30.08.2024

Gedenken und Debatte zum Anschlag in Solingen

Eine Woche nach dem Anschlag in Solingen ist der Landtag zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Zu Beginn gedachten die Abgeordneten mit einer Schweigeminute der Opfer der Messerattacke.

Mit Blumen und Trauerkerzen gedenken die Menschen in Solingen der Opfer des Anschlags

Präsident André Kuper sprach den Familien und Angehörigen der Ermordeten, den körperlich wie seelisch Verwundeten und der gesamten Solinger Stadtgemeinschaft das tief empfundene Mitgefühl des Parlaments aus und dankte den Rettungskräften.

Am 23. August 2024 hatte ein Mann während eines Stadtfestes mit einem Messer drei Menschen getötet und acht weitere – zum Teil – lebensgefährlich verletzt. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen 26 Jahre alten Syrer, der ursprünglich aus Deutschland abgeschoben werden sollte. Dies scheiterte. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den Mann wegen Mordes, versuchten Mordes und Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS). Der IS hatte sich zu dem Anschlag bekannt.

„Das Attentat von Solingen hat unser Land ins Mark getroffen“, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in seiner Unterrichtung. Doch das Ziel, „einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben“, habe der Attentäter verfehlt. „Unser Land ist in diesen Tagen enger zusammengerückt.“ Die Gefahr terroristischer Anschläge bleibe aber hoch. Islamistische Radikalisierung und die Vernetzung von Radikalisierten vollziehe sich vor allem über Social-Media-Kanäle. Wüst forderte eine verfassungskonforme Ausgestaltung einer Vorratsdatenspeicherung, damit die Sicherheitsbehörden „mithalten“ können. Zudem gelte es, irreguläre Migration zu beenden. 

„Wir stehen zusammen“, betonte auch SPD-Fraktionschef Jochen Ott. Der Terror werde es nicht schaffen, die Gesellschaft zu spalten. Man lasse auch nicht zu, dass „Rechte und Faschisten“ die Tat nutzten, um gegen in Deutschland friedlich lebende Zugewanderte zu hetzen. Ott richtete sich an Wüst: „Sie waren nicht in der Lage, Recht und Gesetz durchzusetzen“, kritisierte er die gescheiterte Rückführung des Tatverdächtigen. Ott fragte, warum das Innenministerium nicht wisse, was in Flüchtlingsheimen vor sich gehe. Zudem warf er die Frage auf, ob geplante Kürzungen bei Präventionsprogrammen nicht zurückzunehmen seien. 

Innerhalb weniger Minuten sei die ausgelassene Stimmung in Solingen in Schock umgeschlagen, sagte CDU-Fraktionschef Thorsten Schick. Das Attentat sei „auch ein Angriff auf uns alle und unsere Art zu leben“. Es gehe nun darum, entschlossen zu handeln und zu fragen, wie es zur Tat kommen konnte – u. a. in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Klar sei: Der mutmaßliche Täter hätte „nicht mehr auf unseren Straßen wandeln dürfen“. Verfahren müssten überdacht werden, um Menschen, die kein Recht auf Asyl haben, in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Dabei gehe es nicht darum, das Recht auf Asyl abzuschaffen.

FDP-Fraktionschef Henning Höne bezeichnete den Anschlag in Solingen als einen der „dunkelsten Momente in unserer Landesgeschichte“. Jetzt sei es an der Zeit für eine „neue Realpolitik bei den Themen Flucht und Migration“. Im Bereich Asyl sei seit Jahren ein „Staatsversagen am Fließband“ zu erleben. Mehr als 50 Prozent der geplanten Abschiebungen seien im ersten Halbjahr gescheitert. Gerade bei den Grünen fehle der Wille, „mehr Konsequenz im Asylrecht“ durchzusetzen. Es brauche u. a. eine weitere Abschiebehaftanstalt in NRW. Die Zuweisung von Geflüchteten ohne Bleibeperspektive an Kommunen sei zu überdenken. 

„Wir müssen mit aller Härte des Rechtsstaats gegen den Islamismus vorgehen“, forderte Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer. Es stellten sich eine Reihe von innen- und asylpolitischen Fragen. Die Menschen erwarteten zu Recht Antworten – zum Beispiel, wie sich der mutmaßliche Täter radikalisiert habe, warum es keine Rücküberstellung nach Bulgarien gegeben habe. Die Landesregierung arbeite intensiv an der Klärung der Hintergründe. Offensichtlich sei, dass in Europa zu viele Menschen überstellt werden müssten, es aber zu wenig Flüge gebe. Es handle sich um ein „System, das zum Scheitern verurteilt ist“. 

„Die innere Sicherheit wird mehr und mehr zu einem nostalgischen Gefühl“, sagte AfD-Fraktionschef Dr. Martin Vincentz. Ein Beispiel sei die gestiegene Zahl von Messerangriffen. Worte reichten nicht mehr, man sei den Opfern Taten schuldig. „Der Angriff in Solingen war in seiner Willkür ein Angriff auf uns alle.“ Die Politik habe den Bürgern „außer leeren Worten nichts mehr zu bieten“. Die Tat hätte, so Vincentz, verhindert werden können, „würde NRW nicht von Schwarz-Grün regiert wie eine Hippie-Kommune“. Bislang sei viel erzählt, aber wenig gehandelt worden. 

Die Unterrichtung des Ministerpräsidenten trug den Titel „In Trauer vereint und entschlossen für die Freiheit – Nordrhein-Westfalen nach Solingen“. Ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktion (18/10457) wurde mit Mehrheit abgelehnt. 

Text: sow, tob, zab 

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