Es sei die grundlegende Aufgabe des Staates, Kinder und Jugendliche vor Gewalt und Machtmissbrauch zu schützen, heißt es in dem Gesetzentwurf (18/10933) der Landesregierung. Aus diesem Grund solle bei dem „für Kinder und Jugend zuständigen Ministerium“ die Stelle einer oder eines unabhängigen Kinderschutzbeauftragten geschaffen werden. Aufgabe dieser Person sei es, die Bedeutung der Themen Kinderschutz und Kinderrechte gesamtgesellschaftlich hervorzuheben und die Handlungssicherheit aller Beteiligten zu erhöhen. Die notwendigen finanziellen Mittel für die Personal- und Sachausstattung stelle das Land nach Maßgabe des Haushalts zur Verfügung.
Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in NRW begrüßte den Gesetzentwurf und befürwortete den umfassenden Ansatz, bei der Aufgabenwahrnehmung alle Formen von Gewalt, Vernachlässigung und Machtmissbrauch zu betrachten Eine Beauftragte oder einen Beauftragten für beides – Kinderschutz und Kinderrechte – einzusetzen, trage einem erweiterten Blick auf den Kinderschutz Rechnung. So würden „Kinder und Jugendliche als eigenständige Träger von Schutz-, Förder-, und Beteiligungsrechten respektiert“. Wichtig sei, dass die vorgesehenen finanziellen Mittel nicht zulasten anderer Landesförderungen im Kinderschutz gingen.
Die Unabhängigkeit der/des Beauftragten thematisiert die Stellungnahme der Ombudschaft Jugendhilfe NRW. Sie äußerte sich positiv zum Gesetzentwurf, regte aber an, dass es einer Definition des Begriffes „unabhängig“ bedürfe. In diesem Kontext müsse deutlich werden, woran Kinder und Jugendliche die Unabhängigkeit der/des Beauftragten erkennen könnten.
„Mehr Durchsetzungskraft“
Der Kinderschutzbund Landesverband NRW zeigte sich erfreut, dass den Kinderrechten mit der neuen Stelle mehr Durchsetzungskraft verliehen werde. Allerdings heißt es in der Stellungnahme auch, dass sich die/der unabhängige Beauftragte möglichst sinnvoll in die bestehenden Strukturen des Kinderschutzes einfügen sollte. Auf diese Weise sei die Handlungsfähigkeit des Systems gewährleistet. „Doppelstrukturen oder gar Konkurrenzen“ würden so vermieden. Notwendig sei zum Beispiel, dass die Zusammenarbeit der/des Beauftragten mit den Kommunen klar formuliert werde. Problematisch sei es hingegen, die freien Träger nicht explizit zu erwähnen. Angesichts ihrer wichtigen Rolle sei es nicht angemessen, sie „unter zivilgesellschaftlichen oder sonstigen Akteuren zu subsumieren“.
Susann Rüthrich, die sächsische Kinder- und Jugendbeauftragte, sah Vorteile darin, dass ein Beauftragter oder eine Beauftragte für den Kinderschutz den Fokus ausschließlich darauf legen könne, Kinderrechte und Kinderschutz umzusetzen. In diesem Zusammenhang betonte Rüthrich die Bedeutung des Individuums: Die Identifikation mit einer Person gebe „dem Thema …ein ‚Gesicht‘“. Besonders für Kinder und Jugendliche sei es einfacher, sich an eine klar benannte Person zu wenden als an eine Regierung oder Abgeordnete“. Darüber hinaus sei es ihrer Erfahrung nach wichtig, zum einen den politisch Handelnden die Betroffenheit junger Menschen bewusst zu machen. Zum anderen solle die Perspektive junger Menschen in die Verfahren einfließen, so die Beauftragte.
Diesen Punkt hob auch der Landesjugendring NRW hervor. Die Stelle einer oder eines unabhängigen Beauftragten zu schaffen, sei ein „elementarer Baustein zur Prävention von Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen“. Allerdings sei die Beauftragung der im Kinderschutz zuständigen Personen eng mit dem Aktionsplan Jugendbeteiligung abzustimmen. Die Beteiligung junger Menschen sei „von Anfang an und auf allen Ebenen sicherzustellen“.
Multiprofessionelles Beratungsgremium
Die Leiterin des Kompetenzzentrums Kinderschutz im Gesundheitswesen der Uniklinik Köln, Professorin Sibylle Banaschek, riet, der/dem Beauftragten ein multiprofessionelles Beratungsgremium an die Seite zu stellen. Es sei wünschenswert, wenn die/der Beauftragte nicht nur Aspekte wie Kita und Schule in den Blick nähme, sondern auch die Sicherstellung adäquater medizinischer Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Eltern bedürften zunehmend Unterstützung in der Gesundheitsfürsorge. Beobachtet werde zum Beispiel, dass Eltern grundlegende Anforderungen in der Gesundheitsfürsorge zunehmend nicht mehr genügten.
Kerstin Claus, die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, regte an, ein spezifisches Augenmerk auf sexualisierte Gewalt zu richten. Noch immer werde sexualisierte Gewalt besonders im Nahraum von Kindern und Jugendlichen zu selten für möglich gehalten. Entsprechend werde Hinweisen nicht ausreichend nachgegangen. Das Thema „sexualisierte Gewalt“, heißt es in der Stellungnahme, sollte daher im Titel verankert und die Stellenbezeichnung geändert werden in: „‚Die Unabhängige Beauftragte für Kinderrechte, Kinderschutz und gegen sexuellen Kindesmissbrauch‘ oder ‚Der Unabhängige Beauftragte für Kinderrechte, Kinderschutz und gegen sexuellen Kindesmissbrauch des Landes Nordrhein-Westfalen‘“.
Grundsätzliche Kritik äußerte die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände. Zwar sei es richtig, den Kinderschutz weiterzuentwickeln. Aus kommunaler Sicht überwögen jedoch „im Sinne eines übersichtlichen und effizienten Hilfesystems“ die Bedenken. Die Stelle einer/eines Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte zu schaffen, könne den Eindruck erwecken, dass Verantwortung delegiert werde. Der Schutz von Kindern und die Förderung ihrer Rechte sei aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese könne nur durch ein „gemeinsames Engagement aller Akteurinnen und Akteure erfolgreich umgesetzt werden“.
Text: rüc