27.01.2023

„Erinnern heißt, Verantwortung zu übernehmen“

Die Landesregierung soll die Erinnerung an die Shoa und die weiteren Verbrechen der NS-Zeit wachhalten sowie deren Aufarbeitung vorantreiben. Ein entsprechender Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP wurde einstimmig angenommen – am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Das Bild zeigt das Torhaus des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Es wurde am 27. Januar 1945 von sowjetischen Soldaten befreit.

Gedenkstätten, Erinnerungsorte und Museen sollen unterstützt und weiterentwickelt, Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung jüdischen Lebens in Nordrhein-Westfalen verstärkt werden, heißt es im Antrag („Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus – Erinnern heißt Verantwortung zu übernehmen“, 18/2549). Die politische Bildung solle weiter gestärkt und der Schwerpunkt „Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“ beibehalten werden. Vor der Debatte hatten Landtag und Landesregierung mit einer Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. 

CDU-Fraktionschef Thorsten Schick sagte: „Auschwitz ist das Symbol des industriellen Massenmordes.“ Auschwitz stehe für das „größte Verbrechen der Menschheit“. Der Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers am 27. Januar 1945 sei eine Aufforderung und eine Pflicht zu überprüfen, „ob wir genug tun, um Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen – und zwar gegen alle Feinde“.

Auf das Gedenken an den Holocaust müsse das Verstehen folgen, wie dieses „Menschheitsverbrechen“ möglich werden konnte, sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Thomas Kutschaty. Fortschritt schütze nicht vor Zivilisationsbrüchen. In den 1930er-Jahren sei aus dem „Land der Dichter und Denker“ ein „Land der Täter“ geworden. Kutschaty: „Die Shoa ist auch die Folge eines moralischen Versagens des deutschen Bildungsbürgertums.“  

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen“, an diesen Satz des ehemaligen Auschwitz-Häftlings Primo Levi erinnerte die Vorsitzende der Grünen-Fraktion Verena Schäffer. Die Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der Geschichte sei auch am 78. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz lange nicht abgeschlossen. Mit Blick auf die Erinnerungsarbeit sagte sie: „Es darf keinen Schlussstrich geben.“ 

FDP-Fraktionschef Henning Höne sagte, man sei das Gedenken und Erinnern den Opfern schuldig, aber auch den Kindern, damit sich Geschichte nicht wiederhole. Alle trügen Verantwortung, damit die Erinnerungskultur lebendig bleibe. Höne erinnerte an eine Studie von Ende 2022, wonach jeder zweite Deutsche ein regelmäßiges Erinnern an den Holocaust für nicht notwendig halte. Dies mache ihm Angst. Erinnern sei der beste Schutz gegen Verharmlosung. 

Auch Dr. Hartmut Beucker (AfD) betonte, die heutige Verantwortung bedeute, die Erinnerung wachzuhalten und dafür zu sorgen, dass es keine Wiederholung gebe. Die „unendliche Grausamkeit“ der nationalsozialistischen Ideologie manifestiere sich in den Opfern und dem Leid der Überlebenden und Angehörigen. Beucker kritisierte allerdings den Antrag der vier Fraktionen als unzureichend. Dennoch werde seine Fraktion zustimmen. 

Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), begrüßte, dass es nach der beeindruckenden Gedenkstunde von Landtag und Landesregierung auch eine Debatte im Plenum zum Gedenktag gebe. Dies sei ein „starkes Zeichen“, dass in NRW kein Platz für Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit sei. In Zukunft müsse man bei der Erinnerungskultur auch neue Wege gehen. Dazu werde die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in diesem Jahr eine „revolutionäre digitale Gedenkarbeit“ vorstellen.

tob, wib

„Das Erinnern an die Shoah ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung und Pflicht, damit sich dieses Menschheitsverbrechen nie wiederholen kann. Die Lehre aus den Verbrechen des Nationalsozialismus muss das unverrückbare Einstehen für Demokratie, Menschenrechte und Frieden sein. Jeder Mensch muss frei von Angst und Diskriminierung leben können. Das solidarische Miteinander in einer vielfältigen demokratischen Gesellschaft und das Eintreten gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und jede Form von Menschenfeindlichkeit ist die Leitlinie unseres Handelns als Demokratinnen und Demokraten.“ 

„Der Schutz jüdischen Lebens hat aufgrund unserer historischen Verantwortung einen besonderen Stellenwert. Er ist nicht nur Aufgabe der Sicherheitsbehörden, sondern der gesamten Gesellschaft. Antisemitische Äußerungen dürfen nie unwidersprochen bleiben. Alle Demokratinnen und Demokraten sind aufgefordert, menschenverachtenden Äußerungen und versuchten Diskursverschiebungen entgegenzustehen.“

Auszüge aus dem Antrag „Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus – Erinnern heißt Verantwortung zu übernehmen“, 18/2549 

Die Fraktionen im Landtag NRW