Die Landesregierung müsse im Kampf gegen Clankriminalität stärker auf das Instrument der „Vermögensabschöpfung“ setzen, heißt es im Antrag (18/6762). Dem aktuellen polizeilichen Lagebild zur Clankriminalität zufolge hätten Clanmitglieder in Nordrhein-Westfalen allein 2022 insgesamt 6.573 Straftaten verübt. Lediglich in 24 Fällen seien vermögensabschöpfende Maßnahmen erfolgt und Werte in Höhe von 2,5 Millionen Euro beschlagnahmt worden. Die Summe sei „angesichts der Millionengewinne, die die Clans mit ihren kriminellen Geschäften“ erwirtschaften, „lächerlich gering“, schreibt die FDP-Fraktion.
„Bewertung voreilig“
„Diese Bewertung erscheint voreilig“, entgegnet Oberstaatsanwalt Dr. Daniel Vollmert in seiner schriftlichen Stellungnahme für den Ausschuss. Vollmert leitet bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen.
Das Lagebild des Landeskriminalamtes (LKA) weise in zwölf der 14 Verfahren zur Organisierten Kriminalität mit Clanbezug einen Tatertrag von 4,3 Millionen Euro aus. „,Lächerlich gering‘ erscheinen die gesicherten Vermögenswerte im Verhältnis zu diesem Wert nicht“, so Vollmert. Im Gegenteil spreche ein Wert von mehr als 50 Prozent der angenommenen Taterträge für „durchaus erfolgreiche Bemühungen auf dem Gebiet der Vermögensabschöpfung“ – zumal Feststellungen von Taterträgen je nach Erkenntnisquellen regelmäßig auf Schätzungen beruhten.
Auch der Vorschlag der Fraktion, diese Maßnahmen elektronisch in Echtzeit zu erfassen, überzeuge nicht, schreibt Vollmert: „Schneller zu wissen, wie viel Vermögensabschöpfung betrieben wird, erhöht nicht die Schlagkraft dieses Instruments der Verbrechensbekämpfung.“ Um Bürokratie abzubauen, sollte der Aufwand bei der Erfassung nicht gesteigert, sondern gesenkt werden.
„Hohe Belastung“
Oberstaatsanwalt Uwe Mühlhoff, bei der Staatsanwaltschaft Duisburg für die Bekämpfung Organisierter Kriminalität zuständig, schloss sich in seiner Stellungnahme der Einschätzung an. Er wies zudem auf die Belastung in den Ermittlungsbehörden hin. Teilweise arbeiteten sie mehr als 75 Stunden pro Woche. „Diese Spezialisten mit zusätzlichen statistischen, Analyse- und Berichtspflichten zu belasten, würde die Bekämpfung der Clankriminalität und/oder der Organisierten Kriminalität nicht verbessern – das Gegenteil wäre der Fall“, so Mühlhoff.
„Ressourcen stärken“
Oliver Huth, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Nordrhein-Westfalen, sprach ebenfalls die Ressourcen der Ermittlungsbehörden an: „Diese Rahmenbedingungen können nicht dazu führen, dass die im Antrag geforderte Ausweitung der Abschöpfungsmaßnahmen in die Realität umgesetzt wird.“
Im Bund müssten geeignete rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Strafverfolgung erfolgreich aufzustellen. Die Landesregierung müsse „ihre Hausaufgaben erledigen, die Kriminalitätsbekämpfung mit Ressourcen stärken, eine spezifische kriminalpolizeiliche Ausbildung implementieren“.
„Belastbare Daten erforderlich“
Der FDP-Fraktion sei grundsätzlich zuzustimmen, dass das Instrument der Vermögensabschöpfung bei der Bekämpfung von Clankriminalität eine zentrale Rolle spielen müsse, so Michael Findeisen, ehemaliger Leiter des Referats „Geldwäsche und Zahlungsverkehr“ im Bundesministerium der Finanzen. Um den Erfolg zu messen, seien jedoch belastbare Daten erforderlich. Diese würden jedoch weder im Bund noch in den Ländern im gebotenen Umfang erhoben. Erforderlich sei eine „substantielle Reform der Datenerfassung“. Bei der Bekämpfung von Clankriminalität gehe es nicht nur darum, Täter vor Gericht zu bringen. Auch illegal beschafftes Geld und „Vermögensgegenstände“ müssten zurückgeholt werden. Die Zusammenarbeit mit Steuer- und Zollfahndungen könne im Einzelfall etwa auf Gewerbe- oder Straßenverkehrsbehörden ausgedehnt werden.
„Hürden zur Beschlagnahme“
„Mit organisatorischen Maßnahmen allein kann keine größere Effizienz geschaffen werden“, heißt es in der Stellungnahme des Vereins Kommunalpolitik NRW. Erforderlich sei eine „umfassende Neugestaltung der Zugriffsmöglichkeiten des Staates auf Vermögenswerte aus kriminellen Handlungen und/oder unklarer Herkunft“. Die „bestehenden Hürden zur Beschlagnahme und Einziehung von Vermögenswerten“ müssten abgebaut werden. Den verdächtigen Personen müsse die Beweislast auferlegt werden, in einer festzulegenden Zeit nachzuweisen, dass die beschlagnahmten Vermögenswerte in rechtmäßiger Weise erlangt wurden.
Eine Übersicht über die eingegangenen Stellungnahmen finden Sie hier.
Text: zab