08.03.2023

Aktuelle Stunde: Landwirtschaft und Tierwohl

Der Landtag hat in einer Aktuellen Stunde über die Tierwohlförderung in der Landwirtschaft debattiert. Der Aussprache lagen Anträge der Fraktionen von SPD und FDP zugrunde.

Beide Fraktionen bezogen sich auf Äußerungen von NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) während einer Pressekonferenz. Sie habe Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vorgeworfen, „für das Höfesterben in NRW und den Niedergang der Tierproduktion verantwortlich zu sein“, weil er vor allem kleinere und biologisch wirtschaftende Betriebe fördern wolle, heißt es im Antrag (18/3409) der SPD-Fraktion. Die Landesregierung müsse sagen, wie sie das Tierwohl fördern wolle und wie sie zu den Plänen Özdemirs stehe, schreibt die SPD.

„Laut Ministerin Gorißen müssten Förderprogramme grundsätzlich allen Betrieben offen stehen“, heißt es im FDP-Antrag (18/3410). Diese Aussage stimme jedoch nicht mit den Zielen aus dem Koalitionsvertrag von CDU und Grünen für das Land Nordrhein-Westfalen überein. Beide wollten „die Tierwohl-Förderung ebenfalls deckeln und nicht allen Betrieben gleichermaßen zur Verfügung stellen“. Gorißen habe Irritationen darüber ausgelöst, „welchen Kurs die schwarz-grüne Landesregierung hält bzw. in Zukunft einschlagen will“.

René Schneider (SPD) sprach von einer „Brandmauer“ zwischen grüner Umweltpolitik und konservativer Agrarpolitik. Die Landwirtschaftsministerin stehe mit ihrem Amtsverständnis dem Wohl der Bäuerinnen und Bauern im Weg. Ein Festhalten an einer heilen Welt, die es so nicht mehr gebe, verhindere eine echte Transformation des gesamten Sektors. Der Trend zu weniger Fleischkonsum lasse sich nicht aufhalten. „Erst wenn Sie Tierwohl und Landwirtschaft zusammendenken, haben Sie den Ernst der Lage erkannt“, sagte Schneider. „Die Landwirtinnen und Landwirte hätten es mehr als verdient“ und wünschten sich Planungssicherheit. 

„Flächendeckender Umbau“ 

Die Landwirtschaft brauche Perspektive und Planungssicherheit, sagte Dietmar Brockes (FDP). Seine Fraktion unterstütze die Ministerin: Eine Tierwohl-Förderung solle allen Betrieben zugutekommen. Wenn sie Höfe ab einer bestimmten Größe ausschließe, gingen etwa 30 Prozent der rund 23.450 Betriebe in NRW leer aus. Brockes forderte einen flächendeckenden Umbau, bei dem die Landwirte im europäischen Wettbewerb bestehen könnten. Sonst verlagere sich die Tierhaltung in andere Staaten. „Den Tieren ist nicht geholfen, wenn wir die Missstände exportieren“, argumentierte der Abgeordnete. 

Es sei richtig, dass Ministerin Silke Gorißen die Ampelkoalition und den verantwortlichen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir kritisiert habe, sagte Markus Höner (CDU). Sie stelle sich vor die Bäuerinnen und Bauern. Für Nordrhein-Westfalen sei die Nutztierhaltung von grundlegender Bedeutung, dies stehe auch im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stelle jedoch nicht genug Mittel zur Verfügung, um die Ergebnisse der sogenannten Borchert-Kommission zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung komplett umzusetzen. „Ohne Moos nix los“, sagte Höner. 

„Die aktuelle Agrarpolitik treibt uns in die Abhängigkeit von Importen, globalen Lieferketten, wenigen Monopolisten und einen von Spekulanten manipulierbaren Weltmarkt“, sagte Zacharias Schalley (AfD). Die „schwindende Zahl landwirtschaftlicher Betriebe“ sei eine Gefahr für die Versorgungssicherheit. Ein „tragfähiges agrarpolitisches Leitbild“ müsse das Ziel haben, die Lebensmittelversorgung auf eine breite Basis zu stellen und den bäuerlichen Familienbetrieben ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen. Die Ziele Naturschutz und Tierwohl seien bei dieser Betriebsform immanent. 

„Musterställe“ 

Während die Opposition nur kritisiere, biete die schwarz-grüne Landesregierung Lösungen an, sagte Norwich Rüße (Grüne). Schwarz-Grün wolle in Nordrhein-Westfalen ein Programm auflegen, um „Musterställe“ aufzubauen und neue Grundlagen der Tierhaltung zu erproben. Daneben unterstütze die Landesregierung die Empfehlungen des „Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung“ (Borchert-Kommission). Diese würden sowohl für die konventionelle als auch für die ökologische Tierhaltung gelten. Um umfassende Änderungen zu ermöglichen, müsse der Bundesfinanzminister deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen. 

Zwischen November 2020 und November 2022 sei die Zahl der Schweine haltenden Betriebe bundesweit jährlich um 9 Prozent und in NRW um 11,7 Prozent zurückgegangen, sagte Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU). Es gebe einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass die Nutztierhaltung neu aufgestellt werden müsse. „Wir wollen eine starke heimische Nutztierhaltung mit einem Bekenntnis zu kurzen Transportwegen und durchgängiger Tierhaltungskennzeichnung.“ Die Empfehlungen der 2019 eingerichteten Borchert-Kommission böten die „richtige Grundlage“, um den Transformationsprozess zu begleiten. 

Text: sow, zab, tob 

Die Fraktionen im Landtag NRW