08.07.2024

Scharnier zwischen Parlament und Regierung

Das Parlamentsdeutsch kennt Begriffe, die im alltäglichen Sprachgebrauch nicht vorkommen. In dieser Serie sollen einige vorgestellt werden. Teil 1: der Parlamentarische Staatssekretär beziehungsweise die Parlamentarische Staatssekretärin – eine Funktion, die in der Landesregierung von CDU und Grünen der Abgeordnete Josef Hovenjürgen (CDU) ausübt.

Kontakt zum Parlament: Der Parlamentarische Staatssekretär ist Teil der Regierung, muss zugleich Mitglied des Landtags sein und hat eine Mittlerfunktion.

Am 29. Juni 2022 hat der Präsident des Landtags, André Kuper, die Ministerinnen und Minister der Landesregierung von CDU und Grünen vereidigt. In jedem Ministerium gibt es beamtete Staatssekretäre – sie sind die höchsten Beamten der Behörde und fungieren als Amtschefin oder Amtschef. Mit Amtsantritt müssen sie eine Mitgliedschaft im Landtag beenden. 

Eine spezielle Stellung haben die Parlamentarischen Staatssekretäre oder Staatssekretärinnen, für die ein Landtagsmandat zwingend notwendig ist. Denn sie fungieren sozusagen als Scharnier zwischen Parlament und Landesregierung.

Die besondere Funktion wurde Ende der 1960er-Jahre zunächst auf Bundesebene eingeführt. In Nordrhein-Westfalen gibt es sie seit 1986 – die Parlamentarischen Staatssekretäre und Staatssekretärinnen werden von der Ministerpräsidentin beziehungsweise dem Ministerpräsidenten berufen und unterstützen ein Mitglied der Landesregierung bei der Erfüllung besonderer Regierungsaufgaben. 

Und sie pflegen die Verbindung zum Landtag sowie den Fachausschüssen. Ihre Aufgaben sind in einem eigenen Landesgesetz geregelt („Gesetz über das Amt eines Parlamentarischen Staatssekretärs für besondere Regierungsaufgaben im Lande Nordrhein-Westfalen“). 

Schutz vor Abschottung

Edith Niehuis, ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin auf Bundesebene, spricht von einer Mittlerfunktion „zwischen der demokratisch gewählten Volksvertretung, der Legislative, und der vollziehenden Gewalt, der Exekutive“. Die Existenz der Parlamentarischen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre verhindere, „dass die Exekutive sich abschottet, und sorgt für Information und Transparenz, also für wesentliche Elemente einer Demokratie“¹. 

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat für die neue Wahlperiode einen Parlamentarischen Staatssekretär berufen: den CDU-Politiker Josef Hovenjürgen MdL. Der 59-Jährige aus Haltern am See unterstützt im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung Ministerin Ina Scharrenbach (CDU). Schwerpunkt seiner Arbeit sind die Belange des Ruhrgebiets und die Ruhrkonferenz.

Diese war in der vorangegangenen Legislaturperiode ins Leben gerufen und im April 2018 vom damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) vorgestellt worden. Ziel: den Strukturwandel in der Region zu begleiten, eine Vision für deren Zukunft zu entwerfen und dabei die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteure vor Ort einzubeziehen. 

Die neue Regierung von Ministerpräsident Wüst will das Projekt fortsetzen. Im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen heißt es u. a.: „Die Ruhrkonferenz soll die sozialräumlichen und ökologischen Folgen des  klimagerechten Umbaus von Industrie und Wirtschaft begleiten und den Metropolgedanken ausbauen.“

"Potenziale bündeln"

Der Parlamentarische Staatssekretär, selbst ein Kind der Region, sagt: „Meine Aufgabe wird es sein, die verschiedenen Player in der Region zusammenzuführen. Gemeinsam wollen wir die im Ballungsraum vorhandenen vielfältigen Potentiale bündeln. Wenn alle in der Region an einem Strang ziehen und über Stadtgrenzen hinaus miteinander kooperieren, wird es uns gelingen, die Ballungsregion inmitten unseres Landes zu einem echten Kraftzentrum zu machen.“ Die häufig beschriebene Vielfalt „des größten Ballungsraums in unserem Land“ sei dessen größte Stärke. Hovenjürgen: „Ich möchte daran mitwirken, dass die verschiedenen Komponenten dieses Motors besser ineinandergreifen und das Ruhrgebiet in den kommenden Jahren deutlich vorankommt.“

Die Vorteile seiner besonderen Funktion als Scharnier zwischen Landtag und Landesregierung sieht der Politiker, der dem Landesparlament seit mehr als 20 Jahren angehört, als eine „besondere Konstellation“, die es dem Parlamentarischen Staatssekretär ermögliche, sowohl im Parlament als auch in der Landesregierung für seinen Arbeitsbereich zu wirken. „Damit sind die Einflussmöglichkeiten gesteigert. Die Kommunikationswege sind kurz, was sich nur positiv auswirken und der Sache zugutekommen kann.“ Hovenjürgen ergänzt: „Ich bin Abgeordneter aus dem Ruhrgebiet, bin in der Region aufgewachsen und vernetzt. Ich kenne die Akteure in der Region, in den Verbänden und in den Städten. Die Menschen kennen mich seit Langem, kommen mit zahlreichen Informationen und Ideen, aber auch mit Kritik zu mir. Auch all diese Informationen fließen unmittelbar in meine Arbeit als Parlamentarischer Staatssekretär für die Ruhrkonferenz und das Ruhrgebiet ein.“


(1: Edith Niehuis: Information und Transparenz – Wie wichtig sind Parlamentarische Staatsekretäre?, Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte  2006)

Lexikon

Weitere parlamentarische Begriffe, kurz erklärt, finden Sie
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