28.09.2022

Landtag debattiert über Nachtragshaushalt 2022

Die Landesregierung von CDU und Grünen hat einen Nachtragshaushalt für 2022 im Landtag eingebracht. Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk stellte die Details des Entwurfs vor, mit dem Schwarz-Grün erste Schwerpunkte setzt. Die Opposition übte Kritik an den Vorhaben.

Die Beratung zum Nachtragshaushalt (18/900) falle in eine „Zeit der enormen Krisenverdichtung“, sagte Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk (CDU) und verwies auf die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, die Inflation, eine drohende Rezession sowie den Klimawandel. Um dem Rechnung zu tragen, justiere die Landesregierung mit dem Nachtragshaushalt nach: Die Besoldung für alle Lehrkräfte der Primarstufe und Sekundarstufe I werde schrittweise bis August 2026 auf A 13 angehoben. Das Schulprojekt „Ankommen und Aufholen“ und das Projekt „Kita-Helfer“ würden fortgesetzt. Zudem gebe es deutlich mehr Geld für Personal im Hochwasser- und Katastrophenschutz sowie für Transformationsprozesse im Zuge der Energiewende. Ziel sei, Nordrhein-Westfalen zur „ersten klimaneutralen Industrieregion“ zu entwickeln. Zur Finanzierung von Mehrbedarfen für Asylbewerberinnen und -bewerber und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wiederum würden mehr als 570 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Neue Schulden würden mit dem Nachtragshaushalt nicht gemacht. 

Die Menschen in Nordrhein-Westfalen erlebten aktuell eine „herausfordernde und von historischen Zäsuren geprägte Zeit“, sagte Olaf Lehne (CDU). Da sei die Politik gefordert, Verantwortung zu übernehmen und Lösungen zu finden. Der vorgelegte Nachtragshaushalt stelle „eindrucksvoll unter Beweis“, dass Schwarz-Grün dem gerecht werde und wichtige Zusagen aus dem Koalitionsvertrag umsetze. Es werde zusätzlich in die Innere Sicherheit und eine „starke Polizei“ investiert, damit „Cybercops“ auch „im Netz auf Streife gehen“ könnten. Die schrittweise Anhebung der Eingangsbesoldung auf A 13 sei für Lehrerinnen und Lehrer „ein klares Signal der Anerkennung und Wertschätzung“. Zudem würden Maßnahmen für Geflüchtete aus der Ukraine ausgeweitet. Um Nordrhein-Westfalen zur „ersten klimaneutralen Industrieregion Europas“ zu machen, habe die Landesregierung mit dem geplanten Nachtragshaushalt die richtigen Weichen gestellt. Die schwarz-grüne Koalition handle „vorausschauend, vorsorgend und nachhaltig“. 

Christian Dahm (SPD) machte im Nachtragshaushaltsentwurf „viel Etikettenschwindel und viel heiße Luft“ aus. So blieben von den 200 Millionen Euro für den Klimaschutz faktisch nur 80 Millionen Euro übrig – der Rest entfalle auf Verpflichtungsermächtigungen für die Zukunft. Auch nützten 1.000 zusätzliche Lehrerstellen wenig, wenn 11.000 Stellen im Bildungsressort unbesetzt seien. Ähnlich verhalte es sich bei der Polizei: Die Herausforderungen lägen darin, geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden und etwas gegen die hohe Abbrecher- und Durchfallquote in der Polizeiausbildung zu tun. Enttäuscht zeigte sich Dahm auch von den geplanten Mehrausgaben für Flüchtlinge: Die Regierung passe nur die Kosten an den tatsächlichen Bedarf an, schaffe aber keine zusätzlichen Plätze für Flüchtlinge. Die schrittweise Anpassung der Gehälter für alle Lehrkräfte an das Gehaltsniveau für Lehrkräfte an der gymnasialen Oberstufe sei richtig, meinte Dahm. Wie aber die Menschen in Nordrhein-Westfalen gut durch die Krise kommen könnten, dazu fehle der Regierung nach wie vor jede Idee. 

„Schwarz-Grün übernimmt Verantwortung in Nordrhein-Westfalen“, betonte Wibke Brems, Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Wir beschleunigen die Prozesse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien“, begründete sie die zusätzlichen Ausgaben von 80 Millionen Euro in diesem Jahr für die Transformation der Industrie – weitere 120 Millionen Euro in den kommenden Jahren setzten klare Rahmenbedingungen für Unternehmen. „Wir haben als Staat die Pflicht, die Menschen zu schützen“, ergänzte Brems. Wegen des Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung mache die Regierung den Katastrophenschutz zu einem Schwerpunkt der Innenpolitik. Mit dem Nachtragshaushalt ziehe sie erste Lehren aus der Hochwasserkatastrophe des vergangenen Jahres. Außerdem erklärte Brems, Lehrkräfte seien verantwortlich für die Zukunftschancen der Kinder. Deshalb erhielten sie mit der Gehaltsanpassung unabhängig von der Schulform die Wertschätzung, die sie verdienten. „Mit dem Nachtragshaushalt gehen wir den ersten Schritt, die Zukunft zu gestalten: sicher, krisenfest, nachhaltig und gerecht.“ 

Die Beratungen über den Nachtragshaushalt könnten „relativ einfach“ sein, sagte FDP-Fraktionschef Henning Höne. Denn der Haushalt 2022 der Vorgängerregierung von CDU und FDP sei ein „ziemlich guter Haushalt“ mit klarer liberaler Handschrift. Die Eckdaten stammten jedoch aus dem Sommer 2021. Man habe nicht gewusst, dass 2022 „der Krieg nach Europa zurückkehrt“. Höne sprach von einer „Zeitenwende, die Privatpersonen, Unternehmen und Kommunen ihrer Sicherheit beraubt“. Damit ändere sich auch die finanzielle Situation des Landes. Man habe höhere Ausgaben, nehme andererseits aber auch mehr Steuern ein: „Unterm Strich geht es um 900 Millionen mehr“, so Höne. Der Finanzminister verzichte aber auf weitere 200 Millionen Euro aus den allgemeinen Reserven. Das Geld bleibe liegen, obwohl eine Entnahme in diesem Jahr geplant gewesen sei und den Menschen „in dieser schwierigen Situation auch zustehen würde“. Er habe den Eindruck, dass die Landesregierung die 900 Millionen Euro vor allem für den Versuch nutze, „auf den letzten Metern eine 100-Tage-Bilanz zu retten“. Mit dem Nachtragshaushalt plane sie „an der Krise vorbei“. 

Dr. Hartmut Beucker (AfD) sprach von „Steuermelkkühen“ und „Inflationsgeschädigten“. Dazu habe die Haushaltspolitik der Landesregierung geführt. Bürgerinnen und Bürger, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler seien die „Verlierer dieser Koalition“. Sie verlören, „weil die Inflation rasant steigt und dabei die Kaufkraft der Bürger zerfrisst“, sagte Beucker. Die Landesregierung wisse „nichts Besseres, als dem Amtsschimmel neue Stallknechte zu schaffen“. Es gehe nicht um die „Verwaltung des Landes“, sondern um „mehr Verwaltung der Verwaltung“. Die Landesregierung feiere sich „ganz unverblümt für zusätzliche Gelder, mit denen geradezu planwirtschaftlich das Land deindustrialisiert werden soll – in Erfüllung der Phantasien der grünen Koalitionssteuerleute“. Fleißig folge man „der Klima-Ideologie in den Abgrund“. Erleichterungen für Bürgerinnen und Bürger oder Einsparvorschläge seien im Nachtragshaushalt nicht zu finden. 

Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung an den Haushalts- und Finanzausschuss (federführend) überwiesen. 

Text: tob, sow, zab
 

Schwerpunkte des Entwurfs des Nachtragshaushalts für 2022 sind nach Angaben der Landesregierung Bildung, Sicherheit und Klimaschutz. Konkret geplant ist u. a. der Einstieg in die schrittweise Anhebung der Eingangsbesoldung für alle Lehrämter auf A 13. Es sollen zudem 1.000 Lehrerstellen für die Ausbildung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine geschaffen werden. 

Die Landesregierung will eine neue Zentrale Landesstelle für den Katastrophenschutz gründen und im Innenminister die Einheit „Cyber-Sicherheit“ verstärken. 200 Millionen Euro sollen zur Finanzierung von Klimaschutzinvestitionen für die Industrie in Nordrhein-Westfalen bereitgestellt werden.

Die Ausgaben steigen von bisher geplanten 87,5 auf 88,4 Milliarden Euro. Der Entwurf sieht weiterhin keine Aufnahme neuer Schulden vor. 
 

Die Fraktionen im Landtag NRW