20.04.2023

Anhörung: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Gebühren

Sachverständige haben sich in einer Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien zu einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geäußert. Anlass war ein Antrag der FDP-Fraktion.

Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Hörfunk- und Fernsehsender über Rundfunkbeiträge sei ein „Dauerbrennerthema“, schreibt die FDP-Fraktion in ihrem Antrag („Für einen starken, aber schlanken öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Nordrhein-Westfalen muss ein Aktivposten bei der dringenden Modernisierung und Reform der Landesrundfunkanstalten sein“; 18/2565). Die Fraktion fordert eine Reihe von Änderungen, um die Beiträge stabil zu halten. Durch „Konsolidierungsmaßnahmen“ solle sogar eine Halbierung der Gebühren bis zum Jahr 2027 angestrebt werden.

So müssten sich die Sender primär auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung, Dokumentationen und Angebote konzentrieren, die rein kommerzielle Veranstalter nicht als Schwerpunkte hätten. Die Landesregierung solle sich bei künftigen Verhandlungen über Staatsverträge u. a. für eine „deutliche Reduzierung der Anzahl öffentlich-rechtlicher Fernseh- und Hörfunkkanäle“ sowie eine „Fusion von Anstalten“ einsetzen. Zudem seien „unnötige Doppelstrukturen“ in der Verwaltung zu vermeiden.

„Unterhaltung Teil des Auftrags“

Viele der genannten Forderungen seien bereits „Gegenstand von Reformbemühungen“, heißt es in einer Stellungnahme des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster. Im 3. Medienänderungsstaatsvertrag stehe beispielsweise, „dass die öffentlich-rechtlichen Angebote der Kultur, Bildung, Information und Beratung zu dienen haben“. Unterhaltung sei Teil des Auftrags, wenn sie einem öffentlich-rechtlichen Profil entspreche. Die Anzahl der Sender sei ebenfalls Thema. So seien „nur noch ARD, die dritten Fernsehprogramme, das ZDF sowie 3sat und ARTE verpflichtend als Fernsehprogramme zu veranstalten“. 

„Baustein in der Reformdebatte“

Der Antrag füge sich als ein Baustein in die Reformdebatte ein und sollte berücksichtigt werden, befindet der „Digitalpublisher und Zeitungsverleger Verband NRW“. Die Forderung nach „Schärfung und Fokussierung auf den Kernbereich“ sei nachvollziehbar und berechtigt. Der Verband weist auf „umfangreiche Nachrichtenangebote“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet hin: „Eine öffentlich-rechtliche digitale ‚Gratispresse‘ wäre eine Gefahr für die Pressevielfalt in Deutschland, da sie die Refinanzierung privatwirtschaftlich getragener Angebote (…) erheblich erschweren würde.“ 

„Auf Kernaufgaben fokussieren“

Ähnlich argumentiert „Vaunet – Verband Privater Medien“. Bei einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssten auch die Anliegen privater Medienanbieter „umfassend berücksichtigt“ werden. Der Verband spricht sich u. a. für eine „deutliche Reduzierung von Werbung und Sponsoring in den Angeboten der Rundfunkanstalten“ aus. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Zur Beitragsstabilität könne „maßgeblich eine konsequente Weiterverfolgung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beitragen“. 

„Gesamtangebot für alle“  

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe die Aufgabe, „ein Gesamtangebot für alle zu unterbreiten“, so WDR-Intendant Tom Buhrow in seiner schriftlichen Stellungnahme für den Ausschuss. Mit dem 3. Medienänderungsstaatsvertrag hätten die Länder bekräftigt, dass „auch Unterhaltung gleichgewichtiger Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Auftrags ist“. Der WDR zeige in seinen Unterhaltungsangeboten „gesellschaftlich relevante Themen“ und fördere so den „gesamtgesellschaftlichen Diskurs“. Gleichwohl hätten Information, Bildung und Kultur im Programmangebot nach wie vor große Bedeutung. Die ARD habe bereits 2016 „ein umfangreiches Reformpaket aufgesetzt“. Ziel sei die „größtmögliche inhaltliche Wertschöpfung bei gleichzeitig größtmöglicher Effizienz“. 

Laut WDR-Personalrat wolle die FDP beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk „die Axt anlegen“. Dabei dränge sich die Frage auf, ob sie nur Stimmen bei möglichen Wählerinnen und Wählern fangen wolle, „denen gemeinnütziger Rundfunk ein Dorn im Auge ist“, und „noch mehr Macht und Einfluss“ für Verlage wolle.

„Nicht der richtige Weg“

Der FDP-Antrag sei sehr stark auf die „traditionellen Hörfunk- und Fernsehangebote“ fokussiert, so Prof. Dr. Christoph Bieber vom Forschungsinstitut „CAIS“ (Center for Advanced Internet Studies, Bochum). Digitale, nicht-lineare Angebote würden nicht berücksichtigt. Es spreche nichts dagegen, „gegen unnötige Doppelstrukturen, komplizierte Verwaltungswege oder teure (lineare) Medieninhalte vorzugehen – undifferenzierte Vorschläge zu Fusionierung, Streichung und Zentralisierung weisen jedoch nicht den richtigen Weg zu einer effizienten Modernisierung öffentlich-rechtlicher Medienangebote“.

„Publizistischer Wettbewerb“

Der Film- und Medienverband NRW hebt in seiner Stellungnahme u. a. die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Nordrhein-Westfalen hervor. Die Sender müssten „ein Vollprogramm in allen Genres anbieten“, um im publizistischen Wettbewerb mit Privatsendern zu bestehen. Dem FDP-Vorschlag zufolge würde es Sendungen wie „heute-show“ (ZDF), „Mitternachtsspitzen“ (WDR/ARD), „Charité“ (ARD), „Ku‘damm“ (ZDF) oder „Aktenzeichen XY“ (ZDF) künftig nicht mehr geben. 

„Dramatische Auswirkungen auf Medienstandort“

Man begrüße die Debatte zur Weiterentwicklung und Zukunftssicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, schreibt der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) NRW. Ein „konsequenter Veränderungsprozess“ sei notwendig. Wie der Film- und Medienverband, sieht auch der DJV bei einer Umsetzung der Forderungen „geradezu dramatische Auswirkungen“ auf den Medienstandort Nordrhein-Westfalen: „Die Zahl der direkt und indirekt vom ÖRR abhängigen Arbeitsplätze würde erheblich sinken.“ Eine politische Vorgabe zur Höhe des Rundfunkbeitrags möge „auf den ersten Blick populär erscheinen, ist am Ende aber doch schlicht populistisch“. 

Eine Übersicht über die eingegangenen Stellungnahmen finden Sie hier.

Text: zab

Die Fraktionen im Landtag NRW