03.05.2023

Aktuelle Stunde: Versorgungsengpässe bei Medikamenten

Der derzeitige Mangel an Medikamenten für Kinder und Jugendliche hat den Landtag beschäftigt. Die Fraktionen von CDU und Grünen hatten dazu eine Aktuelle Stunde beantragt. Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen sei akut gefährdet.

Neben Schmerzmitteln und Fiebersäften fehlt es derzeit auch an Antibiotika für Kinder und Jugendliche.

„Es fehlen Fiebersäfte für Kinder, die Antibiotika enthalten, teilweise auch Blutdruckpräparate oder Tumormedikamente“, schreiben die Fraktionen in ihrem Antrag (18/4229). Die Situation habe sich deutlich zugespitzt: „Besonders antibiotikahaltige Säfte für Kinder, die etwa bei Mittelohr- oder Halsentzündungen benötigt werden, sind schwer zu bekommen. Dies ist eine nicht hinnehmbare Situation.“

Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte habe deshalb eine offizielle Mangellage ausgerufen, so die Fraktionen weiter. Dies eröffne den Ländern die Möglichkeit, „im Einzelfall von den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes befristet abzuweichen“. Neben der Bekämpfung der Mangelsituation gehe es aber auch um eine „Stabilisierung des Medikamentenmarktes“. Dazu gehöre die Stärkung der Produktion von Arzneimitteln in Deutschland und Nordrhein-Westfalen. 

Marco Schmitz (CDU) bezeichnete die offizielle Anerkennung des Versorgungsmangels durch die Bundesregierung als einen längst überfälligen Schritt. „Es kann nicht die Lösung sein, dass Eltern aus Nordrhein-Westfalen nach Holland fahren, um den Fiebersaft zu kaufen, den sie hier nicht bekommen.“ Als Vater zweier Kinder könne er den Unmut der Eltern verstehen. Es komme nun darauf an, Medikamente fairer auf die Bundesländer zu verteilen, den Preisdruck auf Hersteller zu verringern und auf europäische Lagerstandorte zu pochen. Die Koalition aus CDU und Grünen sei entschlossen, alles zu tun, um die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu schützen. 

Jahrzehntelanges Preisdumping gerade bei patentfreien Arzneimitteln habe zu Lieferketten mit wenigen globalen Herstellern geführt, analysierte Meral Thoms (Grüne). Vor allem auf den Preis und weniger auf die Versorgungssicherheit zu schauen, mache nun verwundbar. Schon kleine Störungen in der Produktion oder Lieferketten könnten zu Engpässen führen. „Lassen Sie uns die Lösung jetzt gemeinsam angehen und mit aller Energie“, rief sie zu gemeinschaftlichem Handeln auf. Sie forderte, auf mehr Hersteller, europäische Produktionsstandorte und eine Stärkung von Medikamentenforschung und -produktion in NRW zu setzen. 

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD) sprach von einem wichtigen Thema. Das Problem sei „lange verschlafen“ worden, nicht innerhalb der nächsten Wochen zu lösen und  betreffe nicht nur Nordrhein-Westfalen. Die Engpässe bei Medikamenten für Kinder und Jugendliche kämen nicht überraschend. Bereits im vergangenen Sommer habe ihre Fraktion darauf hingewiesen, dass in vielen Apotheken keine Fiebersäfte mehr erhältlich seien. Kapteinat erinnerte zudem an den von der SPD geforderten „Masterplan zur Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit“. Die Koalition habe bislang nicht signalisiert, dass sie dessen Notwendigkeit erkannt habe. 

Hintergrund der Situation in Nordrhein-Westfalen seien „eher suboptimale Produktionsbedingungen“ für die Pharmaindustrie, sagte Susanne Schneider (FDP). Auch die Bedingungen für Forschung und Entwicklung seien „ausbaufähig“. Die Notlage betreffe nicht nur junge Menschen. Probleme habe es zuletzt u. a. auch bei Krebs- und Blutdruckmedikamenten gegeben. Die Ursachen für Lieferengpässe, deren Dauer und Auswirkungen seien vielfältig. So habe sich die Zahl der Produktionsstätten verringert. Vielfach würden Arzneimittel in China und Indien hergestellt. Zur Bekämpfung der Lieferengpässe seien „europäische und nationale Ansätze“ erforderlich.   

Seine Fraktion habe bereits 2020 in einem Antrag gefordert, die Produktion von wichtigen Arzneien zurück nach Deutschland und Europa zu holen, sagte AfD-Fraktionschef Dr. Martin Vincentz. Die Mehrheit im Plenum habe dies abgelehnt – ebenso wie einen weiteren AfD-Antrag vor zwei Monaten zur Medikamentenunsicherheit in Deutschland. Das Problem bestehe seit rund zehn Jahren. „Es ist mittlerweile reichlich spät, nur darüber zu sprechen. Wir müssen dringend Lösungen finden.“ Wovon allerdings abzuraten sei: nicht zugelassene Medikamente auf den Markt zu bringen, wie in Bayern geschehen.

Es sei zu befürworten, dass der Bund ein Arzneimittelsicherungsgesetz auf den Weg gebracht habe, sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Neue Regelungen wirkten aber erst mittelfristig. Dass die Produktion von Medikamenten beispielsweise nach China und Indien verlagert worden sei, habe auch mit Auflagen etwa für die Forschung sowie für Abwässer in Deutschland zu tun. In Zukunft müsse mehr auf die Sicherheit von Lieferketten geachtet werden. „Diese Sicherheit“, sagte Laumann, „wird uns am Ende des Tages auch höhere Krankenkassenbeiträge bescheren“, die gemeinsam aufgebracht werden müssten. 

Text: sow, zab, tob

Die Fraktionen im Landtag NRW