorstands, seit 2012 stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands.

    ID: LI170818

  • Porträt: André Kuper.
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 7 - 18.07.2017

    Es war im Frühjahr, als der Landtagsabgeordnete André Kuper aus dem ostwestfälischen Rietberg mit Armin Laschet, damals CDU-Fraktionsvorsitzender im Landesparlament und heute Ministerpräsident, darüber sprach, dass ihn die Aufgabe des Landtagspräsidenten des neuen Landtags interessieren und herausfordern würde. Allerdings: Nach dem Stand der Umfragen war es keinesfalls selbstverständlich, dass die Union aus den Landtagswahlen im Mai als stärkste Partei hervorgehen und den Präsidenten des neuen Landtags stellen würde.
    Umso größer war Kupers Freude, als Laschet ihn nach gewonnener Wahl am Dienstag vor der konstituierenden Sitzung am Donnerstag anrief, zum Gespräch einlud und dort fragte, ob er bereit sei für diese Aufgabe. Dass der mit erfolgreichem Abschluss studierte Betriebs- und Verwaltungswirt sowie langjährige Hauptamtliche Bürgermeister von Rietberg nahezu ideale Voraussetzungen für die Arbeit eines Landtagspräsidenten mitbringt, belegt sein Wahlergebnis. Kuper erhielt 185 von 199 Stimmen.
    Die außergewöhnlich hohe Zustimmung erklärt sich Kuper selbst damit, dass es schon seit langem zu seinen Aufgaben gehörte, im Wettbewerb der Parteien ausgleichend zu wirken, sei es als Bürgermeister, sei es in seinen Funktionen im Städte- und Gemeindebund auf Landes- und Bundesebene. In seinen vielfältigen beruflichen und ehrenamtlichen Aufgaben kam es ihm stets darauf an, nicht mit großen Sprüchen in Erscheinung zu treten, sondern mit sachorientierter wie konstruktiver Arbeit und im Dialog mit den Menschen - frei nach dem biblischen Motto: Nicht an den Worten, an den Taten möge man ihn erkennen.
    In seiner neuen Aufgabe will Kuper den Menschen in Nordrhein-Westfalen deutlich machen, wie wichtig Landespolitik für sie ist. Vieles, was das tägliche Leben betreffe, werde im Landtag entschieden, sagt der neue Präsident. Gleichzeitig will er das Selbstbewusstsein der Abgeordneten stärken, er wendet sich gegen eine gewisse "Selbstverzwergung" und fordert die Kollegen auf, mit Stolz nach außen zu vertreten, was sie Gutes für die Menschen und das Land tun.

    "Selbst etwas tun"

    Den Anlass, dass der junge Kuper sich politisch engagierte und einer Partei beitrat, schaffe sein damaliger Politiklehrer, damals wie heute Fraktionsvorsitzender der SPD im Rietberger Rat. Er hatte seine Schüler wiederholt aufgefordert, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern selbst etwas zu tun und zu bewegen. Dass sich Kuper dann für die Junge Union und die CDU entschied, hat dem guten Einvernehmen zwischen Lehrer und Schüler und später zwischen Bürgermeister und Oppositionschef nicht geschadet. In der Jungen Union engagierte sich Kuper vor allem im Umwelt- und Naturschutz. Als er später neben seiner beruflichen Tätigkeit das Abendgymnasium in Lippstadt besuchte und dort das Abitur machte, blieb für Politik keine Zeit.
    Nach fünfjähriger Tätigkeit als hauptamtlicher Dozent für Betriebswirtschaft beim Studieninstitut in Bielefeld bot ihm die CDU seiner Heimatstadt an, die neu entstandene Funktion eines Hauptamtlichen Bürgermeisters in Rietberg zu übernehmen. Bei der Kommunalwahl 1999 wurde er mit 83 Prozent im ersten Wahlgang im Amt bestätigt, 2004 und 2009 mit weit über 70 Prozent wiedergewählt. Als 2012 der bisherige Landtagsabgeordnete der CDU nicht mehr antreten wollte, wurde Kuper aufgestellt. Die Kombination aus wissenschaftlicher Ausbildung, beruflicher Tätigkeit und praktischer Arbeit als Kommunalpolitiker waren eine gute Grundlage für die Aufgaben in Düsseldorf. Auch als Landtagspräsident will Kuper seiner Heimat und seinem Wahlkreis so eng wie möglich verbunden bleiben.
    Bei so viel politischem und ehrenamtlichem Engagement bleibt für das Privatleben nur wenig Zeit. In Düsseldorf begegnet man ihm zu früher Morgenstunde am Rheinufer beim Joggen. Eines seiner liebsten Reiseziele ist Sahl Hasheesh in Ägypten, mehr als 20 Mal war er bereits dort. Was als Urlaub begann, ist aber längst zu politischer Tätigkeit geworden, der einstige Tourist ist jetzt als Kommunalpolitiker gefragt und unterstützt und berät ägyptische Freunde bei der demokratischen und kommunalen Entwicklung.
    Peter Jansen

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Landtagspräsident André Kuper ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Er wohnt in Rietberg. Als Abgeordneter gehört Kuper dem Parlament seit 2012 an. Der frühere Hauptamtliche Bürgermeister der Stadt Rietberg war in der 16. Wahlperiode stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion.

    ID: LI170711

  • Porträt: Ingola Schmitz (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 12.04.2017

    Mit dem ungewöhnlichen Vornamen Ingola tat sich sogar der Pastor schwer, wollte die Taufe verweigern und lenkte erst ein, weil der zweite Vorname Stefanie lautet. Jahre später fand die heutige FDP-Landtagsabgeordnete Ingola Stefanie Schmitz heraus, dass sie nach der besten Freundin ihrer Mutter benannt worden war und dass es sich bei Ingola wahrscheinlich um eine aus dem Osten Deutschlands stammende Form von Angela handelt.
    Ebenso ungewöhnlich wie der Vorname war der Weg, auf dem die heute 54-jährige Lehrerin in die Politik gefunden hat. Bis Ende des vorigen Jahrzehnts war sie mit ihrem Beruf ausgefüllt, in ihrem Berufsleben hatte sie an nahezu allen Schulformen unterrichtet, von der Hauptschule über das Berufskolleg bis zum Gymnasium, und kannte die sehr unterschiedliche Klientel. Zeit für politisches Engagement blieb da nicht, zumal sie noch Theater-AGs leitete und regelmäßig Wochenendworkshops veranstaltete. Doch weil sie mit der allgemeinen Situation an den Schulen zunehmend haderte, begann sie eines Tages, selbst eine Art schulpolitisches Konzept zu entwickeln mit der Grundidee, an den Schulen einen eher berufsorientierten Zweig zu etablieren und einen eher theoretisch-allgemeinbildenden. Damit ihr Konzept auch von den politisch Handelnden zur Kenntnis genommen werden konnte, beschloss Ingola Schmitz, sich selbst politisch zu engagieren, studierte die politischen Programme der vier damals im Landtag vertretenen Parteien und fühlte sich von der Programmatik der Freien Demokraten am ehesten angesprochen.

    Ortsverband gegründet

    Der Eintritt in die FDP war dann etwas mühsam, denn in ihrem Heimatort Nörvenich am Nordrand der Eifel war die Partei gar nicht vertreten. So fuhr sie in die Kreisstadt Düren, wurde Parteimitglied und gründete kurz danach mit einigen Freunden einen Ortsverband Nörvenich, der sich nach und nach vergrößert hat. Schon nach dreijähriger Mitgliedschaft eröffnete sich ihr die Chance, bei den Landtagswahlen 2012 im Bezirk Aachen zu kandidieren. Der bisherige FDP-Kandidat sah keine großen Erfolgschancen und zog es vor, statt in den Wahlkampf mit seiner frisch vermählten Ehefrau in die Flitterwochen zu ziehen.
    Ingola Schmitz wagte den Sprung ins kalte Wasser und wurde prompt belohnt. Am Wahltag flüsterte ihr der Landrat schon kurz nach 18 Uhr zu: "Frau Schmitz, Sie haben es geschafft!" Die FDP-Liste hatte bis Platz 22 gezogen, die Lehrerin aus Nörvenich hatte auf Platz 19 kandidiert und war damit im ersten Anlauf ins Landesparlament gewählt worden.
    In Düsseldorf beschäftigt sich Ingola Schmitz mit dem Thema, das ihr zur Herzensangelegenheit geworden ist. Zwar sorgte die Bildungspolitik in der jetzt zu Ende gehenden Wahlperiode nicht für so viele Schlagzeilen wie in den Jahren und Jahrzehnten zuvor, aber zu tun gibt es nach ihrer Ansicht noch genug. "Schließlich sind die jungen Menschen die Zukunft unseres Landes und sollen die Grundlage für den Wohlstand der Gesellschaft schaffen", ist sie überzeugt. Handlungsbedarf sieht sie bei den neu geschaffenen Sekundarschulen, die von den Eltern kaum nachgefragt würden, bei der Sicherstellung einer ausreichenden Unterrichtsversorgung und bei der Planungssicherheit für Schulleiter. Bei dem zuletzt wieder heiß diskutierten Thema, ob das Gymnasium in acht oder wie früher in neun Jahren zum Abitur führen soll, plädiert die im Hunsrück geborene Politikerin für eine Lösung wie in Rheinland-Pfalz: Dort können die Schulen selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen.
    Politisch weit weniger umstritten ist ihr zweites Arbeitsfeld, die Kulturpolitik. Hier ziehen die Kulturpolitiker aller Fraktionen oft an einem Strang und drängen das Land, in der Kultur stärker Flagge zu zeigen. Da geht es um klarere Regelungen im Kulturfördergesetz des Landes, die auch von allen Betroffenen verstanden werden, um eine Stärkung der kulturellen Bildung an den Schulen und insbesondere an den Berufskollegs oder um die Unterstützung der Landesmuseen und anderer kultureller Einrichtungen. Von der Landtagswahl am 14. Mai erhofft sich Ingola Schmitz natürlich ein gutes Ergebnis für ihre Partei, das ihr die Rückkehr an die Landesregierung ermöglicht. Sie kann sich dann auch gut eine Ampelkoalition aus SPD, GRÜNEN und der FDP vorstellen. "Ich halte nichts davon, Regierungsbündnisse mit den anderen Parteien von vornherein auszuschließen."
    Peter Jansen

    ID: LI170416

  • Porträt: Dagmar Hanses (GRÜNE).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 3 - 21.03.2017

    "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es", fasste Erich Kästner seine Moral-Philosophie gut zusammen: Nur in unseren Handlungen zeige sich, ob wir gut sind oder nicht. Ein wenig passt diese Philosophie auf die zurückhaltende Landtagsabgeordnete Dagmar Hanses (GRÜNE), die fernab von allen Aufgeregtheiten im Düsseldorfer Parlamentsbetrieb ihre Arbeit verrichtet. In grün-leuchtender Wetterjacke erscheint sie an der Kaffeebar des NRW-Landtags ein wenig außer Atem, aber schließlich dennoch entspannt, fröhlich und freundlich, um Fragen nach ihrer Person zu beantworten.
    Sie ist 41 Jahre alt, ledig, hat drei Patenkinder und ist Single. Sie ist eine Leseratte ("Ich habe mindestens 6.000 Bücher") und backt außerdem gerne Kuchen, wie sie betont. Zuletzt die Hochzeitstorte für einen Landtagskollegen. Soviel zum Privaten.
    Die gelernte Erzieherin hat, im Gegensatz zu vielen ihrer Landtagskollegen, eine sehr bodenständige Biografie. Nach der mittleren Reife und Ausbildung zur Erzieherin erlebte sie in einem Kölner Kinderheim von 1995 an vier Jahre lang, was es heißt, wirklich für Kinder da zu sein: etwa wenn Eltern drogenabhängig sind, Kinder als sogenannte Klaukids abgestempelt werden und mit sieben Jahren bereits ein Hausverbot im Kaufhof haben. Sie kümmerte sich um Kinder, bei denen andere Menschen bereits alle Hoffnung aufgegeben hatten. Dagmar Hanses biss sich durch. In anderen Stationen ihres Lebenswegs war sie für die Resozialisierung von Jugendlichen zuständig. Später übernahm sie in Warstein die Leitung eines Jugendzentrums von 2001 bis 2010.

    Wie alles begann

    Schon 1993 fand sie ihre politische Heimat bei den GRÜNEN. Damals war sie erst 18. Anlass für ihr Engagement sei die Diskussion über die Errichtung eines Frauenhauses im Kreis Olpe gewesen. "SPD und CDU argumentierten mit unterschiedlichen Ausflüchten, warum das Frauenhaus nicht gegründet werden könne. Und die GRÜNEN stellten einen Antrag im Kreistag. Das Frauenhaus wurde gegründet. Das hat mich beeindruckt", erinnert sich Hanses. Danach wollte sie auch aktiv mitmischen. Und wie: Schon 1995 war sie Ratsmitglied in Lennestadt, wurde nebenher mit anderen Parteifreunden Gründungsmitglied der "Grünen Jugend" und wurde schließlich nach einigen Parteiämtern auf der Karriereleiter Sprecherin des Bezirksverbands Westfalen im Jahr 2010. Im gleichen Jahr wurde Dagmar Hanses von ihrer Partei als Landtagskandidatin aufgestellt und erlebte hautnah mit, welche Herausforderungen es in einer rot-grünen Minderheitsregierung gibt. "Das war aufregend, anstrengend und bereichernd", erinnert sich die Abgeordnete. Sie will nicht ausschließen, dass nach der Landtagswahl im Mai SPD und GRÜNE womöglich wieder in einer Minderheitsregierung Verantwortung in Nordrhein-Westfalen übernehmen müssen.
    Nach den derzeitigen Umfragen könnte es knapp für eine rot-grüne Mehrheit werden. Das liegt auch daran, dass die GRÜNEN derzeit wohl nicht mehr mit einem zweistelligen Stimmenergebnis rechnen können. Sie selbst wurde auf Platz 19 der GRÜNEN-Landesliste platziert, 2012 war sie noch auf Platz 17. 29 Abgeordnete zogen damals bei einem Stimmenanteil von 11,3 Prozent ins Parlament ein. "Ich bin aber sehr zuversichtlich, wieder in den Landtag gewählt zu werden", sagt Dagmar Hanses. Eigentlich will sie keinen Gedanken daran verschwenden, dass sie in wenigen Wochen nicht mehr in der Rechts- und Jugendpolitik an ihren Projekten arbeiten könnte. "Ich liebe meine Arbeit", sagt sie und man nimmt es ihr auch ab.
    Als größten Erfolg in ihrer siebenjährigen Landtagszugehörigkeit bezeichnet sie den Kinder- und Jugendförderplan, den sie gemeinsam mit Koalitionskollegen von GRÜNEN und SPD habe durchsetzen können. Das Geld für diese Arbeit sei im Landeshaushalt erheblich aufgestockt worden. Und auch bürokratische Hindernisse für die ehrenamtliche Tätigkeit oder für freie Träger seien weitgehend abgebaut worden. In der Jugendpolitik will sie weiter an dem dicken Brett bohren, bei Landtagswahlen das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen. Hanses sieht dies pragmatisch: "Jugendliche dürfen bereits jetzt ihren Oberbürgermeister wählen - warum also nicht auch Landtagsabgeordnete?"
    Heinz Tutt

    ID: LI170317

  • Porträt: Martin Börschel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 21.02.2017

    Martin Börschel ist ein Mensch mit klaren Prinzipien, für den das Streben nach Gerechtigkeit Richtschnur allen Handelns ist. Die Wurzeln dafür wurden in der Familie gelegt. "Wir hatten nicht viel", berichtet der Kölner. Der Aufstieg durch Bildung war also keineswegs vorgezeichnet: Der Vater, ein gebürtiger Schwabe, verdiente zunächst als Holzwerkzeugmacher, dann als Bauarbeiter den Familienunterhalt. Die Mutter kümmerte sich um die Erziehung der Kinder - und pflegt die Nähe zur katholischen Kirche. So wuchs Börschel gemeinsam mit seiner Schwester in einem christlichen Milieu auf, war Messdiener, trug die Kirchenzeitung aus - und war damit der Liebling der alten Damen.
    "Die Umstände haben es gut mit mir gemeint", ist der inzwischen 44-Jährige dankbar, in einer sehr liberalen Umgebung aufgewachsen zu sein. Eine Grundlage dafür waren die sozial-demokratischen Bildungsreformen, die einen höherwertigen Schulabschluss erst ermöglichten. Als Erster aus der Familie hat Börschel das Abitur gemacht. Er interessierte sich bereits auf der Montessori-Grundschule für Politik, informierte sich über die Inhalte der Parteien und war später von den Initiativen der Friedensbewegung beeindruckt. "Ich war ab der zehnten Klasse Schülersprecher und habe eine Schülerzeitung mit herausgegeben." Das war sein Zugang zur Politik. Es ging um Themen wie den Golfkrieg. "Wir haben Demonstrationen organisiert und überlegt, wie wir unsere Meinung bemerkbar machen können."
    In dieser Lebensphase war es nicht vorgezeichnet, dass er später als SPD-Fraktionschef im Rat als "König von Köln" bezeichnet werden würde. "Das bin ich nicht, das war ich nicht - und so habe ich mich nie empfunden", versichert Börschel, der im Zweitberuf Kommunalpolitiker ist. "Das ist eine gute Mischung", verweist er darauf, dass er die Interessen von Stadt und Land verknüpfen und damit Synergieeffekte erzielen kann. Aus seiner lokalen Sicht war die von den rot-grünen Mehrheitsfraktionen 2014 im Landtag durchgesetzte Erhöhung der Grunderwerbssteuer eine falsche Entscheidung, weil damit die ohnehin in Großstädten hochpreisigen Eigenheimbau-Pläne nochmals verteuert wurden. "Das war eine Entscheidung der inneren Konsequenz", begründet er seinen Rücktritt als haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. "Die Erhöhung hatte nicht die negativen Auswirkungen, die ich befürchtet hatte. Da bin ich widerlegt", verweist er auf die anhaltend hohe Nachfrage nach Grundstücken. Gleichzeitig warnt er aber vor "überbordenden energetischen Anforderungen" beim Häuslebau.
    Der Rückzug vom Sprecheramt habe ihm zugleich Respekt und Kritik eingebracht, aber deshalb sieht er sich in der Landtagsfraktion nicht isoliert oder gar auf verlorenem Posten. Dauerhaft dürfte die SPD nicht auf seine aktive Rolle verzichten können, denn viele Talente hat die Partei in dieser aufstrebenden Altersklasse nicht. Sogar Oppositionspolitiker bedauern, dass ihnen ein kluger Widersacher fehlt. Das dürfte wohl nur eine Übergangsphase sein, denn Börschels Wiedereinzug ins Landesparlament scheint bei den heimischen Mehrheitsverhältnissen ziemlich sicher zu sein. Mit ihm ist also weiter zu rechnen.
    Statt "Papst oder Pilot", wie er als Kind seinen Berufswunsch in Poesiealben verewigte, ist er Rechtsanwalt geworden. Wegen der Kölner Spendenaffäre, die er gemeinsam mit seinem Freund und Nachbarn Jochen Ott meistern musste, verzichtete er auf die angestrebte Promotion. Der praktizierende Katholik stand damals als mit Abstand Jüngster an der Spitze der SPD-Ratsfraktion - und nicht wenige rechneten mit seinem Scheitern. Doch Börschel hat sich - stets freundlich, verlässlich und mit beinahe preußischer Disziplin - durchgebissen.
    Finanzpolitiker ermöglichten in Zahlen gegossene Gerechtigkeitspolitik, setzten damit auch die Grundlage des Zusammenlebens, das im gegenseitigen Respekt funktionieren müsse, sagt Börschel. Vorbeugende Politik sei eine "präventive Investition in die Gesellschaft", deren Ertrag sich später auszahlen werde, so der Sozialdemokrat. Der verheiratete Vater einer neunjährigen Tochter hat als Mitglied des Untersuchungsausschusses Silvesternacht die "für den Staat zutiefst beschämende Katastrophe" mit aufgearbeitet und dabei erfahren, dass die schweren Übergriffe auf Frauen trotz individuell größtmöglichen Einsatzes der Polizisten nicht verhindert werden konnten. Diese Eindrücke haben ihn auch geprägt.
    Robert Vornholt

    ID: LI170217

  • Porträt: Holger Müller (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 31.01.2017

    Den Entschluss, für den NRW-Landtag zu kandidieren und damit aus seinem bisherigen Hobby Politik seinen Beruf zu machen, fasste Holger Müller an einem Morgen im Herbst 2004 auf dem Weg vom Badezimmer zum Frühstückstisch. Der damals 57-Jährige war mit den Vertretern seiner Partei, der CDU, die sich um einen Sitz im Landesparlament bewarben, nicht glücklich und beschloss zu früher Morgenstunde, es selbst zu versuchen. Als erstes informierte er seine Frau, anschließend die örtlichen Parteigremien und wenige Wochen später wurde der Tourismusexperte und Manager am Flughafen Köln/Bonn als Kandidat der CDU im Rheinisch-Bergischen Kreis aufgestellt und im Mai 2005 in den Düsseldorfer Landtag gewählt.
    Bis dahin war Müller nahezu ausschließlich in der Kommunalpolitik aktiv gewesen, in seiner Heimatgemeinde Rösrath und im Kreistag in Bergisch Gladbach, in den er bislang neun Mal direkt gewählt wurde. Dabei war der in der Dorfgemeinschaft überall engagierte Müller eher durch Zufall zur Politik gekommen. Als Jugendlicher galt sein ganzes Interesse dem Sport und dabei in erster Linie dem Fußball. Während seines Jura-Studiums in Köln Ende der 1960er-Jahre sprach ihn eines Tages ein führender CDU-Politiker seiner Heimatgemeinde an und forderte ihn auf, er müsse jetzt in Rösrath einen Ortsverband der Jungen Union (JU) ins Leben rufen. Aber er habe doch gar keine Ahnung von Politik, hielt ihm Müller entgegen, doch das ließ der CDU-Mann nicht gelten: "Du machst das schon."
    Nach seinem Motto "Ganz oder gar nicht" war Müllers Aufstieg in der Politik von da an unaufhaltsam. Schon nach zwei Jahren war er JU-Vorsitzender in seinem Heimatkreis, 1975 wurde er Vizechef der CDU im Rheinisch-Bergischen Kreis, gehörte von 1975 bis 2004 mit fünfjähriger Unterbrechung dem Rat in Rösrath an und engagierte sich bei den Jungen Christdemokraten auf europäischer Ebene. Beruflich hatte sich Müller nach dem abgeschlossenen Jurastudium als Touristikkaufmann selbstständig gemacht, der größte Teil der Freizeit gehörte dem Sport, aktiv als Fußballer bei Union Rösrath und als Jugendtrainer, passiv als Vereinsvorsitzender, Fan des 1. FC Köln und der deutschen Fußballnationalmannschaft, der er bereits neun Mal zu Weltmeisterschaften gefolgt ist, "auf eigene Kosten", wie er in seiner Muttersprache Kölsch versichert.
    Im Landtag kann er "aufgrund einer glücklichen Fügung", wie er selbst sagt, die Hobbys Sport und Politik miteinander verbinden. Müller sitzt im Sportausschuss und ist sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion, pflegt die Beziehungen zum Landessportbund und kämpft dafür, dass dem Schulsport die notwendige Bedeutung zugemessen wird. In den Stundenplänen stünden zwar 3 Sportstunden, gegeben würden allerdings im Durchschnitt nur 2,1. Fachlehrer für Sport gebe es in den ersten Klassen fast überhaupt nicht und daran habe sich, so klagt Müller, in den letzten Jahren nichts geändert, egal, welche Partei die Schulministerin stellte. Dabei sei die Notwendigkeit, schon bei den jüngsten Schülern sportliche Tätigkeiten zu fördern, bei Medizinern und Pädagogen unbestritten.

    "Einmal in die Südsee"

    Bei der nächsten Landtagswahl am 14. Mai diesen Jahres tritt Müller wieder als Direktkandidat der CDU an, mit dann fast 70 Jahren der älteste seiner Partei im ganzen Land. Probleme sieht Müller dabei nicht: "Meine Altersklasse ist die größte geschlossene Wählergruppe im ganzen Land." Wenn er wiedergewählt wird, will er sich neben seinen ständigen Themen Sport und Kommunalpolitik stärker den Problemen seiner Generation widmen. Es gebe viele über 65-Jährige, die wie er nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen wollten, ist Müller überzeugt. Die Menschen wollten noch etwas tun und das nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Der Einstieg in die sogenannte Flexi-Rente weist nach seiner Überzeugung in die richtige Richtung.
    Unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl möchte sich der ehemalige Touristikkaufmann noch einen Wunsch erfüllen, zu dem ihm bislang die Zeit fehlte. "Ich möchte einmal in die Südsee reisen, da bin ich noch nie gewesen. Und wenn ich gesund bleibe, mache ich das auch."
    Peter Jansen

    ID: LI170119

  • Porträt: Angela Lück (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 20.12.2016

    Prominente Politiker nutzen gerne ihre Familiennamen zu Wortspielen, wenn sie zu Treffen einladen. Der frühere Ministerpräsident Rüttgers lud Journalisten regelmäßig zum Plausch in den "Rüttgers-Club", wenig später legte die jetzige Amtsinhaberin Hannelore Kraft (SPD) mit ihrem turnusmäßigen "Kraft-Raum" nach und der SPD-Fraktionschef Norbert Römer mit der "Römer-Quelle".
    Auch die SPD-Abgeordnete Angela Lück (57) aus Löhne in Ostwestfalen bedient sich seit geraumer Zeit eines Wortspiels mit ihrem Namen: "Lückenlos aus Düsseldorf " nennt sie ihren regelmäßigen Informationsbrief, mit dem sie die rund 40.000 Bürgerinnen und Bürger in ihrer Heimatstadt über die Politik im fernen Düsseldorf informieren will.
    Angela Lück weiß, was sie ihren Wählern schuldig ist. Sie wurde erstmals nach der Ära Rüttgers im Jahr 2010 mit knapp 47 Prozent direkt gewählt und löste damit den langjährigen CDU-Mandatsträger im Handstreich ab. Bei der vorgezogenen Neuwahl 2012 legte sie sogar auf 49 Prozent zu. "Das verpflichtet. Ich lege größten Wert auf die Arbeit im Wahlkreis", erklärt Lück. Regelmäßig taucht sie auch für einen Tag in die Berufswelt vor Ort ein, etwa als Schwimmmeisterin im Freibad oder im Verkaufsraum eines ortsansässigen Bäckers. "Die Termine sind wichtig. Dort erfährt man, wo der Schuh wirklich drückt."

    Engagement im Betriebsrat

    Die gelernte Krankenschwester, Mutter von zwei Kindern, wurde bereits während ihrer Schulzeit auf der Fachoberschule für politische Themen sensibilisiert. Zunächst engagierte sie sich in Gewerkschaft und Betriebsrat, weil sie bald merkte, dass es an ihrem Krankenhaus einiges zu verbessern gab.
    Beim ersten Kind konnten die Eltern noch helfen, Beruf und Erziehung unter einen Hut zu bringen. "Beim zweiten Kind war das schwieriger. Ich legte überwiegend Nachtschichten ein, um tagsüber für die Kinder da zu sein." Ein Knochenjob, erinnert sie sich heute. Sie ärgerte sich damals, dass eine Pflichtpause von einer Stunde nachts nicht auf die reguläre Arbeitszeit angerechnet wurde - und sie sorgte dafür, dass Abhilfe geschaffen wurde. Die Kolleginnen und Kollegen merkten bald: Mit der kann man was anfangen. Sie wurde 1990 in den Betriebsrat gewählt und vertrat dort bis zum Jahr 2010 die Interessen der Belegschaft. Zwischen 2001 und 2010 übernahm sie im Herz- und Diabetes-Zentrum NRW eine Führungsposition als stellvertretende Abteilungsleiterin.
    Mitglied der SPD wurde sie am 1. Mai 1997 - am Tag der Arbeit erklärte sie dem damaligen stellvertretenden Bürgermeister, jetzt sei es für sie an der Zeit, Gewerkschaft und Sozialdemokraten näher zusammenzubringen. Bereits drei Jahre später war sie Mitglied im Löhner Stadtrat. "Die Kinder waren aus dem Gröbsten raus, ich wollte etwas verändern", erinnert sich Angela Lück. Der Sozial- und Gesundheitsbereich lag ihr besonders am Herzen. Schon bald agierte sie in der Führungsriege (2006 bis 2010) der Fraktion als stellvertretende Vorsitzende.
    Eigentlich sei es damals Rüttgers gewesen, der sie in die Landespolitik getrieben habe. Sie sei "richtig sauer" auf die CDU-geführte Landesregierung geworden, weil sie auch in Löhne habe erleben müssen, "wie sich das Land auf Kosten der Kommunen finanziell bereicherte". Auf Anhieb schaffe sie bei der Wahl 2010 den Sprung in den Landtag. Es lag auf der Hand, dass sie sich dort in der Gesundheitspolitik engagieren würde. Bis heute ist sie Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie im Integrationsausschuss. Nicht immer ist es einfach, mit dem Koalitionspartner Kompromisse zu finden, doch darin ist Angela Lück geübt: Sie ist zuversichtlich, mit Gesundheitsministerin Barbara Steffens (GRÜNE) jetzt einen Weg zu finden, die Impfquote auch bei jungen Heranwachsenden in NRW zu steigern.
    Privat entspannt sich die Politikerin bei der Gartenarbeit oder bei Radtouren mit ihrem Mann. Das kann in der Hügellandschaft der Ravensburger Mulde gelegentlich anstrengend sein. "Damit wir nicht immer den Berg hoch schieben müssen, sind wir seit einigen Monaten mit dem E-Bike unterwegs."
    Heinz Tutt

    ID: LI161021

  • Porträt: Serdar Yüksel (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 15.11.2016

    Mit der Wahl in den nordrhein-westfälischen Landtag ging für Serdar Yüksel, SPD-Abgeordneter aus Wattenscheid, ein Traum aus der Kinderzeit in Erfüllung. Schon als kleiner Junge war der heute 43-Jährige politisch interessiert. Sein Vater, 1964 aus der Türkei eingewandert, Arbeiter bei Krupp und in der IG Metall organisiert, las seinen Kindern jeden Tag Artikel aus einer deutschen und einer türkischen Zeitung vor und als Serdar zum 13. Geburtstag eine Schreibmaschine geschenkt bekam, schrieb er einen zweiseitigen Bewerbungsbrief an das Bonner Erich-Ollenhauer-Haus, die damalige SPD-Zentrale. Er wollte Mitglied bei den Sozialdemokraten werden und hatte gedacht, erinnert er sich heute lächelnd, dass man sich dafür bewerben müsse wie für einen Job oder einen Ausbildungsplatz. Drei Jahre später hatte Yüksel das notwendige Alter erreicht und wurde sofort in dem Ortsverein aktiv, in dem er noch heute Mitglied ist. 2001 wurde er in den Vorstand der SPD Bochum gewählt und als die bisherige Abgeordnete Birgit Fischer 2010 nicht mehr zur Wahl antrat, bewarb sich Yüksel um die Kandidatur im Wahlkreis und setzte sich gegen zwei Konkurrenten klar durch.
    Beruflich war er damals als Krankenpfleger auf einer Intensivstation tätig, zusätzlich studierte er berufsbegleitend Gesundheitswissenschaften, ein recht neuer Zweig, in dem es um Fragen geht wie Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz oder individuelle Vorsorge.
    Einerseits ist Yüksel ein Beispiel für die gelungene Integration eines jungen Mannes aus einer Zuwandererfamilie. Andererseits hat er schon früh am eigenen Leib erfahren, wie viel offener und versteckter Diskriminierung Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland ausgesetzt sind. Nach der vierjährigen Grundschulzeit sagte seine Lehrerin, er habe zwar das Zeug, die Realschule oder das Gymnasium zu besuchen, aber seine Eltern gingen ja sicher bald zurück in die Türkei und da reiche hier die Hauptschule. Noch heute kann es ihm passieren, dass er, wenn er zu einer offiziellen Veranstaltung geht, gefragt wird, wen er denn gefahren habe. Im Landtagswahlkampf hörte er durch Zufall, wie sich zwei ältere Damen unter seinem Plakat unterhielten und eine sagte: "Jetzt kandidieren hier schon die Türken." Er sprach die beiden an, stellte sich als Kandidat vor, erzählte ihnen, was er im Landtag mache, und hörte beim Weitergehen, wie die Frau zu ihrer Freundin sagte: "Och, der ist ja ganz nett. Ich glaub’ den wähl’ ich." Und erst kürzlich machte der Abgeordnete Schlagzeilen im Ruhrgebiet, als er zusammen mit einem Zeitungsreporter eine Diskothek in seiner Heimatstadt besuchen wollte und ihm der Zutritt verweigert wurde, weil er Türke sei.
    Der Kampf gegen Diskriminierung und der Einsatz für ein normales, konfliktfreies Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft sind nicht die einzigen Themen in der politischen Arbeit Yüksels. Im Landtag gehört er dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales an, der sich, wie er sagt, mit den Grundbedürfnissen der Menschen beschäftigt: Jeder will einen sicheren Arbeitsplatz, optimalen Gesundheitsschutz und eine solide Absicherung im Alter. Außerdem kümmert er sich im Petitionsausschuss um Sorgen und Probleme der Bürger, die sich hilfesuchend an den Landtag wenden.

    Flüchtlingsdorf gegründet

    Ganz besonders am Herzen liegt dem Abgeordneten das von ihm gegründete Flüchtlingsdorf NRW im Nordirak. In der Nähe von Dohuk finden Flüchtlinge Unterkunft in Containern, die in der Region hergestellt werden. Yüksel und seine Helfer organisieren Schulunterricht und sorgen für eine handwerkliche Ausbildung der Jugendlichen. In Deutschland wirbt er für das humanitäre Projekt und versucht, Spender zu gewinnen. Auf Urlaubsreisen hat er verzichtet, stattdessen fliegt er, wenn er ein paar freie Tage hat, in den Nordirak und kümmert sich vor Ort um sein Flüchtlingsdorf.
    Viel Zeit für Hobbys lässt ihm sein politisches und humanitäres Engagement nicht und wenn er sich tagsüber durch Stapel von Akten und Vorlagen gekämpft hat, steht ihm abends nur selten der Sinn danach, noch ein Buch zu lesen. Nur für Fußball, seine zweite Leidenschaft, findet er noch Zeit. Dabei schlägt das Herz des mitten im Ruhrgebiet lebenden Yüksel nicht für einen der großen Vereine aus Dortmund, Gelsenkirchen oder Bochum, er ist Fan der SG Wattenscheid 09, deren beste Zeiten lange vorbei sind und die heute in der Regionalliga West spielt.
    Peter Jansen

    ID: LI160919

  • Porträt: Rainer Spiecker (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 11.10.2016

    Rainer Spiecker ist ein Unikat. Als praktizierender Handwerks-Unternehmer ist er einzigartig in der CDU-Fraktion - und das gleich unter mehreren Aspekten. Neben seinem Landtagsmandat muss er den 15 Mitarbeiter starken Betrieb in Wuppertal managen. Das prägt. Die Verantwortung für die Beschäftigten und für hochwertige Produkte zieht sich als Leitschnur durch sein Handeln. Als Nischenfabrikant, der Gürtel und Hosenträger anbietet, muss er sich auf dem Markt behaupten, die Zeichen der Zeit früh genug erkennen, um daraus künftige Entwicklungen ableiten und gestaltend tätig sein zu können.
    "Ich bin ein richtiger kleiner Gewerbetreibender", beschreibt der 55-Jährige seine Tätigkeit. "Wir wollen die Kontrolle über die Produkte behalten", erklärt er, warum er die Herstellung der Erzeugnisse nicht längst in ein Billiglohnland verlagert hat. "Nur mit qualifiziertem Personal können wir qualitätsvolle Waren herstellen", sagt Spiecker - und diese Einschätzung klingt wie selbstverständlich, unumstößlich und unwiderlegbar.
    "Politik ist ein Geben und Nehmen. Und man muss zuhören können - aber das tun die wenigsten", sagt der Wuppertaler. Die Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Politik sind ihm sehr vertraut: Da wird der Mittelstand - also die Vielzahl der kleinen und etwas größeren Firmen - zwar als Rückgrat der Wirtschaft gelobt, aber die Leistung nicht entsprechend honoriert. "Bei der CDU bin ich am besten aufgehoben", versichert Spiecker. Als handwerkspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und Mitglied der Enquetekommission "Zukunft von Handwerk und Mittelstand in Nordrhein- Westfalen gestalten" des Parlaments will der Vater von zwei Kindern Akzente setzen: "Da stellen wir inhaltliche Weichen für das Handwerk der Zukunft - und wie es sich aufstellen muss."
    Kritik war die Initialzündung für sein politisches Engagement: "Die Mengenlehre von Jürgen Girgensohn hat mich wahnsinnig gemacht", erinnert sich der 55-Jährige an den Anlass für den Eintritt in die Junge Union und wenig später in die CDU. "Stopp Koop" - also der heftige Widerstand gegen die Vorform der Gesamtschule 1978 - mündete in das bisher einzig erfolgreiche Volksbegehren in NRW. 3,6 Millionen NRW-Bürger unterschrieben gegen die neue Schulform - 1,2 Millionen mehr als erforderlich.
    In den 1911 gegründeten Familienbetrieb zog es Spiecker vor 40 Jahren keineswegs: Nach der Realschule machte er seine "Liebhaberei für Pralinen und Kuchen" zum Beruf, wurde 1982 mit 23 Jahren einer der jüngsten Konditormeister, aber dann zwang ihn eine Mehlstaub-Allergie zum Berufswechsel. 1985 stieg er - nach mehreren Praktika in verschiedenen Textilunternehmen in Deutschland - in die Firma ein. Seit 2000 ist er Geschäftsführer, so dass sein Arbeitstag ein stetiges Pendeln zwischen Profession und Politik ist.
    Die beruflichen und politischen Erfahrungen ergänzen und bereichern die Arbeit, versichert der Chef. "Den kleinen Unternehmen in Deutschland muss man die Luft zum Atmen und Leben lassen", lautet sein wichtigstes Ziel. Er lehnt das Tariftreue- und Vergabegesetz ebenso wie das Mittelstandsgesetz ab. Aber selbstverständlich ist für ihn, dass für faire und anständige Arbeit auch gerechte Löhne gezahlt werden müssen. Da ist er sein eigener Maßstab des Handelns.
    Mit Augenmaß, Zurückhaltung und Zielstrebigkeit verfolgt Spiecker seine politische Arbeit: Langsam, aber stetig diente er sich in der Wuppertaler CDU nach oben. Seit zwei Jahren ist er Chef des christdemokratischen Kreisverbandes im sozialdemokratisch dominierten Wuppertal. Da sind die Chancen auf ein Direktmandat eher unrealistisch. 2012 zog der Unternehmer mit Platz 42 der Reserveliste in den Landtag ein. Für die nächste Legislaturperiode ist der Grundstein bereits gelegt: Mit 98 Prozent der Stimmen wurde er zum Kandidaten gekürt. Das Ergebnis ist wohl auch seinem Fleiß geschuldet: Bei drei SPD-Landtagskollegen muss der 55-Jährige ständig als Einzelkämpfer unterwegs sein, um Flagge für die CDU zu zeigen.
    Rainer Barzel, der redegewandte Gegenspieler des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD), ist das politische Vorbild von Spiecker: "Er hat eine klare Ausrichtung gehabt", bewundert er noch heute dessen politisches Wirken. Als politischen Wegbegleiter weiß er den Wuppertaler Bundestagsabgeordneten Peter Hintze an seiner Seite, der verschiedene Ämter in der Bundesregierung und in der Partei ausübte, ehe er Bundestagsvizepräsident wurde. Wie er pflegt Spiecker die leisen Töne in der Politik: "Man muss nicht poltern, um Erfolg in der Politik zu haben."
    Robert Vornho

    ID: LI160819

  • Porträt: Jens Geyer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 21.09.2016

    Langeweile kommt bei Jens Geyer selten auf. "Das ist manchmal schon eine kleine logistische Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen", sagt er. Denn neben dem Landtagsmandat und den Verpflichtungen im Wahlkreis ist der SPD-Politiker auch noch Betriebsratsvorsitzender bei einem Pharmaunternehmen in Monheim. Doch auch wenn der Terminkalender meist voll sei und die Zeit für private Dinge begrenzt, die Arbeit abseits des Parlaments mache Spaß. "Man ist sehr nah bei den Menschen und bekommt direkt mit, was sie für Sorgen und Probleme haben. So hautnah kommt die Politik sonst nicht dran." Der 53-Jährige spricht von einer "Erdung" und dem "Boden der Tatsachen", auf dem er dadurch bleibe. "Denn hier im Landtag ist man ja doch irgendwie in einer Wolke der Glückseligkeit. Das wahre Leben spielt sich hier nicht ab", sagt der freigestellte kaufmännische Angestellte.
    Seit 2012 ist Jens Geyer Mitglied des Landtags. Damals gewann er den Wahlkreis Mettmann I überraschend gegen seinen Kontrahenten und Mandatsinhaber von der CDU. "Da hatte ich vorher nicht mit gerechnet", erinnert sich Geyer. Die Politik wurde schlagartig zum Beruf. Zuvor war Geyer kommunal aktiv gewesen. Zwischen 1990 und 1994 war er Juso-Kreisvorsitzender in Mettmann und saß von 2005 bis 2011 im Rat der Stadt Monheim. Dem SPD-Ortsverein in Monheim stand Geyer von 2007 bis 2010 vor. Eine klassische "Parteikarriere" könnte man sagen. In die SPD eingetreten ist er schon früh. Im Jahr 1979 - mit 16 Jahren - entschied sich der damalige Schüler für die Sozialdemokraten. Das familiäre Umfeld hatte ihn geprägt. "Außerdem überzeugten mich die Grundwerte der Partei wie Chancengerechtigkeit und Solidarität."
    Bereut hat Geyer seine Entscheidung nicht. "Natürlich gibt es auch Momente des Zweifelns. Es ist doch ganz normal, dass man nicht immer zu 100 Prozent hinter einer Partei steht und andere Ideen hat. Aber solange die Gesamtrichtung stimmt, ist alles gut", sagt er selbst. Andere Vorstellungen als seine Partei hatte Geyer vor Jahren, als es um die Einführung des sogenannten Kommunal-Solis ging. Seine Wahlkreisstädte Hilden, Langenfeld und Monheim sollten einen großen Anteil an den Hilfsgeldern für klamme Kommunen zahlen. In der Summe zu viel - fand Geyer und kämpfte für seine Leute vor Ort und gegen die Pläne der Landesregierung, "Als Abgeordneter sollte man schon die Interessen des Wahlkreises vertreten - selbst wenn es dann gegen die Partei ist", sagt er. Am Ende müsse es aber einen Ausgleich aller Interessen geben. Mit dem damals gefundenen Kompromiss, die Summe der Abgaben zu halbieren, könne er leben. "Ich finde im Moment auch keine andere Antwort als diesen Kommunal- Soli. Für eine ganz neue Finanzierung der Kommunen bräuchte es alle Bundesländer und den Bund. Das bekommen wir hier alleine in NRW nicht hin."
    Auf der einen Seite die Interessen der Wählerinnen und Wähler vor Ort und auf der anderen Seite das Wohlergehen des Landes - Geyer hält es für nötig, beides im Blick zu halten. "Da kommt wohl der Betriebsrat wieder raus, der auch vermitteln muss", sagt er. Wichtig sei, den Leuten die Sachen transparent zu erklären. "Natürlich mag jeder gerne einfache Antworten. Bei komplexen Dingen funktioniert das aber nicht immer. Da müssen wir Politiker, aber auch die Bürger selbst, sich manchmal etwas mehr Zeit nehmen."
    Zeit genommen hat sich der zweifache Familienvater auch, um sich in die Themen im Landtag einzuarbeiten. Als Mitglied im Ausschuss für Schule und Weiterbildung, dem Innenausschuss sowie dem Ausschuss für Europa und Eine Welt muss Geyer eine Bandbreite von Fachgebieten abdecken. Seinen Schwerpunkt sieht er selbst im Bereich Inneres. Geht es um Europa, zeigt sich trotz all der momentanen Schwierigkeiten die feste europäische Überzeugung. "Europa ist nach wie vor die Zukunft. Ich fände eine Arbeit im Europäischen Parlament wesentlicher spannender als im Bundestag. Auf lange Sicht wird dort die Musik spielen", ist sich Geyer sicher. Ambitionen zu wechseln hegt er aber nicht. Bei der Landtagswahl im kommenden Jahr möchte der SPD-Mann seinen Wahlkreis wieder gewinnen. Eine Prognose, wie es dann politisch in NRW weitergeht, wagt er nicht. "Die Politik ist so schnelllebig geworden. Alles ist möglich."
    Christian Wolf

    ID: LI160719

  • Porträt: Simone Brand (PIRATEN).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 12.07.2016

    Das ganze Leben ist ein Spiel. Dieser Spruch gilt für Simone Brand, Landtagsabgeordnete der PIRATEN, in besonderer Weise. Die 48 Jahre alte Frau ist Kind des Ruhrgebiets und immer wieder trafen in ihrem Leben Verantwortung, Zufall und ein Spiel nach festen Regeln aufeinander. In Bochum machte sie in der früheren Still Otto GmbH eine Lehre als Kauffrau. In der Firma war auch damals ihr Vater als Diplom-Ingenieur tätig. Aber das sei nicht der entscheidende Grund gewesen, nach dem Abitur (Notenschnitt 1,3) zunächst bodenständig eine Lehre zu absolvieren. "Die Idee war, erst mal Grundlagen für ein späteres BWL-Studium zu legen", erinnert sich Brand. Nach der Lehre nahm sie dieses Studium auch auf, entdeckte aber bald ihre Liebe zur Psychologie. "Man studiert ja fürs Leben, deshalb habe ich dann zur Psychologie gewechselt."

    Service-Center aufgebaut

    Nach dem abgeschlossenen Psychologie-Studium hat Brand einige Zeit im Bereich Qualitätsmanagement/ Training gearbeitet, bis sie 2005 zum Glücksspiel-Anbieter Faber wechselte. Sie baute dort im Jahr 2005 ein Service-Center mit 350 Mitarbeitern auf. "Ich bin dort immer noch leitende Angestellte und wenn es 2017 mit der Wiederwahl in den Landtag nicht klappt, kann ich wieder auf meine Position zurückkehren", sagt Brand. Sie würde den Abschied aus dem NRW-Landtag sehr bedauern. Vorsicht, Politik macht süchtig! Inzwischen hat sie sich gut eingelebt im Düsseldorfer Politik-Betrieb. Gerade kleine Fraktionen wie die PIRATEN müssen in vielen Politikbereichen präsent sein, wenn sie in Ausschüssen mitreden wollen. Die Funktion der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden hat sie kürzlich abgegeben, weil sie zeitlich im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht 2015 als Sprecherin ihrer Fraktion teilweise mehrmals wöchentlich über viele Stunden eingebunden ist. Weitere Schwerpunkte sind Verbraucherschutz, Klimaschutz und Fragen der Integration von Flüchtlingen.
    Im Jahr 2009 hatte Brand ein "Schlüsselerlebnis", das den Weg in die Politik ebnete. "Ich war immer politisch interessiert und früher habe ich GRÜNE gewählt. Aber das ging dann nicht mehr wegen Afghanistan und anderer Sachen." Am Sonntag der Europawahl versuchte sie dann vor der Stimmabgabe ihr Glück am Wahl-O-Mat. Der analysierte, dass die PIRATEN die richtige für sie sei. Die PIRATEN hätten zwar bei der Europawahl nur einen Achtungserfolg von 1,8 Prozent erzielt. Doch das Interesse Brands war nicht mehr zu bremsen. "Drei Wochen später war ich dann beim ersten PIRATEN-Stammtisch in Dortmund. Kurz darauf gründete ich einen eigenen in Bochum." Bei der Landtagswahl 2010 habe sie auf Platz 4 der NRW-Landesliste ihren Hut für die PIRATEN in den Ring geworfen, aber damals reichte der Einsatz noch nicht für den Erfolg. Der Sprung in den Landtag misslang den PIRATEN und das Interesse an der Partei schwand. Fast niemand sei mehr zu den Stammtischen gekommen. Dennoch habe sie in Bochum einen Kreisverband gegründet. Richtigen Schub habe die PIRATEN-Bewegung nach Erfolgen bei der Berlin-Wahl 2011 bekommen. Auch in NRW hätten sich Medien wieder für die Piraten interessiert. "Das war unglaublich. Die WAZ hatte uns eine ganze Seite gewidmet."
    Als es schließlich 2012 in NRW zu Neuwahlen kam, hätten sich mehr als 150 Bewerber auf die Landesliste der PIRATEN gedrängt. Sie sei auf Platz 5 angetreten, 20 PIRATEN waren dann 2012 in den Landtag eingezogen. Die Landtagsverwaltung habe die Neulinge außerordentlich hilfsbereit unterstützt, erinnert sich Brand. Andere Fraktionen hätten die PIRATEN überwiegend kollegial behandelt. Bemerkenswert sei jedoch, dass gelegentlich Gesetzentwürfe der PIRATEN zunächst abgelehnt und dann von den Regierungsfraktionen leicht verändert selbst eingebracht worden seien, beispielsweise beim Thema "Erneuerbare Energie für Regierungsgebäude".
    Die begeisterte Pferdesportlerin Brand liebt einwöchige Trails im Sattel in Andalusien oder Tunesien. Im nächsten Jahr im Oktober hat sie jedoch definitiv andere Pläne: Nach genau zehn Jahren wird sie ihren Lebenspartner heiraten. Ob sie dann noch Landtagsabgeordnete sein wird, ist offen. Fest steht aber der Ort der Hochzeit: Las Vegas, die Weltstadt der Spieler.
    Heinz Tutt

    ID: LI160619

  • Porträt: Claudia Middendorf (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 14.06.2016

    Das gewinnende Lachen ist typisch: Claudia Middendorf verkörpert eine lebensbejahende Einstellung. Die 47-jährige Dortmunderin ist zupackend - und den Menschen zugewandt. "Ich bin die Kümmerin für meine Stadt", sieht sich die CDU-Landtagsabgeordnete als "Kind des Ruhrgebiets" in der Selbstverpflichtung, ganz nah bei den Menschen zu sein. "Ruhris haben eine feine Antenne und ein gutes Gespür", berichtet die Christdemokratin über ihre Erfahrungen und Eindrücke, die sie bei ihren regelmäßigen Begegnungen mit den "Pott"-Bürgern gesammelt hat. "Es muss ehrlich gemeint sein, sonst merken es die Menschen", setzt sie auf Aufrichtigkeit und Nähe. Diesen Anspruch praktiziert sie seit 2012 und pflegt deshalb ihr Veranstaltungsformat "Politik vor Ort", etwa bei regelmäßigen Besuchen auf Marktplätzen. Ihr größtes politisches Anliegen verwirklicht sie im Parlament als Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion im Petitionsausschuss. "Da ist man wirklich bei den Menschen", ist sie froh, ganz persönliche Probleme von Hilfesuchenden aufgreifen und - zumindest häufig - lösen zu können.
    Wie ist es zu erklären, dass eine junge Frau, die in der "Herzkammer der Sozialdemokratie" groß geworden ist, ihre politische Heimat bei den Konservativen gefunden hat? Ihr Vater hatte eine Schlüsselfunktion: Vier Jahrzehnte war er kommunalpolitisch aktiv. Das prägte, zumal ihre Mutter starb, als sie gerade erst elf Jahre zählte und häufig ihren Vater begleitete. Ihr sei der Auftrag, etwas für die Menschen unternehmen zu müssen, sozusagen in die Wiege gelegt worden. Folgerichtig startete sie ihren Weg in die Politik 1995 als sachkundige Bürgerin im Kinder- und Jugendausschuss des Dortmunder Rats. Zehn Jahre zuvor hatte sie bereits als Jugendleiterin bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) Erfahrungen sammeln können, wie die Interessen ihrer Klientel vertreten werden.
    Das Interesse an Jugendthemen ergab sich auch aus der beruflichen Tätigkeit: Nach der Ausbildung als Erzieherin bildete sich Claudia Middendorf weiter und schaffe vor inzwischen 21 Jahren den Abschluss als Diplom-Sozialpädagogin. "Man muss sich stark machen für Kinder und Jugendliche - besonders in Dortmund", kennt die Christdemokratin die Herausforderungen in ihrer Heimatstadt, die stark vom Strukturwandel geprägt war - und bleibt.
    Ihr vom christlichen Menschenbild beeinflusstes Grundverständnis ("Der Mensch steht im Mittelpunkt meiner Arbeit.") führte sie folgerichtig in die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA). "Absolut faszinierend" findet die 47-Jährige die Tätigkeit von Ex-CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann, der für sie ein politisches Vorbild ist. Den größten Einfluss hat indes ihr Vater ausgeübt. Sein Wohl war ihr Verpflichtung, denn zwölf Jahre lang hat sie ihn zu Hause gepflegt, ihm einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit gewidmet. Um der besonderen Verantwortung gerecht zu werden, hat sie - im Einvernehmen mit ihrem Mann - sogar den eigenen Kinderwunsch unerfüllt gelassen. Halbe Sachen sind keine Sache für die Westfälin, die sich als Vertreterin des Dortmunder Stadtteils Hörde sieht. Einst Stahlstandort, jetzt mit dem Phönix-See ein Synonym für die Veränderung zugunsten von Dienstleistungen und Freizeit - das hat die die Christdemokratin vor der Haustür gelehrt, was Veränderung bedeutet. Trotz der beinahe historischen Überlegenheit des politischen Mitbewerbers SPD hat Claudia Middendorf die Hoffnung auf einen Sieg nie aufgegeben: "Träume und Wünsche darf man doch haben", verweist sie darauf, dass die letzte Wahl für das Dortmunder Oberbürgermeisteramt denkbar knapp ausgegangen ist. Da ihr Gegenkandidat, Ex-NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD), nicht erneut antritt, könnten ihre Chancen besser sein.
    Glück hatte die Christdemokratin, als sie 2009 für den Abgeordneten Rudolf Henke in den Landtag nachrückte und zehn Monate lang erfahren hat, was Regierungsverantwortung bedeutet. Auf Platz 18 der CDU-Reserveliste abgesichert, zog sie 2012 erneut ins Landesparlament ein. Die erste Hürde für die Fortsetzung des Mandates hat die Hörderin bereits genommen: Bei nur einer Gegenstimme wurde sie zur CDU- Kandidatin in ihrem Wahlkreis nominiert. "Der Kreisverband trägt mich absolut positiv mit", freut sie sich über - den nicht immer selbstverständlichen - Rückhalt in der eigenen Partei. Beinahe wäre sie dort nie gelandet, denn als junge Frau habe sie - vor dem Hintergrund des geliebten sozialen Engagements - sogar überlegt, Nonne zu werden.
    Robert Vornholt

    ID: LI160519

  • Porträt: Marcel Hafke (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 18.05.2016

    Eine Mischung aus Verärgerung, Widerstand und Faszination haben Marcel Hafkes Interesse für die Politik geweckt. Vor 16 Jahren hatte der FDP-Landtagsabgeordnete gerade seinen Führerschein geschaff, als Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit der Einführung der Ökosteuer das Autofahren verteuerte. Keine finanzielle Kleinigkeit für den damals 18-jährigen Schüler. Das weckte Widerspruch, sorgte für Engagement. Konsequenz: Er informierte sich in seiner Heimatstadt Wuppertal über die politischen Angebote der Jungen Union, Grünen Jugend und der Jungen Liberalen (Julis). Ergebnis: Er entschied sich für den Nachwuchs der freien Demokraten, weil er dort auf eine "total nette Runde" traf, ihn menschliche und inhaltliche Gründe überzeugten.
    Nicht ungewöhnlich für eine kleine Partei, dass er schnell einen Posten übernehmen sollte. Folge: Von 2004 bis 2010 war er Juli-Landesvorsitzender, zog vor sechs Jahren über die Reserveliste ins Landesparlament ein. Hafke hat gelernt, mit Klischees, Vorurteilen und Unterstellungen umzugehen. Als FDP-Jungpolitiker ist er daran gewöhnt, in eine politische Schublade gesteckt zu werden. Als Versicherungskaufmann mit Abschluss Diplom-Kaufmann (FH) bedient er vermeintliche Vorstellungen über gewiefte Geschäftsleute. Als Golfspieler fühlt er sich mit einem "Stempel" versehen, der sogar Neid und Missgunst wecke, befindet Hafke. "Ich habe gelernt, mit Vorurteilen zu leben", hält er es mit dem Wahlspruch von Otto Graf Lambsdorff, dass Liberalismus "nichts für Leute mit schwachen Nerven" sei. FDP-Mitglieder seien eben nicht immer beliebt: "Da gewinnt man nicht nur Freunde", wertet er Vorbehalte eher als Aufforderung, noch stärker für seine Ideen zu streiten und zu werben, somit echte Überzeugungsarbeit zu leisten.
    Dabei verlief beim inzwischen 34-Jährigen vieles abseits der üblichen Schablonen: "Ich wollte etwas mit Menschen machen und unterwegs sein", erläutert er seinen Einstieg in die Versicherungsbranche. 2008 übernahm er die Agentur seines Vaters, die er - mit Unterstützung seiner Mutter - weiter führt, weil die Selbstständigkeit ihm "Unabhängigkeit und Freiheit" gewähre. Im Landtag seien zu wenige Unternehmer vertreten, was auch auf die Verschärfung der Offenlegung der Einkünfte zurückzuführen sei. Die FDP müsse neben dem wirtschaftlichen Profil stärker auf gesamtgesellschaftliche Themen setzen. Nicht nur Führungskräfte in der Wirtschaft, sondern auch deren Mitarbeiter müssten im Blick behalten werden. "Das ist der FDP phasenweise verloren gegangen."
    Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei der Schlüssel zum Erfolg, befindet der familienpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion - und plädiert für eine Stärkung der sozialen Themen. Liberal und sozial - das passt für ihn gut zusammen. "Neid-Diskussionen sind extrem schwer auszuhalten", kritisiert Hafke, dass Schein gelegentlich mehr als Sein betrachtet werde. Unter diesem Aspekt schätzt er, dass soziale Medien inzwischen eine Vertriebsform für politische Inhalte seien - ohne dabei die Wirklichkeit auszublenden. Über das Internet könne der "direkte Draht zu Bürgern" hergestellt werden, so dass Politiker Rückmeldungen intensiver nutzen könnten. Wenn er die Chance bekomme, wieder in den nächsten Landtag einzuziehen, wolle er "mehr Verantwortung übernehmen", etwa durch die Mitarbeit im Fraktionsvorstand. Durch den absehbaren Wechsel von "FDP-Superstar" Christian Lindner nach Berlin komme Bewegung ins Personalkarussell, will der 34-Jährige seine mögliche Chance nutzen. Es sei kein Nachteil, als Familienpolitiker noch unverheiratet und kinderlos zu sein, denn letztlich sei entscheidend, "zuhören" zu können, sich die Anliegen von Bürgern zu eigen zu machen.
    Gleichwohl hat Hafke auch im Privatleben klare Zukunftspläne: Noch in diesem Jahr will er seine Freundin heiraten und hofft dann auf Nachwuchs. Dass seine Frau in spe sich bewusst für den Hauptschullehrerin-Beruf entschieden hat, passt ins Bild des Liberalen mit den vielen Facetten. Es gehe um Startchancen fürs Leben, das dann in Eigenregie gestaltet werden müsse. Das füge sich in eine veränderte Wertehaltung jüngerer Menschen: Kinder und Familie sind wieder stärker gefragt, befindet Hafke. "Darauf muss die Gesellschaft reagieren." Fasziniert ist der Liberale von Menschen, deren bloßes Auftreten bereits einen ganzen Raum ausfüllt. Wie der jüngst gestorbene Hans-Dietrich Genscher, der den Wuppertaler Westen von 1965 bis 1998 im Bundestag vertreten hat. Gemessen an der FDP-Ikone, hat Hafke noch viel Zeit, seinen eigenen Weg zu gehen. 
    Robert Vornholt

    ID: LI160419

  • Porträt: Regina Kopp-Herr (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 26.04.2016

    Das politische Engagement hat Regina Kopp-Herr von ihren Eltern übernommen. Aber erst als sie, "der Liebe wegen", von ihrer Geburtsstadt Oberhausen nach Bielefeld umgezogen war und die drei ältesten Kinder zur Schule gingen, fand sie 1992 den Weg in eine politische Partei. "Ich habe damals die Programme der SPD und der GRÜNEN genau gelesen und bei den Sozialdemokraten fand ich mich am besten aufgehoben." Bis zur aktiven Teilnahme an der Bielefelder Kommunalpolitik dauerte es dann aber noch einmal sechs Jahre. Im Jahr des Parteieintritts hatte sich die jüngste Tochter angemeldet und beanspruchte zunächst die volle Aufmerksamkeit ihrer Mutter.
    Ab 1998 besuchte die gelernte Medizinisch-technische Assistentin regelmäßig die Veranstaltungen ihres Ortsvereins im Bielefelder Südwesten. Als sie sich nach einigen Jahren ernsthaft mit dem Gedanken trug, für die Bezirksvertretung in Brackwede, dem größten der Bielefelder Bezirke, zu kandidieren, wurde sie praktisch über Nacht mit dem Angebot überrascht, doch für den Stadtrat anzutreten. Der bisherige Kandidat hatte kurzfristig die Brocken hingeworfen, die örtliche SPD war in Verlegenheit, und Regina Kopp-Herr kam als Retterin in der Not. Die Kommunalwahlen 2004 endeten für sie mit einem halben Erfolg: In Brackwede wurde sie in die Bezirksvertretung gewählt, seit 2009 ist sie Bezirksbürgermeisterin, die Wahl in den Rat gelang erst fünf Jahre später.
    Offenbar hat ihre kommunalpolitische Arbeit die örtliche Parteispitze überzeugt, denn schon bald kamen erste vorsichtige Fühlungnahmen, ob sie sich vorstellen könne, 2010 für den Landtag zu kandidieren. Regina Kopp-Herr konnte, wurde aufgestellt und gewann zur allgemeinen Überraschung ihren Wahlkreis direkt.
    Den Schritt in die Landespolitik und die damit verbundene anstrengende Pendelei zwischen Bielefeld und Düsseldorf hat die heute 57-jährige Politikerin nie bereut, im Gegenteil: "Ich empfinde es als großes Privileg, als Abgeordnete arbeiten zu dürfen, immer wieder mit neuen spannenden Problemen konfrontiert zu werden und immer wieder interessante Menschen kennenzulernen."
    Besonders wichtig ist Landespolitik in ihren Augen durch den engen Bezug zur Kommunalpolitik und damit zu den Menschen, die in den Kommunen leben. Eine Wählerin habe ihr mal gesagt, Landes- und Kommunalpolitiker müssten sich immer bemühen, ihr Handeln zu erklären, erzählt sie. "Wir sind nahe bei den Menschen und unsere Aufgaben umfassen eine unglaubliche Bandbreite, von der In-Vitro-Befruchtung bis zur Beamtenbesoldung."
    Sorgen bereiten Kopp-Herr wie nahezu allen Politikern die großen Erfolge, die die neue Partei AfD bei den jüngsten Landtagswahlen erzielt hat. Über die Ursachen ist sie ein Stück ratlos, denn "viele Wähler können sich gar nicht mit dem Programm auseinandergesetzt haben, da lag ja noch nicht mal der Entwurf vor". Zum Teil erklärt sie sich das Abschneiden der AfD mit einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis in weiten Teilen der Bevölkerung. "Viele Menschen fremdeln mit der Zeit, in der sie leben. Sie haben kein Verständnis für diejenigen, die anders aussehen, sich anders kleiden." Gleichzeitig fürchtet sie aber auch, dass die Soziologen der Uni Bielefeld Recht haben mit ihrem Untersuchungsergebnis, dass rechtes Gedankengut selbst in der Mitte der Gesellschaft fest verankert ist. Allein wenn sie sich die Vorstellungen der AfD zu Fragen wie Emanzipation und Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft anschaue, könne sie nur kopfschüttelnd feststellen, dass dort ein Frauenbild wie vor über hundert Jahren herrsche.
    Ist Regina Kopp-Herr nicht in Landtag, Bezirksvertretung oder Partei beschäftigt, hat keine Sitzungen des Beirats der Justizvollzugsanstalt in Brackwede und kein Treffen von Pro Familia, wo sie dem Vorstand angehört, versucht sie, ein bisschen Zeit für ihre Hobbys aufzubringen. Sie näht gerne, egal, ob Kleidungsstücke, Taschen oder Patchwork- Decken, sie singt nach Möglichkeit in einem Chor mit, und den Sommerurlaub verbringt sie am liebsten auf dem Fahrrad. Und wenn es die Zeit und die finanziellen Mittel erlauben, will sie sich noch einen großen Traum erfüllen: die Ostküste der USA entlang reisen, von Maine hoch im Norden bis nach Florida im Süden.
    Peter Jansen

    ID: LI160319

  • Porträt: Mario Krüger (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 22.03.2016

    Sich selbst bezeichnet Mario Krüger als "grünes Urgestein". Noch in der Gründungsphase trat er 1982 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei und half zunächst in Mettmann und dann in Dortmund, aus der lockeren Bewegung eine Partei zu formen. "Politisch interessiert war ich schon immer. Das grüne Projekt fand ich dann einfach spannend und wollte so schnell wie möglich dabei sein", erinnert sich Krüger. Themen wie die Nachrüstung und die Anti-Atom-Bewegung sowie die Mitarbeit bei Amnesty International hätten ihn politisch geprägt. Seit 2012 sitzt Krüger nun im nordrhein-westfälischen Landtag.
    Als Berufspolitiker sieht sich der Familienvater aber nicht. "Ich bin finanziell unabhängig und könnte jederzeit in mein Berufsleben zurück. Das ist mir sehr wichtig", sagt er. Durch diese Freiheit entstehe eine gewisse Gelassenheit, die manch einem Karrierepolitiker fehle. Bevor er bei der vorgezogenen Neuwahl im Mai 2012 über die Landesliste der GRÜNEN in den Landtag einzog, war Krüger als Krankenhausplaner tätig. Nach seinem Realschulabschluss 1973 in Dortmund absolvierte er vier Jahre lang eine Ausbildung zum Technischen Zeichner und machte dann die Fachhochschulreife. Es folgte ein Studium der Versorgungs- und Umwelttechnik an der Fachhochschule Köln, das er 1982 als Diplom-Ingenieur beendete, und danach verschiedene Tätigkeiten bei Firmen und Unternehmen. Doch was genau macht so ein Krankenhausplaner überhaupt? "Es geht um die komplette technische Ausstattung eines Krankenhauses: Energieversorgung, Wasseraufbereitung, Gasherstellung, Brandschutz, Klima- und Lufttechnik. Etwa die Hälfte der Gesamtbaukosten fließen in den technischen Bereich", erzählt Krüger.
    Der Job, zuletzt als Abteilungs- und Niederlassungsleiter in einem Ingenieurbüro in Dortmund, war allerdings nur ein Teil im Leben vor dem Landtag. Einen nicht unwesentlichen Teil verbrachte Krüger als Kommunalpolitiker. Seit 1984 bekleidete er verschiedene politische Ämter. Sei es als Fraktionssprecher in der Bezirksvertretung Lütgendortmund (1984 bis 1989), als Einzelkämpfer in der Bezirksvertretung Huckarde (1989 bis 1994), als Mitglied (1994 bis 2012) und Fraktionssprecher (2001 bis 2012) im Rat der Stadt Dortmund oder als Fraktionssprecher im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (2004 bis 2012). Denkt Krüger an diese Zeit zurück, erinnert er sich vor allem an die viele Arbeit durch die Doppelbelastung von Job und Politik. "Manchmal fühlte man sich wie ein Hamster im Laufrad", sagt er. Nach der Arbeit ging es an den heimischen Schreibtisch oder zu Sitzungen. Und auch am Wochenende musste die Familie oftmals auf ihn verzichten. 90 Stunden pro Woche oder noch mehr seien für all das draufgegangen. Mit dem Einzug in den Landtag habe sich dies aber geändert. Durch den professionellen Apparat im Hintergrund könne er sich auf seine Themen konzentrieren und werde entlastet.
    Seine Themen, das sind die Finanzen und das Kommunale. Anfangs wollte sich Krüger im Landtag eigentlich der Verkehrspolitik widmen. Doch Bedarf gab es an anderer Stelle, und er wurde Sprecher im Ausschuss für Haushaltskontrolle sowie im Ausschuss für Kommunalpolitik. "Zwei interessante Bereiche", sagt Krüger mittlerweile. So agiere er als Bindeglied zwischen der Landes- und der Kommunalebene und sei für viele Parteikollegen vor Ort der Ansprechpartner, wenn es darum gehe, die Auswirkungen von Landtagsbeschlüssen auf die Städte und Gemeinden zu besprechen. Und als bekennender Zahlenmensch, der sich gerne durch Aktenberge arbeitet, scheint der Haushaltsbereich wie für ihn gemacht.
    Besonders wichtig war Krüger die Mitarbeit in der interfraktionellen Ehrenamtskommission, die Strategien entwickelt hat, um das kommunale Ehrenamt auch angesichts des gestiegenen Aufgaben- und Zeitaufwands attraktiv zu halten und zu stärken. "Das kommunale Ehrenamt ist eine wichtige, unverzichtbare Säule der Demokratie. Die Entscheidungen, die vor Ort getroffen werden, betreffen die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar." Das galt auch für die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs und die enge Begleitung des Stärkungspakts Stadtfinanzen. "Wir brauchen wieder handlungsfähigen Kommunen", so Krüger, der seine Wurzeln nicht vergessen hat.
    Christian Wolf

    ID: LI160221

  • Porträt: Josef Wirtz (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 02.02.2016

    Bodenständig, ergebnisorientiert und unaufgeregt - diese Eigenschaften beschreiben das Wirken von Josef Wirtz. Der 65-jährige Landwirtschaftsmeister und CDU-Landtagsabgeordnete ist kein Lautsprecher, sondern ein Politiker mit Beharrlichkeit und klarem Kompass. In bäuerlicher Tradition stehend, hat der 1950 in Inden-Schophoven geborene Christdemokrat den rasanten Strukturwandel in der Landwirtschaft und die gravierenden Veränderungen durch den Braunkohletagebau miterlebt - und daraus seine Konsequenzen gezogen.
    "Einfach war es nicht", kommentiert Wirtz seine Entscheidung, den aktiven Betrieb des vom Großvater vor 116 Jahren aufgebauten Hofes 2013 einstellen zu müssen. Die berufliche Neuorientierung hatte er zuvor bereits eingeleitet, als er 1990 die intensive Milchviehhaltung aufgab, sich anschließend mit Beschäftigungen in der Jülicher Zuckerfabrik und danach in einem Maschinenring ein zweites Standbein aufbaute. Seine beiden Kinder hatten die Neuausrichtung mitgeprägt, denn sie wollten die Hofnachfolge nicht antreten.
    "Ich war immer entscheidungsfreudig und habe nicht lange gefackelt", befindet der Rheinländer, der westfälische Tugenden wie Verlässlichkeit und Vertrauen für selbstverständlich erachtet. "Wenn ich mein Wort gegeben habe, dann war das so", wählt Wirtz das Beispiel des mündlich verhandelten Kaufs eines Schleppers, der wie selbstverständlich per Handschlag besiegelt wurde. "Deutschland und sein Papier", seufzt der Ex-Landwirt und lässt keine Zweifel aufkommen, dass ihm Bürokratie und Bevormundung ein Gräuel sind. "Ich habe etwas gegen Reglementierungen", kritisiert er als Mitglied des Landtagsausschusses für Natur und Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, dass beispielsweise immer mehr Vorgaben für die Bewirtschaftung der Böden gemacht werden Überdüngung führe zu Ertragsverlusten, setzt er auf die Natur als Regulator. Zu viel Stickstoff fürs Getreide führe zu geringeren Ernten, glaubt der Praktiker an pragmatische Lösungen. "Ich setze auf Kooperationen mit den Wasserverbänden", befindet er zum Dauerbrenner-Thema Wasserbelastung durch zu hohe Nährstoffkonzentrationen.# Mehrere Jahrzehnte hat Wirtz in der Kommunalpolitik mitgemischt und konnte mit Sachargumenten mitgestalten. "Das geht hier nicht so gut", bedauert der Christdemokrat, der 2005 und 2010 direkt in den Landtag gewählt wurde, weniger Einflussmöglichkeiten. "Das war hart", kommentiert er die Entscheidung der Wähler, die ihm 2012 - bei der landesweit herben Niederlage für die CDU - das Direktmandat knapp verweigerten. "Ich neige dazu aufzuhören", beschreibt der 65-Jährige die aktuelle Entscheidungsfindungsphase, ob er nochmals für den Einzug ins Parlament kandidieren will. Anfang März will er die Frage geklärt wissen, aber die Tendenz ist bereits eindeutig. Damit bliebe er seiner Linie, stets für klare Verhältnisse sorgen zu wollen, treu.
    Das gilt auch für seinen Politikstil: "Ich führe lieber persönliche Gespräche", setzt er ein Gegengewicht zur Kommunikation über soziale Netzwerke im Internet. "Da wäre ich nicht authentisch", ist er lieber im Wahlkreis immer zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Wichtig ist ihm, unabhängig handeln zu können. Das gilt besonders für sein Engagement im Unterausschuss Bergbausicherheit, in dem er sich besonders für die Streitschlichtung in Schadensfällen einsetzt.

    Werbung für Demokratie

    Ein Erlebnis hat den Landwirt besonders beeindruckt: Als Mitglied der Bundesversammlung hat er sich die Aussage von Bundespräsident Joachim Gauck, der seine Wahl als Verpflichtung zur Werbung für die Demokratie wertete, zu Herzen genommen. Es sei Aufgabe jedes Abgeordneten, sich immer für die Demokratie einzusetzen und vor allem junge Menschen dafür zu begeistern, sieht er sich in einer freiwilligen Pflicht.
    Der Familienmensch Wirtz, der inzwischen in Jülich lebt, ist in seiner Freizeit Fußballfan und häufiger Gast bei Spielen in der Mittelrheinliga. "Meine heimliche Liebe ist Alemannia Aachen", sagt der 65-Jährige fast ein wenig verschämt, aber dennoch nicht ohne tiefe Verbundenheit. Und was macht der naturverbundene Landwirt, wenn er sich abseits von Berichten, Vorlagen und anderem Papierkram mal so richtig austoben will? "Dann helfe ich meinem Neffen bei der Getreideernte." Und die fällt - zeitlich gerade richtig - in die Sommerpause des Parlaments.
    Robert Vornholt

    ID: LI160119

  • Porträt: Cornelia Ruhkemper (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 22.12.2015

    Dass Cornelia Ruhkemper, die 61-jährige Vizevorsitzende des Landtagsausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, sich in einer Partei engagieren und in der Politik mitmischen würde, das war schon von Geburt an vorbestimmt. Sie kommt aus einem politischen Elternhaus, ihr Vater war Mitglied der damals noch eigenständigen Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, ihre Mutter war in der Kommunalpolitik aktiv und gehörte der Stadtschulpflegschaft in Bottrop an. Schon als Jugendliche ging Cornelia Ruhkemper gelegentlich mit ihren Eltern zu den Versammlungen des SPD-Ortsvereins Bottrop-Stadtmitte. Was damals noch Schnupperkurs genannt wurde, heißt heute Gastmitgliedschaft. Im Alter von 22 Jahren wollte sie dann nicht nur zuhören, sondern auch mitdiskutieren und entscheiden und trat in die Partei ein. Dass es eine Entscheidung für das Leben sein sollte, hatte ihr Vater klargestellt. Aus zwei Organisationen trete man nicht aus, hatte er seiner Tochter mit auf den Weg gegeben, aus der Gewerkschaft und aus der Partei.
    In der SPD machte Ruhkemper Karriere, in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), im Ortsverein und ab 1994 auch im Bottroper Stadtrat. Sie war Sachbearbeiterin beim Kreiswehrersatzamt Düsseldorf, in der von Männern geprägten und eher konservativ angehauchten Welt der Bundeswehr erntete sie manch skeptischen Blick, wenn ihr politisches Engagement bekannt wurde. Nach der Kommunalwahl 1999 wurde sie in Bottrop zur Bürgermeisterin gewählt, in der SPD übernahm sie 2005 die Aufgabe einer stellvertretenden Vorsitzenden des Unterbezirks Bottrop.
    Als der damalige Bottroper SPD-Vertreter im Landtag, Klaus Strehl, nach vier Legislaturperioden nicht wieder antrat, fragte er als erstes Cornelia Ruhkemper, ob sie nicht seine Nachfolge antreten wolle. Nach einer Woche intensiven Nachdenkens stimmte sie zu, wurde von ihrer Partei aufgestellt und gewann ihren Wahlkreis. Beeinflusst wurde ihre Entscheidung für den Wechsel nach Düsseldorf dadurch, dass ihr Lebensgefährte 2005 erfolgreich als Oberbürgermeister in Bottrop kandidierte und nicht beide Partner in der städtischen Politik aktiv sein wollten. Strehl riet ihr, sich im Bereich Umwelt- und Naturschutz im Landtag zu engagieren. Ihre politische Konkurrentin Barbara Wischermann von der CDU, die 2005 auch nicht mehr angetreten war, gab ihr die Empfehlung, in den Petitionsausschuss zu gehen, den die CDU-Politikerin zuletzt geleitet hatte.
    Beiden Ratschlägen ist Ruhkemper gefolgt und hat ihre Entscheidung nicht bereut, wobei sie kein Hehl daraus macht, dass ihr die Arbeit im Petitionsausschuss, dem Kummerkasten des Landtags, oft mehr Freude macht als die im Agrar- und Umweltausschuss, die gelegentlich doch recht trocken sein könne. Und als typischem Kind des Ruhrgebiets sind ihr die Sorgen und Nöte der einfachen Bürger, die im Petitionsausschuss zur Sprache kommen, manchmal auch näher als die Probleme der Landwirte.

    Tochter eines Bergmanns

    Dass Opposition Mist sei, wie ihr ehemaliger Parteivorsitzender Franz Müntefering einmal gesagt hatte, kann Ruhkemper nicht uneingeschränkt bestätigen. Als sie im Sommer 2005 in das Landesparlament einzog, war ihre Partei nach fast 40 Jahren wieder auf die Oppositionsbänke verbannt worden, und in der arg zusammengeschmolzenen Fraktion herrschte großes Wehklagen. Frustrierend sei es schon gewesen, dass nichts von dem, was sorgfältig erarbeitet worden war, im Landtag eine Mehrheit fand, erinnert sie sich, "aber wir haben uns in der Zeit auch inhaltlich gut weiterentwickelt. Es war ein Atemholen für die Zukunft."
    Ein wenig Wehmut befällt die Tochter eines Bergmanns, wenn sie an das Jahr 2018 denkt, in dem das Bergwerk Prosper-Haniel als letztes in der einstigen Zechenstadt Bottrop dicht gemacht wird. Aber ihr ist auch klar, dass der Prozess nicht aufzuhalten ist, dass in wenigen Jahren in Deutschland keine Steinkohle mehr abgebaut wird. Doch sie ist überzeugt, dass der RAG-Konzern, eines der Nachfolgeunternehmen der früheren Ruhrkohle, gut genug aufgestellt ist, um die Herausforderungen zu bewältigen, und dass ihre Heimatstadt den Einschnitt "einigermaßen hinkriegt".
    Peter Janse

    ID: LI150918

  • Persönlich: Ina Scharrenbach (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 10.11.2015

    Wenn es nach Ina Scharrenbach geht, gäbe es den Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation in seiner jetzigen Form nicht. Die 39-Jährige ist zwar stellvertretende Vorsitzende dieses Gremiums. Die dort zu behandelnden Themen hält die CDU-Politikerin aber für so wichtig, dass sie nicht in einem speziellen, sondern in allen Ausschüssen angesprochen werden müssten. "Ich halte es für fatal, dass die Frauenund Gleichstellungspolitik in einen Sonderausschuss ausgegliedert wird", sagt Scharrenbach. "Es müssen sich alle Abgeordneten mit diesen Belangen auseinandersetzen. Es kann nicht sein, dass sich nur Frauen mit Frauenthemen beschäftigen." Bis es so weit ist, arbeitet Scharrenbach aber wie bisher im Ausschuss mit.
    Seit 2012 sitzt die Christdemokratin als Abgeordnete im nordrhein-westfälischen Landtag. Damals zog sie über die Landesliste der CDU ins Parlament ein. Ihr Wahlkreis in der Heimatstadt Kamen ging traditionell an die SPD. Scharrenbach selbst spricht von "einem der rötesten Wahlkreise in Nordrhein-Westfalen". Dennoch entschied sie sich in jungen Jahren für die "Schwarzen". "Die CDU hatte damals unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl sehr stark das Prinzip ‚Leistung muss sich lohnen‘ vertreten. Und da meine Eltern selbstständig sind, passte diese Auffassung zu meinen Grundsätzen sehr gut." Mit 19 Jahren trat Scharrenbach daher 1995 in die Kamener Junge Union ein und fand nur ein Jahr später den Weg zur CDU. Im Jahr 1999 wurde sie dann in den Stadtrat gewählt und ist dort seitdem ununterbrochen Mitglied - mittlerweile auch Vorsitzende der CDU-Fraktion.
    Die Entscheidung, die Politik zum Beruf zu machen, fiel im Frühjahr 2012 mit der vorgezogenen Neuwahl. "Das Interesse, hauptberuflich Politik zu machen, war schon länger da", erinnert sie sich. Da der Wahlkreis neu besetzt werden musste, ergab sich somit eine gute Gelegenheit. Von ihrem bisherigen Job in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist die gelernte Bankkauffrau und Diplom-Betriebswirtin seitdem freigestellt. Auch innerhalb der Partei konnte sie in der Zeit Karriere machen. Seit 2011 ist Scharrenbach stellvertretende Landesvorsitzende der Frauen-Union NRW und Vize-Kreisvorsitzende der CDU im Kreis Unna. Im Jahr darauf wurde sie zur stellvertretenden Landesvorsitzenden der nordrhein-westfälischen CDU gewählt.
    Von ihrer Erfahrung aus der Kommunalpolitik glaubt Scharrenbach, im Landtag so einiges nutzen zu können. "Der Kamener Stadtrat ist wirklich ‚kampferprobt‘. Das ist eine sehr gute Schule für das Parlament hier", sagt sie. Auch das Wissen darum, wie Gesetze, die auf Landesebene beschlossen werden, in den Kommunen umgesetzt werden müssen, sei hilfreich. "Es ist immer gut, wenn man hier nicht mit einem Nullwissen ankommt." Im Vergleich zwischen den beiden Ebenen wünsche sie sich in den Landtagsdebatten aber ab und zu mal "ein bisschen mehr Pep". "Im Stadtrat geht es da schon eher mal zur Sache."

    "Immer im Dienst"

    Grundsätzlich sagt Scharrenbach: "Wir sind in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern auf einem sehr hohen Stand der Gleichstellung angekommen." Dennoch gäbe es noch einiges zu tun. "Ich glaube, wir müssen mal aufrichtiger über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen. Trotz vieler Angebote haben viele Familien da große Schwierigkeiten." So sei es zum Beispiel ein Problem, wenn Kindertagesstätten bereits ab 16 Uhr geschlossen hätten, die Eltern um diese Zeit aber noch nicht im Feierabend seien und ihre Kinder nicht abholen könnten. Auch das Thema Frauen im öffentlichen Dienst und in öffentlichen Gremien müsse noch stärker fokussiert werden. So ist die CDU-Politikerin zum Beispiel für eine Frauenquote in öffentlichen Aufsichtsgremien.
    Abseits der Gleichstellungspolitik beschäftigt sich die Christdemokratin aber auch mit anderen Themen. So sitzt Scharrenbach noch in den Ausschüssen für Familie, Kinder und Jugend sowie für Haushalt und Finanzen. Und als Sprecherin der CDU im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur WestLB hat sie noch eine weitere arbeitsintensive Aufgabe. Möchte sie vom politischen Alltag mal abschalten, geht Scharrenbach gerne wandern oder unternimmt Touren mit dem Fahrrad. Doch selbst in Gesprächen mit Bekannten und Freunden gehe es dann irgendwann doch um das Thema Politik. "Als Abgeordnete ist man eben immer im Dienst."
    Christian Wolf

    ID: LI150824

  • Persönlich: Susanne Schneider (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 06.10.2015

    Susanne Schneider lebt die liberale Idee. Freiheit, Eigenverantwortung und Unabhängigkeit sind für sie ganz wichtige Werte. Als gesundheits- und gleichstellungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion provoziert sie nicht nur ihre politischen Mitbewerber mit unbequemen Positionen. Auch unter Gleichgesinnten bringt sie sich ins Gespräch, denn sie hat zwar Respekt, aber keine Angst vor großen Namen. "Es geht mir um die Sache", erläutert die in Schwerte lebende Mutter von drei Kindern im Alter von 8, 14 und 17 Jahren einen ihrer - für sie selbstverständlichen - Grundsätze.
    "Jedem sein Leben lassen, wie er es sich vorstellt, solange es keinen anderen beeinträchtigt", ist eine der liberalen Positionen, die die 48-Jährige verkörpert. Dass sie dabei deutliche Worte findet, wurde beispielhaft in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation deutlich, als Schneider in der Diskussion über traumatisierte Flüchtlingsfrauen mit kritischen Anmerkungen heftigen Widerspruch auslöste. "Träume und Hirngespinste" seien die begleitenden Angebote für die Zugewanderten, denn deren Versorgung und Sicherheit müsse zunächst gewährleistet werden, argumentierte die Liberale. Und überhaupt: "Was ist mit der Behandlung von Männern?", fragte sie - und erntete bei einigen Parlamentarierinnen Kopfschütteln.
    Die Liberale ist in ihrer politischen Laufbahn einen geraden, bisweilen nicht angenehmen Weg gegangen: Im badischen Bretten geboren, wusste sie schon als vierjähriges Kind, dass sie - nach der Mittleren Reife 1984 - Krankenschwester werden wollte. 1988 schaffte sie das Staatsexamen, absolvierte anschließend eine berufsbegleitende Fortbildung, um als Stationsleiterin in Karlsruhe tätig zu werden. Mit den dabei erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattet, folgte fünf Jahre später die Ausbildung zur Pharmareferentin. "Das ist eine ganz spannende Branche", erläutert sie, denn in einem umkämpften Markt mit verfügbaren Daten über die Verkaufszahlen von Konkurrenzprodukten seien besondere Energie, große Ausdauer und ein gewisses Durchsetzungsvermögen gefordert. "In diesem Beruf habe ich jahrelang ausgesprochen erfolgreich gearbeitet - bis zur Geburt meiner Kinder", schreibt sie unter "Persönliches" auf ihrer Homepage. Zwölf Jahre lang habe sie - inzwischen in Schwerte lebend - "in der Familienphase nicht für Geld gearbeitet" und dabei die Defizite in der Kinderbetreuung und im Bildungswesen kennengelernt. Das war der Anstoß für das politische Engagement: "Machen statt Meckern", war die Devise. "Die SPD war mir zu gleichmacherisch, die CDU zu konservativ - und von der Verbotskultur der Grünen habe ich auch nichts gehalten", schildert sie ihren Prozess zur Klärung ihrer politischen Heimat. 2010 kandidierte sie zeitgleich mit dem Wiedereinstieg in die Pharmareferenten-Tätigkeit erstmals für den Landtag. Als an ihrem Geburtstag am 14. März 2012 der NRW-Landtag aufgelöst wurde, trat sie erneut als Bewerberin um den Parlamentsplatz an und zog in den Landtag ein.

    "Gutes Wahlergebnis abliefern"

    "Rot-Grün hat keine Mehrheit mehr", sieht sie gute Chancen auf einen Machtwechsel in NRW. Auf mögliche Koalitionspartner will sie sich aber nicht festlegen lassen. "Erst müssen wir ein gutes Wahlergebnis abliefern", lautet ihre persönliche Vorgabe. "Es hängt viel von den handelnden Personen ab", bleibt sie - entgegen ihren eigentlichen Gewohnheiten - bewusst unbestimmt. Erfahrungen mit der Situation, als Vertreterin einer kleinen Fraktion mit wenig Abgeordneten viele Aufgaben und Themen bewältigen zu müssen, hat sie genügend gesammelt. Mit dem nötigen Selbstbewusstsein ausgestattet, ist sie inzwischen zur Kreisvorsitzenden in Unna, zur Vize-Vorsitzenden in den Bezirksvorstand Westfalen-Süd sowie in den Landesvorstand aufgerückt. Und die erneute Kandidatur für die Landtagswahl im Mai 2017 hat sie auch schon angekündigt.
    Diese kämpferische wie gleichermaßen disziplinierte, mit Einsatz und Fleiß verbundene Einstellung hat sie bereits von Kindesbeinen an in Baden gelehrt bekommen: Als Kind war sie beim Fußballspielen das einzige Mädchen, denn es gab in der Nachbarschaft nur Jungen. Geblieben ist das Interesse als Fan des VfL Bochum. Auch Boxkämpfe schrecken sie nicht ab, wenn die Freizeit nicht gerade mit Fahrten als "Taxi-Mama" gefüllt ist. Für sie sind als weitere Hobbys Besuche im Theater oder von Konzerten kein Gegensatz, sondern gern genutzte Ergänzung.
    Robert Vornholt

    ID: LI150719

  • Persönlich: Axel Wirtz (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 29.06.2015

    Wenn Axel Wirtz seine Post durcharbeitet, geht es meistens sportlich zu: Da stapeln sich Einladungen zu Fußballspielen, Turnveranstaltungen, Kanuwettbewerben oder Reitevents. In Sachen Sport ist der CDU-Politiker ein bekanntes Gesicht in NRW. Schließlich sitzt Wirtz seit 2005 dem Sportausschuss im Landtag vor und hat die Sportpolitik des vergangenen Jahrzehnts mitgeprägt. Die Nähe zum Sport stammt aus dem privaten Bereich. In seiner Heimatregion Aachen engagierte sich der junge Axel Wirtz in vielen Bereichen und war mehr als 15 Jahre lang Fußballschiedsrichter bis hoch zur Oberliga. "Mit meinen Erfahrungen der Vereins- und Verbandsstruktur war es naheliegend, dass ich in den Sportausschuss gehe", sagt Wirtz.

    Christlich geprägtes Elternhaus

    Sowieso war so einiges naheliegend im bisherigen Leben des 58-Jährigen. Mit 14 Jahren trat er als Schüler in die Junge Union ein und wurde zwei Jahre später CDU-Mitglied. Eine andere Partei sei damals nicht in Betracht gekommen, erinnert sich Wirtz. "Durch mein christlich geprägtes Elternhaus und familiäre Beziehungen zum damaligen CDU-Bürgermeister in meiner Heimatgemeinde Gressenich kam gar nichts anderes als die CDU infrage." Der Wunsch, konkrete Dinge im eigenen Umfeld durchzusetzen, habe ihn in die Politik geführt. Nur zwei Jahre nach dem Parteieintritt wurde Wirtz Mitglied im CDU-Stadtverbandsvorstand Stolberg sowie im Kreis- und Stadtverbandsvorstand der Jungen Union. Es folgten zehn Jahre als Vorsitzender der Stolberger CDU (1989 bis 1999) und 30 Jahre im Rat der Stadt Stolberg (1984 bis 2014). Vorsitzender des Kreisverbandes Aachener Land ist Wirtz seit 1999. Zu diesem Zeitpunkt saß er schon fünf Jahre lang im Kreistag des damaligen Kreises Aachen, dem heutigen Städteregionstag Aachen. Zu all diesen Ämtern sagt Wirtz selbst: "Da bin ich im Laufe der Jahre so hineingewachsen."
    Noch ist die Politik für Wirtz in diesen Jahren ein Hobby - wenn auch eines, das sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. "Ich war irgendwann nur noch halbtags im Büro und habe die andere Hälfte Politik gemacht", erinnert er sich. Als Sachbearbeiter im Schul-, Kultur- und Sportamt der Stadt Stolberg hatte Wirtz seine berufliche Karriere begonnen und wechselte 1981 als Dipl.-Verwaltungswirt an die RWTH Aachen. Doch dann war eine Entscheidung nötig. "Wenn man so viel Kommunalpolitik macht, steht man irgendwann an einer Schwelle: Entweder wird das Engagement zurückgefahren oder die hauptberufliche Schiene eingeschlagen." Wirtz entschied sich für Letzteres. 1995 klappte es noch nicht mit einem Landtagsmandat. Doch dann, im Jahr 1999, gelang es. Die Kommunalwahl endete für die CDU mit der Übernahme zahlreicher Rathäuser, sodass Landtagsmandate nachbesetzt werden mussten. Einer der Nachrücker war Wirtz.
    Blickt der dreifache Familienvater auf seine bislang 16 Jahre im Landtag zurück, hebt er vor allem die schwarz-gelbe Regierungszeit zwischen 2005 und 2010 hervor. "Die Zeit, in der wir die Mehrheit besaßen, hat schon Spaß gemacht. Da konnte das ein oder andere Vorhaben viel konkreter umgesetzt werden", sagt er. Die Landespolitik habe sich aber auch so verändert in den vergangenen Jahren. Die Parteipolitik stehe viel mehr im Vordergrund, manche Auseinandersetzungen würden herbeigeredet. "Ich empfinde es so, dass es die letzten Jahre härter geworden ist", meint Wirtz. Dennoch gehe er jeden Tag mit Spaß an die Arbeit.
    Wohl auch, weil sein Ausschuss ein etwas anderes Miteinander pflegt. "Wir sagen immer, die Sportfraktion ist die sechste Fraktion im Parlament, weil die Sportler alle zusammenhalten." Der Sportausschuss sei eher ein Gremium, in dem die parteipolitische Auseinandersetzung größtenteils eine untergeordnete Rolle spiele. Für ihn eines der wichtigsten Themen sei der Schulsport. Die Schnittstelle zwischen Vereinen und Schule müsse besser werden, auch angesichts von immer mehr Ganztagsangeboten.
    Auch weil die familiäre Unterstützung für die zeitraubende politische Tätigkeit weiterhin da ist, sieht Wirtz das Ende seiner parlamentarischen Laufbahn mit Blick auf die Wahl in zwei Jahren noch nicht gekommen. "Wenn ich von den Leuten verlange, dass sie bis 67 arbeiten, dann kann ich das nicht anders machen."
    Christian Wolf

    ID: LI150519

  • Persönlich: Georg Fortmeier (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 28.05.2015

    Georg Fortmeier, SPD-Landtagsabgeordneter aus Bielefeld und Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, ist Ostwestfale nicht nur von Geburt, sondern auch aus Überzeugung. Geboren und aufgewachsen ist er in Schloss Neuhaus bei Paderborn, studiert hat er an der damals noch ganz jungen Uni in Bielefeld, und seit Jahrzehnten lebt er in Dornberg, einem Vorort der ostwestfälischen Metropole. Der im Juni 60 Jahre alt werdende Jurist verkörpert geradezu die Eigenschaften, die er selbst seinen Landsleuten zuschreibt. Eher zurückhaltend seien die Ostwestfalen, dabei gingen sie dann sehr sorgfältig an die Probleme ran. Erfolge würden nicht gleich an die große Glocke gehängt. Dies, und diesen kleinen Seitenhieb mag er sich nicht verkneifen, unterscheide sie von den Rheinländern.

    Kommunalpolitisch engagiert

    Politisch interessiert war Fortmeier schon, als er noch im eher konservativ-katholisch geprägten Elternhaus im Hochstift Paderborn lebte. Nach dem Tode seiner ersten Frau startete er neu, schrieb sich in Bielefeld bei den Juristen ein, und als 1982 CDU, CSU und FDP den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum stürzten, wurde aus der Sympathie für die SPD konkretes Engagement und Mitgliedschaft. Spät habe er in der Partei angefangen, dann aber auch richtig, sagt Fortmeier von sich. Nach drei Jahren war er bereits Vorsitzender seines heimatlichen Ortsvereins, dann wurde er in die Bezirksvertretung gewählt. 1999 ging er in den Rat der Stadt, zehn Jahre später übernahm er hier den Fraktionsvorsitz, den er auch heute noch innehat. Ab 1990 leitete er das Wahlkreisbüro der damaligen Bielefelder SPD-Bundestagsabgeordneten, erst Günter Rixe, dann Rainer Wendt, bis er 2010 selbst erfolgreich für den Landtag im Wahlkreis Bielefeld/Gütersloh kandidierte. Die kommunalpolitische Arbeit ist, das hat er seitdem festgestellt, deutlich zeitaufwendiger als die Tätigkeit in Düsseldorf. Weil die Kommunen in hohem Maße vom Land abhängig sind, die meisten Gesetze des Landes vor allem in und von den Kommunen umgesetzt werden, hält er das gleichzeitige Engagement in Landes- und Kommunalparlament trotz der hohen zeitlichen Belastung für ausgesprochen sinnvoll. Als Vorsitzender eines großen Ausschusses, in dem die Interessen der Düsseldorfer Regierungsparteien SPD und Grüne nicht immer von vornherein deckungsgleich sind, sieht sich Fortmeier nicht in der vordersten Konfliktlinie. Er versucht, den Diskussionsprozess in dem Gremium zu moderieren. Bei aller Neutralität, zu der ihn der Vorsitz verpflichtet, achtet er als Sozialdemokrat darauf, dass Versuche der Opposition, einen Keil zwischen die Koalitionspartner zu treiben, nicht von Erfolg gekrönt werden. Dass das nicht immer einfach ist, kann man an der Diskussion über die Verteuerung von Stromerzeugung aus Braunkohle sehen, die SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel angestoßen hat. Fortmeier macht aus seinen Bedenken kein Hehl. NRW sei Industrieland und wolle das bleiben. Damit ist es auf eine zuverlässige Energieversorgung angewiesen, auch an den Tagen, an denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Das Ziel, in der Energieerzeugung ohne die Klima belastenden fossilen Brennstoffe auszukommen, hält er für erstrebenswert. Doch mindestens genauso wichtig sei die Aufgabe, Industrie, Wirtschaft und Haushalte jederzeit sicher mit Strom zu versorgen.
    Bei so viel politischem Engagement bleibt für Hobbys nur wenig Zeit. Er lese zwar gerne, sagt Fortmeier, seit Monaten aber fast ausschließlich Vorlagen aus dem Rathaus oder aus der Landesregierung. Entspannung findet Fortmeier bei gemeinsamen Theater- und Konzertbesuchen mit seiner Frau, bei der Arbeit im Garten und beim Sport. Nachdem er als junger Mann zu den talentierten deutschen Leistungsschwimmern zählte, belässt er es heute bei der Sportbeobachtung im Fernsehen, mit den Schwerpunkten Fußball, Handball und seiner alten Leidenschaft, dem Schwimmen.
    Peter Jansen

    ID: LI150418

  • Persönlich: Andrea Asch (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 30.04.2015

    Andrea Asch sagt von sich selbst, sie habe eine urgrüne Biografie. Die 56-jährige grüne Landtagsabgeordnete wuchs in einem evangelischen Elternhaus auf, in dem oft schon am Frühstückstisch über Politik diskutiert wurde, nicht zuletzt deshalb, weil ein großer Teil der Familie in der damaligen DDR lebte. Schon mit 16 Jahren machte sie bei den ersten großen Demonstrationen gegen Atomenergie mit und engagierte sich früh in der Friedens- und der Frauenbewegung. Ihr politisches Leitmotiv war dabei von Anfang an das Thema Gerechtigkeit, die seitdem immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich. Spätestens als Studentin entschied sie für sich, dass sie mit ihren politischen Vorstellungen am besten bei den Grünen aufgehoben ist.

    Politik für Familien

    Das Thema Gerechtigkeit bestimmt auch heute die politische Arbeit der studierten Diplom-Psychologin, ob als stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Familien-, Kinder- und Jugendpolitik oder als Sprecherin der Grünen für diese Fragen sowie für Eine-Welt-Politik und Kirchenfragen. Denn auch wenn das Thema Eine Welt, Hilfe für viele Länder in Afrika und Asien nicht im Mittelpunkt der Landespolitik steht, so können weder Landesregierung noch Landtag die Probleme globaler Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit außer Betracht lassen. Das reicht von direkten Hilfen für das nordrhein-westfälische Partnerland Ghana und die Provinz Mpumalanga in der Republik Südafrika bis zu den Auswirkungen hier getroffener politischer Entscheidungen auf die Dritte Welt. Für Frau Asch steht dabei die Frage im Vordergrund, wie man den afrikanischen Staaten und vielen anderen Schwellenländern auf anderen Kontinenten helfen kann, ihren natürlichen Reichtum an Bodenschätzen auch in Euro und Dollar umzusetzen.
    Im Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit geht es nach wie vor um Politik für Familien, vor allem Familien mit Kindern. Andrea Asch ist selbst Mutter von drei Kindern im Alter zwischen 16 und 21 Jahren und sie hat es in ihrem eigenen Leben erfahren, wie schwierig es ist, die Arbeit als Psychologin an einem sozialtherapeutischen Zentrum, das politische und ehrenamtliche Engagement und die Aufgaben in der Familie miteinander zu vereinbaren. Als ihre Kinder klein waren, gab es gerade mal für 5 Prozent der unter Dreijährigen Betreuungsplätze, heute sind es in vielen Städten und Gemeinden bis zu 50 Prozent aller Ein- und Zweijährigen, die in Kitas betreut werden können. "Das ist für junge Familien eine große Entlastung" und in den Augen der grünen Politikerin auch ein großer Erfolg der rot-grünen Familienpolitik. Nachholbedarf bei der Betreuung der Jüngsten sieht sie bei den jungen Vätern. Ein Vorbild ist dabei ihr eigener Ehemann. Als sie sich 2004 entschloss, aus dem ehrenamtlichen politischen Engagement ihren Hauptberuf zu machen und 2005 in den Landtag gewählt wurde, zog ihr Mann mit und reduzierte seine berufliche Arbeit auf einen Halbtagsjob.
    Die nächste große Aufgabe der Landespolitik im Bereich der Familienpolitik ist nach Ansicht von Frau Asch, in Zusammenarbeit mit den Kommunen die Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Kindertagesstätten zu verbessern. Schwierig ist es dabei vor allem, die nahezu landesweit unter Geldnot leidenden Kommunen mit ins Boot zu nehmen. "Wir müssen den Kommunen klarmachen, dass Bildungspolitik auch Standortpolitik ist, und der Kindergarten ist der erste Bildungsbereich", ist die Grüne zuversichtlich. Sie gibt zu bedenken, dass immer häufiger Unternehmen ihre Entscheidungen, wo neue Niederlassungen gegründet werden, nicht zuletzt von der bildungspolitischen Situation vor Ort abhängig machen.
    Ebenso wichtig wie ihre politische Arbeit ist für Andrea Asch ihr kulturelles Engagement. Seit drei Jahren ist sie Vorsitzende des Kulturfestivals "Sommerblut", einem Inklusionsprojekt, bei dem in diesem Jahr 400 Künstler bei 80 Veranstaltungen mitmachen. Auftreten und mitmachen werden dabei auch Menschen mit Behinderungen, Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, benachteiligte Jugendliche und Insassen der Kölner Haftanstalt.
    Peter Jansen

    ID: LI150318

  • Persönlich: Oliver Bayer (PIRATEN).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 18.03.2015

    Den Spätfrühling vor drei Jahren wird der Abgeordnete Oliver Bayer (38) wohl niemals in seinem Leben vergessen. Es war nicht nur die Zeit, in der sich die PIRATEN-Fraktion im Düsseldorfer Landtag erstmals konstituierte. Viel wichtiger: Es war die Zeit, in der sein Sohn Pascal das Licht der Welt erblickte. Für Bayer hatte sich das Leben in zweifacher Hinsicht verändert.
    Vordergründig scheint er genau dem Bild zu entsprechen, das sich Bürger von einem Politiker der PIRATEN-Partei machen: Computerfachmann, etwas quer denkend, verspielt und jeden Tag darauf bedacht, die Welt ein wenig zu verändern. Auf den ersten Blick scheint dies tatsächlich auf Oliver Bayer zuzutreffen. Seine Jugend verbrachte er in Bielefeld, studierte dann in Düsseldorf Geografie, Medien- und Informationswissenschaften mit dem Magister-Abschluss im Jahr 2007. Er beschäftigte sich eine Zeit lang unter anderem mit dem Problem, dass Software-Patente von US-amerikanischen Firmen seiner Ansicht nach zu Unrecht vereinnahmt wurden. Später arbeitete er bis zur seiner Wahl in den NRW-Landtag beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) in Düsseldorf im Bereich Informationstechnik.
    Zur PIRATEN-Partei stieß er im Jahr 2009. "Das war die richtige Partei zum richtigen Zeitpunkt für mich", erinnert er sich. Er engagierte sich in Düsseldorf und avancierte schnell zum Vorsitzenden des Kreisverbands der PIRATEN, der damals rund 300 Mitglieder zählte. In dieser Zeit war er für die Partei eine Art Mädchen für alles. Er kümmerte sich um Wahlkampf-Flyer und Plakate, betreute politische Stammtische und mischte bundesweit beim Thema Verkehrspolitik mit. "Meine Arbeit war wohl gut genug", sagt er rückblickend. Es überraschte ihn zunächst, für den Landtag aufgestellt zu werden. Das alles sei bei seinem Eintritt in die Partei gar nicht absehbar gewesen. Den großen Schub hätten die PIRATEN in NRW bekommen, nachdem 2011 die Parteifreunde in Berlin den Sprung ins Abgeordnetenhaus geschafft hatten. "Zu den Stammtisch-Treffen kamen dann plötzlich über 70 Interessierte, mehr als doppelt so viele wie vor dem Berliner Ergebnis. Der Erfolg einer Partei hängt sehr von Meinungsumfragen ab", glaubt er.
    Das Thema Verkehrspolitik finde zwar auch in anderen Fraktionen große Beachtung ("wir haben da kein Alleinstellungsmerkmal"), doch Bayer kritisiert, dass in der Politik zu viel abgewartet und zu wenig gehandelt werde. Deshalb sieht er in der Enquete-Kommission des Landtags zum Thema Öffentlicher Nahverkehr die Chance, Veränderungen voranzutreiben und Spuren zu hinterlassen.
    Das Gremium war 2014 auf Vorschlag der PIRATEN eingesetzt worden und Bayer ist Vorsitzender. Eine der Ideen: Regional-Schnellbuslinien sollen künftig ebenso wie S-Bahnlinien finanziell gefördert werden - was die Kommunen sehr entlasten würde. Ein ganz anderes großes Ziel ist für ihn, den Nahverkehr künftig so zu finanzieren, dass Fahrgäste Busse und Bahnen kostenlos benutzen könnten. Das klingt noch utopisch. Auf dem langen Weg zu dieser verkehrspolitischen Zukunft müssten zunächst Etappenziele erreicht werden - dazu gehört, das Sozialticket wesentlich erschwinglicher zu gestalten. Andere Vorschläge könnten seiner Ansicht nach ohne großen finanziellen Aufwand umgesetzt werden: beispielsweise die sinnvolle Verknüpfung von Verkehrsmitteln wie Fahrrad, Bus, Bahn und Carsharing im Nahverkehr.
    In seiner Freizeit lebt der Abgeordnete seine Vorliebe für Utopien aus - dazu genügt oft ein Spielbrett. Bayer ist begeisterter Anhänger von Fantasy-Rollenspielen. Lange Zeit war er Chefredakteur der Vereinszeitung "Windgeflüster", ein großes Sprachrohr für die Fantasy-Community. Jährlich treffen sich rund 2.500 Fans, Künstler, Spiele-Entwickler oder Autoren von Fantasy-Literatur - zum Teil in phantasievollen Kostümen - und tauschen sich auf der "FeenCon" in der Bad Godesberger Stadthalle aus.
    Gleichgesinnte hat Bayer auch im Düsseldorfer Landtag gefunden. Im jüngsten Rollenspiel hatten Fraktions-Mitarbeiter "Zombies" im Plenarsaal und der Frisierstube des Landtags geortet. Jetzt galt es, auf dem Spielbrett strategisch zu reagieren. Ob die Sache ein Happy End hatte, verrät Bayer nicht. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
    Heinz Tutt

    ID: LI150217

  • Persönlich: Wolfgang Große Brömer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 29.01.2015

    Ein gewinnendes Lächeln ist das "Markenzeichen" von Wolfgang Große Brömer. "Ehrliche Freundlichkeit gehört zur Politik", meint der SPD-Landtagsabgeordnete aus Oberhausen. Er hat allerdings auch schon erfahren, dass seine angenehme Art missverstanden wird: Als ironisch oder gar spöttisch werde gelegentlich sein Lächeln gewertet. Dabei mag der 62-Jährige keine aufgesetzte Fröhlichkeit, aber liebt humorvolle Menschen. Er selbst charakterisiert sich als "nachdenklich aufgeschlossen". Gute Voraussetzungen, um als Vorsitzender des Schulausschusses mit der erforderlichen Geduld lange Diskussionen konzentriert aushalten zu können.
    "Ich liebe den politischen Diskurs", bekennt der Lehrer, der zuletzt als Leitender Gesamtschullehrer tätig war. Der Berufswunsch stand für ihn bereits in der Oberstufe fest. "Ich wollte die Welt im Kleinen verändern und schlauer machen", doch die Grenzen dieses guten Vorsatzes hat er "recht schnell" erfahren. Natürlich ist sich Große Brömer des permanenten Verdachts bewusst, als besserwisserisch zu gelten. Doch diese vermeintliche Rolle sei kein Alleinstellungsmerkmal für Lehrer.
    Die Nähe zur Politik wurde dem aus "einer recht konservativen katholischen Familie" stammenden Oberhausener quasi in die Wiege gelegt: Sein Großvater war CDU-Bürgermeister in seiner Heimatstadt, sein Vater - wie seine Schwester Pädagoge - ebenfalls sehr an politischen Prozessen interessiert. Den Anstoß für den Eintritt in die SPD 1972 gab die Politik von Willy Brandt: "Als Schüler war ich fasziniert von der Ostpolitik. Die eröffnete neue Blickwinkel."
    Als 25-Jähriger wurde er Vorstandsmitglied bei den Oberhausener Jusos. "Da habe ich einiges bewegt", erinnert er sich an den ersten Anti-Atom-Antrag, als es die Grünen noch gar nicht gab. Ein Jahr später folgte der Vorsitz bei den dortigen Falken, den er sechs Jahre lang behielt. "Ich betrachte mich nach wie vor als pragmatischen Linken", versichert Große Brömer. Motivation und Antrieb für sein Engagement sei ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, das ihn das Ziel verfolgen lässt, ungerechte Zustände verändern zu wollen. Die persönlichen Attacken gegen Brandt, der wegen seiner Öffnung zum Osten angefeindet und verleumdet wurde, bewegten den Sozialdemokraten, die Beobachterrolle zu verlassen und aktiv zu werden.
    Neben der Arbeit in der Oberhausener Kommunalpolitik, die ihn "erde", übernahm er als 54-Jähriger Verantwortung in der Partei. Nach sechsjähriger Tätigkeit als Unterbezirksvorsitzender gab er das Amt 2012 an Michael Groschek ab. Wie stark verwurzelt Große Brömer in der Bevölkerung ist, belegen die Wahlergebnisse. Eindeutig holte er seit 2000 immer wieder das Direktmandat. 2017 tritt er aber nicht erneut als Landtagskandidat an: "Man muss irgendwann Schluss machen können", hat er seinen Rückzug bei Erreichen des Pensionsalter bereits organisiert und beweist damit, dass Loslassen zu den Eigenschaften zählt, die er selbst umsetzt.
    "Verbinden statt trennen", setzt er darauf, Probleme nicht nur zu beschreiben, sondern möglichst pragmatisch lösen zu wollen. Bei komplexeren gesellschaftlichen Fragestellungen sei Polarisierung ein falscher Politikansatz. Das Erreichen eines hoch gesteckten Ziels gilt auch für die aktuell größte bildungspolitische Herausforderung: die Umsetzung des gemeinsamen Lernens von Schülern mit und ohne Behinderungen. Die Inklusion werde zu wenig aus der Sicht der Schüler beleuchtet, beschreibt Große Brömer die Veränderung als Prozess. "Ich glaube, dass die Inklusion funktioniert, zumal ich mir keine Alternative vorstellen kann", versichert er. Aber: "Da gilt es noch sehr viele dicke Bretter zu bohren und viele Schwierigkeiten zu meistern."
    Familiär ist der 62-Jährige unter Frauen: Ehefrau, drei erwachsene Töchter und seit November die erste Enkelin sind sein Umfeld, dem er sich stärker widmen möchte. Wenn er in naher Zukunft mehr freie Zeit hat, könnte er sich der Familienforschung widmen, denn der Name lässt mehr als erahnen, dass es einen bäuerlichen Ursprung gegeben haben muss. Mit vollem Namen heißt er übrigens Wolfgang Wilhelm Josef Große Brömer.
    Etwas überraschend erscheint - neben dem Lesen von Fachliteratur bis zu Krimis - ein Hobby, das der 62-Jährige künftig intensiver pflegen möchte: Nicht schrauben, aber intensiv putzen kann der Oberhausener demnächst sein Motorrad. Die BMW 1200 RT ist mit 115 Pferdestärken eine Tourenmaschine, mit der er angenehm unterwegs sein kann. Ob dabei auch sein verschmitztes Lächeln zu sehen sein wird, ist sehr wahrscheinlich, denn dann dürfte er den Alltag hinter sich gelassen haben.
    Robert Vornholt

    ID: LI150119

  • Persönlich: Friedhelm Ortgies (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 11 - 17.12.2014

    Borstenvieh und Schweinespeck? Das ist und war sicher nicht sein "idealer Lebenszweck" - obwohl ihm der Beruf des Bauern in die Wiege gelegt worden war. Doch schon als junger Mann Anfang 20 hatte sich der CDU-Landtagsabgeordnete Friedhelm Ortgies (64) aus Rahden (Minden-Lübbecke) neben der Aufzucht von Schweinen und Ackerbau im elterlichen Betrieb vor allem der Politik verschrieben.
    Sein Berufsweg als Landwirt schien vorgezeichnet. Als Kind half er auf dem Hof der Eltern. Ortgies‘ Vater starb, als der Junge zehn Jahre alt war. Die Mutter konnte mithilfe des Großvaters den Hof weiter bewirtschaften. Nach der Realschule lernte der junge Ortgies den Beruf des Landwirts von der Pike auf, legte 1974 die Prüfung zum Landwirtschaftsmeister ab.
    Bereits vier Jahre zuvor hatte ihn der Kreisvorsitzende der Jungen Union für die Mitarbeit in der CDU gewinnen können. Mit 24 Jahren wurde er in den Stadtrat seiner Heimatstadt Rahden gewählt und startete die "Ochsentour": Mit den Jahren arbeitete er sich zum Ortsvorsteher und CDU-Fraktionsvorsitzenden in Rahden empor. In seiner Gemeinde mit rund 16.000 Einwohnern hatte stets die CDU das Sagen, doch bei wichtigen Entscheidungen, wie etwa der Gründung eines Gymnasiums im Jahr 1995, habe man mit der SPD gegen große Widerstände an einem Strang gezogen. Die Gründung des Gymnasiums sei einer der wichtigsten Entscheidungen für Rahden gewesen.
    Vor der Landtagswahl im Jahr 2000 sah schließlich Ortgies seine Chance, die politische Bühne zu wechseln. Die bisherige CDU-Landtagsabgeordnete trat nicht mehr an, und die Partei suchte einen Nachfolger. Viele Jahre hatte er als Wasserträger den Wahlkampf von anderen besorgt. "Warum machst du es nicht für dich selbst?", habe er sich damals gefragt.
    Im Wahlkampf schien die Aussicht auf ein Direktmandat zunächst gut. Bis die Kohl-Spendenaffäre dazwischenplatzte, in deren Folge die Umfrageergebnisse nicht nur in seinem Wahlkreis für die Union in den Keller stürzten. "Ich hatte keine Hoffnung mehr", sagt Ortgies. Aber dann die Überraschung zum Wahltag, am 13. Mai 2000, einen Tag nach seinem 50. Geburtstag: Mit 300 Stimmen Vorsprung reichte es für das Direktmandat. Das Ergebnis erfuhr er von seinem SPD-Konkurrenten. Der hatte ihm telefonisch gratuliert, während er selbst zu Hause in Erwartung der Niederlage mit seinen Parteifreunden Trübsal geblasen hatte.
    Seit dieser Wahl ist Ortgies im Landtag und für Umwelt und Agrarpolitik im Düsseldorfer Parlament zuständig. Seit 2010 ist er Vorsitzender des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
    Als gelernter Landwirt störe ihn zuweilen, dass Sachpolitik in seinem Bereich von Ideologie überlagert werde. Dazu gehöre auch die "einseitige Sichtweise auf Biobetriebe", klagt Ortgies. "90 Prozent der anderen landwirtschaftlichen Betriebe fallen bei einer solchen Betrachtungsweise unter den Tisch." Geradezu auf die Palme bringt es ihn, wenn Prominente wie Claus Hipp oder Weingutsbesitzer Günther Jauch Ratschläge gäben. "Die Millionäre erzählen uns, wie es geht", ätzt Ortgies. Fachleute seien die besseren Ratgeber.
    Im Landtagsausschuss gehe es manchmal lebhaft, "aber nie verletzend zu", lobt Ortgies den kollegialen Stil. In Zukunft seien Verbesserungen beim Hochwasserschutz am Rhein geboten. Probleme seien seit Jahren bekannt, doch es werde zu wenig gehandelt. Deiche müssten erhöht und weitere Rückstaubecken angelegt werden. Großen Handlungsbedarf sieht Ortgies auch beim Thema Bauen auf dem Land. Hier müssten rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden, auf früheren Höfen Wohnungen zu errichten.
    Der Abgeordnete hofft auf Konsens in diesen Fragen. Ohnehin ist er ein bodenständiger Politiker, der nicht den großen Auftritt sucht. Als Familienmensch nutzt er die knappe Zeit, die ihm für die Familie und vor allem für die fünf Enkel bleibt. Tennis und Grillen mit Freunden in seiner Scheune sowie regelmäßige Touren mit den Rennrad gehören zu den Vergnügen, die sich Ortgies gönnt - wenn nicht gerade wieder eine Plenarwoche den privaten Rhythmus durcheinander bringt.
    Denn Ortgies hat den "längsten Anfahrtsweg aller Abgeordneten" zum Düsseldorfer Parlament. Hin und zurück sei er sieben Stunden mit dem Zug unterwegs. Kein Wunder: In Rahden/Preußisch-Ströhen liegt geografisch der nördlichste Punkt des Landes Nordrhein-Westfalen. Auf einer historischen Schullandkarte mit den Gebietsgrenzen von 1815 an der Bürowand im Landtag zeigt er Gästen gerne die Entfernung, die er vom ehemaligen preußischen Fürstentum Minden bis in die Landeshauptstadt zurücklegen muss. Seine Freude am Abgeordneten-Dasein trübt dies kaum. Wenn es zu stressig wird, übernachtet er in Düsseldorf.
    Heinz Tutt

    ID: LI141119

  • Persönlich: Christian Dahm (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 03.12.2014

    Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung sind fast identisch: Christian Dahm charakterisiert sich selbst - nach anfänglichem Zögern und in gebotener Bescheidenheit - als "bodenständig, ausgleichend und stets den Kompromiss suchend". Wegbegleiter des 51-Jährigen ergänzen die Eigenschaften des Ostwestfalen mit den Anmerkungen "ruhig, sachlich, besonnen, aber gelegentlich etwas distanziert erscheinend". Insgesamt also gute Voraussetzungen, um als Vorsitzender des Kommunalausschusses die Debatten in eine möglichst konstruktive Richtung zu steuern.
    In dem Gremium gebe es einen Grundkonsens, weil viele Ausschussmitglieder kommunalpolitisch aktiv sind, befindet Dahm. "Uns alle treibt an, etwas für die Städte und Gemeinden zu tun - nur der richtige Weg dorthin ist streitig." Die Nähe zur lokalen Politik ist dem verheirateten Vater von zwei erwachsenen Söhnen in die Wiege gelegt worden. In einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus aufgewachsen, ist er vom politischen Engagement seines Vaters im Kreis Herford geprägt worden. Nach ehrenamtlichen Tätigkeiten im Kindergarten und in der Schulpflegschaft und der damit verbundenen Sozialisation war der Eintritt in die Partei konsequent und folgerichtig. "Es gab keine Alternative zur SPD. Nirgendwo sind die soziale Gerechtigkeit und der Einsatz für die Menschen so ausgeprägt wie in der SPD", erläutert er seine inzwischen 25 Jahre zurückliegende Entscheidung. Nach dem "Hürdenlauf durch die Ortsvereine" nutzte Dahm auch seine durch den Polizeibeamtenberuf erworbenen Kenntnisse, um sich vom sachkundigen Bürger über das Ratsmandat bis zum SPD-Fraktionsvorsitzenden (2006 bis 2012) in Vlotho voranzuarbeiten. Bereits seit zehn Jahren ist er in der knapp 20.000 Einwohner zählenden Kommune an der Weser Vorsitzender im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport. "In der Kommunalpolitik ist man nah an den Menschen", erklärt der Politiker, dass sich die Arbeit im Lokalen und im Landtag gut ergänzt. Dass dabei die beruflichen Erfahrungen einfließen, hält Dahm für selbstverständlich: "Korrekt, geradlinig, klar strukturiert und immer ehrlich" - diese Eigenschaften habe er als Polizist ("Ich habe immer Uniform getragen") umgesetzt - und setze sie in der Politik fort. "Ich habe gelernt, schnell Wichtiges von Unwichtigem zu trennen", setzt er auf klare und nachvollziehbare Entscheidungen. "Dafür stehe ich und daran lasse ich mich messen." Deshalb drücke er sich nicht davor, auch unbequeme Wahrheiten klar zu benennen, befindet der Polizeihauptkommissar.
    "Es ist mir eine besondere Ehre, das Mandat auszuüben und meinen Wahlkreis im Parlament zu vertreten", ist dem 51-Jährigen eine gewisse Demut im Amt nicht verloren gegangen. "Eine politische Karriere kann und sollte man nicht planen", rät Dahm. Dass er seine angestrebten politischen Ziele mit dem Vorsitz im Kommunalausschuss und der Mitarbeit im Innenausschuss bereits erreicht hat, dürfte diese Einschätzung erleichtert haben. Und wer weiß, was noch folgt? Denn als Kommunal-Ausschusschef knüpft er an die Arbeit seiner Parteifreunde Edgar Maron und Carina Gödecke an. Der Freund der leisen Töne neigt nicht zum Jammern: "Stärken statt Schwächen betonen", lautet seine Devise. Die "junge, aufstrebende und wirtschaftsstarke Region Ostwestfalen" ist seiner Einschätzung gut im Landesparlament vertreten. "OWL ist nicht abgehängt, sondern gut aufgestellt", kommentiert der Kommunalexperte etwa das Dauerbrennerthema Gemeindefinanzierung. Von einer Bevorzugung des Ruhrgebiets könne bei den Überweisungen des Landes keine Rede sein.
    Der Diplom-Verwaltungswirt, der nach seiner dreijährigen Tätigkeit bei der Bezirksregierung Detmold bis 2010 im Polizeipräsidium Bielefeld tätig war, wurde jüngst von seiner beruflichen Vergangenheit eingeholt. Ausgerechnet in Herford kam es zu Auseinandersetzungen, in die die dort lebenden Jesiden einbezogen wurden. "Das war schon eine knisternde Stimmung", beschreibt der Polizist die Situation bei den Krawallen. Natürlich war er selbst vor Ort, um sich ein unverfälschtes Bild von der Lage zu machen. "Wir müssen dem Extremismus die Grenzen aufzeigen", betont Dahm unmissverständlich. Und da ist eine gewisse Distanz zu den Ereignissen für eine abgewogene Urteilsbildung hilfreich.
    Robert Vornholt

    ID: LI141022

  • Portrait: Margret Voßeler (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 9 - 05.11.2014

    Wenn sie die Liste ihrer beruflichen, politischen und ehrenamtlichen Aufgaben und Ämter sieht, ist Margret Voßeler selbst ein wenig erschrocken. Zu Hause in Issum am Niederrhein führt sie mit Tochter Birte einen Bauernhof mit Ackerbau und Schweinemast, in Düsseldorf sitzt sie im Landtag, leitet den Ausschuss für Familie, Jugend und Kinder und gehört dem Ausschuss für Umwelt, Verbraucherschutz und Landwirtschaft an. Sie ist Vorsitzende der Rheinischen Landfrauen und sitzt im Bundesvorstand der Organisation. Bis vor kurzem war sie obendrein noch stellvertretende Bürgermeisterin ihrer Heimatgemeinde und Presbyterin in der evangelischen Kirchengemeinde - zwei Aufgaben, die sie notgedrungen, aber ungern aufgegeben hat. Dabei wirkt die quirlige 57-Jährige alles andere als gehetzt, sie ist "Bäuerin mit Leib und Seele", sie ist gerne mit Menschen zusammen, entwickelt mit ihnen neue Ideen und versucht, sie für Politik zu interessieren. Als Abgeordnete sucht sie immer wieder das Gespräch mit den Bürgern und fühlt sich selbst dann im Dienst, wenn sie nur einkaufen geht. Durchaus glaubwürdig versichert die vielbeschäftigte Frau, dass sie all das, was sie sich auferlegt und tut, auch ausgesprochen gerne tut.
    Dabei ist Margret Voßeler in der Politik eigentlich eine Spätberufene. Aufgewachsen auf einem Bauernhof mit drei Generationen unter einem Dach, hat sie eine Ausbildung als Medizinisch-Technische Assistentin absolviert und einige Jahre in Kamp-Lintfort gearbeitet. Nach der Hochzeit mit einem Bauern stieg sie wieder in die Landwirtschaft ein und bildete sich zur Hauswirtschaftsmeisterin fort. Für sie war es immer selbstverständlich, sich ehrenamtlich zu engagieren, sei es in den Elterngremien von Kindergärten und Schulen, sei es bei den Landfrauen oder in der Kirche. Als ihr 2001 gestorbener Mann Ende der 90er-Jahre sein Ratsmandat aufgab, redete er ihr zu, an seiner Stelle zu kandidieren, dann seien Frauen und Landwirtschaft gut vertreten. 1998 trat Margret Voßeler dann auch in die Partei ein. Dass es die CDU war, stand für sie von vornherein fest, allein schon deshalb, weil, so sagt sie, die Union die Interessen des ländlichen Raums besonders im Auge hat.

    Bäuerin mit Leib und Seele

    Mindestens ebenso wichtig wie ihre politische Arbeit ist für Margret Voßeler ihre Verbandstätigkeit bei den Landfrauen. Mit einigem Stolz blickt sie auf das zurück, was in den letzten Jahren erreicht worden ist: die Entgeltpunkte in der Rente und und eine eigenständige Absicherung der Bäuerinnen im Alter. Mit großem Engagement kümmert sie sich jetzt mit dem Verband darum, die Alltagskompetenzen der Schüler weiterzuentwickeln. In Offenen Ganztagsschulen zeigen sie zum Beispiel den Schülern, was man in der Küche wie macht: vom Händewaschen vor dem Kochen bis zur Herstellung einfacher Gerichte. Großes Ziel ist die Einführung eines Fachs Verbraucherkompetenz an allen Schulformen, so wie es das Land Schleswig-Holstein vorgemacht hat. Im Landtag kümmert sich Margret Voßeler vorwiegend um die Themenbereiche, die ihr schon immer am Herzen gelegen haben, Familien und Landwirtschaft. Vor allem die Bauern nimmt sie gegen verbreitete Vorurteile in Schutz, sie beuteten rücksichtslos Tiere und Böden aus. "Ich bin davon überzeugt, dass die Landwirte in der ganz großen Mehrheit verantwortungsvoll mit der Natur umgehen." Sie selbst ist zwar nicht mehr täglich auf dem niederrheinischen Hof im Einsatz, aber wenn ihre Tochter mal ein freies Wochenende hat, dann kümmert sie sich um die Fütterung der Schweine und freut sich über gesunde Tiere.
    Nicht sehr glücklich ist sie über die Atmosphäre im Familienausschuss, dem sie seit 2010 vorsitzt. Das Klima sei sehr gereizt, hat sie den Eindruck und findet es schade, dass selbst kleinere Gesetzesänderungen meist an parteipolitischen Gegensätzen scheitern. Dabei denkt sie an einen gemeinsamen Antrag der drei Oppositionsparteien CDU, FDP und Piraten, nach dem Kinderärzte Informationen darüber austauschen dürfen sollen, wenn ihnen an einem Kind verdächtige Verletzungen wie Blutergüsse oder Wunden auffallen. Doch SPD und GRÜNE sagten Nein, sehr zum Bedauern von Voßeler. Ganz ohne gelegentliche Auszeiten von Politik und Engagement geht es allerdings auch bei Margret Voßeler nicht. Dann verbringt sie am liebsten ein paar Tage auf der ostfriesischen Insel Juist und braucht nichts außer langen Strandspaziergängen und ein interessantes Buch. Der nächste Juist-Urlaub mit Tochter, Sohn und deren Begleitung ist bereits für die Jahreswende geplant.
    Peter Jansen

    ID: LI140927

  • Portrait: Rainer Bovermann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 01.10.2014

    Auf dem Schreibtisch von Rainer Bovermann prangt zwischen Notebook samt Maus und Mauspad in den Farben von Borussia Dortmund eine dunkelblaue Kapitänsmütze der Bundesmarine. Seit kurzem ist der 56-jährige Politiker aus Hattingen nicht nur SPD-Abgeordneter im Landtag, Vorsitzender des Hauptausschusses und der Verfassungskommission und zumindest einmal in der Woche Professor an der Ruhr-Uni Bochum, sondern auch Vorsitzender des Freundeskreises der Fregatte "Nordrhein-Westfalen". Die wird zwar erst im nächsten Jahr getauft, deren künftige Besatzung hat ihm aber schon im Voraus die schmucke Kopfbedeckung zukommen lassen. Dabei ist das Engagement für das neue Schiff für Bovermann nicht nur Seefahrerromantik von Landratten. Künftig werde die Fregatte den Namen des Landes auf allen Weltmeeren zeigen, sagt er, und, was ihm noch wichtiger ist, nach dem Wegfall der Wehrpflicht können durch solche Freundeskreise die Beziehungen zwischen der Bundeswehr und der Bevölkerung ein bisschen gepflegt werden.
    Oberster Marinefreund des Landtags ist Bovermann geworden, weil er den Hauptausschuss des Landtags leitet, ein Gremium, in dem vom Abgeordnetenrecht über die politische Bildung bis zu den Beziehungen des Landesparlaments zu Militär, Kirchen, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen alles bearbeitet wird, was den anderen Fachausschüssen nicht zuzuordnen ist. Der Name Hauptausschuss kann dabei leicht irreführend sein, denn das Gremium ist nicht das Ersatzparlament, das die Aufgaben des Landtagsplenums übernimmt, wenn das Haus in einer Notsituation nicht zusammentreten kann. Das macht in Nordrhein-Westfalen der ständige Ausschuss, der sich aus den Mitgliedern des Ältestenrates zusammensetzt.
    Hier ist auch der Berührungspunkt zur nächsten Aufgabe des Politikwissenschaftlers, der Arbeit in der Kommission, die die Verfassung des Landes überarbeiten und an die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anpassen soll. Schon oft musste Bovermann die Frage beantworten, warum NRW überhaupt eine Verfassung braucht, schließlich gebe es doch das Grundgesetz, und das gelte in ganz Deutschland. Dem hält er entgegen, dass die Länder im Grunde genommen eigene Staaten seien und bereits vor der Gründung der Bundesrepublik bestanden. Nordrhein-Westfalen hatte in der Nachkriegszeit mit der Verabschiedung einer eigenen Verfassung gewartet, bis das Grundgesetz vorlag. Der 1950 verabschiedete Text regelt nicht nur die staatliche Organisation und das Zusammenwirken der Verfassungsorgane, er enthält das Recht auf Arbeit, trifft Aussagen zu Bildung und Erziehung und verpflichtet das Land sogar, das Kleingartenwesen zu schützen, eine Aufgabe, die in den Hungerjahren nach dem Krieg deutlich wichtiger war als heute.
    Vier große Themenfelder hat sich die Verfassungskommission vorgenommen. Ende nächsten Jahres sollen die Reformvorschläge dem Landtag zugeleitet werden und dann in einen von möglichst vielen Abgeordneten getragenen Gesetzentwurf einmünden. Denn das übliche Gegenüber von Koalition und Opposition funktioniert in Verfassungsfragen nicht, zur Verabschiedung ist eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Im Einzelnen geht es um das Verhältnis zwischen Landtag und Landesregierung, um die Rollenverteilung zwischen Regierungsund Oppositionsfraktionen im Parlament, um die Beziehungen zu den Kommunen und die Stellung des Verfassungsgerichts in Münster. Interessanter auch für eine größere Öffentlichkeit wird es, wenn sich die Kommission mit der Frage beschäftigt, ob künftig schon 16-Jährige und Bürger aus anderen EU-Staaten den Landtag wählen dürfen, ob die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheid auf Landesebene zu hoch sind und wie die Schuldenbremse beim Landeshaushalt, zu der die Landesregierung nach dem Grundgesetz verpflichtet ist, im Einzelnen aussehen soll.
    Trotz des zeitraubenden Engagements in Landtag, Wahlkreis und Partei hält Bovermann an seiner Lehrtätigkeit in Bochum fest, jeden Freitag am frühen Abend diskutiert er mit Politikstudierenden über Kommunalpolitik, Föderalismusprobleme und Parteienforschung. Als "Grenzgänger" zwischen politischer Wissenschaft und praktischer Politik hat sich der Abgeordnetenprofessor einmal bezeichnet. Dabei macht er aus eigenem Erleben die Erfahrung, dass sich Politik nicht nach dem Lehrbuch gestalten lässt und dass andererseits längst nicht alles zutrifft, was die politische Wissenschaft verkündet. Selbst in der wenigen Freizeit lassen ihn Politik und Politikwissenschaft nicht los, dann greift er zu Fachlektüre, um zumindest auf diese Weise über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion auf dem Laufenden zu sein.
    Peter Jansen

    ID: LI140820

  • Portrait: Dr. Robert Orth (FDP).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    Ein Satz wie in Stein gemeißelt: "Wenn man Volksvertreter wird, darf man nicht aufhören, Teil des Volkes zu sein." So versteht Dr. Robert Orth sein Verständnis als Abgeordneter. Deshalb dürfe der Landtag nicht zu einer Käseglocke werden, sondern müsse Teil der Gesellschaft bleiben, betont der Liberale die Unabhängigkeit der Mandatsausübung. Zugleich ist seine Einschätzung eine Werbung für eine möglichst breite berufliche Vielfalt der im Parlament vertretenen Politikerinnen und Politiker.
    Dass der 46-Jährige neben seiner Abgeordnetentätigkeit erfolgreich als Rechtsanwalt und Sozius in einer Düsseldorfer Kanzlei tätig ist, habe direkt nichts miteinander zu tun, weist der Vorsitzende des Landtags-Rechtsausschusses mögliche Vorteile durch die Parlamentsarbeit von vornherein zurück. "Weniger Beruf als Berufung" ist ihm das politische Engagement, weil er als "zutiefst Liberaler" die Freiheit als Lebensentwurf im Parlament vertreten wissen will.
    Vor 28 Jahren traf Orth seine bis heute gültige Grundsatzentscheidung: Im Vorfeld der letzten Bundestagswahl vor der deutschen Wiedervereinigung verglich er als damals 18-jähriger Schüler die Programme der Parteien und kam zu dem Schluss, dass ihm das Klima, das der damalige CDU/CSU-Fraktionschef Alfred Dregger schuf, "gar nicht gefiel". Er hatte einfach kein Verständnis für das Flügeldenken des Christdemokraten und die damit verbundene einseitige Ausrichtung. "Man steht doch auf zwei Beinen", befindet er fast 30 Jahre später nicht weniger überzeugt. Fasziniert war er dagegen von den Vorstellungen der FDP: "Freiheit ist unteilbar", meint Orth nachdrücklich. Sie bestimme alle Lebensbereiche. Deshalb verwundert es nicht, dass Orth die FDP-Spitzenpolitiker Burkhard Hirsch und Otto Graf Lambsdorff - Rheinländer wie er selbst - als seine Vorbilder bezeichnet. Die Wahrung der Bürgerrechte sei ein gemeinsames ganz hohes Gut, ist eine Klammer, die über politische Detailfragen hinweg verbindet, ist ein Fundament, das mit den liberalen Grundgeboten von Rechtsstaatlichkeit, Selbstbestimmung und Individualität einhergeht. "Wenn man selbst nicht gegängelt werden möchte, muss man sich dafür einsetzen, dass niemand gegängelt wird", beschreibt Orth ein weiteres Hauptmotiv seines politischen Handelns. Das wird außerdem vom konstruktiven Willen zur Gestaltung bestimmt: Als Ratsmitglied in Düsseldorf habe er im Jahr 1999 für den Verkauf der Stadtwerke geworben: "Das war der erste Schritt zur Schuldenfreiheit", lässt der Liberale ein wenig Stolz über die Entscheidung in seiner Heimatstadt durchschimmern.
    Es sind ansonsten eher die leisen Töne, die der dienstälteste Ausschussvorsitzende anschlägt. Auch politische Mitbewerber attestieren ihm, neutral, fair und sachlich das Gremium zu leiten. Souverän gestalte er seine Rolle als Vorsitzender des Rechtsausschusses, heißt es anerkennend. Da er der Neutralität verpflichtet sei, mache er deutlich, wann er seine eigene Meinung in die Beratungen einbringt: Gelegentlich setzt er sich in kontroversen Debatten - nach vorheriger Ankündigung - selbst auf die Rednerliste, um die Positionen der Liberalen zu betonen. "Die Übergänge sind fließend", erläutert der verheiratete Vater von zwei Kindern zu seiner zusätzlichen Aufgabe als innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Halbherzigkeit ist seine Sache nicht. Beispiel: Als im vergangenen Jahr klar war, dass er bei der möglichen Wiederwahl zum Vorsitzenden des FDP-Bezirksverbandes Düsseldorf mit einer Gegenkandidatur zu rechnen hat, zog Orth seine Bewerbung zurück. "Ich hätte nicht mit der gleichen Kraft weitermachen können."
    Und wie geht der Liberale mit der Krise seiner Partei um, die sich nach dem Abschied aus dem Bundestag in einer Wiederaufbauphase befindet? "Die Menschen werden erkennen, dass der Liberalismus im Bundestag fehlt", glaubt der Jurist. Die Plädoyers für Datenschutz und Internetsicherheit verdeutlichten die kritische Haltung der Liberalen gegenüber dem Staat und seien zugleich ein politisches Angebot gerade für junge Menschen. Als Ausschussvorsitzender hebt er auch Gemeinsamkeiten hervor - wie jüngst bei der Israel-Reise der Rechtsausschussmitglieder: "Im Ausland sind wir alle Nordrhein-Westfalen."
    "Auch Abgeordnete haben ein Recht auf Privatheit", betont Orth. Die wenig verbleibende freie Zeit füllt er übrigens mit Gartenarbeit, Tennis oder Skifahren.
    Robert Vornholt

    ID: LI140732

  • Portrait: Dieter Hilser (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 04.06.2014

    In seiner Stammkneipe "Brinkhoffs-Treff" im Essener Osten ging man gnädig mit ihm um, als das von der Landesregierung verordnete Rauchverbot die Theke in Raucher und Nichtraucher spaltete. Zwar flachsten einige Gäste ("Du hast uns das eingebrockt"), doch der langjährige SPD-Landtagsabgeordnete Dieter Hilser erinnert sich: "Ich habe nicht richtig was abbekommen." Kein Wunder, befand er sich doch sozusagen auf heimischem Terrain. Die Essener Kneipe ist auch ein Treff seines SPDOrtsvereins, dem er seit Anfang der 80er-Jahre angehört. Nach einer Ochsentour durch die Partei und die Kommunal- und Landespolitik ist Hilser heute Vorsitzender des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr im Düsseldorfer Landtag.
    Anfang 1980 stellten sich die entscheidenden Weichen für Hilser. Seine berufliche Laufbahn hatte ihn vom Schwarzwald nach Essen verschlagen. Hilser, der in dem beschaulichen Ort Triberg 1953 geboren wurde und anschließend in Freiburg sein Studium der Volkswirtschaft abgeschlossen hatte, lockte 1982 eine Referenten- Stelle bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nach Essen. Bereits während des Studiums hatte er Kontakte zur GEW-Hochschulgruppe geknüpft, und zwar so erfolgreich, dass er auf deren Ticket in Freiburg zum AStA-Vorsitzenden gewählt wurde.
    Die Gewerkschaftsarbeit bestimmte in Essen zunächst weiterhin sein Leben. Die ersten Wochen lebte er mit seiner Frau Annette in einem Schwesternheim. Sie war ihm ins Ruhrgebiet gefolgt und hatte eine Anstellung im Krankenhaus gefunden. Später zogen die Hilsers in die Großsiedlung Bergmannsfeld im Essener Osten, die damals der landeseigenen LEG gehörte. Sehr bald wurden ihm die Probleme der Mieter nahe gebracht. Er engagierte sich bald darauf im Mieterbeirat.
    Wenige Jahre später engagierte sich Hilser stärker als bisher auch parteipolitisch. In die SPD war er bereits 1975 eingetreten. So richtig aktiv wurde er allerdings erst 1988 in seinem Essener Ortsverein. In dem von Arbeitern geprägten Stadtteil unternahm er in der damaligen SPDHochburg seine ersten politischen Gehversuche. Sechs Jahre später wurde er zum Ortsvereinsvorsitzenden gewählt, im gleichen Jahr kandidierte er für den Essener Stadtrat. Intern entschied er die Kandidatur für sich mit 80 zu 47 Stimmen. "Solche Ergebnisse vergisst man nicht", sagt Hilser.
    Zu dieser Zeit lebte er bereits mit seiner Familie, inzwischen waren Sohn und Tochter auf der Welt, in einem kleinen Reihenhaus im Essener Osten. Die junge Familie hatte sich im Ruhrgebiet eingelebt. In den Ferien zog es die Hilsers in die Tiroler Berge zu Klettertouren. Seine Frau war und ist stets mit von der Partie. Seine Kinder waren, so glaubt der Politiker, damals wohl nicht immer so begeistert. "Meine Tochter meidet heute Berge", scherzt Hilser.
    Im Essener Rat widmete er sich zunächst dem Wohnungsbau, ab 1998 leitete er den Finanzausschuss der Stadt. Inzwischen waren die Zeiten für die SPD nicht einfacher geworden. "Es gab immer weniger zu verteilen", beschreibt Hilser die Lage. Im Jahr 2000 sei er ermuntert worden, für den Landtag zu kandidieren. Hilser holte den Wahlkreis auf Anhieb mit mehr als 50 Prozent der Stimmen als Direktkandidat.
    Als Neuling im Düsseldorfer Landtag blieb er seinen Themen treu und wurde in den Bauauschuss entsandt. Jahre später wurde der Verkauf der LEG-Immobilien von der schwarz-gelben Landesregierung vorangetrieben - da schloss sich für Hilser wieder ein Kreis. Den Verkauf konnte seine Partei in der Opposition zwar nicht verhindern, doch, da ist sich Hilser sicher: "Die LEG-Debatte war ein Mosaikstein, der dazu beitrug, die damalige Landesregierung abzulösen."
    Sozusagen an der Heimatfront in Essen hat der Landtagsabgeordnete die Bodenhaftung nicht verloren. Im letzten Jahrzehnt gab es viele Baustellen für den Sozialdemokraten, der seit 2003 SPD-Chef der viertgrößten Stadt im Lande ist. Schlechte Wahlergebnisse hatten für Unzufriedenheit unter den Genossen gesorgt. Der bescheiden wirkende Hilser, dem man auf den ersten Blick keine markigen Sprüche zutraut, hat es offenbar auf seine Weise geschafft, den Laden zusammen zu halten. Und darauf ist der Wahl-Essener stolz.
    Den Bezug zu seinem Geburtsort Triberg hat Fussball-Fan Hilser übrigens nie abreißen lassen. In seiner Stammkneipe gehört er zwar eher symbolisch dem Fan-Klub der TSG 1899 Hoffenheim an und sein Herz schlägt natürlich für Rot-Weiß Essen. Aber: Mitglied ist er immer noch im FC Triberg. Es ist der Verein, für den er als 16-Jähriger in der Schwarzwald-Auswahl spielte. "Ein Stück des Kunstrasens neben der Eckfahne gehört mir", scherzt FC-Triberg-Sponsor Hilser. Als Politiker muss man eben flexibel sein.
    Heinz Tutt

    ID: LI140622

  • Portrait: Rita Klöpper (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 14.05.2014

    Gekümmert hat sich Rita Klöpper schon immer um ihre Mitmenschen, da hat sie an eine politischen Karriere oder gar den Vorsitz im Petitionsausschuss des Landtags nicht einmal gedacht. In Frechen, wohin es sie nach den Jugendjahren in Köln verschlagen hatte, engagierte sie sich in der Kirchengemeinde, im Seniorentheater und in der Johanniter-Unfallhilfe, sie saß im Betriebsrat der Raiffeisenbank und mischte in Klassen- und Schulpflegschaften mit. Mitte der 90er-Jahre war die engagierte Frau den politischen Parteien in ihrem Heimatort aufgefallen und CDU und SPD fragten vorsichtig an, ob sie sich nicht vorstellen könnte, bei den Schwarzen bzw. Roten mitzumachen. Rita Klöpper war dem Ansinnen nicht abgeneigt, guckte sich Programme und Personen der örtlichen Parteiorganisationen an und fand, dass sie am besten bei der CDU aufgehoben sei.

    Von Partei angeworben

    1995 trat sie der Partei bei, wurde gleich als sachkundige Bürgerin in den Sozialausschuss des Frechener Stadtrats geschickt, und schon vier Jahre später kandidierte sie erfolgreich für den Rat und den Kreistag im Rhein-Erft-Kreis. Als wenige Jahre später eine langjährige CDU-Landtagskandidatin ankündigte, sie werde 2005 nicht mehr antreten, fragten die Parteioberen wieder bei Frau Klöpper an. Da die Kinder mittlerweile auf dem Sprung waren, das Elternhaus zu verlassen und die fröhliche Rheinländerin wieder mehr Zeit hatte, sagte sie zu, obwohl sie damals für einen Neuling schon das stattliche Alter von 61 Jahren erreicht hatte. "Aber ich habe eine Reihe von jüngeren Frauen gefragt - und eine Frau sollte es sein, die neben Jürgen Rüttgers und Michael Breuer in unserem Kreis aufgestellt wurde - aber keine hatte Lust. Beruf und Familie gingen vor", erzählt Rita Klöpper. Vielleicht fiel ihr die Entscheidung auch leicht, weil die Kandidatur aussichtslos erschien. Der Wahlkreis war fest in der Hand der SPD und sie selbst wurde auf den aussichtslosen Listenplatz 72 gesetzt. Doch der Wähler mischte am 22. Mai 2005 die Karten völlig neu, Rita Klöpper wurde mit großem Vorsprung direkt gewählt und kümmerte sich in den ersten fünf Jahren vor allem um die Verkehrs- und Baupolitik. Nachdem fünf Jahre später die CDU wieder in der Opposition landete und ihr damit traditionsgemäß der Vorsitz im Petitionsausschuss zufiel, war es für den damaligen Fraktionschef Karl-Josef Laumann keine Frage, dass er Rita Klöpper für diese Aufgabe vorschlug. "Ich glaube, da haben wohl meine spezielle Art und der rheinische Einschlag den Ausschlag gegeben", erinnert sie sich heute lachend.
    In ihrer Aufgabe als Vorsitzende des Ausschusses geht Rita Klöpper richtig auf, wie sie selbst sagt. Petitionsarbeit ist in ihren Augen "praktizierte Bürgernähe", alle Entscheidungen werden von den 25 Mitgliedern einstimmig getroffen, politische Auseinandersetzungen und Kontroversen bleiben vor der Tür. Im Ausschuss herrscht großes Vertrauen untereinander, alle wissen, dass sich jeder für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger einsetzt, die sich an den Kummerkasten des Landes wenden. Denn um Kummer mit Behörden geht es in nahezu allen der mittlerweile über 6.000 Petitionen, die jedes Jahr im Ausschuss eintreffen und die alle gleichermaßen ernst genommen werden. Stolz ist Rita Klöpper, dass rund ein Viertel der Anliegen im Sinne der Antragsteller positiv entschieden werden. Häufig versucht der Ausschuss, alle Beteiligten an einen Tisch zu kriegen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Oft können Behörden aber auch veranlasst werden, vor dem Hintergrund der geltenden Gesetze getroffene Entscheidungen zu verändern. Die sind dabei nicht immer erfreut, wenn sich der Petitionsausschuss bei ihnen meldet, ist sich Klöpper sicher. Schließlich müssten Abläufe überprüft und Entscheidungen kontrolliert werden. Der Christdemokratin macht es dabei auch nichts aus, Leuten aus der eigenen Partei auf die Sprünge zu helfen, wenn es nötig ist. "Schön ist es dann, wenn sie sich später bei mir bedanken."
    Wenn die Arbeit im Landtag und der Einsatz für die Partei ihr ein wenig Freizeit lassen, schart die dreifache Mutter und vierfache Großmutter am liebsten ihre Familie um sich, "da bin ich eine richtige Glucke". Deshalb freut sie sich schon jetzt auf die bevorstehenden Pfingstferien, dann macht der ganze Clan gemeinsam ein paar Tage Urlaub in Holland.
    Peter Jansen

    ID: LI140526

  • Portrait: Arndt Klocke (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 09.04.2014

    Arndt Klocke wird gleich von Ostwestfalen-Lippe erzählen, aber zunächst sieht er die beiden Polizisten am Tresen des Landtags-Cafés stehen. Sie grüßen ihn freundlich wie einen Bekannten. "Alles wieder in Ordnung", ruft der Grünen- Parlamentarier hinüber. Einige Tage zuvor hatte es Irritationen gegeben, als Klocke draußen den Landtag mit seinem Smartphone fotografierte. Beamte hielten ihn an und verlangten die Personalien, aus Sicherheitsgründen, Terrorverdacht. Der Abgeordneten-Ausweis genügte nicht; er musste seinen Personalausweis vorzeigen. Die Polizisten prüften lange und schienen streng gewesen zu sein. Jedenfalls fühlte sich der verkehrspolitische Fraktionssprecher von der Staatsmacht schikaniert und ging danach seinerseits auf Konfrontation. Die Lokalzeitungen berichteten. Dann sprachen sich Klocke und der Polizist im Landtag aus. Sogar Düsseldorfs Polizeipräsident war mitgekommen, um die Angelegenheit gütlich beizulegen. Seitdem ist die Sache geklärt, und Klocke hat demonstriert, dass er sich wehrt. Eigentlich ist er ein freundlicher, umgänglicher Mensch.
    Um ihn besser zu verstehen, will Klocke zunächst von Ostwestfalen-Lippe erzählen, unbedingt; dort hat ja alles begonnen. Er hat schöne Erinnerungen an seine Kindheit; wie er als kleiner Junge im Büro seines Vaters, dem sozialdemokratischen Stadtkämmerer von Vlotho, spielen durfte; wie er auf dem Bauernhof mit Schweinen und Hühnern lebte, den seine Eltern im Nebenerwerb führten; wie er durch Schülersprecherin Tina an die GRÜNEN geriet.
    Es klingt wie eine Bullerbü-Kindheit. Als Klocke weiter über seine Heimat spricht, passiert etwas Beunruhigendes: Vlotho schrumpft auf die Größe eines Schuhkartons zusammen, der weite Horizont wirkt künstlich, wie eine Fototapete an hohen Wänden; man spürt die Geborgenheit der Provinz plötzlich wie einen Klammergriff. 1991 wird Klocke Mitglied bei den Grünen, ausgerechnet jener junge Mann aus sozialdemokratischem, konservativem Elternhaus. Vor dem Abitur wird sich Klocke zudem seiner Homosexualität bewusst, da ist an ein Bleiben ohnehin nicht mehr zu denken. "Ich habe mich damals nicht falsch gefühlt, aber allein", erinnert sich Klocke.
    Er geht 1992 zum Studieren nach Münster; die Stadt ist größer, freier und vor allem weit genug weg von zu Hause. "Ich habe mich für Münster entschieden, weil ich raus wollte. Ich wollte für das Studium wegziehen", sagt Klocke. Er studiert Germanistik und Geschichte auf Lehramt, wird mit dem großen Latinum konfrontiert und wechselt in einen Magister-Studiengang, Politik-, Sozialwissenschaften, Geschichte. Klocke ist politisch aktiv in den Studentengremien, gründet den Landesverband der Grünen Jugend NRW mit. 1996 darf er ein Praktikum in der Grünen-Landtagsfraktion machen und erfährt, wie Politik gemacht wird, auch hinter den Kulissen. "Ich war richtig angefixt und sah meine berufliche Zukunft in der Politik", sagt Klocke.
    Man merkt an seinen Erzählungen, wie das Studium immer mehr in den Hintergrund gerät. Als der Bundestag von Bonn nach Berlin umzieht, bekommt Klocke das Angebot, das gemeinsame Wahlkreisbüro von Kerstin Müller und Volker Beck in Köln zu leiten. "Ich dachte damals, ich kriege das Studium irgendwie noch organisiert." Nach dem Umzug in die Domstadt bemüht er sich, doch den Abschluss macht er nicht mehr. "Ich hadere damit nicht, aber ein wenig bereue ich es schon", sagt Klocke. Es werden andere Dinge wichtiger, auch neben der Politik. Er gründet eine alternative Filmreihe unter dem Motto "Grünes Kino". Und er lernt seinen heutigen Lebenspartner Sven Lehmann kennen.
    Sein persönliches Ziel bleibt der Landtag: 2005 bekommt er einen aussichtsreichen Listenplatz, doch da geraten die Grünen ins Umfragetief; Klocke schafft es nicht. Es ist nur ein schwacher Trost, dass er mit fast 19 Prozent das landesweit beste Direktwahlergebnis bekommt. Klocke wird Tandem-Chef der NRW-GRÜNEN. Der Einzug in den Landtag gelingt ihm 2010, und zwei Jahre später wieder bei der vorgezogenen Landtagswahl. "Vor zehn Jahren hätte ich gesagt, dass ich genau das machen will, was ich jetzt mache", sagt der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses.
    Man hat den Eindruck, dass er zufrieden ist, so als sei er endlich angekommen. Auch in anderer Hinsicht. Vor einiger Zeit hat er ein besonderes Coming-out gewagt. Erst die "Rheinische Post", dann die "taz" berichten über seine Partnerschaft mit Sven Lehmann, der von ihm den Grünen-Landesvorsitz übernommen hat. "Wir haben uns bewusst dazu entschieden, weil es öffentlich kaum bekannt war und weil wir Gerüchte vermeiden wollten", sagt Klocke. Man kann es wie eine Befreiung verstehen. Manchmal, wenn Arndt Klocke nach Vlotho reist, zurück in die Vergangenheit, dann freut er sich auf seine Heimat. Aber er ist auch erleichtert, dass er nicht geblieben ist.
    Kristian Frigelj

    ID: LI140423

  • Portrait: Daniela Jansen (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 26.03.2014

    Daniela Jansen muss noch ein wichtiges Gespräch führen, ehe sie den Weg in die Landespolitik einschlagen kann. Sie besucht die Kindertagesstätte ihrer Zwillingskinder und spricht mit den Erzieherinnen. "Sie haben zwei glückliche Kinder", bekommt die junge Mutter zu hören. Es ist der entscheidende Satz damals im März 2012. Die Sozialdemokratin wagt eine neue Herausforderung und lässt sich in Aachen als Direktkandidatin für den nordrhein-westfälischen Landtag aufstellen.
    Zwei Jahre ist dies nun her. Daniela Jansen sitzt im Foyer des Parlaments, trinkt Milchkaffee und erzählt aus einem erstaunlichen Leben. Die 36-Jährige trägt ein elegantes rotes Kleid und an einem gelben Band um ihren Hals den diesjährigen Orden des "Aachener Karnevalsvereins". Am Wochenende zuvor war Jansen unter den Festgästen, als FDP-Parteichef Lindner der "Orden wider den tierischen Ernst" verliehen wurde.
    Sie wird an diesem Abend beim närrischen Landtag dabei sein; Dutzende Prinzenpaare sind mit ihrem Gefolge gekommen und flanieren im Foyer umher. Daniela Jansen wird später mitfeiern, in Düsseldorf übernachten und am nächsten Tag an der Plenarsitzung teilnehmen. Zwei Tage wird sie ihre Kinder nicht sehen. Dann kümmert sich ihr Ehemann verstärkt um die Kleinen. Eine Kinderfrau und eine Babysitterin unterstützen die Familie an mehreren Nachmittagen.
    Frau Jansen wagt etwas: Kinder und Karriere, gleichzeitig. Ihre Eltern in Ennigerloh hadern zwar mit der Doppelbelastung ihrer Tochter; sie machen sich Sorgen, ob das alles so richtig ist. Doch sie selbst mag weder auf das eine noch auf das andere verzichten. Man kann auch sagen, Jansen will das Maximum aus ihrem Leben herausholen. "Ich bin sehr diszipliniert. Ich bin ein Kopfmensch, aber ich höre auf mein Bauchgefühl", sagt sie. Disziplin bedeutet bei ihr aber nicht, spaßfrei oder unlocker zu sein, sondern dass sie sich die Zeit für Spaß ebenfalls bewusst einteilt. "Wenn Karneval ist, dann bin ich eben auf Jück", sagt sie. Dann feiert sie. Sonst ackert sie wochentags von morgens bis abends in parlamentarischen Gremien. "Montag- und Freitagnachmittag halte ich mir frei für meine Kinder. Wenn dann eine Einladung kommt, muss ich leider absagen. Es ist wichtig, dass man sich die Zeit genau einteilt", sagt Jansen.
    Sie ist jemand, der sich rasch zurechtfindet. Sie wird in Dortmund geboren, wächst im Münsterland auf und studiert Sozial-, Politikund Medienwissenschaften in Düsseldorf. Eigentlich will sie Journalistin werden, doch in der Landeshauptstadt sieht sie zu wenige Chancen, Fuß zu fassen. Also jobbt die selbstbewusste Frau nebenher für Vodafone und betreut Premiumkunden.
    In dieser Zeit lernt sie ihren späteren Mann Björn kennen und da verändert sich wieder vieles. Sie schließt das Studium in Düsseldorf mit dem Bachelor ab, wechselt 2002 zur RWTH in Aachen und macht dort ihren Abschluss als Magistra Artium. Sie wird Projektmanagerin in der Regionalagentur Aachen, kehrt nach der Geburt ihrer Kinder rasch wieder ins Büro zurück.
    Mit Politik kommt sie früh in Berührung. Ihre Familie tickt sozialdemokratisch, ihre Großmutter ist seit über 40 Jahren Parteimitglied. Schon als kleines Mädchen demonstriert Jansen gegen Helmut Kohl mit. In die SPD tritt sie erst 2004 ein. Es geht dann alles recht schnell. Jansen lernt Politik im Eiltempo. Sie arbeitet bei Karl Schultheis im Landtag und im Aachener Büro der Bundestagsabgeordneten Ulla Schmidt.
    Sie kokettiert bei der Landtagswahl 2012 mit ihrem Debütantinnen-Status und wirbt als "frischer Wind" um Stimmen. Ihr gelingt ein großer Achtungserfolg: Sie erringt das Direktmandat in Aachen und setzte sich gegen den wesentlich bekannteren CDU-Landeschef Armin Laschet durch. Es muss auch eine Genugtuung für sie sein, weil sie in den vergangenen Jahren gesehen hat, wie Kinderlose in ihrem Alter leichter Karriere machen, weil sie auf weniger Belange Rücksicht nehmen müssen. Sie setzt sich deshalb dafür ein, Familie und Beruf besser miteinander zu verbinden. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen der SPD Aachen und des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation im Landtag.
    Nach ihrem erfolgreichen Einzug ins Landesparlament kümmert sich das Paar aktuell intensiv um die politische Karriere ihres Mannes. Björn Jansen kandidiert als OB-Kandidat in Aachen und fordert den christdemokratischen Amtsinhaber heraus. "Wir beraten und helfen uns gegenseitig", sagt Frau Jansen. Wenn die heiße Phase vor der Kommunalwahl im Mai startet, wird sie für ihn und die anderen SPDRatskandidaten wieder Wahlkampf machen. Und wenn es passt, dann nimmt sie ihre beiden Kinder einfach mit.
    Kristian Frigelj

    ID: LI140324

  • Porträt: Christian Möbius (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 19.02.2014

    Ein Rheinländer mit preußischen Tugenden? Für Christian Möbius ist das kein Widerspruch! "Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit" sind Eigenschaften, die der Christdemokrat besonders in seiner Funktion als Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses des NRW-Landtags praktiziert. "Ich will Dinge zu 100 Prozent gut erledigen", erklärt der Kölner sein Verständnis von der Aufgabe, den "wichtigsten Ausschuss im Landtag" zu leiten. "Ich behandle alle Fraktionen absolut gleich", erläutert der Ausschuss-Chef seine Aufgabe als unabhängiger Moderator mit politischem Fingerspitzengefühl. Fachwissen auch in Detailfragen und eine von Durchsetzungskraft geprägte Diskussionsleitung bringt der Christdemokrat als ausgebildeter Jurist mit, attestieren ihm Parlamentskollegen.
    Die Arbeit im Gremium bilde den "Querschnitt aller Politikbereiche" ab, befindet der 47-Jährige - und will die Einschätzung nicht als vordergründige Betrachtung gewertet wissen, dass Geld ohnehin die eigentliche Gestaltungskraft in der Gesellschaft sei. Mit Blick auf die Generationengerechtigkeit greift er die Verschuldungsproblematik auf, um das eigentliche Dilemma zu skizzieren: "Es geht irgendwann nicht mehr weiter", zeigt er das drohende Gespenst der Staatspleite auf, um zu betonen, dass die daraus resultierenden Verwerfungen besonders sozial Schwache treffen. "Die Starken können sich durchsetzen. Die finden Wege", weitet der Christdemokrat Aspekte der Finanzpolitik auf die soziale Frage aus.
    Das politische Bekenntnis setzt der Landtagsabgeordnete seit langem bei seinem praktischen ehrenamtlichen Engagement um: Als Vorstandsvorsitzender der Drogenhilfe Köln hat er konkret erfahren, was es bedeutet, dass ein Teil seiner Klientel "in der Gosse lebt und dringend Hilfe braucht". Die Menschen benötigten "eine Anleitung, um von der Sucht los zu kommen". Diese Unterstützung sei mit der Einhaltung ganz klarer Regeln verbunden, erläutert Möbius. Verantwortung für etwa 150 Mitarbeiter der Drogenhilfe verlange eine "sehr intensive Arbeit", die in Köln partei-übergreifend im Konsens bewältigt werde. Gegen den ausgeprägten gesellschaftlichen Strom schwimmt Möbius schon seit dem Start in seine politische Karriere, als er sich gegen den Nato-Doppelbeschluss wendet. Er schlüpfte damals in den 80er-Jahren in eine gewisse Einzelkämpferrolle, die er bis heute ausfüllt - und damit seinen Grundsätzen treu bleibt. Da hat er als junger Christdemokrat "fast isoliert Gegenpositionen vertreten" - und wohl auch gelernt, dass es richtig sein kann, sich gegen Mehrheitsmeinungen zu behaupten.
    Das bedeutet im Umkehrschluss keineswegs, dass er isoliert oder gar basisfern vorgeht: "Kontakte im Wahlkreis sind das A und O. Die sind extrem wichtig", beschreibt Möbius einen permanenten Austauschprozess mit den Bürgern. Ergebnis: 2005 hat er erstmals in dem "für die CDU nicht gerade einfachen Wahlkreis" in Köln das Direktmandat gewonnen. Den Sieg wiederholte er fünf Jahre später, aber beim Negativtrend 2012 reichte es nicht: Als 43. auf der CDU-Reserveliste zog er aber als letzter Christdemokrat wieder in den Landtag ein. Als bisher größten politischen Erfolg wertet Möbius seinen Beitrag für den politischen Kurswechsel, den das Bündnis von CDU und FDP von 2005 bis 2010 geschafft habe. Besonders die Absenkung der Neuverschuldung sei ein Erfolg gewesen, glaubt der Haushaltspolitiker. "Es reicht mir, wenn ich an der einen oder anderen Stelle einflussreich bin", will er die Machtfrage nicht überbewerten.
    Das Mandat hat für ihn höchste Priorität: "An Plenartagen nehme ich keine Termine an", berichtet der 47-Jährige. Dann ist er von den Fesseln des Ausschussvorsitzes befreit und kann seine Kenntnisse und Fähigkeiten als Fachpolitiker in die Debatten einbringen, Freude an der politischen Kontroverse im Diskurs erleben. Orientierung und Leitlinie seines Handelns ist die Idee des geeinten Europas mit einem "Leben in Frieden und Freiheit", als dessen Wegbereiter der Kölner die großen Christdemokraten Konrad Adenauer und Helmut Kohl sieht. Diese Errungenschaften, die für Wohlstand in Deutschland gesorgt hätten, werden aus seiner Sicht inzwischen "zu wenig wertgeschätzt" und als "zu selbstverständlich" erachtet. Natürlich ist der Kölner ein begeisterter Karnevalist, der besonders die Vielfalt des närrischen Treibens hervorhebt. Da sind die Besuche von 26 Sitzungen in der vergangenen Session keine Pflichttermine gewesen - und herrscht bereits Vorfreude darauf, beim Sonntagszug in Longerich wieder dabei zu sein.
    Früher war Möbius leidenschaftlicher Handballspieler, jetzt ist er engagierter Skifahrer. "Das Leben ist nicht ohne Risiko", kommentiert der 47-Jährige die aktuell prominente Liste der Verletzten dieser Sportart. Ein gewisser Mut zum überschaubaren Wagnis ist also selbst einem soliden Finanzpolitiker und (nur nebenbei tätigen) Juristen nicht fremd.
    Robert Vornholt

    ID: LI140222

  • Portrait: Günter Garbrecht (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 29.01.2014

    Günter Garbrecht ist Sozialpolitiker mit Leib und Seele. Das Schicksal von Menschen am Rande der Gesellschaft, von Armen und Alten, von Arbeitslosen, von Drogen- und Alkoholabhängigen, von AIDS-Kranken und Behinderten lässt dem Bielefelder Sozialdemokraten, Vorsitzender des Landtagsausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales, keine Ruhe. Mit mittlerweile 64 Jahren setzt er sich mit derselben Leidenschaft und demselben Elan für die ein, die sich selbst kaum äußern können und am dringendsten auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, wie zu Beginn seiner politischen Karriere.
    Dabei wird er sich nahezu jeden Tag aufs Neue bewusst, dass Sozialpolitik im Land bedeutet, dass ganz dicke Bohlen gebohrt werden müsssen. Die "Oberregulierer", wie er sie nennt, sitzen im Bundesministerium und im Bundestag in Berlin, da drüber noch die Eurokraten in Brüssel, für die konkrete Umsetzung sozialpolitischer Maßnahmen sind die Kommunen zuständig, "und das Land hängt als Zwitter irgendwo dazwischen". Es fehle an einer eindeutigen Zuordnung, alles sei miteinander verzahnt und verzweigt. Trotz dieser schwierigen Gemengelage ist Garbrecht stolz darauf, was seit seinem Eintritt in den Landtag vor fast 14 Jahren auf diesem Gebiet erreicht wurde, vor allem natürlich auf das, was die rot-grüne Koalition unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zunächst als Minderheitsregierung und seit 2012 mit stabiler Mehrheit bewegt hat. Nur wenig ist spektakulär, vieles hat nicht einmal den Weg in die Nachrichten gefunden, für die Betroffenen war es aber oft eine große Hilfe. Dabei geht es um eine bessere Infrastruktur bei der Pflege, die es alten Menschen ermöglicht, in ihrem vertrauten Zuhause zu bleiben, um eine bessere Finanzierung der Altenpflege, um den Beruf des Pflegers für junge Leute attraktiver zu machen, um konkrete Hilfen für Sucht- und Drogenkranke, die oft von der Politik ausgegrenzt werden, ein Politikfeld, das Garbrecht auch aufgrund seiner persönlichen Geschichte besonders nahe ist.
    Ein nach wie vor umstrittenes Gesetz, mit dem er sich als Ausschussvorsitzender intensiv beschäftigen musste, hat sogar sein eigenes Leben massiv verändert. Nicht zuletzt unter dem Einfluss des Nichtraucherschutzgesetzes der rot-grünen Koalition hat sich Garbrecht nach fast 50 Jahren intensiver Qualmerei zum Nichtraucher gewandelt, seit über zwei Jahren hat er keine der früher so geliebten schwarzen französischen Glimmstengel angefasst.
    Auf seine Vergangenheit als linker Gewerkschafter und leidenschaftlicher Kämpfer gegen die Notstandsgesetze ist Garbrecht heute noch so stolz, dass er am liebsten rote Schlipse und rote Hosenträger trägt. Ein Parteisoldat, der alles gut findet, was Vorsitzende und Vorstände verkünden, ist er dabei nie gewesen. Noch heute regt er sich über die geschönten Statistiken zur Ausbildungssituation junger Leute auf, und dabei ist es ihm egal, ob sie von seinen Parteifreunden Andrea Nahles im Bund oder Guntram Schneider im Land verkündet werden. "Schönfärberische Reden kann ich auf den Tod nicht ausstehen, egal, wer sie hält." Politik kann nur erfolgreich sein, wenn sie die Fakten so zur Kenntnis nimmt, wie sie wirklich sind, und nicht sich und anderen etwas in die Tasche lügt, ist er überzeugt.
    Mehrfach ist der in seiner Heimatstadt Bielefeld fest verankerte Sozialpolitiker gefragt worden, ob er nicht für den Bundestag kandidieren wolle. Doch das kam für Garbrecht nie infrage, die Luft im politischen Klima der Bundeshauptstadt ist ihm zu dünn. Vor 14 Jahren war er aus der Schichtarbeit in einem Unternehmen der Metallindustrie in den Landtag gewechselt, damit nicht nur Gewerkschaftssekretäre, sondern auch Arbeiter von der Werkbank und somit Arbeitnehmerinteressen in der Landespolitik vertreten sind. "Im Landtag kann man sich noch immer erden, das ist im Bundestag schon sehr viel schwieriger", ist Garbrecht überzeugt. Auf den Fluren des Landesparlaments ist Garbrecht mittlerweile eine Art Institution, Freunde hat er in allen Fraktionen und respektvoll reden auch die von ihm, die seine politischen Überzeugungen nicht teilen. Unüberhörbar ist der Bielefelder auf jeden Fall, seine markante Stimme ist auch dann zu vernehmen, wenn die Mikrofonanlage ausfällt. Trotz aller Sympathie und Wertschätzung, die ihm entgegengebracht werden, ist für ihn mit Ende der Legislaturperiode unwiderruflich Schluss, mit dann 67 Jahren will er 2017 nicht noch einmal für den Landtag kandidieren. Dann will er die Bücher lesen, für die er jetzt nur selten Zeit hat, dann will er häufiger zu Hause am Herd stehen und seine Freunde mit selbstgemachter Marmelade überraschen. Ganz ohne ehrenamtliches Engagement im Bereich der Sozialpolitik wird es dann allerdings auch nicht gehen.
    Peter Jansen

    ID: LI140123

  • Portrait: Monika Pieper (PIRATEN).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 11 - 19.12.2013

    Monika Pieper merkte kürzlich wieder, wie schnell man anecken kann, als sich die Landtagsverwaltung meldete. Ein Abgeordneter der Piratenfraktion hatte das Gesicht des NSA-Whistleblowers Edward Snowden ans Büro-Fenster geklebt, so dass man es von außen sehen konnte. Allerdings vertrug sich dies nicht mit der Hausordnung. Also wurde die Kopie wieder abgenommen. Monika Pieper hat als parlamentarische Geschäftsführerin viel gelernt über Usancen im Parlament, auch dass es Beschwerden gibt, wenn man einen kleinen rosa Tannenbaum ins Fenster stellt. "Ich glaube, dass kaum einer von uns eine realistische Vorstellung davon hatte, was uns hier erwartet", sagt Pieper und fügt hinzu: "Ich finde es schwierig, etwas zu verändern. Das System ist extrem starr."
    Man kann überhaupt darüber staunen, dass die 50-Jährige als Abgeordnete der PIRATEN-Partei im Landtag sitzt. Eine solche politische Karriere wäre in den meisten Parteien kaum denkbar. Die Studien- und Berufskoordinatorin an einer Förderschule in Bochum interessiert sich seit jeher für Politik; in der Studienzeit tendierte sie als Gegnerin des Nato-Doppelbeschlusses zu den Grünen. Doch die etablierten Parteien wirkten auf sie befremdlich, weil sie keine Möglichkeit sah, mitzugestalten und nicht zu den "Abnickern" gehören wollte.
    Dann schrieb ihr jüngerer Sohn in der Schule eine Facharbeit über die PIRATEN-Partei. Sie wurde neugierig und besuchte den ersten Landesparteitag in Gelsenkirchen im Januar 2010. "Da war so eine Aufbruchstimmung. Da war so eine Kraft. Das hat mich fasziniert", erinnert sich Pieper. Sie fühlte sich wohl, obwohl sie nicht den Klischees entspricht: "Ich bin weder Computer-Nerd noch jung und männlich." Sie schwärmt vom intensiven Austausch, vom basisdemokratischen Prinzip. "Ich sehe wieder einen Hoffnungsschimmer am politischen Himmel in Deutschland", steht in ihrem Online-Lebenslauf. Sie trat bei den PIRATEN ein, gründete den Bochumer Kreisverband, organisierte Infoveranstaltungen. 2010 misslang den Neulingen das Debüt im Landesparlament. Die nächste Chance bot sich unverhofft zwei Jahre später. Pieper unterrichtete an jenem 14. März 2012, als der Schulleiter mittags erzählte, dass sich der Landtag aufgelöst hatte. "Das ist jetzt Deine Chance", sagte er. Sie überlegte eine Woche, vieles sprach für eine Kandidatur. Günstiger konnte die Zeit nicht sein; ihre beiden Söhne waren erwachsen geworden; sie wollte etwas Neues ausprobieren. Etwas wagen. Pieper wurde auf Platz 8 der Landesliste aufgestellt und machte Wahlkampf. Die PIRATEN bekamen 7,8 Prozent und Pieper zog mit 19 Mitstreitern in den Landtag ein.
    Nun wollten sie alles anders machen, so, wie sie es auf den Plakaten versprochen hatten: "Klarmachen zum Ändern." Doch erst einmal hatten sie genug damit zu tun, die Abläufe zu verstehen. Pieper wurde schulpolitische Sprecherin und übernahm als parlamentarische Geschäftsführerin die wohl anstrengendste Aufgabe einer Fraktion. "Das ist manchmal schon ein Hamsterrad und man hat wenig Zeit innezuhalten. Man muss auf sich achten, sonst verbrennt man", sagt Pieper. Es bleibt nur noch wenig Zeit für ihre private Krimi-Bibliothek. Bis zu 80 Stunden arbeitet sie in der Woche, aber ihr gefällt es, dass sie einen Einblick in alle politischen Bereiche bekommt. Sie hat ja auch einen größeren Aufwand als Amtskollegen, weil die PIRATEN Fraktionssitzungen im Internet übertragen. Außenstehende dürfen mitreden, und so kann es fünf bis sieben Stunden dauern. Der Anspruch der totalen Transparenz lässt sich im Alltag nur mit größter Mühe durchhalten. "Man kann auch über einen Informations-Overflow eine Desinformation herbeiführen", sagt Pieper selbstkritisch. Sie beklagt zudem Defizite im parlamentarischen Alltag. "Im Moment gibt es eine große Enttäuschung bei uns darüber, dass es bei den anderen Fraktionen häufig nicht um die Sache geht. Es steht Parteipolitik im Vordergrund." Sie erzählt von Abgeordneten anderer Fraktionen, die bestimmte Dinge genauso sähen wie die PIRATEN, aber aus Fraktionsdisziplin anders abstimmten. Bei ihr hat sich eine wichtige Erkenntnis durchgesetzt: "Erst einmal muss man das Spiel kennen, um die Regeln brechen zu können." Deshalb ließ sie doch noch einen Tannenbaum aufstellen. Kein kleines rosa Exemplar auf dem Fenstersims; im Fraktionsfoyer steht jetzt ein großer Tannenbaum in Pink. Für Monika Pieper ist es wie ein kleiner Sieg über das Establishment. Im nächsten Jahr soll es auch eine Ausstellung über Edward Snowden geben. "Wir holen Snowden zurück in den Landtag", sagt Monika Pieper und lächelt zufrieden.
    Kristian Frigelj

    ID: LI131121

  • Rasche, Christof (FDP)
    Portrait: Christof Rasche (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 27.11.2013

    Christof Rasche kann kämpfen. Als Handballspieler hat er im 25-jährigen Einsatz früh gelernt, Siege und Niederlagen gleichermaßen verkraften zu können. Besondere Nehmer-Qualitäten sind seit dem Rauswurf der FDP aus dem Bundestag gefragt. Neben seinem Amt als Parlamentarischer Geschäftsführer (PG) der FDP-Landtagsfraktion muss der Erwitter nun als "rechte Hand" von NRW-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner den Wiederaufbau der Partei mitgestalten.
    Wie soll die angestrebte Renaissance der FDP funktionieren? Rasche setzt auf eine "Jetzt-erstrecht- Strategie" und auf liberale Tugenden wie Freiheit, Sparsamkeit, Glaubwürdigkeit, Solidität und parteiinterne Geschlossenheit. Diese Aspekte des "Projektes 2017" verdeutlichen zugleich, wo es bei den Liberalen jüngst Defizite gegeben hat. Die FDP-NRW-Landtagsfraktion ist eine wichtige Basis für den angestrebten Wiedereinzug in den Bundestag in vier Jahren. Eine stärkere Akzentuierung der liberalen Inhalte mit einer verschärften Abgrenzung zu den Positionen der CDU sind die Folge.
    Dass der FDP-PG ein freundschaftliches Verhältnis zum liberalen Hoffnungsträger hat, dürfte dabei dienlich sein: "Wir kennen uns seit 2000. Er hat mich ausgesucht." Seine wichtigsten Aufgaben als noch vergleichsweise junger Amtsinhaber sieht er in der "Koordination und Kommunikation". Zuchtmeister der Fraktion mag der 51-Jährige nicht sein."Ich bin kein Jurist. Ich löse die Fragen lieber mit gesundem Menschenverstand", beschreibt Rasche seine Arbeitsweise möglichst abseits von Paragrafen und Geschäftsordnungen. Der PG-Runde bescheinigt Rasche eine "konstruktive Zusammenarbeit": "Das gute Miteinander führt zur gegenseitigen Stärkung", kommentiert er das Miteinander im wichtigen parlamentarischen Gremium.
    Als Neuling startete Rasche im Jahr 2000 seine Tätigkeit im Landesparlament, fünf Jahre später wechselte er von der Oppositions- in die Regierungsrolle. Unter der rot-grünen Minderheitsregierung sei seine Funktion "eine Art Mischung" gewesen, ehe der Abschied von der Macht kam. "Ich habe mich nicht aufgedrängt", macht Rasche deutlich, dass Geduld, Beharrlichkeit und Einsatz wichtige Tugenden in der Politik sind. Als er nach nur zweijähriger Landtagszugehörigkeit zum Vize-Fraktionschef sowie Sprecher für Bau, Verkehr und Sport aufgerückt sei, habe er erfahren, was es bedeutet, ins kalte Wasser gestoßen zu werden. Ähnlich spontan startete Rasche in die Politik: Als sein Vater nach 20-jähriger Funktion als CDU-Vorsitzender ausschied und sich sein älterer Bruder den Liberalen zuwandte, folgte er dem politischen Richtungswechsel. Seit 1980 ist er FDP-Mann. Seit 2004 ist Rasche Mitglied des Landesvorstands, vor drei Jahren übernahm er den Vorsitz des FDP-Bezirksverbands Westfalen-Süd.
    Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat ihn dann vor drei Jahren die zufällige, aber noch rechtzeitige Entdeckung einer schweren Krankheit getroffen: "Mir geht es klasse", schildert der inzwischen wieder verheiratete Vater eines erwachsenen Kindes jetzt erleichtert. "Man wird gelassener und lebt intensiver", schildert er seine Konsequenzen aus der zwischenzeitlich beängstigenden Lage. Mittlerweile hat er die Gefahr gemeistert, wie jüngste medizinische Untersuchungen belegen. Der Heilungsverlauf sei "optimal" gewesen, somit ist die beunruhigende Ungewissheit vorüber.
    Glaubwürdigkeit, sachliche und verlässliche Arbeit sowie die Fähigkeit, mit allen reden zu können, hält Rasche für die wichtigsten Ziele seines Engagements. "Für mich ist Politik auch eine Charakterfrage", hält er eine "solide Finanz-, rationale Energie- und eine aktive Infrastrukturpolitik" für die Voraussetzungen, um für Arbeitsplätze und Wohlstand in NRW zu sorgen. Sein besonderes Interesse gilt der Verkehrspolitik: Engpässe auf Schienen und Straßen müssten dringend beseitigt werden, fordert der Liberale.
    Ein Beispiel dafür, wie sehr Rasche mit seinem regionalen Umfeld verwurzelt ist, wurde im Juni beim zwischenzeitlich verhinderten Einsatz der Erwitter Feuerwehrleute in der vom Hochwasser betroffenen Partnerstadt Aken deutlich: Er nutzte seine guten Kontakte zu Innenminister Ralf Jäger (SPD), um eine schnelle und unbürokratische Lösung für die Feuerwehrleute zu ermöglichen, zugleich griff er den Konflikt politisch auf, um im Landtag kritische Aspekte der Koordinierung des Hilfseinsatzes zu beleuchten. Nicht markige Worte, sondern eher leise Töne schlug der 51-Jährige an, um die zwischenzeitlich verfahrene Situation zu entkrampfen. Ein Beleg dafür, dass parlamentarische Kärrnerarbeit letztlich zum Ziel führt.
    Robert Vornholt

    ID: LI131023

  • Portrait: Sigrid Beer (Grüne).
    Porträt
    S. 18 in Ausgabe 9 - 16.10.2013

    Sigrid Beer ist Parlamentarische Geschäftsführerin der 29-köpfigen Landtagsfraktion der Grünen - doch die Leidenschaft der 57-Jährigen bleibt ihr Fachgebiet: die Schulpolitik. "Daran hängt mein Herz", sagt die Diplom-Pädagogin. Der Kampf um die erste Gesamtschule in ihrer Heimatstadt Paderborn hat Beer in die Politik gebracht.
    Ab 1989, nach der Geburt ihres dritten Kindes, engagierte sie sich in einer Elterninitiative - und die hatte nach nur neun Monaten Erfolg: "Eine auslaufende Hauptschule, deren Gebäude übernommen werden konnte, hatte nur 17 Anmeldungen. Die Gesamtschule, für die wir geworben haben, hatte dann 180."
    Die Zahlen hat Beer, die an der Gesamthochschule Paderborn Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie ebenso studiert hat wie evangelische Theologie, auch 24 Jahre später parat. Denn vom Konzept des gemeinsamen Lernens ist die Grüne überzeugt: Schule solle die Demokratie stärken, argumentiert die Mutter zweier Töchter und eines Sohns. "Die Gesamtschule schule hält Bildungswege offen, sorgt für mehr Bildungsgerechtigkeit." Wer Jugendlichen dagegen signalisiere, für sie gebe es "keinen Platz, keine Chance", der treibe die Enttäuschten "rechten Rattenfängern" in die Arme.
    Als konservativ beschreibt sich die Ostwestfälin trotzdem - als "wertkonservativ", betont sie. "Ich komme aus einer der beiden K-Gruppen", sagt Beer lächelnd mit Blick auf die 68er-Vergangenheit vieler Grüner. Die Christin, seit 2010 nebenamtliches Mitglied der Leitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, arbeitet seit Jahrzehnten in kirchlichen Gruppen mit. Mit Werten wie Menschenwürde, Solidarität, die Erhaltung der Umwelt begründet Beer ihr Engagement - zuerst 1994 als Sachkundige Bürgerin im Bezirksausschuss von Paderborn-Elsen: "Das war meine erste Begegnung mit politischen Gremien."
    Parteimitglied ist Beer seit 1999. "Wegen des Themas Bildungsgerechtigkeit hatte ich das Gefühl, bei den Grünen richtig zu sein." Im gleichen Jahr zog sie in den Paderborner Rat ein, war 2004 und 2009 Bürgermeisterkandidatin. 2005 glückte der Sprung in den Landtag. In Düsseldorf landete sie nach Jürgen Rüttgers‘ Wahlsieg prompt in der Opposition - ein Gefühl, das sie als evangelische, grüne Frau aus der katholischen Bischofsstadt kennt. Paderborn sei aber längst nicht so "miefig" wie sein Klischee, findet sie: Die Uni und viele neue Unternehmen hätten dafür gesorgt, dass die Stadt noch immer wachse, es auch "andere Lebensentwürfe" gebe.
    "In Düsseldorf habe ich trotzdem einen Migrationshintergrund", lacht die Politikerin, die von montags bis freitags im Gästehaus des Landtags an der Düsseldorfer Wasserstraße übernachtet. Ihre erste Karnevalsrede hat Beer im Parlament gehalten. In Westfalen gebe es mit den Schützenfesten eben eine "andere Art von Geselligkeit". Mitglied im Schützenverein wie etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist sie aber nicht: Anders als der Realo versteht sich Beer als "Zentristin", die das Lagerdenken innerhalb der Partei bedauert.
    Für ihre Wahl zur Parlamentarischen Geschäftsführerin 2010 war das gute Voraussetzung. Natürlich kennt Beer den Begriff "whip", also "Peitsche", mit dem die Parlamentarischen im angelsächsischen Raum oft bezeichnet werden. Ernsthaft anfangen kann Beer mit dem Begriff aber nichts. "Das steht für keinen modernen Führungsstil", wehrt sie ab. Führen will sie die Fraktion stattdessen auf einer "Vertrauensbasis" mit "offener Kommunikation".
    Erleichtert wird das durch die schwindende Spaltung der NRW-Grünen in Linke und Realos. "Wir sind eine Fraktion, machen gemeinsam Politik", wirbt die Parlamentarische für "grüne Eigenständigkeit". Fast scheint es, als trauere Beer der Zeit der rot-grünen Minderheitsregierung ein wenig hinterher: Nicht zuletzt der Schulkonsens habe mit Einführung der Sekundarschule gezeigt, dass "alte Grabenkämpfe" auch zwischen den großen politischen Lagern beigelegt werden könnten. "Ich bedauere, dass diese Offenheit nicht mehr da ist", sagt Beer.
    Einer schwarz-grünen Bundesregierung gibt sie aktuell dennoch kaum eine Chance. Zu groß sei die "Lagerorientierung" zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb im Wahlkampf gewesen. Für ein schwarz-grünes Bündnis müsste die Union unverhandelbare Positionen etwa beim Betreuungsgeld räumen, den Grünen bei der Förderung erneuerbarer Energieträger weit entgegenkommen. Schwarz-Grün gefährde aber auch die "Glaubwürdigkeit" ihrer eigenen Partei: Nach einem dezidiert linken Wahlkampf, findet Beer, könnten die Grünen jetzt das Thema "soziale Gerechtigkeit nicht einfach über Bord werfen".
    Andreas Wyputta

    ID: LI130921

  • Portrait: Lutz Lienenkämper (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 25.09.2013

    Moderator, Motivator oder Mediator? Als Parlamentarischer Geschäftsführer (PGF) der CDU-Landtagsfraktion muss Lutz Lienenkämper gleich mehrere Rollen ausfüllen. "Mein Ziel ist es, zusammenzuführen. Jeder Fraktionsabgeordnete soll sich wiederfinden können", beschreibt der 44-Jährige seine Hauptaufgabe. Die 67 CDU-Abgeordneten bildeten ein "individualistisches Kollektiv" im Parlament, das eine schlagkräftige Einheit sein müsse, befindet der PGF.
    In dieser Funktion hat er nicht nur die Einzelinteressen der Fraktionsmitglieder mit den Aufgaben der größten Oppositionsgruppe auf einen Nenner zu bringen: Als Parlamentarischer Geschäftsführer interpretiere er die Rolle der gewählten Abgeordneten frei, will deren Spielraum nicht gravierend einengen. In seiner Funktion sei er dem Parlamentarismus besonders verbunden, erläutert er sein Selbstverständnis.
    Moderierend und motivierend sei er zu jeweils 40 Prozent tätig, Vermittlungsaufgaben prägten nur ein Fünftel seiner Tätigkeit, zeichnet Lienenkämper das Bild einer gefestigten und schlagkräftigen CDU-Truppe.
    Seit 2005 ist er Landtagsabgeordneter, wurde schnell Sprecher seiner Partei im Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, ehe er als Nachfolger von Oliver Wittke den Posten des NRW-Verkehrs- und Bauministers übernahm. "Die freie Zeit außerhalb eines Ministeramtes ist größer", sieht sich der gelernte Rechtsanwalt in der heutigen Funktion mit weniger Pflichtterminen, - gleichwohl wissend, was der schwarz-gelbe Machtverlust 2010 bedeutet: Das Los jeder Oppositionsfraktion - weniger Gestaltungskraft mit geringeren Erfolgsaussichten. Nach dem Regierungswechsel knüpfte der in Köln geborene und jetzt in Meerbusch lebende Christdemokrat an seine Tätigkeit als Mittelstandspolitiker an und rückte als Vize-Fraktionsvorsitzender in die politische Führungsspitze vor. Obwohl er der engste Mitarbeiter von CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann ist, sieht er sich nicht als dessen rechte Hand, sondern als dessen Ergänzung. Das menschliche Miteinander mit Laumann bezeichnet er als "extrem gut" und das Vertrauen untereinander als "ausgeprägt". Dabei muss er immer wieder seiner PGF-Funktion gehorchend bereit sein, auf öffentlichkeitswirksame Auftritte zu verzichten. Bei der CDU-Doppelspitze im Lande bleibt "für die Kommunikation wenig Platz, aber für die inhaltliche Arbeit viel Raum", wertet er die Zusammenarbeit von Laumann und CDU-Landeschef Armin Laschet als Verstärkung des Aktionsrahmens der CDU.
    "Bei jedem erzwungenen Wechsel geht Qualität verloren", bedauert Lienenkämper, dass die CDU-Fraktion wegen des schlechten Abschneidens bei der Landtagswahl 2012 auf bewährte Kräfte verzichten muss. Andererseits sei es eine große Chance, dass CDU-Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet über die Reserveliste, die 2005 und 2010 nicht gezogen hat, wieder im Parlament sitzen. "Ein ganzer Bezirk wurde damals nicht im Parlament repräsentiert."
    Nach achtjähriger Parlamentserfahrung weiß Lienenkämper, welche Hilfestellungen insbesondere für neue Abgeordnetenkollegen wichtig sind. Und wie das Verhältnis zu den politischen Mitbewerbern ist. "Da kennt jeder seine Aufgaben", beschreibt er das Zusammenwirken in der Runde der fünf Parlamentarischen Geschäftsführer, in der übrigens keine Vertretung erlaubt ist. Es gebe ein "professionelles Verhältnis" untereinander - schließlich wisse jede(r), welche Rolle auszufüllen sei.
    Und was ist die "Marke Lienenkämper"? "Im Leben trifft man sich nicht nur zwei Mal", lautet sein Grundsatz. Er sieht sich als Politiker, der unterschiedliche Standpunkte zusammenführen kann und dabei gesellig und jovial agiert. Es müsse eine Diskussionskultur geben, aus der man nach einer Niederlage ohne Gesichtsverlust in eine neue Auseinandersetzung gehen kann. In Sachfragen hart, im Umgang kollegial - das ist der Stil, den der Rheinländer bevorzugt. "Wir arbeiten alle für das gleiche Land und die gleichen Menschen", betont der Christdemokrat die Bedeutung gemeinsamen Handelns. "Kein Problem kann so groß sein, dass man sich dafür die Köpfe einschlägt."
    Diese Einschätzung überrascht nicht, denn der 44-Jährige liebt die Ästhetik. Die habe Vorrang vor Schnelligkeit. Das bezieht er auch auf die Leidenschaft, schöne und schnelle Sportwagen zu fahren. Da ist Lienenkämper Genießer, denn als Schrauber legt er selbst keine Hand an schöne Autos. Man muss die eigenen Grenzen kennen.
    Robert Vornholt

    ID: LI130823

  • Portrait: Marc Herter (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 24.07.2013

    Ein rotes Rennrad und eine Kuriertasche hängen an der Wand neben der Bürotür. Marc Herter blickt direkt darauf, wenn er an seinem Schreibtisch sitzt. Das Vehikel stammt aus seiner Jugendzeit und erinnert ihn an den Landtagswahlkampf 2010. Damals ist der Sozialdemokrat von seiner Heimatstadt Hamm nach Düsseldorf geradelt und hat Bürgerwünsche eingesammelt. Das Rennrad könnte ihn auch ans Tempo seiner politischen Karriere erinnern: Herter hat in seinen drei ersten Jahren als Landtagsabgeordneter eine erstaunliche Wandlung vollzogen.
    Es lässt sich an den Plenar- und Ausschussdebatten erkennen, dass der 39-Jährige ein anderer Abgeordneter geworden ist. Es gab für ihn seit 2011 nur noch wenige Gelegenheiten, ans Rednerpult zu treten. Als der Landtag jüngst das novellierte Abgeordnetengesetz beriet und verabschiedete, war der junge Sozialdemokrat wieder häufiger im Plenum zu vernehmen. Herter ist als parlamentarischer Geschäftsführer (PGF) Herr der unsichtbaren Abläufe in der SPDFraktion geworden. Seine meiste Arbeit verrichtet er im "Maschinenraum", wie er selbst sagt.
    Das muss ein selbstbewusster Politiker erst einmal können: sich lieber in den Dienst der anderen zu stellen und seine eigene Präsenz zurückzunehmen. Fraktionsmanager Herter hat dafür zu sorgen, dass der Vorsitzende Norbert Römer und die übrigen 97 sozialdemokratischen Parlamentarier angemessen zur Geltung kommen und die Regierungslinie gewahrt wird. "Ich sehe auch weiterhin meine Schwerpunkte in der Kommunal- und Haushaltspolitik, aber ich bin jetzt vor allem für die organisatorischen und strategischen Aufgaben in der größten Fraktion zuständig. Als PGF muss man sich mit allen Themen befassen. Man wird zum Generalisten", sagt Herter.
    Sein Einfluss lässt sich weniger an Redebeiträgen und Schlagzeilen messen, sondern eher an einer anderen Besonderheit: Unter jedem SPD-Fraktionsantrag, der im Parlament gestellt wird, steht auch sein Name. Er koordiniert und kontrolliert gewissermaßen als letzte Instanz im Benehmen mit der Fraktion. Es gibt noch einen anderen Maßstab für den Erfolg eines PGF: die Geschlossenheit in der Fraktion. Herter kennt Eigenheiten, Spezialitäten, Sorgen und Nöte seiner Fraktionskollegen. Er ist Vermittler zwischen Führung und einfachen Abgeordneten. "Wir diskutieren offen in der Fraktion, hier kann jeder seine Position einbringen und wir bilden uns unsere Meinung. Am Ende gehen wir dann geschlossen in die parlamentarische Abstimmung", sagt Herter. Die öffentlich umstrittene Nullrunde für höhere Beamte war solch ein exemplarisches Thema, bei dem einige Abgeordnete intern ihr Unwohlsein bekundeten, aber die Regierungslinie nicht anzweifelten.
    Herter nennt zwei maßgebliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen PGF: "Für mich zählen Verbindlichkeit und Verlässlichkeit im Umgang miteinander. Das gilt auch gegenüber den anderen Fraktionen." Er ist darin talentiert, einen pragmatischen Umgang zu pflegen, ohne seinen Überzeugungen untreu zu werden. Man kann mit ihm leicht ins Plaudern geraten, aber er kann auch mit höflicher Bestimmtheit zum Ende kommen, wenn der nächste Termin drängt. Als Fraktionschef Römer 2011 einen Amtsnachfolger für die Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Altenkamp suchte, kam Herter gleich in Betracht. Er war ein Parlamentsneuling, doch vieles sprach für ihn. Herter und Römer kennen sich seit Jahren aus Hamm. Herter eilt der Ruf voraus, loyal und fleißig zu sein und sich ausdauernd in komplizierte Themen einarbeiten zu können. Seine Loyalität zur Ministerpräsidentin und SPD-Landeschefin hat er ebenfalls bewiesen: Als Hannelore Kraft nach der Landtagswahl 2010 zauderte, eine Minderheitsregierung einzugehen, da verteidigte Parteivize Herter dies in der SPD, und er begründete genauso überzeugt ihren Kurswechsel wenige Tage später.
    Herter hat, gemessen an seinem Alter, reichlich politische Erfahrungen gesammelt, als Juso-Landeschef, Fraktionschef im Stadtrat Hamm und stellvertretender Landesvorsitzender der NRW-SPD. Er kennt die politische Arbeit im Tal, im Basislager und in der hohen Landespolitik. Nun hat sich Herter der Arbeit im Maschinenraum der parlamentarischen Macht verpflichtet. Es sieht alles danach aus, dass ihm noch eine aussichtsreiche politische Zukunft bevorsteht. Das rote Rennrad an seiner Bürowand ist jedenfalls fahrtüchtig.
    Kristian Frigelj

    ID: LI130722

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Die Fraktionen im Landtag NRW