23.11.2022

Landtag setzt Zeichen gegen Antisemitismus

Nach den Schüssen auf das Rabbinerhaus an der Alten Synagoge in Essen hat der Landtag ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt. Grundlage der Debatte war ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP. Darin heißt es u. a., es sei eine politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe dafür zu sorgen, dass Jüdinnen und Juden ohne Angst in Deutschland leben können.

Am Freitag vergangener Woche war bekanntgeworden, dass mindestens vier Mal auf die Tür des Rabbinerhauses geschossen worden war. Die Generalstaatsanwaltschaft geht von einer extremistisch und antisemitisch motivierten Tat aus. Nach Medieninformationen wurden zudem am Kuppeldach der neuen Synagoge Beschädigungen gefunden, die aber schon älter sein sollen. Die Ermittlungen dauern an.

In ihrem Antrag (18/1780) betonen die vier Fraktionen: „Dass Jüdinnen und Juden in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen immer wieder Diskriminierungen, Beleidigungen und Drohungen ausgesetzt sind, ist zutiefst beschämend und nicht zu akzeptieren.“

CDU-Fraktionschef Thorsten Schick stellte fest: „Judenfeindlichkeit hat keinen Platz in Nordrhein-Westfalen – nicht gestern, nicht heute, niemals.“ Jüdinnen und Juden und deren Gemeinden seien in Nordrhein-Westfalen allerdings wiederholt Hass und Gewalt ausgesetzt. „Das ist infam.“ Schick erinnerte an Steinwürfe auf Synagogen in Essen und Bonn sowie die Verbrennung von israelischen Fahnen in Münster. Statistisch gesehen gebe es jeden Tag einen Angriff auf jüdisches Leben in NRW, der zur Anzeige gebracht werde. Die Dunkelziffer sei vermutlich deutlich höher. „Jeder einzelne Vorfall ist ein Vorfall zu viel.“ 

Die Schüsse auf das Rabbinerhaus in Essen seien ein „Angriff auf Jüdinnen und Juden in Nordrhein-Westfalen, sie sind ein Angriff auf unsere Demokratie“, sagte Thomas Kutschaty, Fraktionschef der SPD. Der Staat stehe in der Verantwortung, den oder die Täter zu finden und anzuklagen. „Judenhass darf in Deutschland keinen Millimeter Platz haben.“ Die Antwort aller Demokratinnen und Demokraten auf den Anschlag müsse unmissverständlich sein: „Wir wollen jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen. Jüdische Kultur ist ein fester Bestandteil unseres Landes und dafür werden wir uns auch weiterhin mit ganzer Kraft einsetzen.“  

„Wir müssen besser werden, um Menschen vor Diskriminierung und Gewalt in unserer Gesellschaft zu schützen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer. Im vergangenen Jahr habe die Polizei in Nordrhein-Westfalen 437 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund verzeichnet. Das Dunkelfeld sei „wesentlich größer“. Schäffer berichtete von „antisemitischen Vorfällen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ in Klassenzimmern und auf Schulhöfen. Sie wies zudem auf die Bedeutung von „Verschwörungsmythen“ hin. Sie seien „anschlussfähig bis in die Mitte der Gesellschaft“ und deshalb so gefährlich. 

FDP-Fraktionschef Henning Höne sprach von einem „feigen Anschlag“ auf das jüdische Leben in Deutschland und den interreligiösen Dialog. Die Debatte im Landtag könne die Aufklärungsarbeit nicht ersetzen, sei aber dennoch wichtig im Kampf gegen Antisemitismus. Höne berichtete von einer Allensbach-Umfrage. Ihr zufolge seien 23 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland der Meinung, dass Jüdinnen und Juden zu viel Macht in der Wirtschaft und im Finanzwesen hätten. Fast 50 Prozent hielten die Erinnerung an den Holocaust für „nicht unbedingt notwendig“. Das seien „erschreckende Zahlen, die uns wachrütteln müssen“.  

„Wer gegen Juden hetzt, der hetzt gegen uns“, unterstrich Markus Wagner (AfD). Antisemitismus sei „dumm und irrsinnig“. Für umso wichtiger hielt der Abgeordnete eine „besondere Sensibilität“ der Politik. An dieser fehle es jedoch, wenn beispielsweise der Bundeskanzler „seelenruhig“ zuhöre, „wie der Palästinenserpräsident Abbas relativierend von 50 Holocausts durch Israel faselt“, und ihm noch 340 Millionen Euro Steuergelder mit auf den Weg gebe. „Wenn es um Antisemitismus geht, sind wir alle gefragt, in den eigenen Reihen aufzuräumen“, sprach Wagner die Parteien an. Keine Jüdin und kein Jude sollten mehr Angst haben müssen. 

„Diese Schüsse auf das alte Rabbinerhaus hallen durch ganz Nordrhein-Westfalen“, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Es sei nicht nur sinnbildlich das Nachbarhaus getroffen worden, sondern „unser gemeinsames Haus: das Haus des Miteinanders“. Dem Täter oder den Tätern rufe man zu: „Jüdisches Leben gehört in unsere Mitte.“ Es sei „Teil unserer Vielfalt, unserer Offenheit, unserer gemeinsamen Identität“. Dass jüdische Gemeinden dies ermöglicht hätten, anstatt Nordrhein-Westfalen nach dem Holocaust den Rücken zu kehren, sei keineswegs selbstverständlich, sondern ein Geschenk, betonte der Ministerpräsident.

Text: tob, zab, sow

Die Fraktionen im Landtag NRW