07.12.2022

Zweiter Nachtragshaushalt und Krisenbewältigung

Die Abgeordneten haben sich in 1. Lesung mit dem zweiten Nachtragshaushaltsgesetz für das Jahr 2022 befasst. Mitberaten wurde der Entwurf für ein NRW-Krisenbewältigungsgesetz sowie ein Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen, um die „außergewöhnliche Notsituation“ festzustellen.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe zu einer „Krisensituation geführt, die für Bürgerinnen und Bürger, Institutionen, öffentliche Stellen, Unternehmen und die staatliche Finanzlage gravierende Folgen hat“, heißt es im zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2022 (18/1950). Die wirtschaftliche Situation in Nordrhein-Westfalen habe sich in den vergangenen Wochen deutlich verschlechtert. 

Mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2022 sollen Voraussetzungen geschaffen werden, um Maßnahmen zur Krisenbewältigung finanzieren zu können. Kernstück ist die Errichtung eines Sondervermögens in Höhe von bis zu 5 Milliarden Euro. Näheres regelt der Entwurf für das NRW-Krisenbewältigungsgesetz (18/1951), das in 1. Lesung ebenfalls Grundlage der Plenardebatte war. 

Mit der Feststellung der „außergewöhnlichen Notsituation“ (18/1973) wird ermöglicht, dass die sogenannte Schuldenbremse ausgesetzt wird und „ein Haushaltsausgleich durch Einnahmen aus Krediten zulässig“ ist. Zur Finanzierung des Sondervermögens werden mit dem zweiten Nachtragsetat entsprechende Kreditermächtigungen vorgesehen. 

Ohne Kreditaufnahme sei eine Abmilderung der Folgen des russischen Angriffskriegs für Nordrhein-Westfalen nicht zu bewältigen, sagte Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk (CDU). Das Wirtschaftswachstum habe im ersten Halbjahr 2022 noch bei „beachtlichen 2,5 Prozent“ gelegen. Die Gesamtsituation habe sich zuletzt aber negativ verändert. Aktuelle Studien prognostizierten ein Fortdauern dieser Entwicklung, sagte Optendrenk. Nordrhein-Westfalen sei wegen seiner „energieintensiven Grundstoffindustrien“ härter betroffen als andere Bundesländer. Die Krise erfordere deshalb schnelles Handeln. 

„Wir leben in außergewöhnlich schwierigen Zeiten“, sagte Olaf Lehne (CDU). Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine seien „auch in unseren Wohnzimmern angekommen“. Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft stünden vor existenziellen Herausforderungen. Daher sei „unverzügliches Handeln“ erforderlich. Ein Warten auf das Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes 2023 wäre, so Lehne, nicht zu verantworten. Das Sondervermögen sei der „richtige Schritt, um der aktuellen Krise entschlossen die Stirn zu bieten“. Wünschenswert sei ein „Zusammenhalt über Parteigrenzen“ hinweg. 

„Diese Koalition ist derzeit nicht regierungsfähig“, erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty. Es handle sich um die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, die Unternehmen und Familien müssten entlastet werden. Der Ministerpräsident habe sich monatelang um nichts gekümmert – „heute zeigen Sie sich von der Lage überrascht“. Das sei nicht nachvollziehbar. Eine solche „Kehrtwende“ müsse ausführlich und verfassungsfest begründet werden. „Sie sind des Verfassungsbruchs überführt worden, und deshalb müssen Sie jetzt umsteuern“, erklärte er sich die „hektische Operation“. Unklar bleibe, wofür das zusätzliche Geld diene. 

Das eingeplante Geld sei im Rahmen der Energiekrise notwendig, um Menschen und Wirtschaft zu unterstützen, erläuterte Simon Rock (Grüne). Außerdem habe NRW einen deutlich erhöhten Finanzierungsbedarf für die Flüchtlingsaufnahme in den Kommunen. Daneben nannte Rock Krisenresilienz und Krisenvorsorge als Ziele. Das Land dürfe nie wieder in einseitige Abhängigkeit von fossiler Energie aus autokratischen Staaten wie Russland geraten. Erneuerbare Energien seien „Freiheitsenergien“. Er kündigte ein konkretes Maßnahmenpaket als Diskussionsgrundlage für das weitere Verfahren an. 

„Sie reden von Klarheit, Sie liefern Chaos“, warf Henning Höne, Fraktionsvorsitzender der FDP, der Landesregierung vor. Der Landtag befinde sich im „historisch kürzesten Haushaltsberatungsverfahren“ mit der „historisch schlechtesten Beratungsgrundlage, die eine Landesregierung jemals vorgelegt hat“. Sie habe zunächst Geld aus dem Corona-Rettungsschirm „umbuchen“ wollen. Das sei der „Versuch einer politischen Geldwäsche“ und rechtswidrig gewesen. Schwarz-Grün stelle „offen Regierungsversagen zur Schau“, betreibe eine „Selbstversenkung“ und sei „hoffnungslos überfordert“ mit der Krise. 

„Schweinsgalopp“, das sei das richtige Wort für die Art und Weise des aktuellen Haushaltsverfahrens, kritisierte Dr. Hartmut Beucker (AfD). Dass die Landesregierung ein „Sondervermögen“ einrichten wolle, verschleiere, worum es in Wahrheit gehe: neue Schulden. Unklar sei, wie lange, wofür und warum sie gemacht werden sollten. Die AfD-Fraktion lehne eine Politik ab, die sich darin erschöpfe, „jede Krise mit noch mehr Schulden zuzukleistern“. Konkrete Maßnahmen zur Krisenbewältigung würden nicht genannt. Es gebe weder Schwerpunkte noch eine Priorisierung. Da bestehe die Gefahr, dass Maßnahmen „verpuffen“. 

Text: zab, sow, tob 

Beide Gesetze wurden zur weiteren Beratung an den Haushalts- und Finanzausschuss (federführend) überwiesen. Der „Antrag zur Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation“ wurde mit den Stimmen von CDU und Grünen angenommen. SPD, FDP und AfD stimmten dagegen.

Die Fraktionen im Landtag NRW