05.05.2023

Aktuelle Stunde zu Messerangriffen

Am langen Maiwochenende kam es in Nordrhein-Westfalen zu zahlreichen Messerstechereien, u. a. in Leverkusen, Wuppertal, Düsseldorf, Köln und Bielefeld sowie in den Kreisen Warendorf und Düren. Über Hintergründe und Reaktionen haben die Abgeordneten in einer Aktuellen Stunde beraten.

In Leverkusen sei ein 35-jähriger Mann nach einer Auseinandersetzung an einem Kiosk seinen Verletzungen erlegen, heißt es im Antrag der SPD-Fraktion (18/4230), der der Debatte zugrunde lag. In anderen Städten seien mehrere Menschen teils lebensgefährlich verletzt worden. 

Attacken mit Stichwaffen führten regelmäßig zu schweren Verletzungen. „Die hohe Zahl der Messerattacken führt darüber hinaus zu großer Unruhe in der Bevölkerung und beeinträchtigt das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen in außerordentlichem Maße“, heißt es im Antrag weiter. Die Landesregierung müsse Gegenmaßnahmen ergreifen. 

Andreas Bialas (SPD) zählte acht Tatorte auf, an denen am langen Maiwochenende Messerattacken stattgefunden haben. „Eine nie dagewesene unfassbar brutale Blutspur zieht sich quer durch unser Land“, sagte er. „In Nordrhein-Westfalen muss kein Mensch ohne einen vernünftigen Grund mit einem Messer herumlaufen.“ Er fragte, wie der Innenminister dem „Messer-Wahnsinn“ Einhalt gebieten wolle. Ein Blick auf die Statistik gaukle nur Sicherheit vor, da während der Corona-Pandemie insgesamt weniger Menschen unterwegs gewesen seien. Bialas forderte u. a. mehr Waffenverbotszonen und grundsätzliche Polizeipräsenz. 

Über „Law and Order vom Feinsten“ seitens der SPD wunderte sich Gregor Golland (CDU). Oft seien es junge Männer, die „aus vermeintlichem Selbstschutz, Imponiergehabe oder einem Gefühl der Stärke“ ein Messer bei sich trügen. Golland schloss sich der Forderung nach mehr Waffenverbotszonen an und betonte, dass die Verbote dank konsequenter Kontrolle wirkten. Der Innenminister habe das Problem frühzeitig erkannt: NRW erfasse als erstes Bundesland das Messer als Tatmittel. Golland verwies auf einen Rückgang von Messerattacken um 28 Prozent in den Jahren 2019 bis 2022. Die Koalition werde die Null-Toleranz-Linie gegen Kriminelle fortsetzen. 

Marc Lürbke (FDP) sprach von 4.191 Messerattacken allein im vergangenen Jahr. Der Landesregierung gelinge es nicht, „der um sich greifenden Messergewalt wirksam zu begegnen“. Erforderlich seien mehr Prävention, beschleunigte Verfahren und mehr Abschreckung. So solle die Landesregierung eine „Präventionsoffensive“ an Schulen, in Jugendzentren, Sportvereinen und Unterkünften für Geflüchtete starten. „Der weit überwiegende Teil der Täter ist männlich, die meisten unter 30, ein Drittel sogar unter 18“, sagte Lürbke. Der Anteil der Täter ohne deutsche Staatsangehörigkeit liege mit 40 Prozent „signifikant über dem Anteil der Gesamtbevölkerung“. 

Jede Gewalttat mit einem Messer habe für Opfer, Zeugen und Angehörige furchtbare Folgen, sagte Dr. Julia Höller (Grüne). Diese Taten machten Angst und stärkten das Gefühl von Unsicherheit. Das subjektive Sicherheitsgefühl habe aber „in vielen Fällen nichts damit zu tun, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, Opfer einer Straftat zu werden“. Die Politik müsse dieses Gefühl ernst nehmen, dürfe Angst und Unsicherheit aber nicht weiter verschärfen. Das Phänomen müsse „sachlich, wissenschaftlich fundiert und faktenbasiert“ eingeordnet werden. Höller sprach von einem Teufelskreis aus „toxischer Männlichkeit“, Gruppendynamik und Alkohol. 

Oft würden „intransparente Polizeimitteilungen bezüglich der Herkunft der Täter“ veröffentlicht, kritisierte Markus Wagner (AfD) – nach dem Motto: „Bloß nicht sagen, was ist.“ Das gelte auch für Medien, besonders den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Tageszeitungen. Das Motto hier: „Bloß nicht schreiben, was ist.“ Behindert würden dadurch der Zeugenaufruf sowie die Ermittlungsarbeit der Polizei. In der Politik wiederum wollten viele „nicht wissen, was ist“. Die AfD-Fraktion habe hingegen in der aktuellen Legislaturperiode bereits 49 Kleine Anfragen an die Landesregierung zum Thema Messerangriffe gestellt. 

Es gebe „zu viele Taten mit Messern“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU). Aber: Die Zahl Messerattacken in Nordrhein-Westfalen sei im Moment niedriger denn je. Im Jahr 2019 habe es rund 5.800 Fälle gegeben. Sie seien kontinuierlich gesunken, auf rund 4.200 im Jahr 2022. 26 Menschen seien gestorben. 22 Prozent der Täter seien Kinder und Jugendliche. Wichtig sei, die Hintergründe differenziert zu betrachten. Es gebe keine 100-prozentige Sicherheit, sondern nur eine „immer besser werdende“ Sicherheit, zu der u. a. die Einführung der Waffenverbotszonen in Köln und Düsseldorf beigetragen habe. 

Text: sow, zab, tob

Die Fraktionen im Landtag NRW