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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/96

16. Wahlperiode

05.11.2015

96. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 5. November 2015

Mitteilungen der Präsidentin. 9899

1   NRW investiert in die digitale Zukunft

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10128

In Verbindung mit:

Chancen für flächendeckenden Ausbau digitaler Infrastrukturen durch Breitbandförderrichtlinie des Bundes nutzen – Landesregierung muss Kommunen beim Breitbandausbau endlich unterstützen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10071. 9899

Alexander Vogt (SPD) 9899

Hendrik Wüst (CDU) 9900

Reiner Priggen (GRÜNE) 9902

Ralph Bombis (FDP) 9904

Lukas Lamla (PIRATEN) 9905

Minister Garrelt Duin. 9907

Thorsten Schick (CDU) 9909

Frank Sundermann (SPD) 9910

Marcel Hafke (FDP) 9911

Reiner Priggen (GRÜNE) 9912

Michele Marsching (PIRATEN) 9914

Minister Garrelt Duin. 9914

Hendrik Wüst (CDU) 9916

Ergebnis. 9917

2   20 Jahre UN-Stadt Bonn: Bundestadt Bonn als zweites bundespolitisches Zentrum sichern und als Sitz der Vereinten Nationen fortentwickeln

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10068. 9917

Ilka von Boeselager (CDU) 9917

Renate Hendricks (SPD) 9918

Horst Becker (GRÜNE) 9919

Dr. Gerhard Papke (FDP) 9920

Michele Marsching (PIRATEN) 9922

Minister Garrelt Duin. 9922

Ergebnis. 9923

3   Grundrechte verteidigen, anlasslose Überwachung stoppen, Vorratsdatenspeicherung kippen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10077

In Verbindung mit:

Mehr politische Widersprüchlichkeit geht nicht: CDU und SPD bejubeln erst die Aufkündigung von Safe Harbor und führen dann die anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS) wieder ein

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10061. 9923

Marc Lürbke (FDP) 9924

Nicolaus Kern (PIRATEN) 9925

Thomas Stotko (SPD) 9925

Gregor Golland (CDU) 9927

Monika Düker (GRÜNE) 9928

Daniel Schwerd (fraktionslos) 9929

Minister Ralf Jäger 9929

Ergebnis. 9931

4   Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10057

erste Lesung. 9931

Simone Brand (PIRATEN) 9931

Elisabeth Müller-Witt (SPD) 9932

Heiko Hendriks (CDU) 9933

Hans Christian Markert (GRÜNE) 9934

Angela Freimuth (FDP) 9935

Minister Johannes Remmel 9936

Simone Brand (PIRATEN) 9937

Ergebnis. 9937

5   NRW braucht eine Grundbildungsoffensive – Breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfa-len Teil 2

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10074. 9937

Gabriele Hammelrath (SPD) 9937

Kirstin Korte (CDU) 9938

Gudrun Zentis (GRÜNE) 9939

Ingola Schmitz (FDP) 9940

Monika Pieper (PIRATEN) 9941

Ministerin Sylvia Löhrmann. 9942

Ergebnis. 9943

6   Landesregierung muss umgehend die sechsspurige Erweiterung der Autobahn 1 „AS Münster-N – AK Lotte/Osnabrück“ und den sechsspurigen Ausbau der A 57 von Köln nach Moers im Rahmen von ÖPP-Modellen voranbringen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10065. 9943

Klaus Voussem (CDU) 9943

Achim Tüttenberg (SPD) 9944

Arndt Klocke (GRÜNE) 9945

Christof Rasche (FDP) 9946

Stefan Fricke (PIRATEN) 9948

Minister Michael Groschek. 9948

Ergebnis. 9949

7   Unbürokratische Rückmeldung bei Lehrgängen zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen bis 2017 sicherstellen – Nachsteuerungsbedarfe prüfen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10078. 9949

Ingola Schmitz (FDP) 9949

Marlies Stotz (SPD) 9950

Norbert Post (CDU) 9951

Gudrun Zentis (GRÜNE) 9952

Monika Pieper (PIRATEN) 9953

Ministerin Sylvia Löhrmann. 9953

Ergebnis. 9954

8   Erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen NRW und Benelux-Staaten fortsetzen

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10075. 9954

Volker Münchow (SPD) 9954

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 9955

Ilka von Boeselager (CDU) 9956

Holger Ellerbrock (FDP) 9957

Nicolaus Kern (PIRATEN) 9958

Minister Rainer Schmeltzer 9959

Ergebnis. 9960

9   Leben retten – Förderung der Ersten Hilfe und Wiederbelebung durch Laien bringt mehr Erfolg

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10079. 9960

Susanne Schneider (FDP) 9960

Dr. Roland Adelmann (SPD) 9961

Walter Kern (CDU) 9961

Martina Maaßen (GRÜNE) 9962

Lukas Lamla (PIRATEN) 9963

Ministerin Barbara Steffens. 9964

Ergebnis. 9965

10 Ehrenamtliche Jugendarbeit stärken – Kommunen, Träger sowie Sportvereine und ?verbände bei der Praxis der Einholung von Führungszeugnissen nach § 72a SGB VIII unterstützen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7781

Änderungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10136

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Familie, Kinder und Jugend
Drucksache 16/10102. 9966

Wolfgang Jörg (SPD) 9966

Bernhard Tenhumberg (CDU) 9966

Dagmar Hanses (GRÜNE) 9967

Marcel Hafke (FDP) 9969

Daniel Düngel (PIRATEN) 9971

Ministerin Svenja Schulze. 9972

Ergebnis. 9973

11 Partnerland Ghana ernst nehmen – Entwicklung des Gesundheitssystems unterstützen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10063. 9973

Rita Klöpper (CDU) 9973

Renate Hendricks (SPD) 9974

Andrea Asch (GRÜNE) 9975

Holger Ellerbrock (FDP) 9975

Nicolaus Kern (PIRATEN) 9976

Minister Rainer Schmeltzer 9977

Ergebnis. 9978

12 Inklusion verantwortungsvoll gestalten und Qualität gewährleisten

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10058. 9978

Ergebnis. 9978

13 Rechtssicherheit für offene WLANs: Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates folgen!

Antrag
des Abg. Schwerd (fraktionslos)
Drucksache 16/10056. 9978

Daniel Schwerd (fraktionslos) 9978

Alexander Vogt (SPD) 9979

Thorsten Schick (CDU) 9979

Dagmar Hanses (GRÜNE) 9980

Thomas Nückel (FDP) 9980

Lukas Lamla (PIRATEN) 9980

Minister Thomas Kutschaty. 9981

Ergebnis. 9982


Entschuldigt waren:

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Minister Garrelt Duin    
(ab 17 Uhr)

Minister Michael Groschek       
(bis 12:30 Uhr)

Ministerin Christina Kampmann

Minister Franz-Josef Lersch-Mense

Ministerin Sylvia Löhrmann                  
(ab 16 Uhr)

Minister Johannes Remmel      
(ab 13:30 Uhr)

Ministerin Barbara Steffens      
(bis 12:30 Uhr)

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans      
(ab 18 Uhr)

Andreas Becker (SPD)

Uli Hahnen (SPD)

Daniela Jansen (SPD)

Markus Töns (SPD)

Peter Biesenbach (CDU)

Dr. Wilhelm Droste (CDU)

Bernd Krückel (CDU)

Andrea Milz (CDU)

Holger Müller (CDU)     
(ab 17 Uhr)

Peter Preuß (CDU)

Ina Scharrenbach (CDU)           
(ab 17:30 Uhr)

Michael-Ezzo Solf (CDU)         
(bis 13:30 Uhr)

Eckhard Uhlenberg (CDU)

Matthi Bolte (GRÜNE)

Verena Schäffer (GRÜNE)

Arif Ünal (GRÜNE)

Dr. Ingo Wolf (FDP)

Kai Schmalenbach (PIRATEN)

 


Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen, 96. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 16 Abgeordnete entschuldigt

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Was? Das gibt es doch nicht!)

– ja –; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Auch heute dürfen wir jemandem zum Geburtstag gratulieren, und zwar Frau Kollegin Tanja Wagener von der Fraktion der SPD. Sie feiert heute ihren Geburtstag mit uns. Herzlichen Glückwunsch, Frau Kollegin Wagener!

(Beifall von allen Fraktionen)

Wir wünschen Ihnen alles Gute. Dass der Tag hier in Düsseldorf nicht endlos lang wird, haben Sie anhand der Tagesordnung gesehen. Wir wünschen Ihnen also einen schönen Geburtstag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen gerne noch einmal mitteilen, dass sich alle im Landtag vertretenen Fraktionen inzwischen darauf verständigt haben, den ehemals unter Punkt 7 auf der Tagesordnung stehenden Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/10071 „Chancen für flächendeckenden Ausbau digitaler Infrastrukturen durch Breitbandförderrichtlinie des Bundes nutzen – Landesregierung muss Kommunen beim Breitbandausbau endlich unterstützen“ zusammen mit der Aktuellen Stunde unter Tagesordnungspunkt 1 zu beraten. Das wussten Sie. Es muss aber formell und formal noch einmal mitgeteilt werden.

Mit diesem Hinweis treten wir nun in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

1   NRW investiert in die digitale Zukunft

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10128

In Verbindung mit:

Chancen für flächendeckenden Ausbau digitaler Infrastrukturen durch Breitbandförderrichtlinie des Bundes nutzen – Landesregierung muss Kommunen beim Breitbandausbau endlich unterstützen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10071

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom 2. November dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktionen Herrn Kollegen Vogt für die SPD-Fraktion das Wort.

Alexander Vogt (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen ist ein wichtiges Thema für Nordrhein-Westfalen und auch für diese Landesregierung. Es hat sich einiges Positives getan. Deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Die Landesregierung hat ein Förderkonzept vorgelegt, das den Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen wesentlich voranbringen wird.

Medien berichteten bereits in den letzten Tagen darüber und waren voll des Lobes für dieses Konzept. Die „Rheinische Post“ beispielsweise hat das Konzept als einen Schritt in die richtige Richtung beschrieben.

(Heiterkeit und Zurufe von der CDU – Lutz Lienenkämper [CDU]: Überschwänglich! – Lukas Lamla [PIRATEN]: Ich muss selbst lachen! – Weitere Zurufe)

Wenn wir die bisherigen Reaktionen auf das Konzept betrachten und wenn wir es im Vergleich zu anderen Bundesländern sehen, können wir feststellen, dass wir hier ein Förderkonzept auf den Weg gebracht haben, das Nordrhein-Westfalen voranbringen wird.

Herr Wüst, weil Sie direkt dazwischenrufen: Gestern haben Sie hier einen Antrag eingebracht – nicht Sie persönlich, aber Ihre Partei –, bei dem es ebenfalls um das Thema „Breitbandausbau in NRW“ ging. An diesem Antrag und insbesondere an der Begründung, die hier durch die Opposition, insbesondere durch die CDU, abgeliefert wurde, konnten wir sehen, dass die heutige Befassung mit diesem Thema auch für Sie dringend notwendig ist. Sie haben es nämlich geschafft, einen Antrag zu stellen und zu begründen, ohne überhaupt den aktuellen Stand zur Kenntnis zu nehmen und ohne irgendetwas zu erwähnen, was seitens des Wirtschaftsministers Garrelt Duin hier zu diesem Konzept vorgestellt wurde.

Daher nutzen wir die Gelegenheit, um auf einige Fakten aus diesem Konzept hinzuweisen. Wir haben mit diesem Konzept durchaus einiges zu bieten. Zum Beispiel haben wir bis 2018 rund eine halbe Milliarde Euro für den Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung.

Schauen wir uns einmal an, wie sich diese halbe Milliarde Euro zusammensetzt: Zum Glück haben wir endlich ein Bundesprogramm – es wurde von der Landesregierung lange gefordert –, das erhebliche Mittel nach Nordrhein-Westfalen bringen kann. Der Bund fördert 50 %. 10 % sollen durch die Kommunen aufgebracht werden.

Jetzt geht die Landesregierung her und sagt: Der fehlende 40-%-Anteil wird durch Gelder gedeckt, die im Landeshaushalt untergebracht werden. – Daraufhin kam von Ihrer Seite – so stand es auch in einer Reihe Ihrer Anträge – die Frage: Was geschieht eigentlich mit dem 10-%-Anteil bei den Kommunen, die diesen nicht selbst aufbringen können?

Auch hier hat die Landesregierung eine Lösung parat: Die Kommunen, die unter einem Haushaltssicherheitskonzept stehen, haben die Möglichkeit, diesen 10-%-Anteil erstattet zu bekommen. Damit wird sichergestellt, dass kein erfolgversprechender Antrag, der bei der Bundesregierung eingeht, etwa daran scheitert, dass eine Kommune ihren Eigenanteil nicht erbringen kann.

Ein weiterer Teil dieser halben Milliarde Euro stammt aus der Digitalen Dividende und den Erlösen, die aus den Frequenzversteigerungen an Nordrhein-Westfalen fließen. Das sind rund 135 Millionen €. Davon wird der ländliche Raum, den Sie in einer Reihe von Anträgen und auch gestern wieder thematisiert haben, Fördergelder in Höhe von 65 Millionen € erhalten. 50 Millionen € werden für den Ausbau in Gewerbegebieten zur Verfügung stehen.

Zusätzliche 9 Millionen € werden an die Kommunen fließen, die sogenannte Breitbandbeauftragte einsetzen. Breitbandbeauftragte sind Personen, die vor Ort den Ausbau des Breitbands koordinieren. Dieses Geld kann auch für Studien und für weiterführende Informationen in den Kommunen eingesetzt werden.

Darüber hinaus wird die Verlegung von Leerrohren an den Landstraßen mit 10 Millionen € gefördert.

1 Million € wird für offene WLAN-Zugänge und freies WLAN in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt.

Daran können Sie sehen: Die Erlöse aus der Digitalen Dividende sind wesentlich sinnvoller und besser eingesetzt worden, als Sie das in Ihrem vorliegenden Antrag und in Ihren vorausgegangenen Anträgen gefordert haben.

Das Bundesprogramm kann somit optimal ausgeschöpft werden. Ländliche Regionen werden ebenso gefördert wie Gewerbegebiete. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von weiteren Maßnahmen, die hier schon häufiger von uns diskutiert wurden. BreitbandConsulting.NRW, das bisher schon gut läuft, wird personell und inhaltlich verbessert. Es gibt Fördermöglichkeiten über EFRE und ELER. Wir sehen: Insgesamt ist die Landesregierung da wirklich auf einem guten Weg.

Herr Wüst, Sie werden ja gleich Ihre Rede halten. Dann werden wir sicher wieder einen Lobgesang auf Ihr Lieblingsland Bayern hören. Daher hier noch einmal die Feststellung: Nordrhein-Westfalen ist bisher das am besten ausgebaute Flächenland auf diesem Gebiet. Mit dem vorliegenden Konzept sind wir auf gutem Weg, auch weiterhin das am besten ausgebaute Land in Deutschland zu bleiben. Bislang verfügen schon 75 % der Haushalte in NRW über Anschlüsse von 50 MBit und mehr. Bayern liegt da bei 67 %.

Wir können den von Ihnen vorgelegten Antrag nur ablehnen. Er ist überholt und entspricht nicht dem aktuellen Stand. Ich bin mir aber sicher: Angesichts der Antragsflut, mit der Sie uns in den vergangenen Monaten zum Thema „Breitband“ überzogen haben, werden noch weitere Anträge folgen.

Vielleicht sollten Sie die Aktuelle Stunde auch als eine Art Nachhilfestunde nutzen; denn gestern hatten Sie noch nicht auf dem Schirm, welche Inhalte seitens der Landesregierung geliefert wurden. Nutzen Sie daher die Aktuelle Stunde, um diese Inhalte aufzunehmen und dafür zu verwenden, dass in Ihre sicherlich folgenden weiteren Anträge etwas mehr Qualität hineinkommt.

Zum Abschluss möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Minister Duin sowie den Mitarbeitern aus seinem Team dafür bedanken, dass dieses gute Konzept auf den Weg gebracht wurde. Ein großer Teil geht sicherlich auch auf die Diskussion beim Runden Tisch Breitband zurück, den der Minister ins Leben gerufen hat und an dem Kommunen, Verbände und Unternehmen beteiligt sind. Dafür nochmals ganz herzlichen Dank, Herr Minister Duin!

Wir werden dieses Konzept weiter begleiten. Ich bin mir sicher, dass Nordrhein-Westfalen damit auf einem wirklich guten Weg ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Wüst.

Hendrik Wüst (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Auch ich sage dem Geburtstagskind erst einmal herzlichen Glückwunsch. Sie feiern im Kreis von Freunden. Ich will mich bemühen, meine Redezeit nicht ausgiebig zu verlängern.

Verehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Besuchertribüne! Der Antrag der regierungstragenden Fraktionen, diese Aktuelle Stunde durchzuführen, zeigt, dass auch in der Politik gilt: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

Der Kollege Vogt hat hier aufgezählt, woher das Geld kommt: von EFRE, von ELER und vom Bund. Er hat dann ausführlich – bis hinunter auf einen Millionenbetrag – aufgefächert, wie man das Geld investiert. Dafür hätten Sie hier keine Aktuelle Stunde beantragen müssen. Da hätte eine E-Mail gereicht. Dann hätten wir zur Kenntnis genommen, wie Sie das Geld von anderen Leuten verteilen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Man muss aber eben manchmal auch kleine Dinge groß abfeiern, wenn man selber nicht mehr hinkriegt.

In Ihrem Antrag kritisieren Sie, dass es bei der Bundesregierung zu lange gedauert habe, sodass Sie erst jetzt endlich das Geld vom Bund verteilen könnten. Dieser Vorwurf fällt auf Sie selbst zurück. Schon in den Koalitionsverhandlungen war Minister Duin in der AG dabei, in der auch der Breitbandausbau verabredet wurde. Ob ihn die Lust verlassen hat, da Gas zu geben, oder ob andere Gründe maßgeblich waren, weiß ich nicht. Sie selbst haben hier aber auch nichts gemacht.

Wir haben allein in den letzten zwei Jahren zehn Anträge zum Thema „Breitband“ gestellt. Das ging von ganz groß, nämlich ELER, bis hin zu ganz klein, nämlich der Realisierung von Bürgerbreitband im ländlichen Raum. Wir haben drei Expertenanhörungen durchgeführt, in die auch Sie Experten hineingeschickt haben. Sie haben in den letzten Jahren nichts davon umgesetzt. Dann auf andere zu schimpfen, sie würden nicht aus den Puschen kommen, ist schon ein bisschen wenig. Andere Länder haben eigene Initiativen ergriffen, und zwar nicht nur Bayern, aber eben auch Bayern.

Bei Ihnen sind immer alle anderen dafür verantwortlich, dass etwas passiert. Die Telekomunternehmen müssen etwas machen, die Banken sollen gefälligst finanzieren, die Kommunen sollen es organisieren, und das Geld soll vom Bund kommen. Es sind immer die anderen. Das ist in genauso wie in anderen Politikfeldern auch hier der Fall. Sie warten, bis andere Ihren Job machen, nölen dann ein bisschen herum, dass das dauert, und stellen Sie sich anschließend hierhin und rattern bis zum Millionenbetrag herunter, wie Sie das Geld, das von den anderen Ebenen kommt, verteilen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Vogt, Sie haben ja noch einmal darum gebeten, dass ich etwas zu Bayern sage. Ich tue das gerne. Natürlich ist ein Land wie Nordrhein-Westfalen, das mit seinen starken Ballungsregionen hinter den Stadtstaaten liegt, stärker aufgestellt als Länder mit größeren ländlichen Regionen. Das ist eine ziemlich banale Erkenntnis. Schauen Sie sich aber einmal die Ausbaudynamik der letzten Jahre an. In Bayern werden fünf Mal so viele neue Haushalte angeschlossen wie in Nordrhein-Westfalen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie werden den von Ihnen gerühmten Platz Nummer vier in Nordrhein-Westfalen sehr bald verlieren. Dann können Sie von hier aus hinterherschauen und sich überlegen, wie Sie es besser hätten machen können. Dann ist die Chance aber vertan.

MICUS hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass wir in Nordrhein-Westfalen einen Finanzbedarf von 3,2 Milliarden € haben, um die Lücken zu schließen. 3,2 Milliarden €! Richtig; 500 Millionen € wären schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Sie haben beim Zitieren der „Rheinischen Post“ aber nur die Hälfte zitiert. Die „Rheinische Post“ ist von Ihrem Zahlenmikado so nervös geworden, dass sie „1,2 Milliarden €“ geschrieben hat. Das wäre noch schöner gewesen, wäre aber noch weniger an der Realität zu messen gewesen.

Herr Duin, Sie haben – das ist eine schöne Geschichte, die ein bisschen entlarvt, wie Sie das Ende der Woche zu inszenieren versucht haben – vor dem „Runden Tisch Breitband“ die Presse über 157 Millionen € an EU-Mitteln informiert, die zur Verfügung stehen. Dann haben Sie den runden Tisch begrüßt und ihm das zur Bearbeitung überlassen. Dort hat Herr Staatssekretär Becker von den Grünen erklärt, mit den 157 Millionen € sei es nicht so weit her; der ELER-Anteil könne so nicht mehr dargestellt werden.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

– Herr Becker, Sie können hier ja gerne gleich das Gegenteil behaupten oder von anderen behaupten lassen. Mir wurde es so berichtet, dass Sie erzählt haben, das alles sei mit ELER so nicht mehr zu machen. Da war die Pressemitteilung aber schon heraus. Warum Sie das an einem teilöffentlichen runden Tisch erzählen und es nicht vorher einmal mit Ihren Ministerien abstimmen, mag an Themen wie „Garzweiler“, „LEP“ oder „newPark“ liegen. Aber tra-gen Sie es doch bitte nicht auf Kosten eines solchen Themas aus.

Die Fraktionen müssen es heute ausbügeln. Im Antrag der Fraktionen ist von den 157 Millionen € nicht mehr die Rede. Man versucht jetzt, das hintenherum ehrlich zu machen. Sie schreiben jetzt, es seien 70 Millionen €. So sind von 157 Millionen € nur noch 70 Millionen € übrig geblieben – und das, obwohl nur ein Wochenende dazwischen lag.

Die nächste große Summe sind 350 Millionen €. Das ist eine gigantische Zahl. Herr Minister, ich muss gestehen: Sie hatten mich für einen kurzen Moment erwischt. Da habe ich gedacht: Verdammte Axt, der Duin hat doch dem Walter-Borjans in die Schatulle gegriffen. Respekt! – Da hätte ich Sie jetzt echt gelobt. Das wäre ein peinlicher Moment für mich gewesen. Ich hätte Sie gelobt; ich hätte es gemacht.

Aber auch da kam irgendwann die Vernunft wieder. Dann habe ich mich gefragt: Woher kommen die 350 Millionen € eigentlich? Das Ergebnis war: Man hat angenommen, dass aus dem Bundesprogramm nach dem Königsteiner Schlüssel Geld nach Nordrhein-Westfalen fließt. Die 350 Millionen € wären dann die entsprechende Kofinanzierung gewesen. Weil das aber natürlich alles nicht so sicher ist, weiß man nicht genau, ob die Zahl irgendwie gegriffen ist.

Jeder von uns weiß, dass der Königsteiner Schlüssel hier gar nicht angewendet wird, sondern nach einem Punktesystem vorgegangen wird. Dieses Punktesystem kann man kritisieren. Man könnte auch fragen: Was haben Sie gemacht, damit es anders läuft? Sei es drum! Aber mit dem Geld vom Bund werden in erster Linie die Länder unterstützt, in denen die ländlichen Regionen noch dominanter sind und man noch mehr Ausbaubedarf hat.

Alle Experten sagen uns, dass 20 % nach dem Königsteiner Schlüssel nicht realistisch sind. Wenn wir 10 % der Bundesmittel kriegen, dann ist es gut gelaufen. Dann brauchen Sie aber auch nicht 350 Millionen € zur Kofinanzierung. Damit ist diese Zahl auch schon wieder geschmälert. In Wahrheit ist das eine Luftbuchung. Wenn es etwas anderes wäre, könnten Sie das ja in den Haushalt einstellen. Aber dann sagen Sie: Wir gucken mal, wie der Bedarf so läuft; dann machen wir zur Not einen Nachtragshaushalt.

Das ist alles ziemlich dünnes Eis, auf dem Sie da marschieren; allerdings mit Pauken und Trompeten. Ich glaube, dass diese Inszenierung nicht verfangen hat. Das sehen Sie auch daran, dass die wenigsten Journalisten darüber berichten wollten.

Wie schon beim Verkehrswegebau haben Sie es auch hier unterlassen, Planungen vorzubereiten. Andere Länder sind längst weiter mit ihrer Planung. Sie wollen jetzt anfangen, ganz aktiv mit den Kommunen Anträge zu schreiben und diese bei der Antragstellung gegenüber dem Bund zu unterstützen.

Aber auch da ist es, wenn man wieder ins Detail guckt, folgendermaßen: Anträge, die bis 2018 herausgehen, werden privilegiert. Bauvorhaben, die bis 2018 abgeschlossen sind, werden sogar noch einmal gefördert. Ja, was wollen wir denn bis 2018 jetzt noch fertigkriegen? Ich bin sehr gespannt, wie Sie das alles in der Kürze der Zeit hinbekommen wollen.

Wenn von den 350 Millionen € nachher 200 Millionen € oder auch nur 150 Millionen € kommen, ist es gut gelaufen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Hendrik Wüst (CDU): Diese Zahlen sind nur für diesen Moment erfunden worden, um den großen Bluff vorzuführen bzw. um mit großen Zahlen das Thema totzukriegen und es dann von der Agenda zu ziehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Kann Herr Becker noch etwas sagen?

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Kollege Priggen. – Die Frage, die Herr Wüst gerade gestellt hat, bezog sich auf Zwischenfragen. Zwischenfragen sind in Aktuellen Stunden ja nicht zulässig.

Reiner Priggen (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Wüst! Es ist schon spannend. Ich habe eben noch einmal nachgesehen, um sicher zu sein. Sie sind 2005 in den Landtag gekommen und haben die fünf Jahre Regierungszeit von Herrn Rüttgers mitgemacht – genau diese analoge Zeit, als Sie 1 Million € im Jahr 2008 für den digitalen Ausbau im ländlichen Raum zur Verfügung gestellt haben,

(Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

und zwar bei einer Obergrenze der Förderung von 2 MBit. Das ist damals so gewesen.

Ich habe hier auch noch eine Quelle – eine Zeitung, die Sie auch mögen –, nämlich die „Financial Times“. Diese hat am Mittwoch, dem 1. Juni 2011 geschrieben, dass NRW damals kaum weiße Flecken gemeldet habe.

Sie wollten die Wahrheit nicht wahrhaben und schreiben jetzt das Gegenteil in Ihren Antrag:

„ … in Nordrhein-Westfalen, wo noch viele ‚weiße Flecken‘ in der Breitbandversorgung zu konstatieren sind, …“

So muss man es machen, wenn man aus der analogen Zeit kommt.

(Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

Lieber Herr Wüst, das trägt nicht.

Wenn Sie nur ein bisschen nüchtern darangehen würden, dann könnte man die Abläufe – wir sind ja nicht in der Bundesregierung; da sind Sie zusammen mit der SPD – ganz einfach konstatieren. Am 21. Oktober 2015 hat die Bundesregierung die Richtlinie „Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus in der Bundesrepublik Deutschland“ beschlossen. In der nächsten Kabinettssitzung hat die Landesregierung gehandelt und ihre Förderrichtlinie beschlossen.

Diese Vorgehensweise ist sehr vernünftig. Mit dem Bund hat es lange Diskussionen gegeben. Man kann auch über viele Details streiten. Aber dann hat die Landesregierung reagiert und hat ihre Parameter festgesetzt. Jetzt geht es darum, dass man das alles umsetzt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit der Förderrichtlinie des Bundes – um es klar zu sagen – sind Finanzmittel in einer Größenordnung von 2 Milliarden € angekündigt. Im Regelfall können 50 % der anfallenden Kosten in den Kommunen finanziert werden; für Gebiete mit geringer Wirtschaftskraft kann die Förderung sogar auf 60 bis 70 % erhöht werden. Das sind die Parameter des Bundes.

Eine Kofinanzierung durch andere Programme ist möglich und vom Bund auch ausdrücklich erwünscht. Warum Sie daraus immer wieder einen Vorwurf machen, erschließt sich mir nicht. Es hilft den Kommunen nicht. Der Bund räumt auch ein, dass der Eigenanteil der Kommunen von 10 %, der eigentlich gewährleistet sein muss, von den Ländern übernommen werden kann, wenn die Kommunen in Haushaltssicherung oder in kommunalen Notlagen sind. Auch das ist eine Vorgabe des Bundes.

Die Kommunen müssen ihre Förderanträge bei der Bewilligungsbehörde des Bundes stellen. Dann setzt der Bund das Land über die dort eingegangenen Förderanträge in Kenntnis. Das ist der Mechanismus. Deswegen ist es auch richtig, dass das Land reagiert hat. Das Land wusste, dass das kommt, war vorbereitet und hat es pünktlich gemacht.

Die Richtlinie des Bundes will für alle Haushalte im Erschließungsgebiet 50 MBit/s im Download gewährleisten. Das ist ein Punkt, bei dem Sie, wenn Sie nüchtern herangehen, mithelfen sollten. Sie sollten mit dem Bund darüber reden, dass dies eine Maßnahme ist, die das Ganze unglaublich verteuert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir kennen diese Diskussion. Wenn Sie als Kommune ausschreiben, einen Förderantrag stellen und ein Unternehmen gewinnen, wird es sehr teuer, wenn Sie 100 % aller Gebäude in der Gebietskörperschaft anschließen müssen. Deswegen muss man vernünftigerweise mit dem Bund darüber reden, ob nicht auch 98 % oder 95 % ausreichend sind, um das abzudecken, und ob wirklich jedes einzelne Haus angeschlossen werden muss, wenn die Maßnahme dann für die Kommune zu teuer wird.

Die Bundesregierung hat nach langer Diskussion mit den Ländern die Richtlinie auf den Weg gebracht. Die Landesregierung hat unverzüglich in der nächsten Kabinettssitzung reagiert. Das Land – das ist die Kernaussage; Sie brauchen gar nicht darum herumzureden – hat Mittel zugesagt. Das Land sagt eindeutig: Das, was an Kofinanzierung für die Anträge der Kommunen notwendig ist, stellen wir zur Verfügung.

Dass wir die Höhe jetzt nicht ganz exakt beziffern können, liegt daran, dass die Anträge erst gestellt werden müssen und dass der Bund die Regularien, wie das dann bewilligt wird, festlegen muss. Aber die Grundaussage „Das, was bewilligt wird, wird vom Land kofinanziert“ steht. Diese Grundaussage tragen die Fraktionen mit. Insofern ist diese Zusage tatsächlich eine Garantie für die Kommunen. Sie können sich auf den Weg machen, ihre Planungen vorantreiben und dann darauf vertrauen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben in den Jahren immer die Zusage eingehalten, dass das Land die Kofinanzierung zur Verfügung stellt.

Das Land hat auch gesagt: Für die Kommunen, die im Nothaushalt sind, stellen wir die 10 % zur Verfügung, weil diese Kommunen eben nicht abgeschnitten werden sollen, sondern teilhaben sollen. Insofern ist die entsprechende Forderung aus Ihrem Antrag auch erfüllt.

Das Land hat zusätzlich gesagt: Die 135 Millionen € Landesanteil aus der Digitalen Dividende werden zur Verfügung gestellt. Sie werden nicht auf den Förderanteil des Landes angerechnet, sondern für eine Reihe einzelner wichtiger Maßnahmen zur Verfügung gestellt.

Zum einen sind das 50 Millionen € für Glasfaseranschlüsse von Gewerbegebieten. Wir wissen nämlich, dass die Gewerbegebiete eine Priorität haben und schnell mit schnellen Datenleitungen angeschlossen werden müssen, weil es für die Existenz mancher Unternehmen wichtig ist. Dafür gibt es 50 Millionen €.

65 Millionen € stellen wir für Haushalte im ländlichen Raum zur Verfügung. Wir kennen ja die Klagen über die schlechte Versorgung in Teilen des ländlichen Raums. Der Anschluss des ländlichen Raums ist für manche Unternehmen nicht so lukrativ. Dafür gibt es 65 Millionen €.

10 Millionen € stellen wir für die Verlegung von Leerrohren beim Bau von Landesstraßen zur Verfügung. Das ist immer wieder gefordert worden. Die Landesregierung sagt es jetzt zu. Der Bau- und Verkehrsminister wird dafür sorgen, dass es auch umgesetzt wird.

9 Millionen € gibt es zur Unterstützung der Kreise und kreisfreien Städte bei den Planungen im Breitbandausbau, weil das eine zusätzliche Aufgabe ist.

Last, but not least wird 1 Million € für den Ausbau öffentlicher WLAN-Anschlüsse zur Verfügung gestellt.

Das sind die konkreten Zusagen des Landes als Maßnahmenpaket, nachdem der Bund seine Vorgabe gemacht hat.

Jetzt können wir alle am Bund herumkritisieren und an bestimmten Details deutlich machen, dass es zu spät war. Sie können die ewige Schallplatte auflegen, dass das Land zu wenig macht. Vor dem Hintergrund dessen, was Sie in der Regierung gemacht haben, finde ich das beachtlich; aber sei es drum.

Die Hauptaufgabe ist allerdings, dass man sich jetzt auf die vor uns liegenden Aufgaben konzentriert. Man muss dafür sorgen, dass die Förderrichtlinien schnell vorliegen, und mit dem Bund in den Diskurs gehen, damit er seine Arbeit schnell umsetzt und die Kommunen tatsächlich ihre Anträge stellen können. Das ist die nach vorne gerichtete Hauptaufgabe. Alles andere kann man nachher im politischen Wettbewerb austragen. Aber das ist das, worauf man sich in der Sache konzentrieren muss.

Dass Sie auch noch einen Antrag zur Abstimmung stellen, ist aus meiner Sicht das „digitale Murmeltier“ der CDU, von dem wir jeden Plenartag beglückt werden. Das ist nicht schlimm. In der Sache müssten Sie Ihren Antrag eigentlich zurückziehen, weil alle Punkte, die darin stehen, im Prinzip mit den Programmen von Bundes- und Landesregierung erledigt sind. Ich bin sicher, dass Sie das nicht tun werden. Also werden wir den Antrag natürlich überweisen. Das Thema ist es wert, weiterhin im Ausschuss diskutiert werden. Das machen wir gerne. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Bombis.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Dass die mit hoher Geschwindigkeit voranschreitende Digitalisierung uns in sämtlichen Lebensbereichen vor große Herausforderungen stellt, aber auch große Chancen mit sich bringt, ist inzwischen, glaube ich, allgemein anerkannt.

Dass sich prinzipiell jeder zukünftig bei fast allen Inhalten wird beteiligen, einbringen und austauschen können – ob im kulturellen, im politischen Bereich oder in gesellschaftlichen Bereichen, und das auf der ganzen Welt –, ist anerkannt. Die Transparenz von Strukturen wird zunehmen. Innovation, Wachstum und Beschäftigung werden zunehmen. Der gesellschaftliche Wohlstand insgesamt kann und wird dadurch zunehmen.

Für all das gibt es aber eine entscheidende Voraussetzung: eine flächendeckende Breitbandversorgung. Hierbei müssen wir in Nordrhein-Westfalen leider nach wie vor feststellen: Der Handlungsbedarf ist immer noch enorm. Herr Priggen, es bestehen eben noch zahlreiche weiße Flecken in der Breitbandversorgung in unserem Land.

(Zustimmung von Reiner Priggen [GRÜNE])

Das ist nun einmal festzuhalten.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

In 84 Kommunen kann gerade einmal ein einstelliger Prozentbereich der Haushalte auf einen schnellen Breitbandzugang zugreifen. Mit Blick auf das Breitbandziel einer flächendeckenden Versorgung von 50 Mbit, die dann 2018 vermutlich ein Stück weit Old School sein wird, müssen wir feststellen, dass laut der MICUS-Studie, die uns vorliegt, 393 Städte und Gemeinden von insgesamt 396 noch Handlungsbedarf haben. Die Landesregierung darf diese Kommunen nicht länger im Regen stehen lassen.

Wir könnten schon deutlich weiter sein. Unabhängig davon, dass 2008 natürlich eine andere Zeit war, gibt es seit 2009 eine Breitbandstrategie im Bund. Da war Nordrhein-Westfalen ständig eingeladen. Seit 2013 gibt es in diesem Hause permanent Anträge der Opposition, die sich mit den Themen „Breitband“ und „schnellerer Ausbau“ befassen. Wir haben permanent die Landesregierung aufgefordert, die Kräfte zu bündeln, sei es im EFRE-Bereich, um Mittel zu akquirieren, oder um andere Dinge zu tun, um die Breitbandversorgung zu verbessern.

Die Landesregierung hat immer darauf verwiesen, dass alles in Ordnung sei. Die Landesregierung hat Chancen verstreichen lassen. Die Landesregierung hat falsche Prioritäten gesetzt, meine Damen und Herren.

(Horst Becker [GRÜNE]: Welche denn? – Zuruf von den GRÜNEN: Stimmt doch gar nicht!)

Deswegen stehen wir auch heute noch weit hinter dem zurück, wo wir bereits sein könnten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Anfang 2015, fast zwei Jahre, nachdem der erste Oppositionsantrag im Plenum vorgelegen hat, ist man dann aufgewacht und hat die Tragweite des Themas erkannt.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Man hat in die damalige Regierungserklärung – mit Verlaub – einen Ausweis der Hilflosigkeit der Landesregierung in diesem Bereich hineingeschrieben.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Heute, fast ein Jahr später, stehen wir wo? Der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen hat in diesem Herbst Alarm geschlagen. Zitat: Insbesondere der ländliche Raum ist unterversorgt und die digitale Kluft zwischen Ballungsgebieten und dem ländlichen Bereich vergrößert sich ständig. – Der Städte- und Gemeindebund beklagt unter anderem, dass „im Moment nur rund zehn Prozent der 3.000 Gewerbegebiete in NRW mit schnellen Internetleitungen ausgestattet“ sind.

60 % der Haushalte im ländlichen Raum verfügen über keinen Zugang zum Breitbandinternet. Die aktuelle Publikation der IHK Nordrhein-Westfalen bringt es unter dem Titel „Digitale Transformation und Industrie 4.0“ auf den Punkt. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschaft im digitalen Zeitalter ist an vorderster Stelle – Zitat – „ohne Zweifel der Ausbau einer hochleistungsfähigen Breitbandinfrastruktur“. Es reicht nicht, nur darüber zu reden. Man muss endlich etwas tun.

Teile des Landes Nordrhein-Westfalen sind nach wie vor abgekoppelt von der Breitbandinfrastruktur und damit von der digitalen Welt insgesamt. Nein, es reicht eben nicht, nur viele Worte zu machen, ein paar runde Tische zu organisieren und die Verantwortung auf andere abzuschieben, wie es der Kollege Wüst dargestellt hat. Es reicht nicht, dass sich die Landesregierung nun auf den Mitteln ausruht, die ihr durch Maßnahmen des Bundes in den Schoß fallen. Es reicht auch nicht, lediglich EU- und Bundesmittel durchzuleiten und die ohnehin notwendige Kofinanzierung als landespolitischen Erfolg zu verkaufen.

Das ist ja alles schön und gut, es muss aber mehr geschehen. Die Landesregierung muss endlich erkennen, dass der Breitbandausbau eine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Priorität ist. Es ist der Lage eben nicht angemessen, mit EU-Regional-fördermitteln 800 Millionen € teure Ökosubventionsprogramme aufzulegen, den Breitbandausbau aber links liegen zu lassen und lediglich an die Verantwortung von anderen zu appellieren, meine Damen und Herren.

Wir schlagen deswegen vor, einen eigenen Ergänzungsfonds des Landes aufzulegen, mit dem zum Beispiel finanzschwache Kommunen bei der Aufbringung von Eigenmitteln unterstützt werden können.

(Beifall von der FDP)

Dafür muss der Wirtschaftsminister aber dann endlich auch den Mut aufbringen, wesentliche Teile der sogenannten Prioritätsachse 4 des EFRE-Programms für den Breitbandausbau zu investieren. Denn diese Prioritätsachse 4 beschäftigt sich mit einer nachhaltigen und zukunftssicheren Stadt- und Quartiersentwicklung. Was ist denn nachhaltiger und zukunftssicherer als eine ausreichende Breitbandversorgung in diesen Bereichen, meine Damen und Herren?

(Beifall von der FDP)

Das an den Tag gelegte Selbstlob der Landesregierung rechtfertigt sich hier nicht. Insofern wäre diese Aktuelle Stunde in der Tat wahrscheinlich vonseiten der Regierungsfraktionen besser zu überdenken gewesen.

Die Ausbaudynamik von NRW liegt nach wie vor weit hinter anderen Bundesländern. Dabei geht es nicht nur um Stadtstaaten, sondern auch um Hessen, Baden-Württemberg und, ja, auch um Bayern. Wir sagen ganz klar: Um die Zahl der Breitbandnutzer – hierbei schließt unser Land ebenfalls auf einem schwachen zehnten Platz ab – endlich zu erhöhen, muss mehr passieren. Im Sinne unseres Landes wünschen wir uns, dass hier endlich flächendeckend etwas gerade in den gewachsenen Strukturen passiert.

Bisher, trotz der Mahnungen der Opposition, tut die Landesregierung zu wenig. Sie tut es zu spät. Und sie tut es orientierungslos. Beten Sie nicht gesund, fangen Sie endlich an! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bombis. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Kollege Lamla.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer hier und zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, eines vorweg: Ihr Plan, sich hier hinzustellen und sich für eine völlig verkorkste Breitbandpolitik feiern zu lassen, wird nicht aufgehen.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Es fängt schon damit an, dass der Herr Wirtschaftsminister lieber Pressekonferenzen gibt, als seine Politik von den zuständigen Fachausschüssen analysieren zu lassen. Herr Minister Duin, war Ihr Programm letzte Woche noch nicht fertig, oder wieso konnten Sie das nicht im zuständigen Wirtschaftsausschuss vorstellen? Stattdessen machen Sie lieber Pressekonferenzen. Und jetzt auch noch diese Rot-Grüne Aktuelle Stunde zum eigenen Breitbandprogramm! Meine Güte, was ist das für ein durchsichtiger PR-Stunt.

Meine Damen und Herren, Sie tragen die Verantwortung für die schwache Breitbandpolitik der vergangenen Jahre in Nordrhein-Westfalen. Seit über zwei Jahren fordern wir Piraten hier immer wieder aufs Neue die Landesregierung zum Handeln auf, denn die digitale Revolution braucht einen schnellen Datentransit. Doch von Ihnen kamen nur rhetorische Floskeln, runde Tische und Verzögerungstaktiken. Erst jetzt, am Ende des Jahres 2015, ist Ihre Antwort, ja, Ihr großes Los da.

Wer sich so viel Zeit nimmt, der muss sich umso mehr am Ergebnis messen lassen. Genau das werden wir tun. Schauen wir uns doch einmal an, was auf dem Tisch liegt.

Ja, die Funkfrequenzversteigerung hat Geld in die Kassen gebracht. Das war aber nicht Eigenleistung der Landesregierung. Ja, die Landesregierung hat sich bereit erklärt, zusätzliche Landesfördermittel bereitzustellen. Das haben wir auch immer so gefordert. Das ist so weit okay.

Doch jetzt kommt die schlechte Nachricht: Ebenso relevant wie die Höhe der bereitgestellten Mittel ist die Zielrichtung der Förderprogramme. Jetzt, meine Damen und Herren, wird es ein bisschen absurd.

In dem Eckpunktepapier geht man davon aus, dass es einen exponentiell wachsenden Datenverkehr, ein exponentiell wachsendes Datenvolumen geben wird. Und man kommt zum Schluss, dass Glasfaser die einzige Technologie zur Erfüllung der steigenden Ansprüche ist. Das stimmt so weit.

Allein dieses Jahr steigt pro Breitbandanschluss und Monat das erzeugte Datenvolumen um satte 20 %. Ja, auch Glasfaser hat viele Vorteile gegenüber anderen Technologien. Diese liegen neben der hohen Datengeschwindigkeit in der Symmetrie der Datenübertragung, dem niedrigen Energieverbrauch und vor allem auch darin, dass wenig aktive Technik und nur wenige Verteilstellen erforderlich sind.

Trotz der richtigen Analyse in dem Eckpunktepapier setzt die Landesregierung weiterhin auf veraltete Kupferkabel – Kupferkabel, mit denen meine Oma schon mit ihrem Wählscheibentelefon telefoniert hat. Die Landesregierung verschwendet Steuergelder, um kurzfristige Breitbandprojekte bis 2018 hochzuziehen und danach technisch völlig veraltete Technik anzuprangern und dann wieder neue Fördergelder einzufordern oder zu beschließen. Meine Damen und Herren, das ist kurzsichtige und somit schlechte Politik.

(Beifall von den PIRATEN)

Schauen wir uns einmal die Bundesförderrichtlinie an, das größte Förderprogramm der nächsten Jahre. Es ist zwar technologieoffen ausgestaltet, aber das sogenannte Scoring-Verfahren bevorzugt Projekte, die bis Ende 2018 abgeschlossen sein werden. Das sind eben nicht Glasfaserprojekte, denn bis 2018 können wir nicht so viele Löcher buddeln, wie wir Glasfaserkabel verlegen müssten. Somit diskriminiert man die beste und nachhaltigste Technologie. Wir stehen vor der einmaligen Chance, das Land fit für das Gigabitzeitalter zu machen. Sie denken aber mit Brückentechnologien nur willkürlich bis 2018. Das ist einfach nur fahrlässig gegenüber dem Steuerzahler.

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn Sie uns fragen, dann verstößt diese Art von Förderpolitik gegen die Grundsätze des Haushalts. § 7 der Landeshaushaltsordnung schreibt Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit vor. Meiner Meinung nach müssen wir explizit den Grundsatz der Nachhaltigkeit hinzufügen. Es darf nicht sein, dass wir alle paar Jahre neue Förderprogramme auflegen müssen, weil die Landesregierung nicht konsequent auf nachhaltige Infrastruktur setzt. Aber genau das wird passieren, und zwar mit Ansage.

(Beifall von den PIRATEN)

Schauen wir uns an, wie die Förderung konkret stattfindet: Das Land selbst baut keinen Zentimeter Glasfaser aus. Es sind die Kommunen und die Kreise, die die Aufgabe schultern müssen. Sie müssen es jetzt überhaupt erst einmal schaffen, durch den Förderdschungel durchzublicken. Ich habe hier eine kleine Auflistung. Ich zähle Ihnen einmal auf, welche Fördertöpfe es gibt. Sie dürfen mich gerne, Herr Minister, korrigieren, wenn ich irgendwas vergessen habe.

Es gibt den europäischen Landwirtschaftsfonds für die ländliche Entwicklung. Es gibt die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Es gibt die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, das regionale Wirtschaftsförderprogramm, den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, das neue Breitbandförderprogramm von Minister Dobrindt und last but not least das kommunale Investitionspaket. Meine Damen und Herren, das ist maximale Bürokratie und maximale Intransparenz.

(Beifall von den PIRATEN)

Wer blickt durch diesen Förderdschungel überhaupt noch durch? Sie sagen selbst, dass eine Vereinheitlichung der Förderverfahren nicht möglich ist. Das ist zwar ehrlich, aber das ist schlechte Politik.

Wie Sie wissen, ist die Ausgestaltung der Breitbandförderung nicht die einzige fatale Weichenstellung in den letzten Tagen gewesen. Die de facto Aufhebung der Netzneutralität wird die Marktchancen kleiner Unternehmen drastisch verringern. Sie haben alle die Ankündigung der Telekom und von Vodafone gelesen. Wir haben uns gestern relativ ausführlich über das Thema unterhalten. Wir sollten uns das nicht bieten lassen. Wenn die Telekom mit Spezialdiensten extra verdienen will, dann sollten wir das bei der Kalkulation der Wirtschaftlichkeitslücke berücksichtigen. Solche Unternehmen benötigen anscheinend weniger Förderung als Netzbetreiber, die freiwillig auf die Netzneutralität setzen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich fasse zusammen: Die Breitbandpolitik kommt zu spät, sie verschwendet Steuergelder, indem veraltete Kupfertechnologie gefördert wird, um einen völlig willkürlichen Zielpunkt 2018 zu erreichen, und sie strotz vor Bürokratie und Intransparenz. In einem Zeitalter, in dem Rheinbrücken zum Teil unbefahrbar sind, der ÖPNV unterfinanziert ist, werden die digitalen Netze auf Sicht ausgebaut. Die Infrastrukturpolitik der Landesregierung verdient die Note sechs.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich komme zum Schluss: Wir Piraten fordern, sich für eine Nachbesserung der Bundesförderrichtlinie einzusetzen, um die Diskriminierung von nachhaltigen Glasfaserprojekten im Scoring-Verfahren aufzuheben. Wir Piraten fordern die Landesregierung auf, bis 2018 eine Mindestquote für Glaserprojekte festzulegen. Wir Piraten fordern, Glasfaserstrategien zu beschließen und den Umstieg auf Hochleistungsnetze auch über das Jahr 2018 hinaus strategisch voranzutreiben. Hier müssen konkrete Meilensteine definiert werden.

Allen Kommunen ist eine praxisnahe Hilfestellung bereitzustellen, um den Förderdschungel und die diversen Förderprogramme und ihre Regularien für die kommunalen Antragsteller verständlich zu machen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung hat nun Minister Duin das Wort.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben Sie ihn am Freitag auch gehört – diesen Schrei des Entsetzens seitens der Opposition? Herr Wüst hat es gerade im Grunde angedeutet: Man hatte nicht damit gerechnet, dass es der Landesregierung nach sehr intensiver Vorbereitung, nach sehr intensiver Diskussion, nach Beobachtung dessen und auch Einmischen in das, was der Bund vorlegt, gelungen ist, dem runden Tisch, der am Freitag getagt hat, eine Gesamtkonzeption – nicht tröpfchenweise mal hier ein bisschen, mal da ein bisschen – vorzulegen, die absolut sicherstellt, dass das Land Nordrhein-Westfalen seine Spitzenposition, die es jetzt schon beim Breitbandausbau hat, nicht verlieren, sondern weiter ausbauen wird. Der Schrei des Entsetzens war überall zu hören.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will darauf verzichten, Ihnen jetzt die einzelnen Teile vorzutragen, weil das die Vorredner bereits gemacht haben, sondern werde jeweils darauf Bezug nehmen. Ich habe mir Ihre Reden angehört. Die kennen wir. Das ist der normale Job einer Opposition: Landesregierung schlecht, selber hätte man bessere Ideen.

(Zuruf von der CDU – Lukas Lamla [PIRATEN]: Es ist ja auch schlecht!)

Nun muss man Sie ja nicht nur an den Reden messen. – Ja, und wenn Sie schlechte Noten verteilen – ist alles geschenkt; gehört alles mit zum Geschäft.

Ich schaue mir einfach an, was CDU und FDP gemeinsam hier heute zu diesem Tagesordnungspunkt beantragt haben. Ich gehe die Punkte einzeln durch.

Unter Punkt 1 steht, wir sollten Sorge dafür tragen, dass ein der Größe und ein der Bedeutung des Landes angemessener Anteil der Fördermittel nach Nordrhein-Westfalen kommt.

Jetzt stand hier vor keiner Viertelstunde Herr Wüst und sagte: Der Duin hat am Freitag erzählt, dass könnte ja mal Königsteiner Schlüssel sein, nur mal so als Marke. Das sei ja völliger Blödsinn. Wie könnte man wohl den Königsteiner Schlüssel bemühen? Wir alle wüssten doch, das käme nicht.

Dann schlage ich in diesem Antrag eine Seite zurück. Auf Seite 3, vorletzter Absatz, wird auf diesen ersten Forderungspunkt Bezug genommen, und dort steht: Der Königsteiner Schlüssel wäre ein möglicher Referenzpunkt, der Investitionsmittel für die des Bundes mit sich bringen würde. – Lieber Herr Wüst, wenigstens die eigenen Anträge lesen! Das wäre schon einmal eine gute Voraussetzung!

(Beifall und Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Unter Punkt 2 heißt es: Unmittelbar eine Handreichung für die Kommunen zu erstellen, damit man darauf aufmerksam gemacht wird, usw. – Dazu kann ich nur sagen: leider zu kurz gesprungen. Wir haben nämlich schon im Vorfeld die entscheidende Einheit für die Beratung der Kommunen – Breitbandconsulting NRW – neu ausgeschrieben, mit neuen Mitteln ausgestattet, neu aufgestellt, sodass die Arbeit dort jetzt geleistet werden kann.

Wir werden – ich komme auf das Thema Haushalt, Ergänzungsmitteilungen und auf das, was jetzt im Rahmen der Diskussion und der Entscheidung der Landesregierung auf den Weg gebracht wurde, noch zurück – darüber hinaus zusätzliche Stellen in den Bezirksregierungen schaffen. Zum einen werden wir den Kommunen bei der Beantragung der Mittel zur Seite stehen. Zum anderen wird aber auch die Bewirtschaftung der zur Verfügung gestellten Mittel sichergestellt.

Wir wissen, unter welcher Situation die Bezirksregierungen gerade enorm leiden, und dass dort manche Dinge auch liegenbleiben, weil es zurzeit Wichtigeres gibt. Deswegen werden wir sicherstellen, dass zusätzliche Stellen in die Bezirksregierungen kommen, die sich explizit um das Thema Breitbandausbau kümmern, um auch den Kommunen in der Bewirtschaftung dieser Mittel zur Seite zu stehen. Also Punkt 2: zu kurz gesprungen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Punkt 3: Jede Kommune unkompliziert, unbürokratisch unterstützen. – Meine Feststellung: wieder zu kurz gesprungen. Wir werden mit Mitteln der Digitalen Dividende II jeder kreisfreien Stadt und jedem Kreis für die Jahre 2016, 2017 und 2018 jeweils 50.000 € zur Verfügung stellen. Wir werden das sehr unbürokratisch und unkompliziert machen, weil wir wissen: Ein Teil hat schon Breitbandbeauftragte, ein Teil nicht. Wie sollen wir das handeln? Sollen wir die belohnen, die schneller waren? Das macht überhaupt keinen Sinn.

Deswegen ist es in der Verantwortung der Kommunen, zu sagen: Wir stellen dafür Personal ein und schaffen einen Breitbandbeauftragten. Oder: Wir schauen uns mittels eines Gutachtens einmal genau an, was bei uns schon in der Straße liegt und welche Anbieter da schon sind. Wir haben Beispiele jüngst aus drei Kreisen aus dem Westfälischen, aus dem Münsterland, die sich zusammengetan haben und ein solches Tool entwickelt haben, um ihren Kommunen damit zur Verfügung zu stellen: Was liegt schon in der Straße? Das ist ja die Voraussetzung für einen klugen Antrag, nämlich einen Ausbauplan zu machen.

Dafür stellen wir unbürokratisch und leicht zugänglich allen 53 großen Kommunen – also den Kreisen und den kreisfreien Städten und der Region Aachen – diese Mittel ohne Wenn und Aber zur Verfügung. Damit können wir die Kommunen in die Lage versetzen, erfolgreiche Anträge zu stellen. Punkt 3: leider zu kurz gesprungen.

(Beifall von der SPD)

Punkt 4: Ergänzungsfonds für die Unterstützung von Kommunen. Jetzt kommt es: Mittel aus dem EFRE und Mittel aus dem Erlös der Frequenzversteigerung sollen wir dazu verwenden. – Auch da wieder zu kurz gesprungen. Wir nehmen eigenes Geld in die Hand und verbraten nicht die Mittel der Digitalen Dividende II für diesen Punkt. Trotzdem stellen wir sicher, dass die Kofinanzierung in den Kommunen gesichert ist. Kein einziger Euro, der durch Berlin bewilligt wird, wird daran scheitern, dass die Kofinanzierung nicht steht. Wir stehen dafür gerade. Wir geben dafür eine Garantie, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Punkt 5: wieder zu kurz gesprungen. Auch da geht es um die Aufbringung von Eigenanteilen. Das werden wir mit eigenen Mitteln erledigen. Dafür braucht man auch nicht den Juncker-Plan. Den können wir obendrauf legen.

Punkt 6: wieder zu kurz gesprungen. Da soll die NRW.BANK den Eigenanteil der Kommunen sicherstellen. Auch da laufen Sie ins Leere.

Wenn wir uns diese Punkte zusammenfassend ansehen, stellen wir fest: Sie haben die Mittel der Digitalen Dividende II schon drei Mal für die einzelnen Punkte verbraten. Bei uns sind sie bei diesen Dingen, die Sie hier fordern – mehr haben Sie ja gar nicht gefordert –, noch gar nicht angefasst, weil wir nämlich sagen: Das Bundesprogramm muss komplett kofinanziert werden, für die Kommunen mit besonderen finanziellen Schwierigkeiten auch unter Einbeziehung der letzten 10 % Eigenanteil, wobei der Bund da etwas höher geht als 50 %; da geht er vielleicht bis 70 %. Dann machen wir den kompletten Rest.

Also: Kein Gefälle zwischen den Kommunen, die Verfügungsmittel haben, und denen, die in Schwierigkeiten sind, kein Unterschied!

Obendrauf kommt dann die Digitale Dividende. Da wird dann erzählt, das seien fremde Mittel. Also, bei aller Liebe, Herr Wüst, Sie wissen genau: Die Frequenzversteigerung war eine originäre Aufgabe der Länder. Nur haben wir das nicht 16 Mal gemacht, sondern wir haben das sinnvollerweise zusammen gemacht. Wir haben das einmal gemacht und haben dann nach dem Königsteiner Schlüssel unseren Anteil daraus bekommen. Das war ja wohl mehr recht als billig. Das ist unser originäres Geld aus dieser Versteigerung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Diese 135 Millionen € setzen wir ein, sehr zielgerichtet, indem wir sagen: Es wird Kommunen geben, die vielleicht bei dem Wettbewerbsverfahren aufgrund des Scoring-Verfahrens nicht erfolgreich sein werden. Dann werden wir sagen: Den Löwenanteil setzen wir ein für den ländlichen Raum, und zwar für den Anschluss von Haushalten im ländlichen Raum. Das ist ein wesentlicher Punkt der gesamten Breitbandstrategie.

Zweitens: Der zweite Löwenanteil dieser 135 Millionen € wird für den Glasfaseranschluss in den Gewerbegebieten eingesetzt. Gerade unser Gewerbe, unser Mittelstand ist darauf angewiesen, diese Datenleitungen zur Verfügung zu haben. Deswegen tun wir das. Und wir finanzieren noch Leerrohre, und wir finanzieren noch Modellprojekte im Bereich des Zugangs für freies WLAN.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Jetzt sind wir beim Modellprojekt!)

Meine Damen und Herren, das ist deutlich mehr als das, was Sie hier gefordert haben. Diese Landesregierung wird ihrer Verantwortung absolut gerecht. Wir werden diese Finanzierung sicherstellen. Wir werden im Übrigen, um das auch noch zu erwähnen, Ergänzungsmitteilungen für den Haushalt machen. Da werden Sie, Herr Wüst, noch dazu kommen, mich zu loben. Ich bin sehr gespannt. Dann werden wir in einem ersten Schritt mit 125 Millionen € anfangen. Dann werden wir nachsteuern, je nachdem, welchen Erfolg unsere Kommunen haben.

(Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

Es ist so, Herr Wüst; ich muss es leider wieder feststellen. Wir haben gesagt, wir wissen nicht genau, wie viel Erfolg die einzelnen Kommunen haben werden. Wir stellen erst einmal Mittel zur Verfügung. Dann werden wir das in den Jahren 2016, 2017 und 2018 entsprechend sicherstellen. Die Garantie gilt.

Damit ist eines immer wieder nur festzustellen: Sie sind schnell mit Ihren Anträgen. Aber Sie sind der Hase bei „Hase und Igel“: Ick bün al dor. – Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Duin. Herr Minister Duin, Sie haben die Redezeit um 2:15 Minuten überzogen. Das in der Aktuellen Stunde insofern eine Schwierigkeit, als wir uns in Rederunden befinden. Natürlich darf das nicht zum Nachteil des Parlamentes gehen. Deshalb bekommt jetzt jeder Redner, jede Rednerin in der zweiten Runde die entsprechende Zeit obendrauf. Da sie aber für einige Fraktionen sehr auskömmlich ist, müssen wir uns insgesamt einmal eine Neuregelung überlegen.

Herr Kollege Schick eröffnet jetzt die zweite Runde und spricht für die CDU-Fraktion.

Thorsten Schick (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Duin, wer hier zu kurz gesprungen ist oder vielleicht sogar nur gehoppelt hat, das werden wir im Verlauf der nächsten Minuten noch einmal deutlich herausarbeiten.

Herr Priggen, Sie sprachen an, dass erst 2008 der damalige Minister Uhlenberg ein Förderprogramm auf den Weg gebracht hat, das sich mit dem Breitbandausbau beschäftigt. Wir stellen fest: Vorher hat sich in diesem Landtag keine Landesregierung mit dem Thema Breitbandanschlüsse beschäftigt, also auch Sie nicht. Heute treten Sie das erste Mal hier in dieser Thematik auf und zeigen gleich auf andere Leute. Ich glaube, da hätten Sie in der Vergangenheit weitere Akzente setzen müssen, um da glaubwürdig zu sein.

(Beifall von der CDU)

Herr Vogt, Sie führten aus, dass die „Rheinische Post“ Ihnen immerhin attestiert hat, dass Sie einen Schritt in die richtige Richtung gemacht haben. Ich würde mich freuen, wenn ich ein Lob bekomme, dass ich ein Ziel erreiche, und nicht dafür, dass ich einen Schritt mache. Aber für Sie ist es wahrscheinlich schon zufriedenstellend, wenn man Ihnen nicht attestiert, dass Sie verirrt durch die Gegend laufen, wenn Sie politische Ziele erreichen wollen.

(Beifall von der CDU)

Die Aktuelle Stunde hat bisher eines gezeigt: dass es der Regierung hier eindeutig nur um Marketing geht. Die Breitbandoffensive – das war der Wunsch des Ministers – sollte wie eine Rakete durchstarten, aber es hebt wieder einmal nur ein Heißluftballon ab. Dabei war doch alles so schön geplant: der runde Tisch am vergangenen Freitag. Deswegen wurde im Wirtschaftsausschuss nicht entsprechend informiert, sondern das Wissen sollte dem runden Tisch exklusiv zugestellt werden. Was durfte man erfahren? Ich kam etwas zu spät zum runden Tisch. Dort im Foyer war der Minister derjenige, der vor einer Kamera stand und erst einmal die Presse informiert hat, eben um Marketing zu betreiben und nicht die wartenden Experten oben entsprechend zu informieren. Das sind Ankündigungen, und das ist keine richtige Sacharbeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir kommen nun zum Herzstück dessen, was Sie versprochen haben. Das sind die 350 Millionen € an Kofinanzierung, also rund 20 % dessen, was der Bund für die Breitbandoffensive ausgelobt hat, wenn es denn nach Nordrhein-Westfalen kommt.

Aber der Kollege Wüst hat schon darauf hingewiesen: Dazu müssten die Hausaufgaben hier gemacht worden sein. Aber andere Länder sind weiter. Sie haben Kommunen in der Vergangenheit besser beraten, und dementsprechend sind Sie auch im Fahrplan deutlich weiter. Man muss nur einmal auf die Internetseite der Breitbandinitiative NRW schauen. Dort ist ein entsprechender Fahrplan aufgeführt, der Kommunen zeigt, wie man denn an entsprechende Fördergelder kommen kann.

Zunächst ist die Versorgungssituation zu prüfen. Dann sind Gespräche mit Anbietern zu führen, und dann kommen wir in den etwas formaleren Teil. Es geht um die Durchführung eines öffentlichen Markterkundungsverfahrens. All das braucht natürlich Zeit. Und wenn das erfolgreich war, dann geht es um die Durchführung eines offenen und transparenten Auswahlverfahrens. Das dauert nach Ankündigung von Breitband.NRW rund zwei Monate. Solange muss das Ganze ausgeschrieben sein.

Wenn man jetzt weiß, dass die erste Tranche des Bundes nach einer dreimonatigen Antragsfrist ausgezahlt wird, dann heißt das: Derjenige, der sich heute auf den Weg macht, hat keine Chance mehr, noch eine entsprechende Bundesförderung in der ersten Tranche zu bekommen. Da muss man einfach mal schauen, wie weit die Kommunen insgesamt in der Bundesrepublik denn sind. Auch da hilft Breitband.NRW weiter.

Aktuelle Ausschreibungen, die in NRW laufen: 17. Davon sind sechs Markterkundungsverfahren. Bei dem etwas weiteren Schritt, also dort, wo die formalen Kriterien im Marktauswahlverfahren erfüllt werden, haben wir elf. Das heißt: insgesamt 17 Verfahren, die aktuell laufen, die auch eine Chance hätten, im entsprechenden Verfahren unterzukommen.

Gucken wir doch einfach nach Bayern: Markterkundungsverfahren nicht sechs, sondern 383; Auswahlverfahren hier in Nordrhein-Westfalen elf, in Bayern 606. – Meine Damen und Herren, da sieht man, wo das Geld hingeht, nämlich nicht hier nach Nordrhein-Westfalen, sondern es geht wieder einmal in andere Bundesländer!

(Beifall von der CDU)

Von daher ist Ihr Versprechen, 350 Millionen € kozufinanzieren, eine Luftbuchung, weil die Kommunen hier in Nordrhein-Westfalen durch Ihr Zögern überhaupt gar nicht so weit sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die einzige Hoffnung, die wir haben, ist, dass die Gelder in Bayern, die 1,5 Milliarden €, die dort zur Verfügung gestellt worden sind, stark abgerufen werden, weil quasi schon 293 Kommunen Entscheidungen in der Tasche haben. 555 Kommunen haben bereits Zulassungsbescheide bekommen. Rund 1.900 von 2.050 Kommunen haben bereits die Beratung abgeschlossen. Wenn Nordrhein-Westfalen Geld bekommt, dann nur deswegen, weil Bayern Nordrhein-Westfalen in Bezug auf die Förderung Lichtjahre voraus ist.

(Beifall von der CDU)

Ich habe gerade deutlich gemacht, dass es natürlich um die Beratung der Kommunen geht. Auch dazu haben Sie gesagt, was wir aufgeschrieben hätten, sei gar nicht notwendig; denn Sie wären in dieser Hinsicht längst initiativ. Wenn man auf die Seite breitband.nrw.de schaut – das ist im Augenblick Ihre Hauptinformationsquelle –, liest man dort etwas über eine Fachtagung zur digitalen Infrastruktur in Berlin, ein Breitbandforum von Dritten im nächsten Jahr, und man liest – der Bund wird immer gescholten – von einem Beihilfe-Workshop des Bundesbreitbandbüros.

Eine eigene Initiative in Nordrhein-Westfalen zur Information der Kommunen? – Fehlanzeige. Der Einzige, der hier informiert, ist der Bund, aber diesen kritisieren Sie die ganze Zeit.

Wie Nordrhein-Westfalen 20 % der Mittel aus der Bundesförderung bekommen soll, ist mir deshalb schleierhaft. Hier sind Sie, wie gesagt, wahrscheinlich noch nicht einmal gehoppelt. Unser Antrag ist hingegen in die richtige Richtung gesprungen.

Wir brauchen schnell Handreichungen für die Kommunen. Wir müssen die Kommunen fit machen, damit sie Förderanträge möglichst schnell und effektiv erarbeiten können. Darüber hinaus müssen wir uns natürlich damit beschäftigen, dass die finanzschwachen Kommunen ihren Eigenanteil in Höhe von 10 % aufbringen können. Dazu gibt es widersprüchliche Aussagen zwischen ihnen und dem, was gerade von SPD und Grünen kommuniziert worden ist bzw. was im Antrag steht.

Außerdem müssen wir versuchen, die EU-Gelder nach Nordrhein-Westfalen zu bekommen. Ich meine das so genannte Juncker-Investitionsprogramm. Auch in dieser Hinsicht müssen wir richtig Gas geben, damit etwas passiert.

Ich möchte mit einem Zitat von Jutta Metzler enden, Herr Minister Duin:

„Reden bewegt den Mund, Handeln die Welt.“

Werfen Sie also nicht nur verbal Geld in die Luft, sondern sorgen Sie dafür, dass Leitungen in die Erde kommen.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Sundermann das Wort.

Frank Sundermann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier wurde infrage gestellt, ob es dieser Aktuellen Stunde überhaupt bedarf. Aus meiner Sicht ist das schon notwendig. Vielleicht können Sie es als eine Art Weiterbildungsmaßnahme absetzen, was der Minister und Herr Vogt gesagt haben. Wir müssen ja immer alles wiederholen. Herr Priggen hat das auch getan.

(Hendrik Wüst [CDU]: Dann hören Sie doch auf!)

Ich werde das allerdings nur bedingt tun, meine Damen und Herren. Eingangs möchte ich darauf eingehen, dass Herr Wüst gesagt hat, Herr Vogt hätte hier zu kleinzellig argumentiert, wir würden hier über kleine Dinge reden. Da frage ich mich schon, warum Sie dann hier im Nachhinein Ihre zehn Anträge und Anfragen kleinreden. Sie sind sehr traurig und entsetzt darüber, dass jetzt alle Lösungen auf dem Tisch liegen, die Sie vielleicht irgendwann einmal gefordert haben. Die Lösungen sind jetzt da, meine Damen und Herren.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das ist aber eine gewagte Aussage!)

Sie haben Phantomschmerzen, weil wir Ihnen Ihr Lieblingsthema, Ihr Räppelchen, weggenommen haben. Aber diese Schmerzen können wir Ihnen nicht nehmen.

(Beifall von der SPD – Lukas Lamla [PIRATEN]: Wir wollten ein Auto, und Sie kommen mit einem Dreirad!)

– Sie kommen mit dem Auto nicht ans Ziel, wir aber vielleicht mit dem Dreirad, Herr Lamla.

Was ich hier heute gehört habe, ist, dass die Opposition lediglich nach hinten schaut. Das war mein Eindruck aller Reden, und zwar von Herrn Bombis, Herrn Wüst und Herrn Schick. Sie schauen nur nach hinten und verharren in der Beschreibung einer negativen Situation. Sie sprechen von weißen Flecken und davon, wo die Ausstattung mit Breitbandinternet zu gering ist. Dort verbleiben Sie, weiter kommen Sie nicht.

Meine Damen und Herren, wir handeln. Sie beschreiben, wir handeln, und wir legen hier – auch das hat der Minister gesagt – heute ein Gesamtkonzept vor, eine runde Sache, auf die wir aufbauen können. Sie hingegen verbleiben in Ihrer klassischen Argumentation. Das gestehen wir Ihnen als Opposition auch zu. Sie sind zu langsam, zu spät und zu wenig. Wir aber sind schnell genug, kommen pünktlich und tun auch genug.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz auf die Digitale Dividende II sowie auf das MICUS-Gutachten zu sprechen kommen. Ich würde diesbezüglich gern noch zwei Dinge in die Diskussion einbringen.

In dem Gutachten wird zum einen gesagt, es gäbe zwei Schwerpunkte, nämlich einerseits den ländlichen Raum und andererseits die Gewerbegebiete.

Was den ländlichen Raum betrifft – der Minister hat es bereits ausgeführt –, geben wir jeder kreisfreien Stadt und jedem Kreis 150.000 €, damit diese sich um Breitbandbeauftragte kümmern können. Das ist der entscheidende Schritt, um die Antragstellungen zu gewährleisten, die hier ausgewiesen worden sind. Herr Schick hat zwar gesagt, wir bekommen das nicht hin, aber ich sage Ihnen: Wir schaffen das mit diesen 150.000 €.

Des Weiteren ist es wichtig, Gewerbegebiete mit Glasfaser anzuschließen. Jawohl, das ist richtig. Ich denke, das ist auch wirklich ein Fokus unserer Arbeit. Uns trennt in der Analyse eigentlich auch wenig bis gar nichts. Aber wir geben genau an dieser Stelle auch 50.000 Millionen € aus, um dort einen Anschub zu erzielen und – das wird auch in der MICUS-Studie gesagt – einen Cluster zu schaffen, von dem aus zukünftig Glasfaserverbindungen aufgebaut werden können.

In der MICUS-Studie wird ausgeführt, wir bräuchten 500.000 Millionen €. Es kann natürlich nicht die Aufgabe der Landesregierung sein, diese 500.000 Millionen € komplett zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen – ich denke, dem werden FDP und CDU nicht widersprechen – zudem natürlich auch einen marktgetriebenen Ausbau.

Wir brauchen Initiativen und müssen die Leute an einen Tisch holen. Das macht der Minister zum Beispiel in Form von runden Tischen auf regionaler Ebene. Genau das brauchen wir. Alle Beteiligten müssen an einen Tisch kommen. Die Überlegung, dass diese 3,5 Milliarden €, die wir für den Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen brauchen, komplett aus Landeshand kommen müssen, betont Herr Wüst zwar gern in seinen Reden, aber er weiß natürlich auch, dass das am Ende des Tages nicht sinnvoll und zielführend ist.

Worauf an verschiedenen Stellen ebenfalls abgehoben wurde, ist die Frage, wie viel wir aus den Bundesmitteln bekommen. Herr Schick hat eine relativ umfangreiche Analyse dazu gemacht. Wir sind der Meinung, dass hier vonseiten der Landesregierung schon eine ganze Menge gemacht worden ist.

Wir haben den „Runden Tisch Breitband“. Wir haben das Breitbandconsulting. Wir schieben Breitbandbeauftragte an. Wir haben Finanzierungsprogramme der NRW.BANK. Wir haben die regionalen Tische, die die Beteiligten vor Ort zusammenführen. All diese Dinge haben wir getan. Das heißt, wir sind vorbereitet auf das, was kommt.

Ich bin mir sehr sicher, dass wir hier keinen Kaltstart machen, sondern aus der Vorbereitung jetzt mit einem Gesamtkonzept starten und unser Ziel – 50 MBit flächendeckend bis 2018 – auch erreichen werden.

Schließen möchte ich mit einem Zitat, das ich auf der Homepage der CDU gefunden habe. Da können Sie einmal sehen: Feind- bzw. Wettbewerberbeobachtung gehört zu meinem Geschäft.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Ich zitiere Herrn Koetz, den BITKOM-Landesspre-cher Nordrhein-Westfalen, der sagte:

„Bund und Länder senden mit dem nun aufgelegten Breitband-Förderprogramm ein starkes Signal an die Wirtschaft und Gesellschaft im gesamten Land wie auch speziell an den Industriestandort NRW.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. – Glück auf und vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kollege Sundermann. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Digitalisierung ist das Thema der letzten Jahre und der heutigen Zeit.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Die Ministerpräsidentin hat sich Anfang des Jahres sogar dazu hinreißen lassen, hier eine Regierungserklärung abzugeben.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Die war lustig!)

Seit fünf Jahren stellen wir in diesem Hause allerdings fest, dass nichts passiert ist und die Landesregierung auf dem Ohr taub ist, wenn es um das Thema „Digitalisierung“ geht. Das Internet ist heutzutage ein Grundrecht. Es ist die Grundlage für Meinungsvielfalt, für Demokratie, für Partizipation und für Wohlstand. Jeder Haushalt in Nordrhein-Westfalen braucht diesen Zugang. Jeder Handwerker braucht ihn, wenn er sein Unternehmen führen will. Jeder Gründer in Nordrhein-Westfalen braucht den Internetzugang.

Herr Minister, wenn Sie sich hier so feiern, wie Sie es mit der Regierungskoalition getan haben, dann müssen Sie auch mal die Bilanz ziehen,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

was Sie eigentlich in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen gemacht haben und wie die Situation in NRW aussieht.

(Beifall von der FDP)

Ich will Ihnen es noch einmal vorhalten: In 84 Kommunen in Nordrhein-Westfalen können weniger als 10 % der Haushalte überhaupt auf Breitband zurückgreifen. 393 Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben Handlungsbedarf, wenn es um eine 50-MBit-Leitung geht. 60 % des ländlichen Raums haben gar keinen Zugang zu Breitband.

Wenn wir den Wohlstand in unserem Land garantieren wollen, dann müssen wir doch auch mal über die Unternehmen und Gewerbe reden. Wir haben 3.000 Gewerbegebiete in Nordrhein-Westfalen. Herr Minister, ich frage Sie: Wie viele Unternehmen, wie viele Gewerbegebiete in unserem Land haben überhaupt einen Zugang zu Breitband? – Das ist bei 10 % der Unternehmen und Gewerbegebiete der Fall. Das heißt im Umkehrschluss: 90 % der Unternehmen sind im digitalen Off. Dafür feiern Sie sich hier? – Das ist für mich absolut unverständlich.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Minister, weiterhin: Ihre Politik passt nicht zusammen. Sie wollten in den letzten Jahren eine Politik fahren, um Unternehmern, Start-ups und Gründern eine Plattform zu bieten. Das war eine schöne Sonntagsrede. Auch da muss man sich die Zahlen ansehen. Nordrhein-Westfalen hatte in den letzten fünf Jahren 20.000 Gründer weniger. Die Start-up-Zahlen stagnieren, wir registrieren hier keine Bewegung.

Wissen Sie, wie junge Unternehmer, sollten sie sich entschließen und in dem Bürokratiewahnsinn in Nordrhein-Westfalen doch einen Weg finden, sich bei diesen schlechten Rahmenbedingungen selbstständig zu machen – ich habe mit den jungen Leuten im Münsterland, in Westfalen gesprochen –, ihre Firma an den Markt bringen? – Die gehen nicht mit einem Breitbandzugang auf den Markt. Sie benutzen LTE, sie benutzen das Handy, um ihr Unternehmen zu vermarkten.

Dann sprechen Sie davon, Sie hätten einen großen Erfolg zu verzeichnen. Das verstehe ich überhaupt nicht. Das hat nichts mit vernünftiger Politik zu tun, die die Rahmenbedingungen in Nordrhein-Westfalen verbessert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Weiterhin höre ich von Ihnen, Herr Minister, so wie von den Rednern der Grünen und der SPD, nur Erklärungen, Rechtfertigungen, Klein-Klein. Ich möchte Sie fragen: Mit welcher Politik haben Sie in den letzten fünf Jahren wirklich Ergebnisse erzielt? Sie feiern sich hier wieder einmal für etwas ab, was der Bund beschlossen hat.

Wir haben gestern über das Thema „Online City und Einzelhandel“ gesprochen. All diese Bereiche wollen Sie unterstützen und auf den Weg bringen, haben aber dafür nicht die Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen geschaffen. Das hat nichts mit Digitalisierung zu tun, sondern das ist genau das Gegenteil. Deswegen ist die Aktuelle Stunde in dieser Form überflüssig und bringt Sie keinen Schritt vorwärts.

Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land werden Ihnen das nicht durchgehen lassen. Ich glaube, dass hier noch ein ganz großer Konflikt bevorsteht, weil das Thema „Internet“ zentral dafür ist, um Wohlstand in Nordrhein-Westfalen zu garantieren. Bei einer Ausbaudynamik von 2 % sollten Sie vielleicht zur Nachhilfestunde – um bei den Worten von Herrn Kollegen Sundermann zu bleiben – nach Bayern, Hessen oder Baden-Württemberg gehen und dort lernen, wie man eine entsprechende Ausbaudynamik auf den Weg bringt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die grüne Fraktion spricht noch einmal Herr Kollege Priggen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Hafke, es ist schon unglaublich, wie man die Verantwortung ausblenden kann, die man in den Jahren der eigenen Regierungszeit im Bund und im Land hatte.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Ja, das ist unglaublich. Ich sage Ihnen auch gleich, was Sie gemacht haben und was wir gemacht haben.

Ich darf einmal an Namen erinnern, die in Abgründe digitaler Technik blicken lassen, nämlich an Brüderle und an Rösler. Das war das analoge Zeitalter der Bundesregierung.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Sie wissen, dass das nicht wahr ist!)

Hier war es Innenminister Ingo Wolf. Damit verknüpft stellt sich die Frage – Sie haben es eben angesprochen –: Was haben Sie in den letzten Jahren gemacht? Ich sage es Ihnen noch einmal: Als Sie in der Landesregierung waren, haben Sie im Jahr 2008 für den ländlichen Raum – das ist nicht schön, das ist bitter, aber Sie sollen es doch wahrnehmen – 1,1 Millionen € ausgegeben, im Jahr 2009 waren es 1,7 Millionen €. Wir haben 8,8 Millionen € in 2013 und 11,1 Millionen € in 2014 in die Hand genommen, und zwar in einer schwierigen Haushaltslage. Das unterscheidet Ihre Bilanz von unserer.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Jetzt thematisieren Sie das wahlweise. Das Beste war doch, dass der Wirtschaftsminister eben den Kollegen von der CDU dabei erwischt hat, dass er hier gegen den Königsteiner Schlüssel geredet hat und gleichzeitig einen Antrag einbringt, den wir natürlich überweisen, in dem genau die Mittelzuteilung für NRW nach dem Königsteiner Schlüssel gefordert wird.

Wie man diesen Spagat hinkriegt, ist nur dadurch zu erklären, dass die Fakten ganz egal sind und es nur darum geht, jenseits von jeder Sachfrage dem anderen was ans Zeug zu flicken. Das ist Ihre Arbeitsweise. Das wissen wir.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber davon müssen wir uns ja nicht weiter irritieren lassen.

Der Antrag reiht sich in die Reihe der Anträge ein, die wir schon erlebt haben. An jedem Plenartag erleben wir wieder das digitale Murmeltier. Jedes Mal wieder die gleiche Nummer!

Das ist nur erklärbar mit Ihrem schlechten Gewissen, denn fünf Jahre haben Sie das Ganze nicht mitgekriegt und fünf Jahre versagt. Im Vorfeld der Versteigerung der Handylizenzen hat die Bundesregierung damals – Sie waren in der Bundesregierung –

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Schauen Sie doch mal in die Zukunft!)

abgefragt, wo es in den Bundesländern weiße Flecken gibt. Da haben alle Stadtstaaten – das ist auch naheliegend – gemeldet, bei ihnen nicht. Unter allen Flächenländern war es Nordrhein-Westfalen, CDU/FDP-regiert, das die allerwenigsten Flecken gemeldet hat. Das hat zu dem Artikel, aus dem ich vorhin schon zitiert habe, geführt, in dem gesagt worden ist: Da wird es ganz schnell gehen, denn die haben keine weißen Flecken.

Das heißt, Sie haben die Problematik ignoriert,

(Zurufe von der CDU)

oder Sie wussten nicht, was Sie meldeten. Das lässt sich doch belegen. Baden-Württemberg meldet 30 Seiten und aus Nordrhein-Westfalen kommt: Bei uns ist das Paradies.

Jetzt drehen Sie die Sachverhalte um und wollen uns einen Strick daraus drehen. Das hat doch alles weder Hand noch Fuß.

Der Kollege Wüst hat eben von 3 Milliarden € gesprochen, die ausgegeben werden müssten. Das hat auch mit der Sache nichts zu tun. Das ist so, wenn Sie tatsächlich Glasfaser in jedes Haus legen wollen und genau wissen, dass die Kommunen im ländlichen Raum, aus dem Sie ja kommen, das gar nicht können. Das wissen Sie doch ganz genau. Insofern stellen Sie doch nicht den Popanz so in den Raum.

Ich sage das jenseits allen Wettbewerbs. Der Bund hat seine Arbeit gemacht. Ich kritisiere das jetzt, obwohl es eine Große Koalition ist, nicht im Detail. Aber er hat eine Vorlage gemacht, erst einmal. Das Land hat seine Hausaufgaben gemacht. Jetzt geht es darum, das umzusetzen. Da gibt es drei Baustellen, die wichtig sind, an denen Sie im Interesse Ihrer ländlichen Kommunen mitarbeiten sollten.

Das eine – ich habe es vorhin schon angesprochen – ist dieser Wert flächendeckende Versorgung 98 % oder 100 %. Da sollten Sie mithelfen, weil das die Kommunen überfordert.

Das Zweite ist der Auslösewert. Wenn der nicht angehoben wird, haben wir nicht die Möglichkeit, aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Agrar und Küstenschutz zu unterstützen. Das wollen wir aber, und zwar in erheblichem Umfang. Dazu muss aber diese Schallmauer durchbrochen werden. Man darf nur fördern, solange eine Kommune weniger als 16 MB hat.

(Zuruf: Sechs!)

– Sechs MB jetzt noch. Mit 16 sind wir letzte Woche Freitag in der Koordination der Länderbeauftragten gescheitert. Aber Sie sollten eigentlich mithelfen, diese Grenze ganz wegzukriegen, aber mindestens auf die 16 MB.

Der dritte Punkt: Der Minister hat eben erklärt, das Kabinett hat die notwendige Personalverstärkung im Haushalt besprochen und stellt Personal für die Bezirksregierungen zur Verfügung.

Wenn man aber im Bund genau guckt, sieht es so aus: Der Bund, der im Kabinett gesagt hat, er will 2 Milliarden € zur Verfügung stellen, hat noch nicht einmal klar festgelegt, wer das dann bearbeitet. Wer soll die Anträge bearbeiten? Ist es PwC oder jemand anderes? Wenn die Einstellungspraxis beim Bund für den Bereich ähnlich desaströs läuft wie an anderen Stellen, die uns Probleme bereiten, dann werden die Kommunen die Anträge nicht abgeben können.

Also: Helfen Sie mit bei der Auslöseschwelle! Helfen Sie mit bei der Frage 100 oder 98 %! Und helfen Sie auch mit, dass der Bund das Personal zur Verfügung stellt!

Dann machen wir weiter im Wettbewerb und gucken, was wir hinkriegen, im Interesse unserer Kommunen im ländlichen Raum. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Priggen. – Für die Piratenfraktion hat der Fraktionsvorsitzende Herr Marsching das Wort.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Sehr geehrter Minister Duin, Sie haben ein Problem, ein relativ großes für Sie.

(Zuruf)

– Ja, Probleme haben wir alle. Aber Herr Minister Duin hat ein großes Problem. Er hat sich auf 50 MBit bis zum Jahr 2018 festgelegt. Sie merken jetzt gerade selber, dass das irgendwie blöd war, weil man dieses Ziel einfach nicht mehr erreichen kann. Jetzt versuchen Sie auf Biegen und Brechen, mit jeder Technologie, die irgendwie möglich ist, dieses Ziel noch zu erreichen. Anstatt vernünftige Lösungen zu durchdenken, die langfristig und nachhaltig sind, setzen Sie auf Vectoring. Deshalb machen Sie jetzt alles im Hauruckverfahren.

Das ist – der Kollege Lamla hat es gesagt – schlechte Politik, und zwar aus Angst von der Opposition, für dieses Ziel, das Sie nicht mehr aufweichen wollen, angegriffen zu werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind hier kein Untersuchungsausschuss. Was mir jedes Mal auf den Senkel geht – das sage ich Ihnen ganz offen –, ist dieses: Er war es, er war es, sie war es, sie war es. Immer und immer wieder!

Gleichzeitig guckt Herr Minister Duin immer in die Zukunft und sagt: Wir werden dieses, wir werden jenes, wir werden das.

Meine Damen und Herren, die Zukunft ist heute. Wir müssen nicht nach vorne stolpern und irgendwie nach vorne fliehen. Wir müssen heute die Projekte umsetzen, die möglich sind. Dafür haben wir Ihnen auch schon Lösungen geboten. Sie müssen sie nur anpacken.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Minister, Sie sagen: Jetzt gibt es endlich Geld auch für Leerrohre. Auch gute Vorschläge der Opposition werden ja aufgegriffen. Jetzt wird endlich in Leerrohre investiert. 10 Millionen €!

Jetzt ist leider der Bau- und Verkehrsminister nicht da. Ich würde ihn gerne fragen: Wie viele Kilometer Landstraße kann ich eigentlich mit 10 Millionen € ausbauen? Das hört sich doch viel an. Aber das ist doch ein Tropfen auf den heißen Asphalt. Das ist doch ein Leerrohrkrepierer Galore.

Herr Minister, Sie feiern sich hier in dieser Aktuellen Stunde ab. Bis zuletzt haben wir auch über WLAN geredet. Jetzt sagen die Kollegen von Rot-Grün gerade: Da wird jetzt 1 Million investiert. Da wird jetzt endlich freies WLAN ausgebaut. In Ihrem ersten Statement sagen Sie: Jawohl, WLAN, das ist es. Das bauen wir jetzt aus.

Am Ende kommt aber ein Wort. Das ist bezeichnend für das, was die Landesregierung hier beim Breitbandausbau macht. Da reden Sie nämlich wieder von „Modellprojekten“. Da werden WLAN-Modellprojekte gefördert. Ich sage Ihnen: Das ganze Konzept, das Sie hier so feiern wollen, das ist ein einziges Modellprojekt. Da wird probiert. Da wird gestochert. Da wird irgendwie gescheitert. Anders kann man es nicht sagen.

Bessere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Setzen Sie sie endlich um! Die Zukunft im Breitbandausbau ist heute.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Minister Duin. Sie haben noch einmal das Wort.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zweite Runde ist ja etwas entspannter als die erste. Deswegen möchte ich auf ein paar Punkte zurückkommen. Ich will es für die kommenden Diskussionen als Frage in den Raum stellen, ob wir uns in einer Grundannahme einig sind, nämlich ob wir es hier mit einem Thema zu tun haben, wo am Markt tätige Unternehmen den wesentlichen Beitrag dafür leisten und künftig leisten müssen, um die komplette Versorgung mit einer entsprechenden Infrastruktur sicherzustellen.

Wenn jemand der Meinung ist, das Land sollte jetzt einen eigenen Betrieb aufmachen, um Glasfaserkabel zu verlegen, dann soll er es hier sagen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Sie sollen Leerrohre verlegen und keine Glasfaserkabel!)

Es geht darum, dass die am Markt tätigen Unternehmen das tun. Wir nehmen unser Geld. Deswegen sind diese Milliarden, die überall herumgeistern, komplett an der Sache vorbei. Wir müssen mit unseren Förderungen die nicht rentierlichen Kosten decken, also die Lücke zwischen dem, was ein Unternehmen investiert und an Return on Invest hat, und dem, was es tatsächlich kostet, im ländlichen Bereich diese Infrastruktur zu legen.

Ich fange doch jetzt nicht an – ich hoffe, dass wir uns ordnungspolitisch einig sind –, eine komplette Infrastruktur staatlicherseits zu verlegen, mit der dann später andere Unternehmen Geld verdienen. Da sind die auch selber in der Verantwortung. Wir gehen lediglich da in die Lücke hinein, wo es nicht funktioniert.

(Beifall von der SPD)

In Berlin sind wir uns über dieses Vorgehen einig und dass wir nicht über die staatliche Finanzierung des gesamten Investitionsbedarfs reden, sondern über die Schließung einer Lücke.

Ich komme auf die Beiträge zurück. Ich habe mir alle Forderungen angesehen, und diese liegen in der Tat nicht nur einmal, sondern ein paar Mal vor. Wir gehen über sämtliche Forderungen der Opposition deutlich hinaus. Deswegen habe ich in den letzten Tagen auch niemanden gehört, der gesagt hat, das sei jetzt Murks, was die Landesregierung vorgelegt hat.

Wir haben nicht nur die Finanzierung sichergestellt, wir haben die Garantie für die Kommunen abgegeben. Wir haben mit dem BreitbandConsulting, mit der Finanzierung von Breitbandbeauftragten oder Breitbandkonzepten, mit der Sicherstellung der Förderung, mit der Vereinfachung der Förderverfahren, mit der Finanzierung durch die NRW.BANK, mit der Förderung der Genossenschaftsmodelle und mit dem klaren Anspruch einer Kostensenkungsrichtlinie entweder mit dem Bund oder, wenn sie nicht in die Puschen kommen, auch alleine, mit der Werbung für die steuerliche Geltendmachung von Ausbaukosten, den regionalen Breitbandgesprächen und dem Monitoring dem runden Tisch zehn Punkte vorgelegt. Die sind alle eingeladen, uns zu kritisieren.

Ich brauche diesen runden Tisch nicht, um ein Schulterklopfen zu bekommen, um sich – wie Sie behaupten – abfeiern zu lassen. Das ist gar nicht der Ansatz.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ach, nein!)

Es soll vielmehr erarbeitet werden, was darüber hinaus noch zu tun ist. In diesem Bereich ist keine zusätzliche Meldung erfolgt. Es sind diese Punkte.

Es wird immer etwas von Bayern erzählt, und wir sollten doch Bilanz ziehen, wo wir nach drei Jahren stehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden nicht müde, es zu betonen: Im Vergleich zu allen anderen Flächenländern sind wir auf Platz 1. Warum sollte ich mich an Platz 3, 5 oder 7 orientieren? Wir müssen doch unseren eigenen Weg gehen. Da brauche ich doch nicht nach Bayern oder Hessen zu sehen, was dort gemacht wird.

(Beifall von der SPD)

Nachdem der Bund sein Programm vorgelegt hat, frage ich Sie: Gibt es irgendein Bundesland, das eine Garantie für seine Kommunen, und zwar unabhängig von der haushaltsmäßigen Leistungsfähigkeit der Kommunen, abgegeben hat, um die Fördermittel von Herrn Dobrindt abzurufen? – Es gibt kein anderes Bundesland, das diese Garantie ausgesprochen hat,

(Beifall von der SPD)

und zwar – das ist ein Unterschied zu Ihrem Antrag; ich will das noch einmal herausarbeiten – ohne dabei die Mittel der Digitalen Dividende II zu verfrühstücken, sondern dafür zu sorgen, bei den Kommunen und in den Gebieten unseres Landes, wo eine entsprechende Antragstellung nicht erfolgreich ist, eben auch noch mit diesem eigenen Geld in diese Lücke hineinzugehen für die Menschen im ländlichen Raum in Nordrhein-Westfalen und für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen mit den entsprechenden Glasfaseranschlüssen in den Gewerbegebieten. Das ist unsere Strategie, und die ist richtig. Deswegen haben wir das mit den Teilnehmern des runden Tisches auch verabredet.

Abschließend frage ich mich: Für wen reden Sie, außer dass Sie Oppositionskritik machen müssen? – Ich kann Ihnen nicht alles zitieren, habe aber eine kleine Auswahl mitgebracht.

Der Geschäftsführer der TKG Südwestfalen sagt: Eine solche Förderung durch das Land. Wir haben uns als TKG in den letzten Monaten im Interesse der südwestfälischen Kreise besonders dafür eingesetzt. Es bedeutet, dass jetzt die Arbeit vor Ort erst richtig beginnt. – Er lobt das unter der Überschrift „Geldspritze für Datenautobahn“.

Ich lese: Es ist gut, dass das Land selbst Geld in die Hand nimmt. – So heißt es bei der Industrie- und Handelskammer NRW. Die Industrie- und Handelskammer NRW lobt die Bereitschaft, mehr Landesgeld für Lückenschlüsse der Datenautobahn zur Verfügung zu stellen.

Der Breitbandbeauftragte im Ennepe-Ruhr-Kreis sagt: Positive Signale aus Düsseldorf.

Ein Verband, der sich nur mit dem Thema „Glasfaser beschäftigt“, der BUGLAS, sagt: Wir begrüßen den Maßnahmenplan der NRW-Landesregierung. – Man könnte diese Zitatesammlung weiterführen.

Meine Damen und Herren, für die Kommunen, für die Unternehmen und vor allen Dingen für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes machen wir mit diesem kompletten Maßnahmenpaket alles uns erdenklich Mögliche, um bis zum Jahr 2018 flächendeckend schnelles Internet zu haben.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Völlig alternativlos!)

Dafür gibt es unser politisches Versprechen, und wir werden dieses Ziel mit diesen Maßnahmen definitiv erreichen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Nun hat sich noch einmal Herr Wüst für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet.

Hendrik Wüst (CDU): Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Priggen, wenn Sie die Reden von Herrn Bolte gehört hätten, dann hätten Sie eben nicht erzählt, was Sie zum Thema „ländlicher Raum“ und „Glasfaser“ gesagt haben. Es ist nicht zwingend nötig, im ländlichen Raum in jedes Haus Glasfaser zu legen, aber das war die Forderung Ihrer Fraktion.

Sie haben immer gesagt: Herr Wüst, Ihre Telekomhörigkeit! – Das und was Sie mir noch weiterhin alles vorgeworfen haben, beispielsweise noch mit dem Kupferkabel zu arbeiten, sei alles gestrig. Es war die Politik Ihrer Fraktion, im ländlichen Raum flächendeckend Glasfaser zu fordern. Tun Sie also heute nicht so, als sei all das Unfug. Wenn es Unfug ist, dann ist es Ihr Unfug gewesen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Minister Duin, Sie rühmen sich, an Platz 4 der Bundesländer zu stehen. Eins, zwei, drei? Rate mal mit Rosenthal! Berlin, Hamburg, Bremen; Stadtstaaten. Warum ist NRW wohl auf Platz 4? Wegen der Ballungszentren an Rhein und Ruhr. Aber danach wird es finster vor der Hacke.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist doch das Problem. Das fängt schon in den suburbanen Räumen an. Sie feiern sich hier für etwas ab, was überhaupt nicht Ihr Verdienst ist. Da haben Ihnen Kabel Deutschland und die anderen Kabelnetzbetreiber die Arbeit abgenommen. Sie verkaufen jetzt Triple-Play-Pakete auf ihren alten Kabelfernsehleitungen.

(Zuruf: Unitymedia!)

– Unitymedia. Geschenkt! – Herr Staatssekretär, der Mann weiß Bescheid. Hören Sie mal öfter auf ihn. Er weiß nämlich, warum das so ist.

(Zurufe von der FDP)

– Ja, da kennt er sich aus. Das ist doch in Ordnung. – Aber es ist einfach Unfug, zu sagen: Wir sind auf Platz  4, weil wir so eine tolle Politik machen.

Bayern schließt jedes Jahr fünf Mal so viele Haushalte an das schnelle Internet an wie Nordrhein-Westfalen. Die Bayern hängen Sie ab – nicht nur, bevor 2018 erreicht ist,

(Zurufe von der SPD)

sondern auch, bevor die nächste Landtagswahl stattfindet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann werden Sie hier erklären müssen, warum Sie nicht geliefert haben.

Letzte Woche oder vor 14 Tagen hat die „WAZ“ in der Lokalausgabe Gelsenkirchen berichtet, in weiten Teilen – ich weiß nicht, ob nördlich oder südlich der A42 – wären die Leute mit nur 2 MBit unzufrieden. Wenn das nicht Ballungszentrum ist, weiß ich es nicht. Als Münsterländer habe ich Gelsenkirchen jedenfalls immer für ein Ballungszentrum gehalten.

(Lachen von der FDP)

Auch da ist es also längst nicht immer so toll, wie die Zahlen den Anschein erwecken sollen.

Dann sagen Sie: Die Wirtschaftlichkeitslücke muss man ausfüllen. – Die privaten Unternehmen, die unterwegs sind, sind gar nicht alle auf Subventionen aus. Die Telekom kommt immer mit Subventionszahlen um die Kurve. Schauen Sie sich die holländische Reggefiber im Gewand der deutschen Glasfaser an! Die wollen 40 % Kundenabdeckung. Von staatlicher Kohle wollen die gar nichts wissen.

Da können Sie doch nicht von einer Wirtschaftlichkeitslücke sprechen. Wenn die die 40 % nicht haben, gibt es keine Glasfaser, und der Gewerbebetrieb ist immer noch nicht angeschlossen. Da müssen wir andere Diskussionen führen. Da sind Sie haarscharf am Thema vorbeigeschrammt.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Dann sagen Sie beispielsweise: Der Staat soll hier keine Infrastruktur schaffen, die dann andere betreiben. – Das ist aber genau das Betreibermodell, das sich viele Kommunen im ländlichen Raum wünschen. Genau das ist gewünscht – dass mit Förderung ein Netz gebaut wird, das man nachher anderen Anbietern zum Betrieb übergibt, um die Investitionen zurückzuverdienen.

Da können wir beide gemeinsam für ordnungspolitisch nicht sonderlich schlau halten. Das ist wohl richtig. Aber im ländlichen Raum scheint das die Lösung zu sein, der wir jedenfalls nicht die Tür vor der Nase zuschlagen sollten.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie können hier nicht den Ordnungspolitiker mimen und sagen: „Der Staat soll keine Breitbandinfrastruktur schaffen“, wenn alle anderen das genau in dieser Form von Ihnen wollen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] – Zurufe von Nadja Lüders [SPD] und Michael Hübner [SPD])

Dann zitieren Sie Wirtschaftsverbände, die Sie loben. Ihnen muss lange quergelegen haben, dass da kein Lob kam. Ich war letzte Woche beim Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Kollege Bombis war auch da; von den Grünen waren ein paar Kollegen da; von der SPD war keiner da.

(Zuruf von der FDP)

– Dietmar war auch da. Wir nehmen es zu Protokoll. Dietmar Brockes war auch da.

Dort haben wir vom Vizepräsidenten von unternehmer nrw eine gegenüber der Landesregierung kritische Rede gehört. Das hat Ihnen keiner vermittelt. Vielleicht besorgen Sie sich die Rede einmal. Dann können Sie sich noch ein paar Jahre abarbeiten, bis von ihm auch einmal ein Lob kommt. Da gab es nämlich sehr viel Kritik – auch zu diesem Thema.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich glaube, man sollte an diesem Thema weiterarbeiten. Es gibt eine Menge Vorschläge. Herr Marsching hat ein paar Vorschläge der Piraten gebracht. Sie sind teilweise deckungsgleich mit unseren Vorschlägen. Ich habe vergessen, zu klatschen. Sie hätten es verdient gehabt.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das können Sie jetzt nachholen! – Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Es gibt immer noch eine Menge Ideen hier im Skat, um bei dem Thema besser zu werden. Wir wollen Ihnen mit unseren ganzen Ideen doch nur helfen, Ihre eigenen Ziele bis 2018 zu erreichen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das Jahr ist doch völlig egal; Hauptsache, machen!)

Wenn Sie bei dem stehen bleiben, was Sie jetzt offensichtlich als letzten Punkt der Debatte setzen wollen, werden Sie scheitern. Dann gilt der alte plattdeutsche Satz – Sie haben eben auch plattdeutsch geendet –, den ich von meinem Vater geerbt habe: Wenn ne kleine Määse groot pupen will, geiht dat en de Bux.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf: Was heißt das?)

Vizepräsident Oliver Keymis: Das übersetzen wir natürlich nicht.

(Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Wüst. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde, die ich hiermit schließe.

Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisung des Antrags der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 16/10071. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend –, den Ausschuss für Kultur und Medien sowie den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung stattfinden, wie wir es sonst auch tun, wenn wir so entscheiden. Wer entscheidet so? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

2   20 Jahre UN-Stadt Bonn: Bundestadt Bonn als zweites bundespolitisches Zentrum sichern und als Sitz der Vereinten Nationen fortentwickeln

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10068

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Freifrau von Boeselager das Wort.

Ilka von Boeselager (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Bonn und die Region sind über die ständige Diskussion, ob die Bundesstadt Bonn mit ihren Ministerien weiter Bestand hat, sehr beunruhigt. Wir sind, ehrlich gesagt, empört, dass es immer wieder zu dieser Diskussion kommt.

Ich denke, wir stehen gesellschaftlich und politisch im Augenblick vor ganz anderen Herausforderungen, als immer weiter diese Diskussion zu führen.

(Beifall von der CDU)

Wir haben eine Aufgabenteilung, die sich bewährt hat. In diesem Jahr feiern wir 20 Jahre Bonn als UN-Stadt. Das sind die Konsequenz und der Erfolg dieser Aufgabenteilung und eine Entwicklung, auf die wir wirklich stolz sein können. Der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hat Bonn als lohnenswertesten und attraktivsten UN-Standort weltweit bezeichnet.

Trotzdem hat die Diskussion um einen möglichen Komplettumzug der Ministerien von Bonn nach Berlin durch Äußerungen der Bundesministerin Hendricks jetzt wieder Fahrt aufgenommen. Dass sie aus Nordrhein-Westfalen kommt, ist in diesem Zusammenhang besonders ärgerlich. Aber auch unser Minister de Maizière ist hier nicht wirklich eine rühmliche Größe, die man hervorheben müsste.

Dabei wird besonders die Bindungswirkung der Bundesministerien außer Acht gelassen. Der Abzug aller Ministerien nach Berlin hätte gerade auch unter diesem Aspekt fatale Folgen für die Region. Als Beispiel möchte ich hier zwei Ministerien benennen:

1.  das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das für die Ansiedlung der Wissenschaftsorganisationen eine zentrale Größe ist – Frau Ministerin, das wissen Sie –, angefangen mit der Alexander-von-Humboldt-Stiftung bis hin zur Hochschulrektorenkonferenz

2.  das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zusammen mit 150 Nichtregierungsorganisationen – NGOs – und anderen internationalen Einrichtungen, die umweltorientiert agieren. Sie wollen möglichst im ständigen Austausch mit den Ministerien zusammenarbeiten und richten ihre Standortpolitik danach aus.

Was bedeutet das nun? Das bedeutet: Würde der Bonner Standort der Ministerien aufgegeben, wären davon nicht nur die Mitarbeiter vor Ort betroffen, sondern dann käme es zu einem Dominoeffekt. Das würde nämlich auch den Ausbau des UN-Stand-ortes erheblich erschweren. Es wäre dann wohl nicht einmal mehr möglich, die bisherige Infrastruktur überhaupt aufrechtzuerhalten.

Eine solche Entwicklung richtet sich eindeutig gegen die Interessen des Landes Nordrhein-West-falen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir heute darüber diskutieren. Den Charakter Bonns als bundespolitisches und internationales Zentrum zu sichern bzw. weiterzuentwickeln – diese Aufgabe muss Bestand haben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ohne Not käme sonst ein gesamtes Umfeld ins Rutschen.

Unter dem Strich würde ein Umzug 27.000 Arbeitsplätze bei uns vernichten; denn bei der Standortfrage geht es nicht alleine um die Ministerien, sondern auch um die Effekte auf die Interessenvertretungen und die assoziierten Verbände.

In Bonn würden rund 470.000 m² Fläche brachliegen. Das ist mehr als das Fünffache der Gewerbeflächen, die jährlich überhaupt zur Vermietung anstehen können. Das bedeutet drastische Wertverluste und Leerstände.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bisher war klar, dass wir uns über die Parteigrenzen hinweg dafür eingesetzt haben, dass die gegebene Zusage für die bewährte Aufgabenteilung eingehalten wird. Was macht es für einen Sinn, jetzt diesen Umzug zu forcieren, der wahrscheinlich mindestens 5 Milliarden € kosten soll? Wo soll das ganze Geld überhaupt herkommen, das ständig nur verpulvert wird?

Niemand kann ernsthaft glauben, dass die UN-Stadt Bonn auch nur annähernd den bisherigen Erfolg fortsetzt, wenn die Bundesstadt Bonn unterminiert wird. Wir erwarten deshalb, dass sich die Landesregierung hier in Nordrhein-Westfalen weiterhin klar zum Berlin/Bonn-Gesetz bekennt. Das ist ganz wichtig. Darum bitten wir Sie an dieser Stelle.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Kollegin Freifrau von Boeselager. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Hendricks.

Renate Hendricks (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat sich in den letzten Jahren immer wieder mit der Frage der Einhaltung des Berlin/Bonn-Gesetzes beschäftigt, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg.

Wir haben den Schulterschluss, der in der Region vorhanden war, auch im Landtag vollzogen. Auf den letzten Beschluss, der aus dem Jahre 2013 stammt, hat das Präsidium des Landtags bei seinem Besuch in Bonn noch einmal eindeutig hingewiesen und deutlich gemacht, dass der Landtag zu diesem Beschluss steht.

Anlass zu allen parlamentarischen Initiativen der letzten Jahre waren Verstöße gegen das Berlin/Bonn-Gesetz. Frau von Boeselager, Sie haben bereits darauf hingewiesen: Thomas de Maizière hat ganze Abteilungen von Bonn nach Berlin verlegt und damit offen das Gesetz gebrochen. Gedeckt wurde – und wird – dies vom Bundeskanzleramt, das sich zwar verbal zum Berlin/Bonn-Gesetz bekennt, aber nichts dafür unternimmt, dass die Einhaltung tatsächlich auch vollzogen wird.

Anders ist es bei der Landesregierung, die immer wieder deutlich gemacht hat, dass sie sich zum Geist des Berlin/Bonn-Gesetzes bekennt.

(Armin Laschet [CDU]: Na, na! Ein bisschen leiser!)

Auch in jüngster Zeit ist Thomas de Maizière wieder dabei, Teile des Innenministeriums von Bonn nach Berlin zu verlegen. Und obwohl CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag der Großen Koalition eine klare Aussage zum Berlin/Bonn-Gesetz getroffen haben, sind in den letzten Jahren weiterhin Arbeitsplätze von Bonn nach Berlin verlegt worden.

Die ursprüngliche Arbeitsteilung – mehr Arbeitsplätze in Bonn statt in Berlin – hat sich mittlerweile reziprok umgekehrt: Es gibt deutlich mehr Arbeitsplätze in Berlin, nämlich 11.000, und nur noch 6.000 in den Bundesbehörden in Bonn.

Deshalb braucht es dringend eine Strategie zur nachhaltigen Sicherung der Interessen der Region. Dabei reicht es nicht aus, Frau von Boeselager, scheinheilig lediglich die Weiterentwicklung des UN-Standortes zu fordern. Vielmehr ist es erforderlich, dass wir den bisher in der Region immer vollzogenen Schulterschluss auch zukünftig über parteipolitische Grenzen hinweg praktizieren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Einigkeit war immer wichtig, da die Zahl der Menschen – nicht zuletzt in der Ministerialbürokratie –, die die Bonner Geschichte kennen und sich ihr verpflichtet fühlen, immer weiter abnimmt. Deshalb müssen wir gemeinsam die Zukunft der Region sichern.

Herr Papke, wir nehmen gerne Ihren Hinweis auf, uns in einer parlamentarischen Initiative noch einmal gemeinsam dafür zu verwenden, damit auch deutlich wird, dass es sich um die Meinung aller hier im Parlament vertretenen Parteien handelt.

Die Schwäche des Berlin/Bonn-Gesetzes besteht darin, dass es auf dem Papier besteht – und wir alle wissen, dass man Gesetze ändern kann. Es ist aber ein Unterpfand für alle Verhandlungen, die wir mit Berlin führen müssen. Verträge haben einen anderen Status. Wir werden sehen, was sich da in der Zukunft noch ergibt.

Die Bundesstadt Bonn erfüllt für diese Republik eine wichtige Aufgabe. Deutschland profitiert insgesamt von Bonn als internationalem Zentrum für nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz und Wissenschaft. Daher muss der UN-Standort Bonn international wettbewerbsfähig ausgebaut werden.

Dafür müssen zum einen die wichtigen Ankerministerien in Bonn bleiben. Aber auch die UN-Basis muss weiter ausgebaut werden. Zum anderen müssen die Bedingungen für internationale Organisationen verbessert werden. Dazu gehört vor allem auch ein Gaststatusgesetz.

Das Land Nordrhein-Westfalen steht zum Standort Bonn. Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hat mir gerade wieder schriftlich zugesichert, dass sie den Wissenschaftsstandort unter Berücksichtigung der internationalen Funktion weiter unterstützen wird. Auch Barbara Hendricks hat nicht einen politischen Umzug gefordert, sondern sie hat gesagt, dass Bonn dauerhaft das zweite bundespolitische Zentrum bleiben soll.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die im Hause von Frau Hendricks gebildete Arbeitsgruppe sollten wir als Signal zum Dialog mit allen Betroffenen aufgreifen und nicht parteipolitische Showanträge stellen.

Kommen wir also zum gemeinsamen verantwortlichen Handeln zurück. Die erfolgreiche Struktur in der Region basiert auf dieser Einigkeit – und auf nichts anderem. Dabei ist es sicherlich sinnvoll, sich auch parteipolitisch auszutauschen; aber die Gespräche in Berlin und Düsseldorf müssen überparteilich mit allen Akteuren der Region mit guten Argumenten und mit Zielperspektiven konstruktiv geführt werden.

Ich halte es hier mit dem Landrat Schuster von der CDU, der das im WDR wie folgt formuliert hat:

„Aus unserer Sicht besteht derzeit für die Region kein Grund zur Aufregung. Wir sollten nun ganz in Ruhe in Abstimmung mit der Landesregierung mit dem vom Ministerium eingesetzten Arbeitsstab ins Gespräch gehen.“

(Armin Laschet [CDU]: Was macht denn Frau Hendricks?)

Der vorliegende Antrag der CDU ist leider das Gegenteil davon. Er vermischt in unangemessener Weise Forderungen nach Bundespräsenz in Bonn und die Forderung in Bezug auf den UN-Standort, die in diesem Hause unbestritten ist, mit unzutreffenden Anschuldigungen gegen die SPD-Bundes-ministerin Barbara Hendricks.

Ich freue mich auf die gemeinsame Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Kollege Becker.

Horst Becker (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal danke ich der Kollegin Hendricks für die sachliche Rede. Ich glaube, dass sachliche Reden in diesem Zusammenhang auch deswegen ausgesprochen angesagt sind, weil wir alle zusammen ein objektives Problem haben.

Wir haben das objektive Problem, dass Vertrauen und Vertrauensschutz offensichtlich für einen Teil der Politik – und zwar quer durch die Fraktionen in Berlin – nicht gilt. Das ist spannend, weil das Wort „Vertrauen“ in dem Zusammenhang damals in der Hauptsache in Richtung Berlin gemeint war. Dieses Wort ist in der damaligen Bundestagsdebatte beim Bonn-Berlin-Beschluss ausweislich des Protokolls über 200 Mal vorgekommen. Selbstverständlich hat auch derjenige, der damals maßgeblich mit für diesen Beschluss gesorgt hat, nämlich Herr Schäuble, dieses Wort mehrfach im Munde geführt.

Das Vertrauen – dies muss man ganz deutlich sagen – wird natürlich gebrochen, wenn zum Beispiel Herr Schäuble – es gibt auch Angehörige anderer Parteien, und zwar aller Parteien, die sich genauso verhalten – heute davon spricht, dass Gesetze ja jederzeit geändert werden könnten und dass man irgendwann neu nachdenken müsse.

Wir haben also das Problem, dass die faire Arbeitsteilung, die damals Gegenstand des Antrages und des Beschlusses war und die nach meiner festen Überzeugung auch der Punkt war, der dann letztlich zur Mehrheit geführt hat, inzwischen längst ad absurdum geführt wird, und zwar nicht nur in Wort, sondern auch in Tat.

Damals waren über 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bonn. Heute sind es knapp 40 %, nämlich nur noch etwas über 6.000. Das Wissenschaftsministerium zum Beispiel wurde so groß gebaut, dass in dem Gebäude weit mehr Personen untergebracht werden könnten, als für das Ministerium sowohl in Berlin als auch in Bonn tätig sind.

Wer auch sieht, was jetzt mit dem Innenministerium passiert ist – es wurde auch so groß gebaut, dass jederzeit das komplette Innenministerium verlagert werden könnte; im Übrigen sind auch 100 Leute aus der sogenannten Kernmannschaft im Juni dieses Jahres verlagert worden –, der weiß, dass die Rutschbahn, die wir alle nicht wollten und nicht wollen, längst in vollem Gange ist.

Wer sich anguckt, was von Mal zu Mal in den verschiedenen Wahlperioden des Bundestages geschieht, der wird feststellen, dass diejenigen, die neu kommen, aus ihrer Sicht immer weniger mit dem zu tun haben, was eigentlich vereinbart war.

Das stellt uns vor die Frage: Bejammern wir jetzt nur einen Umstand, oder müssen wir in irgendeiner Form in absehbarer Zeit damit umgehen? Ich glaube und hoffe, dass ich die Koalition im Bund so verstehen kann, dass man damit umgehen will und das auch wieder in ein geordnetes Verfahren bringen will. So habe ich jedenfalls Frau Hendricks verstanden.

Ich weiß – übrigens auch von Parteifreundinnen und Parteifreunden der CDU –, dass das selbstverständlich nicht ohne Rückendeckung der Kanzlerin läuft, weil die CDU/SPD-Koalition dieses Thema 2017 aus dem Wahlkampf heraushalten will.

Was heißt das jetzt, jedenfalls aus meiner Sicht, für uns alle zusammen? Wir werden schauen müssen, dass wir in der Tat noch einmal Gespräche beginnen, aber aus einer Position der klaren Abwehrhaltung heraus. Wir können nicht hinnehmen, dass aus Bundesministerien – die übrigens auch für den UN-Standort und in Bezug auf andere Fragen wichtig sind – Bundesoberbehörden werden. In Klammern füge ich hinzu: Selbstverständlich gibt es auch Bundesoberbehörden, nach denen der Berliner schon wieder ruft. Der Bundesrechnungshof wurde nach Bonn verlagert. Einige wollen ihn schon wieder zurück nach Berlin haben. Auch das wäre keine Garantie.

Das heißt: Wir müssen uns angucken, auf welche geringen Teile von Ministerien, die ohnehin fast aus Bonn weg sind, möglicherweise verzichtet werden kann. Dafür sollten andere Dinge gesichert werden, und zwar vertraglich. Sie sollten dann tatsächlich durch einen öffentlichen Vertrag gesichert werden, damit es nicht zehn Jahre später wieder heißt: Die Gesetze können jederzeit geändert werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist aus meiner Sicht der Kern unserer Aufgabe. Dazu sollten wir in der Tat ruhige Gespräche führen. Diese Gespräche sollten wir vor 2017 führen. Wir sollten alle Parteien in der Region mit einbeziehen. Es sollte aber auch ganz klar sein, dass wir notfalls im Schulterschluss – Nordrhein-Westfalen mit der Region – sagen: Nein, es bleibt bei dem alten Beschluss; ihr müsst ihn endlich einhalten. – Das muss geschehen, bevor wir uns über den Tisch ziehen lassen. Das will ich ganz deutlich sagen.

Wir sollten nicht so tun, als könnten wir irgendetwas aufhalten, indem wir nur das bekritteln, was im Moment läuft. Das sollten wir nicht tun, sondern wir sollten sehen, dass die Rutschbahn, von der wir immer gesprochen haben, längst in vollem Gange ist und dass wir jetzt aufgerufen sind, vertraglich zu regeln, dass dies so nicht weitergeht – im Interesse der Menschen, der Region, der Arbeitsplätze und übrigens auch der Firmen, die hinten dranhängen und auch eine verlässliche Perspektive haben wollen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Becker. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Dr. Papke.

Dr. Gerhard Papke (FDP): Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Mitten in der schlimmsten Flüchtlingskrise, die unser Land seit Jahrzehnten erlebt, bricht die Bundesbauministerin eine Debatte über die Verlagerung von Bundesministerien von Bonn nach Berlin vom Zaun.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Das Erste, was mir durch den Kopf ging, war die Frage: Hat die Dame eigentlich nichts Besseres zu tun? Die zuständige Ministerin, die sich den Kopf darüber zerbrechen sollte, wie 1 Million Flüchtlinge vor dem Winter ein festes Dach und eine warme Bleibe bekommen, tritt jetzt ohne Not diese völlig überflüssige Debatte los.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist für mich ein weiterer Beleg dafür, wie weltfremd und abgehoben inzwischen im „Raumschiff Berlin“ politisch gedacht wird.

Dazu gehört, dass die Bundesministerin natürlich überhaupt nicht erwähnt hat, was der Komplettumzug kosten würde. Der Bundesrechnungshof hat vor Jahren testiert, dass der Komplettumzug mindestens 5 Milliarden € kosten würde. Darin sind noch nicht etwaige Kompensationsmaßnahmen für die betroffene Region Bonn/Rhein-Sieg enthalten.

Glaubt denn irgendjemand, dass eine Bundesregierung – mit welchem Zuschnitt auch immer, auch die Große Koalition – den Mut haben wird, in die Bundeshaushalte der nächsten Jahre angesichts der Herausforderung, vor der wir stehen, in nennenswertem Umfang Umzugs- oder gar Ausgleichsmittel einzustellen?

Meine Damen und Herren, ich fürchte: Das angebliche Gesprächsangebot, das die Bundesministerin unterbreitet hat, ist ein Köder, der bisher nur aus heißer Luft besteht.

Wenn sich das einmal ändert und konkrete Angebote der Bundesregierung an Nordrhein-Westfalen und die Region Bonn auf dem Tisch liegen, sind wir alle gern bereit, uns anzuschauen, was denn angeboten wird. Bisher gibt es davon gar nichts.

Meine Damen und Herren, ich kann nur davor warnen, dass wir unsere gut begründete Haltung in der Erwartung relativieren, da würden tatsächlich substanziierte Angebote kommen. Bisher kann ich das nicht erkennen.

Bei der Haltung, die wir hier immer parteiübergreifend eingenommen haben, meine Kolleginnen und Kollegen, geht es nicht um die Verteidigung irgendwelcher lokaler Interessen, sondern es geht um vitale Zukunftsinteressen Nordrhein-Westfalens. Denn um die sechs in Bonn verbliebenen Ministerien herum hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Netzwerk der Bildungs- und Forschungslandschaft gebildet, das von großer Bedeutung für den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen insgesamt ist.

Im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft sind 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Es gibt in Bonn den DAAD, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz. Allein diese Institutionen – ich könnte weitere benennen – haben über 1.500 hoch qualifizierte Mitarbeiter.

Genauso ist es im Bereich der Gesundheitswirtschaft. In dieser Region ist um das Bundesgesundheitsministerium ein Cluster mit hochwertigen forschungsintensiven mittelständischen Betrieben entstanden, das eine hohe Strahlkraft für ganz Nordrhein-Westfalen hat.

Meine Damen und Herren, der internationale Standort Bonn als einziger deutscher Standort der Vereinten Nationen wäre ohne die Präsenz relevanter Bundesministerien undenkbar gewesen. Ohne BMZ, ohne Umweltministerium, ohne Landwirtschaftsministerium wäre es nicht gelungen, den Standort Bonn der Vereinten Nationen durchzusetzen – geschweige denn, dass wir eine Perspektive hätten, ihn nachhaltig zu erweitern. Beides ist nicht voneinander zu trennen.

Das sind die Fakten. Deshalb sollten wir bei aller Gesprächsbereitschaft, die wir signalisieren, auch immer wieder erkennen, dass es hier wirklich um gemeinsame Interessen unseres Landes Nordrhein-Westfalen geht. Es geht nicht allein um 27.000 bis 30.000 Arbeitsplätze in der Region – allein dafür zu kämpfen, wäre die Mühe schon wert –, sondern es geht darüber hinaus auch um einen drohenden „Blutverlust“ für den Wissensstandort Nordrhein-Westfalen, den wir als Landtag Nordrhein-Westfalen auf keinen Fall hinnehmen dürfen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich will zu guter Letzt – wir haben in der Debatte hier ja nicht viel Zeit – auf einen zweiten Punkt hinweisen, der aus meiner Sicht essenziell ist. Es geht bei der Debatte über Bonn und Berlin auch um die demokratische Architektur der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind überzeugte Föderalisten, weil wir die Vielfalt unseres Landes auch in Nordrhein-Westfalen leben. Meine Damen und Herren, wir wollen nicht – das war auch immer gemeinsame Haltung aller Fraktionen dieses Hauses –, dass ein neuer Berliner Zentralismus wieder Oberhand gewinnt, der die Vielfalt und die Beiträge der Regionen in Deutschland an den Rand drängt. Auch darum geht es in dieser Debatte. Das wollen wir als Vertreter eines selbstbewussten, starken Bundeslandes nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich glaube, dass dieses Signal auch wichtig ist. Nicht alle Institutionen des Bundes müssen nach Berlin. Das war bisher nicht so. Das muss auch in Zukunft nicht so sein. Hier muss man mit Vernunft und Augenmaß vorgehen.

Eine Debatte kann man führen. Wenn uns in dieser Debatte jedoch nichts Substanzielles geboten wird, werden wir als Land und als Landtag Nordrhein-Westfalen die Interessen der Menschen und der betroffenen Unternehmen wahrzunehmen haben. Ich bin mir sehr sicher, dass wir das tun werden.

Ich freue mich sehr, dass die SPD, Frau Kollegin Hendricks – ich habe gestern mit Norbert Römer gesprochen –, ihre Bereitschaft signalisiert hat, dass wir hier in den nächsten Wochen zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen. Das ist ganz essenziell. Alle Fraktionen des Landtags und die Landesregierung müssen eine gemeinsame Position beziehen, damit wir unsere Interessen auch wirkungsvoll vertreten können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Papke. – Nun spricht für die Piratenfraktion der Fraktionsvorsitzende, Herr Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Als Erstes wundere ich mich einmal darüber, dass dieser Tagesordnungspunkt überhaupt so früh am heutigen Tag vorkommt. Ich finde, dass die Wichtigkeit einer solchen Debatte – gerade bei dem Angebot, das von der Bundesministerin gemacht wurde – eher überschaubar ist, zumal wir hier auf der Basis von vielen gemeinsamen Beschlüssen eigentlich einen Standpunkt des Landtags haben.

Vieles wurde schon erwähnt. Ich möchte es noch einmal zusammenfassen und einen kurzen Ausblick geben.

Erstens. Der Landtag Nordrhein-Westfalen bekennt sich grundsätzlich zum bundespolitischen Standort Bonn und auch zum UN-Standort Bonn. Das haben wir in mehreren Beschlüssen hier festgehalten. Ganz groß möchte ich den Antrag aller Fraktionen Drucksache 16/1957 mit dem Titel „Berlin/Bonn-Gesetz respektieren – Bewährte Aufgabenverteilung zwischen Bonn und Berlin dauerhaft erhalten“ herausheben. Alle Fraktionen haben ihm zugestimmt. Dieser Landtag steht zu Bonn als Bundestadt.

Das Berlin/Bonn-Gesetz gilt, und es sollte nicht ständig neben der Spur infrage gestellt werden. Immerhin: Es ist gesetzliche Regelung, und die Planungssicherheit für die Menschen – darauf kommt es an – sollte nicht von der Laune eine Bundesministerin abhängig sein, wie jetzt von der Laune von Barbara Hendricks.

Die Aufgabenverteilung zwischen Bonn und Berlin hat sich in der Vergangenheit bewährt. Aber – da müssen wir ehrlich sein – man darf auch über effektivere Mittelverwendungen nachdenken. Denn die Zukunft passiert, und Aufgabe dieses Landtags ist es, die Zukunft zu gestalten.

Bonn als UN- und als Entwicklungszusammenarbeitsstandort muss eine Stärkung erfahren, um für diese Zukunft gewappnet zu sein. Diese Eine-Welt-Politik, dieses Chaos, das Rot-Grün im Moment mit diesen ausgelaufenen und unfokussierten Partnerschaften macht, hilft da leider nicht. Ich sage nur ein paar Stichpunkte: unklare Mittelverwendung, der Verdacht auf private Profitinteressen und keine Ergebnisanalysen, die uns weiterhelfen würden. Das ist die Eine-Welt-Politik Nordrhein-Westfalens im Jahr 2015. Da müssen wir unbedingt nachbessern.

Liebe Landesregierung, stärken Sie Bonn als internationalen Standort, denn die Aufteilung zwischen Berlin und Bonn wird nicht ewig Bestand haben, und wir müssen darauf vorbereitet sein. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Marsching. – Nun spricht für die Landesregierung in Vertretung von Herrn Minister Lersch-Mense Herr Minister Duin.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Beschluss des Deutschen Bundestages zur Vollendung der Einheit Deutschlands, kurz auch Umzugsbeschluss, jährt sich – darauf ist schon hingewiesen worden – im Jahr 2016 zum 25. Mal.

Seit 1991 gibt es in Bonn und in der Region Rhein-Sieg die Sorge um den Rutschbahneffekt. Inzwischen wissen wir: Diese Besorgnis ist berechtigt. Der Rutschbahneffekt ist ein Fakt. Die Region und das Land haben es politisch und juristisch schwer, dem etwas entgegenzustellen.

Waren zum Ende des Jahres 2000 noch fast 61 % aller Stellen in den Bundesministerien in Bonn, so waren es Mitte dieses Jahres nur noch rund 37 %. Mit der Verschiebung von Stellen der Bundesministerien vom Rhein an die Spree erfolgt nach und nach die Verlagerung politischer Funktionen nach Berlin. Denken Sie nur an die Organisationsentscheidungen der Bundesminister für Verteidigung, für Inneres und für Finanzen aus der letzten Zeit.

Und: Der Rückhalt für das Berlin/Bonn-Gesetz lässt außerhalb Nordrhein-Westfalens und der Region Bonn seit Jahren mehr und mehr nach. Das, meine Damen und Herren, ist die Situation, die Frau Bundesministerin Dr. Hendricks vorgefunden hat, als sie das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für den Berlin-Umzug und den Bonn-Ausgleich übernommen hat.

In dieser Situation, die von der Region, vom Landtag, von der Landesregierung immer wieder mit gutem Grund als Aushöhlung und als Verstoß gegen das Berlin/Bonn-Gesetz beklagt worden ist, hat sie angekündigt, mit den Beteiligten auf Ebene der Kommunen und des Landes das Gespräch zum weiteren Umgang mit der Aufteilung der Aufgaben auf die Standorte Bonn und Berlin suchen zu wollen. Was das Ziel der Gespräche anbelangt, hat sie sich dabei bislang überhaupt nicht festgelegt und geäußert, es sei an der Zeit, einen geordneten Prozess einzuleiten. Der Rutschbahneffekt müsse aufhören.

(Beifall von Bernhard von Grünberg [SPD])

Dabei hat sie klargestellt, dass es eben nicht darum gehe, Bonn aufzugeben. Bonn sei Bundesstadt und solle als internationaler Standort weiter ausgebaut werden. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Land sieht sich seit dem Umzugsbeschluss von 1991 in einer besonderen Verantwortung für die Region Bonn/Rhein-Sieg. Es hat sich stets zu einer dauerhaften und fairen Zusammenarbeit mit der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn bekannt. Der Landtag hat das über all die Jahre und zuletzt 2013 immer wieder – auch darauf wurde schon hingewiesen – partei- und fraktionsübergreifend einmütig und mit großem Nachdruck zum Ausdruck gebracht. Ich begrüße das sehr und versichere, dass auch die Landesregierung weiter uneingeschränkt zum Berlin/Bonn-Gesetz steht.

Weil das so ist und weil wir keine Möglichkeit vertun wollen, die Region zu unterstützen, wird sich die Landesregierung einem Gesprächsangebot der Beauftragten der Bundesregierung nicht verschließen. Wir sehen darin ein Signal zum Dialog im Hinblick auf den Rutschbahneffekt und gehen davon aus, dass etwaige Gespräche mit dem Bund selbstverständlich auf der Grundlage der Festschreibung im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode gelten, die lautet: Wir stehen zum Berlin/Bonn-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)

Wenn es zu Gesprächen mit der Beauftragten der Bundesregierung kommen soll, wollen wir diese in enger Abstimmung mit den politisch Verantwortlichen vor Ort führen. Darum hat der Minister und Chef der Staatskanzlei, Herr Lersch-Mense, den Bonner Oberbürgermeister, den Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, seinen Amtskollegen aus dem rheinland-pfälzischen Kreis Ahrweiler sowie den Chef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz für den 20. November nach Düsseldorf eingeladen, damit dort für die Gespräche mit der Beauftragten der Bundesregierung eine gemeinsame Vorbereitung auf den Weg gebracht wird. Alle haben auch schon die Einladung angenommen und ihr Kommen für den 20. November zugesagt.

In den Gesprächen mit der Beauftragten der Bundesregierung wird es nicht nur darum gehen, darauf zu drängen, dass das Berlin/Bonn-Gesetz eingehalten wird, sondern es muss auch darum gehen, Bonn als internationales Zentrum zu stärken. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat bei seinem Besuch 2014 gesagt, die Entwicklung des VN-Stand-ortes Bonn ist eine Erfolgsgeschichte. – Das ist ein schönes Lob und aus berufenem Mund eine Bestätigung der intensiven Bemühungen um den internationalen Standort Bonn. Die Landesregierung hat den VN-Standort Bonn in den letzten Jahren unter anderem durch die Ansiedlung neuer internationaler Einrichtungen und Konferenzformate spürbar nach vorne gebracht.

Meine Damen und Herren, die Beauftragte der Bundesregierung hat recht: Der Rutschbahneffekt ist nicht gestoppt. – Wir müssen leider feststellen, dass immer noch einzelne Bundesminister ihre Organisationskompetenz nutzen, um Stellen und Funktionen entgegen dem Gesetz an die Spree zu verlagern. Das ist der Grund, weshalb es auch für die Zukunft wichtig bleibt, dass der Landtag Nordrhein-Westfalen über die Parteigrenzen hinweg weiter geschlossen zur Region Bonn/Rhein-Sieg steht.

Das Land insgesamt, nicht nur die Region, hat ein massives Interesse daran, dass der Strukturwandel in Bonn nicht gefährdet wird. Wir würden es deshalb sehr begrüßen, wenn es in den weiteren Beratungen gelingen könnte, dass sich alle im Landtag vertretenen Fraktionen im Ergebnis wieder auf eine gemeinsame Linie verständigen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Ende der Beratung zu diesem Antrag.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10068 an den Ausschuss für Europa und Eine Welt – federführend – sowie an den Hauptausschuss; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Stimmt dem jemand nicht zu? – Das ist nicht der Fall. Alle sind dafür. Enthaltungen – gibt es auch nicht. Damit ist einstimmig so überwiesen, und das Thema wird hier im Landtag weiter bearbeitet.

Tagesordnungspunkt:

3   Grundrechte verteidigen, anlasslose Überwachung stoppen, Vorratsdatenspeicherung kippen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10077

In Verbindung mit:

Mehr politische Widersprüchlichkeit geht nicht: CDU und SPD bejubeln erst die Aufkündigung von Safe Harbor und führen dann die anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS) wieder ein

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10061

Ich eröffne die Aussprache. Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Lürbke das Wort.

 

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundestag hat den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung nun trotz massiver Widerstände in einem fragwürdigen Schnellverfahren beschlossen. Dieses Theaterstück namens „Vorratsdatenspeicherung“, diese Inszenierung, dieses beratungsresistente Abnicken der anlasslosen Generalüberwachung unbescholtener Bürger ist im Grunde ja sozusagen eine Wiederaufführung der demokratischen Tragödie, dritter Teil. Es ist vor allen Dingen auch ein Lehrstück von unbelehrbarem Sicherheitsfetischismus und von penetranter Ignoranz gegenüber den Grundrechten aller Bürger unseres Landes.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, die Vorratsdatenspeicherung ist zudem auch noch ein Rechtsbruch mit Ansage. Der Europäische Gerichtshof hat unmissverständlich erklärt, dass es bei Berufsgeheimnisträgern nicht zu einer Speicherung kommen darf.

Diesen Umstand zu ignorieren, fordert ja nicht nur geradezu eine Klage heraus; nein, es ist vielmehr auch eine Bankrotterklärung der Parlamente, wenn neue Sicherheitsgesetze jedes Mal von Gerichten wieder kassiert werden müssen, um den Grundrechten der Bürger Geltung zu verschaffen.

 Deshalb soll insbesondere die SPD gedrängt haben, das für sie ja leidige Thema vor ihrem Parteitag im Dezember abzuräumen. Jeder vierte SPD-Abgeordnete ist gegen eine Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung. Im Bundestag stimmten 43 Sozialdemokraten mit Nein, sieben enthielten sich.

Umso mehr war es dann ein Offenbarungseid, dass der Bundesrat im Juni 2015 zu den Plänen der Bundesregierung keine Stellungnahme beschlossen hat und vor allem auch das rot-grüne NRW in der Frage der anlasslosen Massenüberwachung unserer Bürger schlicht jede Haltung verweigerte.

Morgen soll das Gesetz nun durch den Bundesrat gehen. Ich sage Ihnen: Nordrhein-Westfalen muss im Bundesrat endlich Farbe gegen die Vorratsdatenspeicherung bekennen und endlich eine wahrnehmbare Position gegen die anlasslose Erfassung sensibler Daten von Bürgern und Berufsgeheimnisträgern in unserem Land einnehmen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Denn was bedeutet die Vorratsdatenspeicherung etwa für den Informantenschutz? Ein Journalist machte laut „Süddeutsche Zeitung“ den Selbstversuch. Mehr als 40 Tage lang hat er sich selbst bei der Recherche für einen Beitrag für die Onlinebörsen-Redaktion der ARD überwacht, hat alle Mobilfunk- und alle Internetdaten aufgezeichnet, die auf seinen Geräten angefallen sind. Nach der Ausstrahlung des Beitrags hat er diesen riesigen Datenhaufen, der während der Recherche angefallen ist, als Abschlussarbeit für sein Studium an der TU Dortmund analysiert.

Das Ziel war, zu überprüfen, ob der Informantenschutz tatsächlich leidet, wenn das Gesetz kommt. Meine Damen und Herren, der Versuch erbrachte ein absolut ernüchterndes Ergebnis. Sein Rechercheweg sei kinderleicht nachvollziehbar gewesen, und die aufgezeichneten Daten hätten auch den Kontakt zu einem Informanten einwandfrei sichtbar gemacht. Und nicht nur das: Nach aktuellen Medienberichten sollen bei SMS-Nachrichten entgegen den datenschutzrechtlichen Vorgaben sogar die Inhalte der Kurznachrichten bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert werden.

Offenbar gelingt es eben nicht ganz so einfach, diese Signalisierungsdaten, die für den Weg durch das Netz erforderlich sind, von den Inhalten zu trennen. So viel zu dem Argument, es würden nur Verbindungs- und Standortdaten erfasst, aber keine Inhalte gespeichert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer das Abhören des Kanzlerinnenhandys nicht verhindern kann, der braucht den Bürgern in diesem Land auch nicht weiszumachen, diese sensiblen Daten seien vor einem Abgreifen durch Hacker, seien vor einem Abgreifen durch Nachrichtendienste geschützt.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Am sichersten bleiben immer noch die Daten, die erst gar nicht erhoben werden.

Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten haben am 26. Oktober 2015 im Bundespräsidium beschlossen, Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung zu erheben. Wir haben bereits einen Prozessbevollmächtigten ernannt. Zu dem Kreis der Beschwerdeführer zählen besonders die vom Gesetz massiv betroffenen Berufsgeheimnisträger wie Pfarrer, Seelsorger, Anwälte oder Journalisten. Also wir haben hier eine klare Haltung.

Doch auch Nordrhein-Westfalen muss in dieser Frage endlich eine klare Haltung beziehen. Ministerpräsidentin Kraft ist ja bei dem Thema weiter abgetaucht nach dem Motto: Lieber erst gar keine Position, als intern damit anzuecken. Bundesjustizminister Maas ist umgefallen nach dem Motto: Lieber das Amt behalten als die Haltung.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Und um Justizminister Kutschaty, der die Vorratsdatenspeicherung lange deutlich kritisierte, ist es leider auch still geworden.

Dabei muss sich Nordrhein-Westfalen endlich aktiv für einen Einspruch des Bundesrates einsetzen. Sollte das nicht gelingen, dann muss die Landesregierung eben das ihr vom Grundgesetz nach Art. 93 eingeräumte Klagerecht nutzen. Zeigen Sie endlich Haltung, meine Damen und Herren, und verteidigen Sie die Grundrechte von 18 Millionen NRW-Bürgern aktiv gegen dieses offensichtlich verfassungswidrige Überwachungsgesetz! – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Kern das Wort.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Herr Kollege Lürbke hat bereits die Bedenken gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung deutlich gemacht. Das kann ich für uns Piraten nur unterstreichen. Wir haben zu diesem Thema einen eigenen Antrag eingebracht, der unsere Bedenken noch einmal stärker zum Ausdruck bringt.

Es war eine Entscheidung auf europäischer Ebene, die ich Ihnen hier kurz skizzieren möchte.

Am 6. Oktober dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof ein wahrlich bemerkenswertes Urteil gefällt. Die Safe-Harbor-Entscheidung der EU-Kom-mission aus dem Jahr 2000 wurde für ungültig erklärt. Mit Safe Harbor hatte man allen Transfers personenbezogener Daten in die USA pauschal eine Erlaubnis erteilt, weil man lapidar gesagt hat, dass dort ein gleiches Datenschutzniveau wie in der EU herrsche.

Spätestens seit den Snowdon-Enthüllungen ist aber klar: Safe Harbor war immer schon eine Datenschutz-Fata-Morgana. Safe Harbor war nie dafür gedacht, Personendaten zu schützen, sondern den Wirtschaftsinteressen von multinationalen Konzernen und Sicherheitsfanatikern zu dienen.

Endlich haben die Richter in Luxemburg dem Datentransfer in die Hände der NSA eine Absage erteilt. Dem Datenschutzaktivisten Max Schrems, der dieses Urteil erzwang, möchte ich an dieser Stelle meinen ausdrücklichen Dank aussprechen.

(Beifall von den PIRATEN)

Schauen wir uns einmal das EuGH-Urteil genauer an. Es ist aus vielerlei Gründen bemerkenswert.

Erstens. Endlich wird die EU-Grundrechtecharta ernst genommen. Denn viel zu oft werden die verbrieften Grundrechte in der EU ignoriert, gerade beim Thema Datenschutz.

Zweitens. Der EuGH nimmt ausdrücklich die nationalen Datenschutzbehörden und die Landesdatenschutzbehörden in die Pflicht. Bei vermuteten Grundrechtsverletzungen dürfen sie sich nicht einfach mit einem Verweis auf EU-Entscheidungen aus der Verantwortung stehlen. Sie sind jetzt aufgefordert, mit klaren Regeln zu Datentransfers für Rechtssicherheit zu sorgen. Das ist übrigens auch ein Auftrag an unsere Landesdatenschutzbeauftragte.

Drittens. Die letzten Leugner müssen eingestehen, dass die USA kein sicherer Datenhafen sind. Die EuGH-Entscheidung ist endlich ein klares Signal pro Grundrechteschutz und gegen die Interessen der Sicherheitsesoteriker und Datensammelfetischisten.

Aber – und jetzt komme ich auf die nationale Ebene zu sprechen – die Freude über die höchstrichterliche Stärkung europäischer Grundrechte war leider nur von kurzer Dauer. Keine zehn Tage später hat die Große Koalition in Berlin die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt. Damit tragen Christ- und Sozialdemokraten in Berlin gemeinsam die Verantwortung für die Wiedereinführung und dafür, dass hier ein Datenschutzgrundrecht zu Grabe getragen wird. Gleichzeitig – das ist das Kuriose – bejubeln sie die Verteidigung eben jenes Grundrechtes durch den EuGH. Man weiß gar nicht mehr, ob man das exzessive Widersprüchlichkeit, kollektive Schizophrenie oder einfach nur maßlose Verlogenheit nennen soll.

CDU und SPD haben mit ihrer Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung einmal wieder großes Theater aufgeführt. Damit stellen sie wahrscheinlich sogar David Copperfield in den Schatten. Er hat bekanntlich nur einen Panzer vor der Chinesischen Mauer verschwinden lassen. Bei Ihnen im Bundestag lösen Sie ganze Grundrechte in Luft auf.

Wir Piraten werden auch weiterhin Ihre miesen Zaubertricks aufdecken. Ich bin auch gespannt, genau wie der Kollege Lürbke, wie sich der Bundesrat morgen entscheiden wird. Der Landtag Schleswig-Holstein hat sich auf Antrag der dortigen Piratenfraktion dafür entschieden, ebenfalls dem Antrag des Landes Thüringen beizutreten und die Anrufung des Vermittlungsausschusses gegen dieses grundrechtsvernichtende Gesetz zu verlangen. Ich kann nur an die Landesregierung appellieren, sich diesem Antrag ebenfalls anzuschließen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kern. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Stotko das Wort.

Thomas Stotko (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über die Mindestspeicherdauer führen wir jetzt zum siebten Mal in den letzten zwei Jahren in diesem Parlament, im Übrigen immer mit dem gleichen Versuch, einen Keil zwischen die regierungstragenden Fraktionen oder in die SPD zu treiben.

(Zuruf von den PIRATEN: Sie verstehen es einfach nicht!)

Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass es sowohl zwischen den diese Regierung tragenden Fraktionen, aber auch innerhalb der großen Volkspartei SPD unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gibt, im Übrigen auch innerhalb unserer eigenen SPD-Landtagsfraktion.

Ebenso, glaube ich zumindest, ist die kritische Haltung des Justizministers aus Nordrhein-Westfalen bekannt, der in verschiedenen Wortbeiträgen hier im Plenum, aber auch im Rechtsausschuss immer klargemacht hat, dass eine verfassungskonforme Regelung höchsten Maßstäben genügen muss – eine Auffassung übrigens, die auch strikte Befürworter einer Mindestspeicherdauer ausdrücklich teilen, ebenso diejenigen, die es verfolgt haben.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein Mitgliederbegehren innerhalb der SPD zur Vorratsdatenspeicherung nach dem SPD-Konvent im Juni dieses Jahres mit knapp 10.000 Unterzeichnern nicht ausreichend Befürworter gefunden hat.

Aber diese insgesamt breite, transparente, öffentliche Diskussion innerhalb meiner, unserer Partei als auch in den Medien macht gerade deutlich, wie ernst die SPD sowohl die Befürworter als auch die Kritiker einer Mindestspeicherdauer nimmt.

Unser Fraktionsvorsitzender Norbert Römer hat in unserer Plenardebatte hier am 25. Juni dazu einen hervorragenden Debattenbeitrag geliefert, an den ich mich übrigens persönlich sehr gut erinnere und an den ich Sie alle auch erinnern möchte. Ihm ist es in seiner Rede nämlich gelungen, die notwendige Abwägung von Sicherheit und Freiheit deutlich zu machen und den Ausgleich herzustellen zwischen dem Interesse, unsere Verantwortung für den Staat zu übernehmen, dabei aber auch Missbrauchspotenziale nicht zu übersehen.

Norbert Römer hat überzeugend darlegen können, wie es der SPD gelungen ist, rechte Überwachungsfantasien abzulehnen, kritische Meinungen innerhalb der Partei ernst zu nehmen und das vorrangige Ziel zu verfolgen, wonach Sicherheit der größtmöglichen Freiheit aller dienen muss. Wenn man die SPD-Landtagsfraktion und das Parlament beobachtet hat, weiß man auch, dass nach der Rede von Norbert Römer zahlreiche Kolleginnen und Kollegen der Fraktion zu diesem gegangen sind – zeitgleich –, um ihm für seine Rede, für die Ausgewogenheit seines Beitrages zu danken. Ich persönlich gehörte auch dazu.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollege Höne zulassen?

Thomas Stotko (SPD): Aber klar.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bitte.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Kollege Stotko, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade von der notwendigen Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit gesprochen. Auf den letzteren Aspekt möchte ich gerne eingehen bzw. dazu meine Frage stellen: Wie viele schwere Straftaten sind durch die Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt oder vielleicht gar verhindert worden zu den Zeiten, in denen sie schon gegolten hat? Vielleicht könnten Sie uns da ein bisschen erleuchten.

Thomas Stotko (SPD): Also, wenn ich zur Exekutive gehören würde und mir eine Tabelle hätte geben lassen, dann könnte ich Ihnen etwas dazu sagen. Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil das auch keine Rolle spielt,

(Lachen von der FDP – Zuruf von Henning Höne [FDP])

weil wir genau aus diesen Gründen ausdrücklich … Entweder möchten Sie die Antwort hören oder fragen Sie doch erst gar nicht! Ich versuche, Ihnen zu erklären, dass die SPD im Deutschen Bundestag dafür gesorgt hat, dass eine Evaluation nach zweieinhalb Jahren durchgeführt wird – genau zu diesem Thema – und wir hier im Parlament in der Rede von Norbert Römer und als SPD-Fraktion klargemacht haben: Wenn eine Evaluation genau das ergeben sollte, was Sie andeuten – dass in keinem Fall eine Straftat aufgeklärt oder verhindert wird –, dann sind wir auch der festen Auffassung, dass eine solche Mindestspeicherdauer keinen Sinn macht.

Ich will mir, zurückkehrend auf meine Rede, ersparen, mich länger dazu auszulassen, dass es in Ihrem Antrag, Herr Kollege Lürbke, heißt, die Landesregierung möge wahrnehmbar im Bundesrat Position beziehen. So fordern Sie es ja unter Ziffer 1. Das muss man nicht fordern, das tut die Landesregierung ja schon, nur nicht in Ihrem Sinne.

Ich könnte mich auch dazu auslassen, dass es nicht um den Einspruch gegen ein Gesetz geht, sondern dass nach Art. 77 GG zuerst das Anrufen des Vermittlungsausschusses erforderlich ist. Daher muss man Ihre Ziffer 2 schon deshalb ablehnen – ich mache jetzt kein Repetitorium; ich dachte, Kollege Wedel hätte Ihnen das mal erklärt, das macht er sonst immer im Rechtsausschuss; unterhalten Sie sich doch einmal miteinander! –, weil der Antrag nicht in Ordnung ist.

Ich könnte mich auch dazu auslassen, dass es gar nicht hilfreich ist, wenn man gemäß Ziffer 3 viele Klageführer sammelt. Es gibt ja prominente Mitglieder einer Partei, auf jeden Fall einer Partei, die ohnehin klagen. Wir müssen jetzt nicht noch mehrere wie die Landesregierung darum bitten, auch noch Klage zu erheben.

Deshalb glaube ich insgesamt, sehr geehrte Damen und Herren von der FDP-Fraktion: Wir verweisen ausdrücklich auf unsere Plenardebatte im Juni, die wir hier geführt haben. Auch heute, vier Monate später, grüßt zum siebten Mal das Murmeltier.

(Zuruf von Frank Herrmann [PIRATEN])

Auch zum siebten Mal werden wir Ihren Antrag ablehnen. Jetzt, Herr Herrmann, kann ich es ganz kurz machen: Liebe Mitglieder der Piratenfraktion, mit Ihrem Antrag kann man ernsthaft kurzen Prozess machen. Die EuGH-Entscheidung zur Angemessenheit des Datenschutzniveaus, insbesondere in den USA, hat nichts, aber auch gar nichts mit den Verkehrsdaten von Telekommunikationsanbietern und damit auch überhaupt nichts mit der Vorratsdatenspeicherung zu tun.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Sie haben der Rede des Kollegen nicht zugehört! – Frank Herrmann [PIRATEN]: Verstanden haben Sie es auch nicht!)

Deshalb darf man durchaus, auch wenn Ihnen das nicht passt, als Partei oder als Fraktion die Entscheidung des EuGH zur Stärkung der Verbraucherrechte lautstark beklatschen und begrüßen und trotzdem dann eine vermittelnde Haltung bei der Frage der Mindestspeicherdauer einnehmen. Ihr untauglicher Versuch einer Vermischung ist erkannt. Deshalb werden wir es da kurz machen und Ihren Antrag ablehnen. – Besten Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Golland.

Gregor Golland*) (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung nun endlich einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung als wichtiges Ermittlungswerkzeug bei schwersten Straftaten wie zum Beispiel Terrorismus und Kinderpornografie vorgelegt hat.

(Beifall von der CDU)

Dieser trägt sowohl einer effektiven Verbrechensbekämpfung als auch den höchstrichterlichen Vorgaben zum Grundrechtsschutz der Bürger in vorbildlicher Weise Rechnung. Ich darf dazu kurz aus der lesenswerten Analyse einer Mitarbeiterin des Bundeskriminalamtes zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zitieren, der in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift „Kriminalistik“ abgedruckt ist. Frau Degenkolb – so heißt die Dame – erklärt darin Folgendes – ich zitiere aus Seite 602 ihres Beitrages:

Es fällt auf, dass die präzisen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung so weit wie möglich nahezu wörtlich in den aktuellen Gesetzentwurf übernommen wurden. Vorhandene Gestaltungs- und Einschätzungsspielräume wurden restriktiv ausgeschöpft. Auch wenn die starke Begrenzung des Straftatenkatalogs und der Speicherdauer den polizeilichen Bedarf nicht immer ausreichend abdecken wird, stößt die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in eine wesentliche Lücke in der Reihe der Ermittlungsinstrumente und schließt diese zumindest ein Stück weit. – Zitat Ende.

Meine Damen und Herren, so viel zur Bewertung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung aus Sicht der fachlichen Praxis. Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ist anders als behauptet keine verfassungswidrige Totalüberwachung der Bürger durch staatliche Sicherheitsbehörden. Das ist schlichtweg Unsinn.

Die CDU-Fraktion wird die vorliegenden beiden Anträge daher ablehnen. Gespannt bin ich allerdings, wie sich SPD und Grüne dazu verhalten werden, die sich in dieser Frage wieder einmal als gespaltene Truppe präsentieren.

(Widerspruch von den GRÜNEN)

Wir erinnern uns: Als sich die SPD auf Bundesebene noch in der Opposition befand, verging kaum ein Monat, in dem Innenminister Ralf Jäger das Thema nicht für Pöbeleien in Richtung der damaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarren-berger instrumentalisierte.

(Thomas Stotko [SPD]: Sie hat es auch verdient!)

Die Weigerung von Frau Leutheusser-Schnarren-berger, die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland wieder einzuführen, sei – so Ralf Jäger in der „Bild“-Zeitung vom 26.03.2012, Zitat – „mit gesundem Menschenverstand nicht mehr zu erklären“. Ihr Verhalten grenze – Zitat Ralf Jäger auf „focus.de“ vom 18.05.2013 – „nahe an Strafvereitelung“. – Hört, hört!

Nachdem Herr Jägers Parteigenosse Heiko Maas Ende 2013 Bundesjustizminister wurde, fanden diese unsäglichen Beschimpfungen ein jähes Ende. Weil auch Herr Maas die Vorratsdatenspeicherung ablehnte, warfen für die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen ihre bisherige Position kurzerhand über Bord. Auf ihrem Landesparteitag in Köln fasste die NRW-SPD Ende September 2014 sogar einen Beschluss, in dem sie die Vorratsdatenspeicherung ausdrücklich ablehnte. Für die rot-grüne Landesregierung durfte sich mit Justizminister Kutschaty fortan nur noch ein erklärter Gegner der Vorratsdatenspeicherung zu dem Thema äußern.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Dieser erklärte am 30. Januar 2015 hier im Landtag, dass eine anlasslose und voraussetzungslose Speicherung von Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger falsch sei. Innenminister Jäger wollte sich die Peinlichkeit ersparen und verließ bereits vor Debattenbeginn den Saal. Schön, dass er heute hier geblieben ist.

Nachdem sich SPD und CDU/CSU auf Bundesebene gut vier Wochen später schließlich doch auf einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung geeinigt hatten, legte die SPD in Düsseldorf die nächste Kehrtwende hin, meine Damen und Herren. Nun durfte wieder Innenminister Jäger zu dem Thema sprechen und begrüßte den ausgehandelten Gesetzentwurf per Pressemitteilung vom 15. April 2014 als – Zitat – „ausgewogenen Vorschlag für einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Sicherheitsinteressen des Einzelnen und datenschutzrechtlichen Vorgaben.“

Meine Damen und Herren, diese beispiellose Irrfahrt der Sozialdemokraten bei einem Kernthema der inneren Sicherheit zeigt: Bei der NRW-SPD ist wirklich auf gar nichts mehr Verlass, am allerwenigsten auf die eigenen Parteitagsbeschlüsse. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Golland. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Safe-Harbor-Urteil des Europäischen Gerichtshofs am 6. Oktober 2015 ist eine Datenübermittlung aufgrund der Safe-Harbor-Entscheidung der Kommission nicht zulässig. Das heißt, die USA gelten, so der Europäische Gerichtshof, nicht als so genannter sicherer Hafen, und in Bezug auf übermittelte Daten gelten keine gleichwertigen Datenschutzstandards wie in der Europäischen Union. Das ist dargestellt worden.

Das heißt, Datenschutzbehörden können jetzt, wenn sie Kenntnis über ausschließlich auf Safe-Harbor-gestützte Datenübermittlung in die USA erhalten, diese untersagen. Zudem werden die Datenschutzbehörden derzeit keine neuen Genehmigungen für Datenübermittlung in die USA auf Grundlage von verbindlichen Unternehmensregelungen oder Datenexportverträgen erteilen.

Was sind die Folgen? – Die Folgen sind für die Wirtschaft nicht ganz ohne. Unternehmen sind jetzt aufgerufen, ihre Verfahren zum Datentransfer unverzüglich datenschutzgerecht zu gestalten. Vor allen Dingen – das sind die Rückmeldungen, die uns erreichen – kleine und mittlere Unternehmen, die im Zweifel über keine großen Rechtsabteilungen verfügen, haben somit deutliche Schwierigkeiten, die sich in Form von Problemanzeigen äußern.

Dieser Zustand – das muss man noch einmal ganz klar sagen – ist eingetreten, weil die Bundesregierung trotz jahrelanger Warnungen an Safe Harbor festgehalten hat. Nun hat die mittelständische Wirtschaft die Folgen zu tragen. So weit zu Safe Harbor. In der Kritik sind wir uns weitestgehend einig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, die Verbindung, die Sie in Ihrem Antrag allerdings mit Ihrer kritischen Haltung zwischen Safe Harbor und der Vorratsdatenspeicherung herstellen, ist – vorsichtig formuliert – gewagt. Sie skizzieren die Gefahr, dass die Daten – wie der Name schon sagt, geht es bei den Vorratsdaten erst einmal um Speicherung – irgendwie, warum und wie auch immer, massenhaft übertragen werden und Datentransfers in die USA stattfinden. Sie skizzieren Gefahren und verknüpfen die eine Sache mit der anderen.

Das ist mir – Herr Kollege Stotko hat bereits darauf hingewiesen – doch etwas zu weit hergeholt, um dieses Thema wieder einmal auf die Tagesordnung zu setzen. Darin können wir Ihnen nicht folgen. In der Kritik, denke ich, sind wir uns jedoch einig.

Zur Vorratsdatenspeicherung: Das ist aus meiner Sicht ein separates Thema, dem aber auch wir Grünen bekanntermaßen kritisch gegenüberstehen, Herr Lürbke. Das haben wir hier schon hundertmal diskutiert. Die Gründe sind klar, aber ich möchte sie hier noch einmal kurz zusammenfassen.

Wir glauben, dass durch die anlasslose Überwachung – so hat es auch der EuGH in seinem Urteil formuliert –, die ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorruft, nicht nur das Grundrecht auf Datenschutz bzw. informationelle Selbstbestimmung betroffen ist, sondern sogar die Meinungsfreiheit von der Vorratsdatenspeicherung bedroht ist. Daran ändern aus unserer Sicht auch die kürzeren Speicherungsfristen nichts oder die Tatsache, dass E-Mails davon ausgenommen sind. Schließlich gilt das nicht für ähnliche Nachrichten.

Problematisch bleibt für uns auch der Komplex der Datensicherheit. Auch der unzureichende Schutz von Berufsgeheimnisträgern ist für uns ein Problem, und es bestehen berechtigte Zweifel, dass eine angemessene Datensicherheit bei Massenspeichern privater Telekommunikationsdienstleister kaum zu gewährleisten ist.

Die Kritik ist nach wie vor berechtigt. Deswegen hat unsere Bundestagsfraktion dem auch nicht zugestimmt.

Aber was passiert denn jetzt mit den Koalitionsfraktionen, Herr Lürbke, wenn man sich nicht einig ist? Schließlich vertritt die SPD bekanntermaßen eine andere Meinung. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Das haben Sie im Übrigen in Ihrer Regierung mit Ingo Wolf auch erlebt. Als das verfassungswidrige Vorläufergesetz damals im Bundesrat auf der Tagesordnung stand, haben Sie sich auch enthalten. So einfach ist das. Sie haben sich damals hier in der schwarz-gelben Landesregierung auch nicht durchsetzen können, weil es eine Enthaltung gab. Das sind übliche Verfahren. Das Bundesverfassungsgericht hatte das letzte Wort und hat dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt.

Lieber Herr Lürbke, das ist auch der Grund dafür, warum es hierzu keine Stellungnahme des Bundesrates gab. Denn die Abstimmung über das Votum „keine Einwendungen“ im ersten Durchgang im Bundesrat, die auf der Tagesordnung stand, hat durch die Enthaltung der rot-grünen Länder – wir haben dort in den Kabinetten Koalitionskarten gezogen – dazu geführt, dass keine Stellungnahme stattgefunden hat. Sonst hätte es eine Stellungnahme gegeben, die „keine Einwendungen“ lautet. Wir hatten in den rot-grünen Regierungen formal nur die Möglichkeit, Koalitionskarten dagegen zu ziehen; denn – das wissen Sie auch – das Gesetz ist ein Nicht-Zustimmungsgesetz. Das heißt, in der zweiten Runde konnte nur noch ein Vermittlungsausschuss angerufen werden, und dieser hätte auch nichts mehr ausrichten können.

So weit zur Lage. Das sind normale demokratische Gepflogenheiten. Wir sind uns zwar nicht einig, aber wir können uns auch nicht in allem einig sein, Herr Innenminister.

(Minister Ralf Jäger: Das wäre schön!)

– Das wäre nicht schön.

(Minister Ralf Jäger: Doch!)

– Nein. Ich glaube, es ist schon ganz gut, dass wir uns nicht in allem einig sind. Dafür gibt es Verfahren. Wir werden uns in dieser Hinsicht entsprechend positionieren.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit.

Monika Düker (GRÜNE): Der Innenminister wird sich gleich anders positionieren, aber das hält eine gute Koalition aus. Wir werden auch weiterhin vertrauensvoll zusammenarbeiten. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Düker. – Als nächstem Redner erteile ich dem fraktionslosen Kollegen Schwerd das Wort.

Daniel Schwerd (fraktionslos): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und an den Bildschirmen! Es gibt genau zwei Arten von Datenbanken: solche, die bereits gehackt worden sind und von denen anschließend gespeicherte Daten in den Umlauf geraten sind, und solche, wo das noch nicht bekannt ist.

Es gibt aber keinen Grund, zu glauben, dass irgendwelche Daten tatsächlich sicher sind. Warum glaubt man also jetzt, dass ausgerechnet die Vorratsdaten sicher aufbewahrt werden können? Darauf basiert letztlich das gesamte Gesetz, indem man spitzfindig unterscheidet zwischen der anlasslosen und massenhaften Speicherung und Erfassung von Daten bei den Providern auf der einen Seite und der gezielten Abfrage durch die Ermittlungsbehörden nach richterlichem Vorbehalt auf der anderen Seite. Das soll dann die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs einhalten. Abgesehen davon, dass vollkommen unklar ist, ob die Gerichte das auch so sehen werden:

Wer bringt denn den Bundesgesetzgeber auf das schmale Brett, die Bewohner unseres Landes dem Risiko einer solchen monströsen Datenspeicherung auszusetzen? Jeden Tag liest man von gehackten Daten im freien Umlauf samt Krankenakten, Passwörtern, Kreditkartendaten etc.

Wir hatten hier im Landtag eine Anhörung, in der der befragte Experte erzählt hat, dass er binnen Stunden in jede kommunale Datenbank einbrechen konnte und dort meist sogar Spuren früherer Einbrüche vorgefunden habe. Wie kommt man also jetzt auf die Idee, dass ausgerechnet die Vorratsdaten auf einmal sicher seien? Dass die ein gefundenes Fressen für Geheimdienste sind, die sich bekanntermaßen einen Dreck um Richtervorbehalte kümmern, das muss man wohl nicht extra betonen. Der beste Datenschutz ist nach wie vor, Daten gar nicht erst zu speichern.

Wie man Berufsgeheimnisträger schützt, ist auch immer noch unklar. Schließlich sind an Kommunikation immer zwei Parteien beteiligt. Wie realisiert man den Schutz eines Anwalts, eines Journalisten oder eines Pfarrers, der plötzlich am anderen Ende einer Kommunikation auftaucht? Das ist völlig ungeklärt.

Über die Vorratsdatenspeicherung haben wir tatsächlich schon oft gesprochen. Die Argumente sind unverändert. Bis heute hat noch niemand den Nutzen einer solchen Regelung belegen können. Sehr wohl aber wird vor dem Schaden gewarnt. Das tun Verfassungsrechtler, Technikexperten und selbst die Industrie.

Lassen Sie uns also dieses Gesetz stoppen, bevor es von den Gerichten kassiert werden muss und bevor die 260 Millionen € rausgeworfen sind, die die Einführung der Vorratsdatenspeicherung kosten wird. Die Zeche dafür zahlen nämlich wir alle, auch mit erhöhter Datenunsicherheit. – Vielen herzlichen Dank.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Abgeordneten Düker ausdrücklich dankbar für ihren Redebeitrag, weil sie damit den eigentlichen Anlass dieser Debatte konterkariert hat. Der Anlass dieser Debatte ist doch nicht, noch einmal – zum siebten, achten oder zehnten Mal – die altbekannten Argumente miteinander auszutauschen, sondern wir wollen einen vermeintlichen Dissens in der rot-grünen Koalition auf Landesebene aufarbeiten.

Frau Düker hat es deutlich gemacht: Zwei unterschiedliche Fraktionen, zwei unterschiedliche Parteien dürfen auch mal unterschiedlicher Meinung sein. Wenn das so ist, dann trägt man das aus. Man respektiert souverän die Meinung des anderen und arbeitet nach wie vor gut zusammen. Das ist, glaube ich, auch in diesem Punkt der Fall.

Meine Damen und Herren, der Gesetzgeber hat es nicht immer leicht,

(Christof Rasche [FDP]: Kein leichtes Leben!)

weil in vielen gesellschaftlichen Bereichen – da, wo er tätig werden muss – häufig unterschiedliche Grundrechte tangiert sind.

Nach meiner Erfahrung ist die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung oder Mindestspeicherdauer, wie immer man es nennen will, in den vergangenen Jahren hoch emotional und viel zu wenig rational geführt worden. Die einzelnen Protagonisten haben sich teilweise in ihren Schützengräben versteckt und sind kaum noch offen für rationale Gespräche. Das spiegelt auch die Diskussion heute ein bisschen wider. Der Gesetzgeber muss immer in der Lage sein, mit Respekt vor den zum Teil divergierenden Grundrechten einen Weg zu finden.

Herr Lürbke, Sie werden sicher nicht leugnen, dass keine Speicherung von Verbindungsdaten zu Schutzlücken führt. Wir haben darüber zu diskutieren, in welcher Weise, in welcher Größenordnung eine solche Schutzlücke zu akzeptieren ist.

Die Abwägung der einzelnen Grundrechte – Datenschutz auf der einen Seite, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Freiheit auf der anderen Seite – muss in einem vernünftigen Verhältnis zueinander austariert werden. Ein Schwarz oder Weiß, nur das eine Grundrecht oder nur das andere Grundrecht, darf es für einen Gesetzgeber nicht geben. Er muss die Belange aller Menschen, aller Grundrechte miteinander in vernünftiger Weise abwägen. Ich glaube, das ist durch diesen Gesetzentwurf gelungen.

Es ist übrigens das gelungen, was Herr Schwerd gerade als ein Problem aufgebaut hat, nämlich dass jetzt Daten geschaffen würden, die möglicherweise gehackt würden. Tatsache ist, dass es heute in die Beliebigkeit eines Providers gestellt ist, in welchem Umfang, in welchem Maße und für welche Dauer er Daten speichert. Das heißt, die Daten sind nicht neu, sie sind vorhanden. Sie werden jetzt erstmalig wieder einer gesetzlichen Restriktion unterzogen. Dann ist klar, wie lange ein Provider sie überhaupt speichern darf und unter welchen sehr eingeschränkten Bedingungen er nach richterlicher Anordnung Ermittlungsbehörden entsprechende Verbindungsdaten zur Verfügung zu stellen hat.

Es müsste uns eigentlich einen, dass es endlich eine Regelung gibt, um den Wildwuchs, wer wann wo was speichert, zu beenden.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Herrmann zulassen?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Ja.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie sprachen gerade von Abwägung. Sie wissen ja, dass ich immer wieder kritisiere, dass Sie als Hilfsargument für die scheinbare Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung den Verdacht äußern, alle Bürgerinnen und Bürger seien potenzielle Kinderpornografiekonsumenten. Sie und ich wissen, dass der Anteil der Kindesmissbrauchstäterinnen und -täter an der gesamten Bevölkerung in Deutschland eher gering ist.

Ich möchte Sie fragen, wo bei Ihnen die Verhältnismäßigkeitsschwelle ist, bei der Sie eine Überwachung der Gesamtbevölkerung befürworten, um eine bestimmte Tätergruppe möglicherweise durch die Vorratsdatenspeicherung verfolgen zu können.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Die Grenze – meine persönliche spielt dabei keine Rolle – ist in dem Gesetz sehr klar definiert, nämlich nur unter der Bedingung schwerster Straftaten und nach richterlichem Vorbehalt.

Weil Sie das Thema „Kinderpornografie“ selbst angesprochen haben: Vorratsdatenspeicherung verhindert keinen Kindesmissbrauch. Aber Vorratsdatenspeicherung macht es erst möglich, die wirtschaftliche Verwertung von Kindesmissbrauch, die im Internet geschieht, zu unterbinden. Darum geht es.

Wir haben Ihnen in verschiedenen Kleinen Anfragen auch beantwortet, wie groß die Schutzlücke gerade in diesem Kriminalitätsphänomen inzwischen geworden ist, weil der Handel, das Weitergeben gegen Geld von kinderpornografischem Material, in der Tat kaum noch zu unterbinden ist, wenn man die Verbindung zwischen dem Rechner des Täters und dem Rechner des Käufers nicht nachvollziehen kann.

Das ist, Herr Herrmann, ein gutes Beispiel dafür, wo genau dieser Abwägungsprozess stattfinden muss. Für die Opfer von Kindesmissbrauch ist der Missbrauch schon schlimm genug. Aber dass das Internet nichts vergisst und mit dem eigenen Missbrauch Handel betrieben wird, ist für viele dieser Opfer ein weiterer Missbrauch. Dem gilt es auch mit ermittlungstaktischen Maßnahmen zu begegnen.

Von daher sage ich Ihnen, Herr Herrmann, ist gerade an diesem Beispiel festgemacht der vernünftige Kompromiss, der vernünftige Ausgleich zwischen den beiden Grundrechten Datenschutz auf der einen Seite und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung auf der anderen Seite.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass dieses Gesetz auch den Ermittlungsbehörden viel abverlangen wird. Diese Evaluierungsklausel, die eingeführt worden ist, bedeutet nämlich nicht nur, dass man zukünftig den Datenschutz darstellen muss, sondern vor allem auch den Ermittlungserfolg durch diese Möglichkeit, nach richterlicher Anordnung auf Verbindungsdaten zurückgreifen zu können.

Von daher erübrigt sich auch eine spekulative Diskussion darüber, ob das wirksam ist oder nicht. Die Ermittlungsbehörden haben tatsächlich den Nachweis zu führen, dass es erfolgreich ist. Ich finde, das ist gerade gegenüber den Kritikern eines solchen Gesetzes ein weitestgehendes Entgegenkommen, dass diese Verpflichtung gegenüber Strafverfolgungsbehörden nun auch vorhanden ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/10077. Die antragstellende FDP-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Zu der kommen wir dann auch, und zwar über den Inhalt des Antrags. Wer ist für den Antrag der FDP-Fraktion? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Dann stelle ich fest, dass der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/10077 mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion, der Piratenfraktion und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd abgelehnt ist.

Ich lasse zweitens abstimmen über den Antrag der Piratenfraktion Drucksache 16/10061. Die antragstellende Piratenfraktion hat ebenfalls direkte Abstimmung beantragt. Wer ist für den Antrag der Piratenfraktion? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass der Antrag der Piratenfraktion mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Piratenfraktion und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd bei Enthaltung der FDP-Fraktion ebenfalls abgelehnt worden ist.

Ich rufe auf:

4   Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10057

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die antragstellende Piratenfraktion Frau Kollegin Brand das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Simone Brand (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Früher – schon einige Zeit her –, in Zeiten von regionalen Märkten hatte man mehrere Metzger vor Ort, und wenn einem die Qualität bei einem Metzger nicht gefiel, dann ging man eben zu dem anderen, sodass man da schon sehr gut den Markt vor Ort auch regulieren konnte. Bei dem, der schlechte Qualität ablieferte, wurde eben nicht mehr gekauft.

Da hat sich natürlich längst ein großer Wandel vollzogen. Heute haben wir Großhandelsketten, komplett intransparente Märkte, einen globalisierten Fleischhandel. Der Verbraucher kann nicht mehr einfach so durch seine Kaufentscheidung entscheiden, was gut ist, was Qualität ist und was schlecht ist.

Das ist nur eines von ganz, ganz vielen Themen, weshalb es wichtig ist, dass die Politik als Anwalt für den Verbraucher wirken muss.

(Beifall von den PIRATEN)

Wissen Sie überhaupt noch, zu welchem Anlass der Verbraucherschutz seinen Weg in die Ministerien gefunden hat? Minister Remmel weiß es sicherlich noch. Es war der BSE-Skandal seinerzeit. Vorher gab es Verbraucherschutz überhaupt nicht in den Ministerien, auf keiner Ebene.

Seitdem hechelt der Verbraucherschutz Skandalen hinterher. Dabei sollte er doch besser proaktiv die richtigen Weichen stellen. Was wir brauchen, sind eine gute Verbraucherbildung, transparente Verbraucherinformationen, umfassenden Verbraucherschutz und effektive Lebensmittelsicherheit.

(Beifall von den PIRATEN)

Lassen Sie uns als Land Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle manifestieren in Zeiten, in denen der VW-, Audi-, Skoda-, Porsche-, Seat-Skandal Millionen von Verbrauchern verunsichert, in Zeiten, in denen die EU die gleichberechtigte Freiheit des Internets auf dem Altar von vor Lobbyismus trotzenden Konzernen wie der Telekom, Vodafone und Co. opfert, in Zeiten, in denen unsere Wirtschaft und Staaten dank drohender Szenarien laut TTIP und CETA zulasten der Menschen in der EU, in Deutschland und auch hier in NRW erpresst werden!

Wie man an diesen ganzen Themen erkennt, ist Verbraucherschutz ein Querschnittsthema, das nicht nur alle Ministerien, sondern auch alle legislativen Ebenen betrifft. Dafür braucht es ein starkes Ziel aus der Politik. Wie anders könnte man ein starkes Zeichen setzen, wenn nicht mit der Verankerung des Verbraucherschutzes als Staatsziel in der Landesverfassung? – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Müller-Witt das Wort.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Piraten ist schon deshalb bemerkenswert, weil in ihm parallel zur vom Parlament eingesetzten Verfassungskommission eine Veränderung der derzeit gültigen Landesverfassung gefordert wird.

Diese Vorgehensweise kann zwei Ursachen haben. Entweder die Fraktion der Piraten ist erst kürzlich zu der Erkenntnis gelangt, dass der Verbraucherschutz den Rang eines Staatsziels haben sollte, oder im Rahmen der Einsetzung der Verfassungskommission war dieses Anliegen nicht mehrheitsfähig.

Auf jeden Fall ist es schon ein interessanter Vorgang, dass ausgerechnet während das Parlament eine Verfassungskommission mit der Aufgabe betraut, den bestehenden verfassungsrechtlichen Handlungsbedarf zu identifizieren und zu bearbeiten, dieser Antrag vorgelegt worden ist.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Sie fassen doch zuerst die Änderungen an mit der Einführung der 2,5-%-Klausel! Sie haben damit angefangen, die Verfassungskommission zu überdehnen.)

– Hören Sie lieber zu! – Übrigens war der Einsetzungsbeschluss ein Allparteienbeschluss mit den Stimmen der Piraten.

(Beifall von Dr. Roland Adelmann [SPD])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung, aber Frau Kollegin Brand würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Gerne.

Simone Brand (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Müller-Witt, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass ich zwei Jahre mit diesem Antrag gewartet habe, weil eben die Verfassungskommission tagt, und ich erst jetzt diesen Antrag gestellt habe, nachdem Sie alle mit der Sperrklausel die Vereinbarung der Verfassungskommission gebrochen haben?

(Beifall von den PIRATEN)

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Das heißt, Sie geben zu, dass es eigentlich nur Mittel zum Zweck ist und er gar nicht die vorgegebene Intention verfolgt, die Sie gerade vorgetragen haben. Hochinteressant!

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Diese Schlussfolgerung ist aber mutig! Meine Güte!)

Keines der im Einsetzungsbeschluss enthaltenen elf Themenfelder umfasst auch nur sinngemäß die Erweiterung des Katalogs der Staatsziele der Landesverfassung. Vermutlich war jedem bewusst, dass das Formulieren von Staatszielen zu allererst appellatorischen Charakter an die Politik hat. Staatsziele bedürfen vielmehr der Umsetzung durch Gesetze, Verordnungen oder Satzungen. Bei der Debatte im Bundestag über die Aufnahme der Generationengerechtigkeit als Staatsziel in das Grundgesetz wurde treffend formuliert: Wir müssen politisch gestalten und sollten nicht glauben, dass wir mit der Aufnahme in das Grundgesetz die Probleme gelöst hätten. – Analog kann man das hier auch anwenden.

Der Gesetzgeber des Landes und insbesondere der Gesetzgeber des Bundes haben ein umfangreiches Kompendium an Gesetzen und Verordnungen zum Schutze der Verbraucher erlassen. Die Aufgabe ist also erkannt und angenommen worden. Aus diesem Grunde bedarf es keiner zusätzlichen Bekräftigung durch Erhebung des Verbraucherschutzes zum Staatsziel in unsere Landesverfassung. Es gilt vielmehr, die vorhandenen Vorschriften konsequent anzuwenden und wo erforderlich anhand der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse weiterzuentwickeln.

Zum Abschluss noch ein Wort zur konkreten Formulierung des von der Piratenfraktion geforderten Art. 29b. Ich zitiere:

„Das Land schützt im Rahmen seiner Zuständigkeit die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher.“

Diese Formulierung lässt an Unbestimmtheit nichts zu wünschen übrig. Welches sind die Interessen der Verbraucher? Wie geht man mit divergierenden Interessen um?

Fazit: Wir halten es nicht für zielführend, zu den in der Landesverfassung aufgeführten Staatszielen ein Staatsziel Verbraucherschutz hinzuzufügen. Die inflationäre Aufzählung von Staatszielen in einer Landesverfassung ersetzt nicht politisches Handeln und entwertet geradezu das Instrument des Staatsziels. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern nützt vor allen Dingen ein konsequentes Anwenden der vorhandenen Gesetze und Fortschriften sowie da, wo es erforderlich ist, die Weiterentwicklung der Gesetze aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Deshalb sehen wir momentan keinen Grund, Ihrem Antrag zuzustimmen, werden uns aber selbstverständlich einer Debatte im Hauptausschuss nicht verweigern. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Hendriks das Wort.

Heiko Hendriks (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den ersten Teil von Frau Müller-Witt könnte ich jetzt übernehmen. Denn Frau Müller-Witt hat vollkommen richtig die Frage gestellt, und das sieht auch unsere Fraktion so: Was macht es denn überhaupt für einen Sinn, eine Verfassungskommission einzusetzen, die mit Vertreterinnen und Vertretern aller Fraktionen zuzüglich Experten berät, inwieweit die Landesverfassung um weitere Ziele ergänzt, verändert werden soll, wenn gleichzeitig hier ein Antrag eingebracht wird, ohne die Ergebnisse der Verfassungskommission schon vorgelegt bekommen zu haben?

(Simone Brand [PIRATEN]: Das müssen Sie Ihre Fraktion fragen!)

Das macht keinen Sinn. Deswegen könnte man diese Beiträge in der heutigen Plenardebatte entsprechend kurzhalten und sagen: Lassen Sie uns doch die Ergebnisse der Verfassungskommission abwarten. – Ganz so einfach will ich mir es nicht machen, weil Verbraucherschutz an sich ein ganz wichtiges Thema ist. Es ist die Aufgabe der Politik und damit auch unsere Aufgabe, auf Entwicklungen zu reagieren und entsprechende Beschlüsse, Gesetze auf den Weg zu bringen, die die Verbraucher in Zukunft noch mehr schützen.

Aber Sie sprechen in Ihrem Antrag verschiedene Komponenten an, zum Beispiel die Verbraucherbildung. Da möchte ich schon meine Verwunderung zum Ausdruck bringen, schließlich hatten wir im März 2014 hier einen sehr guten Antrag von CDU, SPD und Grünen, der genau diesen Punkt der Verbraucherbildung, insbesondere in dem von Ihnen angesprochenen Bereich der Kindertagesstätten und Schulen, verankert sehen will und somit anerkennt, dass Verbraucherbildung gerade auch im frühkindlichen Bereich einen besonders hohen Stellenwert hat. Leider haben Sie dort nicht mitgemacht, sondern sogar gegen diesen Antrag gestimmt. Das wäre ein klares Zeichen seitens der Politik an die Öffentlichkeit gewesen, dass Verbraucherschutz und damit auch Verbraucherbildung ein ganz entscheidender Gesichtspunkt ist.

Entscheidender ist für mich und für unsere Fraktion allerdings auch die Frage: Sind die Menschen denn weitgehend in unserer Republik und in Nordrhein-Westfalen unzufrieden mit dem Verbraucherschutz, wie er zurzeit praktiziert wird? – Da kann man, so wie Sie es machen, aus Umfragen zitieren, die mehr als sechs, sieben Jahre alt sind. Man kann sich aber auch aktuelle Umfragen oder Erhebungen anschauen und feststellen, dass über 80 % der Wahlberechtigten in der Bundesrepublik Deutschland auf der einen Seite mit der Verbraucherinformation und auf der anderen Seiten mit dem Verbraucherschutz weitgehend zufrieden sind.

Wenn man dies feststellt, muss man sich natürlich genau – und das hat Frau Müller-Witt auch schon gemacht – die Frage stellen: Macht es überhaupt Sinn, so etwas als Landesziel in die Verfassung aufzunehmen? Muss nicht vielmehr die reale Politik die alltäglichen Probleme lösen?

Ich glaube, dass man zu diesem Schluss kommen kann – vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass wir mittlerweile in jeder Stadt Verbraucherzentralen haben, die zum Beispiel Verbraucherinformationen anbieten, wenn denn noch Fragen offen sind, die nicht durch die Medien oder andere Quellen geklärt worden sind. Die Menschen können dorthin gehen und Informationen über Dienstleistungsverträge oder Ähnliches erhalten.

Dass der Verbraucherschutz funktioniert, machen schon diese Erhebung und die Umfragen deutlich. Zum Beispiel haben letztes Jahr in Baden-Württemberg 84 % gesagt: Der Verbraucherschutz in diesem Land ist auf einem guten Weg. Er sagt uns zu. Wir brauchen nur noch punktuell mehr davon, wenn aktuelle, neue Fragen aufkommen.

Deswegen kann man einen Strich darunter machen und feststellen: Wir werden im Hauptausschuss und vielleicht doch in der Verfassungskommission darüber diskutieren, ob das, was Sie fordern, notwendig ist.

Man muss sich aber auch vergegenwärtigen, dass eine Landesverfassung nicht mit zu vielen Einzelpunkten überfrachtet werden soll, und sich gleichzeitig die Frage stellen: Erzielt ein Thema allein dadurch, dass wir es in die Landesverfassung aufnehmen, den Effekt, den Sie wünschen, dass der Verbraucherschutz real mehr praktiziert wird, als das bisher ohnehin schon der Fall ist?

Deswegen stimmen wir der Überweisung in den Hauptausschuss selbstverständlich zu. Lassen Sie uns noch einmal darüber diskutieren. Verbraucherschutz ist und bleibt ein wichtiges Thema. Darüber, wie man das angeht, sollte man sprechen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Markert.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion, das, was Sie heute als Gesetzentwurf formulieren, ist gerade für die Juristen unter uns ein spannendes Thema. Sie möchten den Verbraucherschutz als Staatsziel in die Landesverfassung aufgenommen sehen.

Die erste Frage, mit der ich mich beschäftigt habe, lautet: Was ist das Ziel von Verbraucherschutz? Aus unserer Sicht geht es darum, Konsumentinnen und Konsumenten in die Lage zu versetzen, Herstellerinnen und Herstellern von Produkten auf Augenhöhe zu begegnen. Es geht darum, ein strukturelles Ungleichgewicht in unserer realen Wirtschaftswelt zumindest ein Stück weit zu beseitigen und die größten Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Es geht also darum, Verbraucherinnen und Verbraucher mündig zu machen. Ich füge noch etwas hinzu. Der Slogan sollte sein: Mündigkeit statt Bevormundung.

Dem dient auch das Netz unserer Verbraucherzentralen in Nordrhein-Westfalen. Wir haben gerade letzte Woche fraktionsübergreifend beschlossen, bis 2020 erneut eine gefestigte Grundlage für die Verbraucherberatungsstellen in unserem Land zu sichern: mehr als 70 Millionen € für inzwischen 60 Beratungsstellen, übrigens demnächst auch in meinem Wahlkreis in Neuss.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, schlagen nun vor, den Verbraucherschutz rechtlich prominenter zu verankern.

Meine nächste Frage ist: Wo ist er denn heute geregelt? Gibt es ein Verbraucherschutzgesetz? Nein, es gibt kein gesondertes Gesetz. Verbraucherschützende Regelungen finden sich in vielen Rechtsmaterien – zuvorderst im Bürgerlichen Gesetzbuch. Denken Sie beispielsweise an die Regelungen zum Verbraucherdarlehensvertrag: §§ 655a – 655e BGB.

Es geht übrigens nicht darum, zum Beispiel die AGBs zu stärken; denn diese wollen gerade den Rechtsfrieden erreichen, also eine vergleichende Betrachtung von zwei Seiten. Darum geht es beim Verbraucherschutz, wie ich eben gesagt habe, nicht. Es soll ja eine Seite gestärkt werden.

Wir finden im öffentlichen Recht in diversen Gesetzen Regelungen, beispielsweise im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch. Wenn wir an die Lebensmittelskandale in den letzten Jahren denken, wenn wir an die Herausforderungen des digitalen Zeitalters denken, können wir wahrscheinlich schon gemeinsam konstatieren: Ja, Verbraucherschutz hat nicht nur in der politischen Debatte, sondern auch in unserer breiten Gesellschaft an Bedeutung zugenommen.

Nun zu der Frage, ob diese Zunahme der Bedeutung des Verbraucherschutzes dazu führen sollte, ihn zum Staatsziel in unserer Landesverfassung zu erklären: Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, da darf man auch Zweifel haben. Es muss nicht nur die hohe Hürde einer Zweidrittelmehrheit, die man braucht, um neue Staatsziele in der Verfassung zu verankern, beachtet werden, sondern es geht auch darum, nicht jedes Einzelinteresse zum Staatsziel zu erklären, sondern dass es in der Verfassung eine Konzentration auf übergreifend als wichtig angesehene Ziele gibt.

Es hat auch immer wieder Vorstöße gegeben, zum Beispiel den Sport oder die Kultur zum Staatsziel zu erklären. Das Problem ist, dass es da meistens um abwägende, von allen gleichermaßen als wichtige Ziele angesehene Politikfelder geht. Ein Staatsziel zeichnet sich dadurch aus, dass Absichten und Ziele eines politischen Gemeinwesens postuliert werden.

Anders als Grundrechte sind Staatsziele übrigens nicht einklagbar. Auch das ist ein Problem. Letztendlich führt es vielleicht gar nicht weiter, ein Staatsziel „Verbraucherschutz“ in die Landesverfassung aufzunehmen.

Ich will abschließend noch einen Schritt weitergehen und begründen, warum ich als Jurist und als Verbraucherpolitiker mit Ihrem Gesetzentwurf Probleme habe. Staatszielbestimmungen beinhalten in aller Regel einen Zielpluralismus. In unserer Verfassung steht zum Beispiel nicht, dass die Rolle der Frau gestärkte werden muss. Vielmehr geht es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Man schaut sich beide Seiten an.

Aus meiner Sicht geht es beim Verbraucherschutz gerade nicht um so einen abwägenden Blick. Hier geht es darum, wo immer dies möglich ist, eine strukturell schwächere Position gegenüber der im Regelfall strukturell stärkeren anderen Seite zu unterstützen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

– Herr Präsident, ich komme, Ihr Räuspern richtig deutend, zum Ende meiner Ausführungen. – Deswegen hätte ich ein Problem damit, den Verbraucherschutz zum Staatsziel zu erklären; denn ich möchte, dass Verbraucherpolitik parteiisch bleibt: zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Deshalb freue ich mich zwar auf eine gute Diskussion in den Fachausschüssen, muss Ihnen aber auch sagen: Einer Staatszielbestimmung möchte ich als verbraucherpolitischer Sprecher meiner Fraktion an dieser Stelle aus juristischen und aus politischen Gründen nicht zustimmen. Ich möchte vielmehr, dass Verbraucherrechte gestärkt werden können. Ich möchte sie auch weiterhin parteiisch vertreten können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Markert. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verbraucherschutz ist wichtig. Mündige Bürgerinnen und Bürger, Verbraucher, brauchen die Möglichkeit, sich frei zu informieren. Sie benötigen auch einen gesicherten Rechtsrahmen, in dem ihre Interessen, das Recht auf Information und der Schutz ihrer Rechtsgüter geschützt werden.

Mein Kollege Henning Höne, die FDP-Fraktion und ich gehen völlig d’accord, dass der Verbraucherschutz ein wichtiges Anliegen ist. Jetzt wird allerdings von den Piraten gefordert, den Verbraucherschutz zum Staatsziel zu erklären. Dazu haben meine Kolleginnen und Kollegen Vorredner schon eine ganze Reihe von Argumenten angeführt, die ich voll unterstreichen kann.

Bei Staatszielbestimmungen handelt es sich um Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung und Erfüllung bestimmter sachlich umschriebener Aufgaben vorschreibt. Solche Staatszielbestimmungen umreißen ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit und sind dadurch auch Richtlinie bzw. Direktive für das staatliche Handeln sowie für die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften.

Eine typische Staatszielbestimmung gibt den Staatsorganen ein grundlegendes Ziel vor, das anzustreben sie verfassungsrechtlich verpflichtet sind. Die Wahl der Mittel für die Zielverwirklichung steht ihnen aber völlig frei. Auch die Konkretisierung dieses unbestimmt formulierten Ziels ist ihnen überlassen.

Staatszielbestimmungen sind überdies in verfassungsrechtlichen Abwägungsprozessen zu berücksichtigen. Sie sind aber nicht einklagbar. Und da sind wir beim entscheidenden Punkt; denn genau da setzen die Schwierigkeiten ein. Die Staatszielbestimmung steht ja nicht isoliert da. Sie ist kein isolierter Programmsatz unserer Verfassung. Vielmehr tritt sie im Einzelfall auch in Konflikt mit anderen Grundrechten sowie mit anderen Verfassungsgütern und Staatszielen.

An dieser Stelle stecken wir in den sehr komplexen Abwägungsprozessen. Grundrechtseingriffe können häufig nur durch die Berufung auf anderweitiges Verfassungsrecht gerechtfertigt werden. Wenn man den Verbraucherschutz tatsächlich zum Staatsziel erheben wollte – ganz abgesehen von der Frage, ob denn dann die Landesverfassung tatsächlich der richtige Adressat wäre; für dieses Parlament zwar schon, weil wir letztlich nur die Landesverfassung regeln können –, müsste man über ganz andere Dinge nachdenken.

Die Erhebung des Verbraucherschutzes zum Staatsziel auf der Landesebene müsste nämlich auch zur Rechtfertigung von Grundrechten, die durch das Grundgesetz geschützt sind, mit einbezogen werden. Das würde jedoch ein Fundament für spezielle nordrhein-westfälische Grundrechtsbeschränkungen legen. Da geht das Ganze dann über das, was vielleicht gut gemeint ist, deutlich hinaus.

Staatszielbestimmungen im engeren Sinne schränken überdies den Gesetzgeber ein. Je mehr Regelungsgegenstände des täglichen Lebens in den Verfassungsrang erhoben werden, umso mehr verfassungsrechtliche Konfliktpotenziale werden geschaffen. Jede neue einfachgesetzliche Regelung ist dann an immer mehr Verfassungsvorgaben zu messen und läuft immer stärker Gefahr, diese nicht zu verwirklichen.

Damit wird letztlich auch das Demokratieprinzip in Mitleidenschaft gezogen; denn ein durch die Pluralität von Staatszielbestimmungen gleichsam gefesselter Gesetzgeber ist in immer geringerem Maße frei, politische Entscheidungen entsprechend den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen zu treffen.

Eine solche Prädetermination des Staates lehnen wir Freien Demokraten ab. Staatsziele sollten auf Positionen von fundamentaler Bedeutung für unser aller Leben beschränkt bleiben, wie das etwa für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Grundgesetz heute schon gilt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Herrmann von der Piratenfraktion?

Angela Freimuth (FDP): Nein, das tue ich im Augenblick nicht, Herr Präsident.

Vizepräsident Oliver Keymis: Keine Zwischenfrage. – Bitte.

Angela Freimuth (FDP): Vielen Dank. – Im Übrigen dürfte ohnehin der Blick ins Grundgesetz weiterhelfen; denn dort haben wir bereits das Sozialstaatsprinzip verankert. Das Sozialstaatsprinzip schützt selbstverständlich auch heute schon die Belange von Verbraucherinnen und Verbrauchern, ohne dass es einer eigenständigen und gesonderten Staatszielbestimmung bedürfte.

Wir werden die Diskussion im Hauptausschuss sicherlich interessiert fortführen. Ich freue mich auf die Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Freimuth. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in der letzten Zeit nicht mehr so oft Kinderfernsehen geschaut, weil meine Kinder inzwischen schon etwas größer sind. Ich kann mich jedoch noch an die Sesamstraße erinnern: „Smørrebrød, Smørrebrød røm, pøm, pøm, pøm“ – der dänische Koch, der alles durch die Gegend geschmissen hat, um eine Suppe zu kochen, ganz egal, was ihm gerade zwischen die Finger kam.

Bei dem Antrag der Piraten fühlte ich mich ein bisschen daran erinnert: Es geht um die Verfassungsküche, dann wird – „Smørrebrød, Smørrebrød røm, pøm, pøm, pøm“ – alles mal ein bisschen hochgeschmissen, und was dann nachher im Topf landet, soll dann die Verfassung und den Verbraucherschutz miteinander in Verbindung bringen.

Das ist mir an dieser Stelle ein bisschen zu einfach. Immerhin handelt es sich um die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen. Damit sollte man etwas sorgfältiger umgehen, meine ich.

Auf den ersten Blick ist das natürlich ein Anliegen, dem man sich nicht verschließen kann. Bei genauerem Hinsehen wird es aber doch etwas schwieriger. Man kann das nicht so schlicht regeln, wie im Gesetzentwurf dargelegt. Es geht um eine Verfassungsänderung. Diese bedarf einer Zweidrittelmehrheit, also auch eines gewissen politischen Vorlaufs, einer Diskussion und einer Abstimmung auch mit anderen politischen Kräften. Deshalb sollte eine Verfassungsänderung nicht im Schnellschussverfahren einfach mal so in die Luft geblasen werden.

In Ihrem Gesetzentwurf wird der Begriff „Zuständigkeit“ erwähnt. Das ist ein verwaltungsrechtlicher Terminus, mit dem nicht hinreichend genau beschrieben werden kann, dass das Land auf ein Staatsziel „Verbraucherschutz“ verpflichtet wird. Auch ist die Formulierung „Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher“ so unbestimmt, dass die Reichweite einer solchen Staatszielbestimmung nicht hinreichend konturiert ist.

Insofern kann aufgrund der Unkonkretheit – die auch der Tatsache geschuldet ist, dass es sich um einen Schnellschuss handelt – der Gesetzentwurf der Piraten aus Sicht der Landesregierung nur abgelehnt werden. Allerdings lohnt es sich schon – das ist Aufgabe des Parlaments; das Parlament hat sich dieser Aufgabe auch angenommen –, wenn sich Dinge in der Gesellschaft verändern, wie es nun einmal ständig der Fall ist, immer wieder zu überprüfen: Ist das, was in unserer Verfassung steht, noch zukunftsfähig? Oder muss es gegebenenfalls angepasst, verändert oder zukunftsfähiger gemacht werden?

In der Tat finde ich schon, dass es einen Lebensbereich gibt, der in der Verfassung – sowohl im Grundgesetz als auch in der nordrhein-west-fälischen Verfassung – bisher nicht abgebildet ist: Wie verändert die Digitalisierung unser gesellschaftliches Zusammenleben? Wie werden Verhältnisse zwischen meinen Daten und Marktdaten geregelt? Wie wird der Austausch von Daten geregelt? Und muss da möglicherweise ein Grundrechtsschutz greifen, der über eine Verfassung geregelt ist?

Dazu ist aber eine sehr intensive Diskussion notwendig, die man dann inhaltlich führen muss, und zwar sowohl untergesetzlich als auch gesetzlich. Dann kann man vielleicht überlegen: Braucht man da eine Änderung in der Verfassung? Das kann man allerdings nicht mit einer solchen Debatte hier und heute bestreiten.

Wenn dieser Gesetzentwurf ein Anstoß sein sollte, gerade die Frage der Zukunft der Verbraucher beziehungsweise der Individuen in einer digitalen Welt zu besprechen, dann nehmen wir das gemeinsam als Auftakt. In der Tat beschäftigt uns alle die Frage: Was geht da an Veränderungen vor? Was wird da mit uns passieren? Wie und in welcher Weise können Staat, Gesellschaft und Individuen hier agieren und sich frei entfalten? Das steht in der Tat auf der Tagesordnung. Mit einem allgemeinen Gesetzentwurf wie diesem wird das allerdings nicht beantwortet.

Im Übrigen wird ein solcher Gesetzentwurf auch immer dann vorgelegt, wenn man meint, möglicherweise Defizite in der Politik monieren zu müssen. Das halte ich an dieser Stelle für falsch. Ich halte es gerade deshalb für falsch, weil wir gemeinsam fraktionsübergreifend noch einmal den Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen gestärkt haben, indem wir jetzt – das gibt es in keinem anderen Bundesland – eine über fünf Jahre abgeschlossene Vereinbarung mit der Verbraucherzentrale unterzeichnet haben. Das ist eine finanzielle Sicherheit für den Verbraucherschutz, die Verbraucherberatung und die Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen. Diese bis 2020 geltende Vereinbarung hat immerhin ein Volumen von 71 Millionen €.

Es gibt 60 Beratungsstellen, die wir gemeinsam mit den Kommunen im Land unterhalten. Die Bürgerinnen und Bürger geben über das Parlament das Geld dafür. Das ist Champions League in Sachen Verbraucherschutz. Kein anderes Bundesland hat das. Auch europäisch gibt so etwas nicht. Wir haben also eine starke Infrastruktur für die Verbraucherinnen und Verbraucher und damit eine solide Grundlage in unserem Land.

Oder denken Sie an andere Initiativen, die das Land mit Ihrer Unterstützung gestartet hat, bei denen es um Transparenz bei Lebensmittelkontrollen, um eine bessere Nutztierhaltung und darum geht, die Verbraucherwünsche auch hier zu konkretisieren. Das betrifft auch die Bereiche Finanzdienstleistungen, Telefonwerbung und Energiearmut, wo sich die Verbraucherinnen und Verbraucher in einem Markt bewegen, der immer unübersichtlicher wird. Genauso geht es dabei um die Frage der Dispokredite beziehungsweise einer Zinsobergrenze.

Hier ist das Land – die Landesregierung und das Parlament – massiv unterwegs. Wir haben hier kein Defizit, sondern die Defizite gibt es auf der Ebene der Bundesregierung. Wenn Sie uns da weiter unterstützen könnten, wäre das schön. Wenn Sie Ihre Kraft darauf konzentrieren könnten, würden wir gemeinsam viel erreichen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Für die Piratenfraktion hat sich noch einmal Frau Kollegin Brand zu Wort gemeldet.

Simone Brand (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Remmel, ich finde es schade, dass Sie mit Ihrem „Smørrebrød, Smørrebrød røm, pøm, pøm, pøm“ das Ganze ins Lächerliche ziehen.

(Minister Johannes Remmel: Aber so ist der Gesetzentwurf!)

Ich bin diesen Stil von Ihnen eigentlich so nicht gewohnt. Eigentlich unterhalten wir uns da ein bisschen mehr auf Augenhöhe. Ich finde das sehr schade. Das haben Sie nicht nötig.

Ich komme zu den Äußerungen von SPD und CDU. Ich habe eben schon im Rahmen meiner Zwischenfrage gesagt: Wer eine Vereinbarung bricht, muss damit rechnen, dass wir diese für obsolet halten. – Das heißt, dass wir dann eben auch Verfassungsanträge stellen werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Es wurde gesagt, zu viele Einzelpunkte in der Landesverfassung seien schlecht; das sei inflationär. Meine Damen und Herren, Sie alle haben doch den Eid geschworen, dass Sie Politik zum Wohle der Menschen in diesem Lande machen wollen. Und jeder dieser Menschen ist ein Verbraucher. Dann frage ich mich, warum denn Tierschutz ein Staatsziel ist, wenn es nicht wenigstens auch die Menschen in diesem Land sind, für die Sie Politik machen. Das verstehe ich nicht.

Ein Schnellschuss wäre es ja wohl, wenn ich hier eine direkte Abstimmung verlangen würde. Meinen Sie denn, dass wir das Ding jetzt durchjagen wollen? Sie können sich sicher sein, dass wir zu dem Gesetzentwurf eine Anhörung beantragen und die entsprechenden Experten dazu einladen werden. Das ist mitnichten ein Schnellschuss. Wir werden alle Experten bzw. alle zuständigen Leute dazu. Dann werden wir ja sehen, wie sich andere Menschen, die sich damit auskennen, die also Experten sind, dazu äußern werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Brand. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/10057 an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer stimmt der Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig so überwiesen.

Tagesordnungspunkt

5   NRW braucht eine Grundbildungsoffensive – Breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen Teil 2

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10074

Ich eröffne die Aussprache und erteile für SPD-Fraktion Frau Kollegin Hammelrath das Wort.

Gabriele Hammelrath (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Themen, da ist der politische Streit in der Sache üblich und belebend, manchmal auch notwendig und unvermeidbar für unsere lebendige Demokratie, und es gibt Themen, da ist große Einigkeit notwendig, ja geboten. Die Alphabetisierung und die Grundbildung der Menschen in unserem Land ist eines dieser Themen.

Wie gut, dass es diesem Parlament immer wieder gelingt, bei solchen Themen im Sinne der betroffenen Menschen zusammenzustehen; im Antrag ist das treffend „Verantwortungsgemeinschaft“ genannt worden. Dafür möchte ich mich bei Ihnen allen sehr herzlich bedanken.

(Beifall von der SPD)

Warum hat dieses Thema und haben die betroffenen Menschen eine solche Verantwortungsgemeinschaft verdient?

Zum einen ist es die schiere Größenordnung; denn wir sprechen nicht von einem Randgruppenphänomen, sondern von geschätzt 1,5 Millionen Menschen in diesem Land.

Zum anderen sind es die persönlichen Schicksale jedes Einzelnen. Häufig sind es Langzeitarbeitslose oder Menschen in einfachen Tätigkeiten oder ungesicherten Arbeitsverhältnissen, ganz besonders von Arbeitslosigkeit bedroht. Als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind sie von Fortbildungen und vom Aufstieg ausgeschlossen. Es sind Eltern, die aus Scham ihre Situation vor ihren Kindern zu verbergen versuchen. Und die, die eine sogenannte bürgerliche Existenz aufbauen konnten, bleiben immer in Sorge vor Entdeckung.

Nun ist dieses Thema nicht neu. Die Überschrift macht es schon deutlich. Es hat dazu im vergangenen Jahr schon einen ersten Antrag gegeben.

In dieser Zeit wurde schon Beachtliches geschafft. Es sind deutlich weniger junge Menschen, die ohne Schulabschluss die Schule verlassen. Und wir können für die Zukunft Hoffnung schöpfen; denn durch die Erweiterung der Lehrerausbildung in diesem Bereich wird das Thema in der Schule noch eine größere Beachtung finden.

Eine weitere Forderung konnte in der Zwischenzeit umgesetzt werden. Es gibt ein landesweites Netzwerk, das Alphanetz NRW, organisiert über die Volkshochschulen, in dem die unterschiedlichsten Einrichtungen zusammenarbeiten. Die überaus schnelle Entwicklung in die Fläche hat sicherlich mit dem großen persönlichen Einsatz der Ministerin als Schirmherrin dieses Netzwerks zu tun. An dieser Stelle herzlichen Dank dafür, Frau Löhrmann!

(Beifall von der SPD)

Nicht zu gering einzuschätzen ist Folgendes: Es wurde zusätzliches Geld für Alphabetisierung zur Verfügung gestellt – immerhin eine halbe Million Euro.

Wenn doch diese Maßnahmen in Gang gesetzt und zum Teil schon abgearbeitet sind, warum erneut ein solcher Antrag? Warum treibt uns das Thema weiterhin um? Zunächst ganz banal: Weil es sich noch nicht erledigt hat und in dieser Zeit der Zuwanderung immer neue Aufgabenstellungen entstehen. Wenn auch die Zahl der erreichten Teilnehmenden an entsprechenden Kursen erhöht werden konnte, so bleibt es doch bei dem sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein.

Wir müssen dringend mehr Menschen erreichen. Dazu brauchen wir „Scharnierpersonen“ und „Scharnierorganisationen“. Das geht von Kirchengemeinden über Sportvereine bis hin zu Unternehmen. Es müssen alle gesellschaftlich Verantwortlichen in die Pflicht genommen werden, und es muss die Gruppe der Netzwerkpartner aktiv und nachhaltig erweitert werden.

Wir wollen mehr aus dem eingesetzten Geld machen. Dazu dienen die Forderungen nach Einsatz dieser Mittel als Kofinanzierung für weiteres Projektgeld und die Unterstützung bei der Antragstellung, gerade für kleinere Einrichtungen eine notwendige Hilfestellung. Aber wichtig ist auch die thematische Erweiterung deutlich über die Alphabetisierung hinaus auf das gesamte Feld der Grundbildung. Gerade in unserer wissens- und kommunikationsgesteuerten Gesellschaft brauchen Menschen neben der sicheren Beherrschung der Schriftsprache zum Beispiel IT-Kenntnisse. Sie brauchen Sicherheit im Umgang mit Geld, und sie müssen lernen, gut mit ihrer Gesundheit umzugehen.

Aber wir brauchen diese Menschen auch für unsere Demokratie. Wenn wir die Beteiligung an Wahlen analysieren, dann sehen wir, dass sich die Isolation dieser Menschen und der Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben auch auf ihre demokratischen Rechte beziehen. Gesellschaftlicher Spaltung kann nur durch Bildung entgegengewirkt werden. Dieser Antrag versucht, einen Beitrag dazu zu leisten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Hammelrath. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau Korte.

Kirstin Korte (CDU): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen braucht eine Grundbildungsoffensive – mehr denn je. Wir wollen ein breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen schaffen bzw. das Ganze um eine Grundbildung ausbauen – wie man der Überschrift des fraktionsübergreifenden Antrags entnehmen kann, zum wiederholten Male.

Aktivitäten in der Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener sind von besonderer bildungspolitischer und sozialpolitischer Bedeutung. Im vorliegenden Antrag gehen wir von schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen aus, die als funktionale Analphabeten gelten. Sie scheitern daran, ganze Sätze zu verstehen und Texte zu verfassen.

Es gibt den aktuellen Erhebungen zufolge eine nicht unerhebliche Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, die die wesentlichen Fähigkeiten an Lebenstüchtigkeit nicht ausreichend beherrschen. Es ist eine Gruppe von Menschen, denen die Gesellschaft grundlegende Kenntnisse und Wertebilder vermitteln muss. In der Schule und in der Familie sind sie offenbar durch ein Raster gefallen, sodass wir sie jetzt auffangen müssen.

Meine Damen und Herren, ich sehe dieses als unsere Pflicht an. Lesen und schreiben zu können, ist der Schlüssel zur Teilhabe am alltäglichen Leben in unserer Gesellschaft. Wer über eine nicht ausreichende Grundbildung verfügt, ist kaum in der Lage, ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Einfache mathematische Kenntnisse erleichtern zum Beispiel den Umgang mit Geld. Fehlen diese, ist ganz oft am Ende des Geldes noch viel Monat übrig.

Häufige Folge ist die Überschuldung. Die kommunalen Schuldnerberatungen können ein Lied davon singen. Im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsverständnisses und einer lebensweltorientierten Erwachsenenbildung muss sich hier ein Lernfeld eröffnen.

Wer Hilfe sucht, muss möglichst barrierefreie Angebote finden. Löblich ist, dass manche Internetseiten zu unserem heutigen Thema eine Vorlesefunktion anbieten. Überhaupt kann man sich eigentlich freuen, wenn man die Begriffe „Grundbildung“ und „Alphabetisierung“ in die Onlinesuchmaschine eingibt. Angezeigt werden zahlreiche Angebote, beispielsweise von örtlichen Volkshochschulen, die sich unserem Themenbereich mit Kursen und Schulungen zugewandt haben. Offenbar werden auch diese ordentlich angenommen. Somit war unsere Initiative aus dem Januar 2014 erfolgreich.

Heute gehen wir gemeinsam einen Schritt weiter und machen deutlich, dass in der Schule schon darauf hingewirkt werden muss, dass alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger über ein hinreichendes Grundbildungsniveau verfügen müssen. Das ist eigentlich selbstverständlich.

Sinnvollerweise – Frau Hammelrath, Sie haben darauf hingewiesen – sieht das Lehrerausbildungsgesetz nach der Novellierung vor, dass Lehramtsstudierende Grundkompetenzen der Förderung von Alphabetisierung und Grundbildung erwerben.

Weiterhin müssen Initiativen in Weiterbildungseinrichtungen gegründet, gestärkt und vor allem kommuniziert werden. Alle Möglichkeiten der Nachqualifizierung müssen ausgeschöpft werden. Diesen Punkt haben wir als CDU-Landtagsfraktion schon Anfang 2014 in ähnlicher Debatte gefordert, und unsere Forderung hat sich nun auch in diesem Antrag wiedergefunden. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich begrüßen.

Ein weiterer Aspekt, der Anfang 2014 noch nicht in diesem Maße zur Debatte stand, sind die nach Nordrhein-Westfalen kommenden Flüchtlinge. Auch unter ihnen sind vermutlich zahlreiche Menschen, die Alphabetisierung und Grundbildung benötigen. Es tun sich also neue weitere Felder auf.

Nordrhein-Westfalen braucht eine Grundbildungsoffensive und ein breites Bündnis gegen Analphabetismus. In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Packen wir es gemeinsam an! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD und Monika Pieper [PIRATEN])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Korte. – Für die grüne Fraktion spricht nun Frau Zentis.

Gudrun Zentis (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine beiden Vorrednerinnen haben schon vieles gesagt. Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen. Das Bild, das wir fraktionsübergreifend in der Weiterbildung haben, zeigt: Wir sind uns grundlegend einig. – Somit richtet sich mein Dank an die Fraktionen, dass wir für Alphabetisierung und eine Verstärkung der Grundbildung einen gemeinsamen Antrag initiieren konnten.

Es ist schon ausgeführt worden: 1,5 Millionen Menschen in NRW können nicht richtig schreiben, lesen oder rechnen. Sie leben unter uns und mit uns, und wir erkennen sie doch nicht. Wir sind mit Sicherheit diesen Menschen schon begegnet.

Es ist schon erwähnt worden: 2014 gab es den großen Antrag „Breites Bündnis gegen Analphabetismus“. Ministerin Löhrmann hat die Schirmherrschaft übernommen, und der Landesverband der Volkshochschulen hat das „Alphanetz“ eingerichtet.

Alphabetisierung und Grundbildung müssen wir zusammen denken und zusammen angehen. Lesen, Schreiben und Rechnen reichen allein nicht mehr, um teilhaben zu können und um ein wirtschaftlich eigenständiges Leben zu führen. Bildung ist der Weg zum Erfolg.

Wie wir während der Ausschussreise in Kanada gehört haben, sagte jeder Verantwortliche und jede Verantwortliche in den Bildungseinrichtungen, die uns vorgestellt wurden: Jedes Kind kann erfolgreich sein. – Beim Kind fängt die Bildung an. Daraus ergibt sich auch unsere Forderung an das Schulsystem, dass Lehrerinnen und Lehrer besser in die Lage versetzt werden müssen, funktionalen Analphabetismus zu erkennen und zu verhindern.

Wir haben auch hervorragende Bedingungen geschaffen, mit den regionalen Netzwerken und mit den kommunalen Integrationszentren die Grundbildung aufzubauen und den Analphabetismus wirksam zu minimieren. Die Weiterbildung ist hier ein gleichrangiger Akteur zwischen allen.

An vielen Orten gelingt das schon – leider nicht an allen. Da müssen wir hinschauen. Wir brauchen die Familien, die Gesellschaft, die Vereine, die Sportvereine, die sozialen Einrichtungen, aber insbesondere auch die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, die den unmittelbaren Zugang zu Auszubildenden und Beschäftigten haben. Sie müssen wir aufmerksam machen und sensibilisieren, um Hinweise für die Lösung dieses Problems zu geben.

Wie leistungsfähig und flexibel Weiterbildung ist, hat sie in diesem Jahr bewiesen. Wir haben mit dem Nachtragshaushalt 2015 500.000 € mehr in die Weiterbildung gesteckt. Das war erstmalig eine Erhöhung für die Weiterbildung nach Wegnahme bzw. Streichung der Kürzungen in 2010. Wir machen es dieses Jahr erneut, indem wir wieder 500.000 € zusätzlich für Alphabetisierung und Grundbildung einstellen. 500.000 € stellen wir zusätzlich für Sprachkurse für Flüchtlinge bereit.

Die Weiterbildung hat kurzfristig reagiert und Kurse angeboten. Ich habe mir diese Kurse und die Träger angesehen. Alle waren sehr zufrieden: die Flüchtlinge, weil sie keine hohen Hürden für den Erwerb der deutschen Sprache mehr hatten, denn sie konnten die Kurse nutzen, und die Träger, weil die Beantragung problemlos ging und vor allen Dingen die Abrechnung nicht sehr aufwendig war. Diesem Beispiel sollten wir folgen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben – das möchte ich betonen – in der Weiterbildung viele große und kleine Träger. Auch diese kleinen Träger müssen wir unterstützten, damit sie gleichrangig teilhaben können. Es ist sehr schwierig, Drittmittel für die Weiterbildung zu akquirieren. Deshalb brauchen wir auch hierbei Unterstützungsagenturen.

Die vielen bestehenden Fördertöpfe müssen besser koordiniert werden. Deshalb noch einmal die ganz zielgerichtete Bitte an den Bund, dass man hier mehr Kooperation braucht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Zentis. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Schmitz.

Ingola Schmitz*) (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns, dass bei diesem wichtigen Thema ein fraktionsübergreifender Antrag vorliegt. Ich möchte anhand einiger Punkte darstellen, warum dieses Thema aus FDP-Sicht so wichtig ist.

Man kann in der Bildungspolitik intensiv streiten. Gerade aber beim Kampf gegen funktionalen Analphabetismus und für die unerlässliche Grundbildung ist es wichtig, dass sich möglichst viele gesellschaftliche Akteure engagieren und an einem Strang ziehen, nicht zuletzt weil es darum geht, die Gesellschaft zu sensibilisieren. Es geht darum, auf Problemlagen aufmerksam zu machen, die aus Scham oft kaschiert und für die Vermeidungstaktiken entwickelt werden. Es geht um gesamtgesellschaftliches Engagement, um Menschen mit Defiziten die Scheu zu nehmen, Chancen zu ergreifen.

Eine zentrale Grundlage stellt die Gewährleistung einer soliden Grundbildung in der Schule dar. Grundbildung besteht nicht nur aus Lesen, Schreiben und Rechnen. Dieses sind jedoch entscheidende Grundkompetenzen, die für den Erwerb anderer Fertigkeiten unverzichtbar sind.

Zu einer soliden Grundbildung zählen aber ebenso weitere im Antrag aufgezählte Felder. Das heißt aber nicht, dass zum Beispiel die unterschiedlichen Positionen der rot-grünen Verbraucherbildung einerseits sowie andererseits des FDP-Ziels eines ordentlichen Faches Wirtschaft, in das Verbraucheraspekte eingebunden sind, dadurch behoben sind. Für diesen Dissens bestehen klare fachliche Gründe. Unabhängig von dieser Frage sind wir uns aber einig, dass keine Schülerin und kein Schüler ohne eine solide Grundbildung die Schule verlassen sollte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen der nationalen Strategie zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener wurden durch den Arbeitskreis Weiterbildung der KMK Dimensionen kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe als Grundbildung genannt und weiterhin als sinnvoll empfohlen: Rechenfähigkeit, Grundfähigkeiten im IT-Bereich, Gesundheitsbildung, finanzielle Grundbildung, soziale Grundkompetenzen und Schriftsprachlichkeit. Hierbei handelt es sich letztlich um essentielle Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben.

Nicht umsonst werden hier die Grundbildungsnotwendigkeiten für Erwachsene genannt. Nach wie vor gelingt es nicht, alle Schülerinnen und Schüler mit diesen Kenntnissen aus den Schulen zu entlassen. So haben wir geschätzt rund 1,5 Millionen funktionale Analphabeten allein in NRW. Viele dieser Menschen arbeiten.

In einer vor einigen Jahren durchgeführten Befragung von Unternehmen durch das Institut für Wirtschaft zu Köln zu Defiziten in der Grundbildung wurden diese Kompetenzen zu nahezu 100 % als unverzichtbar bewertet. Gleichzeitig wurden zum Beispiel von 53 % bei IT-Kenntnissen bis hin zu über 90 % bei der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit oder der Rechtschreibung teilweise oder häufige Defizite gesehen.

Ähnlich wie beim funktionalen Analphabetismus kombiniert sich hier eine Verhinderung individueller Aufstiegschancen mit Folgeproblemen der Wirtschaft. Das zeigt, der Abbau von Defiziten in der Grundbildung ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Die hohe Zahl an Flüchtlingen verstärkt diese Herausforderung absehbar. Auch hier müssen möglichst früh Nachqualifizierungsmaßnahmen ergriffen werden.

(Beifall von der FDP)

Für alle diese Erwachsenen kommt dem Engagement der Weiterbildungsträger eine zentrale Rolle zu. Unsere Weiterbildungslandschaft muss nicht nur die große Herausforderung stemmen, Defizite der Betroffenen abzubauen; die besondere Herausforderung besteht darin, Zugänge zu betroffenen Menschen zu finden. Daher ist die Einbindung unterschiedlichster gesellschaftlicher Akteure so wichtig. Vernetzungsstrukturen wie „Alphanetz“ kommt nicht nur als Multiplikator eine besondere Rolle zu. Über Netzwerke können Best-Practice-Beispiele und neue Formate transportiert werden. Vernetzung kann den Zugang zu Gatekeepern erleichtern.

Gleichzeitig geht es aber auch um die Herstellung von Öffentlichkeit, zum Beispiel, um bei Unternehmen für eine sogenannte arbeitsplatzbezogene Grundbildung zu werben. Für diese Herstellung von Öffentlichkeit ist es wichtig, dass sich alle Fraktionen gemeinsam engagieren. Daher begrüßen und unterstützen wir diesen Antrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Schmitz. – Für die Piratenfraktion spricht nun Frau Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Auch ich freue mich ausdrücklich, dass wir beim Thema „Weiterbildung“ konsensual arbeiten. Es ist, denke ich, ganz wichtig, dass wir ein gemeinsames Zeichen aus dem Landtag senden, wie wichtig uns das Thema „Alphabetisierung und Grundbildung“ ist. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Es wurde schon ganz viel gesagt. Ich muss an dieser Stelle nicht alles wiederholen. Insofern will ich mich jetzt auf zwei Themenbereiche fokussieren.

Wir reden über Alphabetisierung und meinen damit ganz konkret eine Grundkompetenz im Lesen und im Schreiben. Der Antrag fordert aber neben Lese- und Schreibkompetenz tatsächlich auch Grundbildung. Zur Grundbildung gehört einiges mehr als Lesen und Schreiben. Hinzu kommen Rechenfähigkeit, aber auch andere Kompetenzen, die Frau Schmitz gerade angesprochen hat.

Die erste Forderung in unserem gemeinsamen Antrag gilt einem hinreichenden Grundbildungsniveau. Unter „Grundbildung“ wird all das grundlegende Wissen und werden die Basiskompetenzen verstanden, die für jeden Einzelnen die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe sind.

Frau Schmitz, da unterscheiden wir uns dann ein bisschen. Bei uns steht diese gesellschaftliche Teilhabe im Zentrum und nicht die Wirtschaftlichkeit, bei der ich darauf sehe, wie ich weiter Leute für die Wirtschaft gewinnen kann. Diese gesellschaftliche Teilhabe wird sich in Zukunft da zeigen: Wer kann mit digitalen Medien umgehen und wer nicht? Das wird in Zukunft die Trennlinie in unserer Gesellschaft sein.

Das heißt aber nicht, dass Lese- und Schreibkompetenz dann nicht mehr wichtig wären. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich nur ansatzweise mit digitalen Medien arbeiten will, brauche ich genau diese Kompetenz, um überhaupt gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, um mich kulturell, gesellschaftlich, aber auch wirtschaftlich zu beteiligen. Das soll noch einmal verdeutlichen, wie wichtig die Alphabetisierung hier in Nordrhein-Westfalen ist.

Lobend erwähnen möchte ich dabei, dass die Weiterbildung dieses Thema durchaus auch im Fokus hat. Hier möchte ich als Beispiel auf „ich-will-lernen.de“ hinweisen, ein kostenloses Lernportal des Deutschen Volkshochschul-Verbandes. Hier kann man online Schreiben und Rechnen üben oder seine Grundbildung verbessern. Es wurde bereits von über 500.000 Menschen genutzt.

Besonders gefällt mir auch „ich-will-deutsch-lernen.de“, ebenfalls ein Angebot des Deutschen Volkshochschul-Verbandes. Dieses Instrument zur Unterstützung der sprachlichen, gesellschaftlichen und beruflichen Integration von Zugewanderten steht ebenfalls kostenfrei zur Verfügung und wird genutzt. Das zeigt, dass das der Weg in der Zukunft ist, dass wir nicht mehr in die Volkshochschule gehen, sondern dass jeder zu Hause nach seinem eigenen Lerntempo lernen wird. Da müssen wir unbedingt dranbleiben und überlegen, wie wir weitere Formate aufsetzen.

Der zweite Aspekt, den ich aufgreifen will – wir haben in dem Gespräch mit den Weiterbildungsträgern auch darüber gesprochen –: Wie schaffen wir es, das Thema „Alphabetisierung und Grundbildung“ noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken? Wir haben die Aufgabe, das Problembewusstsein für diese Thematik zu schärfen.

Besonders müssen wir dabei die Betriebe in Nordrhein-Westfalen noch mehr in den Blick nehmen. Ein Vorschlag war die Durchführung einer großen Veranstaltung zum Thema Alphabetisierung und Grundbildung. Ich fände es sinnvoll, einen Grundbildungstag in Nordrhein-Westfalen zu etablieren, frage mich aber auch, ob wir nicht nachhaltiger Impulse setzen können, wenn wir eine zentrale Veranstaltung im Landtag machen, zum Beispiel im Rahmen des Weltalphatages.

Wenn wir Betriebe mit ins Boot holen wollen – das halte ich für sehr sinnvoll –, sollten wir eine zentrale Veranstaltung zur Grundbildung und Alphabetisierung durchführen, die von allen Fraktionen unter Beteiligung der Landesregierung und der Weiterbildungslandschaft getragen wird. Das löst zwar nicht alle Probleme, wäre aber sicherlich ein starkes Zeichen der Politik, wie wichtig uns allen dieses Thema ist und dass wir uns gemeinsam weiterhin für dieses Anliegen stark machen.

Noch eine Bemerkung zu Frau Zentis: Liebe Frau Zentis, Sie haben gerade darüber gesprochen, dass es im Haushalt 500.000 € für die Integrationskurse und 500.000 € für die Alphabetisierung gibt. Das ist wirklich gut gemeint. Ich glaube aber, über die Beträge werden wir im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik sicherlich noch einmal reden müssen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: : Vielen Dank, Frau Pieper. – Für die Landesregierung erhält nun Frau Ministerin Löhrmann das Wort.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist ein starkes bildungspolitisches Signal, dass der Landtag zum zweiten Mal mit einem fraktionsübergreifenden Antrag das Thema Alphabetisierung und Grundbildung in den Blick nimmt. Es ist immer gut, wenn man zusammenarbeitet. Das ist in der Schulpolitik durchaus auch gegeben, wenn wir uns an den Schulkonsens erinnern.

Bereits vor einem Jahr konnte fraktionsübergreifend ein breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen geschlossen werden. Die hohe Anzahl der Betroffenen und die sich daraus ergebenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen erfordern ein gemeinschaftliches Handeln.

Das landesweite Alphanetz NRW wurde vor gut einem Jahr gegründet. Dieses Netz ist offen für alle. Es bindet viele verschiedene Partner ein. In der Frage, Frau Pieper, ob es besser ist, etwas zentral zu machen, oder ob es besser ist, etwas regional zu machen, bin ich eher der Meinung, dass die vielen regionalen Bündnisse viel mehr Menschen und viel mehr Initiativen erreichen und auch pressemäßig vor Ort oft viel größere Wirkung entfalten, als wenn wir das hier zentral tun. In der Zielsetzung aber sind wir einig. Vielleicht müssen wir einfach beides tun.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dass die Zeit reif war für diese große Fragestellung, für diese große Herausforderung, zeigt, dass regional nicht fünf Netzwerke entstanden sind, sondern dass wir ganz viele haben. Erst letzte Woche in Warendorf ist ein weiteres hinzugekommen. Wir können nicht verordnen, dass Erwachsene die Angebote annehmen. Wir müssen wirklich sehr intensiv vor Ort dafür werben. Es kommen auch immer wieder neue Netzwerke dazu.

Ich möchte ausdrücklich feststellen, meine Damen und Herren: Es wäre zu kurz gedacht, wenn wir glauben würden, unsere Bemühungen in diesem Feld seien abgeschlossen. Das ist wirklich eine Daueraufgabe. Wir müssen Schritt für Schritt vorangehen und langfristig denken. Das gilt für alle Beteiligten, ob im Bund, im Land oder in der Kommune. Das gilt aber auch für alle betroffenen Politikfelder, ob es sich um die Weiterbildung selbst handelt, die Schule, die Familie oder Wirtschaft und Arbeit.

In diesem Sinne verstehe ich auch den fraktionsübergreifenden Antrag aller Landtagsfraktionen. Nur über Bündelung aller gesellschaftlichen Kräfte können wir eine Grundbildungsoffensive im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten erfolgreich auf den Weg bringen.

Für den Bereich der gemeinwohlorientierten Weiterbildung haben wir für das nächste Jahr zusätzlich 500.000 € für weitere Maßnahmen der Projektförderung in der Alphabetisierung und Grundbildung vorgesehen. Damit wollen wir beispielsweise Kooperationen, in denen die Partner sensibilisiert sind und die nun die Potenziale einer Zusammenarbeit mit den Weiterbildungseinrichtungen erkennen, weiterentwickeln und stärken.

Wir wollen aber auch daran anknüpfen, neue Zugänge zu den Betroffenen beispielsweise über die Sozialpartner zu bekommen. Mit diesen Maßnahmen greifen wir die Empfehlungen des Landesbeirates für die gemeinwohlorientierte Weiterbildung auf und begleiten sie.

Frau Pieper, Sie haben die Summen angesprochen. Ja, die klingen erst einmal sehr gering. Sie sind auch gering. Aber verglichen damit, dass wir als Regierung und als Koalition zunächst einmal gesagt haben, wir nehmen eine Kürzung zurück – das war das Ziel für die Legislaturperiode –, sind wir in diesem Fall über die schon erfüllten Zielsetzungen im Koalitionsvertrag hinausgegangen. Das ist schon ein Plus, was uns die Weiterbildungslandschaft auch hoch anrechnet. Wir haben den jetzigen Mittelansatz im Blick und werden gegebenenfalls noch einmal nachsteuern. Wir tun gut daran, weil wir hier mit kleinen Beiträgen Großes ausrichten können. Das muss man aus meiner Sicht auch bedenken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dabei soll es nicht bleiben. Richtig. Ich bin deshalb sehr froh, dass sich der Bund und die Länder entschieden haben, die nationale Strategie in eine nationale Dekade zu überführen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einen anderen Aspekt ansprechen, nämlich den Bedarf der Alphabetisierung und Grundbildung in der Gruppe der Flüchtlinge. Der Landtag spricht sich dafür aus, diesen Bedarf zu ermitteln. Hier müssen wir unter datenschutzrechtlichen und unter Diskriminierungsgesichtspunkten sehr, sehr behutsam sein. Wie Sie wissen, sind wir gerade zusammen mit der Weiterbildungslandschaft dabei, ein Berichtswesen zu entwickeln. Mein Haus wird diese Frage mit den Beteiligten erörtern.

Ich möchte den fraktionsübergreifenden Antrag gerne zum Anlass nehmen, die Bundesministerin für Bildung und Forschung zu bitten, ob diese Frage bei einer Neuauflage der „leo. – Level-One Studie“ berücksichtigt werden kann. Auch das wäre eine gute Kooperation zwischen Bund und Ländern.

Frau Hammelrath hat schon darauf hingewiesen, dass wir auch im Bereich der Lehrerbildung die Fragestellung mit aufnehmen, weil ganz klar ist: Wir müssen in allen Feldern, in denen wir Verantwortung haben, die Frage der Grundbildung stärker in den Blick nehmen. Ich glaube, der Antrag heute und das gemeinschaftliche Vorgehen zeigen, dass wir das tun wollen und tun werden. Das ist gut für die Betroffenen selbst, das ist aber auch gut für Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann.

Die antragstellenden fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Stimmen wir also ab über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/10074. Wer stimmt diesem Antrag zu? – SPD, CDU, Grüne, FDP und Piraten sowie der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Gibt es Gegenstimmen? – Schwer zu erwarten. Gibt es Enthaltungen? – Auch nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 16/10074 einstimmig von allen Fraktionen hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

6   Landesregierung muss umgehend die sechsspurige Erweiterung der Autobahn 1 „AS Münster-N – AK Lotte/Osnabrück“ und den sechsspurigen Ausbau der A 57 von Köln nach Moers im Rahmen von ÖPP-Modellen voranbringen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10065

Ich eröffne die Aussprache. Was ÖPP ist, erklärt uns jetzt Herr Kollege Voussem von der CDU-Fraktion. Bitte schön.

Klaus Voussem (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle kennen das Lied von den „Toten Hosen“: „Tage wie diese“. Es war die erste Single-Auskopplung aus dem Album „Ballast der Republik“. Ich finde, das passt sehr gut zu unserem heutigen Tag.

(Beifall von Hendrik Schmitz [CDU])

Denn an Tagen wie diesen gibt es wieder kilometerlange Staus auf der A1 zwischen Münster und Osnabrück. Dieses Nadelöhr ist schon lange ein Ballast der Republik. Denn dieses Nadelöhr verstopft die sogenannte Hansalinie. Sie führt von Oldenburg in Holstein bis nach Saarbrücken, wenn es nicht in der Eifel noch eine klaffende Lücke gäbe. Die A1 dient der Anbindung des Ruhrgebiets an die norddeutschen Seehäfen Bremen, Hamburg, Lübeck. Zudem dient die A1 zur Abwicklung der touristischen Verkehre an Nord- und Ostsee.

Meine Damen und Herren, wir bringen nicht zum ersten Mal einen Antrag zur sechsspurigen Erweiterung der Autobahn A1, Anschlussstelle Münster-Nord – Autobahnkreuz Lotte/Osnabrück, in den Landtag ein.

Anfang 2012 gab es schon einmal Tage wie diese mit Staus auf dem besagten A1-Abschnitt. Damals erschien übrigens der besagte Hit der „Toten Hosen“. Anfang 2012 haben wir die rot-grüne Landesregierung aufgefordert, das Angebot des damaligen Bundesverkehrsministers Ramsauer anzunehmen: 125 Millionen € Anschubfinanzierung wurden angeboten. Beides wurde abgelehnt. Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen weigert sich seit Regierungsantritt 2010, ÖPP ergänzend zu konventioneller Finanzierung zu akzeptieren. Die Betonung liegt auf „ergänzend“. Wir wollen ja nicht alles mit ÖPP machen.

Dabei ist die Frage von ÖPP-Projekten längst keine Frage mehr von Rot, Grün oder Schwarz. Rot-Grün in Hamburg und Schleswig-Holstein können und machen ÖPP. Und was die da im Norden machen, das ist schon beeindruckend und sei dringend zur Nachahmung empfohlen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

65 km der A7 wurden dort auf sechs bzw. acht Spuren unter laufendem Verkehr erweitert – und das in nur vier Jahren. Trotz Termintreue und Kostenreduzierung werden alle Umweltstandards eingehalten. Sogar an die Umsiedlung der Haselmaus, an Kiebitz-Schutzzäune und an Fledermaus-Überflug-zäune wurde dabei gedacht. Da können sich auch Umweltschützer entspannt zurücklehnen.

Hätte Rot-Grün bei uns das im Frühjahr 2012 so schnell geplant und begonnen wie deren Parteifreunde im Norden, könnten die 41 km der A1 bereits im Frühjahr 2017 fertig und das Nord-Süd-Nadelöhr beseitigt sein. Aber stattdessen wurden fast vier Jahre wertvoller Zeit vergeudet. Die volkswirtschaftlichen Schäden gehen in die Millionen. Das ist nur ein Beispiel für die Unfähigkeit von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Hier ein Weiteres: Am 20. Juli 2015 wurde das sogenannte Dobrindt-Paket für den Bundesfernstraßenneubau bekannt. Hamburg erhielt hiervon 180 Millionen €. Nordrhein-Westfalen erhielt 128 Millionen €. Die Bevölkerung in Hamburg: 1,76 Millionen Einwohner, die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen: 17,6 Millionen Einwohner. Wir haben also exakt zehn Mal so viel Einwohner wie Hamburg. Dem wäre Rechnung getragen, wenn Nordrhein-Westfalen 1,8 Milliarden € von diesem Dobrindt-Paket bekommen hätte. Wenn Sie, Herr Minister, gleich sagen, dass da noch ein Nachschlag vom Bund gekommen ist, dann sind das leider im Vergleich zu Hamburg leider immer noch Peanuts.

Im Mai 2015 hatten Sie, Herr Minister Groschek, ÖPP-Projekte erstmals öffentlich in Erwägung gezogen, aber seither hierzu nichts Konkretes gesagt. Da gibt es Formulierungen von Ihnen wie zum Beispiel „ÖPP à la NRW“ oder „Wo sich ÖPP rechnet, gerne, wo ÖPP Melkkuh-Geschichte ist, nein“.

Ihre ÖPP-Pläne, Herr Minister Groschek, sind mittlerweile zu einem Phantom geworden. Aber Phantomen hinterherzujagen, ist eher eine Aufgabe für James Bond. Von einem Verkehrsminister erwarten wir da schon mehr. Daher wollen wir heute von Ihnen einmal Konkretes wissen. Wir bitten Sie um Ihre Haltung zu folgenden beiden vom Bund vorgeschlagenen ÖPP-Projekten: Erstens zum sechsspurigen Ausbau der A1 von der Anschlussstelle Münster-Nord bis zum Autobahnkreuz Lotte/Osnabrück auf 41 km Länge und zweitens zum Ausbau der 31 km langen A57-Strecke von Köln nach Moers.

Meine Damen und Herren, schließen möchte ich mit einem Zitat von Seneca: Es ist nicht wenig Zeit, die wir zur Verfügung haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen. – Fünf Jahre wurden bei der Planung von ÖPP-Projekten in diesem Land nicht genutzt. Das kann nicht so weitergehen. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Voussem. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Tüttenberg.

Achim Tüttenberg*) (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Voussem, wenn man Sie so reden hört, hat man den Eindruck, Ihre Politik müsste so überzeugend sein, dass sie von ständigem tosendem Beifall der NRW-Bevölkerung begleitet würde. Sie haben mehrfach das Jahr 2012 angesprochen, haben in dem Zusammenhang allerdings ein Ereignis vergessen, nämlich die Wahlentscheidung der NRW-Bürgerinnen und -Bürger. Ich glaube, damals haben Sie die schlechtesten Wahlergebnisse in der Geschichte dieses Landes eingefahren. Irgendetwas scheint da nicht zusammenzupassen, Herr Kollege Voussem. Möglicherweise liegt es einfach daran, dass Ihre Politik doch nicht so überzeugend ist, wie Sie uns das hier glauben machen wollen.

Im vorliegenden Fall fordern Sie die Erweiterung der beiden Autobahnen. Sie haben die Abschnitte beschrieben, und Sie haben auch die Bedeutung dieser Abschnitte beschrieben. Darin sind wir uns im Übrigen einig. Wir sind uns sicher auch darin einig, dass beide Großprojekte erst einmal für mehrere Jahre erhebliche zusätzliche Staus produzieren werden, bevor es dann zu einer Entlastung kommen wird. Das sollte man den Bürgern auch sagen. In beiden Fällen handelt es sich um wichtige Verkehrsachsen, sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr.

Sie fordern in Ihrem heutigen Antrag, die Landesregierung müsse nun beide Projekte umgehend voranbringen. Okay, aber die Frage ist: Wie geht das denn am schnellsten? Für die A1 liegt doch bis heute der Wirtschaftlichkeitsnachweis dafür noch gar nicht vor, dass ÖPP als Variante die wirtschaftlichere Lösung ist. Das sollte aber die Voraussetzung sein; denn ÖPP kann doch nicht – vielleicht bei dem einen oder anderen Neoliberalen; ich habe Sie jetzt nicht angeguckt; ich habe lediglich in Ihre Richtung geguckt – Selbstzweck sein.

Die Landesregierung hat alle erforderlichen Basisinformationen geliefert. Dennoch liegt der Nachweis nicht vor. Was haben denn Ihre Gespräche mit den entsprechenden CDU/CSU- Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium dazu ergeben, warum das bisher nicht vorliegt? Das muss doch irgendeinen Grund haben.

Bei der A57 hat der Bund nach meinem Wissen noch nicht einmal den Startknopf gedrückt. Dazu konnte man sicherlich etwas in der Zeitung lesen, aber das formale Verfahren ist, soweit ich weiß, noch gar nicht eröffnet worden. Was haben die CDU/CSU-Verantwortlichen denn zu diesem Vorgang und insbesondere zu Ihrem Vorhalt gesagt, dass es doch umgehend schneller gehen soll? Wenn schon, dann bitte nicht trödeln, sondern auch liefern.

Prinzipiell spricht überhaupt nichts gegen ÖPP-Modelle als Variante der bisherigen Realisierung über den Landesbetrieb.

(Klaus Voussem [CDU]: Aha! – Dietmar Schulz [PIRATEN]: So, so! Das ist ja interessant!)

Es kann ein interessantes Instrument sein, das allerdings einer intensiven Prüfung zugänglich sein muss. In jedem Einzelfall muss es, unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen, wirtschaftlicher sein. Ob es dann auch schneller ist, wird man sehen. Die Erfahrungen zeigen allerdings, dass es da große Probleme gibt.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Wir hatten eine sehr interessante Expertenanhörung im Ausschuss, und jedermann, der daran teilgenommen hat, weiß doch, dass der Nutzen von ÖPP sehr differenziert zu bewerten ist. Ich habe zum Beispiel aus der Anhörung mitgenommen, dass es offensichtlich in Deutschland im Bundesfernstraßenbau noch nicht ein einziges ÖPP-Modell gibt, das endabgerechnet ist, das sozusagen schlussevaluiert ist, sodass man wirklich sagen kann: Es war besser, es war schneller, es war wirtschaftlicher, es war sinnvoller. Das wäre aber doch der Erfolgsnachweis.

Es kann bisher niemand nachvollziehbar belegen, dass solche Modelle günstiger für den Steuerzahler – und darauf kommt es letztlich an – zu realisieren sind. Selbst im Mutterland von ÖPP, in dem es PPP heißt, ist der Boom vorbei. Ein Bericht des britischen Unterhauses hat aufgelistet, dass solche Projekte den Staat doch am Ende überwiegend teurer gekommen sind als die konventionelle Realisierung.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Das befürchtet im Übrigen auch der Bundesrechnungshof. Insofern ist es eigentlich nur blanke Polemik, dass Sie der Landesregierung jetzt eine fundamentale Verweigerungshaltung zuordnen wollen. Im Gegenteil: Es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Landesregierung, auch vor den Tücken, sprich den finanziellen Risiken von ÖPP-Modellen zu warnen und sehr genau hinzusehen.

Es macht deswegen auch keinen Sinn, dass Sie jetzt so tun, als sei „Privat vor Staat“ – und genau das steckt dahinter – auch im Straßenbau das Erfolgsmodell. Insoweit haben Sie in Ihrem Antrag kein einziges Argument geliefert. Es ist blanke Ideologie, und zwar eine, die schon einmal in NRW gescheitert ist.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den Grünen)

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eines sagen: Wenn Sie wirklich schnellstmöglich mit der Erweiterung der A 1 beginnen wollen, dann schauen Sie sich doch einmal den ersten Bauabschnitt bei Münster an, der schon baureif ist. Der Landesbetrieb könnte dort sofort oder – um es in Ihrem Jargon auszudrücken – umgehend loslegen, wenn der Bund nicht auf der ÖPP-Bremse stehen würde. ÖPP wollen nämlich nur alle Bauabschnitte zusammen realisieren, weil nur das für Private lukrativ ist. ÖPP verhindert insofern sogar einen schnellen Beginn des ersten Bauabschnittes der A1. Auch deshalb ist Ihr Antrag untauglich. Je schneller er abgehakt wird – insofern sind wir dankbar, dass wir ihn nicht in den Ausschuss verweisen –, desto besser für die Sache. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Tüttenberg. – Für die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Voussem, Sie haben recht: Die CDU hat hier zum wiederholten Mal ÖPP zum Thema gemacht. Es gab bereits im Mai einen Plenarantrag zu diesem Thema, den wir jedoch ohne Debatte in den Ausschuss vertagt haben. Anschließend haben wir Anfang September eine große Anhörung im Ausschuss dazu gemacht. Diese ist bis heute noch nicht ausgewertet.

Vor diesem Hintergrund kann man fragen: Warum legen Sie jetzt noch einmal nach? Warum wieder ein Antrag? Woher kommt der Druck? Dekliniert man einmal sachlich diese beiden Projekte durch, dann hat der Kollege Tüttenberg genau die richtigen Dinge dazu gesagt. Zu der A1 liegt noch nicht einmal der abschließende Wirtschaftlichkeitsnachweis vor. Das heißt, das Land ist – schließlich ist der Bund Baulastträger der A1 – insofern nur mittelbar beteiligt, als projektspezifische Informationen an den Bund weitergegeben werden und dann in der Wirtschaftlichkeitsfrage entschieden wird, ob man einen privaten oder einen öffentlichen Investor vorsieht. Es gibt noch keine abschließende Wirtschaftlichkeitsbewertung dazu. In dieser Hinsicht müsste der Bund entsprechen aktiv werden.

Für die A57 gibt es bisher noch überhaupt keine Vorprüfung vonseiten des Bundesministeriums. Das Land ist hier noch gar nicht angefragt worden. Das heißt, wenn man sich den Antrag im Original anguckt, muss man doch ganz klar sagen: Anlass verfehlt. Sechs, setzen. Ablehnen. Denn zu den beiden Projekten, die Sie uns jetzt ins Stammbuch schreiben wollen, hat das von Ihrer Fraktionsgemeinschaft geführte Bundesministerium noch keine entsprechenden Vorarbeiten geliefert.

Wir streiten nicht darum, ob diese beiden Projekte verkehrlich Sinn machen. Sowohl der Ausbau der A1 als auch der Ausbau der A57 machen verkehrlich in jedem Fall Sinn. Aber Sie hätten uns in Ihrer Rede einmal erklären müssen, wie es funktionieren soll, dass das Land den Vorgang jetzt an einem Punkt beschleunigen soll, an dem der Bund nicht beschleunigt. Das ist die sachliche Frage bei der A57 und bei der A1.

Jetzt reden wir einmal grundsätzlich. Wir haben die Anhörung zu ÖPP durchgeführt. Ich weiß nicht, wem Sie da zugehört haben. Ich habe auf jeden Fall intensiv den Ausführungen zu dem Bericht des Bundesrechnungshofs gelauscht. Daraus würde ich gerne – mit Erlaubnis der Präsidentin – zitieren. In dem Gutachten des Bundesrechnungshofs aus dem Jahre 2013 zur Frage von ÖPP im Fernstraßenbau heißt es:

„Im Ergebnis sind alle bisherigen ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau unwirtschaftlich. Einzelprojekte waren bis zu 46 % teurer als bei einer konventionellen Bereitstellung von Infrastruktur durch die öffentliche Hand.“

Ich würde das gerne noch mit Zahlen untermauern; die sind ja vom Bundesrechnungshof zugeliefert worden.

ÖPP-Projekt A8 Augsburg–München: zusätzliche Mehrkosten für die öffentliche Hand 420 Millionen €.

A1 Bremen–Buchholz: zusätzliche Mehrkosten für die öffentliche Hand 633 Millionen €.

A8 Bauprojekt Ulm–Augsburg: zusätzliche Mehrkosten für die öffentliche Hand 600 Millionen €.

A9 Landesgrenze Hessen–Thüringen: zusätzliche Mehrkosten für die öffentliche Hand 62 Millionen €.

Bei einer Partei, die angeblich unsere Finanzen schützen will – das Land soll entsprechend einsparen und die Schuldengrenze einhalten –, darf man doch mal die Frage stellen: Warum stellen Sie einen solchen Antrag, wenn Sie wissen, dass die öffentliche Hand bei Bauprojekten entsprechend drauflegt?

(Zuruf von Hendrik Schmitz [CDU])

Ich werde Ihnen die Antwort geben: weil bei ÖPP-Projekten genau Ihre Klientel bedient wird – Großkonzerne, Anleger, große Versicherungen, große Baukonzerne.

(Zuruf von Klaus Voussem [CDU])

Das Projekt auf der A7, das Sie als angeblich positives Referenzmodell in den Antrag geschrieben haben, ist erst Ende 2014 überhaupt in Bau gegangen und soll bis Ende 2018 fertiggestellt werden. Sie stellen uns ein Projekt als positiven Referenzrahmen vor, das noch nicht einmal durchgeführt und auch nicht abgerechnet worden ist.

Da stellt man sich doch die Frage: Warum machen Sie das? Die Antwort lautet: weil Großversicherer wie beispielsweise AXA beteiligt sind, HOCHTIEF etc. Diesen Unternehmen wollen Sie vor der öffentlichen Hand eine privilegierte Stellung einräumen. Ich sage Ihnen ganz klar: Das ist mit dieser Landesregierung, mit Grünen und SPD nicht zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Unser Ziel ist eindeutig: An manchen Stellen brauchen wir einen Ausbau und insbesondere den Erhalt unserer Infrastruktur. Aber wir wollen das in einem möglichst günstigen Rahmen hinbekommen und vor allen Dingen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor solchen Anlageprojekten schützen, die die nächsten Generationen zu bezahlen haben. Dafür gibt es viele gute Belege.

Ich muss ganz klar sagen: Dass Sie das hier mehrfach zum Thema machen, ist ein Beleg dafür, dass Sie entweder auf beiden Augen blind sind und eine verkehrspolitische Geisterfahrt machen oder dass Sie Unternehmen begünstigen und den Steuerzahler schröpfen wollen. All das wird nicht unsere Unterstützung finden. Wir lehnen Ihren Antrag glasklar ab. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Rasche.

Christof Rasche (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen in Nordrhein-Westfalen zahlreiche Infrastrukturprojekte im Verkehrsbereich voranbringen, egal auf welchem Weg, was die Finanzierung betrifft, und zwar bei Sanierung und Neubau. Wir brauchen beides.

Wie ist die aktuelle Situation? – Ich schaue kurz auf den Bund. Kurt Bodewig hat für die 16 Verkehrsminister im Jahr 2013 gesagt: Wir haben einen Sanierungsstau in einer Größenordnung von 40 Milliarden €. In dieser Woche hat er ergänzt: Da die Große Koalition im Bund zu wenig gemacht hat, beläuft sich der Sanierungsstau aktuell auf 45 Milliarden €.– Innerhalb von zwei Jahren sind schon 5 Milliarden € hinzugekommen. Das zeigt ganz deutlich, wie notwendig es ist, dass wir in diesem Bereich endlich bedarfsgerecht handeln.

(Beifall von Klaus Voussem [CDU])

Wie ist die Situation im Land? – Auch hier haben wir einen unglaublich großen Sanierungsstau; deswegen müssen wir sanieren. Aber wir haben in vielen Bereichen der Verkehrsinfrastruktur – Straße und Schiene – bereits jetzt die Kapazitätsgrenzen erreichen. Heute Morgen gegen 7:30 Uhr – ich weiß nicht, ob Sie auch im Stau gestanden haben – staute sich der Verkehr in rund 50 Staus auf 250 km Länge alleine in Nordrhein-Westfalen. In vielen Bereichen sind die Kapazitätsgrenzen erreicht. Deshalb müssen wir nicht nur sanieren, sondern auch ausbauen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Und jetzt mal zum Thema!)

Die jetzige Verkehrsinfrastruktur ist den Verkehrszuwächsen, die auf uns zukommen und unbestritten sind, überhaupt nicht gewachsen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Jetzt mal zum Thema, Herr Rasche!)

Alle drei Punkte führen dazu – ich fasse es noch einmal zusammen –: Wir müssen dringend sanieren, und wir müssen dringend ausbauen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dann ist es die verdammte Pflicht des Ministers, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Situation in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Dazu gehören vielleicht auch staatliche Bauprojekte. Herr Tüttenberg hat suggeriert, die seien vom finanziellen Ergebnis her immer besser als Projekte, die in privater Projektsteuerung ausgeführt würden. Schauen Sie sich doch einmal das SPD-Projekt „Berliner Flughafen“ an. Wird der Kostenrahmen da eingehalten?

(Jochen Ott [SPD]: Ah!)

Da ist genau das Gegenteil der Fall. Wenn wir uns immer nur gegenseitig einseitig etwas vormachen, werden wir für Nordrhein-Westfalen überhaupt nichts voranbringen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Das SPD-Projekt „Flughafen“?)

ÖPP ist eine weitere Möglichkeit, um Projekte voranzubringen. Viele Experten haben gesagt, es geht auf jeden Fall schneller. Viele Experten haben gesagt, dass der Kostenrahmen bei bisherigen Bauabschnitten, Herr Tüttenberg, besser eingehalten wird als bei staatlichen Projekten, auch wenn – da hat Herr Klocke recht – die Kostenvorgaben nicht in Gänze eingehalten worden sind. Aber das ist ja leider bei fast jedem Projekt der Fall, egal ob die Steuerung vom Staat oder von der privaten Hand gemanagt wird. Die Ergebnisse sind auf jeden Fall gut.

Das ist doch der springende Punkt. Es gibt für Nordrhein-Westfalen zusätzliche Mittel für den Fernstraßenbau. Wir wären doch bescheuert, wenn wir diese zusätzlichen Mittel nicht nutzen würden, nur weil es einzelne Politiker, Koalitionäre von SPD und Grünen, nicht wollen. Das ist genau das Gegenteil dessen, was dem Land Nordrhein-Westfalen guttut. Mit dieser Politik fügen Sie dem Land Nordrhein-Westfalen Schaden zu.

(Beifall von der FDP – Arndt Klocke [GRÜNE]: Schaden tun Sie bei den Steuergeldern!)

Andere Bundesländer haben auch aufgeräumt mit dem Gerücht, Mittelständler würden bei der ÖPP-Systematik immer benachteiligt.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ja, so ist es doch!)

Niedersachsen und Schleswig-Holstein machen es in mehreren Beispielen vor.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Beispiele nennen!)

Der Mittelstand findet dort sehr gut statt und ist mit der Auftragsvergabe und mit der Beteiligung zufrieden.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Nenn doch mal die Beispiele!)

Es wird immer wieder angeführt, dass betriebswirtschaftliche Ergebnisse ÖPP negativ darstellen. Das ist umstritten, wir haben das in der Anhörung erfahren. Herr Klocke hat recht, die Anhörung ist noch nicht ausgewertet.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Bundesrechnungshof!)

Aber neben den betriebswirtschaftlichen Ergebnissen sind doch die volkswirtschaftlichen Ergebnisse genauso wichtig. Die sind bei all den bisher durchgeführten Maßnahmen völlig unbestritten. Die sind gut. Deswegen dürfen wir uns nicht nur betriebswirtschaftlich orientieren, sondern bitte, lieber Kollege Ott, auch volkswirtschaftlich.

(Jochen Ott [SPD]: Dass die FDP das macht, ist wirklich historisch: nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern volkswirtschaftlich denken! Das ist interessant! Das ist neu!)

– Lieber Herr Ott, seien Sie froh, dass Sie noch hier im Landtag sitzen und die Wahl in Köln verloren haben. Dann können Sie noch viel Historisches erleben.

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Wenn du nicht mehr weiter weißt, musst du beleidigen!)

Meine Damen und Herren, abschließend: Der Minister hat ja schon dazugelernt. Er hat den Abbau von Ingenieurstellen gestoppt, den die Regierung Kraft nach 2010 fortgesetzt hat. Es war ja sowieso schon eine ganz besondere Art von Glaubwürdigkeit, auf der einen Seite den Abbau unter Schwarz-Gelb zu kritisieren und auf der anderen Seite aber noch drei Jahre weiter abzubauen. Das ist das erste Ergebnis von gutem Lernen.

Das zweite Ergebnis: Nach vielen Jahren der Diskussion darf jetzt auch die DEGES für Nordrhein-Westfalen arbeiten. Das ist ein hervorragendes Ergebnis, etwas zu spät, aber gut.

Ich sage Ihnen voraus: Auch bei ÖPP-Projekten wird der Minister nochmals dazulernen und den Mut haben, die eigenen Kollegen aus der Koalition davon zu überzeugen, …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Christof Rasche (FDP): … auch diese Art von Projekt in Nordrhein-Westfalen anzuwenden, damit wir unser gemeinsames Ziel erreichen, die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen bedarfsgerecht auszubauen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Alles schöngeredet!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Kollege Fricke.

Stefan Fricke*) (PIRATEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die CDU gefällt sich ein weiteres Mal darin, das hohe Lied der sogenannten Öffentlich-Privaten-Partnerschaft zu singen, und sie will Autobahnen. Hätten wir nicht gerade erst eine Anhörung zu dem Thema durchgeführt, ich würde denken, die CDU weiß es halt nicht besser. Aber nach der Anhörung müsste sogar die CDU begriffen haben: ÖPP bietet keinen natürlichen Vorteil gegenüber konventioneller Vergabe. Nur solche Organisationen, die von ÖPP profitieren, können Vorteile erkennen. Was für eine Überraschung! Alle anderen Organisationen können dem nichts abgewinnen.

Es gibt so viele Kritikpunkte, dass ich bisher davon ausgegangen bin, dass selbst die strukturkonservative CDU-Fraktion diese nicht einfach ignorieren kann. Aber doch! Sie kann es. Sie bedient routiniert die Interessen einer kleinen Gruppe von Profiteuren und opfert dabei den gesunden Menschenverstand und die politische Sauberkeit auf dem Altar privatwirtschaftlicher Interessen.

Um es kurz zu machen: ÖPP-Projekte kommen die Bürger teuer zu stehen. Sie bieten weder höhere Kostensicherheit noch höhere Planungssicherheit als konventionell betriebene Infrastrukturprojekte.

Dass die öffentliche Hand ein Liquiditätsproblem hat, das sie beinahe nötigt, auf privates Kapital zurückzugreifen, das hat nichts mit irgendwelchen Vorteilen von ÖPP zu tun, sondern mit den Ergebnissen der politisch gewollten und durchgesetzten Schuldenbremse und natürlich der über alle Regierungsfarben hinweg betriebenen Steuerentlastung der hohen Einkommen und Vermögen.

Dass dieses so generierte frische Kapital jetzt angesichts schwieriger Anlagebedingungen auf der Suche nach rentierlichen Projekten ist, das liegt auf der Hand. Die CDU macht sich ein weiteres Mal zum Handlanger dieser Clique. Die CDU im Gespann mit der langweiligen FDP macht sich zum Sprachrohr dieser Einzelinteressen, während SPD und Grüne ganz andere politische Prioritäten setzen. So einfach ist es leider nicht.

Es ist schon fast Herrn Groscheks Glücks, dass er von Herrn Dobrindt vorhersehbar genötigt werden wird, die A1 als ÖPP-Projekt durchzusetzen. Das muss er nämlich dann machen und kann weiterhin herausposaunen, dass er das ja eigentlich gar nicht will. In Wirklichkeit hat er schon längst die entlarvende Sprachformel von der unideologischen Einzelfallprüfung gefunden. Die SPD und ihre Minister haben sich schon längst von einer fundamentalen Ablehnung von ÖPP-Projekten verabschiedet. Da braucht man keinen Wolfgang Clement und keinen Peer Steinbrück mehr. Das schafft die aktuelle Landesregierung auch alleine, und die Minister Groschek und Duin müssen sich gar nicht streiten.

Ohne ÖPP leiht sich der Bund auf den Finanzmärkten Geld und baut damit Straßen. Ein ÖPP-Unternehmen steht dann als zusätzliche Instanz dazwischen, die nur weitere Kosten verursacht. Ein Gutachten des Bundesrechnungshofes – also nicht von irgendwem – kam zu dem Schluss, dass die Großprojekte um Milliarden teurer wurden, als sie es bei konventioneller Finanzierung gewesen wären.

Ergo: ÖPP ist eine Verschwendung öffentlicher Mittel. ÖPP ist eine Privatisierung öffentlichen Vermögens. ÖPP ist eine Umgehung der Schuldenbremse durch diejenigen, die sie erst durchgesetzt haben, ein lausiger Buchhaltungstrick zum Schaden des Landes.

Daher lehnen wir den vorliegenden Antrag entschieden ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Fricke. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Groschek.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Lieber Herr Fricke, dass mir noch einmal die Ehre zuteilwird, mit Herrn Clement gleichgesetzt zu werden, hätte ich damals als verfahrensleitender Generalsekretär auch nicht gedacht.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Aber das ist ein Thema für sich.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf)

– Das war auch eine Art PPP.

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Kommen wir zu dem vorliegenden Antrag: Ich habe mir abgewöhnt, wie Don Quijote gegen irgendwelche Windmühlen anzurennen. Deshalb muss ich zur Kenntnis nehmen, dass der amtierende Bundesverkehrsminister ein leidenschaftlicher Verfechter von ÖPP-Projekten ist. Auf jeder Länderverkehrsministerkonferenz wird dieses Lied von ihm intoniert. Da wir Bundesauftragsverwaltung sind, könnte ich strampeln und zetern und sonstige Verrenkungen machen, aber schlussendlich könnte er mich anweisen, wie er den Kollegen Lies in Niedersachsen angewiesen hat. Denn da wird gegen den Willen der Landesregierung ein PPP-Projekt umgesetzt.

Wichtiger als diesen Kampf gegen die Windmühlen zu führen, finde ich, dafür zu sorgen, dass, wenn schon PPP, wenigstens das Maß an Klugheit implantiert wird, was sinnvoll und im nordrhein-westfälischen Interesse ist. In unserem Interesse ist, dass unser herausragend guter Betriebsdienst bei den Autobahnmeistereien, der seine Qualität als einziger mit einer belastbaren Kosten- und Leistungsrechnung belegen kann, eine faire Chance im Wettbewerb bekommt. Mehr will er gar nicht, mehr will ich auch gar nicht. Der Betriebsdienst unseres Landesbetriebes muss die Chance haben, gegen die privaten Instandhalter und Instandsetzer in den Wettbewerb zu gehen. Der bessere soll siegen.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Ich bin sicher, unser Betriebsdienst bleibt dann für die Instandhaltung und Wartung zuständig.

Eine zweite Anmerkung: Wir können darüber reden, wie wir wollen: Strukturell sind die jetzigen PPP-Projekte so angelegt, dass der regionale Mittelstand – vom Bauhauptgewerbe gar nicht zu reden, die sind völlig außen vor – Schwierigkeiten hat, ein PPP-Projekt zu auskömmlichen Bedingungen zu bekommen.

Ich verstehe den Landtag doch gerade durch die immer wiederkehrenden Bekenntnisse als kollektiven Anwalt unseres regionalen Mittelstands.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn wir das sein wollen, dürfen wir nicht nur darüber reden und hier abstimmen, sondern dann müssen wir auch handeln. Und eine Handlungsoption ist eben, Kriterien festzulegen, die dem Mittelstand einen Einstieg zu fairen auskömmlichen Bedingungen ermöglicht. Deshalb finde ich es toll, dass ich mit Hilfe der NRW.BANK und anderer in einem auf Konsens und Heilung angelegten Therapieprozess dazu gekommen bin, dass Bauindustrie und mittelständische Bauwirtschaft sich verständigt haben und sogar das Bauhauptgewerbe sagt: Unter diesen Rahmenbedingungen können wir uns vorstellen, dass es für uns leichter wird.

Das will ich jetzt noch einmal abschließend erörtern. Ich bin gerne bereit, im Ausschuss die Überlegungen vorzustellen, die wir gemeinsam verabredet haben.

Jetzt zu den konkreten PPP-Projekten: Herr Voussem, Sie müssen wissen, dass ich kurz nach Amtsantritt dem Bundesverkehrsminister – damals noch Herrn Ramsauer – zugesagt habe: Sie bekommen alle Unterlagen, um die Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellen zu können. – Ich bin davon überzeugt, dass es schwierig sein wird, einen wirtschaftlichen, einen finanziellen Vorteil für den Steuerzahler zu konstruieren. Wir haben die Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht. Wir haben nur Hinweise, dass es angeblich wirtschaftlicher sei. Ich weiß aber, dass daran Zweifel bestehen müssen. Warum? – Weil wir die Landesrechnungshöfe und den Bundesrechnungshof haben und weil wir die Argumentation von Herrn Dobrindt haben, dass PPP kein Finanzierungsinstrument sei, sondern ein Beschaffungsinstrument. Dann rechnet er ähnlich wie der Kollege Rasche und sagt: Rechnerisch stellt sich das vielleicht so dar, wie die Landesrechnungshöfe und der Bundesrechnungshof es sagen, aber der volkswirtschaftliche Vorteil durch vorzeitiges Beschaffen ist so groß, dass die rechnerischen Nachteile vernachlässigt werden können. – Das sind natürlich Mengenlehrengerüste, die eigentlich den Protest von Herrn Schemmer auf den Plan rufen müssten.

Ich wundere mich über Ihr Schweigen, Herr Kollege Schemmer, aber wir werden andere Gelegenheiten finden, um uns über PPP auszutauschen.

(Zurufe von der CDU)

Wir werden die A1 dreispurig in beide Richtungen ausbauen. Wir werden den Lückenschluss hinbekommen. Sie sind alle eingeladen, bei den Spatenstichen und Verkehrsfreigaben dabei zu sein.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 6.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der CDU hat direkte Abstimmung beantragt. Wer also dem Inhalt des Antrages Drucksache 16/10065 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU- und FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 16/10065 der CDU-Fraktion abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6. Wir kommen zu:

7   Unbürokratische Rückmeldung bei Lehrgängen zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen bis 2017 sicherstellen – Nachsteuerungsbedarfe prüfen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10078

Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion hat Frau Kollegin Schmitz das Wort.

Ingola Schmitz*) (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um ein sehr wichtiges Thema, für das wir aus Sicht der FDP ein unbürokratisches Vorgehen benötigen.

Wir alle wissen, wie wichtig der Erwerb von Schulabschlüssen für junge Menschen ist, damit der Eintritt in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ermöglicht wird. Daher stellt die zweite Chance, der nachträgliche Erwerb von Abschlüssen, eine wichtige Maßnahme dar. Umso wichtiger ist daher ein zentraler Überblick, wie erfolgreich diese Maßnahmen sind und ob gegebenenfalls Nachsteuerungsbedarfe bestehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie zum Beispiel an Weiterbildungskollegs bestehen an vielen Weiterbildungseinrichtungen, insbesondere an Volkshochschulen, solche Möglichkeiten zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen. Unterschiedliche Anbieter sind auch deshalb wichtig, weil sie erreichbare Angebote sichern.

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage aus der FDP-Fraktion hat die Landesregierung nun erklärt, dass ihr de facto keine belastbaren Zahlen zu Veranstaltungen, zu Teilnehmern noch differenziert nach Art des Abschlusses der Prüfungen vorliegen. Dies sei eine Folge der Abschaffung der Berichtspflicht in der Weiterbildung im Jahre 2000.

Ich denke, dass sich alle Fraktionen einig sind, dass diese damals von den im Landtag vertretenen Parteien getroffenen Entscheidungen nicht klug war. Gut gemeint, aber letztlich nicht zielführend.

Da heute alle Fraktionen die Etablierung eines schlanken online-gestützten Berichtswesens unterstützen, braucht man sich meines Erachtens auch nicht ausgiebig mit dieser Vergangenheit zu beschäftigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um das Hier und Heute. Ein solches schlankes Berichtswesen soll 2017 entsprechende Daten liefern. Aber aus Sicht der FDP können nicht zwei weitere Jahre sozusagen im Blindflug vergehen, bis erste Daten vorliegen. Dafür ist die Nachfrage für das Nachholen von Schulabschlüssen zu wichtig.

(Beifall von der FDP)

Das zeigt sich nicht nur daran, dass zuletzt die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss angestiegen ist. Wir und vermutlich auch andere Fraktionen haben ebenfalls die Rückmeldung erhalten, dass in einzelnen Kreisen das Angebot im Vergleich zur Nachfrage nicht ausreichend scheint. Dies mag in anderen Regionen entgegengesetzt sein. Das wissen wir aber aufgrund fehlender Daten nicht.

Ein Zustand, wo kein richtiger Überblick über Teilnehmer, Erfolge, mögliche Probleme und Kosten besteht, ist für zwei Jahre nicht sinnvoll. Es besteht hierbei nicht nur kein vernünftiges Controlling. Vor allen Dingen wissen wir gar nicht, ob zum Beispiel allen Wünschen zum Eintritt in einen solchen Lehrgang entsprochen werden kann.

Die Antwort des Ministeriums, dass hier zu den letzten fünf Jahren keine Aussagen gemacht werden könnten, ist unbefriedigend: für jeden Bildungspolitiker, das Ministerium und die Träger gleichermaßen. Daher sollte sich das Ministerium auf ein unbürokratisches Verfahren mit betroffenen Weiterbildungsträgern verständigen. Da entsprechende Grunddaten vermutlich an vielen Weiterbildungseinrichtungen vorliegen dürften, könnten diese im Ministerium ausgewertet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, letztlich müssen auch die Weiterbildungseinrichtungen an einem solch schlanken Verfahren für einen Übergangszeitraum Interesse haben. Nur so lässt sich eruieren, ob kurzfristige Nachsteuerungsbedarfe bestehen, und wenn ja, welche. Schulabschlüsse und zweite Chancen sind zu wichtig, als dass nicht alle Beteiligten zu einem kurzfristigen, unbürokratischen Handeln bereit sein sollten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Stotz das Wort.

Marlies Stotz*) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einigermaßen irritiert bin ich über den FDP-Antrag mit der Forderung nach einer, wie Sie es nennen, unbürokratischen Rückmeldung über die Lehrgänge zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen bis 2017.

Als Absolventin eines Weiterbildungskollegs, bei dem ich mein Abitur abgelegt habe, muss ich wohl nicht betonen, wie wichtig mir persönlich dieser Bereich ist. Auch unserer Fraktion liegt das Nachholen von Schulabschlüssen sehr am Herzen. Dennoch ist dieser Antrag für uns zeitlich völlig unpassend und aus meiner Sicht inhaltlich völlig überflüssig. Wenn wir uns die weiterbildungspolitische Diskussion in der laufenden Legislaturperiode einmal vor Augen halten, fragt man sich doch allen Ernstes – frei nach Grönemeyer –: Was soll das? Im Ernst: Was bezweckt die FDP mit diesem Antrag?

Nachdem die Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren mehrfach wissenschaftlich evaluiert worden ist – zuletzt durch das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung –, hat es mit allen an der Weiterbildung Beteiligten einen ausführlichen Diskussionsprozess darüber gegeben, wie unser Weiterbildungssystem bedarfsgerecht und qualitätsvoll weiterentwickelt werden kann.

Eine wichtige Empfehlung dieses Prozesses war unter anderem, ein aussagekräftiges und zugleich schlankes Berichtswesen zu entwickeln und im Land zu etablieren. Wir waren uns fraktionsübergreifend einig darüber, dass das zu entwickelnde Berichtswesen mit möglichst wenig Aufwand von den Weiterbildungseinrichtungen im Land flächendeckend bedient werden soll.

Im Anschluss an die Weiterbildungskonferenz, an der mehr als 50 Gruppierungen aus der Weiterbildung – Verbände, Gewerkschaften, kommunale Vertretungen und andere wichtige Institutionen – teilgenommen haben, wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe des Ministeriums für Schule und Weiterbildung und des Gesprächskreises für Landesorganisationen der gemeinwohlorientierten Weiterbildung einberufen und sodann ein Vorschlag für ein ebenso schlankes wie transparentes Berichtswesen erarbeitet.

Dies ist inzwischen landesweit in einem ersten Durchlauf erprobt worden. Vor der endgültigen Etablierung dieses Berichtswesens soll es einen zweiten Durchlauf im kommenden Jahr, also 2016, geben, um den Aufwand für die Einrichtungen so gering wie möglich zu halten und eventuelle Schwachpunkte für die zukünftige Handhabung möglichst zu minimieren. Danach soll 2017, also in knapp einem Jahr, die Einführung erfolgen. So ist es vereinbart.

Genau zu diesem Zeitpunkt fordert die FDP nun eine zusätzliche Rückmeldung der Einrichtungen über die Angebote bei den nachholenden Schulabschlüssen. Dafür fehlt mir und meiner Fraktion jedes Verständnis. Mitten im laufenden Verfahren, das – ich betone es noch einmal – mit allen Beteiligten so verabredet worden war, sollen die Einrichtungen, die ohnehin durch die aktuell wirklich angespannte Situation im Hinblick auf die Integrationsaufgaben bei Flüchtlingen am Limit arbeiten, zusätzliche Berichte liefern, wenn es nach dem Willen der FDP geht.

Apropos Integration: Die Herausforderungen in Bezug auf die Flüchtlinge sind natürlich für die Weiterbildung enorm. Da sind wir uns sicher einig. Aber anstatt ein Mehr an Bürokratie loszutreten, haben wir gemeinsam mit der rot-grünen Landesregierung dafür gesorgt, dass in diesem Jahr und im kommenden Jahr zusätzliche Mittel für Integrationsaufgaben zur Verfügung gestellt werden.

Die FDP fordert stattdessen mehr bürokratischen Aufwand. Das ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar. Wir halten den eingeschlagenen Weg der onlinegestützten Datenerhebung und der damit vereinbarten Erprobung für richtig und werden den Einrichtungen nicht noch mehr Bürokratie aufbürden. Das ist aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt eine Zumutung.

Was für Politikverständnis der FDP verbirgt sich eigentlich dahinter? Waren die Bekenntnisse von Ihnen, Frau Schmitz, bei den Empfehlungen zu der Weiterbildungskonferenz denn nicht ernst gemeint? Sie selber haben, wie die anderen Fraktionen hier im Hause auch, in der Debatte über die Empfehlungen aus der Weiterbildungskonferenz im Frühjahr 2013 für ein schlankes Berichtswesen plädiert. Heute verlangen Sie von den Einrichtungen weiteren bürokratischen Aufwand. Damit gefährden Sie meines Erachtens den gemeinsam verabredeten Prozess.

Meine Fraktion wird dies nicht unterstützen. Wir halten uns an den vereinbarten Weg und freuen uns, wenn wir gemeinsam mit den Einrichtungen und dem Ministerium am Ende des Prozesses ein aussagekräftiges Berichtswesen etablieren werden, das allen gerecht wird und uns, der Politik, wichtige Hinweise für die künftige Steuerung und Entwicklung der Weiterbildung in unserem Land liefert.

Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir heute zu, wobei es mich allerdings wundert, dass Sie überhaupt noch eine Runde durch den Ausschuss drehen wollen; denn Sie haben es ja so eilig, an die Daten zu kommen. Das bedeutet doch eine weitere Zeitverzögerung. Wir stimmen der Überweisung zwar zu, weil das hier im Hause üblich ist. Aber ansonsten werden wir Ihnen nicht folgen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Stotz. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Post.

Norbert Post*) (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2012 wurde von der Weiterbildungskonferenz beschlossen, dass es eine solche Erhebung geben soll. 2017 wird sie schon fertig sein. Ich finde, das ist äußerst langfristig gedacht.

Gerade die Einrichtungen der Weiterbildung erklären uns alle, dass die Nachfrage nach Lehrgängen zur Vorbereitung auf die Prüfung zum Erwerb eines Schulabschlusses ungebremst stärker geworden ist. Das ist gut und richtig, vor allem, wenn man weiß, dass noch immer zigtausend junge Leute mit einem unzureichenden oder ohne Schulabschluss auf Arbeits- und Ausbildungssuche sind. Sie bekommen von uns dauernd erklärt, Abschlüsse seien die Grundlage, um überhaupt in die Ausbildung und in die Arbeit zu gelangen. Die jungen Menschen werden von den Betrieben und den Medien ständig darauf hingewiesen.

Die Weiterbildungseinrichtungen ermöglichen es als Institutionen, die diese Lehrgänge anbieten, solche Abschlüsse zu schaffen. Sie müssen das nachholen, was in der Regelschule zum Teil nicht möglich war. Laut Antwort des Ministeriums auf die eben zitierte Kleine Anfrage bieten 90 Volkshochschulen solche Lehrgänge an. Das Land gibt, wenn ich es richtig sehe, seit 2003 zweckgebunden 5 Millionen € dazu; ESF-Mittel kommen noch obendrauf, ebenso freiwillige kommunale Mittel.

Gerade in Kommunen mit hoher Arbeitslosigkeit besteht jedoch kaum die Chance, diese freiwilligen Leistungen obendrauf zu geben, also kommunale Mittel in diese Lehrgänge einzuspeisen. Auch dafür wäre es nötig, möglichst schnell Ergebnisse zu erzielen, möglichst schnell Zahlen zu erhalten, aufgrund derer das Land diese Weiterbildungs- und Ausbildungslehrgänge zum Erwerb von Schulabschlüssen unterstützen kann.

Die Weiterbildungseinrichtungen machen deutlich, dass mit der steigenden Nachfrage die Mittel, die jetzt zur Verfügung stehen, nicht reichen werden. Aber das ist noch nicht alles. Derzeit kommen sehr viele Menschen ins Land – egal ob mit Deutschkenntnissen oder ohne Deutschkenntnisse –, von denen einige nur über unzureichende Schulabschlüsse verfügen. Diese Abschlüsse sind nachzuholen. Auch dafür müssen Lehrgänge angeboten werden. Auch deshalb wird jetzt dieser Antrag gestellt.

Es geht nicht darum, in irgendeiner Form eine nochmalige Abfrage zu fordern – so habe ich die FDP auch nicht verstanden –, sondern es geht darum, den gesamten Vorgang zu beschleunigen, damit wir schneller an vernünftige Zahlen kommen und die Kommunen entsprechend bezuschussen können.

Der Zeitraum von 2012 bis 2017 ist ziemlich lang. Ermöglichen Sie es den Kommunen und damit den Weiterbildungseinrichtungen, die Lehrgänge auf der Basis einer ausreichenden Finanzierung anzubieten, und beschleunigen Sie den Vorgang. Mehr wollen wir nicht. Das wäre aber schon ganz viel. – Danke.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Post. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Zentis.

Gudrun Zentis*) (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu diesem Antrag kann ich nur sagen: Was für ein Aktionismus! Welcher Zweck, welcher Sinn und welches Ziel werden damit verfolgt?

Wir haben die Dinge gemeinsam auf den Weg gebracht. Sie sollten die Erkenntnisse über den Weg und den Verlauf haben. Bisher waren wir jedenfalls im Hinblick auf die Qualität der Anträge der FDP im Bildungsbereich etwas anderes gewohnt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben gerade das Berichtswesen auf den Weg gebracht. Das war nicht so leicht, wie Sie den Diskussionen entnehmen können. Wir wissen das auch von vielen Beteiligten. Da meine ich insbesondere die Träger der Weiterbildungseinrichtungen.

Ihr Antrag sieht vor, dass jetzt so nebenbei mal eben ganz unbürokratisch Daten erhoben werden sollen, um Nachsteuerungsbedarfe – die ich nicht ausschließen möchte – festzustellen.

Wir haben gerade allen Weiterbildungsträgern mit dem neuen einheitlichen Berichtswesen Mehrarbeit verschafft und damit den Beschluss der Weiterbildungskonferenz von Ende 2012 umgesetzt. In diesem Jahr erfolgte ein Probelauf, und ein weiterer validierter Probelauf wird 2016 erfolgen, damit das Ganze dann 2017 endgültig fehlerfrei an den Start gehen kann.

Sie wissen, dass die Weiterbildung einen Vorlauf benötigt. Kurse, die aktuell laufen, sind nicht erst gestern geplant und vorbereitet worden. Sie erscheinen heute als Kursangebot, frisch auf den Markt gekommen, haben jedoch eine lange Vorbereitungsphase.

Das, was Sie hier wollen, entspricht nicht den Botschaften, die ich von den verschiedenen Weiterbildungsträgern erhalten habe. Sie wollen nicht mal eben zwischendurch einen Teil der Leistungen ins Bild setzen und beurteilen. So, wie ich die in der Weiterbildung Tätigen verstanden habe und kenne, wollen sie vielmehr ein gründliches Bild der Gesamtleistung erhalten und dann erst die Bewertung vornehmen.

Was wollen Sie mit Ihrem Antrag? Soll er zur Erstellung eines Rankings dienen? Das wollen wir nicht. Und welchen Eindruck wollen Sie hinterlassen?

Ich denke, wir sollten zuversichtlich das Jahr 2017 abwarten. Dann schauen wir uns, ob und wo ein Nachsteuerungsbedarf besteht. Danach handeln wir bewusst und nicht intuitiv.

Wir sind nicht daran interessiert, eine Außenwirkung zu erzielen, die ungerechtfertigt brandmarkt. Ich denke, wir werden mit dem Berichtswesen feststellen, dass die Weiterbildungsträger, beispielsweise in Aachen und der StädteRegion, eine hervorragende Arbeit leisten – innovativ und qualitätsbewusst.

Ein Vergleich stimmt nur dann, wenn die zugrunde liegenden Voraussetzungen auch gleich sind. Wie wollen Sie denn den Erfolg oder Misserfolg beim nachträglichen Erwerb von Abschlüssen zwischen den jeweiligen Bildungsträgern vergleichen, wenn Sie nicht genau wissen, wie die Ausgangslage war?

Gerne werden wir mit Ihnen im Ausschuss aber über die zum Teil sehr mühsame und besondere Arbeit derjenigen beraten, die es schaffen, Menschen nachträglich den Erwerb von Schulabschlüssen zu ermöglichen, die vielleicht zuvor aus unterschiedlichen Gründen in unserem Bildungssystem gescheitert sind. Es ist uns eine Herzensangelegenheit, dass alle Menschen in unserer Republik einen Schulabschluss erreichen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen die Weiterbildungseinrichtungen auch für die Hilfestellungen, die jetzt in der besonderen Situation notwendig sind. Gerade die Weiterbildung mit ihren vielfältigen Bildungsangeboten eignet sich zum Erwerb von Qualifikationen. Dieser Aufgabe stellt sich die Weiterbildung. Das kann sie wie keine andere Einrichtung in unserem Bildungssystem außerhalb der Schulpflicht umsetzen.

Falls Sie nach den Beratungen im Ausschuss zu dem Schluss kommen, dass Ihr Antrag zweck- und sinnlos sowie ohne erfolgversprechendes Ziel war – Sie haben es in Ihrer Rede selbst so ausgedrückt: gut gemeint, aber nicht zielführend –, dann können Sie den Antrag immer noch zurückziehen. Oder wir müssen ihn leider ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Zentis. – Für die Piraten spricht jetzt Frau Kollegin Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe, glaube ich, noch nie einen Antrag gesehen, der mir so viele Fragezeichen auf die Stirn gezaubert hat wie dieser. Ich habe ihn gelesen und noch einmal gelesen und habe zur Kenntnis genommen, dass – ich weiß das auch – 90 Volkshochschulen und andere Einrichtungen diese Lehrgänge zum nachträglichen Erwerb des Schulabschlusses anbieten und dass das Ganze mit 5 Millionen € vonseiten des Landes unterstützt wird. Das alles ist gut und richtig.

Dann heißt es: „Regionale Rückmeldungen weisen nun auf einen zusätzlichen Handlungsbedarf hin.“ Da ich darüber nicht so recht Bescheid wusste, habe ich gedacht, dass ich einmal nachfragen muss. Also habe ich mich umgehört. Natürlich haben mir viele gesagt: Wir brauchen mehr Geld; die Zahlen steigen. – Kein einziger hat mir gesagt, er wolle jetzt noch einen Bericht schreiben. Das habe ich von niemandem gehört. Wofür brauche ich also den Bericht?

Sie stellen fest, es sei positiv, dass das umfängliche Berichtswesen abgeschafft wurde. Das sehe ich genauso.

Bis 2017 soll ein schlankes, onlinegestütztes und vor allem vergleichbares Berichtswesen geschaffen werden. Ich sehe das so, wie es gerade gesagt wurde: Bis 2017 ist es noch ein Jahr hin. Es sind nicht zwei Jahre. Wir befinden uns jetzt am Ende des Jahres 2015.

Sie möchten nun zeitnah Kenntnis haben. Ich frage mich: Wie stellen Sie sich das vor? Was ist denn ein unbürokratisches Berichtswesen? Was soll jetzt getan werden? Soll eine E-Mail geschrieben werden? Keine Ahnung!

Dann suchen Sie sich einen Teilbereich heraus und sagen: Uns geht es jetzt um die Schulabschlüsse. – Warum gehen Sie her, suchen sich eine Sache heraus und sagen, dass da jetzt alles anders gemacht wird? Wir haben genauso Integrationskurse und Sprachkurse. Da ist es genauso wichtig, abzufragen. Es macht doch keinen Sinn, jetzt an einer Stelle herauszufinden, wie die Zahlen sind.

Was sagen uns denn diese Zahlen überhaupt? Was für eine Halbwertszeit haben sie denn? Wir müssen uns einmal überlegen, wie die Situation hier im Moment ist und was für einen Zuwachs an Leuten wir haben, die Integrations- und Sprachkurse besuchen und Schulabschlüsse anstreben. Was gilt diese Zahl denn noch, wenn sie vorliegt? Dann sieht es doch schon wieder völlig anders aus, was die Bedingungen angeht. Insofern erschließt sich mir das nicht.

Da brauche ich auch keine Prüfung der Zahlen. Meine Damen und Herren, da gucke ich einfach einmal in die Pressemitteilung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, der durch den Zuzug von Flüchtlingen im kommenden Jahr mit 200.000 zusätzlichen Plätzen rechnet. 200.000 zusätzliche Plätze! Da brauche ich nicht mehr zu prüfen. Da weiß ich einfach, dass mehr Geld hineingegeben werden muss. Ich muss nicht noch Zahlen erheben. Jeder Träger wird Ihnen genau sagen können, dass da mehr Geld gebraucht wird.

Es ist sicherlich Aufgabe der Weiterbildung, laut zu schreien und ihre Interessen zu vertreten. Nach meinem Eindruck kann sie das auch ganz gut.

Ich finde, dass es jetzt Aufgabe des Bundes, des Landes und der Kommunen ist, zu schauen: Wie finanzieren wir das? Dann muss der Weiterbildung unter die Arme gegriffen werden, damit sie ordentliche Arbeit leisten kann. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Löhrmann.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es angesichts der bisherigen Beiträge hier sehr kurz machen. Es ist darauf hingewiesen worden, welch immense Leistung die Weiterbildungsträger bzw. die Volkshochschulen hier im Moment erbringen und mit welch großem Engagement sie das machen, um jungen Menschen, die nicht mehr schulpflichtig sind, und Erwachsenen gute Bildungsangebote zu bieten. Dafür sollten wir ihnen ausdrücklich dankbar sein. – Das ist das Erste, was ich noch einmal sagen will.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Zweite, was ich sagen will, ist mir sehr wichtig. Ich gedenke, die Verabredungen einzuhalten, die ich einvernehmlich mit der gesamten Weiterbildungsszene getroffen habe, um hier ein Berichtswesen aufzubauen. Ich werde jetzt im Moment nicht alle Träger mit unnötiger Bürokratie überziehen – für ein Jahr vorab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das finde ich ziemlich absurd. Ich habe mich genauso wie andere gefragt, was dieser Antrag soll. Dass das ausgerechnet von einer Fraktion kommt, die sonst immer „Bürokratieabbau, Bürokratieabbau, Bürokratieabbau“ ruft, zeigt einmal mehr, dass Sie uns hier alle ziemlich ratlos gemacht haben.

Die Landesregierung kann nur empfehlen, diesen Antrag abzulehnen, weil er unnötige Arbeit von engagierten Trägern auslösen würde. Das kann nicht im Sinne der Träger sein. Das kann vor allem nicht im Interesse der Betroffenen sein, die auf diese wichtige Bildungsarbeit angewiesen sind. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Das bleibt auch so.

Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 7, und wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10078 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Die abschließende Abstimmung soll dann dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Möchte sich jemand enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir jetzt so überwiesen.

Ich rufe auf:

8   Erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen NRW und Benelux-Staaten fortsetzen

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/10075

Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion der SPD hat Herr Kollege Münchow das Wort.

Volker Münchow*) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Benelux-Staaten und Nordrhein-Westfalen ist im Kontinent Europa seit vielen Jahren beispielgebend. Beim Besuch des SPD-Arbeitskreises im Oktober dieses Jahres bei der Benelux-Union in Brüssel konnten wir uns davon überzeugen. Nicht zuletzt die ständige Präsenz einer Mitarbeiterin der Staatskanzlei bei der Benelux-Union bringt die Nationalstaaten Belgien, Luxemburg und Niederlande enger mit dem Bundesland Nordrhein-Westfalen zusammen.

Diese Arbeit ist vom Land NRW immer begleitet worden. Mein Dank gilt hier der ehemaligen Ministerin Frau Dr. Angelica Schwall-Düren und ihrem Stab für die ausgezeichnete Arbeit und die enge Zusammenarbeit von NRW und Benelux. Ihrem Nachfolger Franz-Josef Lersch-Mense wünsche ich eine glückliche Hand.

Aber auch hier im Landtag Nordrhein-Westfalen ist das Thema „Benelux“ stark verankert. Ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei Vizepräsident Uhlenberg, der leider heute nicht hier ist – ich bitte die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, ihm diesen Dank zu übermitteln –, für seine Arbeit und bei den Mitgliedern der Parlamentariergruppe NRW-BeNeLux für die engagierte Arbeit in diesem Themenfeld.

NRW und die Benelux-Staaten Belgien, Luxemburg und Niederlande erwirtschaften ein Bruttoinlandsprodukt, das mit dem Bruttoinlandsprodukt von Russland, Kanada oder Italien vergleichbar ist. Hier zeigt sich der Stellenwert dieser Zusammenarbeit in wirtschaftlicher Hinsicht. Auch in Europa mit seinen Investitionen sind diese Länder stark vertreten. Die Euregio gab es zwischen NRW und den Niederlanden in den 50er-Jahren zum ersten Mal.

Neben diesen vielen positiven Aspekten gibt es aber auch weiterhin Bedarf, die Zusammenarbeit zu verbessern oder auch wieder in neuen Schwung zu bringen; denn wir alle wissen, anders als in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren ist für viele Menschen die enge Zusammenarbeit zum Normalfall geworden. Seit Schengen gibt es auch keine Kontrollen an den Grenzen mehr.

Wenn man sich auf einer Weltkarte die Welt von oben anschaut, werden die Randstad, der Wirtschaftsraum Brüssel, die ZARA-Häfen und das Rhein-Ruhr-Gebiet als eine Einheit wahrgenommen – so wie manche Städte in China, deren Namen wir kaum kennen, die aber mehr Einwohner haben als unser Bundesland. Deshalb ist Vernetzung wichtig und nötig, um global zu bestehen. Von Dortmund im Osten des Ruhrgebiets bis Amsterdam im Westen der Randstad sind es gerade einmal 200 km Luftlinie. Aus globaler Sicht ist das keine Entfernung. Beispielsweise sind die ZARA-Häfen Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam für NRW von erheblich größerer Bedeutung als zum Beispiel Hamburg, Bremerhaven oder Emden.

Landtag und Landesregierung und natürlich die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sind gefordert, in Belgien, in Luxemburg und in den Niederlanden die Bürgerinnen und Bürger wieder mehr über die NRW-Benelux-Kooperation zu informieren und die Vorteile der Zusammenarbeit zu erklären. Deswegen möchten wir von der Landesregierung regelmäßig im Ausschuss über die Zusammenarbeit informiert werden, um als Abgeordnete diese Themen in die Fläche zu tragen – getreu dem Motto: Tue Gutes und rede darüber.

Angesichts der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist nach unserer Auffassung eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Sicherung der Arbeitsmobilität vonnöten. Sie ist letztendlich ein wesentlicher Vorteil für die Menschen im Grenzgebiet. Dies gilt es auch für die Arbeitsmärkte zu nutzen und für NRW und für Benelux Vorteile zu generieren; denn auf einem globalen Markt können sich nur noch starke Player behaupten.

Ein anderer zentraler Punkt ist die grenzüberschreitende Notfallversorgung. Wir wollen deshalb die Landesregierung auffordern, eine bessere Zusammenarbeit zwischen NRW und den Niederlanden und Belgien zu verhandeln, um den Bürgerinnen und Bürgern der Grenzregion mehr Sicherheit zu bieten, und den Landtagsfachausschuss über die Verhandlungen zu informieren.

Fazit: Die Zusammenarbeit zwischen unserem Bundesland und Benelux funktioniert gut. Es gibt jedoch immer wieder Punkte, wo eine Verbesserung notwendig ist oder wo nachgesteuert werden muss.

Ich darf mich für die SPD-Fraktion nochmals bei der Landesregierung, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus bedanken, die sich diesem zentralen europäischen Thema widmen, und hoffe, dass die NRW-Benelux-Zusam-menarbeit weiter ein Motor in Europa ist und entgegengesetzten Tendenzen in einigen Ländern der EU entgegenwirken wird.

NRW ist stark, Benelux ist stark; aber gemeinsam sind wir stärker! – Danke schön.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Münchow. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen ist sowohl mit Belgien und den Niederlanden als auch mit seinem mittelbaren Nachbarn Luxemburg kulturell, wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich eng verbunden. In den vergangenen Jahrzehnten schlossen sich Nordrhein-Westfalen und die Benelux-Staaten enger zusammen. Mit 45 Millionen Einwohnern bilden sie ja eine grenzüberschreitende Großregion von europäischer Dimension.

Wir wollen heute mit unserem Antrag vonseiten der Legislative die besonderen Beziehungen zu unseren westlichen Nachbarländern würdigen und gemeinsam einen Blick auf die Arbeit der Exekutive lenken, um die dort meiner Ansicht nach in vorbildlicher Weise geleistete Benelux-Arbeit näher zu beleuchten und Impulse für die Fortentwicklung zu setzen.

Zuvor möchte ich aber noch einmal kurz bei der Legislative bleiben und, wie Kollege Münchow es auch schon gemacht hat, die wirklich hervorragende Arbeit der Parlamentariergruppe NRW-BeNeLux in den Vordergrund stellen. Vor dem Hintergrund der unzähligen über viele Jahre entstandenen Kontakte, der engen Wirtschaftsbeziehungen und der interessanten innenpolitischen Entwicklungen in den Benelux-Staaten war es nur folgerichtig, dass unser Parlament 2010 eine eigene Parlamentariergruppe gebildet hat, um die guten Beziehungen Nordrhein-Westfalens zu unseren Nachbarn Belgien und Niederlanden und unserem mittelbaren Nachbarn Luxemburg weiter zu fördern und intensiver zu vertiefen.

Ich bin dem damaligen Landtagspräsidenten Eckhard Uhlenberg, derzeit erster Vizepräsident sowie Vorsitzender der Parlamentariergruppe NRW-BeNeLux und heute leider nicht anwesend, außerordentlich dankbar dafür, dass er den Anstoß für die Gründung dieser Gruppe gegeben hat. Ich bin Eckhard Uhlenberg für seine bis heute dort geleistete Arbeit ebenfalls sehr dankbar. Ich finde, dieses Engagement können wir ruhig einmal mit einem kleinen Applaus würdigen.

(Beifall von allen Fraktionen)

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Belgien, den Niederlanden und Luxemburg wurde über mehrere Jahrzehnte zur soliden Säule der Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und seinen Nachbarländern. Mit dem Ziel, die bereits sehr enge Bande qualitativ zu einer vertieften Partnerschaft fortzuentwickeln, baute die Landesregierung die regionale Kooperation durch eine immer engere Zusammenarbeit weiter aus.

Im Jahre 2013 hat die rot-grüne Landesregierung eine Benelux-Strategie vorgelegt, durch deren Umfang ein neues Maß an Kohärenz geschaffen wurde. Diese Strategie verschafft auf einmalige Weise einen Überblick über die Zusammenarbeit auf allen Ebenen und macht somit viele Synergieeffekte über alle Ressorts hinweg nutzbar.

Diese Strategie steht vor allem nicht nur auf dem Papier, sondern ist auch mit Leben gefüllt. Ein Blick in den Bericht der Landesregierung zur europäischen und internationalen Zusammenarbeit im Jahr 2014 ist ein eindeutiger Beleg. Ich nenne Ihnen exemplarisch zwei Beispiele: das INTERREG-Projekte EurSafety Health-Net zur Stärkung der Patientensicherheit und des Schutzes vor Infektionen, in dessen Rahmen ein umfangreiches Netzwerk entlang der gesamten deutsch-niederländischen Grenze aufgebaut werden konnte oder das Projekt KliKER Klimakommunen in der Euregio Rhein-Waal, das am 15. Dezember 2014 in Kleve unter Teilnahme des Ministers für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz, Johannes Remmel, und der Umweltdeputierten der Provinz Gelderland, Dr. Traag, abgeschlossen wurde. Diese Art von Kooperation steht beispielhaft für die hohe Intensität der Zusammenarbeit mit den Partnern im Beneluxraum allein im letzten Jahr.

Ich könnte noch viele weitere Projekte nennen, die die enge Zusammenarbeit verdeutlichen. Weitere wichtige Themenfelder finden Sie auch in unserem Antrag, zum Beispiel die Themen „Arbeitsmobilität“ oder „grenzüberschreitende Notfallversorgung“.

Meine Damen und Herren, wir werden bei der nächsten Sitzung des Europaausschusses am 20. November die Gelegenheit haben, uns weiter der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu widmen. Zu Gast sein wird der Generalsekretär der Benelux-Union, Herr Dr. van Laarhoven, mit einem seiner beiden Stellvertreter, Herrn de Muyser. Auch hierbei wird deutlich werden, wie gut Nordrhein-Westfalen agiert und dass sich der seit 2010 bestehende Einsatz einer NRW-Verbindungsperson im Generalsekretariat der Benelux-Union bezahlt macht, genauso übrigens wie der Mitarbeiter für grenzüberschreitende Zusammenarbeit in unserer NRW-Landesvertretung in Brüssel oder unsere Verbindungsperson in der deutschen Botschaft in den Niederlanden, die für die Kooperation zwischen NRW und den Niederlanden zuständig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: NRW ist in der Zusammenarbeit mit den Beneluxstaaten und der Benelux-Union nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell gut aufgestellt. Das gilt sowohl für die Exekutive als auch für die Legislative.

Ich freue mich sehr auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. Ich würde mich noch mehr freuen, wenn unser guter Antrag auch die Zustimmung der Opposition in diesem Hause finden würde. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Werner Jostmeier [CDU]: Das ist eine Frage der Gegenseitigkeit!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Freifrau von Boeselager.

Ilka von Boeselager (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Vorrednern, dass sie unseren Vizepräsidenten für die gute Arbeit gelobt haben, die er leistet. Ich werde ihm das gern vermitteln.

In der Tat ist das kein Thema, bei dem man sich parteiübergreifend zanken sollte. Wichtig ist, dass man bei der Benelux-Zusammenarbeit parteiübergreifend Flagge zeigt und zu guten Ergebnissen kommt.

(Beifall von Stefan Engstfeld [GRÜNE])

Allerdings muss ich auch sagen, dass wir bereits am 19. März beantragt haben, dass der Generalsekretär der Benelux-Union und seine beiden Stellvertreter in den Europaausschuss eingeladen werden sollen, um uns über die Cross-Border-Initiative zu berichten.

Auf Wunsch der Landesregierung haben wir uns darauf eingelassen, diese Tagesordnungspunkte erst in der zweiten Jahreshälfte im Ausschuss zu behandeln. Am 20. November ist es jetzt so weit. Ich war etwas erstaunt, dass jetzt noch der Antrag kam. Eigentlich hätte es des Antrages nicht bedurft. Aber weil es nun einmal so ist, möchte ich die Gelegenheit nutzen und darauf hinweisen, dass wir mit Blick auf die Benelux-Zusammenarbeit im Jahr 2009 zwischen Belgien, den Niederlanden und Luxemburg auf eine verbindliche und belastbare zwischenstaatliche Grundlage gedrungen haben. Damals hat sich Herr Rüttgers sehr dafür eingesetzt.

Jetzt haben wir zwei Säulen der Zusammenarbeit mit diesen Ländern: die grenzüberschreitende Arbeit in den Euregios und die bilateralen Kontakte, die wir pflegen. Mit der Unterzeichnung der sogenannten politischen Erklärung kam jetzt eine dritte Säule hinzu.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat viele Pluspunkte. Uns verbindet nicht nur der wirtschaftliche Bereich, sondern wenn man über die Grenze fährt – das ist nicht weit; man ist sehr schnell in Maastricht oder in Brüssel –, sieht man, dass die vielen Gespräche zu sehr viel Verbindendem führen können und dass auf der anderen Seite sehr viel Positives passiert, von dem wir hinzulernen können. Auch das ist eine wichtige Erfahrung. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir auch in Brüssel unsere Ideen und Vorstellungen besser umsetzen.

Ich kann befürworten – das ist auch wichtig –, dass man die Landesregierung bei der Notfallversorgung stärker in den Fokus nimmt, damit sie sich stärker dafür einsetzt. Denn wichtig ist doch, dass alle Landesteile die gleiche Versorgung bekommen.

Ich halte für die Zukunft für wichtig, dass man die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität verstärkt. Wir sollten einen Besuch vor Ort machen. Es gibt diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Polizei, die wir uns anschauen sollten. Zumindest wir haben das in jedem Fall vor.

(Zuruf von Stefan Engstfeld [GRÜNE])

Ich kann jetzt schon ankündigen, dass wir eine Anhörung zu dieser grenzüberschreitenden Zusammenarbeit insbesondere zum Polizei- und Rettungswesen machen wollen. Denken Sie daran, dass viele nordrhein-westfälische Studenten in Maastricht, in Limburg oder generell in den Beneluxländern studieren und dass sie von dieser guten Zusammenarbeit profitieren.

Es sollte in unser aller Interesse sein, uns weiterhin zusammenzuraufen und vor allen Dingen Gespräche zu führen, um uns auf diese Weise auch menschlich besser kennenzulernen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin von Boeselager. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Ellerbrock das Wort.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass wir eine gemeinsame Basis dahin gehend haben, dass wir sagen, die Benelux-Beziehungen sind wichtig. Sie laufen gut. Sie laufen auf politischer Ebene eigentlich ganz gut, wobei wir da auch andere Bewertungen vornehmen möchten, weil das in manchen Angelegenheiten nicht in eine so gute Richtung geht. Aber grundsätzlich läuft das gut.

Ich fand auch gut, Herr Engstfeld, dass Sie gesagt haben, dass auf der administrativen Ebene – nicht nur bei der Landesregierung, sondern auch bei den Bezirksregierungen – vieles vor Ort praxisorientiert sehr gut geregelt wird. Das muss man einfach einmal positiv werten.

Meine Damen und Herren, Rot-Grün hat eine Strategie 2013, die Benelux-Strategie, verabschiedet. Leider haben Sie, Kollege Engstfeld, vergessen, dass wir 2008/2009 unter einer anderen Farbkonstellation Weichen gestellt haben, die die Kollegin von Boeselager eben angesprochen hat.

Sie haben auch recht, dass Sie die Euregios als besonders wichtig und Kernelement der Zusammenarbeit bezeichnen. Es ist auch richtig, dass wir zum Beispiel grenzüberschreitend Fragen der Energieversorgung gemeinsam lösen wollen.

Umso unverständlicher ist mir dann allerdings in einem anderen Bereich, zum Beispiel bei der Entsorgungsfrage, dass wir aus Nordrhein-Westfalen die Grenzen dicht machen, wenn es sinnvollerweise darum geht, Entsorgung der Niederlande in Nordrhein-Westfalen zu übernehmen und umgekehrt. Wenn wir vor Ort geeignete Anlagen mit freien Kapazitäten haben, dann können wir doch aus den Nachbarregionen Reststoffe aufnehmen und hier verwerten und unsere Anlagen besser auslasten. Das ist nämlich billiger.

Wir sind Exportweltmeister. Wir nehmen nur einen ganz geringen Anteil unserer exportierten Produkte zurück. Ich meine, wir müssten da mit dem Kollegen Remmel sprechen. Wenn ich Sie dazu an meiner Seite weiß, könnten wir noch einmal darüber reden, um eine praxisorientierte Lösung auch in einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu finden. Ich freue mich dazu auf die Diskussion mit dem Kollegen Remmel, die wir beide dann zum Vorteil der Region führen.

Ein anderer Punkt sind die INTERREG-Projekte. Da hätte man vielleicht, Kollege Engstfeld, ausführen können, dass es oftmals nicht nur um die Großprojekte geht, sondern dass es auch darum geht, gerade kleine und mittlere Unternehmen einzubinden.

Ich nenne das INTERREG-Projekt – ich glaube, es war aus dem Jahre 2009 – mit dem Titel „Erschließung und massive Einführung der Querschnitts- und Schlüsseltechnologie Mechatronik in mittelständischen Unternehmen“. Das heißt nichts anderes, als dass man die Weiterentwicklung der Fertigungstechnologie und den Schritt vom Produktentwickler zum Systemlieferanten als Ziel definieren will. Das hat mehr als 600 Arbeitsplätze gebracht. Das war eine vernünftige Sache. Das hätte man auch noch einmal erwähnen können.

Mich hat gewundert, dass Sie Folgendes nicht angesprochen haben, Herr Kollege: Wir haben SafeGuard – gesunde Tiere und sichere Lebensmittel aus Deutschland, den Niederlanden, Euregio. Das haben wir als Schwarz-Gelb gemacht, weil wir nämlich Markt als Markt verstanden und gesagt haben, hier müssen wir möglichst zu gleichen Standards kommen. Das geht hin bis zur grenzüberschreitenden Krisenbewältigung. Frau von Boeselager, wir sind stolz darauf, dass wir das gemacht haben. Das war doch eine vernünftige Sache. Das finde ich auch.

Was wir allerdings auch ansprechen sollten – das gehört zu einer Wertung dazu, weil es nicht reicht, nur die positiven Aspekte zu sehen –, dass wir natürlich auch gemeinsame Projekte haben, bei denen wir nicht vom Fleck kommen. Ich nenne dazu nur einmal den Eisernen Rhein, die Schienenverbindung von Antwerpen bis an den Rhein nach Duisburg. Wir kommen seit Jahren nicht weiter, weil wir da unterschiedliche nationale Zielvorstellungen haben. Es gibt da andere, die höchst effektiv Bremsklötze setzen. Es gehört zur Wahrheit dazu, auch das anzusprechen.

Auf der anderen Seite sollten wir auch deutlich machen: Ich halte es eigentlich für ein Ding der Unmöglichkeit, dass im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdiskussion Belgien sagt: Wir werden bestimmte Segmente aus dem Flüchtlingsstrom für uns herausgreifen, besonders qualifizierte Leute. 

Ich halte das für ethisch unverantwortlich, wenn wir versuchen, aus dem Flüchtlingsstrom die Intelligenz und die handwerklich geeigneten oder besonders qualifizierten Leute bei uns zu binden, obwohl sie in wenigen Jahren vor Ort in Syrien und in Afghanistan in besonderem Maße gebraucht werden. Ich nenne das eine moderne Art des Kolonialismus, was da von Belgien praktiziert wird. Ich glaube, da müssten wir auch eine gemeinsame Linie finden.

(Beifall von der FDP)

Sie haben gesagt: Wir haben die Hoffnung, dass die FDP dem Antrag nach einer Diskussion zustimmt. Das können wir gerne machen. Dazu reichen wir gerne die Hand. Ich habe aber ein paar Anmerkungen gemacht, an welchen Stellen wir den Antrag ändern und ergänzen müssen. Wenn wir uns darüber unterhalten können – ich reiche die Hand dazu –, dann können wir einen solchen Antrag auch gemeinsam verabschieden.

Schönen Dank, dass Sie jetzt so zustimmend reagieren. Ich weiß das zu schätzen. Dann kriegen wir das auch gemeinsam hin. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Kollege Ellerbrock. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Kern.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Zunächst einmal kann ich als Vorsitzender des Ausschusses für Europa und Eine Welt an dieser Stelle feststellen, dass wir bei diesem wichtigen Thema Benelux anscheinend keine großen Differenzen haben, sondern in der Sache an einem Strang ziehen. Das ist gut.

(Beifall von den PIRATEN)

Frau Kollegin von Boeselager, wir können ein bisschen nachsichtig sein oder müssen das nicht überinterpretieren, wenn man sich Gedanken macht, warum dieser Antrag von Rot-Grün gerade jetzt vorgelegt worden ist. Das gehört, denke ich, dazu; das kann man vielleicht unter „Parlamentsschläue“ abbuchen. Wir haben die Kollegen im Ausschuss jetzt ja zu Gast, den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter von der Benelux-Union. Wir können dort dann konkret anhand dieses Antrages mit diesen beiden Herren diskutieren. Ich sehe das durchaus positiv.

Natürlich möchte auch ich mich dem Dank der Kollegen an Herrn Vizepräsidenten und Vorsitzenden der Parlamentariergruppe NRW-Benelux Uhlenberg anschließen, der die letzte Reise in die Provinz Limburg organisiert hat. Dort konnten wir uns gemeinsam davon überzeugen, wie die Zusammenarbeit gut läuft und wo es noch die eine oder andere Schwierigkeit gibt.

Ich denke, uns verbinden viele gemeinsame Interessen. Dazu gehört der Bereich Bildung. Dazu gehört der Bereich Arbeitsmobilität, der auch im Antrag angesprochen wurde. Damit zusammenhängend gehört auch der Bereich Verkehrsplanung dazu, auf den Kollege Ellerbrock schon hingewiesen hat.

An der Stelle kann ich mir nicht ganz verkneifen, darauf hinzuweisen, warum der Antrag mir persönlich ein bisschen sympathisch geworden ist. Das hängt mit einem kleinen Fehler zusammen, sage ich einmal, der aber zu verschmerzen ist. Denn er unterstreicht die Intention des Antrages quasi noch einmal, indem er das Land Luxemburg als Nachbarland bezeichnet und sozusagen an die NRW-Grenze rückt. Da geht Intention über Geografie. Aber das können wir an der Stelle, glaube ich, durchgehen lassen.

Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich berichten, dass die Zusammenarbeit sicherlich besser klappt. Mit der eurobahn kann man problemlos bis nach Venlo fahren. Der Bereich Tourismus funktioniert sicherlich auch gut und ist weiterhin ausbaufähig.

Natürlich hat Herr Kollege Ellerbrock recht. Hier erleben wir wieder viele Worte vonseiten von Rot-Grün, von der Landesregierung. Wir vermissen aber ein bisschen Taten. Darüber müssen wir sprechen. Der Kollege Ellerbrock ist mir da zuvorgekommen. Das Thema „Eiserner Rhein“ ist ganz wichtig; aber auch die Betuwe-Linie hängt mit dem Bereich Verkehr eng zusammen. Es ist so, dass auf der anderen Seite der Grenze schon erhebliche Vorarbeiten erbracht wurden und wir in der Bringschuld sind, um das Zusammenwachsen unserer Länder voranzubringen. Da müssen wir unseren Teil der Verantwortung und da muss die Landesregierung ihren Teil der Verantwortung schultern.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass der erste Punkt des Antrages für mich als Vorsitzenden des Ausschusses für Europa und Eine Welt ein bisschen an der Sache vorbei geht. Dort wird verlangt, der Minister solle doch über die Fortschritte der Zusammenarbeit berichten: Der Landtag fordert dazu auf.

Natürlich kann der Minister jederzeit im Europaausschuss vortragen. Nur hoffe ich, dass ich ihn bald auch in einer Ausschusssitzung persönlich begrüßen kann. Bei der letzten Sitzung war er wahrscheinlich aus wichtigem Grund verhindert. Jetzt ist er leider auch nicht da. Ich hoffe, er zeigt uns in Zukunft deutlicher sein Interesse an der Thematik.

Natürlich stimmen wir der Ausschussüberweisung zu und freuen uns auf gute Beratungen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kern. – Für die Landesregierung spricht in Vertretung von Herrn Minister Lersch-Mense Herr Minister Schmeltzer.

Rainer Schmeltzer, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Kern, selbstverständlich sind es wichtige Gründe, die Minister Lersch-Mense heute hier entschuldigen. Es werden auch, wenn er nicht im Ausschuss anwesend ist, wichtige Gründe sein. Das steht nicht im Gegensatz zu der Wichtigkeit des Themas.

Deswegen freue ich mich sehr, dass der Landtag durch den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem Beneluxraum auf die Tagesordnung gesetzt hat. Schon allein die Überschrift dieses Antrages bringt zum Ausdruck, dass genau dies uns ein besonderes Anliegen ist.

Als Landesregierung haben wir dafür gesorgt, dass sich die bereits bestehende Zusammenarbeit mit dem Beneluxraum erfolgreich fortentwickelt. So haben wir in einer Vorreiterrolle gemeinsam mit unseren Beneluxpartnern eine Strategie für die Zusammenarbeit mit dem gesamten Beneluxraum erstellt. Wir haben es geschafft, vielen Einzelprojekten einen strategischen Rahmen zu geben und der Zusammenarbeit einen roten Faden zu verleihen. Uns ist es damit gelungen, diese nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ erheblich zu intensivieren und damit zu verbessern.

Insbesondere haben wir es geschafft, dass sich die bisher vor allem bilateral geprägte Kooperation – ganz im Sinne unserer Strategie und maßgeblich durch uns vorangetrieben – immer mehr zu einer multilateralen Zusammenarbeit ausweitet. Dies gilt insbesondere für die trilaterale Zusammenarbeit mit den Niederlanden und Flandern etwa in wirtschaftlichen Themenfeldern.

Als nur ein Beispiel möchte ich den Chemiegipfel am 18. November 2015 nennen, an dem auf Einladung von Minister Duin auch niederländische und flämische Unternehmer und politische Vertreter teilnehmen werden, um unsere Kooperation auszubauen. Denn wir gemeinsam bilden die stärkste Chemieregion hier in Europa.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Ziel ist es, die Chancen und Potenziale, die sich in der Zusammenarbeit und in dem Zusammenwachsen Nordrhein-Westfalens und des Beneluxraums ergeben, zu nutzen. Dies kann nur gelingen, wenn sowohl die sichtbaren als auch die unsichtbaren Hindernisse an den Grenzen abgebaut werden und wenn wir trotz der in einzelnen Bereichen durchaus vorhandenen Konkurrenzbeziehung enger kooperieren.

Dies gilt etwa auch im Bereich der Arbeitsmobilität, wo wir nicht nur gemeinsam mit Belgien und den Niederländern, sondern auch mit der Benelux-Union eng zusammenarbeiten. So haben wir die elektronische Grenzpendlerberatung für den NRW-nieder-ländisch-belgischen Grenzraum gemeinsam mit den Beneluxpartnern und der Benelux-Union konsolidiert und vereinheitlicht. Statt vieler Einzelangebote existiert nun ein gemeinsames und gut strukturiertes, umfassendes Informationsangebot über die Internetseite der Benelux-Union.

Gerade dieser Bereich der Arbeitsmobilität steht nicht zuletzt im Hinblick auf den demografischen Wandel in unserem ganz besonderen Interesse. Noch immer gibt es viele Hemmnisse, die nur schrittweise abgebaut werden können und die wir nach und nach abbauen.

Zum Beispiel stellen wir gemeinsam mit den Euregios sicher, dass neben der erwähnten elektronischen Beratung die so wichtige persönliche Beratung nicht nur erhalten bleibt, sondern auch ausgebaut und an der gesamten deutsch-nieder-ländischen Grenze vereinheitlicht wird. So werden Synergieeffekte genutzt und wird die Qualität erhöht.

Auch haben wir die Zusammenarbeit der deutschen und niederländischen Statistikbehörden initiiert, die eine Studie zur Arbeitsmobilität erarbeitet haben. Diese Studie haben IT.NRW und das niederländische Statistikbüro am 19. August in der LPK vorgestellt. Zum ersten Mal liegt uns jetzt eine solide Datenbasis vor, die uns erlauben wird, die Arbeitsmobilität zielgerichtet zu unterstützen.

Auch sind wir mit den Niederlanden erfolgreich in einen Dialog über eine vereinfachte Diplomanerkennung, insbesondere in den nachgefragten Bereichen wie Pflege und Erziehung, getreten.

Als ein Ergebnis haben wir am 19. Oktober 2015 in Maastricht eine Arbeitskonferenz mit Praktikern aller Seiten durchgeführt, in der Hemmnisse konkret identifiziert wurden, die wir nunmehr beseitigen möchten. So haben wir zum Beispiel mit der niederländischen Seite im Bereich der Erzieherausbildung vereinbart, dass wir die fehlenden Ausbildungselemente identifizieren – seien es Pflichtpraktika, seien es inhaltliche Fragestellungen –, die der Anerkennung der Gleichwertigkeit der Diplome im Wege stehen. Das ist eine ganz praktische und aktive Maßnahme zur Unterstützung der Arbeitsmobilität.

Der Antrag der Fraktionen beinhaltet auch die Bitte an die Landesregierung, einen Sachstandsbericht zur grenzüberschreitenden Notfallversorgung vorzulegen. Dem werden wir ebenfalls sehr gerne nachkommen. Es ist uns ein großes Anliegen, die sehr gut und pragmatisch funktionierende grenzüberschreitende Notfallversorgung auf eine gesicherte rechtliche Basis zu stellen. Das sind wir den Notfallversorgern, aber auch den Bürgern schuldig.

Wir befinden uns hier in enger Abstimmung mit unseren Beneluxpartnern, die sich aber nicht zuletzt wegen schwieriger Kompetenzfragen nicht immer als einfach erweisen. Das MGEPA ist hiermit intensiv befasst. So finden immer laufende Abstimmungen mit dem MGEPA, dem Bundesgesundheitsministerium und der belgischen Seite statt, um hier zu einem Ergebnis zu kommen. Für Januar 2016 ist zudem ein Gespräch zwischen dem Kabinettschef der belgischen Gesundheitsministerin und dem MGEPA geplant. Manchmal müssen wir halt dicke Bretter bohren und kommen nicht so schnell voran, wie wir es wünschen. Aber am Ende werden wir zu einem guten Abkommen gelangen.

Wie Sie sehen, befinden wir uns auf einem guten Weg. Die Zusammenarbeit mit dem Beneluxraum ist sehr lebendig, vielseitig und bedeutet einen Gewinn für und in NRW und für den gesamten Beneluxraum. Wir werden weiter daran arbeiten. Mein Dank – das möchte ich hier nicht versäumen – gilt ganz besonders unseren Beneluxpartnern für die hervorragende Zusammenarbeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10075 an den Ausschuss für Europa und Eine Welt. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer für diese Überweisungsempfehlung ist, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

9   Leben retten – Förderung der Ersten Hilfe und Wiederbelebung durch Laien bringt mehr Erfolg

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10079

Ich eröffne die Aussprache und erteilte als erster Rednerin für die antragstellende FDP-Fraktion Frau Abgeordneter Schneider das Wort. Bitte schön.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der plötzliche Herztod ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Theoretisch kann es jeden von uns und vor allem überall treffen: daheim, am Arbeitsplatz, irgendwo in der Öffentlichkeit. In fast 70 % aller Fälle sind die Menschen dann nicht alleine, andere Menschen sind vor Ort anwesend.

Was passiert aber im Körper? Vereinfacht kann man sagen: Die Herzfunktion fällt plötzlich aus. Das Herz pumpt kein Blut mehr in den Kreislauf. Das Gehirn und die Organe werden nicht mehr mit Blut und somit nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Der Betroffene wird bewusstlos und atmet nicht mehr. Dies geschieht innerhalb weniger Sekunden.

Dann ist ein schnelles Handeln erforderlich. Denn es reicht nicht, unter der Rufnummer 112 einen Arzt anzurufen. Eine sofortige Herzdruckmassage ist notwendig. Wenn diese umgehend durchgeführt wird, kann in fast jedem zweiten Fall eine Rückkehr des Kreislaufs erreicht werden und somit die Überlebensrate massiv gesteigert werden.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich würden Sie alle in dem beschriebenen Fall helfen wollen. Doch wie viele Personen in diesem Raum würden rein statistisch mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen? Nach den aktuellen Umfragen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin gerade einmal 15 %, also in unserem Fall 36 Personen von 237. Das entspricht, dass man sich das ein bisschen bildlicher vorstellen kann, ganz grob der FDP-Fraktion und der Regierungsbank daneben. Das ist zu wenig, viel zu wenig, denn jedes Jahr treten zwischen 80.000 und 100.000 Fälle von plötzlichem Herztod in Deutschland auf.

Allein durch eine Steigerung der Überlebensrate von 10 auf 20 % durch eine erfolgreiche Laien-Reanimation ließen sich 5.000 Leben pro Jahr retten. Das entspricht in etwa der Anzahl der jährlichen Verkehrstoten in Deutschland.

Leider steht Deutschland bei diesem wichtigen Thema im internationalen Vergleich hintenan. Während in den skandinavischen Ländern schon mehr als 60 % der Laien eine Herzdruckmassage beginnen, geben Befragte in Deutschland an, dass ihnen entweder die Informationen über Erste Hilfe fehlen oder dass sie in Sorge sind, etwas falsch zu machen, erst recht, wenn es sich um ein Kind handelt, das wiederbelebt werden muss.

In unserem Antrag fordern wir als FDP-Fraktion deshalb, dass es deutlich mehr niedrigschwellige Informationen über die Reanimation geben muss. Je früher Kenntnisse vermittelt werden können, desto besser. Deshalb muss Nordrhein-Westfalen auch schon bei den Schülerinnen und Schülern ansetzen.

Der Deutsche Rat für Wiederbelebung hat etwa ein Konzept erstellt, das eine Unterrichtung durch speziell ausgebildete Lehrer ab der 7. Klasse vorsieht. Sachsen und Sachsen-Anhalt haben dieses bereits umgesetzt. Nun ist auch NRW gefordert, Unterricht in Erster Hilfe flächendeckend an den Schulen einzuführen.

Alle Eltern erhalten bei der Geburt ihres Kindes das gelbe Vorsorgeheft. Ohne großen Aufwand könnte so auch eine Information über Erste Hilfe am Kind mit dem Hinweis auf entsprechende Kurse überreicht werden. Auch wäre es ein Leichtes, bei einer öffentlichen Präsentation des Gesundheitsministeriums Informationen über Erste Hilfe anzubieten oder zumindest auf der Website darüber zu informieren. Erste Hilfe gehört schließlich nicht ins Hinterzimmer, sondern in die Öffentlichkeit. Nur so können wir Hemmungen und Ängste abbauen. Hier ist das Ministerium in der Pflicht, dringend entsprechende Angebote zu erarbeiten.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich erkläre Ihnen gerne, was Sie brauchen, wenn Sie einen Menschen wiederbeleben müssen. Sie brauchen lediglich Mut – ich nenne es gerne „German Mut“ –, also: nicht zögern, sondern machen.

Sie dürfen das niemals an einem gesunden Menschen versuchen, sondern nur im Notfall. Legen Sie einen Handballen auf das Brustbein des Patienten, legen Sie dann den anderen Handballen darüber, und drücken Sie mit durchgestreckten Armen durch Verlagerung Ihres Körpergewichts das Brustbein ca. 5 cm nach unten. Hören Sie damit nicht auf. Wenn es knackt, ist eine Rippe gebrochen; die heilt wieder. Aufhören sollten Sie allerdings, wenn der Patient Sie anspricht.

(Heiterkeit)

Das Ganze sollten Sie ungefähr 100 bis 120 Mal in der Minute tun, und dann klappt das auch. Der eine oder andere überlegt jetzt sicher: 100 bis 120 Mal? Wie schnell muss man das machen? Auch das ist einfach. Singen Sie gedanklich einfach das schöne alte Lied „Stayin' Alive“ von den Bee Gees; denn genau das wollen wir: dass der Patient am Leben bleibt. Sollten Sie eine progressivere Musik bevorzugen, können Sie auch „Highway to hell“ von AC/DC nehmen. Den älteren Kollegen empfehle ich den Radetzky-Marsch. Es ist aber egal, welchen Titel Sie persönlich bevorzugen, denn mit diesem Rhythmus drücken Sie richtig.

Falsch machen, sehr geehrte Damen und Herren, können Sie nur eines, nämlich gar nichts zu tun. Genau das müssen wir den Menschen in Nordrhein-Westfalen vermitteln. – Ich danke Ihnen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. Ich darf hinzufügen: Selten haben Redebeiträge im Landtag von Nordrhein-Westfalen einen so unmittelbaren Praxisbezug wie der, den wir gerade gehört haben. – Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist Herr Kollege Dr. Adelmann. Bitte schön.

Dr. Roland Adelmann*) (SPD): Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Frau Schneider, danke für den anschaulichen Unterricht. Was Sie gesagt haben, kann man nicht oft genug wiederholen. Was mich an dem Antrag gefreut hat, ist die Überschrift. Ich habe ihn dann aber leider ganz gelesen. Ich hätte nämlich von der FDP erwartet, dass sie einige Punkte dieses Antrags besser ausarbeitet bzw. ein genaueres Konzept präsentiert.

Sie haben die Bundesländer erwähnt, die das flächendeckend eingeführt haben. Ich formuliere es einmal ganz vorsichtig und sage: Das stimmt nicht so ganz. Am liebsten würde ich sagen, dass es gar nicht stimmt; denn die Beschlüsse, die Sie dann hoffentlich auch im Ausschuss vorlegen lauten etwas anders, als sie sich in dem Antrag darstellen.

Es ist richtig, dass wir Erste-Hilfe-Kurse regelmäßig auch in der Schule anbieten und die Kinder an dieses Thema heranführen sollten, damit die Jugendlichen so weit sind, dass sie vielleicht bei der Führerscheinprüfung oder auch schon früher wissen, was sie tun, und auch den Mut haben, es zu tun. Die Frage ist, wie wir das erreichen. Die SPD-Fraktion ist sehr gespannt darauf, wie Ihre Vorschläge dazu konkret lauten werden.

Ich darf daran erinnern, dass es bereits Modellprojekte für, ich glaube, 450 Schüler in NRW gab – jetzt müssten Sie eigentlich sagen, das war unter Schwarz-Gelb –, die damals ein paar Hunderttausend Euro gekostet haben. Sie dürfen mich gern korrigieren. So etwas ist jedoch nicht flächendeckend umsetzbar. Das ist auch der Grund dafür, warum die neuen Bundesländer es noch nicht eingeführt haben. Das ist auch zu beachten.

Wir müssen vielmehr etwas Praktikables machen, was die Eltern und die Schüler wollen und was die Lehrer in ihrer Vorbildfunktion auch durch- und umsetzen können. Wir werden sicher etwas finden. Ich bin gespannt, welche konkreten Vorschläge Sie hierzu machen werden.

Das, was Sie zu der Rettungskette und der Verbesserung der Laienreanimation durch die Rettungsleitstelle gesagt haben, ist sicherlich umsetzbar; wobei ich Ihnen auch sagen muss: Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass das Ministerium nicht bereits daran arbeitet? Dazu werden wir aber im Ausschuss sicher genauere Ausführungen hören. Ich freue mich auf die Diskussion. Die SPD befürwortet eindeutig, dies im Ausschuss zu behandeln. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Kern das Wort.

Walter Kern (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Eines möchte ich vorweg sagen: Der Antrag der FDP hat die richtige Stoßrichtung; über Details können wir sicherlich im Ausschuss sprechen. Ich bin der FDP jedenfalls sehr dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen hat.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Zur Situation: Der plötzliche Herztod und der Kreislaufstillstand führen in Nordrhein-Westfalen zu ca. 12.000 bis 20.000 Todesfällen pro Jahr. Dazu gibt es unterschiedliche Statistiken. Jedenfalls handelt es sich um eine sehr häufige Todesursache. Die Sauerstoffversorgung des Gehirns ist von entscheidender Bedeutung, und die ersten drei bis fünf Minuten entscheiden praktisch über die spätere Lebensqualität der Betroffenen. Es gehört zur Wahrheit, dass unsere Rettungsdienste zwar sehr schnell reagieren, aber in diesem Zeithorizont nicht vor Ort sein können. Diese drei bis fünf Minuten sind ein sehr kleines Zeitfenster. Es ist ein Rennen gegen die Uhr, in dem es um Sekunden geht, und – das wurde bereits richtig gesagt – jeder kann davon betroffen sein.

Wie wir wissen, stellt die manuelle Reanimation eine wirksame Maßnahme bei einem Kreislaufstillstand dar. Das ist hier eben sehr plastisch aufgezeigt worden. Es steht unzweifelhaft fest, dass mehr gut ausgebildete Ersthelfer und die Sicherstellung der Wiederbelebung durch Laien über die erfolgreiche Versorgung von Patienten mit Kreislaufstillstand entscheiden. Hier liegt der Schlüssel zur Verbesserung.

Was können wir denn in Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich verbessern? Die Bereitschaft zur Ersten Hilfe muss durch eine bessere Vermittlung der Kenntnisse gesteigert werden. Es reicht nicht aus, dass das nur im Rahmen der Führerscheinprüfung geschieht. Wir brauchen mehr Ausbildungsangebote, die die Bevölkerung wiederholt und regelmäßig erreichen. Wir brauchen in ganz Nordrhein-Westfalen ein konsequentes Konzept zur Realisierung der Telefonreanimation. Die Disponenten in unseren Leitstellen müssen in ihrer Arbeit systematisch unterstützt werden. Hier besteht vielerorts – so sagen es mir Fachleuchte – noch Trainings- und Umsetzungsbedarf.

Das wichtige Thema der standardisierten Notrufabfrage durch die Disponenten ist hier zu nennen. Beim standardisierten Verfahren benötigen wir ein flächendeckendes Angebot im Land in allen Leitstellen. Das bereits im Kreis Gütersloh – Sie haben es sicherlich gelesen; das wurde hier heute nicht erwähnt – erfolgreich angewandte Verfahren der Alarmierung von ausgebildeten Ersthelfern in unmittelbarer Nähe des Notfallpatienten ist eine herausragende Idee, die schnellstmöglich landesweit umgesetzt werden kann. Die Vorteile dieses Konzepts sind durchschlagend.

Der Notarzt Dr. Ralf Stroop aus Halle/Westfalen hatte die Idee, die App „Mobile Retter“ zu entwickeln. Dieses inzwischen bundesweit ausgezeichnete Projekt – in einem Wettbewerb der Deutschen Bank hat er damit den ersten Platz erreicht – ist eine Innovation, die ihre Bezeichnung wirklich verdient. Die App „Mobile Retter – smartphonebasiertes Ersthelfersystem“ ist ein echter Gewinn für die Menschen unseres Landes. Die landesweite Einführung darf deshalb nicht mehr lange warten. Im Übrigen möchte ich als Ostwestfalen-Lipper darauf hinweisen, dass wir die Region der Innovationen sind, weshalb ich besonders stolz darauf bin. Wir sollten dieses System also auch landesweit einführen.

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, das flächendeckend breiter, schneller und fachlich kompetent gehandelt wird.

Zur Beschlussfassung möchten wir sagen: Es ist richtig, dass die Befähigung zur Ersten Hilfe durch mehr praxisorientierte Unterrichtseinheiten ausgebaut werden muss. Hier haben wir im internationalen Vergleich gegenüber anderen Ländern noch sehr aufzuholen. Die Deutschen sind faktisch Wiederbelebungsmuffel. Da könnte Nordrhein-Westfa-len einen Quantensprung machen.

Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, die Telefonreanimation erhöht die Überlebenschancen von Hilfebedürftigen. Deshalb ist es ein mehr als sinnvolles Ziel, die standardisierte Notfallabfrage und Anleitung zur Wiederbelebung mit aller Konsequenz auf alle Leitstellen in Nordrhein-Westfalen zu übertragen. Die Innovation der Smartphone-App bietet diese Chance; ich hatte es eben schon gesagt.

Die CDU-Fraktion sieht nicht nur die Schüler als Zielgruppe, um all das noch weiter zu verbreiten – darüber müssen wir vielleicht noch einmal im Ausschuss sprechen –, sondern an unseren Gesundheitstagen könnte man durchaus auch einmal ein Fortbildungsseminar für Abgeordnete anbieten.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Abschlussbemerkung. Für die CDU stellt sich die Frage, ob man in den Leitstellen die verbindliche Einführung eines Qualitätsmanagements oder eine öffentliche Zertifizierung anstreben sollte. Die Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren hat das bereits vor 15 Jahren gefordert. Das ist leider noch nicht in allen Leitstellen der Fall. Das sollten wir uns im Ausschuss gemeinsam ansehen.

Wir halten den Antrag für einen sehr wichtigen Impuls, sollten aber im Ausschuss noch einmal sehr gründlich darüber sprechen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ich danke Ihnen, Herr Kollege Kern, und erteile für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Maaßen das Wort.

Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland ist jeder verpflichtet, in Not geratenen oder hilflosen Personen Hilfe zu leisten, wenn es ihnen den Umständen nach zuzumuten ist.

Erste-Hilfe-Kurse sind verpflichtend vorgeschrieben, um einen Führerschein zu erhalten. Aber auch unabhängig davon ist der Besuch von Erste-Hilfe-Kursen zu empfehlen, um in einer Notsituation richtig reagieren zu können. Deshalb ist es wichtig, so wie es in NRW schon geregelt ist, dass die Grundausbildung in Erster Hilfe bereits im schulischen Unterricht angeboten wird.

Es gibt längst viele verschiedene Konzepte und Möglichkeiten, Erste Hilfe umzusetzen, so auch viele der Maßnahmen, die die FDP in ihrem Antrag vorschlägt. So kommen in zahlreichen Bereichen schon automatisierte externe Defibrillatoren zum Einsatz. Auch die Telefonreanimation, die eben von meinem Kollegen Walter Kern beschrieben worden ist, wird im Rahmen der standardisierten Notabfrage durch die nordrhein-westfälischen Leitstellen in einigen Kreisen und kreisfreien Städten durchgeführt.

Die Telematik spielt im Rettungswesen eine wichtige Rolle. Verschiedene Projekte – eben wurden schon Smartphone-Apps erwähnt – zum Einsatz von Ersthelferinnen und Ersthelfern oder auch Such-Apps, wo Defibrillatoren zu finden sind, werden in NRW erprobt und eingesetzt.

Darüber hinaus hat sich der Einsatz von ausgebildeten Laienhelferinnen und -helfern für lebensrettende Sofortmaßnahmen und Erste Hilfe bewährt. Diese Angebote, die es nicht flächendeckend in NRW gibt, gilt es kontinuierlich weiterzuentwickeln und da, wo es notwendig ist, auch auszubauen.

Notwendig ist sicher auch Mut; Frau Schneider sprach es an. Viele Menschen haben Hemmungen, ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse anzuwenden. Wir müssen dafür Sorge tragen und motivieren, dass sie sich dies trauen. Hierzu gibt es schon verschiedene Ausbildungsprogramme und Motivationsveranstaltungen. Diese gilt es noch bekannter zu machen, gegebenenfalls auch auszubauen; denn jeder von uns kann in die Notlage gelangen, auf Erste Hilfe angewiesen zu sein oder Erste Hilfe leisten zu müssen.

Wir stimmen der Überweisung an den Ausschuss zu und freuen uns da auf eine intensive Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Frau Kollegin Maaßen. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Lamla.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Liebe FDP, als ich den Antrag gelesen habe, dachte ich mir: Irgendwoher kennst du diesen Text. – Ja, richtig, auf www.rettungsdienst.de findet sich ein Artikel vom 15. Oktober 2010. Ganze Passagen sind von dort eins zu eins, quasi per copy and paste, in den Antrag übernommen worden.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ein paar Zitate wurden in indirekte Rede umgewandelt, und – schwups! – fertig ist der Antrag.

(Dr. Roland Adelmann [SPD]: Aber der Artikel war gut!)

Ich meine: Hey, ich bin Pirat. Sharing is Caring. Damit bin ich angetreten. Ich finde es super. Ich bin ein großer Freund der Remix-Kultur, ich bin aber auch ein Freund von Quellenangaben. Persönlich finde ich es ein bisschen schade, dass man sich so wenig Mühe gibt, dass man so wenig Herzblut in das Ganze investiert; denn es ist ein wichtiges Thema.

(Marcel Hafke [FDP]: Sagen Sie mal was zum Inhalt!)

– Keine Sorge, Herr Hafke, ich sage gleich noch etwas zum Inhalt.

Es hätte Ihnen zum Beispiel auffallen müssen, dass die 30-zu-2-Regelung im BLS, also im Basic Life Support, bereits seit 2005 gang und gäbe in der Laienausbildung und auch in der professionellen Ausbildung ist. Das ist also nichts Neues. Auch die lustigen Anekdötchen von „Stayin‘ Alive“, Radetzky-Marsch und „Highway to Hell“ sind nichts Neues, keine eigene kreative Leistung, sondern bereits seit 20 Jahren im Leitfaden für die Erste-Hilfe-Aus-bildung.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Die letztgenannten sind aber älter!)

Die Hauptaussagen der neuen ERC-Guidelines sind es aber wert, betrachtet zu werden; denn sie zielen darauf ab, die Anzahl der Laienersthelfer zu erhöhen. Das ist ein gutes und wichtiges Vorhaben, das wir uns auch hier im Parlament anschauen sollten.

Bevor wir uns aber mit der Quantität beschäftigen, sollten wir uns auch einmal ganz ehrlich über die Qualität der Erste-Hilfe-Ausbildung bei uns in NRW und in Deutschland unterhalten. In Deutschland ist die Breitenausbildung hauptsächlich bei den Hilfsorganisationen angesiedelt und wird dort überwiegend von Ehrenamtlichen durchgeführt.

Hier muss man ganz vorsichtig festhalten, dass die Qualität sehr unterschiedlich sein kann. Das verwundert nicht. Denn es gibt eher wenig Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für die Ersthelferausbilder. Das ist auch kein Wunder, denn es sind alles Ehrenamtliche und wir wissen aus vielen anderen Debatten im Landtag, wie schwierig es ist, Ehrenamtler zu gewinnen, bei Laune zu halten und dazu zu motivieren, das Ehrenamt kontinuierlich fortzuführen. Jeder, der schon einmal samstags morgens aufstehen musste, um Erste Hilfe zu unterrichten vor einem unglaublich „motivierten“ Kurs an Führerscheinanwärtern, der wird wissen, dass das nicht immer ein Zuckerschlecken ist.

Da müssen wir ganz vorsichtig an die Sache herangehen und schauen, wie wir die Qualität der Erste-Hilfe-Ausbildung verbessern können, ohne die Ehrenamtlichen zu verjagen.

Qualitätskontrollen der Erste-Hilfe-Ausbildung gibt es bei den Hilfsorganisationen auch eher selten. Die sind sehr unterschiedlich, nicht standardisiert und auch nicht vorgeschrieben. Manche machen es, und manche machen es nicht.

Beim Thema „Leitstellen“ sind wir in Deutschland und auch in NRW schon relativ weit, also weiter als die ERC-Guidelines das vorgeben. Denn bei uns haben die Leitstellendisponenten häufig eine Berufsfeuerwehr- und eine rettungsdienstliche Ausbildung und sind quasi Fachkräfte in ihrem Bereich. Die können das entsprechend telefonisch weitergeben. Natürlich gibt es noch Konzepte, die das Ganze verfeinern.

Wenn wir das Thema aber schon angehen, dann lassen Sie uns vielleicht auch neue Ideen und Ansätze in die ganze Debatte einführen.

Es gibt zum Beispiel Ideen, den Bereich Hypothermie in die Erste-Hilfe-Ausbildung einfließen zu lassen, also die kontrollierte Herabkühlung des Körpers nach einer Herz-Lungen-Wiederbelebung.

Es gibt die Idee, Erste-Hilfe-Ausbildern regelmäßige Fortbildungen in Form von Praktika im Regelrettungsdienst oder auf Intensivstationen zukommen zu lassen. Das wäre sinnvoll, denn die meisten Erste-Hilfe-Ausbilder, die wir haben, kommen nicht aus der Praxis. Die haben noch nie wirklich eine richtig stark blutende arterielle Verletzung gesehen. Die wissen zwar theoretisch, wie man einen Druckverband anlegt, aber wie das in der Praxis wirklich aussieht, das wissen sie nicht. Das ist sehr schade. Das könnte man auf diese Weise ändern.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege.

Lukas Lamla (PIRATEN): Die meisten Erste-Hilfe-Ausbilder haben auch nicht die Möglichkeit gehabt, mal wirklich eine reale Herz-Lungen-Wiederbe-lebung zu machen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Ihre Redezeit ist abgelaufen, und Herr Kollege Dr. Adelmann würde Ihnen gerne noch eine Zwischenfrage stellen.

Lukas Lamla (PIRATEN): Herr Dr. Adelmann, bitte schön.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bitte schön.

Dr. Roland Adelmann*) (SPD): Danke, dass Sie die zulassen, Herr Lamla. – Sehen Sie das auch so, dass die Laienreanimation wesentlich dadurch bestimmt ist, dass man vereinfachte Verfahrensweisen nimmt und das Ganze einschließlich des Unterrichts nicht überfrachtet, und eher durch Redundanzen einen größeren Erfolg erreicht?

(Beifall von der SPD)

Lukas Lamla (PIRATEN): Das sehe ich auch so. Das ist auch nicht meine Intention. Es gibt ja zum Beispiel sehr erfolgreiche Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern. Da hat man das damals zum Beispiel mit Videoworkshops gemacht. Man hat einen günstigen Torso zusammen mit einer Videokassette verschickt. Ich glaube sogar, das waren Kinder. Man hat sie dieser Situation ausgesetzt und festgestellt, dass diese sehr viel eher bereit sind, diese Herz-Lungen-Wiederbelebung aufzunehmen. Und das Outcome der Patienten war natürlich auch wesentlich höher.

Das heißt, wir sollten uns offen in alle Richtungen überlegen, wie wir das vorhandene System verbessern und wie wir Erfahrungen aus anderen Ländern nutzen können. Denn am Ende zählt das Überleben der einzelnen Person. Das sollte in unser aller Interesse sein. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Lamla. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Steffens das Wort.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist auch in der vorangegangenen Debatte deutlich geworden, dass es in der Einschätzung, dass bei einem Notfall wirklich jede Minute zählt, überwiegend Übereinstimmung gibt, auch darin, dass wir dringend eine Stärkung und eine weitere Motivation brauchen, damit Menschen ihre Hemmungen, etwas falsch zu machen, ablegen und damit auch überall und immer schnelle Hilfe für Menschen möglich ist.

Aber dieser Antrag blendet aus, was alles schon vorhanden ist, wie viel in diesem Land entstanden ist und wie viel von den Hilfsorganisationen kontinuierlich weiterentwickelt und angeboten wird, und zwar von den Hilfsorganisationen und den Rettungsdienstträgern, die eine sehr umfassende Palette von sehr unterschiedlichen Angeboten haben.

Wir werden im Laufe der Debatte im Ausschuss auch genug Zeit haben, um uns das mal anzusehen, was es eigentlich alles gibt, um dann am Ende zu sehen, ob es überhaupt diese Notwendigkeiten oder die Bedarfe, die im Antrag stehen, gibt. Bei vielen Punkten kann man schon jetzt sagen: Nein. Dazu gibt es schon sehr viele Angebote. Dazu brauchen wir nicht noch ein weiteres.

Es gibt bereits auf örtlicher Ebene auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmte Angebote von Rettungsdienstträgern in Nordrhein-Westfalen. Das sind überall zwar sehr unterschiedliche Sachen, aber es gibt sie.

Die Voraussetzungen sind immer umfangreich die Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen, auch für das Leitstellenpersonal. Die Arbeitsgemeinschaft zu § 7a – Qualität im Rettungsdienst – befasst sich kontinuierlich mit der Erarbeitung und der Umsetzung von Verbesserungspotenzialen. Dazu gehört auch zum Beispiel die Diskussion über die Einführung einer einheitlichen standardisierten Notrufabfrage und der Telefonreanimation für gesamt Nordrhein-Westfalen. Diese Diskussionen werden also von den Akteuren schon intensiv geführt.

Es werden auch verschiedene sehr innovative Konzepte erprobt, die wir auch in Nordrhein-Westfalen zum Teil sehr intensiv mit Europäischen- Sozialfonds-Mitteln fördern. Das sind innovative Konzepte sowohl im Bereich Telematik im Rettungsdienst als auch in weiteren Bereichen.

Zum Beispiel in Gütersloh gibt es die Smartphone-App zur Alarmierung von ErsthelferInnen. Das ist also schon vorhanden. Es gibt die Such-App nach Standorten eines AEDs, also eines automatisierten externen Defibrillators. Wir haben in Hamm die Erstellung eines landesweiten Netzes von Defis. Wir haben weitere Projekte und Programme an unterschiedlichen Stellen.

Bewährt hat sich auch der Einsatz ausgebildeter LaienhelferInnen für lebensrettende Sofortmaßnahmen oder Erste Hilfe, zum Beispiel das Projekt „Sanitäter vor Ort“ der Hilfsorganisationen oder „First Responder“ der Feuerwehren.

Wir haben also viele Angebote, die auf kommunaler Ebene wirken und die die therapiefreien Intervalle bis zum Eintreffen eines Rettungsdienstes überbrücken. Wir versuchen gerade, all diese Maßnahmen zusammenzutragen, damit auch wirklich transparent und sichtbar wird, was wir haben.

Das gilt auch für die Schulen. Es ist ja nicht so, dass wir in den Schulen nichts hätten. Auch da gibt es viele Sachen, auch im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften. Sie haben es eben gesagt, Herr Lamla, bei den Schülern und Jugendlichen, die einen Führerschein machen, ist es eine Frage der Motivation. Man kann sie nicht in Erste-Hilfe-Maßnahmen hineinzwingen, sondern am Anfang muss die Motivation stattfinden. Ich hatte Sie ansonsten immer so verstanden, dass Zwang bei Ihnen nicht die oberste Priorität hat.

Erste-Hilfe-Maßnahmen in den Schulen finden auf der Grundlage des Erlasses „Grundausbildung in Erster Hilfe“ statt. Dieser Erlass beschreibt die Rahmenbedingungen dazu. Auch hier gibt es nicht etwas Neues, sondern einen vorhandenen Erlass, der kontinuierlich überarbeitet wird, was auch gerade wieder erfolgt, weil die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Änderungen beschlossen hat. An diese Änderungen muss der Erlass angepasst werden.

Es wird dabei geprüft, ob weitere Empfehlungen der KMK zur Durchführung von Basismaßnahmen zur Wiederbelebung noch integriert werden können. Sie sehen, es ist ein kontinuierlicher Prozess.

Auch in Kindertageseinrichtungen muss eine Ersthelferin pro Gruppe regelmäßig geschult und weitergebildet werden. Die Unfallkassen, die daran ein großes Interesse haben, unterstützen diese Ausbildung der Lehrkräfte, der Kitamitarbeiterinnen kontinuierlich. Von daher haben wir hier ein umfassendes Konzept.

Aus unserer Sicht ist es ein sehr umfassendes Konzept, ein breites Angebot. Das Ziel muss aber weiterhin sein, Hemmungen abzubauen, Bereitschaft zu fördern. Es ist nicht sinnvoll, das mit starren gesetzlichen Vorgaben zu machen. Wir setzen darauf, das Ganze mit den Akteuren zusammen weiterzuentwickeln. Darüber werden wir im Ausschuss gemeinsam diskutieren. Man kann aber stolz darauf sein, was wir in Nordrhein-Westfalen alles haben, statt zu meinen, wir hätten hier ein großes rettungspolitisches Defizit und wären in der Situation, dass die Menschen nicht helfen wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10079 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

10       Ehrenamtliche Jugendarbeit stärken – Kommunen, Träger sowie Sportvereine und ?verbände bei der Praxis der Einholung von Führungszeugnissen nach § 72a SGB VIII unterstützen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7781

Änderungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/10136

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Familie, Kinder und Jugend
Drucksache 16/10102

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache gemäß § 82 Abs. 2b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend überwiesen wurde mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage eine Beschlussempfehlung erfolgt.

Nach dieser Vorbemerkung eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Jörg das Wort. Bitte, Herr Jörg.

Wolfgang Jörg (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ist es angebracht, bei diesem Thema den Ehrenamtlichen zu danken, die sich in den Gruppen, in den Sportgruppen, in den Ferienlagern engagieren, die helfen, dass unsere Gesellschaft funktioniert. Ein herzlicher Dank! Sie leisten eine großartige Arbeit. Ohne Sie wäre vieles in diesem Land nicht möglich. Auf Ihre Arbeit können Sie wirklich stolz sein. Ich denke, das können wir alle zusammen feststellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen natürlich dafür Sorge tragen, dass diese Arbeit auch gelingen kann und dass ihnen hierbei keine bürokratischen Hindernisse in den Weg gelegt werden. Dafür wollen wir hier auch gemeinsam sorgen. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesebene gerade die Praxis der Vergabe von Führungszeugnissen evaluiert und noch bis zum Ende des Jahres diese Evaluation vorlegen wird.

Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir sehen, wo es hakt, ob wir nachsteuern müssen, ob wir eventuell Dinge bei der Vergabe verändern müssen. Dann haben wir ein konkretes Ergebnis vorliegen.

Wir hatten im Ausschuss eine Anhörung, die zeigt, dass es an einigen Punkten Probleme gab. Sie hat aber auch deutlich gemacht, dass die vorhandenen Probleme in der Regel überwindbar sind.

Ich will darauf hinweisen, dass mehrere Vereine Problemlagen geschildert haben und dass der Jugend- und Sozialdezernent des LVR diesen Gruppen angeboten hat: Wenn ihr Probleme habt, nennt sie mir. Ich gehe der Sache nach. Ich werde es klären. – Es ist jedoch keine einzige Klärung abverlangt worden. Er ist sozusagen ohne einen einzigen konkreten Fall handlungslos geblieben, weil er nirgendwo eingreifen musste.

Das deutet darauf hin, dass sich die Jugendämter darauf einlassen, ihre Problemlagen mit den Vereinen selber zu lösen, dass vor Ort praktikable Umsetzungen dieser Voraussetzungen geschaffen werden. Von daher sollten wir jetzt erst einmal entspannt und in Ruhe die Evaluation abwarten und die Ergebnisse gemeinsam sichten.

Daher kommt der Antrag, liebe FDP, zu früh. Es ist ein Antrag zur falschen Zeit. Zu seinem eigenen Antrag einen Entschließungsantrag zu stellen, zeigt ja schon, dass der eigentliche Antrag vielleicht nicht ganz optimal war. Das, was Sie inhaltlich in Ihrem Entschließungsantrag fordern, sollten wir vielleicht im Januar noch einmal gemeinsam reflektieren, ob es dann als Ergebnis der Evaluation zutage kommt. Wir wollen auf jeden Fall nicht im Vorfeld irgendwelche Nägel mit Köpfen machen, sondern wollen uns das in Ruhe ansehen. Wir wollen pragmatische Lösungen finden.

Wenn wir im Januar feststellen, dass Handlungsbedarf besteht, können wir in aller Ruhe auch über den Bundesrat nachsteuern. Deshalb haben wir schon im Ausschuss Ihren Antrag abgelehnt und werden das heute hier genauso mit Ihrem Entschließungsantrag machen. Wir halten aber die Türen gerne auf, um im Januar oder Februar gemeinsam nach Sichtung der Evaluation mit allen Parteien hier im Parlament etwas zu machen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Jörg. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Tenhumberg das Wort.

Bernhard Tenhumberg*) (CDU): Frau Präsidentin! Herr Vizepräsident!

(Heiterkeit – Wechsel von Vizepräsident Dr. Gerhard Papke zu Präsidentin Carina Gödecke)

Meine Damen und Herren! Der Bundesgesetzgeber hat am 1. Januar 2012 das Bundeskinderschutzgesetz erlassen. Damit wurde geregelt, dass unter anderem Haupt- und Ehrenamtliche, die Kinder oder Jugendliche beaufsichtigen, betreuen, erziehen oder ausbilden oder einen vergleichbaren Kontakt zu ihnen haben, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen haben. Diese Regelung macht Ärger, weil sie zu bürokratisch und aufwendig für die ehrenamtlichen Strukturen ist.

Drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes muss man auch festhalten, dass ein wirksamer Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt insbesondere durch Qualifizierung und Sensibilisierung sowie durch weitere Maßnahmen zur Prävention und nicht durch die bloße Überprüfung von Führungszeugnissen zu erreichen ist. Das gilt umso stärker, je mehr Arbeitszeit, ehrenamtliches Engagement oder andere Ressourcen durch den bürokratischen Aufwand im Rahmen des Zustandekommens der Vereinbarung nach § 72a SGB VIII und den formellen Akt der Überprüfung von Führungszeugnissen gebunden werden, die sinnvoller für präventive pädagogische Angebote verwendet werden könnten.

Die bisherigen umständlichen Regelungen zum erweiterten Führungszeugnis waren im Februar dieses Jahres Thema einer Anhörung im Deutschen Bundestag. Die obligatorische Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses von ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Kinder- und Jugendarbeit soll durch eine vereinfachte, bereichsspezifische Auskunft des Bundeszentralregisters ersetzt werden. Dies war das einhellige Votum von acht Experten und Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses des Deutschen Bundestages.

Um Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen zu schützen, müssen nach dem Bundeskinderschutzgesetz Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit ein erweitertes Führungszeugnis vorweisen, aus dem hervorgeht, dass sie bislang nicht nach den in § 72a SGB VIII aufgeführten Straftatbeständen verurteilt worden sind. Diese Regelung ist nach Ansicht der Sachverständigen jedoch zu bürokratisch, datenschutzrechtlich umstritten, verursacht zu hohe Kosten und verunsichert viele Vereine und deren Mitarbeiter, die sich oftmals einem Generalverdacht ausgesetzt sehen.

Meine Damen und Herren, neben den Sachverständigen war auch der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Meinung, eine bereichsspezifische Auskunft beim Bundeszentralregister erfülle den gleichen Zweck wie die Vorlage eines Führungszeugnisses. Damit wäre es ausreichend, dem Antragsteller mitzuteilen, ob ein einschlägiger Eintrag vorliegt oder nicht. Es wäre wünschenswert, wenn sich dies als eine Selbstverständlichkeit in der Kinder- und Jugendarbeit durchsetzen würde.

Meine Damen und Herren, der nordrhein-westfälische Staatssekretär, Herr Neuendorf, hat uns in der Ausschusssitzung am 24. September dieses Jahres daran erinnert, dass mit Blick auf die Anhörung auf Bundesebene bereits an den dort gemachten Vorschlägen beispielsweise in Bezug auf das Bundeszentralregister gearbeitet werde. Diesen Vorschlag unterstütze das Ministerium.

Meine Damen und Herren, nichts anderes wird in dem nun durch Punkt 3 ergänzten Antrag der FDP gefordert. Durch die Nachbesserung dieses Antrags ist auch die Zustimmung der CDU-Fraktion möglich geworden. Wir haben uns im Ausschuss ja der Stimme enthalten. Aber durch den neuen Punkt 3 ist eine klare Forderung gestellt worden, die der Staatssekretär und damit das Ministerium dieses Landes mit unterstützt. Wir sehen überhaupt keine Veranlassung, dieser Forderung nicht zuzustimmen.

Wir können zwar über die Punkte 1 und 2 noch diskutieren. Sie sind für uns aber nebensächlich. Der Punkt 3 ist das Entscheidende. Wir müssen eine Entbürokratisierung dieser Angelegenheit erreichen. Wir brauchen eine Optimierung der Strukturen durch vereinfachte Regelungen.

Wenn auch alle Experten und der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs dieses fordern und das Ministerium – nachweisbar im Protokoll der Ausschusssitzung vom 24. September 2015 – dieses ebenfalls unterstützt und in der Ministerkonferenz durchsetzen will, frage ich Sie, meine Damen und Herren: Warum wollen Sie diesem Punkt 3 nicht zustimmen?

Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie dem zu. Der Landtag sollte ein eindeutiges Zeichen geben, damit zu einer vereinfachten Regelung kommen, die den gleichen Schutz herbeiführt. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, lieber Kollege Tenhumberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Hanses.

Dagmar Hanses*) (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verkehrte Welt – die CDU stimmt dem FDP-Antrag zu. Die FDP ist nicht im Bundestag und konnte deshalb wohl einige Ereignisse, die im Bundestag und in den beratenden Ausschüssen gelaufen sind, nicht verfolgen.

Lieber Herr Kollege Hafke, ich habe Ihnen die Stellungnahme des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs noch gereicht, weil Sie sie nicht gesehen haben. Genau das, was Sie in Punkt 3 fordern, wurde in der Anhörung des Bundestages im Februar dieses Jahres so beraten und nach Meinung aller Sachverständigen so gefordert.

Ihr vorliegender Antrag ist von Januar 2015. Wir haben jetzt November 2015. Wir haben auch gehört, dass die Evaluation des Gesetzes im Bundestag am 15. Dezember dieses Jahres erfolgen wird.

Lieber Herr Hafke, nach der umfangreichen Beratung im Bundestag und nach der umfangreichen Beratung hier haben Sie zwar Zeit von Januar bis November, aber nicht mehr bis Dezember, um zu sehen, ob die Bundesregierung dem so folgen wird, wie es im Bundestag beraten wurde. Das können wir nicht nachvollziehen.

Nun komme ich zu unserer Kritik am Bundeskinderschutzgesetz, das – ich darf daran erinnern – leider unter Kristina Schröder verabschiedet worden ist. Schon lange vor Kristina Schröder wurde diskutiert: Was hilft, um Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt und sexuellem Missbrauch in Verbänden, Institutionen und Einrichtungen zu schützen? – Ein Stück Papier garantiert nicht!

(Beifall von Wolfgang Jörg [SPD])

Wir brauchen umfangreiche Schutzkonzepte. Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens. Wir brauchen eine gewisse Sensibilität in den Verbänden, Vereinen und Institutionen. Sie müssen darauf achten, dass Kinder und Jugendliche ein Beschwerderecht haben, dass sie in ihrer Intimität geschützt werden, dass ihnen geglaubt wird und dass sie Vertrauenspersonen haben. Wir brauchen also umfangreiche Schutzkonzepte. Ein Stück Papier allein, das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis, hilft da nicht.

In der Tat würde die jetzt vorgeschlagene Regelung, nämlich die bereichsspezifische Auskunft aus dem Bundeszentralregister, einiges verbessern. Sie würde dabei helfen, den Datenschutz zu verbessern. Damit ließen sich viele Probleme lösen, die wir seit dem Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes haben. Deshalb würden auch wir diese Regelung bevorzugen.

Jetzt aber einen Änderungsantrag zum eigenen Antrag vorzulegen – und das mit einer Änderung, auf die ich Sie erst hingewiesen habe –, anstatt mal eben bis zum Dezember dieses Jahres zu warten, finden wir völlig obskur – und das für ein Gesetz, das bereits seit 2012 gilt.

Herr Hafke, damit haben Sie deutlich gemacht, dass Sie mit niemandem hier zusammenarbeiten wollen. Wenn die CDU das mitmacht, wenn sie sich im Ausschuss enthält und hier im Plenum dafür stimmt, dann kann sie das gerne tun. Für uns jedoch ist dieses Verhalten nicht kollegial. Es ist nicht nachvollziehbar und macht deutlich, dass Ihnen allein um einen Show-Antrag geht.

Es geht Ihnen nicht um die Jugendverbandsarbeit und auch nicht um die Ehrenamtlichen, sondern Sie ziehen hier lediglich eine rein populistische Show ab. Das machen wir nicht mit; das lehnen wir in jeder Form ab. Ihre vermeintliche Nähe zur Jugendverbandsarbeit ist uns dadurch auch nicht gerade deutlicher geworden. Das können Sie wem anders erzählen.

Ich sehe gerade, dass hier ein Licht leuchtet, Frau Präsidentin. Aber ich könnte mich noch mehr echauffieren.

Präsidentin Carina Gödecke: Das glaube ich Ihnen unbesehen; gar keine Frage. Das Licht leuchtet aber nur auf, um Ihnen anzuzeigen, dass es den Wunsch nach einer Kurzintervention gegeben hat. Die werden wir gleich auch zulassen. Waren Sie mit Ihrem Redebeitrag jetzt zu Ende?

Dagmar Hanses (GRÜNE): So weit ja, Frau Präsidentin.

Präsidentin Carina Gödecke: Dann danke ich Ihnen erst einmal für Ihren Redebeitrag. Ihre Fraktion tut das sicherlich auch. – Der Wunsch nach einer Kurzintervention besteht bei Herrn Kollegen Tenhumberg. Bitte schön.

Bernhard Tenhumberg*) (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Frau Hanses. – Als Vorbemerkung: Wenn ein Kollege hier im Parlament einen Änderungsantrag einreicht, ohne dies vorher mit uns abzusprechen, und dieser Änderungsantrag inhaltlich hervorragend ist, dann bin ich nicht empfindlich. Es geht mir da um die Sache. Das Verfahren ist mir dann letztlich egal.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Frau Hanses, es ist doch so: Im Anhörungsverfahren werden Meinungen artikuliert. Dann findet ein Meinungsbildungsprozess statt, in dem die Politiker diese Anhörung interpretieren. Insbesondere die Ministerialbürokratie – auch in Berlin – liest sich das Ganze durch. Anschließend wird daraus ein Gesetz oder eine Verordnung geschrieben.

Wäre es denn nicht sinnvoll – zumindest nach unserer Auffassung wäre es das –, dass sich ein so bedeutendes Bundesland wie Nordrhein-Westfalen dazu äußert, wie man mit dem Thema „erweiterte Führungszeugnisse“ umgeht? Im neuen Punkt 3 des FDP-Antrags wird genau das beschrieben, was – so wie ich das beurteile – fünf Fraktionen im Landtag von Nordrhein-Westfalen fordern.

Da sollten wir uns doch artikulieren und sagen: Liebe Bundesregierung, lieber Gesetzgeber in Berlin, wir möchten das so, wie es die Sachverständigen artikuliert haben. Schreibt bitte in den Gesetzentwurf nichts anderes hinein als das, was der Bundesbeauftragte und was die Sachexperten gesagt haben. – Dazu sollten wir uns doch klar bekennen. Das ist eine Aufforderung der FDP, die wir jetzt gerne unterstützen.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. Das war zeitlich gesehen eine Punktlandung.

(Zuruf: So ist er!)

Frau Kollegin Hanses hat jetzt, wenn sie mag, anderthalb Minuten Zeit zum Antworten.

Dagmar Hanses*) (GRÜNE): Frau Präsidentin, ich versuche das in anderthalb Minuten. – Lieber Kollege Tenhumberg, ich weiß, dass es Ihnen wirklich um die Sache geht. Ich bin sicherlich auch nicht empfindlich, wenn es darum geht, über den Vorschlag einer Oppositionsfraktion zu sprechen.

Aber der Antrag der FDP an dieser Stelle ist doch nur Show. Der Hinweis auf die Anhörung im Bundestag kam wirklich von uns. Die FDP hätte sie sonst gar nicht wahrgenommen.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

– Lieber Marcel Hafke, ich habe Ihnen in der Fachausschusssitzung das Papier rübergereicht. Etwas anderes können Sie wirklich wem anders erzählen.

Lieber Herr Kollege Tenhumberg, um Ihnen zu antworten: Selbstverständlich können wir hier aus Nordrhein-Westfalen ein Signal senden. Selbstverständlich hat die Landesregierung das auch schon häufig getan.

(Zuruf von der Regierungsbank: Genau!)

Selbstverständlich wird die Jugendministerin ebenso wie alle anderen Regierungsmitglieder – da bin ich mir sehr sicher – eine pragmatische Lösung bevorzugen, wie wir sie auch im Ausschuss beraten haben.

Selbstverständlich ist es auch ihre Aufgabe, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen.

Leider befinden gerade wir uns als Oppositionsfraktion im Bundestag in einer ganz schlechten Lage. Aber da die beiden großen Fraktionen die Bundesregierung stellen, kann es doch nicht sein, dass ein Ministerium etwas anderes schreibt als das, was im Bundestag beschlossen wird.

Selbstverständlich brauchen wir ein klares Bekenntnis für den Kinder- und Jugendschutz sowie für ehrenamtliche Jugendarbeit in Vereinen, in Verbänden und im Sport.

Selbstverständlich möchten wir die hier vorgesehene Regelung für eine bereichsspezifische Auskunft aus dem Bundeszentralregister.

Dieses Signal können wir hier gerne senden. Aber dafür brauchen wir doch die FDP nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die FDP hat jetzt Herr Kollege Hafke das Wort.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst einmal finde ich es sehr befremdlich, dass die Ministerin Kampmann heute bei ihrer zweiten Debatte nicht im Plenum ist. Gerade bei einem so zentralen Thema finde ich das etwas unangemessen.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Es ist nun einmal so. Ich halte es schon für wichtig, dass man gerade bei einem solchen Thema im Plenum anwesend ist.

Ich glaube, alle in diesem Raum sind sich inhaltlich einig: Die Regelung zu den erweiterten Führungszeugnisse ist in der Form, wie sie eingeführt wurde, nicht praktikabel und nicht sinnvoll. Wir alle wollen einen guten Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland. Da muss man überlegen, welche Maßnahmen die richtigen sind.

Was wir in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren schon erlebt haben, haben uns die Verbände hier in Nordrhein-Westfalen regelmäßig geschildert. Darauf haben die damalige Regierung und auch die regierungstragenden Fraktionen jedoch nicht reagiert.

Deshalb haben wir uns im Januar dieses Jahres dazu entschlossen, einen Antrag zu stellen, damit dieses Thema hier im Landtag diskutiert wird. Ich bin auch sehr froh darüber, dass wir eine Anhörung dazu durchgeführt haben. In dieser Anhörung sind die Probleme noch einmal ganz deutlich geworden. Die Sportverbände, der Landesjugendring, die anderen Träger und die Verbände haben teilweise von Nötigung seitens der Kommunen gesprochen; sie haben berichtet, dass bürokratische Hürden bestehen und dass es datenschutzrechtliche Probleme gibt.

Im Parlament und im Ausschuss sind wir uns doch im Grunde inhaltlich einig, dass wir in Berlin eine andere Vorgehensweise brauchen, nämlich einen Auszug aus dem Bundeszentralregister, wie er vorgeschlagen wurde.

Liebe Dagmar Hanses, was Sie zur Herkunft des Änderungsantrags sagen, ist mir eigentlich ziemlich egal; denn auch wir können in die Unterlagen des Bundestages einsehen und mit den Verbänden darüber sprechen, welche Vorschläge im Raume stehen. Wenn so ein guter Vorschlag vorhanden ist, ist es, glaube ich, jedem Demokraten gut angeraten, diesem Antrag zuzustimmen und ein klares Signal nach Berlin zu senden.

Wir haben hier im nordrhein-westfälischen Landtag zigmal über das Betreuungsgeld diskutiert. Da wurden über Grenzen hinweg Beschlüsse gefasst, obwohl das Ganze vom Verfassungsgericht diskutiert wurde. Ich bin der Meinung: Wenn man hier ein klares Signal setzen kann, braucht man nicht bis zum 15. Dezember dieses Jahres zu warten, nur weil wieder die falsche Fraktion auf dem Briefkopf steht. Ich glaube, das hat nichts mit Demokratie und dem Annehmen von Argumenten zu tun.

Lieber Wolfgang Jörg, Sie beschweren sich darüber, dass wir einen Änderungsantrag zu unserem eigenen Antrag stellen. Dass wir das tun, hängt vielleicht damit zusammen, dass im laufenden Prozess gute Ideen geäußert wurden, die man aufnehmen kann. Es ist, glaube ich, auch ein sinnvolles Verfahren, das dann in einem solchen Ausschuss mit zu integrieren.

Im Ausschuss hat sich gerade die SPD – ich möchte das hier noch einmal darlegen, damit es auch im Protokoll steht – darüber lustig gemacht, dass wir einen runden Tisch gefordert haben. Ich sage noch einmal: Dieser runde Tisch ist zentral und notwendig.

Wenn sich Sportverbände, der Landesjugendring NRW, der BDKJ und andere darüber beschweren, dass sie mit den Kommunen keine Regelungen hinbekommen, dann erwarte ich von einer Landesregierung, dass sie hier Hilfestellung gibt.

In der Anhörung wurde geäußert, dass ca. 40 Jugendämter hier blockieren. Dann kann doch eine große regierungstragende Fraktion wie die SPD nicht einfach darüber hinweggehen, sondern muss sich Instrumente einfallen lassen. Dann kann ein runder Tisch oder eine Taskforce eine Möglichkeit sein.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Hafke, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt unterbreche. Es gibt den Wunsch nach zwei Zwischenfragen, zum einen von Frau Kollegin Hanses und zum anderen von Herrn Kollegen Jörg.

Marcel Hafke (FDP): Ja, Frau Präsidentin.

Präsidentin Carina Gödecke: Beide? – Okay. Dann erst Frau Kollegin Hanses.

Dagmar Hanses*) (GRÜNE): Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Herr Kollege Hafke, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Landesrat Lorenz Bahr gerade allen Konfliktbeteiligten angeboten hat, wenn es vor Ort Konflikte bei der Umsetzung gibt, diese anstelle an einem runden Tisch in Einzelgesprächen zu klären, und dass sich auf diese Anfrage niemand, wirklich niemand beim Landesrat bzw. beim LVR gemeldet hat?

Marcel Hafke (FDP): Frau Kollegin, ich möchte direkt darauf antworten. Es ist schon hochinteressant, dass Sie diesen Punkt einbringen. Im letzten Jahr habe ich dieses Thema im Ausschuss auf die Agenda gebracht. Wir haben die kommunalen Spitzenverbände eingeladen. Die kommunalen Spitzenverbände haben gesagt, dieses Problem würde überhaupt nicht vorherrschen. Ministerin Schäfer hat gesagt, dieses Problem würde es überhaupt nicht geben. Man kann sich doch nicht jetzt auf einmal hier hinstellen und sagen, dass die Verbände innerhalb von ein paar Wochen reagieren und die Probleme schildern sollen. Ich finde es stark, dass man den Verbänden jetzt unterstellt, dass es diese Probleme nicht gibt.

Die Verbände – das haben Sie ja auch gesagt – haben klar geschildert, dass es diese Herausforderungen gibt. Die Sportverbände haben diese Probleme geschildert. Die kommunalen Spitzenverbände haben im Sommer dieses Jahres zum ersten Mal überhaupt eingeräumt, dass es ein Problem gibt. Insofern muss man ihnen die Chance geben, in ihrer ehrenamtlichen Funktion überhaupt einmal auf so etwas zu reagieren.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Dann schalte ich jetzt das Mikrofon für Herrn Kollegen Jörg frei.

Wolfgang Jörg (SPD): Auch von mir vielen Dank dafür, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Niemand leugnet, dass in der Anhörung diese Problemlagen geschildert wurden. Dass wir sie auch zur Kenntnis genommen haben, ist doch gar keine Frage.

Deshalb noch einmal die Nachfrage: Wie erklären Sie sich denn, dass keine einzige Anfrage an den zuständigen Dezernenten gekommen ist? Wie kann man das erklären? Liegt es vielleicht daran, dass die Jugendämter im Verlauf des Prozesses ihre Arbeit verändert haben, sodass sich einige Problemlagen aufgelöst haben? Oder wie erklären Sie sich das?

Marcel Hafke (FDP): Ich finde diese Frage schon extrem interessant; denn wenn man nach der Argumentation weiter vorangehen würde, müsste man das in Berlin ja gar nicht gesetzlich regeln, weil sich dann alle Probleme im Laufe der Zeit von selbst gelöst hätten.

Lieber Kollege Wolfgang Jörg, die Kollegen von den Verbänden haben in der Anhörung des Ausschusses klipp und klar geäußert, dass es diese Probleme gibt. Die SPD-Fraktion hat das anerkannt. Auch die Landesregierung hat es anerkannt. Es gibt einen Lösungsvorschlag auf Bundesebene, dem die SPD-Fraktion, die Grünen-Fraktion, die CDU-Fraktion – sie hat das heute auch noch einmal bestätigt –, die FDP-Fraktion und, soweit ich weiß, auch die Piraten zugestimmt haben. Sie sagen, dass das ein guter Lösungsvorschlag ist.

Jetzt liegt es doch wieder an der Problematik, dass Sie sagen: Auf dem Briefkopf steht die falsche Partei oder die falsche Fraktion. – Es wäre doch ein gutes Signal, Frau Ministerin Kampmann dabei zu unterstützen, in Berlin dieses Ergebnis zu erreichen.

Wissen Sie, warum ich mich darum bemühe, dass wir diesen Beschluss hier treffen? Ich sage Ihnen das ganz deutlich. Ich höre mir nun seit anderthalb Jahren von Frau Ministerin Schäfer und von Ihnen an, dass das Gesetz in Berlin ja geändert werde; wir müssten uns gar keine Gedanken machen. Nach der Anhörung, die wir im Frühjahr hatten, und nach den Evaluationsergebnissen, die bislang vorliegen, können wir eigentlich die Konsequenz ziehen, dass dieses Gesetz voraussichtlich nicht geändert wird.

Insofern wäre ein einstimmig getroffener Beschluss in dem größten Bundesland, in Nordrhein-Westfa-len, ein wichtiges Signal an die Sportverbände, an die Wohlfahrtspflege und an die anderen Verbände, dass hier wirklich eine Entlastung bzw. eine Bürokratiebekämpfung auf den Weg gebracht wird. Ich glaube, dass sich auch eine regierungstragende Fraktion damit keinen Zacken aus der Krone bricht. Sie müssen aber selber wissen, wie Sie da den Betroffenen gegenüber argumentieren wollen.

(Beifall von der FDP)

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich festhalten: Wir sind uns dort inhaltlich einig. Es liegt ein guter Vorschlag vor. Sie können dem heute zustimmen. Ich glaube, es ist notwendig, hier endlich Fakten zu schaffen, damit Nordrhein-Westfalen dort klar positioniert ist. Auf einen Goodwill oder nette Sonntagsreden sollten wir an dieser Stelle verzichten. Die Betroffenen wissen, dass es ganz wichtig ist, hier schnelle Lösungen herbeizuführen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Kollege Düngel.

Daniel Düngel*) (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mein Popcorn im Büro vergessen. Das war hier schon großes Kino und für eine richtig schöne große Schüssel Popcorn geeignet.

Wie auch immer! Gucken wir uns das Verfahren noch einmal an. Herr Hafke, ich kann vorwegnehmen – das habe ich schon letzte Woche im Ausschuss gesagt –: Selbstverständlich stimmen wir dem FDP-Antrag zu. Eigentlich haben wir auch schon dem originären FDP-Antrag zugestimmt. Wir werden natürlich auch dem Änderungsantrag zustimmen. Das ist auch eine Konsequenz, die sich eigentlich aus der Beratung von letztem Donnerstag ergeben hat. Ich komme nachher aber noch einmal darauf zurück.

Kinderschutz ist – da sind wir uns in allen Fraktionen selbstverständlich einig – natürlich wichtig. Wir sind uns auch einig, dass das Bundeskinderschutzgesetz im Januar 2012 da zumindest einen richtigen Weg eingeschlagen hat.

Jetzt gibt es an der einen oder anderen Stelle die eine oder andere Stellschraube, an der man noch ein bisschen drehen muss. Das ist auch alles ganz normal. Dafür gibt es eben diesen Evaluationsprozess im Bund.

So weit alles schön und gut! Aber was spricht dagegen, wenn wir im Land Nordrhein-Westfalen Problemstellungen erkennen, eine Anhörung im Landtag durchzuführen, bei der die Betroffenen, die Vereine und die Verbände, ganz klar und deutlich schildern, dass es an der und der Stelle Probleme bei uns im Land gibt? Was spricht dagegen, dass wir uns genau dieser Probleme annehmen und vom Land Nordrhein-Westfalen eine starke Aussage in Richtung Bund machen, und zwar noch während des Evaluationsprozesses, wie sich das Land Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle verhalten möchte?

Nichts spricht dagegen, gar nichts! Wir greifen nicht in irgendein laufendes Gesetzgebungsverfahren oder sonst etwas ein. Wir positionieren uns hier. Wir verabschieden kein neues Gesetz, das morgen gilt und übermorgen schon wieder überholt ist, sondern versuchen, die dringendsten Probleme in diesem Bereich von uns aus ein bisschen in den Griff zu bekommen und ein bisschen daran zu drehen, soweit wir das von hier aus machen können. Die Bundesgesetze können wir eben nicht von hier aus ändern. Das kann letzten Endes nur der Bundestag tun.

Liebe Dagmar Hanses, schön und gut! Natürlich ist über den Bundesrat auch ein entsprechender Einfluss des Landes gegeben. Aber es ist doch der sinnvollere Weg, wenn wir diesen Einfluss möglichst frühzeitig geltend machen und uns als Land von Anfang an positionieren. Dafür brauchen wir nicht zu warten, bis Mitte Dezember dieses Jahres die Evaluation abschließend vorliegt.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Konfliktlage ist also klar. Die Verbände und die Vereine signalisieren, dass es diese Probleme gibt.

Der Antrag – Marcel Hafke hat es gerade gesagt – ist möglicherweise auf dem falschen Briefbogen gedruckt. Das ist wohl der tatsächliche Grund. Ich vermute, dass wir heute auch einen rot-grünen Antrag beraten könnten, der vielleicht in eine ähnliche Richtung ginge. Der runde Tisch würde nicht runder Tisch heißen, sondern Taskforce. Dann wäre alles schön; alles wäre ein mit der Landesregierung und dem Land Nordrhein-Westfalen kompatibles Programm überführt.

Einen solchen rot-grünen Antrag haben wir aber nicht. Wir haben den FDP-Antrag. Die FDP war an der Stelle ein kleines bisschen schneller und hat dieses Thema aufgegriffen.

Aber genau dafür machen wir dann doch die Anhörung. Wir beraten in mehreren Ausschusssitzungen hier im Landtag genau dieses Problem. Mir ist, ehrlich gesagt, völlig wumpe, welche Partei oben draufsteht, wenn am Ende das Richtige in dem Antrag drinsteht.

Deswegen – so habe ich es eben gesagt – werden wir beiden Anträgen zustimmen. Der Landesjugendring bzw. Bundesjugendring haben diverse Vorschläge gemacht. Ein Vorschlag ist in dem Änderungsantrag noch mit aufgegriffen worden. Auch das ist ein guter Weg.

Um es an dieser Stelle noch einmal ganz klar und deutlich festzuhalten: Dieser Evaluationsprozess, den wir im Bund haben, widerspricht nicht dem heutigen Antrag, der hier zur Abstimmung vorliegt.

(Beifall von Bernhard Tenhumberg [CDU])

Es ist ein paralleles Verfahren. Das greift ineinander, aber läuft nicht gegeneinander.

Deswegen, lieber Bernhard Tenhumberg, freut es mich sehr, dass die CDU-Fraktion sich durchringen konnte, beiden Anträgen zuzustimmen. Die Opposition stimmt für diesen Antrag, obwohl die FDP draufsteht und nicht die CDU, die Piraten oder sonst was. Wir machen sachorientierte Politik. Deswegen bekommt dieser Antrag unsere Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze in Vertretung für Frau Ministerin Kampmann.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Hafke, erst einmal vorweg: Ministerin Kampmann ist heute auf der Bund-Länder-Konferenz zum Thema „Kita“. Ich denke, es ist wichtig, dass sie dort die Interessen von Nordrhein-Westfalen vertritt und wir als Land in diesen Verhandlungen wirklich dabei sind. Deswegen kann sie heute nicht hier sein.

Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir uns als Landesregierung darüber freuen, dass alle hier offensichtlich ein gemeinsames Anliegen haben, nämlich Kinder und Jugendliche bestmöglich vor Übergriffen zu schützen. Das hat sich heute in der Debatte schon gezeigt. Es hat sich auch schon in den beiden Fachausschüssen und in der Anhörung mit den Sachverständigen gezeigt.

Der § 72 SGB VIII spielt dabei eine wichtige Rolle. Der Bundesgesetzgeber wollte damit den Kinderschutz für die Jugendämter und für die freien Träger der Jugendhilfe, zu denen auch die Sportverbände gehören, weiter verbessern. Das hat aus unserer Sicht im Kern funktioniert – auch deshalb, weil es durch die neue Vorlagepflicht erstmals mit allen Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen, die in regelmäßigem Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen, einen intensiven Austausch über das Thema „sexueller Missbrauch“ gegeben hat. Sie wurden für das Thema sensibilisiert und sind wachsamer geworden.

Wir wissen aber auch alle: Die Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen reicht für einen wirksamen Kinderschutz allein nicht aus. Sie ist aber ein wichtiger Teil eines Präventions- und Schutzkonzeptes für Kinder und Jugendliche, das vor Ort entwickelt werden sollte.

Trotzdem nehmen wir die kritischen Anmerkungen zum erweiterten Führungszeugnis, vor allen Dingen von den Sportvereinen und Sportverbänden, ernst. Das haben wir auch schon aufgegriffen. Wir unterstützen den Vorschlag des Deutschen Bundesjugendrings und des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, der lautet:

„Das erweiterte Führungszeugnis sollte durch eine Bescheinigung ersetzt werden, die unmittelbar durch das Bundeszentralregisteramt ausgestellt wird und die nur die Information enthält, dass kein Tätigkeitsausschluss nach § 72a vorliegt.“

Damit könnte der bürokratische Aufwand minimiert werden. Die Rechtssicherheit für die Personen, die mit der Einsichtnahme betraut sind, könnte erhöht werden. Gleichzeitig wird ausgeschlossen, dass sie Kenntnis von nicht einschlägigen Straftaten erhalten.

Dass die Landesregierung diese Lösung für richtig hält, haben wir dem Bund bereits im Frühjahr bei der Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes mitgeteilt.

(Beifall von Dagmar Hanses [GRÜNE] und Sigrid Beer [GRÜNE] – Dagmar Hanses [GRÜNE]: So ist es!)

Wir haben das übrigens auch dem Ausschuss für Familie, Kinder, Jugend und Sport – zum Nachlesen: in der Vorlage 16/2828 vom 13. April 2015 – mitgeteilt.

Wir sind sehr zuversichtlich, dass diese bundesgesetzliche Änderung Anfang 2016 umgesetzt wird. Sie können uns glauben, dass wir das mit Nachdruck begleiten werden. Das ist der richtige Weg hin zu einer praktikablen Lösung.

Meine Damen und Herren, ein landesweiter runder Tisch, wie Sie ihn sich wünschen, ist dagegen nicht praktikabel. Einzelne Problemfälle können nur ganz konkret vor Ort geklärt werden; da, wo es nötig ist, auch unter Beteiligung der entsprechenden Spitzenverbände und der Landesverbände.

Die Landesjugendämter sind gerne bereit, bei einzelnen Fällen zu moderieren und zu unterstützen. Das ist eine schlüssige, vernünftige Vorgehensweise, anstatt direkt große Strukturen zu schaffen, die uns konkret nichts bringen.

Klare Regelungen und praktikable Strukturen sind gerade für die Ehrenamtlichen wichtig, die wir entlasten wollen. Sie sind auch wichtig für eine klare Haltung der Träger und für einen breiten Bewusstseinswandel, damit die Vorlagepflicht für Ehrenamtliche künftig nicht mehr als Verunsicherung und Zumutung, sondern als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Wenn keine weiteren Wortmeldungen angemeldet werden, was der Fall zu sein scheint, schließe ich die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 10.

Wir kommen zur Abstimmung erstens über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/10136. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP-Fraktion, die CDU-Fraktion und die Piraten. Wer stimmt dagegen? – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Änderungsantrag Drucksache 16/10136 der Fraktion der FDP abgelehnt.

Wir kommen damit zweitens zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/7781. Der Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend empfiehlt in Drucksache 16/10102, den Antrag abzulehnen. Wir führen jetzt die Abstimmung über den Antrag selbst durch. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP, die CDU und die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Beim fraktionslosen Abgeordneten Schwerd eine Enthaltung. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis auch der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/7781 abgelehnt worden.

Ich rufe auf:

11       Partnerland Ghana ernst nehmen – Entwicklung des Gesundheitssystems unterstützen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/10063

Ich eröffne die Aussprache, und Frau Kollegin Klöpper hat für die antragstellende Fraktion jetzt das Wort.

Rita Klöpper*) (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Ausschuss und auch hier im Plenum wurde schon mehrfach über unser Partnerland Ghana gesprochen. Zuletzt haben wir im Ausschuss für Europa und Eine Welt am 19. Juni 2015 mit Fachleuten geredet, welche Potenziale sie noch für die Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit sehen.

Die Experten waren sich einig: Meine Damen und Herren, es stimmt, dass Ghana besser aufgestellt ist, als es andere afrikanische Staaten sind. Daten zur Lebenserwartung, zur Gesundheit von Müttern und Kindern sowie anderes mehr sind besser. Darauf können die Ghanaer wirklich stolz sein.

Aber, verehrte Kollegen, auch wir können darauf stolz sein – war es doch damals eine kluge Entscheidung vom Ministerpräsidenten Dr. Rüttgers und später auch von Armin Laschet, Ghana als Partnerland von Nordrhein-Westfalen weiterhin auszuwählen und die vielen guten Projekte, die es in beiden Ländern auch schon vorher gab, zu unterstützen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nichtsdestotrotz gibt es auch weiterhin große Herausforderungen. Eine bedeutende Aufgabe ist es zum Beispiel immer noch, einen besseren Umgang mit den medizinischen Abfällen zu erreichen. Daher ist es eigentlich gut gewesen, dass die Landesregierung den Bau einer Verbrennungsanlage in Kumasi unterstützt. Aber seien wir ehrlich: Das muss doch nicht alles sein.

Gerade im Kampf gegen die Infektionskrankheiten haben wir in Nordrhein-Westfalen als Gesundheitsland Nummer eins in Deutschland Kompetenzen, die den Menschen in Ghana helfen könnten – und damit natürlich uns allen auch.

Ich denke auch an Klinikpartnerschaften oder überhaupt an die engere Zusammenarbeit von medizinischen Fakultäten, um so die Ausbildung und die Praxis im Partnerland zu verbessern. Unser Ziel muss es sein, den Menschen im eigenen Land zu helfen, damit sie nicht gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen – warum auch immer. Wohin das führt, haben wir gerade in vielen Beispielen vor Augen.

Ghana wünscht sich herzlich die Unterstützung seiner westlichen Partner. So hat es der ghanaische Staatspräsident Mahama bei einem Besuch in Deutschland am 19. Januar gesagt. Es gehe unter anderem darum, in Ghana und in Afrika die Gesundheitssysteme zu ertüchtigen, damit sie neue große Epidemien künftig besser überstehen.

Dazu wollen wir als CDU-Fraktion gern einen Beitrag leisten. Erinnern Sie sich: Dieser Landtag hat auf Initiative von SPD und Grünen beschlossen, dass Nordrhein-Westfalen dabei mithelfen soll, die Ziele der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ umzusetzen.

Wir regen an, dabei das Ziel 3 dieser UN-Agenda besonders im Blick zu haben, nämlich ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern. Sie haben Bedarfe und Potenziale in der Anhörung aufgezeigt, die in Nordrhein-Westfalen vorhanden sind. Diese Bedarfe sind zu erfüllen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben unseren Antrag auch deshalb eingebracht, weil die Zusammenarbeit mit Ghana, soweit es um die Zusammenarbeit auf zwischenstaatlicher Ebene geht, neue Impulse braucht. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass es zwei Jahre nach dem Auslaufen des alten Partnerschaftsabkommens noch kein neues Abkommen mit Ghana gibt.

Erfreulicherweise hat uns jetzt Minister Lersch-Mense in dieser Woche mitgeteilt, es gebe positive Signale aus Ghana für ein neues Abkommen. Herzlichen Glückwunsch dem Minister, dass ihm das in den Schoß gefallen ist. – Wir freuen uns mit Ihnen.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD: Tss!)

Wir danken den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ministeriums, die sich dafür eingesetzt haben. Aber ein positives Signal ist noch kein Abkommen. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir beharrlich darauf drängen werden, dass Nordrhein-Westfalen ein neues Partnerschaftsabkommen mit Ghana schließt. Wir regen an, in den weiteren Gesprächen mit der Regierung in Ghana das Thema der Gesundheitspolitik besonders einzubringen.

Darüber sollten wir im Ausschuss noch einmal gründlich nachdenken und diskutieren. Darum bitte ich Sie um die Überweisung des Antrages in die Ausschüsse. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Klöpper. – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Hendricks das Wort.

Renate Hendricks*) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ja, Frau Klöpper, es ist richtig, seit 2007 gibt es einen Partnerschaftsvertrag mit Ghana. Es ist auch richtig, dass dieser Partnerschaftsvertrag in der Zwischenzeit geruht hat. Aber das heißt nicht, dass es in der Zwischenzeit kein zivilgesellschaftliches Engagement zwischen Nordrhein-Westfalen und Ghana gegeben hat. Die Staatskanzlei hat gerade noch – übrigens auf Ihren Wunsch – eine Liste vorgelegt, in der sehr deutlich aufgeführt wird, welche Partnerschaften es in dieser Zeit zwischen Ghana und Nordrhein-Westfalen gegeben hat.

Gar nicht verstehen kann ich aber, dass die CDU sozusagen eine Antragsflut in den Landtag eingebracht hat. Erst will sie die Ebola-Krise in Ghana bekämpfen, dann will sie eine Anhörung durchführen. Und jetzt kommt sie wieder damit an, dass wir in Ghana ein Gesundheitssystem aufbauen sollen. Das wird damit begründet, dass eine der SDGs sagt, dass das Gesundheitssystem aufgebaut werden sollte.

An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass die WHO ganz deutlich sagt, dass Ghana das beste Gesundheitssystem in Westafrika hat. Vielleicht sollten Sie an der Stelle einfach einmal überlegen, ob die Fokussierung auf das Gesundheitssystem wirklich die richtige Perspektive ist. Neben diesem einen Ziel aus den SDGs gibt es noch 16 andere. Diese 16 anderen Ziele sind dann auch die Grundlage, so denke ich, für einen Partnerschaftsvertrag mit Ghana.

Meine Damen und Herren, Sie weisen weiter darauf hin, dass ein gut funktionierendes Gesundheitssystem am Ende dazu führen wird, dass die Menschen aus Ghana nicht fliehen. Wir haben uns dazu die Zahlen einmal angesehen. Die sind uns übrigens auch von der Landesregierung vorgelegt worden. Im letzten Jahr sind 489 Personen aus Ghana hier angekommen, die einen Asylantrag gestellt haben. Das sind genau 25 Anträge mehr als im Jahr zuvor.

Ich will jetzt nicht behaupten, dass die Menschen aus Deutschland fliehen, aber 2013 betrug die Auswandererzahl aus Deutschland 787.886. Ich finde, das ist einfach keine Relation, mit der Sie hier umgehen. Ghana ist ein Land mit einer Demokratie, einem guten Gesundheitssystem und einer Wirtschaft, die wächst.

Infolgedessen ist das, was Sie hier mit der Fokussierung auf den Gesundheitssektor tun – und das auch noch versehen mit dem Hinweis, dass eine Verbesserung im Gesundheitssektor die Zahl der Flüchtlinge aus Ghana reduziert –, angesichts der allgemeinen Krise, die wir zurzeit in der Welt haben, einfach eine Farce. Diese Frage dürfte man eigentlich in diesem Landtag nicht diskutieren.

Meine Damen und Herren, richtig ist allerdings, dass es in der Zwischenzeit gelungen ist, einen Partnerschaftsvertrag mit Ghana auszuhandeln. Dieser Partnerschaftsvertrag ist unterschriftsreif und ist dem Auswärtigen Amt zugeleitet worden. Sie wissen, dem Land Nordrhein-Westfalen obliegt keine originäre Entwicklungspolitik. Wir müssen solche Verträge dem Auswärtigen Amt zuleiten. Das Auswärtige Amt prüft sie und wird sicherlich angesichts dessen, dass es ein Folgevertrag ist, diesem Vertrag auch zustimmen.

Das Aushandeln von Verträgen hat immer etwas damit zu tun, dass es Menschen sind, die etwas miteinander verabreden. Deshalb möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich Angelica Schwall-Düren danken, die sich dafür noch einmal vehement eingesetzt hatte, und der ghanaischen Botschafterin. Nachdem wir nämlich eine neue ghanaische Botschafterin hatten, bekamen diese Verhandlungen einen ganz anderen Drive. Es ist diesen beiden Damen zu verdanken, dass wir jetzt einen Vertrag vorlegen können.

Ich freue mich, dass wir demnächst sicherlich den unterschriftsfähigen Vertrag zur Kenntnis bekommen. Ich denke, dass wir dann mit Ghana nicht nur ein Ziel, sondern 17 Ziele umsetzen werden, die dann auch Bildung, Kultur und Wissenschaft umfassen, die bereits heute von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen umgesetzt werden. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, wir haben uns als Fraktion etwas gewundert, dass nun zum zweiten Mal von der CDU-Fraktion ein Antrag zum Thema „Ghana und Gesundheitsversorgung“ auf dem Tisch liegt. Wir hatten in den letzten Ausschusssitzungen bereits einen Antrag von Ihnen beraten, der Ghana im Zusammenhang mit der Ebola-Krise behandelt hat. Es gab dazu ein Expertengespräch.

In diesem Expertengespräch ist sehr deutlich geworden: Erstens haben die Experten uns gesagt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Ebola und Ghana gibt. Ghana ist nicht von Ebola betroffen. Zweitens haben die Experten einige Projekte genannt, bei denen sich Nordrhein-Westfalen innerhalb des Gesundheitssystems in Ghana bereits engagiert.

Ich weiß nicht, Frau Klöpper, ob Sie dabei waren – ich weiß auch nicht, ob Sie dabei waren, als wir die Anhörung ausgewertet haben –, aber sowohl die Kollegin Hendricks als auch die Landesregierung als auch ich haben noch einmal darauf verwiesen, dass es eine Vielzahl von Projekten gibt, die wir als Land Nordrhein-Westfalen im Gesundheitsbereich in Ghana fördern.

Ich habe noch einmal ein paar herausgesucht. Seit Rot-Grün die Regierung übernommen hat, sind es 13 Projekte. Zum Teil haben wir sie gemeinsam mit der GIZ auf den Weg gebracht, zum Teil mit anderen NGOs. Aber es sind Projekte, die das zeigen, was Sie einfordern. Sie helfen nämlich, das ghanaische Gesundheitssystem zu stärken und zu fördern. Es geht dabei um Hebammenfortbildung, um Hebammenausbildung, es geht um eine Station im urologischen Funktionsbereich, einen OP-Trakt, es werden verschiedene Labors ausgebaut. Es sind unterschiedlichste investive Förderungen.

Ich kann die CDU nur bitten, sich das noch einmal anzuschauen und sich kundig zu machen. Dann werden Sie feststellen, dass Sie hier Eulen nach Athen tragen.

Wir tun als Land Nordrhein-Westfalen bereits sehr viel, um das Gesundheitssystem in Ghana zu stützen.

Zum zweiten Punkt. Auch da sind Sie nicht à jour. Sie haben es eben selber gesagt. Es gibt einen neuen Entwurf eines Partnerschaftsvertrages. Wenn Sie sagen, der sei der Landesregierung in den Schoß gefallen, so bitte ich Sie, liebe Frau Klöpper, zur Kenntnis zu nehmen, dass dieser Vertrag natürlich vorbereitet wurde, dass er verhandelt wurde und wir jetzt erfreulicherweise das Ergebnis feststellen können, nämlich dass er unterschriftsreif ist und er, wie uns die Landesregierung mitgeteilt hat, so zum Ende dieses Jahres oder zu Beginn nächsten Jahres paraphiert werden kann. Das ist wunderbar.

Haben Sie als CDU-Fraktion Vertrauen in die Aktivitäten der Landesregierung. Es ist alles auf einem guten Weg. Alle Punkte, die Sie hier einfordern, sind bereits auf die Schiene gesetzt oder in Projekten erledigt. Daher brauchen wir Ihren Antrag nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Klöpper, ich finde Ihren Antrag nach wie vor berechtigt und gut. Bei einzelnen Facetten gibt es bei uns Meinungsverschiedenheiten. Aber vom Grundsatz her ist er gut.

Ich will gar nicht abstreiten, dass die Landesregierung viel getan hat, aber nichts ist so gut, dass es nicht noch besser gemacht werden kann. Der Vorhalt, dass sich der Antrag auf Gesundheit fokussiert, ist richtig. Man kann auch noch Bildung, Entwicklung, ländlicher Raum, Wirtschaft, Industrialisierung, Umwelt einbeziehen, was auch noch sinnvoll ist. Das ist eine vernünftige Sache. Aber die Zielrichtung finde ich schon ganz gut.

Richtig ist auch, dass dieses Partnerschaftsabkommen jetzt endlich – ich sage bewusst „endlich“ – eine gewisse Reife erreicht hat. Es ist richtig, dass sich die Landesregierung lange bemüht hat. Ich habe aber wenig Verständnis dafür – und das sage ich ganz deutlich –, dass sich das Partnerschaftsabkommen so lange hingezogen hat. Wenn ich der Hilfe bedürftig bin, kann ich mir nicht leisten, auf Eitelkeiten, Fragen der Augenhöhe usw. Rücksicht zu nehmen. Dann muss ich die Hilfe annehmen oder ich will die Hilfe nicht haben.

Frau Asch, es ist richtig: Ghana hat ein Gesundheitssystem, hat eine stabile Demokratie, hat eine relativ gesunde Wirtschaft mit erheblichen Wachstumsraten. Das alles ist richtig. Halten wir uns aber einmal vor Augen, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen eine Ärztedichte von vielleicht 225 Einwohnern pro Arzt haben, während es in Accra, dem geistigen und wirtschaftlichen Zentrum von Ghana, ungefähr 5000 Einwohner pro Arzt und im ländlichen Raum dort 75.000 Einwohner pro Arzt sind. Dass man da sagt, da muss man etwas tun, da soll man sich konzentrieren, da soll man gucken, welche Diagnostik da ist, da soll man gucken, welche besonderen Spezialkliniken man braucht, ist richtig. Da brauchen wir Konzepte.

Es ist richtig, dass wir uns nichts dabei vergeben, in Bezug auf das Programm der GIZ in Ghana zu sagen: Wir müssen uns hier um die Entsorgung der klinischen Abfälle kümmern; das ist richtig. Das müssen wir doch eigentlich nur unterstützen. Das ist eine vernünftige Sache.

Wir müssen allerdings eines festhalten, und das ist etwas, was mich in der Diskussion ein bisschen gestört hat. Sie, Frau Asch, haben es aufgegriffen. Dass man sagt, Entwicklungszusammenarbeit ist mehr als nur Gesundheit, ist völlig klar, und dass wir dort eine stabile Demokratie haben, hatten Sie und habe ich eben auch noch einmal gesagt. Aber: Wir kommen mit solchen Anträgen eigentlich immer dann, wenn wir eine Verbindung zu irgendwelchen Katastrophen haben. Ich empfinde das so. Das hat einen Beigeschmack der operativen Hektik. Da vermisse ich eigentlich eine langfristig orientierte Linie.

Aber diese langfristig orientierte Linie sehe ich in den beiden Anträgen der CDU-Fraktion, die die Ebola-Problematik – obwohl es Ghana nicht trifft; auch da haben Sie recht – und das Gesundheitssystem aufgegriffen haben. Da bilde ich mir ein, schon einmal eine Linie zu erkennen.

Ich sage: Der Antrag ist vom Grundsatz vernünftig. Ich begrüße, dass wir jetzt das Partnerschaftsabkommen endlich haben. Es muss darüber hinausgehen, auch noch Fragen wie Bildung, Entwicklungszusammenarbeit im ländlichen Raum enthalten. Das spricht aber nicht dagegen. Die Diskussion darüber, wo wir ein paar Unterschiede oder Ergänzungen haben, können wir im Ausschuss in aller Ruhe führen. Dann sind doch die manchen aus meiner Sicht überzogenen kritischen Anstriche fehlgehend.

Wenn ich mir erlauben würde, so kritisch mit Ihrem Antrag umzugehen, wie Sie das machen, da müsste ich laufend eine Philippika halten. Das will ich doch gar nicht. Wir sind doch immer konstruktiv. Deswegen nehmen wir den Antrag auf. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Kollege Kern.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die verbliebenen Zuschauer im Saal und die zu Hause am Stream grüße ich natürlich auch. Ich würde mich hier gerne darauf konzentrieren, über den vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion zu sprechen, und nicht auf die bisherigen rekurrieren.

Das Ziel dieses CDU-Antrages, einmal nachzufragen, was im Rahmen der NRW-Partnerschaft mit Ghana eigentlich passiert, unterstützen wir Piraten. Im Ausschuss fragen wir seit Jahren: Wie genau werden die Mittel in der Partnerschaft verwendet? Welche Akteure profitieren? Wie sind privatwirtschaftliche Akteure, zum Beispiel große Pharma- und Lebensmittelkonzerne, involviert? Wie sieht es mit einer quantitativen Ergebnisanalyse aus? Mit anderen Worten, wir müssen darüber reden, ob die Eine-Welt-Politik des Landes Nordrhein-Westfalen überhaupt eine sinnhafte und effektive Entwicklungszusammenarbeit gewährleisten kann.

Die Partnerschaft mit Mpumalanga und Ghana wurden entweder aufgekündigt oder befinden sich in einer endlosen Verhandlungsschleife, auch wenn jetzt wieder einmal angedeutet wird, dass man dort zu einem Ergebnis gekommen sei. Ich bin gespannt.

Die Eine-Welt-Politik NRWs kann so viele Erfolge vorweisen wie Ghana bei den Olympischen Winterspielen. An dieser Stelle möchten wir Piraten den Blick wieder auf den globalen Kontext des Antrags werfen. Die Ursachen für schlecht ausgestattete Gesundheitssysteme liegen tiefer. Hier müssen wir auch über politische Fehlsteuerungen sprechen, die für das menschliche Leid mit verantwortlich sind.

Nicht nur in Westafrika, sondern weltweit befindet sich das Gesundheitssystem in einem desolaten Zustand. Die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen dienen oftmals weniger dem Allgemeinwohl als vielmehr den monetären Interessen der Pharma-Lobby. Darauf haben wir schon in der letzten Debatte zur Ghana-Partnerschaft hingewiesen.

Jedes Jahr sterben weltweit knapp 13 Millionen Menschen an Krankheiten, die eigentlich behandelbar wären. Ein Drittel dieser Patienten stirbt, weil sie keinen Zugang zu den dringend notwendigen Medikamenten erhalten. Um die medizinischen Probleme der Dritten Welt kümmert sich die Pharmawirtschaft nicht.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Viel lukrativer ist es für Sie, den Focus auf Scheininnovationen für westliche Zivilisationskrankheiten zu legen. Für 90 % der Gesundheitsprobleme in der Welt stehen gerade einmal 10 % der Forschungsmittel zur Verfügung – absurd. Und die politischen Machthaber mischen ordentlich mit, insbesondere westliche Regierungen haben seit Langem durchgesetzt, dass lebensrettende Medikamente unter strengem Patentschutz stehen. Für Betroffene im globalen Süden werden sie damit unerschwinglich.

Ich komme zum Schluss. Wir Piraten bleiben dabei: Der Patentclinch, diese tödliche Umklammerung des globalen Südens durch Arzneipatente, muss politisch aufgebrochen werden. Forschungsinnovationen und breiter Zugang zu Medikamenten für alle Menschen müssen ermöglicht werden. Das ist eines der zentralen Ziele, an denen sich das neu verhandelte Partnerschaftsabkommen mit Ghana orientieren muss. Ansonsten sollte NRWs Eine-Welt-Politik besser gar nicht an den Start gehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Schmeltzer in Vertretung für Herrn Minister Lersch-Mense.

Rainer Schmeltzer, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: : Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich greife den Hinweis der Kollegin Hendricks auf, dass der Antrag der CDU stark an einen ähnlichen Antrag vom Januar dieses Jahres, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, angesichts der Ebolaepidemien in Westafrika ihr Partnerland Ghana im Gesundheitsbereich zu unterstützen, erinnert. Seither wurde im zuständigen Ausschuss für Europa und Eine Welt mehrfach über Ghana, das Thema Gesundheit und den Stand der Partnerschaft diskutiert.

Die damalige Ministerin Schwall-Düren hat dem Ausschuss dabei ausführlich dargelegt, dass die Landesregierung schon seit Jahren Projekte im Gesundheitsbereich in Ghana fördert und dass das Thema Gesundheit auch in den Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Ghana eine wichtige Rolle spielt.

Aus den in den letzten Monaten übersandten Informationen geht klar hervor, dass die Landesregierung schon heute zahlreiche Projekte unterstützt, die versuchen, ganz konkret den im Antrag genannten Defiziten des ghanaischen Gesundheitssystem entgegenzuwirken. Eine ausführliche Projektliste finden Sie, Frau Klöpper, unter anderem in der Antwort auf die Kleine Anfrage vom März dieses Jahres, in der Frau von Boeselager nachfragte, wie die Landesregierung die Zusammenarbeit mit Ghana fördert.

So nennen Sie in Ihrem Antrag zum Beispiel Probleme bei der Entsorgung medizinischer Abfälle – guter Hinweis. Nur, die Landesregierung ist hier längst aktiv geworden. Sie fördert die Sanierung der defekten Müllerverbrennungsanlage im Krankenhaus von Kumasi.

Sie bemängeln die unzureichende medizinische Versorgung. Auch hier ist die Landesregierung längst aktiv geworden. Wir unterstützen zum Beispiel schon seit 2013 eine Initiative, die in medizinisch unterversorgten Gebieten der Volta-Region Geburtshelferinnen ausbildet und damit einen aktiven Beitrag zur Senkung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit leistet. Diese und weitere Beispiele finden Sie in der Antwort der bereits erwähnten Kleinen Anfrage.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie sehen, das Thema Gesundheit hatte im Rahmen der entwicklungspolitischen Förderprogramme des Landes schon einen sehr hohen Stellenwert, lange bevor Sie von der CDU Ihre Anträge gestellt haben.

Selbstverständlich haben wir das Thema auch in den Verhandlungen mit der ghanaischen Seite über ein neues Partnerschaftsabkommen aufgegriffen. Die damalige Ministerin Schwall-Düren hat im Mai beim Besuch der Botschafterin der Republik Ghana in Nordrhein-Westfalen intensiv mit ihr auch über den Gesundheitssektor gesprochen.

Als Ergebnis dieser Diskussion wurde vereinbart, ausgewählte medizinische Einrichtungen miteinander zu vernetzen. Der Minister und Chef der Staatskanzlei Lersch-Mense wird die Gespräche mit der ghanaischen Botschafterin in Kürze fortsetzen und auch dieses Thema selbstverständlich weiter verfolgen.

Sie reden hier immer wieder über die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen. Die Verhandlungen über dieses Partnerschaftsabkommen mit Ghana sind auf einem guten Weg. Der Entwurf liegt seit gestern dem Auswärtigen Amt zur Prüfung vor. Diese Fortschritte in den Verhandlungen verdanken wir nicht zuletzt auch dem außerordentlichen Einsatz der ghanaischen Botschafterin, die sich in Accra für Nordrhein-Westfalen stark gemacht und Abstimmungsprozesse beschleunigt hat.

Es ist vor diesem Hintergrund sehr bedauerlich, dass ausgerechnet die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen im Mai dieses Jahres die Chance ungenutzt gelassen haben, mit der Botschafterin direkt zu sprechen, als diese den Landtag besuchte. Weder Abgeordnete der CDU noch der FDP oder der Piraten haben sich an der Diskussion mit der Botschafterin beteiligt. Sie haben so die Möglichkeit verschenkt, sich aus erster Hand über die Situation in Ghana und die Bedürfnisse vor Ort zu informieren.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von der CDU, Sie fordern von der Landesregierung ein Engagement, das Sie selber ganz offensichtlich nicht zu zeigen bereit sind.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Schmeltzer, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Kern würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Rainer Schmeltzer, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Gerne.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie ließen sich gerade darüber aus, dass kein Oppositionsabgeordneter bei diesem Treffen war, ohne zu hinterfragen, welche Gründe da vielleicht bei dem Einzelnen vorgelegen haben. Gleichzeitig sprechen Sie in Vertretung des zuständigen Ministers. Halten Sie das für angemessen?

Rainer Schmeltzer, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Ich halte es für angemessen, in Vertretung des zuständigen Ministers genau die Meinung des zuständigen Ministers hier kundzutun. Wenn Sie dazu weitere Hintergründe haben wollen, dann werden Sie als Ausschussvorsitzender sicherlich den Weg zu dem zuständigen Minister finden, Herr Kollege Kern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend stelle ich fest: Mit Blick auf die vielfältigen Aktivitäten, die die Landesregierung bereits seit Jahren im Gesundheitsbereich in Ghana fördert, und angesichts der Fortschritte, die wir in den Verhandlungen über ein neues Abkommen machen, läuft dieser Antrag der CDU völlig ins Leere. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 11.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/10063 an den Ausschuss für Europa und Eine Welt – federführend – und in der Mitberatung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand nicht überweisen oder sich enthalten? – Das ist beides nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

12       Inklusion verantwortungsvoll gestalten und Qualität gewährleisten

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/10058

Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Bei diesem Antrag Drucksache 16/10058 empfiehlt uns der Ältestenrat eine Überweisung an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Aussprache und Abstimmung sollen dann nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses erfolgen. Möchte jemand dagegen stimmen oder sich enthalten? – Das ist auch hier nicht der Fall. Dann haben wir so verfahren.

Ich rufe auf:

13       Rechtssicherheit für offene WLANs: Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates folgen!

Antrag
des Abg. Schwerd (fraktionslos)
Drucksache 16/10056

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Kollegen Schwerd das Wort.

Daniel Schwerd*) (fraktionslos): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Zur Störerhaftung wie auch zur Bedeutung von freien Bürgernetzwerken und freien Internetzugängen für unser Land haben wir hier in NRW eine ganz eindeutige Beschlusslage. Dafür möchte ich den Beteiligten ganz herzlich danken.

Wir sehen gemeinsam die Notwendigkeit, die Haftungsfrage von WLAN-Netzwerkbetreibern gesetzlich zu klären. Wir wissen um die Wichtigkeit der Verbreitung freier Zugänge zum Netz, beispielsweise für Tourismus, Wirtschaft oder die kulturelle Entwicklung unseres Landes.

Leider trägt der derzeitig vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes zur Störerhaftung auf Bundesebene diesen Anforderungen überhaupt nicht Rechnung. Er macht die Freistellung von der Störerhaftung von einigen Bedingungen abhängig. Zwar ist die Verschlüsselungspflicht nicht mehr explizit genannt, aber von angemessenen Sicherheitsmaßnahmen ist im Gesetz die Rede, ohne dass das näher geklärt ist. Das ist ein Einfallstor für neue Abmahnungswellen und Quellen neuer Rechtsunsicherheit. Die Kenntnis der Identität der Nutzer wird gefordert, was bei offenen Netzwerken schlicht nicht zu bewerkstelligen ist. Das ist der Tod der Freifunkbewegung.

Zudem ist eine Belehrungspflicht vorgesehen, die jeden Zugangspunkt betreffen wird, und die dem freien Bewegen in einem freien Netz im Wege steht. Stellen Sie sich vor, Sie müssten bei Ihrem Telefon beim Betreten einer jeden neuen Funkzelle Ihre PIN neu eingeben. Das ist schlicht nicht praktikabel. Das ist eine Dauerbelehrung, und dass diese keinen sonderlichen sittlichen Mehrwert hat, versteht sich, glaube ich, von selbst.

Auch ist völlig unbewiesen, ob offene WLANs überhaupt eine nennenswerte Auswirkung auf illegales Filesharing haben oder dass die Belehrungspflicht oder die namentliche Kenntnis der Nutzer daran überhaupt irgendetwas ändern würde.

Das alles hat glücklicherweise auch der Bundesrat erkannt. In den Fachbefassungen in den Ausschüssen für Wirtschaft, Recht und Kulturfragen wurde genau das thematisiert, und man hat eine, wie ich finde, sehr gute Alternativformulierung für dieses Gesetz gefunden, welches die Haftungsfrage klärt, ohne die beschriebenen Nachteile auszulösen. Ich möchte sehr dringend an Sie appellieren, sich diesen Vorschlag zu eigen zu machen.

NRW könnte im Bundesrat vorangehen, diesen Vorschlag aufgreifen und auf dieser Grundlage eine entsprechende Initiative starten oder sich zumindest einer solchen Initiative anschließen.

Ich möchte dafür werben, diesen Vorschlag zu unterstützen. Damit können wir auf elegante Weise der Beschlusslage in unserem Land zur Geltung verhelfen, und wir hätten in Form der Fachausschüsse direkt prominente Befürworter. Morgen schon findet die Befassung im Bundesrat statt. Lassen Sie sich das bitte durch den Kopf gehen. – Vielen herzlichen Dank.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schwerd. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Vogt.

Alexander Vogt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schwerd, was die Förderung und rechtliche Absicherung von offenen WLAN-Netzwerken und Freifunk betrifft, sind wir uns, glaube ich, zum großen Teil einig. Wir haben in den vergangenen Monaten einige Anträge gestellt, die sich mit dem Thema „Förderung von Freifunk“ befassen. Diese haben wir sogar gemeinsam mit Grünen, SPD und Piratenfraktion, der Sie zu dem Zeitpunkt noch angehörten, gestellt, und die Meinungen gingen da auch nicht auseinander.

Wir hatten bereits am 19. November 2013 den Antrag „Offene Zugänge zum Internet schaffen“ eingebracht. Im Juni dieses Jahres haben wir dann den gemeinsamen Antrag „Freifunk in NRW: Bürgernetze ausbauen und weiter stärken“ eingebracht. Darin ging es darum, dass Gebäude, die sich in Landeseigentum befinden, den Freifunkinitiativen zur Verfügung gestellt werden sollen. Es ging um Informationen, die in Städte fließen sollen, und es ging auch um die finanzielle Förderung von Freifunkinitiativen.

Das ist alles Beschlusslage. Sowohl Angelica Schwall-Düren als ehemalige Ministerin als auch der Medienstaatssekretär Dr. Eumann und die Ministerpräsidentin haben sich beim letzten Medienforum klar für offene WLAN-Netzwerke und die Absicherung von Freifunk ausgesprochen. Wir haben heute Morgen darüber diskutiert, dass für offene WLAN-Netzwerke 1 Million € aus den Förderprogrammen zur Verfügung gestellt werden soll. Das macht natürlich nur Sinn, wenn auch weiterhin Rechtssicherheit besteht.

Die Landesregierung und der Landtag haben sich hier klar positioniert. Wir gehen davon aus, dass sich das bis morgen auch nicht ändern wird. Daher sehen wir Ihren Antrag als überflüssig an. Bis morgen wird sich zu der Position der Landesregierung nichts ändern. Wir stehen auch weiterhin zu offenen WLAN-Netzwerken und zur Unterstützung von Freifunk. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Vogt. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Schick.

Thorsten Schick*) (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Offenes WLAN ist gerade in Innenstädten ein sehr wichtiger Servicefaktor geworden. Kunden wissen das zu schätzen.

So verwundert es nicht, dass in anderen Ländern, zum Beispiel im europäischen Ausland, sehr viele WLAN-Zugänge fast überall vorhanden sind. In Deutschland bremst noch die Störerhaftung diese Entwicklung.

Aus dem Grund hat die CDU auf ihrem letzten Bundesparteitag beschlossen: Die Bundesregierung muss Haftungsrisiken für gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von WLAN-Netzen abbauen. Nur so ist es den Betreibern möglich, ihre Zugänge für Dritte zu öffnen, ohne sich der Gefahr von Schadenersatz- und Unterlassungsansprüchen sowie der damit verbundenen Abmahnkosten auszusetzen.

Mobiles Internet über WLAN muss in deutschen Städten für jeden verfügbar sein. Der aktuelle Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium und damit aus dem Hause Gabriel deckt diese Forderung nur zum Teil ab. Deshalb können wir die Diskussion im Bundesrat bzw. in seinen Ausschüssen sehr gut nachvollziehen.

Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist. Das heißt, der Bundestag kann es ohne Einverständnis der Bundesländer beschließen. Außerdem drängen Netzpolitiker der Koalition bei der Störerhaftung ohnehin auf Änderungen.

Herr Schwerd, Sie möchten hier Lokomotivführer in einem Zug spielen, der gerade in die richtige Richtung rollt. Deshalb ist Ihr Antrag eigentlich nicht nötig. Wir werden uns freundlich enthalten.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Schick. – Für die grüne Fraktion hat nun Frau Hanses das Wort.

Dagmar Hanses*) (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es wirklich beeindruckend, zu sehen, wie Freifunkinitiativen unsere Städte beleben und den Zugang zu freiem Internet ermöglichen. Das ist eine echte Revolution von unten, die die digitale Teilhabe ermöglicht und stärkt.

Im Oktober letzten Jahres war ich mit dem Kollegen Matthi Bolte, den ich heute vertreten darf, in Arnsberg. Sie wissen, Arnsberg ist ein kleines Städtchen im Sauerland, wo sich der Freifunkverein besonders früh auf den Weg gemacht hat. Das ist schon stark.

Unsere gesamte Fraktion ist im August dieses Jahres an den jeweils unterschiedlichen Orten der Abgeordneten ausgeschwärmt und hat sich Freifunkinitiativen angesehen. Es macht schon wirklich gute Laune, zu sehen, welche Aufbruchstimmung im Land herrscht – trotz des BGH-Urteils von 2010, durch das sich erhebliche Unsicherheiten ergeben haben. Seitdem muss es das Bestreben der Politik sein, die Unsicherheiten aufzuklären bzw. auszuräumen, damit die digitale Zukunft gestärkt wird.

Die Frage der zivilrechtlichen Haftung bei Rechtsverletzungen, die über offene WLAN begangen werden könnten, darf keine Bremse beim Ausbau von Freifunk sein. Wir Grüne unterstützen den Ausbau überall dort, wo er entsteht.

Bereits heute gilt die Störerhaftung nicht für Provider. Wir brauchen dringend eine Ausdehnung von § 8 Telemediengesetz auf WLAN-Betreiberinnen und viele weitere Klarstellungen, wie der Kollege Schwerd sie auch beschrieben hat.

Der Landtag hat sich, wie der Kollege – wie heißt er? – Vogt eben noch einmal deutlich bekannt hat ...

(Zurufe von der CDU)

– Entschuldigung, wir arbeiten nicht immer zusammen. Es ist schön, dass Herr Kutschaty und ich heute beide Stellvertreter sind. Ich finde es super, dass wir bei einem so wichtigen Thema gemeinsam stellvertreten dürfen. Entschuldigung, ich hatte Wortfindungsstörungen. Ich schätze den Kollegen seit Langem. Alles gut!

(Michael Hübner [SPD]: Alexander heißt er mit Vornamen!)

– Natürlich.

Die Landesregierung hat sich auch ständig klar positioniert. Ich habe keinen Zweifel, dass sie das nicht nur hier und in den Fachausschüssen des Bundesrates getan hat, sondern dass sie es auch morgen tun wird. Deshalb sind wir sehr zuversichtlich, dass die Befassung morgen genauso erfolgen wird, wie es hier in den Äußerungen zum Ausdruck kam. Ich denke, das ist ein starkes Signal aus Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Hanses. – Nun tritt Herr Nückel für die FDP-Fraktion ans Pult.

Thomas Nückel (FDP): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Offene Wireless-LAN-Zugänge sind ein wichtiger Baustein für die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger an der digitalen Gesellschaft. Viele private Freifunkinitiativen – das wurde gerade schon vielfach genannt – leisten in diesem Bereich bereits einen engagierten und bedeutenden Beitrag.

Engagiert wünsche ich mir auch das Land. Deswegen warten wir von der FDP mit großer Hoffnung darauf, dass gemäß den vielen Beschlüssen sämtliche Einrichtungen und Liegenschaften in der Zuständigkeit des Landes demnächst offene Wireless-LAN-Zugänge für die Bürgerinnen und Bürger einrichten. Das würde nicht nur einen Beitrag zum Ausbau der digitalen Infrastruktur leisten, das wäre auch ein Schub für die Verbreitung von E-Govern-ment-Angeboten; das brächte das auf jeden Fall mit sich.

(Beifall von der FDP)

Eine Anpassung des Telemediengesetzes zur Stärkung der Rechtssicherheit von offenen Wireless-LAN-Hotspots ist ebenfalls angezeigt. Der federführend zuständige Bundeswirtschaftsminister Gabriel steht hier in der Pflicht – das ist klar –, die Digitalisierung zu fördern und sie nicht auszubremsen, wie es zurzeit aussieht. Der Bundesrat und seine Gremien tagen morgen dazu.

Ich habe leider den Eindruck, dass der hier vorgelegte Antrag keinen erkennbaren inhaltlichen Beitrag zur Debatte um das Telemediengesetz leistet. Ich möchte auch nicht die Resolutionitis fördern, die es hier manchmal gibt. Deswegen wird die FDP-Fraktion dem Antrag des fraktionslosen Kollegen nicht zustimmen. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Nückel. – Für die Fraktion der Piraten spricht nun Herr Kollege Lamla.

Lukas Lamla (PIRATEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich persönlich finde es ganz schön toll, wenn ich höre, wie selbstverständlich alle Fraktionen hier über Freifunk sprechen. Das finde ich echt geil, und das hätte ich mir vor einigen Jahren wirklich nicht träumen lassen. Insofern vielen Dank an alle. Das ist echt großartig. Wir unterstützen hier alle das Richtige.

Wir befinden uns aber in einer Situation, dass es morgen vielleicht neue, vielleicht auch nicht so schöne Erkenntnisse gibt; ich weiß es noch nicht.

Ich würde gerne auf eine Veröffentlichung vom 3. November von Medienstaatssekretär Eumann mit der Überschrift „Warum NRW für Klarheit bei der Störerhaftung kämpft“ zurückkommen. Das ist ein guter Artikel, der viele wahre und gute Worte zu Freifunk, zur Freifunkbewegung und jetzt auch zu der aktuellen Situation beinhaltet.

(Beifall von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Aber er wirft auch eine kleine Einschränkung auf, nämlich für den Fall, dass der Dienstanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Zitatende! So wird es vermutlich morgen auch im entsprechenden Gesetz stehen.

Ich kann Ihnen sagen: In der Freifunkcommunity ist gerade Unruhe, weil man nicht genau weiß, was mit „absichtlich“ gemeint ist. Ist eine Absicht zu erkennen, indem der Dienst einfach nur zur Verfügung gestellt wird? Schon entsteht eine Rechtsunsicherheit, die die Freifunkcommunity und die vielen Ehrenamtler verunsichert. Das könnten wir lassen.

Am Ende zählt, was morgen im Bundesrat geschehen wird. Seien Sie sicher, dass die Freifunkerinnen und Freifunker sehr genau beobachten, was dort geschehen wird, und letzten Endes auch die rot-grüne Landesregierung daran messen werden. Da zählen nicht nur die schönen Worte, sondern auch das Abstimmungsergebnis und das, was zuvor geleistet wurde.

Zum Antrag selbst: Der Antrag gibt nichts Neues wieder. Er stellt das noch einmal klar. Man kann eigentlich nichts dagegen haben. Insofern empfehle ich meiner Fraktion hier die Zustimmung und bin sehr gespannt auf morgen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lamla. Wir haben alle gehört, dass Sie „echt gut“ sagen wollten. Das ist auch ein Wort mit „g“.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Habe ich doch!)

– Ja, ja, das habe ich gehört.

Ich freue mich, dass jetzt in Vertretung für Herrn Minister Lersch-Mense Herr Minister Kutschaty das Wort ergreift für die Landesregierung zum Antrag „Rechtssicherheit für offene WLANs: Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates folgen!“. Bitte, Herr Minister.

Thomas Kutschaty, Justizminister: Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gerade schon mehrfach gehört: Morgen stimmt der Bundesrat darüber ab, welche Zukunft Freifunkinitiativen und WLAN-Hotspots in Deutschland haben werden. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen tritt dafür ein, dass es eine gute Zukunft wird.

Freiwillige in nicht gewinnorientierten Freifunkprojekten leisten viel, wie ich finde, für die Technik- und Medienkompetenz in unserem Land und jetzt ganz aktuell auch Großartiges bei Initiativen für geflohene Menschen. Die Landesregierung erkennt dieses Engagement an. Wir fördern das nach besten Kräften.

Aber neue Regeln zur Störerhaftung, meine Damen und Herren, dürfen diese Situation, das Engagement dieser Initiativen, nicht verschlechtern, im Übrigen aber auch nicht die Situation für Unternehmen, Vereine oder Privatpersonen, die WLAN-Hotspots betreiben.

Wir haben heute Zehntausende offene Hotspots in Deutschland. Das ist in der Relation zu den Einwohnern in der Bundesrepublik viel weniger als in anderen Staaten. Aber es gibt diese Hotspots auch in Deutschland. Der Grund dafür, dass das in Deutschland noch relativ zurückhaltend ausgebaut ist, ist sicherlich der Sonderfall der Störerhaftung.

Dass es überhaupt offene Zugangspunkte in Deutschland gibt, liegt auch an einigen Urteilen der letzten Jahre. Zumindest einige geschäftsmäßige Provider – dazu zählen auch nichtkommerzielle Freifunkvereine – schätzen die gegenwärtige Rechtslage als rechtssicher genug ein, um offene WLAN-Hotspots zu betreiben. Bei Privatpersonen und Einzelhändlern ist das allerdings nicht der Fall. Deswegen ist es auch gut und richtig, hier gesetzgeberisch klare Lösungen zu formulieren.

Vertreter der Vereine und Unternehmen, die heute offene Hotspots in Deutschland betreiben, haben den vorliegenden Entwurf der Bundesregierung dazu kritisiert. Sie fürchten sogar eine Verschlechterung gegenüber der aktuellen Rechtslage.

Die Landesregierung hat diese Bedenken geprüft und tritt deshalb für klare Regelungen ein, klare Regeln, die sicherstellen, dass die Grundsätze der Störerhaftung für WLAN-Anbieter künftig in Deutschland nicht gelten sollen, so wie es übrigens derzeit in zahlreichen anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist.

Wir sind nur in einem Spezialfall für eine Einschränkung, nämlich wenn der Anbieter eines Hotspots absichtlich mit einem Nutzer zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, dann soll er natürlich auch weiter haften.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen hat sich auf vielen Ebenen dafür stark gemacht, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung hier eindeutig nachgebessert wird. Auch im Bundesrat haben wir mit weiteren Ländern in mehreren Ausschüssen entsprechende Anträge formuliert und gestellt.

Abgestimmt wird morgen im Bundesrat. Die Landesregierung tritt grundsätzlich für eine klare Lösung bei Störerhaftung ein. Rechtsunsicherheit hat, wie wir das alle festgestellt haben, zu einer niedrigen Verbreitung von Hotspots in Deutschland geführt. Neue Rechtsunsicherheit wird denselben Effekt haben. Deswegen macht sich die Landesregierung auch morgen im Bundesrat für eine eindeutige Lösung stark. Ich bin zuversichtlich, dass der Bundesrat auch entsprechend zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Stellung nehmen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. Damit sind wir am Ende der Aussprache zu diesem Antrag und kommen zur Abstimmung.

Der fraktionslose Abgeordnete Schwerd hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt also dem Inhalt des Antrags zu? – Herr Schwerd (fraktionslos) sowie die Fraktion der Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD und Grüne sowie die FDP-Fraktion stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Es enthält sich die CDU-Fraktion. Gleichwohl ist der Antrag Drucksache 16/10056 mit der Stimmenmehrheit von SPD, Grünen und FDP – in dem Fall gemeinsam – abgelehnt.

Damit ist der letzte Tagesordnungspunkt abgearbeitet, und wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung.

Das Plenum berufen wir wieder ein für Mittwoch, 2. Dezember 2015, um 10:00 Uhr.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 17:20 Uhr

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*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.