03.11.2022

Debatte um geplantes Bürgergeld

Der Landtag hat in einer Aktuellen Stunde über das von der Bundesregierung geplante Bürgergeld debattiert. Es soll „Hartz IV“ zum 1. Januar 2023 ablösen. Die SPD-Fraktion wirft der Union eine „Blockadehaltung“ vor. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) müsse sie beenden.

Die SPD-Fraktion schreibt in ihrem Antrag (18/1444) von „Wortmeldungen mehrerer Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker aus Reihen der CDU und CSU, die eine Blockade des Bürgergelds im Bundesrat androhen“. Dies erscheine als „besonders taktisches Machtkalkül, das einzig und allein darauf ausgerichtet ist, der Ampel-Koalition auf Bundesebene und letztlich vor allem vielen Menschen, die vom Bürgergeld profitieren würden, zu schaden“.

Die Union und Ministerpräsident Hendrik Wüst verbreiteten eine „Desinformationskampagne sondergleichen“, die die Gesellschaft spalte und die Armen gegen noch Ärmere ausspiele, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty. Das von ihnen geforderte Abstandsgebot zwischen Transferleistungen und Arbeitslohn lasse sich in zwei Richtungen auslegen: Entweder könne man „nach unten drücken“, wie die CDU es favorisiere. Man könne aber ebenso für faire und gerechte Löhne sorgen und beispielsweise den Mindestlohn erhöhen, regte Kutschaty an und forderte: „Beenden Sie endlich Ihre kaltherzige Blockadehaltung!“ 

„Wir müssen schauen, dass derjenige, der arbeitet, am Ende des Monats mehr hat als derjenige, der vom Sozialstaat Leistungen erhält“, sagte Marco Schmitz (CDU). Er sprach sich dafür aus, die Zuverdienstgrenzen zu erhöhen. Wer in Vollzeit arbeite und vielleicht sogar noch nachts einem zusätzlichen Minijob nachgehe, habe am Ende des Monats dieselben Sorgen wie Menschen, die Sozialleistungen bezögen. Es sei richtig, das Schonvermögen zu verringern. Vermögen besäßen ohnehin nur die Allerwenigsten im Sozialleistungsbezug. Man könne so aber Clans und anderen, die Sozialbetrug betrieben, beikommen, sagte Schmitz. 

Die FDP stehe zur Einführung des Bürgergelds, halte aber Verbesserungen für wünschenswert, sagte Yvonne Gebauer (FDP). So gelte es, „Fehlanreize“ bei der Übernahme der Heizkosten zu vermeiden. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass der Staat übermäßiges Heizverhalten durch die Übernahme der Kosten auch noch fördere. Das neue Bürgergeld sorge dafür, „dass niemand, der aus welchen Gründen auch immer kurzfristig in die soziale Bedürftigkeit fällt, sofort mittellos ist und um ein würdevolles Leben bangen muss“, sagte Gebauer. Zugleich sei es richtig und wichtig, den Grundsatz des Förderns und Forderns aufrechtzuerhalten. 

Beim Bürgergeld handle es sich neben der Wohngeldreform und der Kindergrundsicherung um eine der größten sozialpolitischen Errungenschaften, die während der letzten Jahrzehnte auf den Weg gebracht worden seien, sagte Jule Wenzel (Grüne). Es komme zur richtigen Zeit. Für viele Menschen im Leistungsbezug sei „der Gang in den Supermarkt in diesen Tagen ein sehr schwerer“. Eine Erhöhung um 53 Euro auf einen Regelsatz von 502 Euro sei ein „dringend notwendiger Schritt“, so Wenzel. Es dürfe aber nicht der letzte sein. Sanktionen wie bisher hätten Betroffene eingeschüchtert und stigmatisiert, im Zweifel eine Jobaufnahme sogar erschwert. 

AfD-Fraktionschef Dr. Martin Vincentz warf der SPD vor, sie wolle im Windschatten der derzeitigen Krise die von ihr als „großen Makel“ empfundene Sozialreform unter dem damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder korrigieren und ihr Image verbessern. Dies sei eine „Traumatherapie“. Es müsse aber weiter gelten, dass ein Mensch, der jeden Tag aufstehe und arbeite, mehr am Ende des Monats haben müsse als derjenige, der liegenbleibe. Mit ihrem „Schnellschuss“ fahre die SPD das Sozialsystem ein Stück weiter an die Wand. Das Problem der Armut löse man durch Arbeit, nicht durch Almosen.  

Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) wies den Vorwurf der SPD zurück, seine Partei nehme beim Bürgergeld eine Blockadehaltung ein. Das Thema könne von der Seite der Leistungsempfänger betrachtet werden und von der Seite derjenigen, die diese Leistungen über Steuern erwirtschafteten. Es sei wichtig, dass diese Debatte geführt werde. Und wenn eine Lösung gefunden werden solle, müssten beide Seiten betrachtet werden. Laumann betonte, dass seine Partei nicht die Erhöhung des Regelsatzes infrage stelle. Probleme sehe er u. a. bei der Frage, ob das Lohnabstandsgebot eingehalten werde, bei der Karenzzeit und beim Schonvermögen.  

Text: sow, zab, wib

Die Fraktionen im Landtag NRW