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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/93

16. Wahlperiode

30.09.2015

93. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 30. September 2015

Mitteilungen der Präsidentin. 9511

1   Nachwahl einer Schriftführerin des Landtags Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/9815. 9511

Ergebnis. 9511

2   Familienbericht Nordrhein-Westfalen: „Familien gestalten Zukunft“

Unterrichtung
durch die Landesregierung. 9511

Ministerin Ute Schäfer 9511

Christina Schulze Föcking (CDU) 9513

Ingrid Hack (SPD) 9515

Marcel Hafke (FDP) 9516

Andrea Asch (GRÜNE) 9518

Daniel Düngel (PIRATEN) 9520

Wolfgang Jörg (SPD) 9521

Ministerin Ute Schäfer 9522

3   Ergebnisse und Konsequenzen der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Flüchtlingspolitik vom 24. September 2015

Unterrichtung
durch die Landesregierung

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9880

In Verbindung mit:

Gesetz über die Feststellung eines Dritten Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Drittes Nachtragshaushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9800 – Neudruck

erste Lesung

Und:

Achtes Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9808

erste Lesung

Und:

Integration von Flüchtlingen umfassend und vorausschauend gestalten – Krisenmodus bei der Flüchtlingsaufnahme darf Integration nicht behindern

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9801

Und:

Nordrhein-Westfalen muss seinen Städten und Gemeinden die Flüchtlingskosten komplett erstatten

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9803

Sowie:

Aktionsplan Integration für Flüchtlinge – Chancen für Flüchtlinge, Wirtschaft und Gesellschaft schaffen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/9786

Sowie:

Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels zur Flüchtlingspolitik vom 24. September 2015 konsequent umsetzen: Asylpolitik neu ausrichten und Kommunen finanziell entlasten

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9880. 9524

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 9524

Armin Laschet (CDU) 9528

Norbert Römer (SPD) 9532

Dr. Joachim Stamp (FDP) 9535

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 9538

Dietmar Schulz (PIRATEN) 9541

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 9544

Hans-Willi Körfges (SPD) 9546

Monika Düker (GRÜNE) 9548

Frank Herrmann (PIRATEN) 9549

Minister Ralf Jäger 9551

André Kuper (CDU) 9552

Dr. Joachim Stamp (FDP) 9553

Ergebnis. 9554

4   Nachhaltige Qualität bei der Inklusion gewährleisten – Förderchancen für alle Kinder und Jugendlichen sichern

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/9787. 9555

Yvonne Gebauer (FDP) 9555

Eva Voigt-Küppers (SPD) 9556

Astrid Birkhahn (CDU) 9557

Sigrid Beer (GRÜNE) 9558

Monika Pieper (PIRATEN) 9560

Ministerin Sylvia Löhrmann. 9561

Ergebnis. 9562

5   Start-up-Kultur stärken – Ressourcen regional bündeln – NRW-Cluster bilden

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9797. 9562

Robert Stein (CDU) 9562

Elisabeth Müller-Witt (SPD) 9563

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) 9564

Marcel Hafke (FDP) 9565

Daniel Schwerd (PIRATEN) 9566

Minister Garrelt Duin. 9566

Ergebnis. 9568

6   Schutzsuchende ans Netz – freien und offenen Internetzugang in den Erstaufnahme- und zentralen Unterbringungseinrichtungen bereitstellen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/9784

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/9882. 9568

Lukas Lamla (PIRATEN) 9568

Thomas Stotko (SPD) 9569

Heiko Hendriks (CDU) 9570

Matthi Bolte (GRÜNE) 9571

Dr. Joachim Stamp (FDP) 9572

Minister Ralf Jäger 9573

Ergebnis. 9573

7   Erstes allgemeines Gesetz zur Stärkung der Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9761

erste Lesung. 9574

Minister Guntram Schneider 9574

Josef Neumann (SPD) 9575

Peter Preuß (CDU) 9576

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE) 9577

Ulrich Alda (FDP) 9578

Olaf Wegner (PIRATEN) 9579

Ergebnis. 9580

8   Gezielte Förderung nicht nur bei Mädchen – Lebenslagen von Jungen stärker in den Fokus nehmen!

Große Anfrage 14
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8472

Antwort
der Landesregierung
Drucksache 16/9548. 9580

Walter Kern (CDU) 9580

Daniela Jansen (SPD) 9581

Josefine Paul (GRÜNE) 9582

Susanne Schneider (FDP) 9584

Marc Olejak (PIRATEN) 9585

Ministerin Barbara Steffens. 9585

Ergebnis. 9587

9   Weichen für ein sicheres Nordrhein-Westfalen mit einer handlungsfähigen Polizei jetzt verantwortungsvoll stellen – Unverzüglich jährlich 300 weitere Polizeianwärterstellen schaffen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/9788. 9587

Ralf Witzel (FDP) 9587

Andreas Bialas (SPD) 9588

Werner Lohn (CDU) 9589

Monika Düker (GRÜNE) 9590

Dirk Schatz (PIRATEN) 9592

Minister Ralf Jäger 9593

Ergebnis. 9595

10 Gesetz zur Änderung des WDR-Gesetzes und des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen (15. Rundfunkänderungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9727

erste Lesung. 9595

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 9595

Alexander Vogt (SPD) 9596

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 9597

Oliver Keymis (GRÜNE) 9598

Thomas Nückel (FDP) 9600

Daniel Schwerd (PIRATEN) 9601

Ergebnis. 9602

11 Der Landtag von Nordrhein-Westfalen würdigt den Einsatz der Bundeswehr für ein friedliches und vereintes Europa

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/9790. 9602

Thomas Marquardt (SPD) 9602

Gregor Golland (CDU) 9603

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) 9603

Ulrich Alda (FDP) 9604

Michele Marsching (PIRATEN) 9605

Minister Ralf Jäger 9605

Jens-Peter Nettekoven (CDU) 9606

Michele Marsching (PIRATEN) 9606

Ergebnis. 9606

12 Nordrhein-Westfalen muss verstärkt Planfeststellungen für Bundesfernstraßenbrücken vorantreiben

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9799. 9607

Klaus Voussem (CDU) 9607

Reiner Breuer (SPD) 9608

Arndt Klocke (GRÜNE) 9609

Christof Rasche (FDP) 9611

Stefan Fricke (PIRATEN) 9612

Minister Michael Groschek. 9613

Bernhard Schemmer (CDU) 9614

Ergebnis. 9614

13 Gesetz zur Umsetzung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen (KInvFöG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9519

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9881

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/9810

zweite Lesung. 9614

Michael Hübner (SPD) 9614

Ina Scharrenbach (CDU) 9615

Mario Krüger (GRÜNE) 9616

Kai Abruszat (FDP) 9616

Torsten Sommer (PIRATEN) 9617

Minister Ralf Jäger 9618

Ergebnis. 9618

Siehe auch unter ‚Nachtrag zur Abstimmung zu TOP 13 der 93. Plenarsitzung‘ im Plenarprotokoll der 94. Sitzung nach der Abstimmung zu TOP 5

14 Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9517

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/9811

zweite Lesung. 9618

Christian Dahm (SPD)
zu Protokoll (Siehe Anlage 1)

Ina Scharrenbach (CDU)
zu Protokoll (Siehe Anlage 1)

Mario Krüger (GRÜNE)
zu Protokoll (Siehe Anlage 1)

Kai Abruszat (FDP)
zu Protokoll (Siehe Anlage 1)

Torsten Sommer (PIRATEN)
zu Protokoll (Siehe Anlage 1)

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll (Siehe Anlage 1)

Ergebnis. 9618

Siehe auch unter ‚Nachtrag zur Abstimmung zu TOP 14 der 93. Plenarsitzung‘ im Plenarprotokoll der 94. Sitzung nach der Abstimmung zu TOP 5

15 Achtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9079

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/9812

zweite Lesung. 9618

Thomas Stotko (SPD)
zu Protokoll (Siehe Anlage 2)

Kirstin Korte (CDU)
zu Protokoll (Siehe Anlage 2)

Matthi Bolte (GRÜNE)
zu Protokoll (Siehe Anlage 2)

Marc Lürbke (FDP)
zu Protokoll (Siehe Anlage 2)

Frank Herrmann (PIRATEN)
zu Protokoll (Siehe Anlage 2)

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll (Siehe Anlage 2)

Ergebnis. 9618

16 Gesetz zur Änderung gesetzlicher Befristungen im Zusammenhang mit der ländlichen Bodenordnung

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9078

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Drucksache 16/9813

zweite Lesung. 9619

Annette Watermann-Krass (SPD)
zu Protokoll (Siehe Anlage 3)

Norwich Rüße (GRÜNE)
zu Protokoll (Siehe Anlage 3)

Henning Höne (FDP)
zu Protokoll (Siehe Anlage 3)

Hans-Jörg Rohwedder (PIRATEN)
zu Protokoll (Siehe Anlage 3)

Minister Johannes Remmel
zu Protokoll (Siehe Anlage 3)

Ergebnis. 9619

17 Achtzehnter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achtzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/9758. 9619

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren
zu Protokoll (Siehe Anlage 4)

Lisa Steinmann (SPD)
zu Protokoll (Siehe Anlage 4)

Thorsten Schick (CDU)
zu Protokoll (Siehe Anlage 4)

Thomas Nückel (FDP)
zu Protokoll (Siehe Anlage 4)

Daniel Schwerd (PIRATEN)
zu Protokoll (Siehe Anlage 4)

Ergebnis. 9619

18 Gesetz zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis im Land Nordrhein-Westfalen und zur Entfristung der Altersteilzeitregelung

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9759

erste Lesung. 9619

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(siehe Anlage 5)

Ergebnis. 9619

19 Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen (Hafensicherheitsgesetz – HaSiG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9760

erste Lesung. 9619

Minister Michael Groschek
zu Protokoll
(siehe Anlage 6)

Ergebnis. 9619

20 Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2015/2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9807 – Neudruck

erste Lesung. 9620

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans
zu Protokoll
(siehe Anlage 7)

Ergebnis. 9620

21 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Wahlkreiseinteilung für die Wahl zum Landtag Nordrhein-Westfalen (Wahlkreisgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/9794

erste Lesung. 9620

Ergebnis. 9620

22 Nachwahl eines ordentlichen und eines stellvertretenden Mitglieds der Medienkommission der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 16/9814. 9620

Ergebnis. 9620

Siehe auch unter ‚Nachtrag zur Abstimmung zu TOP 22 der 93. Plenarsitzung‘ im Plenarprotokoll der 94. Sitzung nach der Abstimmung zu TOP 5

23 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 1. Quartal des Haushaltsjahres 2015

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2
Landesverfassung
Vorlage 16/3170

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/9816. 9620

Ergebnis. 9620

24 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 2. Quartal des Haushaltsjahres 2015

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2
Landesverfassung
Vorlage 16/3168 – Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/9817. 9620

Ergebnis. 9621

25 Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Landtags

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/9818. 9621

Michele Marsching (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 1 GeschO)

Simone Brand (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Stefan Fricke (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Marc Olejak (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Dietmar Schulz (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Daniel Schwerd (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Torsten Sommer (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Olaf Wegner (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Ergebnis. 9621

26 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 33
gem. § 82 Abs. 2 GeschO
(§ 79 Abs. 2 GeschO a.F.)
Drucksache 16/9819. 9621

Ergebnis. 9621

Siehe auch unter ‚Nachtrag zur Abstimmung zu TOP 26 der 93. Plenarsitzung‘ im Plenarprotokoll der 94. Sitzung nach der Abstimmung zu TOP 5

27 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/35. 9622

Ergebnis. 9622

Anlage 1. 9623

Zu TOP 14 – „Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Reden

Christian Dahm (SPD) 9623

Ina Scharrenbach (CDU) 9623

Mario Krüger (GRÜNE) 9623

Kai Abruszat (FDP) 9623

Torsten Sommer (PIRATEN) 9624

Minister Ralf Jäger 9624

Anlage 2. 9625

Zu TOP 15 – „Achtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales“ – zu Protokoll gegebene Reden

Thomas Stotko (SPD) 9625

Kirstin Korte (CDU) 9625

Matthi Bolte (GRÜNE) 9625

Marc Lürbke (FDP) 9625

Frank Herrmann (PIRATEN) 9625

Minister Ralf Jäger 9626

Anlage 3. 9627

Zu TOP 16 – „Gesetz zur Änderung gesetzlicher Befristungen im Zusammenhang mit der ländlichen Bodenordnung“ – zu Protokoll gegebene Reden

Annette Watermann-Krass (SPD) 9627

Norwich Rüße (GRÜNE) 9627

Henning Höne (FDP) 9628

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 9628

Minister Johannes Remmel 9628

Anlage 4. 9631

Zu TOP 17 – „Achtzehnter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achtzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)“ – zu Protokoll gegebene Reden

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 9631

Lisa Steinmann (SPD) 9631

Thorsten Schick (CDU) 9632

Thomas Nückel (FDP) 9632

Daniel Schwerd (PIRATEN) 9632

Anlage 5. 9635

Zu TOP 18 – „Gesetz zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis im Land Nordrhein-Westfalen und zur Entfristung der Altersteilzeitregelung“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 9635

Anlage 6. 9637

Zu TOP 19 – „Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen (Hafensicherheitsgesetz – HaSiG) – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Michael Groschek. 9637

Anlage 7. 9639

Zu TOP 20 – „Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2015/2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 9639

Anlage 8. 9641

Zu TOP 25 – „Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Landtags“ – gem. § 47 Abs. 2 GeschO zu Protokoll gegebene schriftliche Begründungen des Abstimmungsverhaltens

Simone Brand (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Stefan Fricke (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Marc Olejak (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Dietmar Schulz (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Daniel Schwerd (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Torsten Sommer (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)

Olaf Wegner (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 Abs. 2 GeschO)


Entschuldigt waren:

 

Minister Garrelt Duin    
(bis 12 Uhr)

Minister Johannes Remmel

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans      
(ab 18 Uhr)

 

Uli Hahnen (SPD)

Andreas Kossiski (SPD)

Jochen Ott (SPD)

Eva Steininger-Bludau (SPD)

Markus Töns (SPD)

 

Peter Biesenbach (CDU)

Lothar Hegemann (CDU)

Ulla Thönnissen (CDU)

 

Ali Bas (GRÜNE)         
(bis 12 Uhr)

Horst Becker (GRÜNE)

Stefan Engstfeld (GRÜNE)      
(bis 15 Uhr)

Martina Maaßen (GRÜNE)        
(bis 12 Uhr und ab 18 Uhr)

Verena Schäffer (GRÜNE)

 

Christian Lindner (FDP)

Marc Lürbke (FDP)

Dr. Ingo Wolf (FDP)

 

Oliver Bayer (PIRATEN)

Birgit Rydlewski (PIRATEN)

Kai Schmalenbach (PIRATEN)

 


Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 93. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 16 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir in das Protokoll aufnehmen.

Wir dürfen auch heute einer Kollegin zum Geburtstag gratulieren. Ihren Geburtstag feiert heute Frau Kollegin Ina Scharrenbach von der CDU-Fraktion.

(Lebhafter Beifall von allen Fraktionen)

Frau Kollegin, ganz herzlichen Glückwunsch, alles Gute und einen wunderschönen Tag im Kreise der Kolleginnen und Kollegen und, wenn Sie die Gelegenheit haben, dann auch heute Abend noch im Kreise Ihrer Familie!

Wir treten ohne weitere Vorbemerkungen in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1   Nachwahl einer Schriftführerin des Landtags Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/9815

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen.

Deshalb stimmen wir direkt über den Wahlvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab. Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP und Piraten. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Wahlvorschlag Drucksache 16/9815 angenommen, und Frau Kollegin Grochowiak-Schmieding ist die neue Schriftführerin.

(Beifall von allen Fraktionen)

Herzlichen Glückwunsch dazu! Sie werden sicherlich Ihren Dienst im Laufe dieser beiden Tage auch schon antreten.

Damit rufe ich auf:

2   Familienbericht Nordrhein-Westfalen: „Familien gestalten Zukunft“

Unterrichtung
durch die Landesregierung

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 22. September 2015 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag in der heutigen Plenarsitzung zu dem Thema „Familienbericht Nordrhein-Westfalen: Familien gestalten Zukunft“ zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt durch Frau Ministerin Schäfer.

Ich weise darauf hin, dass sich die im Landtag vertretenen Fraktionen und die Landesregierung für die Unterrichtung auf die in der Tagesordnung ausgewiesene Redezeit verständigt haben. – Frau Ministerin Schäfer hat jetzt das Wort und damit auch das Redepult zur Verfügung.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Einen wunderschönen guten Morgen! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Familien gestalten Zukunft“ – unter diesen Titel haben wir den Familienbericht Nordrhein-Westfalen gestellt. Bevor ich auf einige Inhalte eingehe, noch ein kurzer Blick in die Vergangenheit.

Der letzte und bisher einzige Familienbericht für Nordrhein-Westfalen wurde 1990 veröffentlicht. Diese Landesregierung ist also die erste seit 25 Jahren, die eine ausführliche Beschreibung der Situation zu Familien in Nordrhein-Westfalen unternommen hat.

Der jetzt vorliegende Report stellt deshalb keine abschließende Analyse dar, sondern will vielmehr den Grundstein für eine regelmäßige Berichterstattung legen, um künftig die Entwicklungen in der Familienpolitik aufzuzeigen.

In den nächsten Legislaturperioden wird die Landesregierung weitere Berichte erstellen, die den vorliegenden Report fortschreiben und um aktuelle Aspekte und neue Schwerpunktthemen ergänzen.

Jetzt zum Aufbau und zum Inhalt dieses Familienberichtes: Im ersten Teil des Berichtes werden Statistiken und Studien für NRW ausgewertet, also Zahlen, Daten, Fakten analysiert und wissenschaftlich bewertet, zum Beispiel Familienformen, Familiengründungen, Familien- und Erwerbsarbeit und die wirtschaftliche Lage von Familien.

Nun sind Statistiken gut und sinnvoll. Doch wie bewerten Familien selbst ihre Situation? Dieser Frage geht der zweite Teil des Familienberichtes nach, der die Ergebnisse der Beteiligung von Familien darstellt.

Die Familien in unserem Bundesland konnten insgesamt über drei verschiedene Beteiligungswege sozusagen zu Mitautoren und Mitautorinnen dieses Familienberichtes werden: über die sogenannten Familiendialoge auf der einen Seite – das waren neun Veranstaltungen in ganz Nordrhein-Westfalen – oder über das dafür eigens eingerichtete Internetportal oder durch die Teilnahme an einer repräsentativen Familienbefragung in Nordrhein-Westfalen.

Noch nie – das darf man sagen – hat ein Flächenland in Deutschland Familien so umfassend an der Entstehung eines Familienberichtes beteiligt.

Zur repräsentativen Umfrage: Im März 2015 führte das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag der Landesregierung eine telefonische Befragung bei rund 1.000 Personen aus Familien in Nordrhein-Westfalen durch. Sechs Themenfelder standen zur Bewertung, um zu identifizieren, wo Familien in Nordrhein-Westfalen vorrangig Problemdruck empfinden: Zeit, Geld, Kinderbetreuung, Wohnen, Beratung und Sicherheit.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse sind mehr als eindeutig. In allererster Linie fehlt es den Familien in Nordrhein-Westfalen an Zeit. 55 % der befragten Eltern nennen Zeitmangel als Problem, darunter 22 % sogar als ein großes Problem – mehr als in allen anderen Themenbereichen wie „Geld“, „Kinderbetreuung“, „Wohnberatung“ und „Sicherheit“.

Ein weiteres Ergebnis der Elternbefragung zeigt die Beurteilung der Qualität der Kinderbetreuung in Nordrhein-Westfalen. Und das ist ein schönes Ergebnis für unser Bundesland: Sowohl die Eltern von U3-Kindern, die in der Betreuung sind, als auch die Eltern der Kinder, die sich in Ü3-Betreuung befinden, sind mit der Qualität der Betreuung ausgesprochen zufrieden. 76 % der Eltern von Kindern in U3-Betreuung bewerten die Qualität der Betreuung mit „sehr gut“ bis „gut“; mit „sehr gut“ werteten 44 %, mit „gut“ 32 %. 68 % der Eltern mit Kindern in Ü3-Betreuung bewerten die Qualität der Betreuung mit „sehr gut“ bis „gut“; mit „sehr gut“ werteten 24 %, mit „gut“ 44 %.

Das ist in der Tat ein wirklich sehr erfreuliches Ergebnis, welches zeigt, dass die Eltern in Nordrhein-Westfalen den Kindertageseinrichtungen sowie der Kindertagespflege mit ihren Erzieherinnen und Erziehern sowie Tagesmüttern und Tagesvätern ein großes Vertrauen entgegenbringen. Und es verdeutlicht auch, dass es sich lohnt, in den nächsten Jahren weiterhin die Kinderbetreuung den Bedarfen der Eltern entsprechend auszubauen, so wie wir es in den vergangenen fünf Jahren ja auch hervorragend geschafft haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Themenbereiche „Geld“ oder „Wohnraum“ werden von der Mehrheit der befragten Eltern eher als unproblematisch oder nicht sehr problematisch angesehen. Bei einer differenzierten Betrachtung bedeutet das allerdings nicht, dass hier kein Handlungsbedarf besteht; denn bestimmte Gruppen von Familien brauchen auch in diesen Bereichen unsere besondere Unterstützung, zum Beispiel die Alleinerziehenden in puncto Geld sowie kinderreiche Familien und Familien mit Migrationshintergrund in puncto Wohnraum. Aufgrund der aktuellen Lage wird sich diese Situation mit Sicherheit auch nicht so leicht entspannen lassen.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis – das ist allerdings nicht wirklich überraschend – ist, dass Alleinerziehende durchweg in allen Themenfeldern mit mehr Schwierigkeiten zu kämpfen haben als Familien im Durchschnitt. – So weit erst einmal die wichtigsten Ergebnisse.

Was aber folgt daraus? Dazu werden wir im dritten und letzten Teil des Familienberichtes erste Eckpunkte für eine zukünftige Familienpolitik in den nächsten Jahren formulieren, bzw. sie sind bereits formuliert worden. Bei der Formulierung der Maßnahmen, die wir konkret ergreifen wollen, haben wir uns von dem Gedanken leiten lassen, dass Familienpolitik dann auch da ansetzen muss, wo Familien den größten Problemdruck erleben.

Zeitmangel ist das Problem, das die Familien in Nordrhein-Westfalen am meisten belastet. Deshalb wird die Landesregierung als eine erste Konsequenz aus diesem Familienbericht noch in diesem Jahr zu einem Familiengipfel einladen. Die Familienbefragung hat ergeben, dass nicht nur die Länge der Arbeitszeit, sondern auch die Frage, in welchem Zeitraum die Arbeitszeit liegt, sowie fehlende Flexibilität zu diesem Zeitmangel führen.

Im Bereich der Zeitpolitik gilt in besonderem Maße, dass Familienpolitik nur gemeinsam mit anderen engagierten Partnern gelingen kann. Deshalb werden alle beteiligten Akteure – Vertreter der Wirtschaft, der Arbeitgeberverbände, der Gewerkschaften, der kommunalen Spitzenverbände, der Familienverbände und der Politik – im Rahmen dieses Familiengipfels an einen Tisch geholt, um sich gemeinsam auf Ziele für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verständigen.

Dabei soll auch die besondere Problematik der Alleinerziehenden thematisiert werden. Darüber hinaus wird die Landesregierung im Rahmen einer Väterkampagne die Vaterrolle stärken und Väter zur Inanspruchnahme von mehr Elternzeit ermutigen. Sie werden sich erinnern – darüber habe ich schon einmal gesprochen –, dass wir bei diesem Punkt leider noch hinter Bayern liegen.

Der vorliegende Bericht bildet mit seinen ersten Eckpunkten für eine zukünftige Familienpolitik einen Grundstein und den Auftakt zur Weiterentwicklung der Familienpolitik in den nächsten Jahren. Ganz wichtig ist uns als Landesregierung aber dabei, diese Aufgabe nicht allein anzugehen, sondern Hand in Hand mit den Partnern, die ich eben im Zusammenhang mit dem Familiengipfel schon genannt habe. Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert, und ich bin zuversichtlich, dass alle auch weiterhin am gleichen Strang ziehen werden.

Ich gehe davon aus, dass der Familienbericht auch eine sehr gute Grundlage für die Arbeit der Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ darstellt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin.

(Langanhaltender lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN)

Frau Ministerin, an dem Beifall des größten Teils des Hauses merken Sie: Alle wissen, dass dies Ihre letzte Unterrichtung als Ministerin an dieser Stelle war. Der Beifall soll sicherlich etwas mehr ausdrücken als nur den Dank für diese Unterrichtung.

Damit eröffne ich die Aussprache. Als erste Rednerin hat für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Schulze Föcking das Wort.

Christina Schulze Föcking (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine ganze Generation liegt zwischen dem letzten Familienbericht und dem, der uns heute vorliegt, den wir diskutieren. Wir alle wissen: Seither hat sich vieles verändert.

Diejenigen, die zum Zeitpunkt des letzten Familienberichtes geboren wurden, gründen heute ihre eigenen Familien. Eltern sind Großeltern geworden, Großeltern Urgroßeltern, Ehen wurden geschlossen, andere geschieden, neue Beziehungen wurden eingegangen mit unterschiedlichem rechtlichem Status. Und auch das Familienrecht und die familienpolitischen Leistungen wurden an vielen Stellen deutlich verändert.

Kurzum: Wenn eine Landesregierung nach einem Vierteljahrhundert einen neuen Familienbericht vorlegt, dann kann man vor allem eines sagen: endlich! Dieser Bericht ist nicht allein im Ministerium erdacht worden. Besonders herzlich danke ich daher auch all jenen, die als Einzelpersonen, als Vertreter von Institutionen und Verbänden zu dem Bericht, wie er uns heute vorliegt, beigetragen haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist gut, dass die Familienpolitik mit diesem Bericht stärker in den Mittelpunkt gerückt wird. Da gehört sie auch hin. Wir brauchen mehr Anerkennung und Wertschätzung für das, was Menschen in der Familie an Fürsorge, Zuwendung, Liebe, Pflege, Erziehung und Bildung geben, ohne einen Cent dafür zu verlangen. Das ist wunderbar. Ein Staat, der das, was in der Familie geleistet wird, komplett durch staatliche Leistungen ersetzen wollte, wäre schnell ruiniert.

(Beifall von der CDU)

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns fragen: Wie leben Familien in Nordrhein-Westfalen heute? Welche Wünsche und Erwartungen haben Familien und junge Menschen an ein gelingendes Familienleben? Was kann und muss die Landespolitik leisten? Und wo besteht konkreter familienpolitischer Handlungsbedarf?

Der Blick in den Bericht zeigt – die Ministerin hat dies auch besonders herausgestellt –: Das Familienleben ist in den letzten 25 Jahren vielfältiger geworden. In annähernd jeder fünften Familie erziehen Mutter oder Vater die Kinder allein. 7,3 % der Familien sind sogenannte Lebensgemeinschaften mit Kindern; darunter auch gleichgeschlechtliche Eltern. Es ist wichtig, einen genauen Blick auf diese Veränderungen zu werfen.

Aber manches ist auch unverändert – und das hätten Sie, Frau Ministerin, ebenfalls erwähnen können. Ich nenne an erster Stelle die hohe Wertschätzung, die die Ehe genießt. Rund 75 % der Eltern, die Kinder unter 18 Jahren großziehen, sind verheiratet.

Ein Zweites ist die enorme Wertschätzung für die Familie, gerade auch unter den jungen Menschen. Familie ist „in“. Politik kann einen Beitrag leisten, damit Familie auch wirklich gelebt werden kann.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das Dritte, das unverändert geblieben ist, ist die Überzeugung vieler Mütter und Väter, gerade in den ersten zwei Lebensjahren die eigenen Kinder zu Hause gut erziehen zu können. Das sind die objektiven Fakten des Berichts.

Jeder, der schon einmal über das Thema „Familie“ gesprochen hat, weiß, dass es sich um höchstpersönliche Überzeugungen und individuelle Erfahrungen handelt. Wie erlebe ich Familie?

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

– Frau Asch: Ja, ich bin Mutter, und das von zwei schulpflichtigen Kindern. Ich weiß, wie das Leben mit Kindern ist. Sie machen glücklich, sie sind eine klare Bereicherung und ein großartiges Geschenk.

(Beifall von der CDU)

Aber natürlich gehören auch manche Sorgen dazu. Wenn ein Kind krank ist, wenn es in der Schule mal nicht so gut läuft – all das sind Sorgen, die sich Millionen Mütter und Väter machen. Hinzu kommen die Herausforderungen, wenn die eigenen Eltern krank werden und Hilfe benötigen. Auch dann stellt sich oft die Frage, wie all das bewältigt und mit dem Beruf in Einklang gebracht werden kann.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse der Familienbefragung zeigen ebenfalls, vor welchen Herausforderungen Familien in Nordrhein-Westfalen stehen, vor allem Familien mit kleinen Kindern. Ich will nur einige nennen: Frauen und Mütter wollen am Berufsleben teilhaben – zu einem nicht geringen Teil müssen sie das auch –, aber sie wünschen sich flexible Teilzeitmodelle und keine starr vorgegebene Stundenmodelle.

Besorgniserregend ist oftmals auch die Situation von Alleinerziehenden; Sie sagten es bereits. Auch die Erfahrung, dass es an Zeit für das Familienleben fehlt, bedeutet eine Herausforderung, ebenso wie die finanzielle Benachteiligung von Familien mit Kindern im Vergleich zu kinderlosen Paaren und Alleinstehenden.

(Beifall von der CDU)

Man muss sich schon fragen, was angesichts dieser zahlreichen Probleme, die der Bericht auflistet, die präventive Finanzpolitik der Ministerpräsidentin den Familien in unserem Land bisher eigentlich gebracht hat.

(Beifall von der CDU)

In der Summe ist der Familienbericht daher vor allem ein umfangreiches Lastenheft, das die scheidende Ministerin ihrer Nachfolgerin auf den Schreibtisch gelegt hat.

(Beifall von der CDU und Marcel Hafke [FDP] – Zurufe)

Denn im Familienbericht sind vor allem viele Aufgaben beschrieben. Was unsere Familien aber brauchen, sind Lösungen für ihre ganz konkreten Probleme. Wie müssen diese Lösungen aussehen? Was können wir tun? Für uns als Union ist die Wahlfreiheit der Maßstab. Wir tun gut daran, Familienpolitik auch einmal etwas grundsätzlicher zu diskutieren.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Die Einsicht liegt doch auf der Hand. Wenn sich die Familienpolitik konsequent an den Wünschen und Bedürfnissen von Familien orientieren soll, dann heißt das, Menschen dabei zu unterstützen, ihr höchstpersönliches Familienbild auch zu verwirklichen.

(Beifall von der CDU)

Das bedeutet, Freiräume für Familien zu schaffen – Freiräume, in denen sie über Familienmodelle, Kindererziehung und die Balance von Familienpflege und Erwerbsarbeit frei entscheiden können; darüber, ob Oma und Opa im hohen Alter in der eigenen Wohnung leben können und von den Kindern betreut werden, oder ob sie lieber in ein Seniorenwohnheim ziehen möchten; darüber, wie Vater und Mutter Erwerbsarbeit und Familienzeit untereinander aufteilen oder die Hausarbeit organisieren, ab welchem Zeitpunkt die Kinder in die Kita möchten und kommen, ob es eine städtische Kita sein soll oder eine, die beispielsweise von der Pfarrgemeinde oder dem DRK geleitet wird.

All das sind Entscheidungen, die Eltern eigenverantwortlich zum Wohle ihrer Kinder treffen wollen. Das ist die Wahlfreiheit, wie wir sie als Christdemokraten verstehen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Und an diesem Maßstab messen wir, wie es um die Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen steht.

Aber wie sieht die Realität aus?

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

Da kann man nichts schönreden, Frau Ministerin, gar nichts! Nordrhein-Westfalen bildet bei den U3-Betreuungsplätzen noch immer das Schlusslicht in ganz Deutschland. Das ist das Gegenteil von Wahlfreiheit!

(Beifall von der CDU – Armin Laschet [CDU]: So ist es! Aber so eine Klappe!)

Zur Wahlfreiheit gehört auch die Trägervielfalt. Wenn die Kirchen und andere Träger in Nordrhein-Westfalen Alarm schlagen, weil die Kindpauschalen nicht auskömmlich sind, dann ist auch das eine große familienpolitische Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

(Beifall von der CDU)

Des Weiteren darf es auch nicht sein, dass nach den BAföG-Mitteln nun auch die Mittel aus dem Betreuungsgeld im allgemeinen Haushalt versickern. Diese Mittel müssen konkret den Familien zugutekommen.

(Beifall von der CDU)

Immer mehr Eltern wünschen sich einen Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Auch hier muss die Landesregierung mehr tun. Die gute Arbeit der Familienzentren sowie der Familienberatung und Familienbildung – insbesondere die der Kirchen und der freien Wohlfahrtspflege – braucht mehr politische Unterstützung.

Und ja, mit dem Zuzug von Hunderttausenden von Flüchtlingen ist eine weitere gewaltige Aufgabe für die Familienpolitik hinzugekommen. Wir müssen alles dafür tun, damit die Kinder, die aus Syrien oder dem Irak nach Deutschland kommen, eine gute Zukunft in unserem Land haben.

(Beifall von der CDU)

Gerade erst am Samstag habe ich ein kleines Mädchen aus Syrien kennengelernt. Sie hat binnen vier Monaten ein richtig gutes Deutsch gelernt. Hier steckt unglaublich viel Potenzial. Wir müssen diesen Kindern eine Chance geben, sie integrieren und ihnen vor allem helfen.

(Beifall von der CDU)

Schließlich müssen wir mehr denn je in die frühkindliche Bildung investieren, so wie das alle Fraktionen im gemeinsamen Bericht der Enquetekommission „Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte“ formuliert haben.

(Beifall von der CDU)

Hier im Landtag und vor allem in der Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ muss es darum gehen, die Familien zu stärken und den Kindern gute Perspektiven zu bieten. Wir brauchen aber nicht nur Reden und Gipfel – es muss angepackt werden!

(Beifall von der CDU)

Ziel meiner Fraktion ist es, Familien dort zu unterstützen, wo sie Hilfe benötigen, damit sie ihre Aufgaben verlässlich und aus eigener Verantwortung heraus erfüllen können. Wir wollen ein positives Klima für Familien, wir wollen ein Nordrhein-Westfalen, das Kindern Chancen eröffnet und ihnen Wege bereitet. Wir wollen ein zukunftsfähiges Nordrhein-Westfalen, das auch in Zeiten demografischer Veränderungen stark und liebenswert bleibt.

(Langanhaltender Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schulze Föcking. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Hack.

Ingrid Hack (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Vielen Dank, Frau Schulze Föcking, ich kann mich Ihrem Dank an diejenigen, die den Bericht erstellt haben und daran beteiligt waren, durchaus anschließen. So sollte auch meine Rede beginnen. Das möchte ich ausdrücklich sagen.

In anderen Punkten – das haben Sie sicher auch nicht anders erwartet – unterscheiden wir uns. Das ist auch ganz gut so, weil wir von vielen Bürgerinnen und Bürgern oft hören: Die Parteien wollen doch immer alle das Gleiche. Was sollen wir da eigentlich noch diskutieren?

Die Familienpolitik ist aus meiner Sicht – und an Ihrer Rede hat sich das teilweise auch wieder gezeigt – ein Thema, bei dem wir unterschiedliche Ansichten verfolgen und möglicherweise auch unterschiedliche Ziele und Wege im Auge haben. Zu diesem Zweck ist – Sie haben es ebenfalls erwähnt – die Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ unter anderem auch eingerichtet worden. Aber darum soll es heute konkret nicht gehen.

Wie gesagt: Mein ganz herzlicher Dank gilt Frau Ministerin Schäfer und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus, die diesen Bericht mit ermöglicht haben. Mein Dank gilt auch dem Beirat und vor allen Dingen den Familien, die dazu beigetragen haben, dass wir nun nach 25 Jahren – es ist schon erwähnt worden – wieder eine umfangreiche Information zur Lage der Familie vor Augen haben.

Dies als Lastenheft zu bezeichnen, Frau Schulze Föcking, finde ich ein bisschen unangebracht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Schließlich handelt es sich um Aufgaben zur Zukunftsgestaltung unseres Landes. So viel Zeit muss sein.

Den mitwirkenden Familien gilt, wie gesagt, mein ganz besonderer Dank. Ich danke ihnen dafür, dass sie sich Zeit für diese Dialogveranstaltungen und die Auseinandersetzung genommen haben. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Probleme, die der vorliegende Bericht benennt: Die größten Probleme von und für Familien sind Zeit und Zeitsouveränität. Es würde aber meines Erachtens dem Inhalt und Umfang des Berichts nicht gerecht, würden wir seine Aussage auf diese eine Thematik beschränken.

Der bereits in unserer rot-grünen Koalitionsvereinbarung festgeschriebene Bericht beleuchtet vielmehr eine Vielzahl von Themen – sie sind bereits angeklungen – des Familienlebens, des Alltags, von Sorgen und Wünschen, von Hindernissen, aber auch von Gelingendem an dem Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Generationen füreinander Verantwortung übernehmen. So lautet auch die Definition, die der Bericht gewählt hat.

Lassen Sie mich nun nur einige wenige Befunde nennen, die aus meiner Sicht deutlichen Veränderungsbedarf – da stimme ich völlig zu – signalisieren. Inzwischen hinreichend bekannt ist, dass viele Mütter den Wunsch haben, ihre Erwerbstätigkeit auszudehnen, wohingegen viele Väter den Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit haben. Die Realität sieht aber anders aus. Das ist bereits in der bisherigen Arbeit unserer Enquetekommission thematisiert worden, und es wird uns auch weiterhin beschäftigen.

Der Umsetzung dieser Wünsche stehen jedoch Anforderungen der persönlichen und der familiären Existenzsicherung entgegen, vor allem aber Anforderungen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Väter und Mütter werden am Arbeitsplatz eben nicht in diesen Rollen bzw. Funktionen gesehen, sondern schlicht in ihren Funktionen für den Job, der gemacht werden soll.

Ich will hier ausdrücklich nicht diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ansprechen, die bereits eine ganze Menge in dieser Hinsicht geändert haben.

Aber ich appelliere ganz deutlich an diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die nach wie vor beispielsweise Teilzeit und Führungsposition als ein Ding der Unmöglichkeit betrachten, die nach wie vor ausschließlich Arbeit im Betrieb für den Beweis von Arbeitseinsatz halten und die familienbewusste Arbeitszeitmodelle für – so will ich es einmal nennen – überflüssige Spielerei halten. Besonders Väter mit Wünschen nach mehr Familienzeit sind von dieser traditionellen Ausgestaltung der Arbeitswelt betroffen.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass hier eine Öffentlichkeitskampagne – so wichtig Information und Sensibilisierung an dieser Stelle sind – nicht ausreichend für Veränderung sorgen kann. Spürbare Verbesserungen können meines Erachtens nur verbindliche Regelungen schaffen – sei es in Tarifvereinbarungen, sei es in gesetzlichen Regelungen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will auf ein weiteres Ergebnis der Familienbefragung eingehen – auch das haben Sie, Kollegin Schulze Föcking, angesprochen –: Zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien sind denjenigen, die ihrer besonders bedürfen, nicht bekannt und werden von ihnen deshalb auch nicht genutzt. Die Befragung zeigt, dass dies besonders häufig auf Familien mit niedrigem Bildungsstand, Familien mit niedrigem Einkommen und Familien mit Migrationshintergrund zutrifft.

Ich zitiere:

„Es geht darum, mehr Eltern zu erreichen, die zwar Unterstützungsbedarf haben, die Angebote aber nicht von sich aus nutzen.“

Diese Anforderung aus den Eckpunkten müssen wir meines Erachtens sehr zügig umsetzen und die Familienberatungs- und -bildungsangebote verbindlicher aufsuchend gestalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mich freut die Erkenntnis des Berichts, dass die Verbindungen zwischen den Generationen als sehr gut und hilfreich eingeschätzt werden – ich zitiere –, „weshalb ‚von sich auflösender Solidarität zwischen den Generationen nicht gesprochen‘ werden kann“.

Allzu oft – das stelle ich zumindest öfter fest – wird dieser positive Sachverhalt nicht ausreichend gesehen. Er ist aber ein Wert für Familien in unserem Land.

Sehr positiv bewerte ich auch den Umgang des Berichts mit der Frage, ob Familien mit Migrationshintergrund ein besonderes – besser: gesondertes – Augenmerk zukommen soll. Nicht nur angesichts der aktuellen Situation, die zahlreiche Familien unterschiedlichster Herkunft nach Deutschland und damit auch in unser Bundesland führt, ist die Betrachtung ihrer spezifischen Chancen und Bedarfe vorausschauend und absolut angebracht. Auch im Hinblick auf die Geschichte unseres Landes, die zahlreiche Integrations- und Migrationsbewegungen erlebt hat, ist es wichtig, dem gerecht zu werden und ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, ohne dass dies segregierenden Charakter in diesem Bericht oder in unserer Politik haben soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss sei mir eine grundsätzliche Anmerkung erlaubt. Ausgehend von der Zeitproblematik von Familien stelle ich fest, dass Familien ihre Zeit in die Organisation und die Bedarfe anderer einbauen müssen. Nicht Familienzeit bestimmt die Aufteilung des Alltags, sondern vor allem die Zeit für Erwerbsarbeit. Daraus spricht die Wertung, die Familie genießt. Sie ist eben nicht Taktgeber in unserer Gesellschaft, sondern hat sich immer noch nach anderem und anderen zu richten, deren Funktionieren reibungslos erfolgen muss, beispielsweise Produktionsabläufen.

Völlig unterschätzt wird meines Erachtens die Leistung von Familien als Investoren in unserem Land – in Bildung, in Konsum, in Mobilität. Familien investieren in gelingendes Aufwachsen, in zufriedenstellende Lebensgestaltung der erwerbstätigen Generation. Sie erbringen Leistungen für würdiges und gesundes Altern.

Diese – lassen Sie es mich so nennen – Produkte und ihre Wachstumschancen sollten Maßstab für uns sein. Sie sollten die Kennziffern bilden, nach denen wir den Zustand unseres Landes bemessen. Dann kann gelingen, was der Bericht benennt: Familien gestalten Zukunft. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Hafke das Wort.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich meinen persönlichen Dank – auch im Namen der FDP-Fraktion – an die Ministerin richten. Ich möchte Ihnen recht herzlich für die geleistete Arbeit der letzten fünf Jahre danken. Auch wenn wir auf dem Weg nicht immer einer Meinung waren, habe ich sehr bewundert, dass Sie stets äußerst respektvoll mit uns diskutiert haben, immer einen fairen Diskurs gesucht haben und die andere Meinung akzeptiert und respektiert haben. Vielen Dank für diese Arbeit!

(Lebhafter Beifall von allen Fraktionen)

Frau Ministerin, wir müssen heute auf Ihren Wunsch hin aber noch eine wichtige Grundsatzdebatte über die Familienpolitik führen. Sie haben einen Familienbericht in Auftrag gegeben und vorgelegt. Ich bin froh, dass wir ihn heute in dieser Form diskutieren können, weil er doch einige Elemente enthält, über die man unterschiedlicher Auffassung sein kann.

Wichtig ist in unserer heutigen Zeit mit Sicherheit das Thema „Zeit, Zeitmanagement, Zeitknappheit“. Familienpolitik besteht aber nicht nur aus Zeitpolitik, sondern umfasst viel mehr.

Wenn man sich die ersten Seiten mit der statistischen Auswertung der zusammengetragenen Zahlen anschaut, stellen wir leider einige Aspekte fest, bei denen Nordrhein-Westfalen noch Aufholbedarf hat. In den letzten Jahren – unter Schwarz-Gelb angefangen, unter Rot-Grün fortgeführt – ist zwar viel im Bereich des U3-Ausbaus passiert. Aber – die CDU hat es freundlicherweise angesprochen – Nordrhein-Westfalen ist mit einer Betreuungsquote von 24 % immer noch bundesweites Schlusslicht. Hier liegt noch ein großer Aufgabenbereich vor dieser Landesregierung, Fahrt aufzunehmen.

Wenn man sich die Daten weiter anschaut, stellt man fest, dass die Landesregierung sie an der einen oder anderen Stelle sehr individuell interpretiert hat, eigene Schlussfolgerungen gezogen hat und gewisse Punkte nicht in den medialen Fokus gestellt hat.

Insbesondere drei Punkte möchte ich ansprechen:

In diesem Bericht ist zum Beispiel keine Aussage vorhanden, ob für Familien eher gute Betreuungsmöglichkeiten wichtig sind oder eher Familienzeit vorne steht. Gerade wenn die SPD sich dieses Thema so auf die Fahne schreibt, wäre es doch wichtig, eine solche Aussage einmal in einem Familienbericht zu behandeln.

(Beifall von der FDP)

Der zweite Punkt baut auf der ersten Aussage auf. In dem Bericht steht: 39 % der Eltern möchten mehr Familienzeit haben. – Aber genauso wichtig ist – das geht in der Debatte immer wieder unter –, dass 37 %, also nur 2 % weniger, eine exzellente, bedarfsgerechte Kitabetreuung haben möchten, die offensichtlich noch nicht vorliegt. Sonst wäre der Wunsch nicht so groß.

Dann kann man das Ganze einmal weiterspinnen. Sie haben gefragt, warum manche Eltern in Nordrhein-Westfalen keinen Kitaplatz für unter Dreijährige in Anspruch nehmen. Nach den statistischen Auswertungen sind das 65 % der Eltern. Ihre Aussage ist, dass diese Eltern das gar nicht haben möchten. Wenn man sich den Familienbericht aber genau anschaut, stellt man fest, dass 20 % dieser Eltern gar keinen Betreuungsplatz bekommen haben.

Damit kommen wir zum eigentlichen Skandal hier in Nordrhein-Westfalen: 155.000 U3-Plätze haben wir in Nordrhein-Westfalen. Diese stehen für ungefähr 35 % aller Kinder zur Verfügung, und insgesamt reden wir von rund 285.000 Kindern ohne Betreuungsplatz. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass von diesen 285.000 Kindern ein Fünftel gar keinen Platz in Nordrhein-Westfalen gefunden hat, dann fehlen in Nordrhein-Westfalen 57.000 Plätze für U3-Kinder. Insofern ist es für mich unverständlich, dass diese Landesregierung keinen einzigen zusätzlichen Cent in den Haushalt eingestellt hat, um U3-Investitionen auf den Weg zu bringen. Das ist einfach zu wenig, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wenn wir über eine bedarfsgerechte Kitabetreuung sprechen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch Familienzeit ermöglicht, müssen wir natürlich auch über die Auskömmlichkeit der Finanzierung sprechen. Da ist in den letzten Jahren sicherlich viel getan worden. Das haben wir auch nie in der Summe, sondern nur in der Ausführung kritisiert. Man muss sich aber auch einmal anschauen, was Schwarz-Gelb in das Gesetz geschrieben hat:

(Heike Gebhard [SPD]: Warum hat man es nicht von Anfang an besser ausgestattet?)

Wir haben hineingeschrieben, dass die Dynamisierung überprüft werden soll, dass die Kindpauschalen überprüft werden sollen. – Das Gesetz wurde an dieser Stelle einfach missachtet.

Fünf Jahre diskutieren wir in diesem Parlament über die Auskömmlichkeit der Kindpauschalen und darüber, ob sie konnexitätsrelevant sind oder nicht. Mittlerweile ist die Situation so brenzlig, dass mehrere Träger und insbesondere die Kirchen gesagt haben, dass nächstes Jahr 80 % der Kitas defizitär laufen.

Was macht diese Landesregierung zurzeit? Es wird einfach keine Aktivität entfaltet, um dieses Problem anzugehen. Wir finden keine zusätzlichen finanziellen Mittel im Haushalt. Es gibt keinen Gesetzentwurf, der das auf den Weg bringt. Es wird noch einmal das Angebot von der Opposition wahrgenommen, gemeinsam diesen Weg zu gehen und die Träger dabei zu unterstützen.

(Beifall von der FDP)

Auf der anderen Seite werden für 160 Millionen € die Elternbeiträge für das dritte Kindergartenjahr abgeschafft – ein Wahlversprechen, das SPD und Grüne zu Recht umsetzen.

Aber die Frage ist doch: Wo liegen die Prioritäten in diesem Land? Wollen wir nicht erst einmal einen vernünftigen U3-Ausbau gewährleisten? Wollen wir nicht erst einmal schauen, dass die Qualität an den Kitas stimmt und die Finanzierung sichergestellt ist, bevor wir in einem hoch verschuldeten Land wie Nordrhein-Westfalen eine Beitragsfreiheit einführen? Deswegen halte ich das für eine falsche Prioritätensetzung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir können das Thema auch noch weiterspinnen. Wenn man über Kitas hinausschaut, stellen wir fest, dass in der Kindertagespflege viel vom Glück abhängt, wo sich die Tagesmutter oder der Tagesvater gerade selbstständig macht. Wir haben eine komplett unterschiedliche Landschaft in Nordrhein-Westfalen. In den letzten fünf Jahren wurde die Situation sogar verschärft, indem das Zuzahlungsverbot ohne Kompensation eingestellt wurde. Die Tagesmütter und Tagesväter berichten von schwierigen Situationen. Vertreter aller Fraktionen haben vor Kurzem in Köln an einer spannenden Diskussion dazu teilgenommen. Angesichts der bestehenden Herausforderungen, die dort deutlich geworden sind, erwarte ich von einer Landesregierung, dass diese Probleme aktiv angegangen werden.

(Beifall von der FDP)

Noch eine letzte Anmerkung – das ist ein Appell an die neue Ministerin, aber insbesondere auch an das Parlament und die regierungstragenden Fraktionen –:

Wenn man Familienpolitik machen möchte, dann muss man das, was dieser Landtag beschlossen hat, regelmäßig überprüfen. Wir geben Steuergelder in Millionen- und Milliardenhöhe aus. Insofern muss man familienpolitische Leistungen evaluieren – darauf hat der Steuerzahler einen Anspruch – und schauen, ob diese Leistungen auch wirklich da ankommen, wo sie hingehören.

Ich finde es unverantwortlich, dass Sie sich in diesem Landesparlament solchen Maßnahmen verweigern, und würde mir wünschen, dass Sie hier zur Einsicht kommen und das auf den Weg bringen, was der Steuerzahler erwartet, nämlich die Evaluation familienpolitischer Leistungen, um zu sehen, wo dieses Geld wirklich vernünftig eingesetzt wird.

(Beifall von der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die weiteren Debatten in diesem Haus zum Thema „Familienpolitik in den nächsten Jahren“.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach 25 Jahren legt diese Landesregierung einen Familienbericht vor. Frau Ministerin Schäfer danke ich ausdrücklich dafür, dass sie das angepackt hat. Ich möchte ihr auch ausdrücklich dafür danken, dass sie das unter großer Beteiligung der Familien getan hat. In diesem Bericht wird nämlich nicht nur über Familien gesprochen und nicht nur ihre Situation beschrieben. Vielmehr kamen die Familien selber zu Wort und haben ihre Bedürfnisse, ihre Wünsche geäußert. Ich glaube, das ist der gute Stil, den wir als Rot-Grün pflegen, dass wir Beteiligte … dass wir Betroffene zu Beteiligten machen.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Beteiligte zu Betroffenen! So ist das richtig!)

Danke, Frau Schäfer, dass Sie das auch in diesem Punkt umgesetzt haben!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Lutz Lienenkämper [CDU]: Beteiligte zu Betroffenen! So ist das!)

In diesen letzten 25 Jahren hat sich Familie deutlich geändert. Familien sind heute bunt und vielfältig. Wir haben Patchworkfamilien. Es gibt viele Alleinerziehende. Die Regenbogenfamilien kommen hinzu. Ein großer Teil der Familien mit Kindern hat einen Migrationshintergrund. Und noch etwas hat sich geändert: Es gibt ein Verständnis von Familie, das sehr viel weiter gefasst ist – nämlich, dass Familie überall dort ist, wo Menschen füreinander verbindlich Verantwortung übernehmen.

Dieser Bericht zeigt uns ein sehr detailliertes Bild von der Situation und den Bedürfnissen der Familien in Nordrhein-Westfalen. Und eines zeigt er in aller Deutlichkeit – meine Vorrednerinnen haben das zum Teil aufgegriffen –: Er zeigt, dass Familien vielfach in der Zeitfalle sitzen.

Familien und Eltern fehlt es vor allen Dingen an Zeit. 55 % der Befragten gaben an, zu wenig Raum für die Familie zu haben. 68 % nennen als Grund dafür, dass sie zu lange arbeiten müssen und zu unflexiblere Arbeitszeiten haben; das lasse ihnen zu wenig Raum für die Familie und insbesondere für die Kinder. Gerade die jungen Väter – das ist ein bemerkenswerter Wandel im Rollenverständnis – wünschen sich, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können.

Das zeigt den Rollenwandel. Aber auch noch eine andere Zahl macht deutlich, dass junge Menschen aus diesen traditionellen Rollenbildern ausbrechen wollen; denn 45 % der befragten Eltern wünschen sich, dass beide Elternteile erwerbstätig sind und sich gemeinsam um Haushalt und Familie kümmern. Das ist doch eine sehr positive Erkenntnis, die Anlass zu Hoffnung gibt.

Allerdings halten die Bedingungen der Arbeitswelt diesen Wünschen nicht stand. Die Wirklichkeit sieht anders aus. In einem Drittel der Familien sind die Männer immer noch die Alleinverdiener. Die Erwerbsquote von Frauen in Paarfamilien liegt heute immer noch bei insgesamt nur 64 %.

Die Zahl der Familien, in denen die Väter oder beide Elternteile in Teilzeit arbeiten, ist mit 3 % verschwindend gering. Auch die Anzahl der Väter, die in Elternzeit gehen, ist übrigens sehr gering. Wir haben immer noch den großen Anteil der Zweimonatsväter, die diese zwei Monate zusätzlich nehmen und bei ihren Kindern zu Hause bleiben, aber danach die Sorgearbeit wieder den Müttern überlassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier sind Wirtschaft und Politik gefordert, Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, um Raum und Zeit für das Miteinander in der Familie und die Sorgearbeit für Kinder, aber auch die Sorgearbeit für zu pflegende Angehörige zu ermöglichen.

Dazu gibt es Modelle, die eine Reduzierung der Arbeitszeit oder eine flexible Ausgestaltung der Wochenarbeitszeit in bestimmten Zeitfenstern vorschlagen. Sie liegen auf dem Tisch.

Es liegt im eigenen Interesse der Arbeitgeber und der Wirtschaft, sich solchen Vorschlägen nicht zu verschließen. Sie dienen nämlich auch der Fachkräftesicherung. Last, but not least dienen sie dem Erhalt von motivierten, glücklichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Was kann sich ein Arbeitgeber Besseres wünschen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, erfreulich ist, dass seit 2008 der Anteil der erwerbstätigen Mütter von Kindern im Alter von einem Jahr um immerhin 4,3 % und von Kindern im Alter von zwei Jahren um 4,7 % gestiegen ist. Das ist natürlich der gestiegenen U3-Betreuungsquote zu verdanken, die – wir wissen es – für die Ein- und Zweijährigen in Nordrhein-Westfalen bei 54,9 % liegt. Wir arbeiten weiter daran, dass wir da noch besser werden und noch mehr dem Bedarf von jungen Eltern gerecht werden.

Wir setzen in der Kita aber nicht nur auf Quantität, sondern insbesondere auf den qualitativen Ausbau. Da freue ich mich besonders über einen Punkt, der in dem Familienbericht enthalten ist und den Frau Ministerin Schäfer bereits erwähnt hat. 76 % der Eltern von Kindern in einer U3-Betreuung bewerten die Betreuungsqualität als sehr gut oder gut. Das zeigt, dass wir mit unserer rot-grünen Politik erfolgreich sind. Rot-Grün wirkt für die Kinder und für die Familien.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen diese positive Resonanz auch als Ansporn und werden weiterhin die Qualität der frühkindlichen Bildung in den Mittelpunkt stellen.

Herr Hafke, Sie brauchen sich gar nicht zu sorgen. Die Haushaltsberatungen stehen bevor. Dann werden wir sehen, welche Fraktion welche substanziellen Vorschläge auf den Tisch legt. Hier sollten wir nicht vorgreifen.

Ein Aspekt ist mir noch wichtig. Frühkindliche Bildung wirkt präventiv gegen Armut. 18 % Kinderarmut in Nordrhein-Westfalen – das ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam mit dem Bund bewältigen müssen. Wir haben die plusKITA eingeführt. Wir haben einen wichtigen Schritt gemacht, um die Armutsspirale, in der sich Kinder und Familien befinden, zu stoppen.

Aber hier ist auch der Bund gefragt. Es geht auch um materielle Armut. Der materiellen Armut können wir letztendlich nur begegnen, indem wir eine Kindergrundsicherung einführen, damit Kinder in Deutschland für Eltern nicht weiter ein Armutsrisiko sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir leben heute in einem Bundesland mit 19 % Alleinerziehenden. Das ist eine hohe Zahl. Gerade diese Frauen sind besonders armutsgefährdet. Hier zeigt sich, dass wir darauf noch einmal ein großes Augenmerk legen müssen und eine besondere Unterstützung anbieten müssen.

Meine Damen und Herren, der Familienbericht ist eine gute Grundlage, an die wir für unsere Politik für Kinder und Familien in Nordrhein-Westfalen anknüpfen können. Ich freue mich, dass die scheidende Familienministerin Ute Schäfer angekündigt hat, dass der Bericht weiter fortgeschrieben wird. Ich hoffe, dass ihre Nachfolgerin das auch aufgreifen wird.

Frau Schäfer, Ihre Nachfolgerin hat ja schon angekündigt, dass der Familiengipfel, den Sie vorgeschlagen haben, umgesetzt wird. Das ist wichtig und richtig; denn wir brauchen starke Partnerinnen. Wir brauchen auch ein Umdenken in der Wirtschaft. Es ist wichtig, dass die Unternehmen da mit am Tisch sitzen, um Familie in Nordrhein-Westfalen stark und lebbar zu machen.

Zum Schluss, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, dass ich mich bei der Frau bedanke, die in den letzten fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen die Familienpolitik geprägt hat. Das ist Ute Schäfer. Liebe Ute, ich möchte mich ausdrücklich für unsere gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken. Wir haben gemeinsam viel auf den Weg gebracht und manche schwierige Herausforderung in sehr gutem Einvernehmen miteinander bewältigt. Ich danke dir ausdrücklich und sehr für deine große Leistung, die du für Familien und für Jugendliche und Kinder in Nordrhein-Westfalen erbracht hast.

Als du 2010 dieses Ressort übernommen hast, gab es ganz viel Misstrauen im Lande gegenüber der Landespolitik und auch gegenüber dem Ministerium. Du hast es geschafft, dass neues Vertrauen in die Politik des Landes entstehen konnte. Das ist eine sehr große Leistung, die nicht hoch genug zu bewerten ist. Du hast in vielen Gesprächen und Veranstaltungen Menschen zugehört und Beteiligung – wie wir auch jetzt am Familienbericht sehen – möglich gemacht.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Die ganz große Herausforderung, den U3-Rechtsanspruch zu gewährleisten, hast du gegen alle Kassandrarufe zum Erfolg gebracht. Ich glaube, mit diesem Meilenstein wird auch dein Name weiter verbunden bleiben.

Ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft. Genieße die Zeit, die du jetzt mehr haben wirst. Danke schön für alles!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Piraten hat Herr Kollege Düngel das Wort.

Daniel Düngel (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Schäfer! Ich komme gleich ganz zum Schluss noch einmal dazu und werde auch ein paar persönliche Worte an Sie richten. Dem Jubelschrei, den Frau Kollegin Asch gerade ausgerufen hat, kann ich mich natürlich nicht ganz anschließen. Ich bin mir auch unsicher, ob für eine scheidende Familienministerin der Familienbericht, also sozusagen Familienpolitik in der Retrospektive, die richtige Themenwahl ist, weil es ja tatsächlich sehr viele kritische Punkte gibt, die auch ganz klar aus diesem Familienbericht hervorgehen.

Wir ziehen also heute Bilanz Ihres familienpolitischen Wirkens im Land. Frau Ministerpräsidentin Kraft hat für Ihren Bereich den Wahlkampf eingeläutet. Das Ministerium wird verjüngt. Die digitale Revolution zieht ins Familienministerium ein – so hoffen wir Piraten jedenfalls.

(Zuruf von den PIRATEN: Mal sehen!)

Wie weit Frau Kampmann als Fachfremde in Sachen Familienpolitik allerdings wirklich Zeichen setzen kann, bleibt abzuwarten. Baustellen, um notwendige Zeichen zu setzen, gibt es jedenfalls genug.

„Familien gestalten Zukunft“ ist der Titel des Familienberichts. Mich bewegt seit Tagen die Frage: Warum jetzt, warum erst jetzt, warum 20 Jahre zu spät? Sie haben es eben selbst erwähnt, Frau Ministerin: Das ist nach 25 Jahren der zweite Familienbericht in Nordrhein-Westfalen.

Sie selbst haben diesen Verantwortungsbereich fünf Jahre lang geleitet. Das ist sicherlich ein Zeitraum, nach dem es dann auch angemessen ist, in einem solchen Familienbericht zurückzuschauen und einen Ausblick nach vorne zu wagen. Ich glaube aber, dass wir uns in diesem Haus einig sind, dass da in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine Menge liegen geblieben ist.

In Ihrer Partei dauerte dieser Prozess 20 Jahre. Innerhalb der SPD ist das möglicherweise sogar relativ schnell. Schließlich hat sie in der Vergangenheit auch einen Kanzler gestellt, der Familienpolitik als „Gedöns“ bezeichnet hat. Insofern kann ich schon nachvollziehen, dass es in Ihrer Partei vielleicht ein bisschen länger dauert, der Familienpolitik einen gewissen Stellenwert zu geben.

Schauen wir auf Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen lebt heute schon jedes dritte Kind unterhalb der Armutsgrenze. Wie Frau Schulze Föcking zu Beginn schon ausgeführt hat, haben wir große Herausforderungen, die die aktuelle Flüchtlingssituation mit sich bringt. Wir sehen gerade im Familienministerium wenige Vorbereitungen, was die frühkindliche Bildung für Flüchtlingskinder angeht. Auch diese Familien, die in den letzten Wochen und Monaten zu uns gekommen sind und auch in der nächsten Zeit zu uns kommen werden, sind Familien in Nordrhein-Westfalen.

„Refugees welcome“ haben wir schon mehrfach gesagt. Dazu werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt sicherlich auch noch einiges hören. Erlauben Sie mir an dieser Stelle den Satz: Auch wenn oder gerade weil es große Herausforderungen sind, denen wir dort entgegensehen, ist es wichtig, in dieser Zeit immer und an jeder Stelle Zeichen gegen Wutbürger, gegen sogenannte besorgte Bürger und gegen Nazis zu setzen und sich ihnen entgegenzustellen.

(Beifall von den PIRATEN)

Zurück zum Familienbericht: Es sind jetzt Investitionen für Menschen, vor allem in Bildung und Wohnraum, vordringlich und notwendig. Beitragsfreie Bildung im Elementarbereich darf nicht von haushalterischen Freiräumen abhängig sein. So steht es im Familienbericht. Wenn das nämlich Voraussetzung ist, ist es nicht weit her mit dem familienpolitischen Ziel der regierungstragenden Fraktionen: Bildung beitragsfrei – in der Kita, in der Schule, an der Uni, überall.

Herr Hafke hatte eben die Kindpauschalen angesprochen. Zur Wahrheit gehört natürlich nicht nur, dass die jetzige Landesregierung das vier, fünf Jahre lang liegen gelassen und das Gesetz ignoriert hat, sondern auch, dass schon bei der Verabschiedung des Kinderbildungsgesetzes allen Beteiligten klar war, dass diese Kindpauschale nicht ausreichen wird. Das muss man fairerweise dazusagen.

Herr Hafke hat außerdem angesprochen, dass im Familienbericht auch steht, Familienpolitik sei wissenschaftsbasiert geworden. Wir haben uns erst in der letzten Ausschusssitzung im Rahmen der Aussprache über eine Große Anfrage der FDP-Fraktion und auch im Plenum darüber unterhalten.

Das meiste, was man bei den Antworten auf die Große Anfrage gesehen hat, war, dass nur wenige familienpolitische Leistungen tatsächlich wissenschaftlich evaluiert werden. Da widerspricht sich etwas. Da müssen Sie in Zukunft noch eine ganze Menge tun.

Sie bleiben den Menschen in diesem Land eine wirklich zukunftsfähige Familienpolitik schuldig. Die Frage bleibt: Werden die notwendigen Schritte für Familie 4.0 eingeleitet? Der Familienbericht scheint nicht wegweisend für eine gute Zukunft bei der laufenden digitalen Revolution zu sein.

Ich möchte die verbleibende Zeit für einen Blick nach vorne nutzen. Wie werden Familien in Zukunft leben und arbeiten? Wie bereiten wir Familienpolitik auf das digitale Zeitalter vor? Ich zitiere:

„Die technologische Entwicklung ermöglicht es, dass nicht mehr jede monotone, wenig sinnstiftende oder sogar gefährliche Aufgabe von Menschenhand erledigt werden muss. Wir sehen dies als großen Fortschritt, den wir begrüßen und weiter vorantreiben wollen. Daher betrachten wir das Streben nach absoluter Vollbeschäftigung als weder zeitgemäß noch sozial wünschenswert. Stattdessen wollen wir uns dafür einsetzen, dass alle Menschen gerecht am Gesamtwohlstand beteiligt werden und werden dazu die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens prüfen.“

Piraten-Grundsatzprogramm!

Die digitale Revolution verlangt mehr als nur eine neue Zeitpolitik, wie sie auf Bundesebene bereits im Siebten und Achten Familienbericht der Bundesregierung als Erkenntnisgewinn vorliegt. Es braucht mehr als eine neue Zeitpolitik, in der das Flächenland Nordrhein-Westfalen irgendwie als Pilotprojekt herhalten muss. Zeitpolitik ist vor allem auch Folgendes: zum Ersten Finanzpolitik, zum Zweiten Arbeitsmarktpolitik und zum Dritten Sozialpolitik.

Zeit alleine ist eine endliche Ressource. Davon haben wir 24 Stunden. Das ist in Ergänzung mit den weiteren politischen Feldern zu sehen. Der Doppelverdienerfamilie im Schichtbetrieb ist nicht damit geholfen, dass sie ausreichend Geld hat, wenn dann keine Zeit für Familie da ist. So ist auch der Hartz-IV-Familie nicht geholfen, wenn sie zwar die Zeit, aber nicht das Geld zur Verfügung hat, um vielleicht gemeinsam in den Zoo zu gehen oder um auch nur die Fahrt mit Bus und Bahn zu finanzieren.

Wir müssen Visionen erarbeiten und über den Tellerrand denken. Wir müssen Familien die benötigte Infrastruktur für eine digitale Teilhabe bereitstellen. Familien muss in Nordrhein-Westfalen sofort das Recht auf freien Zugang zu Informationen und kostenfreier digitaler Bildung gewährleistet werden. Wir fordern, jedem Menschen unabhängig von seiner sozialen Herkunft ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Bereitstellung einer familienfreundlichen Infrastruktur befreit Familien aus dem geschilderten Ökonomisierungsdruck.

Last, but not least trennen uns bei der Definition von „Familie“ immer noch Welten. Piratige Familienpolitik findet in diesem Ministerium nicht statt. Das zeigt der Familienbericht schon auf den ersten Seiten. Da ist weder von Queer- noch von Regenbogenfamilien die Rede. Das ist erst wesentlich später und auch viel, viel, viel zu wenig der Fall.

Daten und Fakten liegen in vielen Bereichen nicht vor. Es wäre vielleicht auch Aufgabe des Ministeriums gewesen, weiter zu erforschen, was dort möglich ist.

Für uns bleibt festzuhalten: Alle Formen des Zusammenlebens sind gleichberechtigt. Familie ist nicht nur da, wo Kinder sind, sondern dort, wo Menschen füreinander sorgen und Verantwortung übernehmen. Lassen Sie die vergangenheitsbezogene Familienpolitik dort, wo sie hingehört. Treten Sie mit uns Piraten in eine moderne, zukunftsorientierte Familienpolitik 4.0 ein.

Auch wenn die Redezeit abgelaufen ist, Frau Präsidentin, möchte ich gern am Ende noch eine persönliche Bemerkung loswerden.

Frau Ministerin Schäfer, auch wenn in Ihrem Ministerium in vielen Belangen wie Transparenz und digitale Revolution nicht so gearbeitet wird, wie wir Piraten uns das vorstellen, möchte ich mich aber selbstverständlich für die durchweg freundliche und vor allem zwischenmenschlich sehr bereichernde Zusammenarbeit bedanken. Ihnen persönlich wünsche ich alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Bevor ich Herrn Kollegen Jörg von der SPD-Fraktion das Wort erteile, möchte ich die Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam machen, dass in der Landeshauptstadt Düsseldorf gleich das städtische Sirenensystem überprüft wird. In drei Stufen wird es beginnen mit dem Dauerton „Entwarnung“, dann kommt ein auf- und abschwellender Dauerton „Radio einschalten“ und zum Schluss wieder der Dauerton „Entwarnung“.

Es handelt sich um einen Probealarm. Wir brauchen also nicht das Haus räumen und auch nicht die Radiogeräte einzuschalten. Wir wissen allerdings nicht genau, ob wir die Alarmtöne überhaupt hören. Nur falls wir sie hören, seien Sie bitte nicht beunruhigt.

Jetzt hat Herr Kollege Jörg das Wort.

Wolfgang Jörg (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Schulze Föcking, ich muss auf Ihre Rede doch einmal inhaltlich eingehen.

Wissen Sie, der Name Armin Laschet wird in Nordrhein-Westfalen untrennbar mit ungerechten Beitragstabellen für Eltern verbunden bleiben,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen von der CDU)

mit einem Qualitätsabbau in den Kitas, mit zögerlichem Handeln im U3-Ausbau. Das wird in Nordrhein-Westfalen mit Armin Laschet verbunden.

(Zurufe von der CDU)

Der Gegenentwurf dazu ist Gott sei Dank Ute Schäfer. Ute, dein Name wird für immer in Nordrhein-Westfalen mit einem gelungenen Ausbau im U3-Bereich verbunden bleiben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU)

Kein anderes Land hat seit 2010 eine ähnliche Dynamik entwickelt wie Nordrhein-Westfalen. Das ist vor allen Dingen dein Verdienst. Dein Verdienst ist es, dass es in den Kitas qualitativ wieder bergauf geht. Dein Name bleibt eng verbunden mit einem leidenschaftlichen Engagement für unsere Familien in Nordrhein-Westfalen. Herzlichen Dank dafür. Du hast viel für die Familien und für unsere Kinder in diesem Land getan.

Ich möchte dir aber auch im Namen meiner Fraktion und meines Arbeitskreises sehr herzlich für eine faire Zusammenarbeit danken, für deine offene und konstruktive Art, Prozesse zu steuern und zum Gelingen zu führen. Das war eine wunderbare Zeit.

Aber ich weiß auch, liebe Ute, dass du es natürlich gewohnt bist, den Tagesablauf von ganz vielen Männern zu beeinflussen; ich will nicht sagen, unbedingt immer zu bestimmen, aber doch zu beeinflussen. Ich weiß nicht, wie viele Männer in deinem Ministerium arbeiten. Es sind aber schon einige. Ich weiß – offen gestanden – gar nicht so genau, ob Axel weiß, was auf ihn zu Hause zukommt. Ich kann mir vorstellen, dass der Tagesablauf und deine Einflussnahme auf den Tagesablauf zu Hause auch etwas intensiver diskutiert werden wird.

Liebe Ute, nichts können Männer so gut wie weghören. Also privat weghören können Männer hervorragend. Da gibt es ja Szenen, wo Frauen ihr Herz ausschütten und nach drei Stunden der Mann sagt: Ach Schatz, ich habe dir gerade nicht zugehört.

Das ist manchmal eine schwierige Situation. Damit dir das nicht passiert und damit du zu Hause immer den Takt angibst, habe ich dir einen kleinen pädagogischen Verstärker mitgebracht,

(Wolfgang Jörg spricht die nächsten Worte in ein Megafon.)

damit Axel immer weiß, was er tun kann.

Alles Gute, Ute, für dich. Ich hoffe, dass du noch eine wunderbare Zeit mit uns als Kollegen hast. Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Wolfgang Jörg überreicht Ministerin Ute Schäfer das Megafon.)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. Das ist heute hier mit den Geschenken fast wie Weihnachten.

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Schäfer das Wort. Bitte schön.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Anders als das sonst üblich ist, werde ich jetzt in meinem zweiten Beitrag nicht auf meine Vorrednerinnen und Vorredner inhaltlich eingehen, sondern ich möchte die Möglichkeit nutzen, mich hier und heute bei Ihnen in meiner Funktion als Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport zu verabschieden und mich bei Ihnen allen für fünf aufregende und auch für fünf anregende Jahre ganz herzlich zu bedanken. Es war spannend in der Zeit in der Landesregierung für mich.

Es ist ja mein zweiter Abschied aus einem Kabinett. Anders als beim ersten Mal 2005 passiert es diesmal auf meinen eigenen Wunsch.

(Heiterkeit von der CDU)

– Jetzt bin ich doch ein bisschen überrascht.

Die Ministerpräsidentin ist diesem meinem Wunsch nachgekommen. Ich freue mich, dass das so ist. Denn es ist richtig und wichtig, Weichen neu zu stellen, wenn man weiß, dass man im nächsten Landtag nicht mehr dabei sein wird. Ich habe mich entschieden, nicht wieder für den Landtag zu kandidieren. Deswegen ist es gut, dass jetzt die Weichen neu gestellt werden. Man kann es auch mit Franz Werfel so formulieren:

„Zwischen zu früh oder zu spät liegt eigentlich immer nur ein Augenblick.“

Jetzt – finden wir – ist der richtige Augenblick gekommen. Ich blicke in meiner Verantwortung als Mitglied einer Landesregierung auf vieles zurück, worauf ich durchaus auch ein bisschen stolz bin.

Ich bedanke mich für die freundlichen Worte, die alle Kolleginnen und Kollegen für mich gefunden haben.

In der Tat war das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ in beiden Kabinetten für mich schon ein ziemlich zentrales. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich die offene Ganztagsgrundschule für Familien eingeführt habe, liebe Frau Schulze Föcking, hat Ihre Fraktion noch heftigst dagegen angekämpft. Der eine oder andere, der 2003 dabei war, wird sich noch gut daran erinnern können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber es war ein wichtiger familienpolitischer Beitrag.

Dass der U3-Ausbau so gelungen ist, wie das geschehen ist, das hat uns 2010 auch niemand zugetraut.

Anders als Sie das gesagt haben, lieber Herr Hafke, haben wir den U3-Ausbau nie gedeckelt. Wir finanzieren – Dank an den Finanzminister – jeden Platz in Nordrhein-Westfalen, der in unserem Land angemeldet wird. Wir haben die Ausgaben von 1 Milliarde € auf 2 Milliarden € verdoppelt. Das ist eine Leistung in fünf Jahren. Allen, die daran mitgewirkt haben, möchte ich ganz herzlich danken.

Ich bin auch stolz auf das Kulturfördergesetz. Es ist das erste in Deutschland.

Ich habe mich sehr gefreut, liebe Hannelore Kraft, als wir beide gemeinsam den Pakt für den Sport unterschrieben haben. Das bringt für den Sport eine unglaubliche Verlässlichkeit und Planungssicherheit, die es vorher in der Form auch noch nie gegeben hat. Die Sportvereine und der Landessportbund haben sich sehr darüber gefreut.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Insofern kann ich sagen: Das Haus ist sehr gut aufgestellt und arbeitet hervorragend. Ich möchte meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus noch einmal ausdrücklich dafür danken. Wir haben uns in der Tat ein großes Vertrauen im Land Nordrhein-Westfalen erarbeitet. Mir war es immer sehr wichtig, den Dialog zu pflegen. Das haben Sie hoffentlich auch in unserer Arbeitsbeziehung spüren können.

Deswegen übergebe ich das Haus gerne und freudigen Herzens an meine Nachfolgerin Christina Kampmann. Sie findet ein wirklich gut aufgestelltes Haus vor.

Ich darf mich auch noch bei allen Fraktionen für die gute Unterstützung bedanken. Eine gute Unterstützung habe ich aber vor allen Dingen in der SPD-Fraktion und bei Bündnis 90/Die Grünen in den vergangenen fünf Jahren bekommen. Das war wunderbar. Ich fühlte mich in allen meinen Politikbereichen sehr getragen; dafür ganz herzlichen Dank.

Bei den anderen Fraktionen, bei der CDU, bei der FDP und bei den Piraten liegt es in der Natur der Sache, dass man einer Ministerin die Politik und das Leben etwas schwerer machen möchte. Ich habe sehr viel Verständnis dafür, da ich auch fünf Jahre lang die Oppositionsbank gedrückt habe. Insofern weiß ich, was zu tun ist, und habe das immer sehr sportlich genommen und werde das jetzt von meinem anderen Platz in den Reihen der Fraktion auch so machen. Ich bleibe ja noch bis 2017 im Landtag. Ich handhabe das mit dem geordneten Rückzug so wie Reiner Priggen es getan hat, was ich übrigens ganz bemerkenswert fand und woran ich mir gern ein Beispiel genommen habe.

Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit in einer anderen Funktion und sage ganz, ganz herzlich Danke.

(Lebhafter Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin Schäfer, ich möchte mich auch im Namen des Präsidiums sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren bedanken. Ministerin oder Minister zu sein, ist eine schöne, aber auch anstrengende Aufgabe. Es gibt aber auch ein Leben danach. Ich kann das beurteilen. Das Leben geht gut weiter, und es macht viel Freude. In dem Sinne: Ihnen alles Gute auch für den weiteren Lebensweg.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zum Tagesordnungspunkt 2 mehr vor. Ich schließe daher die Beratung.

Ich rufe auf:

3   Ergebnisse und Konsequenzen der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Flüchtlingspolitik vom 24. September 2015

Unterrichtung
durch die Landesregierung

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9880

In Verbindung mit:

Gesetz über die Feststellung eines Dritten Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Drittes Nachtragshaushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9800 – Neudruck

erste Lesung

Und:

Achtes Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9808

erste Lesung

Und:

Integration von Flüchtlingen umfassend und vorausschauend gestalten – Krisenmodus bei der Flüchtlingsaufnahme darf Integration nicht behindern

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9801

Und:

Nordrhein-Westfalen muss seinen Städten und Gemeinden die Flüchtlingskosten komplett erstatten

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9803

Sowie:

Aktionsplan Integration für Flüchtlinge – Chancen für Flüchtlinge, Wirtschaft und Gesellschaft schaffen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/9786

Sowie:

Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels zur Flüchtlingspolitik vom 24. September 2015 konsequent umsetzen: Asylpolitik neu ausrichten und Kommunen finanziell entlasten

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9880

Der Chef der Staatskanzlei hat mir mit Schreiben vom 28. September 2015 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag in der heutigen Plenarsitzung zu den Ergebnissen und Konsequenzen der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Flüchtlingspolitik vom 24. September 2015 zu unterrichten.

Die Unterrichtung erfolgt durch Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Frau Ministerpräsidentin, ich erteile Ihnen das Wort.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist ziemlich genau vier Wochen her, dass ich an dieser Stelle eine Unterrichtung zum Thema Flüchtlinge gegeben habe. Seitdem hat Nordrhein-Westfalen etwa 54.000 Flüchtlinge – Kinder, Frauen und Männer – zusätzlich aufgenommen.

Das zeigt: Wir stehen weiter vor einer großen Herausforderung. Aber zugleich stimmt auch, dass in diesen Wochen auf allen politischen Ebenen Schritte unternommen worden sind, um die Herausforderung besser zu bewältigen.

Ich möchte heute den Landtag darüber informieren, welche Beschlüsse und Weichenstellungen es gerade in der vorigen Woche auf europäischer und Bundesebene gegeben hat und welche Bedeutung diese dann konkret für Nordrhein-Westfalen haben werden.

Klar ist: Alle Anstrengungen von Ländern und Kommunen, die vielen Flüchtlinge menschwürdig aufzunehmen und in die Gesellschaft zu integrieren, stoßen an Grenzen, wenn es nicht gelingt, die Krisenherde der Welt zu entschärfen und die europäische Flüchtlingspolitik solidarisch neu auszurichten. Länder und Kommunen können hier wenig allein ausrichten. Hier ist vor allem auch der Bund gefordert.

Eine dauerhafte Lösung kann nur gelingen, wenn die Krisenregionen selbst stärker als bisher in den Blick genommen werden. Das bedeutet konkret: Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, Perspektiven für die Menschen in den Krisenregionen, Sicherung einer angemessenen Versorgung der Flüchtlinge in den Einrichtungen der Krisenregionen und Stabilisierung der Transitländer.

Meine Damen und Herren, ich bin deshalb froh über neue und verschärfte diplomatische Initiativen im Syrienkonflikt am Rande der UNO-Vollversammlung in New York.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich halte es für wichtig, dass der Bund auf dem Flüchtlingsgipfel am 24. September ausdrücklich zugesagt hat, sein politisches Engagement auf diesem Feld zu verstärken und die entsprechenden Mittel auch aufzustocken.

Ich verhehle nicht, dass ich mir angesichts der Nachrichten aus Kundus große Sorgen mache. Wir haben heute noch den Parlamentarischen Abend der Bundeswehr. Ich sehe diese Entwicklungen immer aus zwei Blickwinkeln, da ich mit vielen Soldatinnen und Soldaten gesprochen habe, die dort ihren Dienst getan haben und stolz darauf waren, dieses Land ein Stückchen mehr vorangebracht zu haben. Und wenn die die Bilder sehen, dass dort jetzt die Taliban die Herrschaft über Kundus übernommen haben, dann ist das die eine schmerzliche Nachricht. Die andere ist, dass auch von dort noch mehr Flüchtlinge zu erwarten sind.

Alles das sind Nachrichten, die mir und uns allen sehr zu Herzen gehen und wo deutlich wird, dass wir mehr Diplomatie, mehr Initiativen brauchen, um miteinander die Krisenherde der Welt in eine vernünftige Richtung weiterentwickeln zu können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auch die Beschlüsse des Europäischen Rates und des Rates der Europäischen Innenminister aus der vergangenen Woche sind, wie ich sagen möchte, wichtige erste Schritte.

Ich denke an die Aufstockung der Mittel für eine bessere Versorgung der Flüchtlinge in der Krisenregion. Ich denke an die Errichtung von sogenannten Hotspots – die sollen bis Ende November fertig sein – an den Außengrenzen der Europäischen Union dort, wo besonders viele Flüchtlinge ankommen. Ich denke an die Einigung über die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in ganz Europa, die nun gelungen ist.

Auch deshalb sage ich deutlich: Das kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer vernünftigen Verständigung sein. Das wird schon allein an Folgendem deutlich: Dort werden 120.000 Flüchtlinge über Europa verteilt, und NRW hat in diesem Jahr allein schon mehr als 165.000 Flüchtlinge aufgenommen. Hier ist Europa weiter gefordert, eine größere Solidarität auch möglich zu machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich komme zu den Ergebnissen des Gesprächs der Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundeskanzlerin und dem komplett anwesenden Kabinett am 24. September. Ich habe bei der letzten Unterrichtung hier deutlich gemacht, dass das A und O, dass der wichtigste Beitrag für Länder und Kommunen schnellere Asylverfahren sind.

Darum hat die Zusage des Bundes großes Gewicht, Asylverfahren nunmehr endlich auf durchschnittlich drei Monate zu verkürzen, die noch nicht bearbeiteten Fälle abzuarbeiten und den Zeitraum zwischen Registrierung und Antragstellung erheblich zu verkürzen. Im Jahre 2016 soll es von der Registrierung bis zur Entscheidung maximal noch fünf Monate dauern.

Ich wünsche dem neuen Chef des BAMF – dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – viel Glück bei dieser Aufgabe, weil das ein wichtiger Schritt wäre, unsere Situation vor Ort konkret zu entlasten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Am besten ist das, wenn es gelingt, für die Kommunen, aber es ist auch gut für die Asylsuchenden selbst. Je schneller wir mit der Integration beginnen können, desto besser ist es. Umgekehrt müssen auch diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, rasch Klarheit darüber haben, dass sie unser Land wieder verlassen müssen. Das ist dann zugleich auch ein Signal an die Menschen in deren Heimatländern, dass es sich nicht lohnt, Hab und Gut aufzugeben, um später ohne Asylperspektive in Deutschland quasi vor dem Nichts zu stehen.

Schnellere Verfahren sind auch deshalb so wichtig, weil die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen dadurch entspannt werden könnte. Es ist doch klar, dass Spannungen wachsen und Konflikte ausbrechen, wenn Menschen völlig unterschiedlicher Herkunft und Erfahrungswelt auf engstem Raum zusammenleben. Die Situation wird sich im Winter sicherlich noch einmal verschärfen. Wenn man Flüchtlingsunterkünfte heute besucht, sieht man, dass sich diejenigen, die dort zurzeit wohnen, sehr viel draußen aufhalten. Wenn es kälter wird, wird das alles noch einmal sehr viel schwieriger.

Aber ich sage auch: Nichts kann Gewalt, auch nicht in solchen Unterkünften, rechtfertigen. Alle, die zu uns kommen, müssen wissen, dass bei uns das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Religion höchsten Wert besitzt, dass Gesetze und Werte gelten und wir sie verteidigen und durchsetzen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN und Werner Jostmeier [CDU])

Ich halte es übrigens nicht für sinnvoll – um das auch zu sagen –, dass wir in den Flüchtlingsunterkünften nach Ethnien oder Religionen unterteilen; denn es muss von Anfang an klar sein, dass bei uns ein Zusammenleben von Ethnien und auch Religionen einen großen Wert besitzt. Und das müssen auch diejenigen, die zu uns kommen, hier sofort leben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich habe auch immer gesagt: Das A und O sind die schnellen Asylverfahren. Und ich habe immer gesagt: Es kann nicht sein, dass Kommunen und Länder die Kosten, die mit der Unterbringung, der Versorgung und der Integration der Flüchtlinge verbunden sind, alleine tragen.

Darum ist es neben der Perspektive auf schnellere Verfahren ein zweiter wesentlicher Erfolg des Gesprächs der vergangenen Woche, dass der Bund nun endlich angemessener als früher seiner finanziellen Verantwortung nachkommt. Wir haben uns darauf verständigt, dass sich der Bund im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft jetzt dauerhaft, strukturell und dynamisch an den Flüchtlingskosten beteiligt, und zwar durch eine Pauschale je Flüchtling. Darum haben wir lange und intensiv gerungen.

Ab 2016 wird sich der Bund dann mit einer monatlichen Pauschale von zunächst 670 € beteiligen. Außerdem erhalten die Länder für Antragsteller, die nicht als politisch Verfolgte oder Bürgerkriegsflüchtlinge anerkannt wurden, für einen Monat ebenfalls noch einmal eine pauschale Erstattung von 670 €.

Aber alle drei Faktoren, die jetzt genannt sind, sind variabel: Die 670 €, die als monatlicher Grundwert angenommen sind und die aus den Asylbewerberleistungszahlen 2014 stammen, sind variabel. Die Zahl der Flüchtlinge ist variabel; das heißt: je mehr Flüchtlinge da sind, desto mehr Geld wird es geben. Und die Zahl der Monate der Bearbeitungsdauer wird in einer Istabrechnung sozusagen variabel daneben gelegt.

Das bedeutet: Wenn der Bund es nicht schafft, die Verfahren zu beschleunigen, wird es für ihn sehr teuer. Insofern sind wir alle davon überzeugt, dass die intrinsische Motivation noch höher ist, diese Verfahren endgültig zu beschleunigen. Ich glaube, dass das eine gute Lösung ist, die wir dort erzielt haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was das für Nordrhein-Westfalen finanziell bedeutet, darauf werde ich gleich noch einmal zurückkommen.

Meine Damen und Herren, schnelle Asylverfahren, eine größere finanzielle Beteiligung des Bundes – das sind positive Ergebnisse. Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass wir es als Landesregierung begrüßen, dass die ursprünglich geplanten massiven Verschärfungen des Asylrechts von der Mehrheit der Länder verhindert wurden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN und Ministerin Sylvia Löhrmann)

Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass wir ein gutes Asylgesetz haben, dass nur eines unserer Probleme ist, dass wir viele Zuwanderungen über das Asylgesetz bekommen, weil wir kein vernünftiges Zuwanderungsgesetz haben. Daran werden wir weiterhin arbeiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN und Ministerin Sylvia Löhrmann)

In der Debatte vor vier Wochen gab es auch Wortmeldungen zu der Frage, was denn dringend geändert werden müsse. Ein wesentlicher Punkt, der genannt worden war, war das berühmte Taschengeld im Rahmen der Erstunterbringung der Flüchtlinge.

Wir haben jetzt einen Passus gefunden, in dem deutlich wird, dass Sachleistungen gezahlt werden, solange das bürokratisch vertretbar ist; ich sage das jetzt mal mit meinen Worten. Das ist eine vernünftige Lösung. Wenn man nämlich ausschließlich Sachleistungen geben würde – das bestätigen uns ja auch die CDU-Oberbürgermeister, -Bürgermeis-ter und -Landräte –, käme man zu einer völligen bürokratischen Überforderung der Kommunen. Das werden wir in Nordrhein-Westfalen nicht tun. Auch das sage ich klar an dieser Stelle.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN und Ministerin Sylvia Löhrmann)

Ich halte auch die Signalwirkung schneller Asylverfahren für wirksamer als die getroffene Vereinbarung, nach der Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden sollen. Wir haben unsere Bedenken zurückgestellt, nachdem die Bundesregierung zugestimmt hatte, sich aktiv für die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Minderheiten im Westbalkan einzusetzen. Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten soll alle zwei Jahre überprüft werden.

Besonders wichtig ist hier aber: Wir haben in den Verhandlungen durchgesetzt, dass für Angehörige der Staaten des Westbalkans nunmehr Möglichkeiten der legalen Migration zur Arbeitsaufnahme in Deutschland geschaffen werden. Das ist ein Vorgriff auf ein Zuwanderungsgesetz. Das ist das richtige Signal, gerade auch in die Länder dieser Region.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das bedeutet konkret: Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen kann, soll arbeiten oder eine Ausbildung beginnen dürfen. Das ist nichts anderes als der Einstieg in ein Zuwanderungsgesetz.

Ich sage auch ganz klar: Wir können nicht schnellere Asylverfahren fordern, wenn wir nicht bereit sind, im Falle von ablehnenden Bescheiden konsequent darauf zu bestehen, dass abgelehnte Bewerberinnen und Bewerber unser Land wieder verlassen. Wir haben darum am 24. auch vereinbart, dass Bund, Länder und Kommunen verstärkt zusammenarbeiten werden, um bei jeder vollziehbaren Ausreisepflicht zügig eine Rückführung zu veranlassen.

Ein ganz klarer Satz auch noch in Richtung Länder und Kommunen: Wir haben jetzt erreicht, dass der Bund von seiner Seite aus die Verfahren beschleunigt. Die Länder sind ebenfalls gefordert. Wir waren uns als Landesregierung darüber im Klaren. Deswegen haben wir die Zahl der Stellen im Justizbereich erhöht; das ist das, worüber wir im haushalterischen Teil heute noch einmal beraten.

Aber auch die Kommunen sind gefordert, denn es kann nicht sein, dass am Ende der Flaschenhals die personelle Besetzung in den Ausländerbehörden ist. Auch hier gilt klar: Jeder muss seine Hausaufgaben machen.

(Beifall von der SPD)

Ein Punkt noch, der mir in den Debatten sehr wichtig war – das spielte im Vorfeld, auch bei den Koalitionsgesprächen, leider noch keine Rolle; deshalb freut es mich umso mehr, dass wir hier eine Übereinkunft erzielt haben –: Es geht um die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die wir in Zukunft gerechter auf die Bundesländer verteilen werden.

Bisher haben bundesweit einige wenige Städte die Hauptlast getragen, in Nordrhein-Westfalen vor allem Aachen, Dortmund und Köln. Das war nicht gerecht. Das entsprechende Gesetz soll zum 1. November in Kraft treten und nach einer Vorbereitungsphase ab dem 1. Januar zum Tragen kommen.

Entscheidend ist, dass sich auch der Bund an den Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in einer Größenordnung von 350 Millionen € beteiligt. Auch das ist ein Erfolg der Verhandlungen am 24. September.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir alle wissen, wie wichtig diese Punkte sind. Mit der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge haben wir erste Schritte getan. Sie sind anspruchsvoll genug. Aber der Hauptteil der Aufgabe lautet: Integration. Das dauert länger und ist noch anspruchsvoller.

Umso wichtiger ist, dass wir am 24. auch vereinbart haben, dass Flüchtlinge leichter Zugang zum Arbeitsmarkt finden können, denn Erwerbsarbeit ist der Königsweg der Integration. Wir müssen alles dafür tun, dass Integration gelingt. Wenn sie nicht gelingt, werden die sozialen Folgekosten immens sein. Das ist vorbeugende Politik par excellence.

Darum sehen wir es auch als eine Investition in die Zukunft, dass wir als Land die eigenen Anstrengungen hier noch einmal verstärken. Auch da sind im Haushalt die entsprechenden Vorkehrungen getroffen. Wir nehmen als Land unsere Verantwortung wahr.

Dies zeigt sich auch im dritten Nachtragshaushalt. Wir erhöhen die Ausgaben für Aufnahme, Transport und Versorgung der Asylbewerber, für die Kita, für den Ganztag, insbesondere aber auch für die Schulen. Wir haben insgesamt 2.625 neue Lehrerstellen eingeplant, davon 900 für die Sprachförderung. Die 1.725 anderen Stellen werden allen Schülerinnen und Schülern in Nordrhein-Westfalen zugutekommen, nicht nur den Flüchtlingskindern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben die Basissprachkurse erweitert. Wir alle wissen, dass, wenn die Erwerbsarbeit der Königsweg der Integration ist, dann die Bildung der Boden ist, über den dieser Weg führen muss.

Aber, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist mir noch wichtig: Beim Thema Integration ist mir insbesondere die Vermittlung unserer Werte, der Grundlagen unserer Verfassung und unserer Gesetze sowie der Regeln und Usancen des Miteinanders unserer Gesellschaft wichtig.

(Beifall von der SPD)

Auf die Errungenschaften einer vielfältigen, pluralen Gesellschaft, wie Respekt, Toleranz, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit, sind wir stolz, und wir stellen sie nicht zur Disposition. Sie sind für uns nicht verhandelbar. Auch das ist eine klare Aussage.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wer diese Werte und Gesetze achtet und respektiert, ist hier willkommen. Daran muss sich jeder beziehungsweise jede halten, der beziehungsweise die zu uns kommt. Die Vermittlung dieser Werte – der Grundlage unserer Gesetze und unserer Verfassung – wird zentraler Bestandteil unseres Integrationspakets sein, das wir im nächsten Jahr mit der Überschrift „KOMM-AN NRW“ auflegen werden, damit deutlich wird, was hier gilt und woran sich diejenigen, die zu uns kommen, zu halten haben. Auch das ist eine klare Botschaft.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In den Beschlüssen des 24. ging es noch um viele weitere Themen: Gesundheitskarte, 10.000 zusätzliche Stellen beim Bundesfreiwilligendienst: die hoffentlich auch helfen, die Engpässe, die bei den Hilfsorganisationen inzwischen schon auftreten, zu beseitigen; die Unterstützung des Ehrenamtes; die Abweichung von bauplanungsrechtlichen Standards, die angehobenen Strafen für Schleuser, aber vor allem auch die Integrationskurse für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive, die der Bund jetzt öffnet.

Dafür stockt er die vorgesehenen Mittel entsprechend auf, und darüber hinaus werden Integrationskurse und berufsbezogene Sprachkurse stärker miteinander vernetzt. Das haben wir seit Monaten immer wieder gefordert.

Kurzfristig sollen im Rahmen des Arbeitsförderungsrechts überdies Maßnahmen zur Vermittlung erster Kenntnisse der deutschen Sprache gefördert werden. Auch das war bislang nicht möglich. All dies sind richtige Schritte, um die Aufgabe der Integration noch zielgerichteter anzugehen.

Es ist mir wichtig, in dieser Unterrichtung noch einmal eines deutlich zu machen: Wir stehen vor einer Reihe weiterer politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen. Wir dürfen über die Versorgung und Integration der Flüchtlinge zu keinem Zeitpunkt vergessen, dass wir auch noch vor einer Reihe weiterer Herausforderungen stehen. Auch sie müssen wir weiter anpacken. Da wird und darf nichts zur Seite geschoben werden.

Ich stehe noch unter dem Eindruck einer Livesendung, die der WDR am Mittwoch letzter Woche durchgeführt hat. Dort wurde deutlich, wie wichtig es für die Politik in diesem Land ist – ich würde mich freuen, wenn das übergreifend der Fall wäre –, klarzumachen: Auch wenn wir die Unterbringung von Flüchtlingen organisieren, wird jetzt nicht bei den Kitas und Schulen gespart. Wir haben einen Blick darauf, dass wir mehr Wohnungen brauchen, damit bezahlbarer Wohnraum nicht der zentrale Engpassfaktor der Zukunft wird. Das ist ein wichtiges Signal, das hier gemeinsam ausgesandt werden sollte.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang ist wichtig: Wir haben uns am 24. September 2015 eben nicht nur mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen beschäftigt, sondern wir sind auch übereingekommen, zusätzliche Mittel für bezahlbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen – 500 Millionen € pro Jahr in den nächsten Jahren.

Genauso wichtig ist es, dass wir jetzt die Spielräume, die sich durch das gestoppte Betreuungsgeld ergeben – das ja nicht genutzt wird und welches die Länder erhalten –, für Maßnahmen zur Verbesserung der Kinderbetreuung in den Kommunen einsetzen. Auch das fällt unter diese Rubrik. Wir dürfen die anderen Aufgaben nicht vernachlässigen.

Weil wir unverändert vor der gesellschaftlichen Herausforderung stehen, Langzeitarbeitslose wieder an das Erwerbsleben heranzuführen, ist es auch eine gute Nachricht, dass die Kanzlerin in der Pressekonferenz zugesagt hat, im Haushalt 2016 erhebliche zusätzliche Mittel für arbeitspolitische Maßnahmen bereitzustellen, um Menschen, die schon lange ohne Arbeit sind, wieder eine Perspektive auf Beschäftigung zu geben.

In der Sendung des WDR meldete sich eine langzeitarbeitslose Frau und stellte die Frage: Jetzt gibt es nur noch Maßnahmen für Flüchtlinge. Was tun Sie denn eigentlich für mich? – Ich finde, eine solche Frage muss die Politik in diesem Land beantworten. Deshalb ist es gut und richtig, für die entsprechenden Mittel gestritten zu haben. Ich freue mich, wenn diese dann im Haushalt in einer Größenordnung von 200, 300 Millionen € etatisiert werden können; so ist es im Moment geplant.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ein Blick noch auf die Finanzen – ich habe gesagt, ich wollte das gerne noch einmal genauer beleuchten –: Keine 24 Stunden nach der Verständigung im Kanzleramt habe ich die kommunalen Spitzenverbände eingeladen, um über das weitere Vorgehen und die Verteilung der Bundesgelder zu beraten. Wir sind übereingekommen, jetzt sehr schnell eine grundsätzliche Verständigung über die Aufteilung zu erzielen.

In den Herbstferien wollen wir zu gemeinsamen Eckpunkten für eine solche Vereinbarung kommen; denn es ist das gemeinsame Ziel, dies dann auch in die Beratungen des Haushaltsplans 2016 einzuarbeiten, damit für die Kommunen Planungssicherheit für das kommende Jahr besteht.

Ich möchte jetzt deutlich sagen: Unser Ziel ist es, die Kommunen weitgehend von den Kosten der Flüchtlingsunterbringung und -versorgung zu entlasten. Bereits zugesagt ist, dass wir als Land die vom Bund noch für 2015 zugesagte weitere Milliarde Euro eins zu eins an die Kommunen weiterleiten. Das bedeutet eine zusätzliche Finanzhilfe von 216 Millionen € für die nordrhein-westfälischen Städte, Kreise und Gemeinden noch in diesem Jahr.

Bei den Eckpunkten wird es um die Anpassung des FlüAG – des Flüchtlingsaufnahmegesetzes – gehen. Dabei sind die vom Bund zur Verfügung gestellten 670 € pro Flüchtling und Monat ein wichtiger Baustein. Es scheint aber sinnvoll, die Systematik der Abrechnung, die wir als Länder jetzt mit dem Bund vereinbart haben, so weit wie möglich auch auf die Kostenteilung zwischen Land und Kommunen anzuwenden.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Das ist nicht ganz einfach, weil der Bund jetzt monatlich zahlt; wir haben bisher eine jährliche Summe vereinbart. Wir müssen hier miteinander ins Gespräch kommen, und diese Gespräche werden in den Herbstferien laufen.

Über den Stand der Beratungen habe ich die Fraktionsvorsitzenden in den letzten Tagen informiert. Es herrschte dann Einvernehmen, dass wir die Verständigung mit den kommunalen Spitzenverbänden abwarten und danach zu einem weiteren gemeinsamen Flüchtlingsgipfel auch die anderen gesellschaftlichen Gruppen einladen. Das wird nach den Herbstferien schnellstmöglich der Fall sein.

Meine Damen und Herren, die Beteiligung des Bundes ist dringend notwendig. Wir alle stehen vor großen Herausforderungen. Die Integration der Flüchtlinge ist nicht die einzige, aber sicherlich die aktuell drängendste. Darum ist es gut, dass auf allen politischen Ebenen die Dinge in Bewegung sind, um diese Aufgaben besser zu lösen. Alles in allem haben wir nach den Verhandlungen bessere Voraussetzungen, die Herausforderungen anzugehen und hoffentlich auch zu bestehen.

Doch es gibt weitere Hausaufgaben zu machen. Noch haben wir die Beschleunigung der Verfahren nicht, doch uns eint immerhin der Wille, dass wir das schaffen wollen. Wir müssen hart arbeiten, damit aus Tagen und Wochen des Willkommens Monate und Jahre des Willkommens werden, damit wir denjenigen, die auf der Flucht vor politischer Verfolgung und Vertreibung sind, auch weiterhin Schutz und Hilfe in Deutschland bieten können, und damit insbesondere die Chancen ergriffen werden, die die Zuwanderung für unser Land bietet.

Nun müssen wir die Weichen noch deutlicher in Richtung Integration derjenigen stellen, die auf Dauer bleiben. Je besser das gelingt, desto besser für Nordrhein-Westfalen.

Ich habe hier am 2. September dieses Jahres von einem Vertrauensvorschuss der Menschen gesprochen, von dem Vertrauen darauf, dass Zuwanderung ein Land stärken kann. Wir haben das in Nordrhein-Westfalen mehr als einmal in unserer Geschichte erfahren. Ich bin zuversichtlich: Wenn wir weiter so geschlossen und so einig an die Arbeit gehen, dann werden wir das erneut erfahren. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Ich möchte darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 3 Minuten und 19 Sekunden überschritten hat. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Abgeordneten Laschet das Wort.

Armin Laschet (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, vielen Dank für diese Unterrichtung, auch für die ständige, fast tägliche Unterrichtung unserer Fraktion seitens des Innenministers sowie Ihre Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden in dieser Woche.

Ich will in meinem Wortbeitrag deutlich machen, worauf es aus unserer Sicht jetzt ankommt, wo es Gemeinsamkeiten zwischen Regierung und Opposition gibt, welchen Weg wir zusammen gehen, was wir kritisch sehen und was wir jetzt auch von Ihnen erwarten.

Aber lassen Sie mich zu Beginn eine Bemerkung zu der Debattenkultur in diesem Hause machen: Im Jahr 2001 haben wir eine Integrationsoffensive hier im Landtag gestartet, die sich dadurch auszeichnete, dass in den Jahren von 2001 bis 2005 bei diesem Thema hier Konsens herrschte, und das auch die Wortbeiträge der Redner auszeichnete.

Dies ist über einen Regierungswechsel hinaus auch von 2005 bis 2010 gelungen.

Deshalb: Wir sind bereit, hier zu helfen. Wir sind auch bereit, heute beim Haushalt darauf zu verzichten, das Verfahren mithilfe der Verfahrensregeln, die man eigentlich einfordern könnte, noch in die Länge zu ziehen, damit eben die Kommunen schnell das Geld bekommen.

Aber die Qualität der Beiträge der Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen in der letzten Debatte, insbesondere von Herrn Mostofizadeh zu religiösen Gefühlen, zum christlichen Engagement unserer Mitglieder! Herr Mostofizadeh, ich sage das jetzt nicht nur für mich persönlich. Ich werde das verkraften; notfalls gehe ich, wenn Sie es übertreiben. Aber hier sitzen 68 Kollegen, die vielfach in ihren Pfarrgemeinden verankert sind, die sich jeden Sonntag im Zusammenhang mit Flüchtlingen engagieren. Die haben es nicht verdient, in dieser moralinsauren Art, wie Sie das hier beim letzten Mal gemacht haben, beschimpft zu werden!

(Lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP)

Wir können hier viel gemeinsam machen. Aber wenn mal ein Vorschlag kommt, der Ihnen nicht ganz passt, dann ist es nicht richtig, zu sagen: Ihr unterscheidet zwischen „richtigen“ und „falschen“ Flüchtlingen, ihr tut dieses oder jenes, ihr folgt bayrischem Populismus!

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE]: So ist das doch!)

– Diese Fraktion folgt keinem „bayrischen Populismus“!

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Frau Beer, diese CDU-Landtagsfraktion unterscheidet sich von anderen Landtagsfraktionen durch ihre eigene nordrhein-westfälische Erfahrung. Wir dulden es nicht, dass Sie uns in eine Ecke drängen, in der wir nicht stehen. Das sage ich Ihnen klipp und klar!

(Lebhafter Beifall von der CDU)

Der Bundespräsident hat am Wochenende gesagt …

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Der Bundespräsident, Frau Beer, hat am Wochenende gesagt: Nicht gegenseitig denunzieren und bekämpfen, sondern sich in einen konstruktiven Dialog begeben.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Da kann auch mal, Frau Beer, ein Vorschlag dazwischen sein …

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] – Gegenrufe von der CDU)

– Frau Beer, es kann auch mal ein Vorschlag dazwischen sein, der Ihnen in der Sekunde nicht passt. Das ist der demokratische Diskurs.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie steht die CDU-Fraktion zu Frau Merkel?)

Wir haben manches vorgeschlagen vor vier Wochen, vor Monaten, was Sie jetzt mittragen. Dafür haben Sie uns vor vier Wochen noch beschimpft.

(Lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP)

So ist das in der Demokratie. Da muss man Konsens schaffen. Da muss man auch mal sagen: Okay, ich habe das vor vier Wochen anders gesehen. – Aber es kommen Woche für Woche 10.000 oder 15.000 Flüchtlinge nach Nordrhein-Westfalen. Da sind vielleicht andere Maßnahmen erforderlich, als wir noch vor einem Jahr gedacht haben. Das gehört zu einem Lernprozess, auch in den Fraktionen eines Landtags. Und deshalb wäre es gut, wenn wir uns das gegenseitig zugestehen würden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Laschet, würden Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Beer zulassen?

Armin Laschet (CDU): Bitte schön.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Danke schön, Herr Kollege Laschet. Würden Sie mir dann hier bitte Folgendes erklären? Meine Frage ist: Stärken Sie der Bundeskanzlerin in dem innerparteilichen Diskurs jetzt den Rücken für ihre Politik, die die Flüchtlinge in dieser Art und Weise hier nicht nur willkommen heißt, sondern auch versucht, sie zu unterstützen unter gemeinsamen Anstrengungen? Widerstehen Sie den Dingen, die wir bei der CDU in Nordrhein-Westfalen landauf, landab erleben, und die sich auch von dieser Linie entfernen?

(Widerspruch von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Laschet, bitte schön.

Armin Laschet (CDU): Also, manchmal lässt man Zwischenfragen zu, wenn man weiß, dass etwas ganz Dummes kommt. Das war jetzt der Fall.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie verfolgen, wie ich mich zu diesem Thema einlasse,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist Ihre Konsenspolitik!)

dann stellen Sie fest: Das ist natürlich eine klare Unterstützung dessen, was die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung macht. Alles das, was wir heute beschließen, ist die Politik der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

(Lebhafter Beifall von der CDU)

Ich bin ja froh, Frau Beer, dass wir es jetzt geschafft haben auf diesem Gipfel, dass auch die SPD und dass auch manche grünen Ministerpräsidenten zu dieser Politik der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin Ja sagen. Das ist doch der große Erfolg, den wir erzielt haben!

(Beifall von der CDU – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU]: Nichts hat Nordrhein-Westfalen dazu beigetragen! Gar nichts!)

Es ist doch geradezu verrückt, was wir da erleben, auch von Ihnen. Noch vor acht Wochen ist die Bundeskanzlerin auf dem Titel des „Stern“ die „Eiskönigin“. Wie kann man nur einem kleinen Mädchen erklären, dass mancher auch gehen muss? Da war sie die „Eiskönigin“. Jetzt ist sie die „Mutter Theresa“ auf dem Titel des „SPIEGEL“. Vielleicht können wir mal sachlich über Themen reden und nicht in diesen Klischees, so wie Sie das machen.

(Beifall von der CDU)

Das, was wir in diesem Landtag brauchen, ist ein Konsens darüber, dass wir jetzt einen Sprint und einen Marathon vor uns haben. Der Sprint betrifft den vor uns liegenden Winter: eine winterfeste Unterbringung, eine gute medizinische Versorgung und ein zügiges Asylverfahren zu gewährleisten. Der Gipfel war eine gute Voraussetzung dafür. Es gibt gute Ergebnisse, die die Frau Ministerpräsidentin hier beschrieben hat. Und nach diesem Sprint, der unmittelbar vor uns liegt, steht ein großer Integrationsmarathon an.

Das, was dieser Gipfel beschlossen hat, ist die größte Veränderung des Asylrechts in den letzten 25 Jahren. Es sind auch Verschärfungen darin, die ich mir vor einem Jahr noch nicht hätte vorstellen können, die aber zwischen Bund und Ländern bei diesem Gipfel verabredet worden sind.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das alles soll mit verkürzten Fristen bis zum 15. Oktober dieses Jahres durch Bundestag und Bundesrat gegangen sein. Das Bundeskabinett hat gestern, bereits am Dienstag, in einer außerordentlichen Kabinettssitzung getagt, damit das ganze Paket wirken kann.

Ich denke, der Bund wird – und das hat die Frau Ministerpräsidentin beschrieben – an der Frage der Dynamik der Finanzleistungen, an allem, was jetzt passiert, an jeder Zahlenentwicklung in vollem Umfang teilnehmen. Man muss nicht in ein paar Monaten wieder zusammensitzen und beim Bund um Geld bitten, sondern jetzt ist ein Einstieg in eine neue Systematik gefunden.

Ich will hier nicht alle Punkte dieses Paketes aufzählen, sondern mich in der verbleibenden Zeit darauf beschränken, vorzutragen, was das für die Landespolitik in Nordrhein-Westfalen bedeutet; denn in der Verabredung sind auch klare Anforderungen an die Landespolitik formuliert.

Wir glauben zunächst, dass wir in Nordrhein-Westfalen aufgrund der Politik der letzten Jahre schlechter als andere Bundesländer auf diese Situation vorbereitet sind. Wir erleben, was den Bundesfinanzminister angeht, dass er die Leistungen, die jetzt erforderlich sind, aufgrund einer klugen Finanzpolitik ohne neue Schulden gestalten kann. Neun Länder in Deutschland haben ein Plus in ihren Haushalten. Nordrhein-Westfalen nimmt, wie Sie wissen, bereits in diesem Jahr neue Schulden auf. Deshalb sind unsere Spielräume geringer als die bei anderen Ländern, die andere Vorsorge getroffen haben.

Der Kollege Hafke hat eben in der Debatte zum Familienbericht darauf hingewiesen, dass Nordrhein-Westfalen bei der U3-Betreuung – von den 16 Ländern sind wir dort Letzter – 57.000 Plätze zu wenig hat. In diese Kitas kommen jetzt zusätzlich Flüchtlingskinder. Die Integration würde schneller, leichter und besser gelingen, wenn wir im Mittelfeld der deutschen Länder liegen würden und nicht jetzt schon Probleme bei der U3-Betreuung hätten. Es wäre besser, wenn wir das hätten!

(Beifall von der CDU)

Was die Schulpolitik anbelangt: Wir werden – derzeit geschätzt – 40.000 schulpflichtige Flüchtlingskinder haben. Sie haben angekündigt, dass 2.600 neue Lehrerstellen geschaffen werden sollen. Das ist aber ungefähr die Dimension, die uns der Landesrechnungshof zu Beginn des Schuljahres genannt hat, um den Unterrichtsausfall zu bekämpfen. Wir haben also Unterrichtsausfall, und Sie haben die Inklusion vor Ort unzureichend ausgestattet. Deshalb sind wir nicht so gut darauf vorbereitet, diese riesige Aufgabe jetzt mit 2.600 Lehrern anzugehen. Zudem haben Sie das Ganze noch bis 2018 befristet.

(Beifall von der CDU)

Was ist denn das für eine präventive Politik, zu glauben, die Flüchtlingskinder, die jetzt in die Schule kommen, seien 2018 nicht mehr in der Schule? Wenn Sie schon so etwas machen, machen Sie das wirklich einmal mit dem Blick über den Tellerrand hinaus. Hören Sie auf die GEW, den VBE, auf LehrerNRW und all die Verbände, die sagen: Die Lehrer, die Sie bereitstellen, reichen nicht aus, um diese große Integrationsaufgabe zu schaffen.

(Beifall von der CDU)

Deshalb haben wir folgende Erwartungen an Sie:

Erstens. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben auf dem Bund-Länder-Gipfel dem Gesetzes- und Maßnahmenpaket im Namen unseres Bundeslandes zugestimmt. Tun Sie das jetzt auch im Bundesrat! Beim letzten Mal haben Sie den Ministerpräsidenten Kretschmann, was die sicheren Herkunftsländer anbelangt, allein gelassen. Stimmen Sie diesmal mit und verweigern Sie sich nicht erneut!

(Beifall von der CDU)

Zweitens. Leiten Sie die Mittel an die Kommunen weiter. Wenn Sie das tun – für 2015 haben sie es zugesagt –, ist das in Ordnung. In manchen Interviews von Ihnen lese ich, dass Sie sagen, 2016 würde ein „Großteil der Mittel“ an die Kommunen weitergeleitet werden. Wir kennen es von vielen anderen Themen – BAföG-Mittel und anderes –, wie das dann geht. Deshalb: Wenn es anders kommt, sind wir froh. Heute kommt die Aufforderung von uns: Leiten Sie jeden Cent, den der Bund für die Kommunen gibt, auch an diese weiter!

(Beifall von der CDU)

Drittens. Sagen Sie uns – das war auch am Montag in dem Fraktionsvorsitzendengespräch noch offen –, ob Sie jeden Punkt umsetzen wollen, der da benannt ist. Die Grünen haben über das Wochenende ihrer Mitgliederschaft Mitteilungen zu Forderungen geschickt, in denen sie sagen: Dies und das und jenes in Bezug auf das, was da alles in Berlin verabredet wurde, werden wir in Nordrhein-Westfalen nicht machen. Da sind ein paar Fragen offen. Ich will gar nicht behaupten, …

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was denn?)

– Also, die Kernfrage ist: Stimmt es, dass Sie diejenigen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen und nicht schutzbedürftig sind, sechs Monate in den Landesaufnahmeeinrichtungen halten wollen? Oder wollen Sie den Kommunen weiterhin Menschen ohne Bleibeperspektive schicken? Das ist doch eine eindeutige Frage. Das ist in Berlin verabredet worden!

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

– Es ist ja gut, wenn Sie alles im Griff haben und es nur von der Technik abhängt. Sie haben dem in Berlin zugestimmt. Die Grünen sagen in ihre Klientel hinein: Das alles werden wir nicht machen. Macht euch keine Sorgen.

Deshalb brauchen wir irgendwann – vielleicht nicht heute – eine Antwort auf die Frage: Wird die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen – wenn der Bund das Personal hat und wenn die Verfahren schneller durchgeführt werden – zum Ergebnis des Flüchtlingsgipfels stehen: Ja oder Nein?

(Beifall von der CDU)

Dann kommt die eigentliche Integrationsaufgabe. Sie hatten jetzt, Frau Ministerpräsidentin – weil ja in den letzten Wochen die drei Minister zufällig zu Ihnen kamen und nicht mehr weitermachen wollten –, die einzigartige Chance, mit einem Neuzuschnitt der Landesregierung auf diese große Integrationsaufgabe zu reagieren.

Das wäre die Chance gewesen, ein Integrationsministerium zu schaffen oder sogar bei der Staatskanzlei anzusiedeln, wo noch effektiver, noch besser eine Koordination all der Aufgaben, die jetzt zu erfüllen erforderlich sind, gelingen könnte, wo beispielsweise – in Bezug auf den Teil, den Sie zum Grundgesetz gesagt haben – die Landeszentrale für politische Bildung eng mit der Integration verknüpft werden könnte, wo die frühkindliche Bildung verknüpft würde und wo auch all das, was an Integrationsleistungen passiert, neben dem üblichen Ministeriumsablauf organisiert worden wäre. Diese Chance haben Sie leider vertan. Sie haben – das ist Ihr gutes Recht – dieses Ministerium wieder nach Regionalproporz besetzt.

Wenn Sie es aber schon nicht machen, werden wir von Ihnen hier im Plenum Monat für Monat abverlangen, dass diese große Integrationsaufgabe querschnittsmäßig und zentriert, geleitet von der Idee der Integration dieser künftigen deutschen Staatsbürger – viele von denen werden auf Dauer bleiben –, ausgeführt und nicht im Hickhack zwischen unterschiedlichen Ministerien zerstückelt wird, so wie wir es heute erleben.

(Beifall von der CDU)

Wir würden Sie außerdem noch einmal bitten – wir werden das im Haushalt auch per Antrag einbringen –, dass Sie bei den Themen „Schule“ und „Bildung“ nicht nur in Lehrerstellen und -kontingenten denken. Wir haben die Frage der Schulsozialarbeit hier oft thematisiert. Der Bund hat im letzten Jahr BAföG-Mittel in Höhe von 278 Millionen € an die Länder gegeben.

Wir hatten gesagt: Wir brauchen 100 Millionen € für die Schulsozialarbeit in den Kommunen. Sie haben den Kommunen inzwischen die Hälfte der Gelder auf anderem Wege für die Schulsozialarbeit gegeben. Das war allerdings vor einem Jahr angedacht, als noch gar keine Flüchtlinge da waren.

Bei den Flüchtlingen ist jedoch auch psychologische Betreuung nötig; da ist Schulsozialarbeit in einer ganz neuen Art nötig, als das bisher der Fall war. Deshalb fordern wir Sie heute noch einmal auf, das Geld, das der Bund im letzten Jahr bereitgestellt hat, jetzt schnell den Kommunen für die Schulsozialarbeit zur Verfügung zu stellen, damit es in den nächsten Wochen und Monaten vor Ort in die Haushalte einfließen kann.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Deshalb sage ich: Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie wir die Systeme wieder so in Ordnung bringen können, dass jeder auch registriert wird. Der Innenminister hat noch einmal beschrieben, dass es schon ein großes Problem ist, die Menschen, die da sind, überhaupt zu registrieren und wieder zu geordneten Verfahren zu kommen. Da haben Sie unsere volle Unterstützung. Wenn uns das gelingt, würde das auch Nordrhein-Westfalen entlasten, weil wir dann vielleicht irgendwann wieder beim Königsteiner Schlüssel landen könnten.

Wir brauchen eine Politik an den Außengrenzen der Europäischen Union, die einen unbegrenzten Zuzug in der jetzigen Größenordnung verändert. Wir brauchen in der Tat eine Debatte – die außenpolitisch stattfindet – über ein Ende des Konflikts in Syrien. Manche haben seit Jahren gedacht: Das ist weit weg. Was haben wir in der Landespolitik mit Syrien zu tun? – Wir wissen heute: Wenn dieser Konflikt dort nicht beendet wird, landen die Menschen bei uns; das betrifft jede einzelne Kommune.

(Nadja Lüders [SPD]: Vier Jahre wissen wir das schon, Herr Laschet!)

Deshalb erfordert Politik manchmal etwas mehr, als nur im Landesrahmen zu denken. Sie haben heute erfreulicherweise mitgewürdigt, dass auch dies zu einer mittelfristigen Lösung des Konfliktes beiträgt.

Es wird die nächsten Wochen noch manchen Vorschlag geben, bei dem man die Stirn runzelt. Ich runzele auch schon mal die Stirn, meistens bei rot-grünen Vorschlägen, manchmal auch bei Vorschlägen aus der eigenen Fraktion. Es ist in einer solchen historischen Lage auch nicht ungewöhnlich, dass Menschen unterschiedlich denken. Johannes Rau – den man hin und wieder mal zitieren darf – hat gesagt: Weder von Ängsten noch von Träumereien soll man sich leiten lassen.

Bundespräsident Gauck hat in den letzten Tagen gesagt: Wenn wir Probleme benennen und Schwierigkeiten aufzählen, so soll das niemals unser Mitgefühl, unser Herz schwächen. Es soll vielmehr unseren Verstand und unsere politische Ratio aktivieren.

Deshalb verstehen Sie all die Punkte, die unsere Kollegen bringen – die unsere Kollegen auch im Innenausschuss bringen –, die manchmal vielleicht nicht Ihre Zustimmung finden, als Anregung für die politische Ratio und das Herz, das wir in diesen Wochen und Monaten mehr brauchen denn je. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Römer das Wort.

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ministerpräsidentin hat es benannt: Am Ende dieses Jahres werden Hunderttausende Menschen zu uns nach Deutschland geflohen sein, weil sie bei uns Schutz vor Krieg und Verfolgung finden, weil sie auf ein besseres Leben hoffen.

Und das ist eine historische Bewährungsprobe. Wir werden sie dann bestehen, wenn sich alle politischen Ebenen, auch die Zivilgesellschaft, als eine Verantwortungsgemeinschaft verstehen, aber auch als Verantwortungsgemeinschaft handeln.

Zu lange lag die Last der Verantwortung allein auf den Schultern der Länder, auf den Schultern der Kommunen und auf den Schultern Abertausender Helferinnen und Helfer aus der Mitte unserer Gesellschaft. Am vergangenen Donnerstag – darauf hat die Ministerpräsidentin hingewiesen – hat sich das geändert. Der Bund erkennt endlich seine Verantwortung an, und er will nun endlich für schnellere Asylverfahren sorgen.

Ja, das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern – ich will das noch einmal herausstellen – ist ein Kompromiss, Herr Kollege Laschet – ein Kompromiss, bei dem wir nicht von allen Maßnahmen restlos überzeugt sind. Nicht jedes Land, das jetzt zu den sicheren Herkunftsländern zählen soll, ist auch ein solches.

(Christian Möbius [CDU]: Alles EU-Beitritts-kandidaten!)

Aber weil es uns in Bund und Ländern gelungen ist, die Aushöhlung des deutschen Asylrechts zu verhindern und den Angriff von Teilen der Union auf das Grundrecht auf Asyl abzuwehren, deshalb ist dieser Kompromiss vertretbar und wird auch von uns mitgetragen.

(Beifall von der SPD)

Der gefundene Finanzierungsausgleich für Länder und Kommunen ist ein guter Anfang. Herr Kollege Laschet, in aller Klarheit: Wir bitten nicht in Berlin um Geld, sondern wir fordern die finanzielle Verantwortung des Bundes in dieser Frage ein – und zwar erfolgreich, wie das die Ministerpräsidentin herausgestellt hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist ein guter Anfang. Die Aufstockung um 1 Milliarde € für alle Bundesländer für das Jahr 2015 entspricht exakt unserer Forderung. Wir werden die Summe von 216 Millionen € jetzt schnell und vollständig an die Kommunen weiterleiten. Dafür werden die beiden Koalitionsfraktionen morgen im Nachtragshaushalt sorgen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sind herzlich eingeladen, dabei mitzumachen.

Die ab 2016 vereinbarte dynamische Beteiligung des Bundes an den Kosten für Flüchtlinge für die Dauer ihrer Asylverfahren wird den Bund – das hat die Ministerpräsidentin herausgestellt; ich bin da auch zuversichtlich – dazu antreiben, eine Beschleunigung der Asylverfahren nicht nur zu versprechen, sondern sie auch tatsächlich zu erreichen.

Ob diese beiden Variablen – fünf Monate Verfahrensdauer und 180.000 Flüchtlinge für 2016 – korrekt geschätzt sind, lässt sich heute noch nicht sagen. Umso wichtiger ist doch die vereinbarte Abrechnung pro Monat und Flüchtling, die als Gleitklausel Länder und Kommunen davor schützt, durch eine falsche Schätzung finanziell überfordert zu werden.

Dass die Mittel für das unselige Betreuungsgeld nun endlich dorthin fließen können, wo sie hingehören, nämlich in den Ausbau und die Qualität von Kindertagesstätten, ist ebenfalls ein Erfolg, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Gleiches gilt für das 350-Millionen-€-Programm für die Betreuung von unbegleiteten Flüchtlingskindern.

Für meine Fraktion kann ich in der Gesamtschau festhalten: Das Ergebnis der Bund-Länder-Verhandlungen ist ein gutes Ergebnis.

Zu diesem Verhandlungserfolg möchte ich Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, stellvertretend für alle Regierungschefs der Länder ganz herzlich gratulieren. Denn unter der Führung von Hannelore Kraft wurde Nordrhein-Westfalen zum Wortführer und zum Anwalt der Interessen, Sorgen und Nöte aller Kommunen in ganz Deutschland – wieder einmal, meine Damen und Herren. Und wieder einmal hat sich Ihre Hartnäckigkeit gelohnt, Frau Ministerpräsidentin.

Herr Kollege Laschet, ich kann ja verstehen, dass Sie der Ministerpräsidentin ihre bundespolitischen Erfolge nicht gönnen. Sie fürchten um Ihre Führungsrolle. Das ist völlig klar.

(Armin Laschet [CDU]: Ich habe sie doch gelobt!)

Die Tatsache, dass Sie uns vorhin in dieser beeindruckenden Art und Weise an Ihrer innerparteilichen Nabelschau haben teilhaben lassen, macht aber deutlich, welcher Druck im CDU-Kessel herrscht, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben auch vorhin wieder versucht, die Ministerpräsidentin, die Landesregierung und uns mit kleinkarierter Kritik zu überziehen – in der irrigen Annahme, Erfolge für Nordrhein-Westfalen seien Ihre Niederlagen, Herr Kollege Laschet.

Wir bleiben dabei: Wir freuen uns über dieses Verhandlungsergebnis, und wir gönnen der Ministerpräsidentin ausdrücklich diesen Verhandlungserfolg. Wir freuen uns mit Ihnen, Frau Ministerpräsidentin.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Herr Kollege Laschet, ich glaube ja auch, dass es nicht Aufgabe einer Opposition ist, die Erfolge einer Regierung zu preisen; selbstverständlich nicht. Aber Kritik ist wie gedrucktes Geld: Wer sie ohne Maß und Gegenwert verteilt, ruiniert sie durch Inflation. Am Ende ist die Kritik – auch Ihre – dann überhaupt nichts mehr wert, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Heiterkeit von Marc Herter [SPD])

Trotz aller Probleme und Herausforderungen – auch das will ich noch einmal festhalten – war Nordrhein-Westfalen das einzige Bundesland, das willens und imstande war, der Bayerischen Staatsregierung und der Stadt München zu helfen, als diese sich in ihrer Not nicht mehr selbst zu helfen wussten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

So viel, Herr Kollege Laschet, zu Ihrem Vorwurf, andere Länder hätten die Situation besser im Griff. In Bayern weiß man es besser. Erkundigen Sie sich bei der CSU. Sie wird Ihnen das bestätigen.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Meine Damen und Herren, die Flüchtlingsbewegung verlangt von uns auch, ein Zukunftsbild für unser Land zu entwickeln. Ich bleibe dabei: Deutschland kann zu einem Land werden, das durch eine gelingende Integration von Einwanderern dynamischer, innovativer und wirtschaftlich erfolgreicher ist als viele andere Länder, die glauben, sich abschotten zu müssen. Das erfordert aber einen politischen Grundkonsens, meine Damen und Herren.

Herr Kollege Laschet, Sie haben vorhin wieder nicht die Frage beantwortet, ob die CDU dazu bereit ist. Haben Sie dazu den Mut? Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie vorhin die Gelegenheit genutzt hätten, uns das auch zu sagen.

Diese Frage muss ich leider, meine Damen und Herren von der FDP, auch an Sie richten. Sie hatten sich für Ihren letzten Bundesparteitag ein schönes Motto ausgedacht: German Mut statt German Angst. – Aber wo ist denn der liberale Mut in der Flüchtlingspolitik?

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner – er kann heute leider nicht da sein; er ist entschuldigt – gibt dem „Westfalen-Blatt“ ein Interview zu diesem Thema, warnt vor Risiken für den Arbeitsmarkt, nennt den Optimismus der Wirtschaft naiv und fürchtet um die liberale Kultur in unserem Land. In jeder Antwort von Herrn Lindner: nur German Zweifel, German Bedenken, German Ängstlichkeit –

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: German Realismus! – Gegenruf von Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Nix Realismus!)

aber kein Zukunftsbild, keine Rede von Chancen, keine Spur von German Mut. Das, meine Damen und Herren von der FDP, ist wirklich enttäuschend. Ich hätte da mehr erwartet. Ich bin enttäuscht von dem, was der FDP-Vorsitzende gesagt hat.

(Beifall von der SPD)

Aber ich will Sie in Schutz nehmen; denn niemand beherrscht das Spiel mit Ängsten so gut wie die CDU, so gut wie die Union. Nichts scheint Unionspolitikerinnen und -politiker derzeit mehr umzutreiben als die Frage: Wann ist die Belastungsgrenze erreicht? Wann kippt die Stimmung? Man hört Sie so oft davor warnen, dass man glauben könnte, Sie könnten es gar nicht abwarten.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unverschämtheit!)

Herr Kollege Laschet, die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, Ihre Kollegin im CDU-Bundesvorstand, lässt mittlerweile keine Gelegenheit mehr aus, um aus Flüchtlingen eine Bedrohung für unsere Verfassung, unsere Bürgerrechte und die abendländische Kultur schlechthin zu machen.

Horst Seehofer lässt seine CSU den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán beklatschen, einen Rechtsnationalisten, der die europäischen Werte mit Füßen tritt.

Was treiben Ihre Parteifreunde da eigentlich, Herr Laschet? Dazu haben Sie nichts gesagt. Soll hier ein Stimmungswechsel vorweggenommen werden, von dem Ihre Kolleginnen und Kollegen glauben, er komme so oder so? Bereitet man mit Ihrer Hilfe, Herr Kollege Laschet, in Rheinland-Pfalz und in Bayern schon entsprechende Wahlkampagnen vor? Oder ist Ihnen die Willkommenskultur als solche suspekt?

Das sind doch die Fragen, die auch in der Öffentlichkeit gestellt werden und auf die Sie keine Antworten geben. Vielleicht verbirgt sich dahinter ja noch mehr als nur ein Wahlkampfkalkül.

Meine Damen und Herren, deshalb sollten wir eines festhalten: Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze. Das gilt auch für die Flüchtlinge, die aus der Hölle eines Bürgerkriegs zu uns kommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir alle wissen, wer das gesagt hat. Die Bundeskanzlerin hebt das ausdrücklich hervor. Sie hat in diesem Punkt unsere uneingeschränkte Unterstützung. Doch sie hat leider nicht die uneingeschränkte Unterstützung in ihrer Partei, Herr Kollege Laschet, ja nicht einmal die uneingeschränkte Unterstützung ihres eigenen Innenministers.

Deshalb sage ich mit aller Klarheit: Wer die Axt an das Grundrecht auf Asyl gemäß Art. 16a unserer Verfassung legen will, wird auf den erbitterten Widerstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands stoßen.

(Beifall von der SPD)

Also: Die Stimmung in unserem Land ist nicht gekippt; die Stimmung in den Unionsparteien – auch das hat Ihre Nabelschau vorhin deutlich gemacht – offenbar schon. Angela Merkel hat angesichts des Friendly Fire auf ihre Flüchtlingspolitik gesagt – ich zitiere –:

„…, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“

Meine Damen und Herren, die Empörung der Bundeskanzlerin teilen wir. Auch das will ich hier ausdrücklich festhalten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Angesichts des Treibens in den Unionsparteien fragen wir uns aber auch:

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ist eine Partei, die glaubt, sich für das freundliche Gesicht ihrer Bundeskanzlerin rechtfertigen und entschuldigen zu müssen, noch die Partei dieser Bundeskanzlerin?

(Zuruf von der CDU: Da mache ich mir keine Sorgen!)

Auch darauf hätte ich von Ihnen gerne eine Antwort gehabt, Herr Kollege Laschet.

Meine Damen und Herren, was wir in Deutschland brauchen, um zu einer geordneten und kontrollierten Einwanderung jenseits des Asylrechts zu finden – auch das hat die Ministerpräsidentin herausgestellt –, ist ein Zuwanderungsgesetz. Und wir brauchen es jetzt, nicht erst in drei, in vier oder in fünf Jahren. Jetzt brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz. Das würde uns in dieser schwierigen Situation helfen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was wir ganz und gar nicht brauchen können, sind Kampagnen, die sich zugleich gegen die Solidarität mit Flüchtlingen und gegen den Mindestlohn wenden.

Wolfgang Goebel, Personalmanager von McDonald’s und Chef des Bundesverbandes der Systemgastronomie, hat dazu das Richtige gesagt. Ich zitiere:

„Wir können nicht auf der einen Seite sagen, es kommt auf die Leistung an und Herkunft spielt keine Rolle, und auf der anderen Seite bei den Löhnen differenzieren.“

Der Personalmanager von McDonald’s hat recht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb, meine Damen und Herren: Der gesetzliche Mindestlohn für alle bleibt.

Herr Kollege Laschet, wir werden auch nicht zulassen, dass Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose gegeneinander ausgespielt werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aus diesem Grund werden wir einer ersatzlosen Streichung der Vorrangprüfung nicht zustimmen, Herr Kollege Laschet. In aller Klarheit: Wir lassen nicht zu, dass sie gegeneinander ausgespielt werden.

Meine Damen und Herren, nicht alle, die zu uns kommen, werden bleiben können. Aber sehr viele werden bleiben. Sie werden dann nicht mehr Flüchtlinge, sondern Einwohner unseres Landes sein, viele sogar Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland.

Wir haben jetzt die Chance, durch öffentliche Zukunftsinvestitionen eine historische Integrationsleistung zu vollbringen. Diese Chance wollen wir nutzen. Mit unserem Nachtragshaushalt 2015 – auch darauf hat die Ministerpräsidentin hingewiesen – und dem Haushalt 2016 stellen wir die ersten Weichen.

Dabei muss eines ganz klar sein: Die Flüchtlinge, die Menschen, die zu uns kommen, sind nur der Anlass, nicht aber der Grund für diese Investitionen, die sich in 15 Jahren mit einem Vielfachen rentieren werden; denn alle Menschen in unserem Land brauchen Bildung, Arbeit und bezahlbaren Wohnraum. Es gibt immer noch zu viele, die davon zu wenig haben. Auch das ist Antrieb für unsere vorbeugende Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir jetzt den Mut haben, Probleme anzupacken und nicht zu ignorieren, wenn wir jetzt die Kraft aufbringen, Investitionen zu stemmen und nicht aufzuschieben, kann Deutschland in 15 Jahren ein stärkeres, ein gerechteres Land sein, als es heute ist. Dafür arbeiten wir mit ganzer Kraft – mit Mut zur Zukunft für unser Land, für alle Menschen in unserem Land. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Römer. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Römer, ich glaube, die Debatte, die wir vor vier Wochen hier geführt haben, hat gezeigt, dass gerade die Fraktion der FDP hier mit vielen konstruktiven Vorschlägen unterwegs gewesen ist.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das war nicht das erste Mal in dieser Debatte. Insofern läuft Ihr Vorwurf, den Sie eben geäußert haben, vollkommen ins Leere.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, seitdem wir das letzte Mal hier im Plenum über dieses Thema gesprochen haben, sind vier Wochen vergangen. In diesen vier Wochen hat Deutschland über 200.000 Flüchtlinge aufgenommen. Das verändert natürlich auch eine Diskussion.

Ein Punkt ist mir heute ein bisschen zu kurz gekommen, nachdem wir ihn beim letzten Mal sehr ausführlich gewürdigt hatten: Für diese immense Leistung gilt der Dank – ich denke, das kann ich für alle Fraktionen sagen – den Ehrenamtlern, aber auch den vielen Hauptamtlern, die bis an die Erschöpfungsgrenze gearbeitet und diese Aufnahme ermöglicht haben.

(Beifall von der FDP, der SPD und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Kommunen stehen unter großem Druck. Viele Helfer sind erschöpft. Das reguläre Asylsystem funktioniert nicht mehr so, wie es soll. Viele Flüchtlinge sind derzeit nicht einmal ordentlich registriert. Wir sprechen offen und zu Recht von einer Krise, die wir bewältigen müssen.

Aber auch in der Krise muss die Haltung klar sein. Darum möchte ich für die Freien Demokraten noch einmal ausdrücklich betonen: Das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention stehen für Liberale nicht zur Disposition.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Bei Menschenrechten gibt es keinen Rabatt.

Meine Damen und Herren, bei der Bewältigung dieser Krise gibt es keine einfachen Lösungen, sondern nur komplexe Lösungen. Populistische und ressentimentgeladene Parolen vergiften das Klima und stärken nur die politischen Ränder. Die ÖVP hat in Österreich gerade die Erfahrung machen müssen, wie es ist, wenn man die Rahmenerzählungen von Rechtspopulisten übernimmt. Dann wird am Ende die FPÖ gestärkt. Das ist keine gute Entwicklung, die wir dort erleben.

Allerdings – und damit bin ich wieder bei Ihnen, Herr Römer – bedarf die derzeitige Lage auch keiner Romantisierung. Wir brauchen German Mut. Wir brauchen aber auch German Realismus.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deswegen spreche ich auch einfach aus, wie es eigentlich ist: Nicht jeder, der zu uns kommt, ist automatisch eine Bereicherung. Der Anteil an unangenehmen Zeitgenossen dürfte bei den Flüchtlingen ähnlich hoch sein wie bei der einheimischen Bevölkerung. Deswegen müssen wir vernünftig damit umgehen.

Dazu gehört dann auch, dass die Bürgerinnen und Bürger hier über ihre Sorgen und Ängste sprechen können, ohne dass sie das Gefühl haben müssen, sofort in der rechten Ecke zu stehen. Wir dürfen Ängste nicht schüren, sondern müssen sie mit vernünftiger Politik überwinden.

Wir haben in den vergangenen Wochen auch einige naive Beiträge gehört. Diese Naivität schafft Verunsicherung.

Wenn beispielsweise Frau Göring-Eckardt die Ankunft Tausender Flüchtlinge auf deutschen Bahnhöfen als „Septembermärchen“ verklärt, dann ist das nicht nur völlig naiv, sondern auch unangemessen gegenüber Flüchtlingen, die Heimat und oftmals Angehörige verloren haben

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Es geht um die Willkommenskultur! Das macht auch die Kanzlerin! Unglaublich!)

und einen langen Marsch aus ausgebombten Städten zu uns hinter sich haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Eine Analogie zwischen ankommenden Flüchtlingen und einer Fußballweltmeisterschaft ist geradezu grotesk.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Meine Güte!)

Deutschland braucht weder Populismus noch Romantik, sondern vernünftiges und nüchternes Handeln, Frau Beer. Dieses Handeln haben wir in Bund und Land in der Vergangenheit leider vermissen müssen. Es war unverantwortlich, dass sich die Politik in die Sommerpause verabschiedet hat und die Kommunen mit den Flüchtlingen alleingelassen hat.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Meine Güte!)

Es war unverantwortlich, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge quantitativ und qualitativ nicht an die Entwicklung angepasst wurde. Es ist in diesem Zusammenhang – das muss ich auch einmal in Richtung Union sagen – schon bizarr, dass sich ausgerechnet der Ex-Innenminister Friedrich, der in seiner Amtszeit den Grundstein für diesen Berg an nicht erledigten Altfällen gelegt hat, zum Lautsprecher in der Union hochstilisiert.

Das ganze Ausmaß des Dilettantismus beim BAMF ist uns erst in den letzten Wochen deutlich geworden. Es ist doch unerklärlich, dass bis heute kein Datenabgleich zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Bundespolizei und den Landesbehörden möglich ist. Es ist unerklärlich, dass im heutigen Zeitalter der Digitalisierung so etwas immer noch der Fall sein kann und mit welch langsamem Tempo man sich mit diesem Thema auseinandersetzt.

Aber auch Nordrhein-Westfalen – das gehört zur Wahrheit dazu – hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Dass bei uns Tausende Flüchtlinge ohne Registrierung in den Kommunen landen, ist fatal und nicht zuletzt die Verantwortung der Bezirksregierung Arnsberg, die Sie haben gewähren lassen, Herr Minister Jäger. Was dem Bund das BAMF, ist dem Land die Bezirksregierung Arnsberg. Hier hätte man viel früher und viel konsequenter anpacken müssen.

Meine Damen und Herren, zur Analyse gehört auch dazu, dass der größte Fehler möglicherweise darin gelegen hat, dass die Bundeskanzlerin ohne Absprache mit den europäischen Partnern öffentlich den Eindruck vermittelt hat, Deutschland könne jetzt grenzenlos Flüchtlinge aufnehmen. Angesichts von derzeit 200.000 Flüchtlingen im Monat ersetzt ein trotziges „Wir schaffen das!“ nicht ein schlüssiges Konzept.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, wir setzen dem „Wir schaffen das!“ ein nüchternes „Wir können das schaffen, wenn wir richtig handeln!“ entgegen. Darum haben wir als FDP hier bereits seit Monaten Vorschläge gemacht, wie aus der ungesteuerten eine gesteuerte Einwanderung werden kann.

Vieles von dem, was wir vorgeschlagen haben – darüber freuen wir uns –, ist jetzt auf dem Bund-Länder-Gipfel beschlossen worden. Als ich die entsprechenden Vorschläge gemacht habe, Herr Mostofizadeh, bin ich von Ihrer Fraktion hier noch des Rechtspopulismus gezeitigt worden. Insofern sollte man immer sehr vorsichtig sein mit dem, was man verkündet, wenn man es nachher auch entsprechend halten soll.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir sagen aber auch ganz klar, dass wir es für einen großen Fehler halten – hier sind uns auch mit der Ministerpräsidentin einig –, dass die Große Koalition nicht die Größe hat, sich auf ein Einwanderungsgesetz zu verständigen. Ein Teil des Schlüssels zu einer geregelten Zuwanderung liegt natürlich auch in einem systematischen Einwanderungsgesetz, das man auch in den Herkunftsländern kommunizieren kann, damit an dieser Stelle der Druck vom Asyl genommen wird. Wir respektieren ausdrücklich, dass sich unsere Forderung nach einer geregelteren Zuwanderung aus dem Balkan in den Beschlüssen wiederfindet. Aber wir hätten uns hier einen umfassenderen und mutigeren Schritt gewünscht.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, auch wenn der Gipfel mindestens drei Monate zu spät gekommen ist, geht es jetzt darum, die Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen zügig umzusetzen.

Dabei – das will ich noch einmal ganz deutlich sagen – erwarten wir, dass jeder Cent an Bundesmitteln auch tatsächlich bei den Kommunen ankommt. Wenn auch nur ein Cent dazu genutzt würde, Haushaltslöcher im Landeshaushalt zu stopfen, dann wäre das eine Unverschämtheit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben angekündigt, über die Herbstferien mit den kommunalen Spitzenverbänden eine auskömmliche Finanzierung zu verabreden und erst danach zu einem NRW-Flüchtlingsgipfel, den wir ja schon für diesen Freitag gefordert hatten, einzuladen. Nach den Informationen, die sie uns in der Unterrichtung gegeben haben, sind wir mit diesem Verfahren einverstanden.

Wir möchten aber, dass auf diesem Gipfel dann auch darüber gesprochen wird, wie wir systematisch diese Punkte umsetzen, die dort im Bund beschlossen worden sind. Das gilt auch – an die Adresse der Grünen gerichtet – in Bezug darauf, wie wir differenziert damit umgehen – nicht nach Menschen erster und zweiter Klasse, aber nach Flüchtlingen mit und ohne Bleibeperspektive.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Denn nur das wird die Chance sein, dass wir hier wieder zu geordneten Verfahren kommen.

Frau Kollegin Düker – wenn ich Ihre Unterhaltung unterbrechen darf –, insofern ist es ein Fehler, wenn Sie von vorneherein ausschließen, dass es einen längeren Verbleib als drei Monate in den Landeseinrichtungen für Menschen ohne Bleibeperspektive geben soll. Es ist bitter. Es ist für jeden bitter. Wie wir wissen, stecken Einzelschicksale dahinter, die zum Teil aus bitterer Armut kommen, aber zum Teil nicht politisch verfolgt sind. Zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass diese Menschen nicht dauerhaft hierbleiben können und dass sie auch zurückgeführt werden müssen.

Da ist eine Teilintegration in den Kommunen eben nicht hilfreich, sondern verschlimmert die Situation noch. Erst dadurch entstehen viele, viele soziale Härten, die dann teilweise sogar eine Rückführung gar nicht mehr möglich machen. Aber wir brauchen jetzt die Plätze für die tatsächlich Schutzbedürftigen aus den Bürgerkriegsgebieten und die politisch Verfolgten. Deswegen brauchen wir hier auch eine klare Entscheidung, dass wir hier zu einer Unterscheidung kommen. Ich weiß, dass das wehtut. Aber das ist leider unvermeidbar, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen aber nicht nur über die Unterbringung sprechen, sondern auch darüber, wie wir eine so große Zahl von Menschen mit zum Teil ganz unterschiedlichen kulturellen Herkünften hier in Deutschland zusammenführen können.

Sie haben sich eben auf das Interview mit Christian Lindner bezogen. Deswegen will ich noch einmal klar für uns als Fraktion sagen: Den einfach so formulierten Satz „Deutschland muss sich ändern“ teilen wir so nicht; denn er fördert wieder vielfach Ängste. Natürlich wird es in Deutschland auch bestimmte Veränderungen geben – in dem Sinne, dass es vielfältiger wird, dass wir hoffentlich auch an mancher Stelle ein bisschen weniger bürokratisch werden und dass wir vielleicht ein bisschen flexibler werden.

Aber eines ist für uns klar: Die offene Gesellschaft hier in der Bundesrepublik Deutschland steht nicht zur Disposition. Wir sind stolz auf die innere Liberalität dieses Landes. Wir sind stolz darauf, dass wir erkämpft haben, dass heute ein schwules Pärchen händchenhaltend durch Olpe laufen kann, dass wir eine Gleichberechtigung von Mann und Frau haben und dass die Muslima in diesem Land selbst entscheidet, ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht.

(Beifall von der FDP)

In vielen Ländern ist das aber anders.

Anfangs habe ich gesagt, dass es keinen Rabatt auf Menschenrechte gibt. Das gilt selbstverständlich auch für Flüchtlinge. Wer dauerhaft bei uns bleiben will, der muss unsere Rechtsordnung voll umfänglich akzeptieren.

(Beifall von der FDP)

Darum müssen wir mit der Integration ganz früh beginnen, sowohl bei den Kleinen im Rahmen der frühkindlichen Bildung als auch bei denjenigen, die als Erwachsene neu bei uns sind. Das sollten wir nach Möglichkeit – dort, wo es räumlich geht – bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen tun, und zwar mit Integrationskursen, in denen wir die Zuwanderer an die Hand nehmen, in denen wir die Flüchtlinge an die Hand nehmen und ihnen unsere Werteordnung vermitteln.

Herr Römer, wir haben dazu auch heute wieder einen umfassenden Antrag vorgelegt. Wir werden dafür plädieren, dass die vorliegenden Anträge in einer gemeinsamen Anhörung zu all den verschiedenen Anträgen diskutiert werden, die momentan durch die Ausschüsse wabern. Wenn Sie sich diese Anträge angucken, werden Sie sehen, wie groß der Anteil der FDP-Anträge mit konkreten Vorschlägen zur verbesserten Aufnahme und zur verbesserten Integration ist. Wir sind nicht die Partei, die hier aus Showgründen immer Dinge zur direkten Abstimmung stellt. Wir stellen uns den Fachberatungen in den Ausschüssen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen gemeinsam mit der Wirtschaft Integration in Arbeit schaffen. Wir haben ja alle erlebt – es war ja jetzt wieder Tag des Handwerks –, wie viele Handwerksmeister bereit sind, sich hier zu engagieren.

Wir wissen aber auch, dass nicht alle die notwendige Qualifikation mitbringen. Gerade deswegen ist das auch wichtig. Da werden wir Geld in die Hand nehmen müssen. Wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie wir das stemmen werden. Aber wir müssen die Flüchtlinge dann auch schnell in die Situation versetzen, in der wir sie in den ersten Arbeitsmarkt bekommen. Das wird ein Kraftakt. Wenn wir alle gemeinsam daran arbeiten, wird aber auch das möglich sein.

Dazu gehören aber auch Entbürokratisierung am Arbeitsmarkt und Flexibilisierung. Ich sage Ihnen eines: Sie müssen nicht immer reflexhaft unterstellen, man wolle Gruppen gegeneinander ausspielen. Aber es wird Leute geben, die aus Analphabetismus kommen oder mit einer ganz geringen Schulbildung und die wir Stück für Stück an den Arbeitsmarkt heranführen müssen. Wenn für diese Menschen nicht von Anfang an der Mindestlohn gezahlt werden kann, dann sollten wir uns ernsthaft darüber unterhalten, wie wir das so organisieren können, dass das nicht missbraucht wird, aber wie wir umgekehrt auch genügend Flexibilität schaffen, damit diese Menschen in Arbeit kommen; denn Arbeit ist die beste Integration, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wir stehen – das hat die Ministerpräsidentin ausgeführt; das hat auch der Kollege Laschet ausgeführt – vor einer historischen Herausforderung für Deutschland, und wir stehen vor einer historischen Herausforderung für uns in Nordrhein-Westfalen. Ich wiederhole es noch einmal: Wir können es schaffen, wenn wir richtig handeln – nicht populistisch und nicht romantisch, sondern mit Nüchternheit, mit Pragmatismus und beherzt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Nun spricht für die grüne Fraktion der Fraktionsvorsitzende Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich in Richtung von Herrn Kollegen Stamp sagen: Wenn Frau Göring-Eckardt von einem Septembermärchen spricht, spricht sie nicht darüber, wie viele Menschen gekommen sind, sondern sie hat versucht, ihrer Freude darüber Ausdruck zu geben, wie die Willkommenskultur an den Bahnhöfen ist und dass die Menschen die Flüchtlinge aufnehmen und begrüßen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Was das mit Romantik zu tun hat und warum Sie sie dieser Stelle diskreditieren müssen, das bleibt, glaube ich, Ihr Geheimnis.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zunächst einmal ausdrücklich meinen Dank und meinen Respekt gegenüber der Ministerpräsidentin zum Ausdruck bringen. Sie hat nicht nur auf der Ministerpräsidentenkonferenz – sie ist dabei von anderen Mitgliedern der Landesregierung intensiv unterstützt worden – sehr gute Arbeit geleistet, sondern sie hat auch mit uns sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet und auch – das ist aus den Beiträgen der anderen Fraktion deutlich geworden – dieses Parlament jederzeit und in vollem Umfang unterrichtet. Ich möchte Ihnen ganz herzlich für diese Arbeit danken.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte Ihnen auch, liebe Frau Ministerpräsidentin, danken, dass Sie klare Worte bei der Bewertung gefunden haben. Sie haben gesagt: Es ist ein Kompromiss, der in Berlin geschlossen worden ist, und dieser Kompromiss ist nun umzusetzen. – Das teilen wir ganz ausdrücklich.

Sie haben auch klare Worte für das gefunden, was vorher auf dem Tisch gelegen hat, nämlich die, so nenne ich es zumindest, „Liste des Grauens“ aus dem Bundesinnenministerium,

(Heiterkeit von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Ministerin Sylvia Löhrmann)

die eine Woche vor dem Gipfel auf den Tisch gelegt worden ist. Was da aus Berlin gekommen ist, war komplett inakzeptabel.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich sage es auch ganz eindeutig: Bei diesem Kompromiss gibt es eine ganze Menge sinnvoller Regelungen, die getroffen worden sind, und einiger Unsinn wurde verhindert – das ist eben schon erwähnt worden –, leider nicht jeder Unsinn. Aber da sind wir uns in den Koalitionsfraktionen ganz einig, und der Versuch, einen Keil zwischen uns zu treiben, wird erfolglos bleiben.

Gut ist, dass die Menschen vom Westbalkan jetzt eine Einwanderungsperspektive über den Arbeitsmarkt haben. Wir nennen das einen Einstieg in ein Einwanderungsgesetz. Wir haben zwar noch kein Einwanderungsgesetz, aber es ist eine ungedeckelte und klare Perspektive, zumindest über den Arbeitsmarkt nach Deutschland regelgerecht einwandern zu können.

Zweitens ist es eine Verbesserung, wenn auch eigentlich schon lange zugestanden, dass die Gesundheitskarte jetzt geregelt wird. Da möchte ich doch noch einmal, Herr Kollege Laschet, darauf hinweisen, dass unter anderem Herr Krings und weite Teile der CDU in Deutschland diese Gesundheitskarte als „unsinnigen Pull-Effekt nach Deutschland“ bezeichnet haben.

(Armin Laschet [CDU] zuckt mit den Schultern.)

Das zeigt doch die Zerrissenheit in der CDU.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Drittens. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt: Der Bund – darauf hat der Kollege Römer hingewiesen – erkennt erstmals an, dass auch er für die Kosten der Flüchtlingspolitik überhaupt zuständig ist. Die Summen, die jetzt ausgehandelt worden sind, sind ein substanzieller Fortschritt in dieser Frage. Das will ich ganz ausdrücklich feststellen.

(Beifall von den GRÜNEN – Norbert Römer [SPD]: Ja!)

Aber dazu hat Kollege Laschet geschwiegen. Jetzt, nachdem der Gipfel vorbei ist, versucht er wieder, Geländegewinne zu machen und nicht, etwa mit Nachdenklichkeit diesen Gipfel auszuwerten.

Vielmehr spricht er in einem Interview davon, dass man doch jetzt die Vorrangprüfung für Flüchtlinge abschaffen müsse. – Ja, Herr Kollege Laschet, es ist bürokratischer Unsinn, diese Vorrangprüfung durchzuführen, aber es war die B-Seite. Das sei noch mal erklärt: Die B-Seite sind die unionsgeführten Bundesländer, die wie eine Monstranz vor sich hergetragen haben, dass das unbedingt in die Einigung für den Gipfel kommen muss.

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Natürlich konnte in den letzten Tagen auch die Dauerleier der CDU nicht fehlen, dass in Bayern angeblich alles besser ist.

(Armin Laschet [CDU]: Was ist denn an der Aussage falsch?)

Sie haben es mehrfach versucht mit dem Argument, dass man die Bundesgelder eins zu eins an die Kommunen weiterleiten muss.

Ich zitiere Herrn Maly, den Vorsitzenden des Bayerischen Städtetages. Er sagte in einer Pressemitteilung:

„Positiv ist, dass für die Dauer der Asylverfahren Bund und Länder einen Kompromiss gefunden haben, mit dem man leben kann.“

– Nicht: „der wunderbar ist“, sondern: „mit dem man leben kann.“ –

„Jetzt muss der Freistaat Bayern aber endlich die Kommunen an den Bundesmitteln beteiligen. Bislang hat Bayern hiervon nichts abgegeben.“

Wörtliches Zitat von Herrn Maly.

(Beifall von den GRÜNEN – Andrea Asch [GRÜNE]: Aha!)

Das sagte er am 25. September. Das hört sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, doch völlig anders an als Söders Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht und die Beteuerungen der hiesigen CDU-Opposition, in Bayern sei alles viel besser, und die Bayern behandelten ihre Kommunen noch viel besser als wir in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Für die nicht ganz Kundigen in diesem Zusammenhang gebe ich einen Hinweis auf das Gemeindefinanzierungsgesetz. Bayern beteiligt die Kommune mit 425 € pro Kopf an den Steuereinnahmen des Landes, Nordrhein-Westfalen mit 568 €. Es liegt damit mit Baden-Württemberg an der Spitze. Wenn wir unsere Kommunen wie die Bayern behandeln würden, müssten wir nach den Vorstellungen der CDU 2,5 Milliarden € weniger überweisen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auch bei der Verteilung der Bundesmittel für Flüchtlinge ist es doch völlig klar: Die 216 Millionen €, die auch vom Bund in diesem Jahr zusätzlich kommen, werden eins zu eins ohne jede Diskussion an die Kommunen überwiesen; da gibt‘s überhaupt keine Debatte.

Auch für 2016 ist doch völlig klar, dass alle Ausgaben der Kommunen dem Sinn folgen müssen, dass diejenigen, die die Flüchtlinge betreuen, natürlich eins zu eins die Kosten erstattet bekommen. In dieser Frage gibt es doch auch überhaupt keinen Dissens. Nur: Wenn allerdings das Land Flüchtlinge unterhält, können Sie nicht verlangen, dass wir den Kommunen Kosten erstatten, die bei uns anfallen. Da bitte ich auch ein Stück um Verständnis.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem dritten Nachtragshaushalt, der heute vorgelegt wird – darauf hat die Ministerpräsidentin bereits hingewiesen –, werden wichtige weitere Schritte der Integration gemacht. 220 Millionen € bekommen die Kommunen in Nordrhein Westfalen zusätzlich für die Unterbringung der Flüchtlinge erstattet.

Ich habe eben darauf hingewiesen: Weitere 216 Millionen €, die eins zu eins Bundesdurchleitungen sind, werden wir im Nachtragshaushalt ebenfalls mit verankern. 2.600 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer werden bereitgestellt, 250 neue Stellen für Polizistinnen und Polizisten sowie 150 Personen, die für die Registrierung zuständig sind. Nicht zu vergessen – Stichwort: Beschleunigung der Verfahren –: Es werden auch Dutzende von Richterinnen und Richtern eingestellt, was dazu führt, dass das, was der Bund nicht geschafft hat, in Nordrhein-Westfalen deutlich schneller ablaufen kann.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt Nordrhein-Westfalen im Bundesländervergleich ganz vorn. 3.600 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer sind für die Integration im Land mehr als das, was alle anderen Bundesländer gemeinschaftlich auch nur angekündigt haben.

Ich danke der Opposition ausdrücklich dafür, dass sie dem beschleunigten Verfahren zugestimmt hat, sodass wir noch im Oktober die Mittel auszahlen können. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will jetzt, weil die Ministerpräsidentin das schon gemacht hat, nicht in aller Breite darauf eingehen, was an sachfremden Punkten hat verhindert werden können. Einige will ich aber doch herausgreifen.

Wir haben verhindert, dass die Länder diese unsinnige Regelung mitmachen müssen, Sachleistungen statt Geld auszugeben. Stellen Sie sich das einmal vor: Da sind dann Beamtinnen und Beamte oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit beschäftigt, statt Kleinstbeträge an Geld auszugeben an jeden eine Zigarette, Kaugummis, Bustickets oder Bleistifte auszuteilen. Das ist doch Bürokratiewahnsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Gängeln und das Drangsalieren von Flüchtlingen verkürzt die Verfahren um keine Minute, sondern führt zu weiterem Aufwand, der nicht akzeptabel ist.

Nicht verschweigen möchte ich auch, dass es Zugeständnisse gegeben hat, die meiner Partei nicht leichtgefallen sind. Herr Römer hat bereits darauf hingewiesen. Wenn im Kosovo die Grenzen noch durch die Bundeswehr bzw. durch KFOR-Truppen gesichert werden müssen, haben wir erhebliche Probleme, den Kosovo als sicheres Herkunftsland einzuschätzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir glauben auch nicht – diese Meinung teile ich ausdrücklich –, dass das dazu führen wird, die Menschen davon abzuhalten, hierher zu kommen und Asyl zu beantragen oder auf anderem Wege ihre Situation zu verbessern. Es hilft auch den BAMF-Mitarbeitern bei den Verfahren nicht, weil der Verfahrensablauf bei einem sachgerechten Asylverfahren trotzdem eingehalten werden muss, solange es – da wird es spannend – bei einem Individualrecht auf Asyl bleibt, es sei denn, die CDU/CSU strebt allen Ernstes an, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken. Dann würde ein Schuh daraus werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da schließe ich mich Herrn Römer an: Weder die Landtagsfraktion der Grünen in Nordrhein-Westfalen noch irgendeine andere Landtagsfraktion noch die Bundestagsfraktion wird mittragen, dass das Grundrecht auf Asyl in Deutschland eingeschränkt wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Uns liegt ein Kompromiss mit Licht und Schatten vor. Dazu stehe ich. Wir werden, wenn dieser Kompromiss eins zu eins umgesetzt wird – das betone ich ausdrücklich –, diesen Kompromiss auch mittragen. Wir werden keine Koalitionskarte im Bundesrat ziehen. Das setzt allerdings voraus – das will ich auch klar sagen –, dass der Bundesinnenminister und Teile der CDU – da ist Wachsamkeit angesagt – diesen Kompromiss weder verwässern noch anschärfen. Das müssen die Beratungen in den nächsten Tagen zeigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Laschet, Sie haben vorhin – ich möchte das von Herrn Römer Ausgeführte fortsetzen – ein paar Punkte in unsere Richtung angesprochen. Ich finde schon, dass die CDU in der Asylpolitik tief gespalten ist. Wenn ich Herrn Strobls Bootsmetapher – das Boot ist nicht voll, aber es sitzen zu viele Falsche drin – höre, dann wird mir fast schlecht.

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Auch der Versuch, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Situation, die in den Flüchtlingsunterkünften sicherlich nicht einfach ist, mit einem Clash of Civilization zu erklären oder damit, dass Mohammed möglicherweise schuld sei, dass ein wahrscheinlich wirklich frauenfeindlicher Imam Frau Klöckner nicht die Hand gegeben hat, geht nicht.

Das ist doch nicht die Ursache dafür, dass es Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften gibt, sondern das ist die Basis für eine Verschärfung der Debatte beim Thema Asylrecht. Das machen Sie ganz bewusst – nicht in Nordrhein-Westfalen, aber Frau Klöckner ist Bundesvize und Herr Strobl ist es auch. Die CDU hat eine klare Teilung zwischen guten Flüchtlingspolitikern und einer Kanzlerin, die versucht, ein humanes Asylrecht durchzusetzen.

(Armin Laschet [CDU]: Was macht denn der Oberbürgermeister in Duisburg? Sie sind immer nur einäugig!)

– Der Oberbürgermeister von Duisburg gehört nicht einmal meiner Partei an. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass ich darauf jetzt nicht eingehe.

Herr Laschet, Sie müssen sich schon entscheiden – Sie stehen an einem Scheideweg –, ob Sie die Kampagne eines Volker Rühe aus den 90er-Jahren wiederholen wollen oder ob Sie die Kanzlerin unterstützen, die jetzt angegriffen wird. Die Kanzlerin wird von Herrn Seehofer als Wohlfühlsprechkanzlerin abgetan.

Und ich frage mich allen Ernstes, Herr Laschet, wo die eigenständige NRW-Position war, als Herr Orban in Bayern war.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

„The little dictator“ nannte ihn Jean-Claude Juncker, niemand geringeres als der jetzige EU-Ratspräsident.

(Armin Laschet [CDU]: Lesen Sie die Nachrichten!)

Herr Laschet, wo waren die Christdemokraten aus Nordrhein-Westfalen, um die eigenständige Position darzustellen: „Wir distanzieren uns sehr klar von dieser Art von Politik. Wir stehen hinter der Kanzlerin. Wir sind dafür, das Flüchtlingsthema zu bearbeiten und es nicht für Geländegewinne auszunutzen.“ – Das frage ich mich.

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Wer glaubt – dazu empfehle ich einen Blick in den „Stern“ vom heutigen Tage –, mit Parolen Stimmenfang machen zu können, der wird enttäuscht werden. 2014 hat Herr Seehofer bei der Europawahl der AfD die Stimmen zugetrieben. Jetzt ist es bereits so, dass die AfD in Bayern im Gegensatz zu den anderen Bundesländern offenkundig im zweistelligen Bereich zu finden ist. Es ist jetzt die Zeit, klare Kante gegen rechts zu zeigen und nicht Rechts hinterherzulaufen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist jetzt die Stunde der Lösungen. Deswegen müssen wir diesem dritten Nachtrag im Landtag zustimmen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass das Paket, das bei der Ministerpräsidentenkonferenz ausgehandelt wurde, eins zu eins umgesetzt wird. Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir einen Schritt weiter.

Anschließend wird es weiter um die Integrationspolitik gehen. Ich bitte, dass daran alle mitarbeiten, auf dieser sachlichen Basis voranzukommen. Dann haben wir eine Chance, dieses Thema zu bewältigen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] – Gegenruf von Christof Rasche [FDP])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. Nun spricht als nächster Redner …

(Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE] – Gegenrufe von Christof Rasche [FDP])

– Ist das jetzt geklärt? Können wir dann weitermachen? – Nachdem wir das jetzt geklärt haben, spricht als nächster Redner Herr Schulz für die Fraktion der Piraten. Bitte schön, Herr Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Unruhe – Glocke)

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Herr Kollege Mostofizadeh, Sie sprachen gerade etwas sehr Wahres an: Man sollte nicht versuchen, Geländegewinne auf dem Rücken der Flüchtlingspolitik zu machen. Gleichwohl ist es genau das, was selbstverständlich auch die Landesregierung oder die sie tragenden Fraktionen immer wieder versuchen – auch heute.

Herr Kollege Stamp sprach von einer Krise. Gemeint ist wohl die Flüchtlingskrise. Es ist nicht eine Krise, die die Flüchtlinge hervorrufen bzw. verkörpern, sondern es ist eine Krise der Exekutive, nicht nur der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, sondern auch anderer Landesregierungen und auch der Bundesregierung. Es ist eine Krise, eine Situation, in der sich viele Menschen in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen überfordert zeigen, und das vor dem Hintergrund, dass immer wieder gesagt wird: Damit konnte nicht gerechnet werden. – Das ist zunächst einmal als Grundannahme falsch.

Frau Ministerpräsidentin, was muss in den Köpfen von Flüchtlingen vorgehen, wenn diese – Sie sprechen es ja immer wieder an, die Sache auch aus Sicht der Flüchtlinge zu betrachten – am vorläufigen Ende ihrer Flucht in Deutschland ankommen und lieber auf der Straße übernachten als in einer ihnen angebotenen Flüchtlingsunterkunft? So war dies gestern in den Tagesthemen zu vernehmen, zwar nicht bezogen auf NRW, sondern auf den Stadtstaat Hamburg. Nicht in NRW? – Diese Frage darf angesichts von über 20 Zeltstädten in Nordrhein-West-falen, die wir mittlerweile haben, gestellt werden.

(Minister Ralf Jäger: Wo?)

– Das ist so, Herr Minister Jäger. Ist das nicht auch ein vorstellbares Szenario hier? – Ich sage Ihnen: Diese Flüchtlinge erleben keine Willkommenskultur im eigentlichen Sinne, sondern sie erleben teils desolate sanitäre Situationen mit Außenduschen, verdreckten Toiletten und untauglicher Stromversorgung. Sie kommen in eines der reichsten Länder der Erde, in dem sie Schutz suchen, aber Schutzlosigkeit vor den für sie ungewohnten Witterungsverhältnissen und desolate, chaotische Verhältnisse vorfinden.

Und kümmert man sich persönlich als Abgeordneter dieses Hauses darum, wie ich es vor knapp drei Wochen in Köln versucht hatte, nämlich in eine Zeltstadt in Köln-Chorweiler zu kommen, aus der einen Tag zuvor über solche desolaten Zustände wie zum Beispiel den Befall mit E.coli-Bakterien in den Duschen berichtet worden ist, wird einem der Einlass verweigert. Über vierstündiges Ringen und Verhandeln mit Bezirksregierung und Ministerium hat nicht dazu geführt, Einlass zu erhalten – gescheitert an der Eitelkeit und bürokratischer Unflexibilität einer Bezirksregierung, einer Regierungspräsidentin, die dann auch noch Rückendeckung von Ihrem, Frau Ministerpräsidentin, Innenminister erhält.

Sie wollen von dieser Opposition hier im Hause ernsthaft erwarten, dass sie mittut? – Seitens der Piraten haben wir seit Jahr und Tag eine Aufstellung von Standards für die Flüchtlingsunterbringung gefordert. Jedoch wissen wir alle, dass dafür bis heute keine Pläne der Landesregierung existieren. Sie alle von der Landesregierung stellen sich immer und immer wieder hierhin und behaupten, das sei alles nicht absehbar gewesen.

Frau Ministerpräsidentin, Sie stellen sich hier an das Rednerpult des Hohen Hauses und verkünden Durchhalteparolen nach dem Motto: Wir schaffen das! – Sie schaffen es nicht! Die Menschen in diesem Lande können es schaffen, und die tun ihr Bestes – sowohl die Ehrenamtler als auch die Menschen in der Verwaltung. Und diese Menschen lassen Sie letztlich mit diesen Durchhalteparolen alleine, alleine mit ihrer Planung, alleine mit ihrer Organisation, nämlich deren eigener Organisation der Hilfsbereitschaft.

Allen diesen Tausend Beteiligten aus der sogenannten Zivilgesellschaft möchte ich an dieser Stelle nochmals seitens der Piratenfraktion unseren vorzüglichen Dank aussprechen.

(Beifall von den PIRATEN)

UNHCR sowie andere Flüchtlingsorganisationen weltweit prognostizieren seit Jahren die Bewegung von ca. 5 Millionen Flüchtlingen europanah. Der Arabische Frühling, die Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten und auch in Afrika sind keine Erscheinungen, die in diesem Jahr über uns hereingebrochen wären. Sie sind seit Jahren bekannt.

Seit Jahren weisen an dieser Stelle gerade wir Piraten Sie, verehrte Damen und Herren von der Landesregierung und von den regierungstragenden Fraktionen, darauf hin, dass Sie mit Ihren Planungen der vorhersehbaren Situation hinterherhinken.

Wir forderten die Verstärkung der Vorbereitung und Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften – vergebens: Rot-Grün hat es abgelehnt. Wir forderten Bestandsaufnahmen von geeigneten Räumlichkeiten für die Unterbringung von Flüchtlingen – vergebens: Rot-Grün hat es abgelehnt. Wir forderten die Umsetzung von einheitlichen Unterkunftsstandards – vergebens: Rot-Grün hat es abgelehnt, hier in diesem Hause. Wir forderten „keine Zeltstädte für Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen“ – vergebens: abgelehnt durch Rot-Grün. Und die Realität zeigt uns, dass alle Äußerungen in der vorangegangenen Zeit, insbesondere seit 2013, falsch waren.

Was haben wir immer und immer wieder erfahren? – Ich sage es Ihnen: Ungläubiges Kopfschütteln seitens der Regierung, Schulterzucken von Rot-Grün gefolgt von Untätigkeit. Ich sage es Ihnen nochmals, und jetzt tritt ein, was prognostiziert war: Bis heute fehlen, trotz aller Anstrengungen der Landesregierung, Unterkünfte.

Frau Ministerpräsidentin, warum stellen Sie sich nicht hier an das Rednerpult und sagen den Menschen im Land, wie die wahre Situation im Land aussieht? Präsidiales Auftreten einer Regierungschefin hier am Pult, nämlich der Chefin der Exekutive, die dafür da ist, dafür zu sorgen, dass alle diese Missstände und Umstände nicht entstehen oder beseitigt werden, das reicht einfach nicht. Da sollten Sie vielleicht einmal den Worten Ihres Parteivorsitzenden, Frau Ministerpräsidentin, lauschen, der sinngemäß sagt: Die Umsetzung aller Maßnahmen wird noch ein Problem werden.

Aber auch Sigmar Gabriel liegt Welten daneben, denn die Probleme sind schon längst da: überall, in nahezu jeder größeren Kommune in Nordrhein-Westfalen. Da reicht es einfach nicht zu wissen, dass es Probleme gibt oder dass solche kommen. Es ist nämlich nicht Aufgabe der Politik zu sagen, dass es Probleme gibt oder geben wird.

Es ist die Aufgabe der Politik, die Antworten zu geben und die Probleme proaktiv zu lösen. Auch Sie geben diese Antworten nicht, Frau Kraft. Sie zeigen keine Lösungswege auf. Sie monetarisieren Willkommenskultur, aber haben keinen Plan. Sie verfahren nach dem Prinzip „Trial and Error“ und rennen den Entwicklungen hinterher – hilflos und planlos. Frau Kraft, Sie und Ihre Landesregierung sind, wie auch andere Menschen in diesem Land, völlig überfordert. Aber dann sagen Sie es den Menschen auch.

Wo bleibt der Plan nach der gebetsmühlenartig immer wieder beteuerten Willkommenskultur? Wo bleibt die Integration, von der Sie hier immer wieder reden? Die Politik fordert die Integration; das ist gut. Aber wir alle sind es auch, die die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen.

Da reicht es eben nicht, wenn, wie im dritten Nachtragshaushalt, über den wir heute in erster Lesung beraten, 900 Stellen für sogenannte Integrationslehrerinnen und -lehrer für den sprachlichen Bereich geschaffen werden. Die Stellen reichen einfach nicht; denn lediglich ein Fünftel dieser Stellen kann mit entsprechend qualifiziertem Personal besetzt werden. Sagen Sie den Menschen, wann die Stellen besetzt werden können und wann sie tatsächlich besetzt werden! Das betrifft auch die 2.625 Lehrerstellen und auch die 250 Polizeistellen; es sind Anwärter.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ab dem 1. November!)

Frau Kollegin Beer, ich werde definitiv keine Zwischenfrage zulassen, um das gleich einmal vorwegzunehmen; denn wir befinden uns hier in der Aussprache über eine Unterrichtung durch die Landesregierung, weniger in der Debatte über den dritten Nachtragshaushalt.

Wir erleben im Zusammenhang mit dem eigentlichen heutigen Thema,

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

dem dritten Nachtragshaushalt NRW, weiter Folgendes, nämlich die Lancierung einer Unterrichtung durch die Landesregierung über die Ergebnisse und die Konsequenzen aus dem Flüchtlingsgipfel in Berlin, der sich überwiegend mit den Haushaltsfragen 2016 befasst. Beim Haushalt 2016 befinden wir uns gerade noch in der Beratung, und auf die Ergänzungsvorlage dazu warten wir noch.

Heute, sehr verehrte Damen und Herren der Landesregierung, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, geht es jedoch nicht um den Landeshaushalt 2016, sondern um den dritten Nachtragshaushalt. Die Landesregierung hat es schon fast logisch nicht auf die Reihe bekommen, die Ergänzungsvorlage vorzulegen. Im Prinzip waren die Zahlen doch klar. Meine Güte, es ist doch eine Sache von zwei Tagen, die Ergänzungsvorlage zu machen! Bei dem ministeriellen Aufwand, der da zu betreiben ist, und mit den vielen Menschen, die dahinterstehen, sollte das doch möglich sein. Aber wir haben sie bis heute nicht vorliegen.

Stattdessen soll mit den Zahlen aus dem Flüchtlingsgipfel Schönfärberei betrieben werden. Sie wollen von den wahren Problemen im Land ablenken. Sie wollen die Menschen in unserem Land beruhigen, indem Sie den Eindruck erwecken, Sie hätten alles im Griff. – Nichts haben Sie im Griff, Frau Ministerpräsidentin!

Dennoch setze ich mich einmal ganz kurz mit den Zahlen und Fakten aus dieser, so sage ich mal, Vereinbarung in Berlin aus der vergangenen Woche auseinander.

Erstens. Es zeichnet sich bereits jetzt ein vierter Nachtragshaushalt ab. 1 Milliarde € zusätzlich soll für 2015 kommen. So weit, so gut! Rund 217 Millionen € sind zu verteilen.

Zweitens. Bei einer Annahme von fünf Monaten Verfahrensdauer bei 800.000 Flüchtlingen in 2016 errechnen sich 2,68 Milliarden €. Diese sollen im nächsten Jahr als Abschlagszahlung an die Länder verteilt werden. Davon entfallen auf NRW 580 Millionen €.

Drittens. Der Bund geht davon aus, dass – man höre und staune – von diesen 800.000 Menschen 400.000 Asylbewerber keine Aussicht auf ein Bleiberecht haben. Woher diese Zahl genommen wird, bleibt ein Rätsel.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft : Annahmen!)

– Annahmen, genau.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Sie müssen mal ein bisschen hochrechnen!)

Und für diese soll ein weiterer Monat bevorschusst werden zu je 670 €. Das macht weitere 268 Millionen € bzw. 58 Millionen € für NRW.

Viertens. 350 Millionen € sollen in die Betreuung unbegleiteter Flüchtlinge gesteckt werden. Das heißt für NRW: 76 Millionen €. Verteilung des für 2016 eingeplanten Betreuungsgeldes von 1 Milliarde €: Wiederum 217 Millionen € für NRW. Und so weiter und so fort.

Das Ergebnis ist ein solches, welches Licht und Schatten wirft. Es bleibt nämlich mindestens 1,2 Milliarden € hinter dem Bedarf NRWs für 2016 zurück – dem Bedarf an finanziellen Mitteln für die Ausstattung des Landeshaushalts zur Bewältigung der, wie es der Kollege Stamp eben sagte, Flüchtlingskrise.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Sie hätten lieber nichts genommen!)

– Na, ja. „Lieber nichts genommen“ ist natürlich völliger Unsinn, Herr Kollege Körfges.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ja, eben!)

Daraus folgen bei Annahmen bezüglich des Flüchtlingsaufkommens in 2016 2,2 Milliarden € Finanzbedarf für NRW. Noch einmal: Es bleibt 1,4 Milliarden € insgesamt hinter dem zurück, was NRW braucht. Wie Sie dieses Loch stopfen wollen, darauf bin ich gespannt.

Um das abzurunden: Die große Diskussion mit den Kommunen – Sie haben es eben selber gesagt – steht noch aus. Hierfür haben wir heute keine Lösung, keinen Lösungsansatz gehört. Es wird lediglich in Aussicht gestellt, dass Sie reden werden. Das werden Sie auch müssen. Die Kommunen brauchen das Geld, und zwar dringend.

Sie selbst haben im Juni dieses Jahres verkündet: 12.500 € pro Flüchtling pro Jahr kostet die ganze Geschichte. Die wesentlichen Kosten und Lasten tragen die Kommunen. Sie haben hier keinen Vorschlag geliefert, wie Sie mit den Kommunen in Verhandlung treten wollen.

Im Gegenteil! Die Menschen werden weiterhin kommen, Schutz suchen, und wir stehen am Anfang der großen Herausforderungen, von denen Sie hier geredet haben. Leider, denn die großen Herausforderungen hätten in den letzten drei Jahren schon längst angegangen werden können und angegangen werden müssen. Wir haben stets darauf hingewiesen. Sie hören leider Gottes oftmals eben nicht auf die Opposition. Das ist ein ganz großer Fehler, der sich wahrscheinlich noch durch die weitere Legislaturperiode wie ein roter Faden ziehen wird. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schulz. – Nun hat für die Landesregierung der Finanzminister Herr Dr. Walter-Borjans das Wort.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will an den Anfang meines Beitrags zunächst einmal den herzlichen Dank an alle Fraktionen richten, auch an die Fraktionen der Opposition, mit denen wir im Vorfeld der Einbringung dieses Nachtragshaushalts für 2015 gesprochen haben und mit denen wir übereingekommen sind, dass die Zeit drängt, dass wir die Verfahren verkürzen und es schaffen sollten, in dieser Plenarwoche nicht nur einen Nachtragshaushalt einzubringen, sondern auch einen Nachtragshaushalt zu verabschieden. Dafür einen herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD)

Wir sollten nicht übersehen, dass diese 900 Millionen €, die dieser Nachtragshaushalt umfasst, in diesem Jahr 2015 weitere 900 Millionen € für die Unterbringung, für die Versorgung, für die Integration von Flüchtlingen sind. Wir reden also in diesem Jahr 2015 in der Summe von mittlerweile über 1,7 Milliarden €, die in diesem Haushalt für dieses so drängende Problem vorhanden sind.

Ich will die einzelnen Punkte, wofür wir das machen, nicht mehr aufzählen; das ist schon mehrfach getan worden. Ich will nur noch einmal auch an die Adresse von Frau Schulze Föcking gerichtet – sie ist nicht anwesend –, die von einer präventiven Finanzpolitik gesprochen hat, sagen, dass das nie das Motto dieser Regierung war.

Vielmehr sprechen wir immer von präventiver Politik. Dass sich das auch im Haushalt niederschlägt, ist wohl klar. Es ist vor allen Dingen dann klar, wenn man sieht, welche Forderungen Sie neben der pauschalen Forderung, weniger Geld auszugeben, die im Übrigen ziemlich leise geworden ist, an vielen Stellen immer wieder stellen, bei denen es Ihnen um die Fragen geht, was Ihnen zu klein geraten ist, was besser ausgestattet werden soll, was teurer werden muss. Das alles muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, um zu sehen, wie solide die Haushaltsplanung dieses Landes seit fünf Jahren ist.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dass es neben der Bereitschaft, zu diesen verkürzten Verfahren beizutragen, ein kräftiges „Ja aber“ aus den Reihen der Opposition gibt, gehört, glaube ich, zum Ritual von Oppositionsarbeit dazu. Es wäre nicht anzunehmen, dass Sie einfach nur sagen: Toll, dass ihr das macht. Wir unterstützen das. Wir stimmen zu. – Vielmehr sagen Sie wie selbstverständlich: Das hätten wir natürlich alles noch ein Stückchen besser gemacht. – Das ist nicht schlimm.

Aber wirklich schlimm finde ich, was das Aber bei Ihnen ausmacht. Was, meinen Sie, hätten Sie besser gemacht? Auf wen berufen Sie sich?

Wir bekommen einmal das Beispiel Bayern vor Augen geführt; gleichzeitig legt aber Herr Laschet großen Wert darauf, dass doch bitte die CDU in Nordrhein-Westfalen anders gesehen wird als all die anderen Christlich Demokratischen Unionen, die es in Deutschland noch gibt. Das tun Sie aus gutem Grund; denn wenn man sieht, wie Herr Seehofer, Frau Klöckner und auch andere in trüben Gewässern fischen, erkennt man: Es ist zumindest angebracht, sich zu distanzieren.

Ich bin mir aber ziemlich sicher, es reicht nicht, nur zwischen den CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen und andere CDU-Landesverbände einen Keil zu treiben, sondern man muss sich auch anschauen, wie es im eigenen Landesverband aussieht. Auch da gibt es genügend Stimmen, die zwischen den Zeilen immer wieder deutlich machen: Hier könnten wir vielleicht noch ein paar Wähler ansprechen, die wir gern gewinnen würden, wenn wir eine Chance haben möchten, bei einer Landtagswahl positiv abzuschneiden.

Jetzt aber noch einmal zu diesem Aber: Es wird nicht nur gesagt, Bayern mache es besser, sondern dann kommt die Leier: Andere Länder haben besser vorgesorgt. – Da wird auch der Bund genannt, der in einem ausgeglichenen Haushalt jetzt Mittel zur Verfügung stellen kann.

Müssen wir jetzt wirklich auch bei diesem Thema all die Dinge geraderücken, die Sie gebetsmühlenartig immer wieder bringen? Wir wissen doch, wie die schwarze Null zustande kommt. Wir wissen, welche Rolle Bundesbankgewinne spielen, welche Rolle ein immer stärker in die Bundeskasse fließender Soli hat, wie viel aus dem Gesundheitsfonds vorenthalten wird und wie dadurch die Mittel geschaffen worden sind.

In der Tat – der Bund ist jetzt in der Lage, etwas zu geben. Ob das ausreicht, werden wir sehen; wir haben nämlich gehört, es geht im Moment erst einmal um pauschale Annahmen, die hinterher spitz abgerechnet werden. Dann werden wir sehen, wie es im Einzelnen aussieht. – Das ist ein Punkt.

Der zweite Punkt ist: Es wird wieder auf die neun Länder hingewiesen, die den Haushalt schon ausgeglichen haben. Ich muss es Ihnen an dieser Stelle noch einmal sagen: Darunter sind sechs Länder, die jedes Jahr mehr als 20 Milliarden € Schulden machen müssten, wenn sie nicht diesen Betrag von den anderen Ländern bekämen. Sich jetzt hierhin zu stellen und zu sagen, die hätten Vorsorge getroffen, sodass sie jetzt klarkommen können, ist nicht nur ein Witz, sondern das ist sogar ein schlechter Witz.

(Beifall von der SPD)

Man muss dazusagen: Es gibt im Übrigen Länder, die – vor allem im Jahr 2016 – von Ihnen mit ziemlicher Sicherheit als Beispiel dafür genommen werden, wie man vorsorgt. Warum? – Weil sie Rücklagen gebildet haben – im Übrigen auch kreditfinanziert –, und zwar Rücklagen in einer Form, gegen die Sie 2010 vor dem Landesverfassungsgerichtshof geklagt haben, sodass dieser Weg dem Land Nordrhein-Westfalen versperrt ist.

Ich warte jetzt schon darauf, dass Sie Niedersachsen und andere, die bereits jetzt sagen, sie müssten die Rücklagen, die sie hätten, auflösen, als Modelle für Nordrhein-Westfalen sehen und fragen werden: Warum macht ihr das eigentlich nicht? Warum seid ihr nicht in der Lage, genauso zu handeln wie die anderen?

Der Bund erkennt in der Tat an – das war das wichtigste Ergebnis in der letzten Woche –, dass die Auflösung der Länder Syrien und Libyen nicht etwas ist, was in einem kommunalen oder auch in einem Landeshaushalt aufgefangen werden kann. Das wird auch mit künftigen Problemregionen dieser Welt so sein.

Es geht nicht darum, die Aufgabe hinsichtlich ihres Inhalts für das Land und für die Kommunen abzulehnen. Natürlich sind die Länder verantwortlich dafür, dass junge Menschen, die in dieses Land kommen, einen anständigen Unterricht erhalten. Das ist der Grund, warum wir so viele Tausend Stellen zusätzlich für die Schulen schaffen. Natürlich sind wir für die Erstaufnahme zuständig. Natürlich ist das Land für beschleunigte Prozesse im Asylverfahren zuständig.

Im Übrigen ist Nordrhein-Westfalen bei den Eilverfahren schon die Nummer drei; in der Hauptsache ist es die Nummer sechs. Wir stocken noch einmal auf, damit das schneller geht. Das sind Landesaufgaben.

Aber all das sind Aufgaben, die nicht entstanden sind, weil hier irgendwelche Hausaufgaben nicht gemacht worden wären, sondern weil es internationale Konflikte gibt, deren Auswirkungen jetzt zu uns hineinschwappen und die bewältigt werden müssen. Der Bund ist da kein freundlicher Partner, der uns auch etwas geben will, sondern er ist in der Verantwortung, die finanziellen Grundlagen dafür zu schaffen, dass wir die inhaltlichen Aufgaben, denen wir uns gegenübersehen, im Land und in den Gemeinden stemmen können.

(Beifall von der SPD)

Herr Schulz, wir haben all das schon häufiger gehört, auch im Ausschuss. Wenn Sie sagen, die Piraten hätten das alles schon früher gewusst, antworte ich Ihnen: Ich stelle mich hierhin und erkläre für die Landesregierung: Wir erfahren jeden Tag neue Zahlen, die uns zwingen, uns auf etwas einzustellen, was in dieser Größenordnung nicht zu erwarten war. – Das reicht bis zu Aussagen der Kanzlerin, die sicherlich auch zahlenmäßige Folgen hatten. Das wussten Sie alles schon am Anfang des Jahres. Das freut mich.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Ja!)

Sie wussten, dass jemand gesagt hat: Ihr müsst damit rechnen, dass sich Millionen Menschen auf den Weg machen. – Es gibt Menschen, die das seit Jahren sagen. Wir werden auch für die nächsten Jahre mit solchen – ich sage einmal – prophetischen Prognosen arbeiten können.

Ich möchte nur gern einmal wissen: Was machen Sie dann in einem Haushalt? Glauben Sie ernsthaft, dass Sie Vorsorge treffen und Milliarden von Euro zurücklegen können, ohne dass entweder gesagt wird: „Das muss man aber zur Schuldentilgung einsetzen“, oder: „Man muss es in eine Belastungssenkung für die Menschen münden lassen“, – nur weil Sie sagen: „Ich weiß doch, dass irgendwann etwas ganz Schlimmes passiert, wofür man Rücklagen haben müsste“?

Jemand, der die Haushaltsplanung so betreiben will, hat mit der Realität nichts am Hut. Er hat wirklich noch nicht erlebt, wie sich Haushaltszahlen entwickeln.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen jetzt schon voraus: Auch im Jahr 2016 wird es Unvorhersehbares geben. Deswegen haben wir auch gesagt – ich komme kurz noch einmal auf das Jahr 2015 zurück –: In diesem Haushalt gibt es Verstärkungsmittel in Höhe von 130 Mil-lionen €, die noch nicht zugeordnet sind; denn wir wissen, dass die Zahl von insgesamt 800.000 möglicherweise keinen Bestand hat und dass es zusätzliche Aufgaben geben wird. Ein Stück weit muss man natürlich vorausschauen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Sagen Sie doch gleich, dass es 1,2 Millionen sind! Das steht doch heute schon fest!)

Deswegen sind in diesem Haushalt mehr Mittel vorhanden, die natürlich nur ausgeschöpft werden können, wenn die Zahl größer ausfällt. Aber wenn sie größer ausfällt, werden wir auch die Möglichkeit haben, mit diesem Haushalt darauf zu reagieren.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das steht heute schon fest: 1,2 Millionen!)

Wir werden jetzt auch auf den Haushalt 2016 eingehen. Sie haben gesagt, Sie warten auf die Ergänzungsvorlage. Keine Sorge, die werden Sie bekommen; die wird ein Teil der Haushaltsberatungen für das Jahr 2016 sein. Wir werden in diesem Haushalt wahrscheinlich mit noch viel höheren finanziellen Belastungen rechnen müssen, als das noch im Nachtrag für 2015 der Fall ist. Auch dafür haben wir vorgesorgt.

Aber es ist überhaupt keine Frage – das ist zwischen den Finanzministern, aber auch zwischen den Regierungschefs aller Länder besprochen worden –, dass das keine Aufgabe ist, die nur Nordrhein-Westfalen zu schultern hat, sondern wir leben in einer Gemeinschaft, und wir stellen uns auch der gemeinschaftlichen Verantwortung, die dafür zu übernehmen ist.

Ich will nur noch einmal sagen: Wir haben in den letzten Jahren eine solide Grundlage dafür geschaffen, dass wir jetzt eine solche Herausforderung angehen können. Es ist eine riesige Herausforderung. Daher werden wir hart mit dem Bund verhandeln müssen, auch darüber, wie dann die Zahlen, wenn sie in der Größenordnung feststehen, zu den uns versprochenen Zahlungen führen.

Natürlich – ich habe es eben schon angesprochen – geht es hier nicht nur um Bundesleistungen. Wenn der Bundesfinanzminister 6 Milliarden € Steuermehreinnahmen hat und sagt, dass er diese für Flüchtlinge zur Verfügung stellt, im gleichen Atemzug aber erklärt: „die Hälfte davon für Länder und Kommunen“, dann heißt das, dass er die Hälfte für sich selber beansprucht. Das hätten Sie hier im Landtag „klebrige Finger eines Finanzministers“ genannt.

Es gibt natürlich Aufgaben, die der Bund zu leisten hat, und dafür braucht er auch Geld. Aber es gibt auch Aufgaben, die das Land zu leisten hat, und dafür braucht es ebenfalls Geld. Es gibt die Aufgaben auf der Ebene der Kommunen. Das müssen wir gemeinsam hinkriegen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wer hier meint, er könne Punkte sammeln, indem er immer auf andere zeigt und populistisch sagt: „Euch würde ich zu 100 % finanzieren“, auch wenn dabei überhaupt nichts mehr für die Aufgabenerledigung des Landes übrig bleibt, den frage ich: Wie halten Sie es mit der Solidität eines Landeshaushalts?

Wir reden hier darüber, dass Bund, Länder und Kommunen vor einer riesigen gemeinsamen Herausforderung stehen. Wir müssen dafür sorgen, dass die finanziellen Folgen dieser Herausforderung präventiv richtig angelegt werden. Das wollen wir gemeinsam schaffen, das muss verantwortbar sein. Es geht hier nicht nur um Unterbringung, sondern wir wollen jetzt die Weichen dafür stellen, dass wir nicht in einigen Jahren viel mehr ausgeben müssen, weil wir jetzt die falschen Schritte unternommen und Integration unterlassen haben.

Das sind zunächst einmal die Bausteine des vorgelegten Nachtragshaushalts, um dessen Zustimmung wir morgen bitten, mit dem wir im Jahr 2015 einen wichtigen Schritt gehen können – in einem Jahr übrigens, in dem wir die zusätzlich benötigten Ausgaben auch aus zusätzlichen Steuereinnahmen finanzieren können.

All das wird nicht zu einer Erhöhung der Nettokreditaufnahme führen müssen. Das liegt nicht daran, dass die Menschen finanziell stärker in die Verantwortung genommen werden, sondern das liegt an den sprudelnden Gewinnen, an der guten Beschäftigungslage und an hohen Einkommen, wodurch auch mehr Steuern gezahlt worden sind.

Damit haben wir eine Grundlage geschaffen. Diese ist nicht von allein entstanden, sondern das ist auch eine Folge politischer Entscheidungen. Dadurch sind wir jetzt in der Lage, diese Herausforderung für eine internationale Gemeinschaft in solch einer großen Weise mitzutragen. Wenn das nicht Solidität ist, dann frage ich Sie, wie es denn sein kann, dass sich Anleger aus aller Welt gerade an Deutschland orientieren, weil sie sagen: Da geht es geordnet zu; die haben das im Griff.

Dem müssen wir jetzt auch gerecht werden. Das tun wir mit dem Nachtrag zum Haushaltsentwurf für 2015, und das wird auch mit der Ergänzung geschehen, die 2016 kommt, und die wir brauchen, um dann die Aufgaben in derselben soliden Weise weiterzuverfolgen wie jetzt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Körfges das Wort.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unbeschadet der üblichen Parlamentsrituale freue ich mich sehr darüber, dass es bei dem engeren Thema, nämlich dem Nachtrag, zu einer hohen Übereinstimmung bezogen auf das Verfahren hier im Haus gekommen ist. Das ist angemessen und zeigt, wie wichtig das Thema allen ist.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Da spielt es aus meiner Sicht dann auch weniger eine Rolle, wo sich Herr Lindner gerade aufhält; es gibt in Nordrhein-Westfalen womöglich wichtigere Fragen, die wir zu beurteilen haben. Allerdings ist es schon von hohem Interesse, dass derjenige, der hier häufig das Fehlen von Regierungsmitgliedern rügt, offensichtlich an der Jahrestagung eines Markenverbandes in Berlin teilnimmt, während wir in Nordrhein-Westfalen ganz grundsätzliche Fragen der Landespolitik erörtern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber das hat ja vielleicht auch eine gute Seite, Herr Kollege Dr. Stamp. Sie haben die Möglichkeit genutzt, sich vorsichtig von Herrn Lindner zu distanzieren. Vielleicht hätten Sie es nicht gemacht, wenn er hier gewesen wäre.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dr. Joachim Stamp [FDP] schüttelt den Kopf.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was die CDU unabhängig von einigen Übereinstimmungen in der Beurteilung des Gipfels – auch da haben wir uns nachhaltig bei allen Teilnehmern zu bedanken – offensichtlich an Selbstfindungsritualen nötig hatte, um die innere Zerrissenheit ihrer Partei in den Griff zu bekommen, entbehrt ja nicht einer gewissen Tragik. Nur, es ist keine politische Haltung, wenn Sie immer von einem Bein auf das andere springen, um in Integrations- und Migrationsfragen nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.

Ich darf ganz deutlich sagen, dass sich das, was die Bundeskanzlerin in Berlin seit einiger Zeit artikuliert, wohltuend von den Redebeiträgen einiger CDU-Politikerinnen und ?Politiker – auch hier im Haus – unterscheidet. Aber ich denke, Frau Merkel hat noch – in Richtung nordrhein-westfälischer Christdemokratinnen und Christdemokraten – eine ganze Reihe von Überzeugungsgesprächen zu führen.

Ich will mich jetzt nicht wieder zu intensiv an Herrn Staatssekretär Dr. Günter Krings abarbeiten, der uns aus der Ferne immer ungefragt zweifelhafte Ratschläge erteilt, in einer Pressemitteilung vom gestrigen Tag von „erbärmlich niedrigen“ Leistungen des Landes spricht und das Land auffordert, „konsequent von Geld- zu Sachleistungen für Flüchtlinge“ zurückzukehren,

(Beifall von Hendrik Schmitz [CDU])

weil wir nur so – ich zitiere – „die Chance auf eine faire Verteilung der Flüchtlinge unter den Staaten der EU“ erreichen.

Das ist sinnfreier Unsinn, den Herr Dr. Krings verbreitet!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist im Übrigen derselbe Herr – da hat Herr Laschet offensichtlich noch Arbeit, der Mann ist ja Bezirksvorsitzender der niederrheinischen CDU –, der vor einiger Zeit noch gegen die Gesundheitskarte gepoltert und uns Ratschläge erteilt hat.

Abgesehen von dem fachlichen Unsinn dieser Äußerungen: Wer die Meinung vertritt, Menschen, die durch Bomben, Verfolgung und Terror aus ihrer Heimat vertrieben werden, würden sich durch die Umstellung von Geld- und Sachleistungen von der Flucht abhalten lassen, hat entweder nichts begriffen oder – was noch viel schlimmer ist – ignoriert die existenzielle Not der betroffenen Menschen und strebt ganz offensichtlich im geistigen Tiefflug die Lufthoheit über den Stammtischen an. So macht man keine seriöse Politik für unser Land!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und ganz nebenbei – ich habe gesagt, der Mensch ist Staatssekretär –: Im Innenministerium lenkt er auch noch von der eigenen Verantwortung für das Chaos bei der Bearbeitung von Asylanträgen durch das BAMF und die damit verbundenen Folgen für die Länder ab.

Ja, wir sind froh darüber, dass in Berlin jetzt ein Gespräch stattgefunden hat, das die dynamische Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten vorbereitet. Das ist ein gutes Ergebnis. Ja, wir wollen auch unsere eigenen Hausaufgaben in Nordrhein-Westfalen machen.

Ich komme auf den Nachtrag zu sprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen. 900 Millionen € zusätzlich für Flüchtlingshilfe, ohne dass wir Kredite aufnehmen. 313 Millionen € für Aufnahme, Transport und Versorgung von Asylbewerbern, weitere 152 Millionen € für Unterkunftsplätze, 217 Millionen € ...

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wie viel für Abschiebungen? – Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

– Ich habe noch ein bisschen längere Redezeit, Herr Präsident, weil die Landesregierung eben überzogen hat, wenn ich richtig informiert bin.

Das führt dazu, dass die Standortkommunen mit Erstaufnahmen intensiv entlastet werden können. Dem tragen wir auch durch die Änderungen im FlüAG Rechnung. Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass wir über diese Änderungen im FlüAG noch intensiver diskutiert hätten. Wenn wir zum Beispiel die Entlastung über die Stichtagsregelung nehmen, sehen Sie, dass den Kommunen an dieser Stelle nachhaltig, massiv und dauerhaft geholfen wird.

Ich greife das Wort der Ministerpräsidentin auf, die davon gesprochen hat, dass man sich angesichts der dynamischen Beteiligung des Bundes an den Kosten sicherlich auch bezogen auf den Ausgleichsmechanismus mit den Kommunen eine neue Regelung vorstellen kann. Nur, wir können als Land natürlich erst dann Geld ausgeben, wenn wir vom Bund welches bekommen haben. Dem werden wir als regierungstragende Fraktionen morgen folgen und Ihnen die Gelegenheit geben, auch in Bezug auf die Weitergabe des Geldes für 2015 unseren Änderungsanträgen zuzustimmen.

Mit Blick auf einiges, war hier gesagt worden ist, habe ich die Erinnerung an einen Evergreen von Johnny Mathis: „Too Much, Too Little, Too Late“ – so hieß der Song seinerzeit. Das erinnert mich frappierend an die Haltung der CDU. Sie reißen den Mund zu weit auf, unternehmen zu wenig und machen uns kleiner, als wir sind.

Wir in Nordrhein-Westfalen sind bei der Flüchtlingspolitik auf dem richtigen Weg. Ich bin stolz darauf, dass es der Landesregierung gelungen ist, hier wichtige, markante Zeichen zu setzen und die Bundesregierung mit in die Verantwortung zu ziehen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch aus meiner Sicht ist der Flüchtlingsgipfel positiv zu werten. Die Ergebnisse, die am Ende hier stehen, lauten wie folgt:

Wir haben für die Kommunen erstmals den Einstieg in eine tatsächliche, dauerhafte strukturelle Entlastung durch den Bund geschafft.

Wir haben Integration von Anfang an angeboten. Wir haben Integrationsmöglichkeiten auch schon für Menschen im Asylverfahren geschaffen. Die Jobcenter sollen aufgestockt werden. Und das sehr erfolgreiche Programm „Early Intervention“ – also: von Anfang an zu schauen, wie man die Menschen hier integrieren kann – soll ausgebaut werden.

Der dritte Punkt, den ich für meine Fraktion noch einmal ausdrücklich hervorheben will, ist die Schaffung eines Einwanderungskorridors ausgehend von den Westbalkanländern, jenseits vom Asylsystem, damit wir für die Menschen wirklich ein Angebot haben, legale Wege ins Land zu finden.

Ja, für uns Grüne waren auch Zugeständnisse dabei – das ist völlig klar –: einige Restriktionen, sichere Herkunftsländer, Symbolpolitik, auf der die CDU bestanden hat. Das ist für uns alles nicht leicht. Aber wir werden uns im Bundesrat als regierungstragende Fraktion unserer Verantwortung stellen, dass wirksame Hilfen für die Menschen und für die Kommunen endlich ankommen. Dieser Verantwortung werden wir auch im Bundesrat gerecht werden.

Im Wesentlichen wurde hier durch Hannelore Kraft zwar hart in der Sache, liebe Hannelore Kraft, aber für die Kommunen verhandelt. Das, was herausgekommen ist, ist in erster Linie eine Entlastung für die Kommunen.

Herr Kuper, Sie sitzen da gerade so schön als kommunalpolitischer Sprecher. Bei diesem Einsatz für die Kommunen fühlten wir uns nicht gerade durch Ihre Fraktion getragen, die bei dieser Entlastung immer nur auf die Landesregierung gezeigt hat und nie in Richtung Bund. Das hätte etwas stärker kommen können; das hätte uns die Sache zumindest erleichtert.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Nicht wegen Ihrer Unterstützung, sondern trotz der CDU haben wir hier aber wichtige Dinge für die Kommunen erreichen können. Ich bin ja viel im Land unterwegs und spreche mit vielen, die zurzeit in der Flüchtlingsarbeit tätig sind. Ich erlebe Menschen – nicht nur bei den Ehrenamtlern, auch bei den Hauptamtlern –, die alle über das normale Maß weit hinaus etwas leisten: bei den Bezirksregierungen, im Innenministerium, beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb – auch da wird eine Menge getan; in vorbildlicher Weise wird sich da richtig in die Sache reingehängt –, bei den Hilfsorganisationen, bei den Betreibern, in den Kommunen, in den Schulen, bei vielen Lehrerinnen und Lehrern und bei den Ehrenamtlern.

Herr Stamp, ich empfinde es als einen Schlag ins Gesicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bezirksregierung Arnsberg, wie Sie mit billigem Bashing in Richtung Bezirksregierung versuchen, hier daraus politisches Kapital zu schlagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Sie wissen vielleicht, was dort gerade los ist. Das jetzt als „BAMF von Nordrhein-Westfalen“ zu bezeichnen, finde ich richtig schäbig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schauen wir uns einmal an, was hier in Nordrhein-Westfalen beim Ausbau der Plätze geleistet worden ist: Ende 2012 hatten wir noch 2.000 Landesaufnahmeplätze. Wir sind jetzt, Ende 2015, bei weit über 50.000

(Minister Ralf Jäger: 57.000!)

– es werden ja jeden Tag mehr –, sogar bei 57.000 Plätzen. Das haben diese von Ihnen geschmähten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles geschafft. Deswegen finde ich den Vergleich mit dem BAMF nicht in Ordnung.

Bei den Landesmitteln gilt das analog: Hatten wir 2012 noch 100 Millionen € für die Flüchtlingsunterbringung vom Land im Einzelplan 03 aufgewandt, sind es jetzt über 1,7 Milliarden €. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird vonseiten des Landes nicht gekleckert, hier wird geklotzt. Hier ist ein unheimliches Engagement in der Sache bei jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin vorhanden. Ihnen gilt heute auch unsere Wertschätzung, und zwar jenseits von parteipolitischem Gezänk.

(Beifall von den GRÜNEN)

Trotz und alledem – ich sage das hier auch ganz klar für meine Fraktion – wird es, wenn der kontinuierlich hohe Anstieg weiter in bisheriger Geschwindigkeit erfolgt – die Zahlen verdoppeln sich von einer Woche zur nächsten –, in den Ländern und den Kommunen zurzeit niemand schaffen – Sie können auch nicht behaupten, dass andere Bundesländer das im Augenblick besser können –, die nötige Infrastruktur so schnell aufzubauen – das betrifft sowohl die Integrationsstruktur als auch die Aufnahmeinfrastruktur –, dass man absehbar – ich gebrauche diesen schönen Begriff – „vor die Lage kommt“.

Diese Situation werden wir, wenn das in dieser Geschwindigkeit weitergeht, so schnell nicht herbeiführen können. Ja, wir haben – das muss man so sagen – einen Krisenmodus bzw. ein Krisenmanagement. Wenn es aber mit diesen Anstiegen so weitergeht, werden wir da so schnell nicht herauskommen.

Doch was folgt denn vonseiten der Politik auf Grundlage einer realistischen Bewertung, die alle immer einfordern?

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit, Frau Kollegin.

Monika Düker (GRÜNE): Da fordern wir doch alle zu Recht Lösungen. Und was kommt vom Bund? Das Gesetz ist bislang weder im Bundestag noch im Bundesrat verabschiedet worden, aber als Erstes kommt eine neue Abschreckungs- und Schikanepolitik: Grenzverfahren, Zurückweisung und das Festhalten an einem alten System, das sich Dublin III nennt.

Herr Herrmann sagte heute Morgen – wir konnten es vernehmen – im „Morgenmagazin“: „Unser Ziel ist es, europäischem Recht Geltung zu verschaffen“. – Und das europäische Recht heißt Dublin III.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses System ist gescheitert! Das Festhalten an gescheiterten Strukturen bringt uns doch nicht weiter, sondern nur der Blick nach vorne, wie wir hier in Europa ein funktionierendes neues System etablieren können. Es kann nicht sein, dass der Asylsuchende …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, bitte!

… dann in dem Land der Europäischen Union, in das er einreist, auch bleiben muss. Damit hat sich Deutschland lange genug einen schlanken Fuß gemacht. Das wird nicht zulasten der Länder an der europäischen Grenze so weitergehen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, ich bitte Sie sehr herzlich, jetzt zum Ende zu kommen. Ihre Redezeit ist …

Monika Düker (GRÜNE): Ich hatte hier keine Redezeit angezeigt. Deswegen war es schwierig, …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ich habe es Ihnen jetzt zweimal gesagt. Sie haben sehr deutlich überzogen.

Monika Düker (GRÜNE): Deswegen bitte ich uns alle, hier realistisch zu bleiben, aber auch tatsächlich Lösungen nach vorne zu entwickeln – nicht neue Symbolpolitik und Scheinlösungen, die niemandem weiterhelfen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal! Verehrte Frau Ministerpräsidentin! „Humanitäre Flüchtlingspolitik, wir schaffen das – ab!“ – das war wohl Ihr Wahlspruch bei den Verhandlungen in Berlin am letzten Donnerstag. Dabei haben Sie doch im letzten Jahr eine Politik aus Sicht der Flüchtlinge groß angekündigt. Das war Ihr vielversprechender und zukunftsgewandter Slogan, mit dem Sie sich nach den Misshandlungen in Burbach aus der Affäre ziehen wollten.

Politik aus Sicht der Flüchtlinge: Das war wohl auch ihr persönliches „Wir schaffen das!“. Sie wollten damals einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik einläuten. Offensichtlich aber waren das nur Worte; denn eine Politik aus Sicht der Flüchtlinge gibt es hier im Land Nordrhein-Westfalen nicht. Ein Paradigmenwechsel ist ausgeblieben, und mit Ihrer Zustimmung zu den Vorgaben der Bundesregierung kommt da wohl auch nichts mehr. Statt angemessener struktureller, dauerhafter und dynamischer Kostenbeteiligungen durch den Bund haben wir nun unangemessene strukturelle und dauerhafte Asylrechtsverschärfungen.

Stephan Mayer, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: Das ist die weitreichendste Verschärfung des Asylrechts seit den 90er-Jahren.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Wo denn?)

– Das hat er gestern im „Morgenmagazin“ gesagt. – Recht hat er, der Mann. Und er ist damit noch einen Schritt weitergegangen, als es Herr Laschet eben ausgedrückt hat. – Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, und die Vertreter von SPD und Grünen stimmen dem zu. Das ist eine Schande für Nordrhein-Westfalen!

Wie beim großen Flüchtlingsgipfel im letzten Jahr werden auch hier wieder Anstand und Haltung gegen Geld verkauft. Dieser Deal macht auch Sie, Frau Düker, unglaubwürdig. Geben Sie zu, dass Ihr pragmatischer Ansatz der letzten Monate immer darin bestand, die Grundrechtsverletzungen Ihrer rot-grünen Regierung im Flüchtlingsbereich zu legitimieren. Da können Sie auch, wie Sie es eben versucht haben, nichts schönreden. Lesen Sie sich doch die Kritik der Flüchtlingsinitiativen an den Grünen durch. Ihre Politik geschieht nicht aus der Sichtweise der Flüchtlinge heraus, sondern sie geschieht zu deren Lasten und auf Kosten ihrer Rechte.

Schauen wir uns doch einmal kurz die rot-grünen Leistungen an, zum Beispiel in Bezug auf die Festlegung der sicheren Herkunftsstaaten. Frau Düker, Sie sorgen für Einschränkungen des individuellen Asylrechts. Das ist so. Es ist unfassbar! Dass Sie sich in der letzten Woche im Innenausschuss wenige Stunden vor dem Flüchtlingsgipfel noch so gegeben haben, als sei diese Regelung mit Ihnen nicht machbar, obwohl Sie doch gewusst hatten, dass Sie sich auf einen solchen Deal einlassen werden, weil er zum Verhandlungsmandat der Ministerpräsidentin gehörte, ist zumindest unehrlich.

Es hilft auch nicht, wenn Sie, wie Sie es eben auch gemacht haben, die Regelung der sicheren Herkunftsstaaten auf reine Symbolpolitik reduzieren. Auch das ist unehrlich. Die Flüchtlingsinitiativen, die Evangelische Kirche und die Bischofskonferenz – alle kritisieren ganz deutlich: Mit dieser Regelung wird das individuelle Asylrecht beschnitten.

Der Hinweis geht auch an Herrn Laschet bzw. seine christliche Partei. So, wie da gesprochen wird, wird eine strukturelle Voreingenommenheit gegenüber Menschen aus den Westbalkanstaaten geschaffen, die inakzeptabel ist. Es mag fünf oder zehn Jahre – vielleicht noch ein bisschen länger – dauern, bis diese Staaten in die EU aufgenommen werden. Die Wurzeln für die Diskriminierung der Menschen werden aber jetzt gelegt. Ausgrenzung ist nicht die Lösung für das Unterbringungsproblem, zumal mittlerweile nur noch ca. 10 % der Asylsuchenden aus den Ländern des Westbalkans kommen.

Ein weiteres Unding ist, dass die Menschen ohne „Bleiberechtsperspektive“ – wie Sie, Frau Düker, sie so euphemistisch nennen – bis zu ihrer Abschiebung in den Erstaufnahmeeinrichtungen verharren sollen. Wir reden hier wohlgemerkt von Zelten und überfüllten Bettenburgen. Wenigstens wollen Sie sich zunächst nicht auf Sachleistungen statt Taschengeldauszahlungen einlassen. Wenn man sich aber die Halbwertzeit Ihrer Aussagen anschaut, fragt man sich, wann Sie auch in Bezug auf diese Aussage die Integrität fallen lassen.

Zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen: Es ist grundsätzlich gut, dass wir – zumindest in Nordrhein-Westfalen – von einem freiwilligen System der Gesundheitskarte zu einem einheitlichen System kommen können.

Frau Steffens, jetzt heißt es, schnell die notwendigen Schritte zur baldigen Einführung zu ergreifen, um den ursprünglichen Zeitplan, der für die Umsetzung der Rahmenvereinbarung galt, einzuhalten.

Defizitär bleibt natürlich der Umgang mit den Menschen ohne Papiere. Die haben Sie bewusst aus dem Deal ausgeklammert. Diese Menschen sind weiter auf Ärzte angewiesen, die sie freiwillig und kostenlos behandeln.

An dieser Stelle möchte ich einen ausdrücklichen Dank an diese Ärzte und an ihre Helfer und Unterstützer aussprechen für ihre wichtige und leider immer noch notwendige Aufgabe, Arbeit und Hilfe.

(Beifall von den PIRATEN)

Frau Kraft, Frau Düker, Sie machen keine Politik aus Sicht der Flüchtlinge. Es ist nicht einmal Politik aus Sicht der Kommunen. Bislang sanieren Sie nur Ihren eigenen Haushalt.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Quatsch!)

Wir werden erst in ein paar Wochen sehen, ob das Geld auch wirklich bei den Kommunen ankommt. Wir werden genau darauf gucken.

Politik aus Sicht der Flüchtlinge heißt, das Recht auf Asyl und das Recht auf Aufenthalt aus humanitären Gründen zu achten. Mittel- bis langfristig heißt das auch, dass wir einen zukunftsfähigen Plan für eine geordnete Unterbringung in Wohnungen, humane Standards in Unterbringungseinrichtungen in Land und Kommunen und vor allem ein Konzept zur Integration brauchen.

Unsere Vorschläge dazu kennen Sie seit Jahren. Aber vonseiten der Landesregierung gibt es nichts. Integrationspolitische Weichenstellungen: Fehlanzeige!

Massive Investitionen in den Wohnungsbau sind notwendig – nicht nur für Flüchtlinge. Wir brauchen preiswerten Wohnraum für viele Menschen. Strukturen dazu müssten zum Beispiel im Landesentwicklungsplan geschaffen werden. Im aktuell bearbeiteten Entwurf gibt es dazu aber gar nichts. Und das ist nur ein Beispiel.

Uns wird von Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsinitiativen immer wieder angetragen, dass das Integrationsministerium und das Innenministerium nicht miteinander kommunizieren. Herr Jäger, sprechen Sie doch einfach einmal Ihren neuen Kollegen, Herrn Schmeltzer, ab morgen an! Vielleicht funktioniert da ja einmal etwas. Oder noch besser: Verfolgen Sie unseren Vorschlag, und schaffen Sie ein Ministerium für Einwanderung, Flucht und Integration – unter einer Prämisse, Herr Jäger: Das Ministerium sollte nicht unter Ihrer Verantwortung stehen.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Werte Landesregierung, nun, da Sie Ihre haushalterischen Fragen im Bund-Länder-Deal geklärt haben und dabei, wie zu erwarten war, Verschärfungen im Asylrecht in Kauf genommen haben, frage ich Sie: Wie soll denn der von Ihnen vor Monaten versprochene Paradigmenwechsel nun aussehen?

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Frank Herrmann (PIRATEN): Heute haben wir dazu leider nichts gehört. Aber wenn Sie noch Ideen brauchen, dann schauen Sie doch in unseren Antrag aus dem letzten Plenum: „Aus der Vergangenheit lernen: Nordrhein-Westfalen muss sich der politischen Verantwortung als Aufnahmeland stellen!“. Da stehen eine Menge Dinge drin. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Herrmann. – Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Jäger zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will gerne noch vier Punkte aus der Debatte aus meiner Sicht noch einmal beleuchten.

Erstens. Wenn die Menschen um ihr Leben laufen, sind sie nicht durch Zäune aufzuhalten. Das zeigt das Beispiel Ungarn. Sie sind auch nicht aufzuhalten über Taschengelddiskussionen. Sie sind nicht aufzuhalten über die Frage von Abschiebungen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Sie sind nicht aufzuhalten über die Diskussion um sichere Herkunftsländer.

Sie lassen sich nur davon abbringen, diesen beschwerlichen, gelegentlich sehr gefährlichen Weg nach Europa zu gehen, wenn sie entweder in ihren Heimatländern eine Perspektive haben oder – so wie die syrischen Flüchtlinge – zumindest ein Existenzminimum in den entsprechenden Lagern im Libanon, in Jordanien und in der Türkei erhalten.

Es ist beschämend, dass das UNHCR von einigen Mitgliedsstaaten nicht ausreichend finanziell unterstützt wird, um die Menschen in diesen Lagern satt zu machen. Deshalb ist klar: Wir brauchen in der Außenpolitik intensivste Aktivitäten, um die Situation in den Lagern zu stabilisieren. Das ist ein wichtiger Punkt des Asylgipfels in der letzten Woche gewesen. Frank-Walter Steinmeier als Außenminister ist intensivst in der Region unterwegs. Nur über diesen Weg, glaube ich, lässt sich die Zahl der Menschen, die aus Syrien kommen und vorher in Lagern im Umland gelebt haben, reduzieren.

Zweitens. Die Europäische Union, die 500 Millionen Einwohner hat, hat sich in der letzten Woche darauf geeinigt, 120.000 Flüchtlinge untereinander aufzuteilen. Gemessen an dem, was Deutschland, Schweden, Österreich und andere Länder zurzeit leisten, ist das ein Trippelschritt nach vorne, aber keine Lösung.

Eine solche Flüchtlingskrise, wie sie jetzt in der Welt stattfindet, ist nur darüber zu lösen, dass sich die Europäische Union nicht nur als ein Verteilsystem von Fördergeldern, sondern als Wertegemeinschaft im Sinne von Solidarität und Humanität versteht. Ansonsten steht der europäische Gedanke auf dem Spiel.

(Beifall von allen Fraktionen)

Drittens. Wir setzen als Länder, aber vor allem auch als Kommunen große Hoffnung darauf, dass das, was am letzten Donnerstag zur Verkürzung der Asylverfahren beschlossen worden ist, jetzt auch durch die Bundesregierung beherzt angefasst wird.

Wir, Länder und Kommunen, müssen die Menschen unterbringen und versorgen – oftmals viel zu lange, weil das vom Bund beherrschte Verfahren durch das BAMF viel zu lange dauert. Da erwarten wir von dieser Bundesregierung jetzt konkrete Schritte.

Viertens. Ich möchte ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hilfsorganisationen und Betreuungsorganisationen sowie, weil sie gelegentlich vernachlässigt werden, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kommunalverwaltungen, der Bezirksregierungen und des Ministeriums danken.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Frau Düker hat es angesprochen: Der Anstieg von 2012 mit 1.800 Unterbringungsplätzen beim Land auf jetzt 57.000 ist ein unglaublicher Kraftakt. Uns liegt der Dank der Bayerischen Staatsregierung dafür vor, dass es Nordrhein-Westfalen ist, das zurzeit immer noch oberhalb des Königsteiner Schlüssels aufnehmen kann und auch will – nicht um der Bayerischen Staatsregierung zu helfen, sondern um Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen zu vermeiden. Das ist etwas, was andere Bundesländer längst nicht mehr leisten können.

Herr Stamp, Sie sind, glaube ich, inzwischen auch davon überzeugt, dass das, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen unseres Landes und der Kommunen da geleistet haben, großartig ist.

Meine Damen und Herren, ich würde gerne noch auf zwei Dinge eingehen, die in der Diskussion auch eine Rolle gespielt haben, insbesondere bei Herrn Laschet.

Erstens. Die Möglichkeit, Menschen ohne Bleibeperspektive länger als bisher in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes halten zu können, nämlich bis zu sechs Monaten, ist kein Zankapfel zwischen Rot-Grün, sondern eine theoretische Klausel. In der Praxis sind wir meilenweit davon entfernt, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zurzeit gar nicht in der Lage ist, innerhalb dieses Zeitraumes die Asylbescheide auszustellen.

Ganz im Gegenteil: Es gibt 300.000 unbearbeitete Asylanträge. 800.000 kommen allein dieses Jahr hinzu, und nur 300.000 werden abgearbeitet. Das macht deutlich: Wir müssen sogar damit rechnen, dass sich die Verfahrensdauern trotz aller Anstrengungen möglicherweise noch verlängern werden.

Ein weiterer Punkt, der eine Rolle gespielt hat, ist die Frage: Soll man Mietern ihre Wohnung kündigen, um dort Flüchtlinge unterzubringen? Ich glaube, dass unsere Willkommenskultur in Deutschland im Wesentlichen darauf beruht, dass die Menschen dieses Willkommen aus einem Gefühl der Sicherheit heraus aussprechen können. Wer sich unsicher fühlt, dem ist das Unbekannte möglicherweise gar nicht mehr so willkommen. Zu dieser Sicherheit gehört auch, dass man in den eigenen vier Wänden leben bleiben kann.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

Deshalb kann es – ohne irgendjemanden zu schelten –, wenn überhaupt, nur eine Ultima Ratio sein, zu solchen Mitteln zu greifen. Die Menschen müssen sicher sein, dass sie nicht ihren Wohnraum verlieren, weil Flüchtlinge unterzubringen sind.

Ich würde gern noch auf das Gesetz eingehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und an einer Stelle um Verständnis bitten. 750.000 Menschen in den Landeseinrichtungen unterzubringen, ist ein unglaublicher Koordinierungsaufwand und erfordert eine unglaubliche Organisation. Nicht jeder Bus mit Flüchtlingen, die in Nordrhein-Westfalen ankommen, ist genau zu dem Zeitpunkt an dem Ort, an dem er zu sein hat. Manchmal passieren in der Koordination auch Fehler. Einige Abgeordnete sprechen oder schreiben mich dazu an, wie es denn sein kann, dass man nachts auf einen Bus wartet, der dann gar nicht oder verspätet ankommt. Wer diese logistische Herausforderung erkennt, muss auch erkennen, dass es nicht an jeder Stelle ganz glatt laufen kann. Da bitte ich auch im Namen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden um Verständnis.

Wir haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des FlüAG vorgelegt, von dem wir wissen, dass wir es demnächst wieder ändern müssen, weil wir die Beteiligung des Landes an den Kosten der Unterbringung für Flüchtlinge in den Kommunen auf neue Beine stellen müssen. Der Bund hat nämlich eine Systematik gewählt, die ich überhaupt nicht kritisieren möchte, sondern die im Gegenteil sehr vernünftig ist. Deshalb müssen wir unsere finanzielle Unterstützung in den Kommunen auf ähnliche oder gleiche Füße stellen.

Die Ministerpräsidentin hat bereits am Freitag, wenige Stunden nach dem Gipfel in Berlin, die kommunalen Spitzenverbände über die Ergebnisse informiert. Wir sitzen am morgigen Tag auf Arbeitsebene zusammen und wollen schon am Freitag möglicherweise erste Eckpunkte miteinander vereinbaren. Sie sehen: Wir arbeiten mit Hochdruck daran, ein gutes und auskömmliches Finanzierungssystem für unsere Kommunen zu erarbeiten.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Minister, die Redezeit der Landesregierung ist abgelaufen.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Das nehme ich voller Respekt entgegen, Herr Präsident, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Gleichwohl gibt es 34 Sekunden extra für die Fraktionen. Der eine oder andere hat sich noch zu Wort gemeldet.

(Zurufe: Nein!)

Als nächster Redner spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Kuper, und zwar für etwa fünf Minuten. Ich sage die Zeit jetzt immer mit an. Dadurch, dass die Landesregierung überzogen hat, ist es ein bisschen unübersichtlich geworden. – Herr Kollege, bitte.

André Kuper (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt in diesem Land eine große Diskussion darüber, ob wir die Aufnahme der Flüchtlinge schaffen können oder nicht. Ich denke, diese Republik hat in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach bewiesen, dass wir es grundsätzlich schaffen können.

Erinnern wir uns zurück an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als etwa 12 bis 14 Millionen Vertriebene zu uns gekommen sind, erinnern wir uns zurück an die Jahre der Zuwanderung der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, oder erinnern wir uns zurück an die Jahre um 1990 bis 1992, als Millionen Aussiedler auch mit fremder Sprache zu uns gekommen sind. All das haben wir geschafft, weil wir gut organisiert waren, weil wir vorbereitet waren und weil wir es gemeinsam schaffen wollten.

Daher ist es im Sinne der Worte unserer Kanzlerin sicherlich auch möglich, bei einer Bevölkerung von 81 Millionen, die wir sind, 1 Million Flüchtlinge in diesem Land aufzunehmen, wenn es denn gut gemacht und gut organisiert wird. Dafür sind wir alle gemeinsam verantwortlich.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, in der Debatte ist eine Reihe von Legendenbildungen betrieben worden, auf die ich jetzt aber nicht eingehen möchte. Ein paar Aspekte würde ich dennoch gern beleuchten.

Es ist zum Beispiel der Aspekt der Beschleunigung des Asylverfahrens angesprochen worden. Das ist ganz sicher notwendig und unter allen Fraktionen hier im Raum wohl unumstritten. Wenn wir uns dabei allein auf das BAMF konzentrieren, ist das allerdings zu kurz gesprungen.

Der neue Leiter des BAMF, Herr Weise, hat vor wenigen Minuten – das ist per dpa verbreitet worden – erklärt, dass gerade die Erfassung hier in NRW beziehungsweise die Erfassung im Bund insgesamt noch eine Vielzahl an Defiziten hat.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Immer sauber zitieren, Herr Kollege! – Nadja Lüders [SPD]: Das BAMF ist Teil der Erfassung!)

Daher müssen wir an dieser Stelle sehen: Es braucht die Verbesserung aufseiten des BAMF. Ja, darüber herrscht Einigkeit. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass viele Menschen Wochen und teilweise sogar Monate warten, bis sie im Land NRW komplett registriert sind. Das heißt, dass auch dieser Aspekt weiter verbessert werden muss.

(Beifall von der CDU)

Der Minister hat bereits darüber informiert, dass derzeit 400 weitere Kräfte in der Erfassung eingesetzt werden. Aber zur Wahrheit gehört auch: Wir brauchen beides, sowohl das BAMF als auch eine Verbesserung des Systems hier in NRW.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte noch auf einen weiteren Aspekt zu sprechen kommen, damit wir nicht in die Gefahr von Schaufensterreden kommen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Ich habe vor Kurzem folgende Kleine Anfrage gestellt: Wie ist es mit der Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarung hinsichtlich der Einrichtung für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive?

In diesem Zusammenhang hat die Landesregierung geantwortet, dass wir vor dem Hintergrund der aktuellen Zuwanderungszahlen für die Menschen ohne Bleibeperspektive rund 16.200 Unterbringungsplätze in NRW bräuchten. Gleichzeitig hat die Landesregierung in den Medien gesagt, dass sie nur 1.200 Plätze bereitstellt. Das heißt, dass zwischen dem, was erklärt wird, und der Praxis offenbar noch ein Unterschied besteht.

(Nadja Lüders [SPD]: Nein, nein!)

Man muss also zumindest hinterfragen: Ist das, was Sie gegenüber dem Bund versprochen haben, nur ein Versprechen? Oder wollen Sie es auch in die Realität umsetzen?

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal auf das Thema „FlüAG“ zu sprechen.

Vorhin ist die Finanzierung der Kommunen in Bayern angesprochen worden. In Bayern werden die Flüchtlingsaufnahmekosten bereits heute – wie schon in der Vergangenheit – zu 100 % erstattet. Davon sind wir in NRW weit entfernt. Daher ist es gut und richtig, dass Sie unserer langjährigen Forderung nachkommen und die Stichtagsregelung aktualisieren. Das sind immerhin 700 Millionen €, die den Kommunen im nächsten Jahr massiv helfen und damit die Unterdeckung abbauen. Unsere Kommunen stehen nämlich derzeit sowohl bei der Organisation als auch bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten mit dem Rücken an der Wand. Viele Stärkungspaktkommunen wissen in diesen Tagen nicht, wie sie den entsprechenden Haushaltsausgleich darstellen sollen.

Deshalb ist es wichtig – daher haben wir heute auch noch einen ergänzenden Antrag gestellt –, nicht nur pauschal über die Vokabeln „weitgehende Kostenerstattung“ oder „auskömmliche Kostenerstattung“ zu reden, sondern dass das Land gegenüber den Kommunen die Garantie gibt – wie in Bayern, in Mecklenburg-Vorpommern oder im Saarland –, entstehende Kosten zu 100 % zu tragen. – Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und höre auf.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Kuper. – Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal Herr Kollege Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich bin mehrfach angesprochen worden, werde aber versuchen, die Klarstellung in der gebotenen Kürze vorzunehmen.

Herr Mostofizadeh, Sie haben vorhin gesagt, die Äußerung „Septembermärchen“ der Kollegin Göring-Eckardt hätte sich nur auf die Willkommenskultur bezogen. Aber ich muss doch einmal hinterfragen, was in einer solchen Debatte und in einer solchen Lage wichtiger ist: die eigene Gefühligkeit und möglicherweise die eigene Identifikation mit dieser Gesellschaft oder aber das Flüchtlingsschicksal von denen, die zu uns kommen. Das kann man nicht trennen. Deshalb war das ein geschmackloses Bild. Das muss man an dieser Stelle auch ansprechen können.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Herr Minister Jäger, Sie haben gesagt, keiner, der um sein Leben laufe, lasse sich von Zäunen und Stacheldraht davon abhalten – und auch nicht von Taschengeldkürzungen. Da geben wir Ihnen völlig recht. Wir haben aber gerade versucht, in der Debatte noch einmal herauszuarbeiten, dass es einen Unterschied bei der Bleibeperspektive gibt. Damit verbinden wir ausdrücklich nicht eine Unterteilung in Menschen erster und zweiter Klasse.

Ich wiederhole es noch einmal: Wir haben auch für diejenigen, die sich ohne Bleibeperspektive um Asyl bewerben, in vielen Fällen Verständnis, weil wir es möglicherweise auf die gleiche Art und Weise versucht hätten. Aber in diesen Fällen greift nicht das deutsche Asylrecht, sondern wir brauchen für diese Menschen eine Einwanderungsregelung nach den Kriterien des hiesigen Arbeitsmarktes.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Deswegen muss man bei allem, was wir machen, auch darüber nachdenken, welche Sogwirkungen es eventuell auf die Länder des Balkans hat. Was Pullfaktoren angeht, gehört dazu auch die Frage, lieber Herr Minister, ob es sinnvoll ist, Selfies mit Flüchtlingen zu machen, die über Twitter und Facebook heutzutage in Echtzeit in den Herkunftsländern ankommen. Man muss aufpassen, ob das das richtige Signal ist.

(Beifall von der FDP)

Zum Thema „Bezirksregierung“ habe ich nicht nur einseitig Bashing betrieben. Ich habe ganz bewusst zu Beginn meiner Rede allen Hauptamtlern und allen Ehrenamtlern großen Respekt gezollt, die dafür gesorgt haben, dass wir es geschafft haben, in den letzten vier Wochen 200.000 Menschen hier unterzubringen. Aber natürlich – das lasse ich mir auch nicht nehmen – hat die Bezirksregierung über Monate und Jahre vor sich hindilettiert, was das Aufnahmesystem angeht. Das weiß doch jeder hier im Raum.

Frau Kollegin Düker, wenn Sie das BAMF permanent bashen, müssen Sie es auch akzeptieren, wenn man mal eine andere Institution kritisiert, die auch einen Großteil der Verantwortung für Fehlentwicklungen in diesem Lande trägt. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung. Insgesamt haben wir sechs Abstimmungen zu vollziehen.

Wir stimmen erstens über den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/9880 zur Unterrichtung durch die Landesregierung ab. Ich darf fragen, wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle fest: Der Entschließungsantrag Drucksache 16/9880 ist mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion bei Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/9800Neudruck – ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, den Unterausschuss Personal, den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie den Innenausschuss. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir stimmen drittens über die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/9808 ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss – federführend – sowie den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer dafür ist, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Gegenstimmen oder Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir stimmen viertens über die Überweisung des Antrags der CDU-Fraktion Drucksache 16/9801 ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung dieses Antrags an den Integrationsausschuss – federführend –, den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, den Ausschuss für Kommunalpolitik, den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung, den Hauptausschuss, den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend sowie den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Gegenstimmen und Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir stimmen fünftens über den Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/9803 ab. Die antragstellende CDU-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Insofern kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/9803. Wer stimmt für den Antrag der CDU? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist der Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/9803 mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion bei Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt.

Wir stimmen sechstens und letztens über die Überweisung des Antrags der FDP-Fraktion Drucksache 16/9786. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung dieses Antrags an den Integrationsausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für die Überweisung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Gegenstimmen und Enthaltungen gibt es nicht. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen. 

Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf:

4   Nachhaltige Qualität bei der Inklusion gewährleisten – Förderchancen für alle Kinder und Jugendlichen sichern

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/9787

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die antragstellende FDP-Fraktion Frau Kollegin Gebauer das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchen Dingen lässt man besser ihren Lauf. Manches erledigt sich schlicht und ergreifend durch Liegenlassen. Aber es gibt auch das eine oder andere, was im Sinne der Sache ständig begleitet und entsprechend korrigiert werden muss. So wie der Inklusionsprozess.

Wie schon so oft muss ich auch heute sagen, dass die rot-grüne Umsetzung dieses Inklusionsprozesses nicht unseren Qualitätsmaßstäben entspricht.

(Beifall von der FDP)

Auch das großartige Engagement vieler Lehrkräfte kann die fehlenden Rahmenbedingungen nicht ersetzen.

Wir haben uns in diesem Zusammenhang ganz bewusst für den Begriff „qualitätslos“ entschieden; denn die bloße Verwahrung von Kindern mit Handicap, welche uns leider – ich sage ganz bewusst: leider – nicht nur als Einzelfall aus den Kommunen widergespiegelt wird, kann nicht anders als qualitätslos bezeichnet werden.

Frau Ministerin Löhrmann, Sie haben in der Schuljahresauftaktpressekonferenz erklärt, wenn Schulen in NRW Inklusionspreise gewinnen würden, dann müsse man – Zitat – hier ja etwas richtig machen. Liebe Frau Löhrmann, solche Preise sind dem Engagement der Schulen bzw. der handelnden Akteure vor Ort zu verdanken. Und wenn Schulen in Nordrhein-Westfalen Inklusionspreise gewinnen, dann tun sie das nicht wegen, sondern trotz Ihrer rot-grünen Politik.

(Beifall von der FDP und Astrid Birkhahn [CDU])

Erst vor wenigen Tagen hat laut Presse eine Schuldezernentin der Bezirksregierung Münster öffentlich eingestanden, dass der ganze Inklusionsprozess doch „sehr holperig“ verlaufe. Zur Kritik an der Förderschule vor Ort erklärte diese Vertreterin der Bezirksregierung – ich darf zitieren –:

„Man kann nicht mal sagen, dass das der bessere Weg für die Kinder ist.“

Meine Damen und Herren, uns bzw. den Kindern und Jugendlichen läuft die Zeit davon. Jeder Tag ohne ausreichende sonderpädagogische Förderung ist ein verlorener Tag für die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Wir müssen dringender denn je jetzt handeln, um diesen überstürzten Inklusionsprozess zeitnah in qualitative Bahnen zu lenken.

Was heißt das? Für uns als FDP-Fraktion heißt das ganz konkret, dass sich Rot-Grün endlich zu den Basisstandards für die Qualität bequemen muss. Wir brauchen also die viel erwarteten und vielfach verlangten Leitplanken. Das kann – und ich sage auch: das muss – ein Ministerium an dieser Stelle leisten können.

Im Grunde handelt es sich letztendlich um eine Selbstverständlichkeit, dass in diesem Zusammenhang dann auch keine inklusiven Lerngruppen mehr vor Ort gebildet werden dürfen, wenn die Qualität nicht stimmt.

(Beifall von der FDP)

Denn viel zu oft werden Schulen Kinder zugeteilt, und es ist völlig egal, ob es in ausreichendem Maße Differenzierungsräume gibt oder ob sonderpädagogische Unterstützung gegeben ist. Bei Förder- und Lebenschancen dieser speziellen Kinder darf man aber nicht ständig Fünfe gerade sein lassen.

(Beifall von der FDP)

Auch deshalb muss folgerichtig mehr mit Schwerpunktschulen im Sinne einer Bündelung der Förderqualität vor Ort gearbeitet werden. Hier wären regionale Absprachen sinnvoll, damit man mit den zum Teil noch starren Vorgaben der Schwerpunktschulen arbeiten kann; darüber hinaus sollten diese Vorgaben gelockert werden.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das ist im Gesetz enthalten!)

Das letzte Stichwort, das ich in den Raum werfen möchte, lautet „Berufskollegs“. Wenn wir es wieder nicht schaffen, bis zum Ende dieses Jahres ein qualitatives Konzept für die Berufskollegs hier in Nordrhein-Westfalen vorzulegen, dann muss der Rechts-anspruch, der jetzt für das kommende Schuljahr ansteht, schlicht und ergreifend verschoben werden.

(Beifall von der FDP)

Denn den Fehler, den wir bei den allgemeinbildenden Schulden gemacht haben, dürfen wir auf gar keinen Fall ein zweites Mal begehen.

Das entspricht auch den Rückmeldungen, die wir von den Schulen, von den Berufskollegs und von den Verbänden eindeutig widergespiegelt bekommen. Sie sagen: Uns läuft die Zeit davon. Wir müssen planen können, und zwar spätestens jetzt, am Ende des Jahres.

Auch die finanzielle Ausstattung der Berufskollegs ist nicht geklärt.

Last, but not least brauchen wir für den ländlichen Raum mit großen Flächenkreisen angemessen erreichbare Förderschulangebote. Sonst läuft dieses viel gepriesene Elternwahlrecht immer mehr ins Leere.

Es kann auch nicht sein, dass wir uns für die Grundschulen das Prinzip „Kurze Beine, kurze Wege“ auf die Fahnen geschrieben haben, aber dies für Kinder mit Handicap in Zukunft nicht mehr gelten soll. Ich glaube, das ist ein Aspekt, über den wir dringend nachdenken müssen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Wenn Elternwille und Empathie nicht nur reine Phrasen sind, dann entwerfen Sie endlich ein Konzept, das den Eltern langfristig Wahlmöglichkeiten für zumutbar erreichbare Förderschulen sichert. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die SPD-Fraktion spricht als nächste Rednerin Frau Kollegin Voigt-Küppers.

Eva Voigt-Küppers (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihr Antrag hat nach meiner Lesart im Wesentlichen drei Schwerpunkte, nämlich wieder einmal die Behauptungen, der Inklusionsprozess sei überstützt und qualitätslos, es gäbe eine Schließungswelle bei den Förderschulen und die Inklusion an den Berufskollegs hätte kein Konzept.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der FDP: Ganz genau! Richtig!)

Wieder einmal kann ich dazu sagen: Im Westen nichts Neues. Immer wieder konfrontieren Sie uns mit Oberflächlichkeiten

(Zurufe von der FDP)

und Pauschalisierungen. Das, was Sie hier beschreiben, ist wenig konkret und vor allem nicht konstruktiv. Vielmehr werden wieder einmal Vorurteile gegenüber der Inklusion geschürt und Verdruss befördert.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, Sie wollen dieses Haus glauben machen, seit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz sei alles schlechter geworden. Dieses Mantra wird nicht dadurch zur Wahrheit, dass Sie es ständig wiederholen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon-vention ist ein großes Vorhaben, eine Generationenaufgabe, Frau Gebauer, wie Sie selbst an anderer Stelle schon einmal gesagt haben. Niemand streitet ab, dass es in diesem Prozess Probleme gibt. Es ist ein weiter Weg zu beschreiten von der grundsätzlich positiven Einstellung der Gesellschaft – davon sprechen Sie in Ihrem Antrag selbst – bis hin zur Umsetzung. Eben diese Umsetzung ist es, für die es Mut braucht und die Bereitschaft, sich Kritik zu stellen.

Und wir lassen uns kritisieren, sofern dies auf konstruktivem Weg geschieht.

Was aber nicht passieren darf, ist, dass die gute Arbeit der Schulen durch Kritik schlechtgemacht wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hier von – wie haben Sie gesagt? – „qualitätsloser Verwahrung“ zu sprechen, Frau Gebauer,

(Zuruf von den GRÜNEN: Unverschämt!)

ist eine Art und Weise, in der wir in diesem Parlament nicht von diesem Prozess reden sollten,

(Beifall von den GRÜNEN)

sondern wir sollten in der Tat die Kritikpunkte analysieren, Probleme beheben, aber den Schulen vor Ort und den Menschen vor Ort nicht den Mut nehmen, diesen Weg weiter zu beschreiten.

Meine Damen und Herren, wir haben uns für ein Modell entschieden, das neben der Inklusion in Regelschulen auch den Erhalt des Förderschulsystems vorsieht. Dieses Modell halten wir nach wie vor für sinnvoll, weil es einen sanften Wandel bedeutet und weil es für Wahlfreiheit sorgt, die andernfalls nicht möglich gewesen wäre. Niemand wird zur Inklusion gezwungen. Die Eltern entscheiden selbst.

Klar ist es auch, dass auf diese Art und Weise nicht jede Förderschule erhalten bleibt. Im Grunde ist das doch auch ein Anlass zur Freude. Förderschulen schließen doch deshalb an einigen Standorten, weil sie nicht mehr benötigt werden. Das ist so, weil die bisherigen Schüler nun inklusiv beschult werden. Einige Förderschulen werden also geschlossen, aber bei Weitem nicht alle.

Übrigens sinkt die Zahl der Förderschulen im Land bei Weitem nicht so, wie Sie uns das glauben machen wollen. Von 2011 bis 2014 ist die Zahl der Förderschulen von 623 auf 537 Schulen gesunken. Hier von einer Schließungswelle zu reden, ist Panikmache.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: Unverschämtheit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie fordern Qualitätsstandards. Die haben wir bereits in der Inklusion wie an allen anderen Stellen im Schulsystem auch. Wir haben bewusst keine neuen Schubladen geschaffen. Das ist doch der wesentliche Unterschied zwischen uns und Ihnen. Sie wollen Kinder immer in Schubladen stecken und wir wollen genau das vermeiden, und zwar in Form von individueller Förderung.

Unser Ziel ist es, auf die individuellen Stärken und Schwächen jeder Schülerin und jedes Schülers einzugehen.

Hierfür stellen wir Budget zur Verfügung: bis zum Jahr 2017 insgesamt 1 Milliarde €. Hiermit finanzieren wir – und das auch mantraartig – zusätzlich 3.200 Stellen für Sonderpädagogen, Inklusionsberater, Koordinatoren sowie zusätzliche Studienplätze für Sonderpädagogik.

Ihre Forderung nach mehr Stellen klingt gut. Sie sind es aber, die sonst an anderer Stelle immer vom Sparen reden. Genau das ist es, was ich als wenig konstruktiv empfinde.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Eva Voigt-Küppers (SPD): Abschließend, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, will ich Ihnen sagen: Auch davon zu reden, dass wir kein Konzept in Bezug auf die Berufskollegs vorlegen werden, ist Panikmache.

Deshalb bin ich auch sehr dafür, dass wir den Antrag an den Schulausschuss überweisen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Eva Voigt-Küppers (SPD): Ich lade Sie herzlich ein, im Schulausschuss mit uns gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, das unseren Erwartungen und der Erwartung der Eltern und Schüler in Nordrhein-Westfalen entspricht. Bringen Sie sich ein! Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Voigt-Küppers. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Birkhahn.

Astrid Birkhahn (CDU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kolleginnen, Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne! Wir sind im zweiten Jahr der Umsetzung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes, das mit so viel Anspruch und mit so vielen Wünschen auf den Weg gebracht wurde. Ich muss Ihnen sagen: Die Rückmeldungen aus der Praxis bestätigen vielfältige, vorab geäußerte Warnungen von Lehrerverbänden, von Eltern, von Kommunalverbänden, von uns, der Opposition, von der Wissenschaft.

Ich muss Ihnen wirklich sagen – da habe ich eine ganz andere Sicht als meine Vorrednerin –: Ich habe selten eine so zutreffende Analyse gelesen wie die im FDP-Antrag zur Ausgangslage.

(Beifall von der FDP)

Ich zitiere: Viele Schulen fühlen sich

„unzureichend unterstützt.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es fehlt (…) an sonderpädagogischer Expertise, an entsprechender Ausstattung, multiprofessioneller Unterstützung und umfassenden Fortbildungen für die Lehrkräfte; …“

All der Jubel über die Inklusionsquote sagt gar nichts über die Qualität aus. Denn sie bringt keine Qualität in inklusive Förderung.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Ich sage Ihnen deutlich: Dieser Antrag schildert in seinen Vortexten das Problem ungeschönt. Er benennt die Defizite und er legt den Finger in eine schmerzende Wunde der NRW-Schulpolitik.

Der Belegt für diese Aussage ist auch zu finden in der repräsentativen Forsa-Umfrage, die der VBE im Mai dieses Jahres veröffentlicht hat. Ich nenne Schlagworten: zu große Lerngruppen, zu geringe Vorbereitungszeit auf diese Riesenherausforderungen, zu wenig sonderpädagogische Unterstützung und zu übereilte Zerschlagung bestehender Förderschulstrukturen.

Jetzt kommen wir wirklich zum Ansatz dieses Antrags. Es geht nicht um Einschätzung der bisher geleisteten Arbeit, sondern es geht darum, die Qualität der Inklusion in Nordrhein-Westfalen zu stärken. Dafür wird ein Maßnahmenkatalog vorgelegt.

Ich denke, das ist ein ganz positiver Ansatz in diesen Antrag. Für die CDU kann ich sagen: Diese Vorschläge sind ernsthaft abzuwägen. Sie sind intensiv zu diskutieren. Ich denke, dass hier eine Anhörung weiterhelfen könnte, die Position noch einmal zu schärfen.

Ich möchte zwei Punkte herausgreifen. Zum einen haben wir nicht die Probleme mit den Qualitätsstandards, die ich sehr gerne im Ausschuss diskutiert sehen möchte. Wir müssten überlegen, ob es ein Problem sein kann, nur in Schwerpunktschulen zu denken.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ich dachte, die gibt es nicht!)

Ich verstehe den Ansatz, dass man sagt: Wir möchten eine Ressourcenbündelung. – Auf der anderen Seite geht es auch um die Versorgung in der Fläche.

Das muss man gegeneinander abwägen. Denn für uns als CDU ist es ein Essential, dass bei allen Organisationsüberlegungen die Wahlmöglichkeit der Eltern erhalten werden muss.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Eltern im Erziehungs- und Bildungsprozess ernst nehmen: Das ist es, was wir ermöglichen möchten, damit die Struktur nicht von außen vorgegeben ist und die Eltern sich dem fügen müssen, wenn an Empfehlung aus irgendwelchen Schulaufsichtseinrichtungen kommt.

Ich darf ganz kurz ein Beispiel erzählen, das ich in der letzten Woche im westlichen Münsterland erlebt habe. Ich habe ein Kind kennengelernt, das auf Wunsch der Eltern vor drei Jahren von der Förderschule in die Regelschule gewechselt hat. Es hat dort eine Zeit erlebt, in der es viele Anstrengungen unternommen hat, aber permanent mit Misserfolg, Scheitern und Nichtvorwärtskommen konfrontiert war. Daraus ergab sich die Spirale von Aggressivität und Schulverweigerung. Dieses Kind hatte keine Freude mehr an dem Alltag, den es absolvieren musste.

Die Eltern haben den nachdrücklichen Wunsch geäußert, dass ihr Kind wieder auf die Förderschule kommt. Sie können sich nicht vorstellen, was das an Überzeugungsarbeit mit Blick auf die Schulaufsicht erfordert hat. Aber das Entscheidende ist: Es gab im Westmünsterland noch eine Möglichkeit, diese Wahl wahrzunehmen. Schon nach zwei Wochen konnten die Eltern feststellen, dass ihr Kind wieder Freude am Schulalltag hat, dass es gerne zur Schule geht und dass es wieder Aktivitäten entfaltet.

Wenn Sie so etwas unmittelbar mitbekommen, ist entscheidend, zu sagen: Wir müssen bei aller Veränderung der Schulstruktur, die notwendig ist, weil sich die Zahlen ändern, weil der demografische Wandel da ist, Umsicht walten lassen. Wir müssen im Interesse der Kinder und Jugendlichen darauf achten, dass nicht weniger Förderung und Forderung in der Regelschule als zuvor in der Förderschule stattfinden.

Die Zeit ist fortgeschritten. Deswegen möchte ich auf Frau Gebauers Bemerkung zu Berufskollegs eingehen: volle Unterstreichung Ihrer Aussagen.

Frau Ministerin, ich hoffe sehr, dass Sie einen Beweis Ihrer Lernfähigkeit abgeben und den Einstieg im nächsten Jahr stoppen, wenn die Voraussetzungen nicht geschaffen sind. Wir haben das vor zwei Jahren erlebt, und ich hoffe sehr, dass daraus gelernt werden kann.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Astrid Birkhahn (CDU): Der Antrag verspricht eine lebhafte fachliche Diskussion im Ausschuss. Wir werden uns gern und engagiert daran beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Birkhahn. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Birkhahn! Wir können uns hier natürlich einzelne Geschichten erzählen – das kann ich auch gern tun –: von den Eltern, die froh waren, dass sie für ihr Kind jetzt endlich einen Platz im gemeinsam Unterricht bekommen, von zwei Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf „geistige Entwicklung“, die an der Tischtennisplatte sagen – übrigens eine Begebenheit auf einem Schulhof eines Gymnasiums, fünfte Klasse: Förderschule war gestern, heute sind wir normal. Uns geht es gut.

Wollen wir uns jetzt diese Geschichten hin und her erzählen? Das ist, glaube ich, nicht der Punkt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will auf Ihren Antrag eingehen, Frau Gebauer. Ich finde: So geht es nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Wir können hier fachlich diskutieren, aber wer mit dieser Aggressivität …

(Widerspruch von Yvonne Gebauer [FDP])

– Sie reden von „Zerschlagung“.

(Yvonne Gebauer [FDP]: Ja!)

Sie reden davon, dass Kinder in den Klassen verwahrt werden. Das ist eine Unverschämtheit gegenüber den Schulen in Nordrhein-Westfalen, die mit Engagement und mit Sachkunde genau diesen Inklusionsprozess vorantreiben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Lesen Sie doch mal Ihren Antrag. Der ist martialisch von Anfang bis Ende.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von Yvonne Gebauer [FDP] – Weitere Zurufe)

Er ist nicht dem Thema angemessen; das will ich sehr deutlich sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten vielleicht auch einmal die Information zur Kenntnis nehmen, die zum Beispiel die Ministerin in ihrer Jahresauftaktpressekonferenz …

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

– Herr Hafke, Sie verstehen mich doch gut.

(Marcel Hafke [FDP]: Ja! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Man hört Sie, verstehen tut man Sie nicht!)

Das muss deutlicher werden, was wir zu sagen haben.

Herr Stein, auch für Sie zum Nachlesen – dann muss ich gar nicht so viel reden –: Unterlagen aus der Jahresauftaktpressekonferenz. Da sehen Sie, dass es derzeit im Land 47 auslaufende Förderschulen gibt. Das sind die Förderschulen „Lernen“ von – noch einmal – 494 Förderschulen, die bestehen. So viel zum Thema „Zerschlagung des Förderschulsystems in Nordrhein-Westfalen“.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben das organisiert!)

Sie haben hier doch ganz bewusst ein falsches Bild gezeichnet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Kollege Hovenjürgen, da machen Sie auch gerade wieder mal mit – offensichtlich auch ohne Sachkunde.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ja, genau! – Weitere Zurufe)

Denn auch das ist Fakt: Es hat doch vorher niemanden gestört, dass die Eltern von Kindern in Förderschulen ihre Kinder sehr wohl sehr weit haben transportieren lassen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wo liegen denn die Förderschulen im Gebiet? Ob das KmE ist, ob das GE ist – die sind doch nicht wohnortnah. Da sind die Kinder immer schon gefahren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was wir im Augenblick im Land erleben, Frau Gebauer, ist, dass Trägerschaften wechseln, dass die Landkreise Trägerschaft übernehmen und dass es ein geordnetes Konzept gibt, auch die Angebote der Förderschulen auch in der Fläche vorzuhalten.

Wer das nicht wahrnehmen will, der kommt dann zu solchen Anträgen. Sachlich finde ich es unglaublich, dass ein solches Bild gezeichnet wird und dass Sie versuchen, mit solchen Vokabeln das Ganze schlechtzureden.

Sie nehmen auch nicht wahr – Herr Kollege Kaiser, ich dachte, Sie würden intensiv lesen, was die stellvertretende Ministerpräsidentin zum Schuljahresauftakt erzählt –, dass 22.000 Lehrer allein im letzten Jahr an der Fortbildung „Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ teilgenommen haben, davor über 17.000. Dies zum Thema „Vorbereitung“. Das haben Sie offensichtlich auch völlig ausgeblendet.

Wie uneinig Sie sind, das haben wir gerade eben erlebt. Die FDP sagt, wir müssten endlich einmal Schwerpunktschulen machen. Das ist aber essenzieller Bestandteil des Konzeptes.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Kollegin Birkhahn sagt, Schwerpunktschulen sollte man nicht einrichten, sondern man sollte sich einmal anschauen, was in der Fläche ist. Sie widersprechen sich also in der Darbietung. Diesen Widerspruch finde ich schon ganz enorm.

Wenn es Ihnen um Qualität geht, frage ich Sie, was denn mit der Mindestgrößenverordnung passiert ist.

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Gerade in der Qualität den Blick darauf zu legen, dass wir durch das Elternwahlverhalten Förderschulen im Bereich Lernen mit unter 20 Schülerinnen und Schüler im Land hatten, was hat das mit der Qualität zu tun, die wir gerade auch den Kindern angedeihen lassen wollen, und mit dem Einsatz von Lehrerressourcen und sonderpädagogischer Kompetenz im Land? – Nein, so geht es wahrhaftig nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist wirklich in der Zusammenstellung ein unsäglicher Antrag, weil Sie in der Tat versuchen – das ist der leicht durchschaubare Hintergrund –, ein bestimmtes Bild zu malen. Die Schulaufsichtsbeamten bedanken sich. Die sagen, wir haben jetzt die Inklusionsfachberater vor Ort, wir haben die Inklusionskoordinatorinnen. Mehr als 1 Milliarde € ist in diesen Prozess hineingebracht worden. Dieser Prozess wird nicht übers Knie gebrochen, sondern schrittweise entwickelt. Sie können aus den Zahlen auch nicht ablesen, dass es jetzt Riesensprünge bei den Inklusionsanteilen gibt. Noch nicht einmal das ist der Fall. Herr Hafke, Lesen bildet also – auch in diesem Fall.

Die Jahresauftaktpressekonferenz der Ministerin bietet Fakten. Dieser Antrag hingegen ist relativ faktenfrei.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Piraten spricht Frau Kollegin Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist alles Mögliche, aber nicht faktenfrei.

Grundsätzlich teilen wir die Kritik in dem Antrag der FDP. Vieles, was darin steht, ist richtig ausgeführt und gesagt.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Frau Ministerin Löhrmann, Sie vergleichen den Inklusionsprozess seit Jahren mit einer Bergwanderung. Nachdem ich in den letzten Wochen in den Schulen unterwegs war, muss ich sagen, die Kollegen befinden sich auf einer Steilwandklettertour, leider ohne festes Schuhwerk, ohne Seil und Kletterhaken.

Aufgrund der knapp bemessenen Redezeit werde ich mich nur auf einige wenige Punkte fokussieren. Frau Voigt-Küppers sprach gerade davon, das sei alles wenig konkret, was die FDP in dem Antrag erzählt. Ich kann gern ein paar konkrete Beobachtungen benennen.

Wenn Sie auf die Aussage von Frau Gebauer, alles sei schlechter geworden, entgegnen, das stimme nicht, kann ich feststellen: Es ist nicht alles schlechter geworden, aber vieles ist schlechter geworden. Wenn wir von integrativen Lerngruppen ausgehen, wenn wir vom gemeinsamen Unterricht ausgehen, dann sind die Bedingungen faktisch schlechter als vor dem Gesetz.

(Beifall von den PIRATEN)

Beispiel „Gemeinschaftsgrundschule Wesel“: Dort gibt es langjährige Erfahrung in gemeinsamem Unterricht. 12 % der Schüler mit anerkanntem sonderpädagogischem Förderbedarf. Jetzt fallen 25 % der Stellenzuweisung weg. Keiner weiß, wie es weitergehen soll. Da kann ich doch nicht von qualitativ guter Förderung sprechen.

Wenn Sie dann erklären, Frau Gebauer dürfe nicht von Verwahrung sprechen, dann weiß ich es nicht. Ich spreche mit Kollegen. Wenn die mir gegenüber beispielsweise erklären, „ich kann dem Kind nicht helfen, das hinten in der Klasse sitzt“, dann darf man das hier auch einmal benennen und dann darf einem nicht entgegnet werden, über solche Dinge dürfe man hier nicht reden, das sei unredlich. – Dazu müssen die Fakten einmal auf den Tisch.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Man muss dann einmal ehrlich sein und aufzeigen, wie es vor Ort aussieht.

Gehen wir einmal zur Gesamtschule Duisburg-Rheinhausen und schauen uns das dort an. Dort haben wir 34 Schüler mit anerkanntem sonderpädagogischen Förderbedarf und eine halbe Stelle. Was soll die Kollegin denn tun? Die gibt nicht einmal mehr Unterricht. Sie rennt nur noch herum und ist als Feuerwehr tätig und versucht, die Lehrer zu beraten, wie sie mit der Situation umgehen können. Dann kann man mir doch nicht erzählen, das sei alles prima.

Ich komme jetzt zu einem Punkt, den ich ganz wichtig finde. Dieses Stellenbudget wird überhaupt nicht ordentlich verteilt. Wir haben Schulen, die Best-Practice-Schulen sind, wo es ganz gut läuft. Wenn ich mir aber die Verteilung vor Augen führe und erkenne, wie viele Schulen nicht über ausreichend Ressourcen verfügen, wo es keine Sonderpädagogen gibt, dann dürfte das eine Aufgabe sein, der wir uns stellen müssen.

In vielen Kommunen hat man Gott sei Dank inzwischen erkannt, dass eine Förderschulschließung nicht gut ist. In den Kreisen Herford und Kleve hat man eindeutig gesagt, wir werden auf jeden Fall dafür sorgen, dass es einen Grundbestand an Förderschulen gibt. Das ist auch gut so. Wenn man sich ansieht, wie viele Schüler – das ist gerade auch schon gesagt worden – nach dem Versuch, als Seiteneinsteiger in der allgemeinen Schule zurechtzukommen, wieder zurückgehen, dann darf man das nicht ignorieren.

Gerade die Schulen „Emotionale und soziale Entwicklung“ haben einen Aufnahmestopp. Ich weiß aus Bochum, dass es Wartelisten gibt. Deshalb sollten wir nicht so tun, als bräuchten wir diese Schulen nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Wir brauchen sie ganz dringend.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Keine ist von der Schließung bedroht!)

Die Liste der Kritik lässt sich beliebig fortsetzen. Ich denke dabei auch an die Qualifizierung. Eine Kollegin sagte mir, sie werde diese Qualifizierung nicht machen, weil sie vom ersten Tag an als Sonderpädagogin geführt würde. Sie müsse Gutachten schreiben, AO-SF. Das kann ich gar nicht. Ich habe ja gerade erst angefangen.

Dann sagt mir die Kollegin noch: Ich bin doch nicht blöd. Wenn ich diese Qualifizierung mache, dann habe ich gar keine Garantie, an der Schule bleiben zu können. Warum soll ich das denn machen? Ich mache das doch für meine Schule, an der ich jetzt arbeite und an der ich weiterarbeiten will. – Wenn jemand Gefahr läuft, zu einer anderen Schule versetzt zu werden, dann kann ich gut nachvollziehen, dass eine Kollegin Nein sagt.

Zurück zum FDP-Antrag: Das Anliegen teilen wir grundsätzlich. Viele Punkte sind benannt.

Ich habe aber ein bisschen Schwierigkeiten mit der Konnotation des Antrags. Das liest sich nämlich so, als wolle man den Prozess möglichst stoppen oder aufhalten. Ich denke, dass wir darüber noch einmal im Ausschuss reden werden.

Unser Anliegen ist nämlich tatsächlich: So viel Inklusion wie möglich, so viel Förderschule wie nötig. Das Ziel ist, allen Schülern eine Bildung zu ermöglichen, die eine größtmögliche Teilhabe in unserer Gesellschaft erlaubt.

Ich tue mich etwas schwer damit, freue mich aber auf die Diskussion im Ausschuss. Es wird bestimmt interessant. Ich weiß aber zumindest, dass diese Diskussion sehr notwendig ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und Yvonne Gebauer [FDP])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will auf einige Punkte eingehen, die insbesondere von der antragstellenden Fraktion herausgehoben worden sind.

Dass Sie, meine Damen und Herren von der FDP, zum wiederholten Mal ein Gesetz kritisieren, das Eltern behinderter Kinder ein Wahlrecht in Umsetzung einer UN-Konvention einräumt, kann ich bei allen Schwierigkeiten des Umstellungsprozesses und der Generationenaufgabe wirklich nicht verstehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ihre Formulierung, freie Wahl für freie Eltern, wird meines Erachtens dem Anspruch und der Aufgabe nicht gerecht.

Ich will auch noch etwas zum Vorwurf des überstürzten Tempos sagen. Dazu haben wir sehr unterschiedliche Rückmeldungen. Obwohl Eltern nun einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der allgemeinen Schule haben, explodieren die Integrationsanteile eben nicht. Sie steigen lediglich, wie übrigens bereits in den Jahren vor dem Gesetz, um stets ca. fünf Prozentpunkte. Dies folgt nicht einer Vorgabe des Gesetzes oder der Ministerin, sondern die Schulentwicklung in Nordrhein-Westfalen folgt dem Elternwillen, meine Damen und Herren. Und das ist ein guter Grundsatz, das ist ein sehr guter Grundsatz!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist – wie auch in den Vorjahren – in diesem Jahr zum zweiten Mal gelungen, dass alle Eltern, die für ihr Kind einen Platz in der allgemeinen Schule wollten, einen bekommen haben. Das Gleiche gilt auch für alle Eltern, die für ihre Kinder einen Platz in der Förderschule wollten. Auch diese haben ihn erhalten. Das war zwar nicht immer die Wunschschule, aber dieses Prinzip gilt zum Teil auch für andere Schulformen. Es bekommen auch nicht alle Kinder den Platz an der Gesamtschule oder an dem Gymnasium, das sie gerne besuchen möchten, und nehmen dann manchmal ein anderes Gymnasium oder eine andere Gesamtschule. Sie schieben hier etwas auf die Inklusion, was bei anderen Fragen in der Schule auch gang und gäbe ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das werfe ich Ihnen vor, weil und wie Sie das tun, um den Grundsatz der Inklusion zu diskreditieren. Das finde ich nicht angemessen.

(Beifall von den GRÜNEN und von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Nun zu dem Vorwurf der Zerschlagung: Landesweit fallen in erster Linie einige Förderschulen mit dem Hauptförderschwerpunkt „Lernen“ unter die Mindestgröße. Das heißt aber keinesfalls, dass alle diese Schulen schließen müssen, und die Landesregierung schließt grundsätzlich keine Schulen; sie schafft den gesetzlichen Rahmen. Die Schulträger können Förderschulen mit Haupt- und Teilstandorten betreiben, sodass auch hier wieder gilt: Freie Wahl für freie Schulträger.

Und letztlich hängen auch diese Schließungen vom Willen der Elternmehrheit und dem Bedarf ab. Das will ich noch einmal ausdrücklich unterstreichen.

Dass Sie das entgegen der wiederholten Aussagen immer wieder falsch wiedergeben, diskreditiert möglicherweise berechtigt vorgetragene Kritik im Detail. Wir haben doch immer gesagt, dass dies ein tiefgreifender Umstellungsprozess ist. Für viele ist Inklusion normal, für andere ist es ganz neu und eine Riesenherausforderung. Das ist manchmal so, und deswegen müssen wir uns gemeinsam dieser Herausforderung stellen und sie positiv und konstruktiv begleiten

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

und sie nicht immer wieder infrage stellen.

Was die Berufskollegs angeht: Ist Ihnen eigentlich klar, dass Berufskollegs bisher schon jahrzehntelang Inklusion machen und sie jetzt erstmals zusätzliche Mittel dafür bekommen?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie erhalten erstmals mit diesem Haushalt zusätzliches Geld dafür, liebe Frau Gebauer. Das leugnen Sie mal eben so! 200 Stellen im letzten Haushalt, 100 Stellen kommen jetzt dazu. Interessanterweise haben selbst viele Förderberufskollegs übrigens einen relativ geringen Anteil an Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen. Auch das ist eine interessante Aussage. Ihre Herangehensweise ist viel zu schematisch und wird dem Anspruch einer inklusiven Schule gar nicht gerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie verstecken das hinter vermeintlichen Kriterien.

Ja, die Inklusion ist eine große Herausforderung. Wir gehen sie, wir wollen sie weitergestalten. Wir haben immer gesagt, dass wir bei Bedarf nachsteuern werden. Das tun die Koalitionsfraktionen in großer Verantwortung.

Last, but not least: Ich danke all denen, die sich im Rahmen dieser anspruchsvollen Bergwanderung auf den Weg gemacht haben. Ich wandere auch sehr gerne und habe auch ganz ordentliche Wanderschuhe. Aber ich finde es trotzdem anstrengend, wenn’s bergauf geht, und gerate trotz des besten Schuhwerks ins Schwitzen. Deswegen ist dieses Bild wirklich sehr treffend.

Lassen Sie mich mit den Worten der Kanzlerin schließen: Ich glaube, wir schaffen das, weil es richtig und wichtig ist. – Inklusion ist kein Kinderspiel, ist aber ein Kinderrecht. Und wir sollten alles dafür tun, dass dieses Kinderrecht hier in Nordrhein-Westfalen gut umgesetzt wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 4.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/9787 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Die abschließende Abstimmung soll dann dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Gibt es jemanden, der gegen die Überweisung stimmen oder sich enthalten möchte? – Das ist beides nicht der Fall. Dann haben wir so beschlossen.

Ich rufe auf:

5   Start-up-Kultur stärken – Ressourcen regional bündeln – NRW-Cluster bilden

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9797

Ich eröffne die Aussprache, und Herr Kollege Stein hat für die CDU-Fraktion das Wort.

Robert Stein (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Wenn wir in Deutschland über die Places to be reden, die für Start-up-Gründungen interessant sind, dann fallen den Experten vornehmlich Berlin und München ein. Von Nordrhein-Westfalen oder einem Teil von Nordrhein-Westfalen redet da leider kaum jemand. Die jüngsten Zahlen, die auch der Presse zu entnehmen waren und sind, belegen dies eindeutig.

Folgt man zum Beispiel der „Welt am Sonntag“ vom 21. September 2014, so gab es in Nordrhein-Westfalen bis zu diesem Zeitpunkt rund 400 Start-up-Gründungen. Die „Welt am Sonntag“ vom 20. September 2015, also fast genau ein Jahr danach, spricht von etwas über 400 Start-up-Grün-dungen.

Da Herr Kollmann, der übrigens seit März 2014 der offizielle Beauftragte für die Digitale Wirtschaft in NRW ist, letzteren Artikel, der auch online erschienen ist, mit seinem Twitter-Account anstandslos weiterverbreitet hat, gehe ich implizit davon aus, dass die im entsprechenden Artikel geschilderten Zahlen stimmen. Andernfalls hätte er sie aus der Verantwortung seiner Position heraus korrigieren müssen, was ja nicht geschehen ist.

So lässt sich wiederum anhand der öffentlichen Quellen feststellen: Es gab eine fulminante Entwicklung bei der Zahl der Start-up-Gründungen von rund 400 auf etwas über 400 – nach über anderthalb Jahren im Amt leider eine düstere, magere Ausbeute. De facto ist unter Rot-Grün in NRW nichts passiert. Ein Armutszeugnis der Landesregierung in der Chefsache „Digitalisierung“!

(Beifall von der CDU)

Am 22. September 2015 titelt die „Rheinische Post“: NRW im Gründerranking Letzter. Viele Start-ups sind unzufrieden mit der rot-grünen Landesregierung. Besonders fatal: Ein Drittel der Start-ups denkt sogar über einen Wegzug aus NRW nach.

NRW hat es also wieder einmal geschafft, bei einem Ranking Letzter zu sein. Und dieses Abschneiden auf dem letzten Platz scheint sich mittlerweile zu einer Art morbider Lust nach Versagen zu entwickeln. Aber genau das schadet unserem Land und beraubt es seiner Stärke.

(Beifall von der CDU)

Wir müssen aus Verantwortung heraus an die Zukunft denken. Wir wollen auch morgen noch Beschäftigung, Innovation und Wirtschaftskraft hier in Nordrhein-Westfalen haben, um unseren Wohlstand zu sichern. Experten sehen sogar Potenziale von mehreren 10.000 Arbeitsplätzen durch Start-up-Gründungen, Herr Duin. Davon profitieren wir in unserem Bundesland aber nur, wenn diese Start-ups auch hier in NRW entstehen und sie von hier aus wirtschaften und auch wachsen können. Dafür müssen aber die derzeit brachliegenden Ressourcen aktiviert und genutzt werden.

Von einem digitalen Ruck hier bei uns in NRW hat Herr Kollmann jüngst gesprochen. Bei der letzten Anhörung des Wirtschaftsausschusses in der vergangenen Woche wollten die Experten von NRW.BANK, Bürgschaftsbank NRW, der IHK oder der Start-up-Szene hingegen nichts von einem solchen digitalen Ruck gespürt haben.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Stimmt!)

Ich muss ganz ehrlich gestehen – diese Anmerkung sei erlaubt –: Den einzigen Ruck, den ich bisher verspürt habe, nämlich im Betriebssystem des Kabinetts, war der Streit zwischen Ihnen, Herr Duin, und Minister Remmel um die richtige Wirtschaftspolitik, bei dem wir uns sogar fragen mussten: Wer ist eigentlich der Wirtschaftsminister im Kabinett Kraft?

(Zustimmung von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dabei gibt es sie, die Perlen in der Start-up-Szene, die für uns hier so wichtig sind. Wir haben in Düsseldorf zum Beispiel das junge Unternehmen Just Spices, welches schon gut 90 Arbeitsplätze geschaffen hat. Dort werden Gewürzmischungen hergestellt und über digitale Kanäle mittlerweile international erfolgreich vertrieben.

Ich habe mir dieses Unternehmen – wie übrigens zahlreiche andere in der letzten Zeit – persönlich angeschaut und kann sagen: Ja, es gibt nicht nur diese notwendigen Potenziale, sondern es gibt sie definitiv, diese Perlen der Innovation. Und von diesen Perlen könnte es noch viel mehr geben, wenn jetzt die Weichen nur richtig gestellt würden und wir die Versäumnisse dieser rot-grünen Landesregierung auch bald korrigieren könnten.

(Zustimmung von Josef Hovenjürgen [CDU])

Von einer Korrektur oder gar Unterstützung der Start-up-Szene ist aber seitens der rot-grünen Landesregierung bisher nichts zu spüren. Ich verweise da noch einmal auf die Ergebnisse, die die „Rheinische Post“ am 22. September 2015 entsprechend veröffentlicht hat.

Wenn man die Gründer fragt, welchen Eindruck sie haben, was die Politik für sie bisher in NRW getan hat, dann herrscht, wenn ich mit ihnen rede, im freundlichsten Falle ein Achselzucken vor; andere Stimmen klingen fast schon so frustriert, dass sie auf Kommunikation mit der Politik gänzlich verzichten möchten. Das ist doch ein fatales Signal! Und daran müssen wir arbeiten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Da sage ich auch ganz deutlich: Eine Unterstützung der digitalen Wirtschaft kann nicht lauten, dass die Landesregierung blind einfach flächendeckend fünf Hubs einrichtet und so für eine weitere Zersplitterung der doch oftmals brachliegenden Ressourcen sorgt. Wir schlagen daher vor, zunächst eine Region für eine Clusterbildung zu identifizieren, die über eine geeignete Infrastruktur verfügt, um die Ressourcen dort zu bündeln und positive Effekte für die Start-up-Szene zu erzielen.

In Berlin verstärken sich die Effekte der Start-up-Szene mittlerweile aus sich selbst heraus. In NRW hingegen – so der Eindruck – haben wir bestenfalls ein zartes Pflänzchen, welches man dadurch wachsen lassen möchte, dass man es genau dort mit Wasser versorgen will, wo es noch gar keine Wurzeln hat.

Deshalb fordern wir zunächst die Konzentrierung der Ressourcen auf einen Punkt, um nach einer positiven Entwicklung sukzessive darauf aufbauend andere Regionen mit einem entsprechenden Cluster zu erschließen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Müller-Witt.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer! Mit dem vorliegenden Antrag möchte die CDU-Fraktion offensichtlich ihre Reihe von Anträgen zum Themenfeld „Gründer und Start-ups“ fortsetzen –

(Zuruf von den PIRATEN: Lustig, oder? – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

diesmal mit einem Schwerpunkt auf dem digitalen Wandel und den durch ihn verursachten Strukturwandel.

Der Versuch, dabei zu unterstellen, dass hier vonseiten der Landesregierung Nachholbedarf bestünde, lief erst bei der kürzlich im Wirtschaftsausschuss stattgefundenen Anhörung zum Thema „Gründer“ vollkommen ins Leere. Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet!

(Beifall von der SPD)

So bestätigten in der Anhörung sowohl Handwerkskammer als auch IHK, NRW.BANK sowie Förderbank NRW, dass NRW gut aufgestellt ist.

(Zurufe von Robert Stein [CDU] und Josef Hovenjürgen [CDU])

Mit dem vorliegenden Antrag wird die These aufgestellt, dass in NRW ein Hotspot für Start-ups erforderlich sei, um sich erfolgreich in der Gruppe der führenden Bundesländer behaupten zu können.

(Zuruf von Robert Stein [CDU])

Da werden Metropolen – wenn Sie einmal zuhören, dann können Sie auch der Argumentation folgen – wie Berlin und das Flächenland Bayern mit nur wenigen Städten über 100.000 Einwohnern mit NRW verglichen. Im Gegensatz zu den beiden Bundesländern verfügt NRW über eine auf zahlreiche Regionen verteilte Wirtschaftsstruktur mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Daneben zeichnet sich NRW dadurch aus, dass sowohl Hochschulstandorte als auch außeruniversitäre Einrichtungen ebenso über das ganze Land verteilt sind, aus denen wiederum häufig erfolgreiche Start-ups ausgegründet werden. Diese Ausgründungen profitieren sowohl von der vielfältigen wirtschaftlichen als auch wissenschaftlichen Infrastruktur und generieren sehr wohl die im Antrag angemahnten Synergie- und Emergenzeffekte.

Aus diesen Gründen wird gerade der vom Land gewählte Ansatz, bis zu fünf Hubs aufzubauen, dieser besonderen Struktur unseres Landes gerecht. Die Konzentrierung auf einen einzigen Hub oder Hotspot, wie im Antrag gefordert, würde sich im Gegenteil kontraproduktiv auswirken.

(Zuruf von Robert Stein [CDU])

Die Nähe von Wissenschaft und Wirtschaft,

(Fortgesetzt Zurufe von Robert Stein [CDU])

insbesondere auch zu den KMUs, ist gerade die Stärke von NRW.

Vollkommen außer Acht lässt der Antrag, dass die Landesregierung die digitale Wirtschaft bereits mit weiteren Maßnahmen unterstützt, wie zum Beispiel Digitaler Wandel NRW – Networks, Unterstützungsmaßnahmen für Netzwerke der digitalen Wirtschaft –, Summit, ein jährlicher Kongress als „Tag der Digitalen Wirtschaft“, und First fair, eine Unterstützung von Messeauftritten für Start-ups.

Außerdem befinden sich gerade gemeinsame Projekte von Land und NRW.BANK in Prüfung, nämlich ein Beteiligungsprogramm der NRW.BANK, das Startkapital für digitale Gründer bereitgestellt, und ein Programm für Venture-Kapitalinvestitionen der NRW.BANK für die spätere Start-up- und Wachstumsphase. Es wird also viel getan!

(Zurufe von Robert Stein [CDU] und Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir haben es in NRW nicht mit einer Zersplitterung der Start-up-Landschaft zu tun, sondern mit einer Stärkung und Strukturierung.

Ich hoffe, wir werden im Ausschuss eine konstruktive Debatte haben. Angesichts der Wortbeiträge der beiden Herren dort vorne bin ich aber skeptisch. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Dr. Beisheim.

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Müller-Witt hat ganz zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Antrag die Fortsetzung einer ganzen Antragsserie ist. Wir haben auch in der letzten Anhörung darüber diskutiert.

Herr Stein – Sie waren ja dabei –, Sie hätten diesen Antrag besser vorbereiten und berücksichtigen sollen: Es ist darauf hingewiesen worden, dass der Begriff „Start-up“ zu definieren ist, damit man in den zukünftigen Diskurs über das Thema „Gründungsförderung“ auch die nötige Differenziertheit hineinbringt.

(Robert Stein [CDU]: Junge, innovative Unternehmer!)

– Ja. Im Endeffekt ist es so, dass man, wenn man über das Thema „Start-ups“ redet, diese folgendermaßen definiert: Es sind junge Unternehmungen in der Gründung; sie haben eine innovative Geschäftsidee; sie sind auf schnelles Wachstum ausgelegt; der Einsatz von Fremdkapital ist hoch, und sie haben ein hohes Risikopotenzial.

Falls Sie diese Definition im Kopf haben, wenn Sie speziell über Start-ups reden, muss ich Ihnen entgegenhalten: Sie haben 80 % der Gründungen in Nordrhein-Westfalen außen vor gelassen. Das sind nicht meine Zahlen, sondern Sie können sie bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG nachlesen. Herr Stein, das sollten Sie in Zukunft vielleicht berücksichtigen, wenn Sie uns hier mit weiteren Anträgen zu diesem Thema quälen wollen.

Ich hatte jetzt die Gelegenheit, mich mit den Wirtschaftsjunioren, die bei uns waren, auszutauschen, auch zu Ihrem Antrag. Ich wurde darauf hingewiesen – auch von denjenigen, die Unternehmen haben –, dass sie sich, wenn der Begriff „Start-up“ verwendet wird, außen vor fühlen; denn sie verbinden damit neben der Innovationsfähigkeit auch die Begriffe „Gründung“, „Gründungskultur“ und vor allem „Solidität“. Auch das ist für uns eine wichtige Komponente, gerade wenn wir über Gründungsförderung reden wollen.

Ich darf Sie an den Vertreter der Start-up-Szene erinnern, von dem ich sagen würde, er ist ein klassischer Vertreter. Ihm ist der Satz herausgerutscht – sinngemäß –: Ich möchte in einem Standard-Gewerbegebiet in Nordrhein-Westfalen nicht tot über dem Zaun hängen. – Da haben wir sicherlich einmal kurz schlucken müssen, aber im Endeffekt ist es so: Diese Szene braucht ein gewisses Umfeld. Aber, wie gesagt, neben einem gewissen Umfeld bedarf es zur Steigerung von Innovationsfähigkeit auch einer gewissen Solidität.

Die Frage ist, ob wir den Vorsprung, den die USA bei den Business-to-Customer-Anbietern haben, aufholen können oder ob wir da hinterherhecheln. Aus meiner Sicht ist der Ansatz, den die Landesregierung gewählt hat, nämlich sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, bei der Entwicklung der Digitalisierungsstrategie der richtige.

Aber Ihnen geht es in Ihrem Antrag darum, dass Sie genau die Digitalisierungsstrategie beanstanden, die gefahren wird und die dazu geführt hat, dass es in Nordrhein-Westfalen nicht nur eine Konzentration gibt, sondern mehrere Vernetzungsbereiche geben wird. Ich kann Ihnen die Veröffentlichung von KPMG gern zukommen lassen; denn dort ist das skizziert worden.

Deutschland, und gerade Nordrhein-Westfalen, ist das Land vieler Weltmarktführer, und es ist auch das Land von Business-to-Business-Anbietern im Bereich der Industrie. Das genau ist Nordrhein-Westfalens Stärke, das genau ist der Ansatz, mit dem man die Digitalisierungsstrategie aufzusetzen hat – und das ist auch geschehen.

Es geht um die Vernetzung in allen Bereichen. Es geht auch um die Vernetzung in den Bereichen, die Sie nach Ihrer Definition als „altbacken“ bezeichnen würden. Ja, ich habe auch gegründet, aber es war keine neue, innovative Idee, sondern ich bin Anbieter für Dienstleistungen in der Industrie.

Deshalb muss man sich auch überlegen, differenziert vorzugehen und bei seinen Anträgen etwas mehr Sorgfalt walten zu lassen. Aber ich hoffe, dass wir im Ausschuss im Laufe der weiteren Debatte darüber eine Verständigung darüber hinbekommen, was wir hier – vielleicht gemeinsam – als „Start-up“ definieren.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE):Ich glaube, Sie werden dann auch erkennen, dass die Strategie, die in Nordrhein-Westfalen gefahren wird, die richtige ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Dr. Beisheim. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche hat das Statistische Landesamt eine besorgniserregende Zahl veröffentlicht: Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2015: 0,3 %. Das Wirtschaftswachstum ist also nahezu zum Erliegen gekommen.

Nach Sachsen-Anhalt ist Nordrhein-Westfalen das leistungsschwächste Bundesland. Andere Bundesländer zeigen, dass es besser geht. Das heißt: Dort steigt – im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen – der Wohlstand der Bürgerinnen und Bürger.

Die langanhaltende Wachstumsschwäche hat erhebliche Auswirkungen. Es fehlen Arbeitsplätze. Nicht ohne Grund hat Nordrhein-Westfalen die höchste Arbeitslosenquote aller westdeutschen Flächenländer und steht seit Kurzem sogar schlechter da als Thüringen. Es fehlen Steuereinnahmen. Es fehlen Investitionen in Bildung oder Infrastruktur.

Die Wachstumsschwäche unseres Landes ist aber kein über uns gekommenes Schicksal. Durch Bürokratie, finanzielle Belastungen und schlechte Rahmenbedingungen wird Dynamik verhindert.

Genau eine solche Dynamik benötigt Nordrhein-Westfalen aber, um alle Menschen am wachsenden Wohlstand beteiligen zu können und um unseren Sozialstaat langfristig finanzieren zu können.

Ein wesentlicher Treiber von wirtschaftlicher Dynamik sind Unternehmensgründungen. Start-ups bringen neue Ideen, Fortschritt und Wettbewerb. Sie schaffen Innovationen und neue Arbeitsplätze. Nicht zuletzt sind Gründungen von heute die Steuerzahler von morgen.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Dass Nordrhein-Westfalen auch bei der Gründungskultur nicht gut dasteht, ist hinlänglich bekannt. Vor einer Woche haben wir bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss über die verschiedenen Ideen zur Verbesserung der Gründerkultur mit zahlreichen Experten diskutiert. Die FDP-Fraktion sieht sich dabei zum Beispiel in ihrer Auffassung bestätigt, dass eine effektive Förderung von Start-ups und Unternehmertum bereits in der Schule beginnen muss.

(Beifall von der FDP)

Die Ergebnisse der ICILS-Studie vor rund zwei Jahren waren vor diesem Hintergrund besorgniserregend. Schülerinnen und Schüler in Deutschland schneiden bei der PC-Nutzung im Mittelfeld ab. Bei der IT-Ausstattung in den Schulen sind wir sogar Letzter. Auf dieser Basis kann keine blühende Start-up-Kultur entstehen. Aber auch die bestehenden Fördermodelle des Landes müssen überprüft werden, wenn das Abschneiden Nordrhein-Westfalens im Bereich der Unternehmensgründungen so ernüchternd ist.

Der vorliegende Antrag benennt ein Problem zu Recht: Nach wie vor werden Fördermaßnahmen oder andere politische Projekte altbacken nach Regionalproporz und mit der Gießkanne vergeben. Jeder soll das Gleiche bekommen, damit bloß niemand Grund hat, sich im Nachteil zu fühlen. Das ist aber kein erfolgversprechender Ansatz. Wir haben in Nordrhein-Westfalen unterschiedliche Regionen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichen Stärken. Das ist ja gerade eine Stärke unseres Landes, die gewinnbringend genutzt werden kann.

Ob die starke Medizintechnik oder Life Science im Münsterland, ob Automatisierung und Maschinenbau in unseren Industrie-4.0-Zentren in Ost- und Südwestfalen, Handel und Dienstleistungen in Düsseldorf, der Medienstandort Köln – jede Region von Nordrhein-Westfalen hat Anknüpfungspunkte für eine intelligente Clusterbildung.

Schafft das Land es, diese Cluster klug weiterzuentwickeln und miteinander zu vernetzen, kann davon tatsächlich ein Schub für die Gründungsdynamik ausgehen und damit ein Schub für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. Ein entsprechendes Konzept der Landesregierung ist somit in der Tat überfällig.

In diesem Sinne freue ich mich, dass wir im Ausschuss weiter über das Thema „Gründungskultur und -förderung“ sprechen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und Robert Stein [CDU])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Piraten spricht jetzt Kollege Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne und am Stream! Lernfähigkeit ist eine Angelegenheit der inneren Haltung und nicht notwendigerweise des Alters, heißt es. Das gilt dann wohl auch für die Antragsteller; das freut mich sehr.

In der Vergangenheit war nämlich für Sie stets mehr Wettbewerb, mehr Konkurrenz das Allheilmittel. „Privat vor Staat“ lautete das Credo des schrankenlosen Wettbewerbs. Doch mit mehr Wettbewerb alleine kann man in der Förderung einer Start-up-Kultur nicht weit kommen. Wir begrüßen, dass Sie das in Ihrem Antrag grundsätzlich einsehen. Tatsächlich ist gar von einer Kannibalisierung zwischen den einzelnen konkurrierenden Standorten um eine florierende Start-up-Szene in NRW die Rede. Außerhalb NRWs kann das sowieso niemand verstehen.

Wie richtig diese Feststellung ist, hat uns die Anhörung im Wirtschaftsausschuss zur Gründerkultur in der vergangenen Woche eindrücklich gezeigt. So sehr wir dieser neuen Prämisse zustimmen, so richtig ist es auch, zu erkennen, dass der digitale Wandel zu einer Vielzahl von alles umwälzenden, auch „disruptiv“ genannten Geschäftsmodellen führen wird.

Doch so erschreckend gestrig ist weiterhin Ihr wirtschaftspolitisches Instrumentarium. Ob die Regierung nun gerade schwarz-gelb-, schwarz-rot- oder rot-grün-farbig ist, spielt dabei keine Rolle.

In der Subventionierung der Steinkohle geben Sie Jahr für Jahr weiterhin dreistellige Millionenbeträge aus; 2016 sind es 165 Millionen €. Und der Herr Wirtschaftsminister will es uns als seinen Erfolg verkaufen, wenn er für die Förderung der digitalen Wirtschaft zusätzlich noch 5 Millionen € übrig hat. So wollen Sie also den digitalen Wandel gestalten? Das kann nicht Ihr Ernst sein!

(Beifall von den PIRATEN)

Genau der gleiche Denkansatz aus der digitalen Steinzeit zieht sich durch das gesamte Handeln einstiger und gegenwärtiger Regierungskoalitionen. So diskutieren wir immer wieder aufs Neue darüber, Gewerbegebiete mit Glasfaserkabeln zu versehen. Sehr schön! Nur, der neue Start-up-Gründer wird dort nicht zu finden sein oder – wie es einer der Sachverständigen so schön formuliert hat – dort „nicht tot über dem Zaun hängen wollen“; so hörten wir das in der Anhörung in der letzten Woche.

Dass sich digitale Gründungen heutzutage ganz woanders vollziehen, und dass wir deswegen in NRW ein flächendeckendes Glasfasernetz bis in jedes einzelne Gebäude benötigen – diese Erkenntnis wird offenbar noch einige Zeit brauchen. Aber dann wird es möglicherweise schon zu spät sein. Derweil stecken Sie die knappen Fördermittel in die Technologie der 90er-Jahre, in Kupferkabel.

Zappenduster wird es hingegen, wenn man sich die netzpolitischen Rahmenbedingungen in unserem Land anschaut: Störerhaftung, Netzneutralität, Web-Sperren, Leistungsschutzrecht. – Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen! Sie legen uns hier einen solchen Antrag vor, während Ihre Parteifreunde in Berlin und Brüssel dabei sind,

(Beifall von den PIRATEN)

die Netzneutralität abzuschaffen oder betagte Medienvertriebsmodelle per Gesetz zu subventionieren.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Das kann Herr Stein ja nicht wissen!)

– Stimmt.

Erklären Sie so was mal einem Start-up-Gründer. Der wird es vorziehen, sich den Flüchtlingsströmen von Gründern aus Deutschland in die USA anzuschließen, statt hier in NRW seine Chance zu suchen.

Um es zusammenzufassen: Wir brauchen nicht ein Umdenken hier und da. Wir brauchen einen komplett neuen Denkansatz, was sowohl die Chancen als auch die Risiken des digitalen Wirbelsturms – wie Sie das nennen – angeht. Nicht nur, dass Sie denjenigen nichts anbieten können, die in dieser digitalen Revolution ihre neue Existenzgrundlage suchen, Sie haben auch denjenigen nichts anzubieten, die in den beginnenden Prozessen ihre Existenzgrundlage verlieren werden. Sollten Sie so fortfahren wie bisher, werden das jedenfalls eher mehr als weniger Menschen sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Duin das Wort.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir eingangs eine Bemerkung: Sehr geehrter Herr Schwerd, angesichts der Debatte, die wir heute hier geführt haben, angesichts der Situation, in der sich die Bundesrepublik Deutschland aktuell befindet – wenn Sie da im Zusammenhang mit Gründern von „Flüchtlingsströmen“ in Richtung USA sprechen, finde ich das absolut stillos und unpassend.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP)

Im Übrigen haben Sie leider gar nichts zu dem Antrag gesagt, mit dem man sich ja inhaltlich durchaus auseinandersetzen kann.

Ich will noch einmal auf die Historie dieses Vorschlags, fünf Hubs in einem ersten Aufschlag zu bilden, eingehen. Herr Stein weiß es eigentlich sehr genau, weil er dieses Thema ja nicht erst verfolgt, seit er der CDU-Fraktion angehört.

Ich habe gemeinsam mit Prof. Kollmann einen Beirat Digitale Wirtschaft einberufen, weil ich gesagt habe: Die digitale Strategie, die dieses Land braucht, sollte nicht in den Ministerien erdacht werden, sondern sie sollte gemeinsam mit den Experten, die wir in diesem Land zu diesem Thema haben, besprochen werden.

Ich habe bisher auch keine Kritik beispielsweise an der Zusammensetzung dieses Beirates gehört. Dort sitzen ungefähr 30 Menschen aus sechs verschiedenen Gruppierungen zusammen. Da sitzt die Industrie, da sitzt der Mittelstand, da sitzen Multiplikatoren, da sitzen Start-ups, da sitzen Finanziers, die sich mit der Finanzierung von Start-ups ausgezeichnet auskennen. Sie wollen im positivsten Sinne patriotisch mithelfen, damit Nordrhein-Westfalen aus der jetzigen Situation schnell herauskommt; denn die ist in der Tat unbefriedigend. Das wird überhaupt nicht bestritten; deswegen machen wir das ja.

Dieser Beirat hat dann eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, sieben sehr konkrete Punkte. Jetzt kommen Sie mit diesem Antrag und nehmen sich einen heraus. Da Sie vorhin Umkehrschlüsse gemacht haben, ziehe ich jetzt auch mal einen Umkehrschluss, nämlich dass die anderen sechs Maßnahmen auf Ihre Zustimmung treffen, was ja erfreulich wäre. Diese eine nehmen Sie jetzt aber heraus und sagen: fünf Hubs.

(Zuruf von der CDU)

– Ja, Sie wollen auch noch andere Anträge schreiben; das ist mir schon klar. – Jetzt nehmen Sie jedenfalls dieses eine Thema heraus und sagen, fünf Hubs seien falsch; wir bräuchten nur einen Hub.

Ich bin mal sehr gespannt: Wenn wir das so gemacht hätten – aber das kann man ja nur erahnen – und gesagt hätten: „Wir machen einen Hub“, und hätten irgendwann dazu auch eine örtliche Entscheidung getroffen, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass die CDU-Fraktion die Erste gewesen wäre, die gesagt hätte: Zwei brauchen wir mindestens, einen im Rheinland und einen in Westfalen, damit das auch ordentlich und gerecht ist.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Drei!)

– Und die Kollegen aus Lippe hätten dann den dritten verlangt.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Ja!)

Damit Sie alle auch gleich Klarheit haben: Wir haben jetzt fünf Hubs aufgerufen, weil das die Idee in diesem Beirat war und das auch von den finanziellen Möglichkeiten her eine realistische Größenordnung zu sein scheint. Wir werden das aber nicht nach dem Prinzip „Gießkanne“ machen und, weil wir fünf Bezirksregierungen haben, sagen: Jeder bekommt einen. – So werden wir das nicht machen.

Es geht hier vielmehr wirklich darum, dass wir vor Ort in einem polyzentrischen Land, das Nordrhein-Westfalen nun einmal ist … Wenn ich in Berlin wäre, bräuchte ich natürlich nicht fünf Hubs an verschiedenen Orten, damit die Stadtteile da irgendwie abgedeckt sind, sondern dann kann ich das in der Stadt machen. Die Situation in Nordrhein-Westfalen ist eine grundlegend andere.

Wenn wir uns einerseits klarmachen, was ein Hub eigentlich bewirken soll – nämlich die Start-ups und die Gründungsfinanzierung vorantreiben –, und wenn wir andererseits an die Schnittstellen herangehen zu unserem starken Mittelstand, und wenn Sie sich dann die Struktur des Mittelstandes in Nordrhein-Westfalen ansehen, dann werden Sie sehr schnell feststellen, dass es aufgrund der Unterschiede in den einzelnen Regionen sinnvoll ist, diese Dinge nicht an einem Punkt zu konzentrieren, sondern ins Land hineinzugeben.

Ich bin sehr gespannt, ob beispielsweise Herr Kufen in Essen diese Initiative, die in Essen schon auf den Weg gebracht worden ist, weiterverfolgen wird, nämlich: angefangen bei dem größten Unternehmen, das in der Stadt ist, bis hin zu Start-ups über die örtliche Sparkasse unter Einbeziehung der Universität Duisburg/Essen alle Akteure an einen Tisch zu holen und zu sagen: Wir haben gehört, es soll Hubs geben, und da wird es ein Wettbewerbsverfahren geben; wir in Essen wollen uns auf den Weg machen – alle Akteure zusammen –, wir wollen am Ende den Zuschlag bekommen.

Ich höre das in nahezu jeder Stadt ab 100.000 Einwohnern in Nordrhein-Westfalen mittlerweile, dass sie sagen: Wie werden denn die Bedingungen sein? Wir wollen da gerne mitmachen; denn wir haben durchaus das Potenzial, diese Schnittstelle abzubilden. – Ich bin ganz sicher, dass auch die größten Städte, wo das stärkste Gründungsgeschehen bezogen auf Start-ups festzustellen ist – Köln, Düsseldorf, Dortmund –, ebenfalls mit in die Bewerbung gehen und sagen werden: Wir sind der richtige Ort dafür.

Also, meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend mit einem anderen Beispiel aus der letzten Woche belegen, dass die dezentrale Herangehensweise die richtige ist. Wir haben organisiert, dass wesentliche Akteure sich beim Bund um das Thema „Mittelstand 4.0“ gemeinsam beworben haben; dass die OWL-Initiative, dass Fraunhofer in Dortmund, aber auch die RWTH Aachen ihre Bewerbung abgegeben haben, dass sie dies aber unter einem Dach gemacht haben – und das hat den Erfolg gebracht. Teil der Struktur dieses gemeinsamen Antrages war jedoch, dass es drei Hubs gibt – nämlich einen in Lemgo, einen in Dortmund und einen in Aachen.

Auch das ist ein Beweis dafür, dass die dezentrale Herangehensweise auch bei dem so wichtigen Thema „Start-ups“ für Nordrhein-Westfalen die richtige Wahl ist und wir das nicht auf einen einzigen Ort konzentrieren sollten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. – Das bleibt auch so. Dann schließe ich die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/9797. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Dort soll die abschließende Abstimmung in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ist jemand dagegen? – Nein. Enthaltungen? – Auch nicht. Dann haben wir so entschieden.

Ich rufe auf:

6   Schutzsuchende ans Netz – freien und offenen Internetzugang in den Erstaufnahme- und zentralen Unterbringungseinrichtungen bereitstellen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/9784

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/9882

Ich eröffne die Aussprache, und Herr Kollege Lamla hat für die Piraten das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer am Stream! Die Versorgung von Geflüchteten ist eine der Herausforderungen, der wir uns hier in Europa stellen müssen. Tag für Tag arbeiten viele Tausende Menschen – darunter viele Ehrenamtliche – dafür, den Schutzsuchenden eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen.

Trotz vieler Probleme und Sprachbarrieren halten die Menschen bei uns im Land zusammen und arbeiten daran, unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Dafür haben sie unsere volle Anerkennung und Unterstützung verdient.

(Beifall von den PIRATEN)

Auch in den sozialen Netzwerken organisieren sich die Menschen. Sie gründen Gruppen, sammeln Kleider, sammeln Sachspenden, organisieren Hilfsangebote und Sprachkurse. Ohne das Netz wäre diese schnelle Hilfe oftmals nicht möglich.

Das digitale Zeitalter hat aber nicht nur bei uns vieles verändert. Weltweit gehören Smartphones – und damit der Zugang zum Internet – zum Mittelpunkte des Alltags. So verwundert es nicht, dass die Vertriebenen heute meist nur ein Smartphone bei sich tragen, auf dem jedoch ihre wertvollsten Schätze zu finden sind: Familienfotos, Bilder aus der Heimat, abfotografierte Zeugnisse von Schulen und Universitäten, Geburtsurkunden und nicht zuletzt Telefonnummern und E-Mail-Adressen von Verwandten, Freunden und Begleitern.

Dokumente aus Papier haben in der Regel die Reise über das Meer in einem Boot nicht überstanden – im Gegensatz zu einem kleinen, mehrfach in Folie eingepackten Handy. Meist sind die Inhalte auf den Smartphones der einzige verbliebene Nachweis der Identität der Menschen. Das ist – neben ihrem Leben und ihren Familien – das Kostbarste, was sie noch besitzen.

So verwundert es nicht, dass die Flüchtlingshilfe in der heutigen Zeit auch einen Fokus auf die digitale Teilhabe richten muss. Geflüchtete suchen nach ihrer Ankunft häufig Zugang zum Internet. Man will der Familie in der Heimat sagen, dass man angekommen ist und dass es einem gut geht. Man will auch schauen, wo sich andere Familienmitglieder befinden, die auf der Flucht getrennt worden sind, und ob sie überhaupt noch leben.

Jeder, der einmal erlebt hat, welche Erleichterung in den Augen der Menschen zu sehen ist, wenn ihr Smartphone anzeigt, dass eine Verbindung zum Internet besteht, wird wissen, wie wichtig ein barrierefreier Zugang zum Internet für diese Menschen ist. Wer dann auch noch sieht, wie ganze Familien den Zugang zum Internet nutzen, um aus eigenem Antrieb heraus die deutsche Sprache zu nutzen, dem wird klar, wie groß der Integrationswille ist. Es werden Onlinesprachkurse gemacht sowie TV-Programme und Videos in einfacher Sprache geschaut. Schon die Kleinsten dort versuchen, nachzuplappern, was sie dort gerade hören.

Doch Internetzugänge in Unterbringungen für Geflüchtete sind heute eher die Ausnahme als die Regel. Meist sind es private Personen, die diesen Bedarf erkannt haben und sich darum bemühen, Abhilfe zu schaffen. Allen voran sind hier die Freifunker und Freifunkerinnen zu nennen, die aktuell viel Zeit investieren,

(Beifall von den PIRATEN)

Bewohner in der Nähe von Unterbringungseinrichtungen zu überzeugen, einen Teil ihrer Internetkapazität für Geflüchtete freizugeben – trotz Störerhaftung und anderer Monsterkonstrukte in der Gesetzeswelt. Mit viel Aufwand wird dieses WLAN dann teils über weite Strecken in die Unterkünfte gebracht. Das gelingt aber nicht immer. Auch die Freifunker und Freifunkerinnen sowie die Freifunkvereine stoßen an ihre Belastungsgrenzen.

Diese Situation können wir heute mit einer einfachen politischen Entscheidung verbessern, wenn wir alle der Meinung sind, dass ein Internetzugang neben Strom und Wasser zur Grundausstattung einer Geflüchtetenunterkunft gehören soll. Dann würden wir einen großen Beitrag zur Verbesserung der aktuellen Situation leisten.

Ich würde mich daher freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden. Vermutlich werden Sie das aber nicht tun, da just heute von Rot-Grün ein eigener Entschließungsantrag veröffentlicht wurde. Ich wundere mich schon, dass in diesem ausgerechnet die Telekom so massiv in den Vordergrund geschoben wird. Nur am Rande: Ausgerechnet die Telekom ist es, die mit Abmahnanwälten wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen gegen Freifunkinitiativen vorgeht.

Auch sehr bedauerlich ist, dass nach dem rot-grünen Antrag ausschließlich Regelunterbringungseinrichtungen mit Hotspots ausgestattet werden sollen. Zum einen ist das besonders traurig, weil neben den ca. 20 Regelunterbringungseinrichtungen noch über 100 weitere Notunterkünfte und Zeltstädte in NRW existieren. Diese sollen anscheinend nicht mitberücksichtigt werden.

Der Begriff „Hotspot“ ist zudem vermutlich aus der Feder der Telekom-Marketingabteilung gekommen. Was Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, wahrscheinlich meinen, sind Access Points. Da gibt es einen deutlichen Unterschied vor allem auf der technischen Ebene; denn ein Hotspot lässt keine Konnektivität zwischen den Clients zu. Das ist also genau das Gegenteil der Ziele der Freifunkinitiativen.

Wir werden daher die Forderungen des rot-grünen Antrages in Einzelabstimmungen behandeln und uns bei den Forderungen 1 und 2 enthalten, da wir zwar die grobe Richtung begrüßen, diesen Antrag aber so nicht mittragen werden.

Dem Punkt 3 stimmen wir zu, da die Freifunkinitiativen eine wichtige Schlüsselposition innehaben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Fraktion der SPD spricht Herr Kollege Stotko.

Thomas Stotko (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Recht haben wir in den letzten Monaten mit großer Regelmäßigkeit viele Anträge, die sich mit dem Thema „Flüchtlinge – Integration und Willkommenskultur“ beschäftigen. Gerne kritisiere ich ja auch einmal, wenn die Piraten hier Anträge einreichen, entweder den Antrag selber, seinen Duktus oder was auch immer. Hier will ich für die SPD-Fraktion ausdrücklich sowohl für Ihren Antrag als auch für Ihre Rede, Herr Kollege Lamla, ein Lob aussprechen. Das mache ich, wie Sie alle wissen, selten.

Bis auf den letzten Teil – das will ich jetzt einmal deutlich sagen – war das, was Sie als Grund für diesen Antrag angegeben haben, genau das, was auch uns in unserem Entschließungsantrag umtreibt, nämlich die Tatsache, dass Menschen, die zu uns kommen, schon genug Barrieren vorfinden, wenn es darum geht, sich bei uns einzuleben und den Kontakt zu ihren Familien aus den Fluchtorten zu halten. Da ist diese pragmatische Idee nach unserer Meinung sicher richtig, bei den Unterbringungseinrichtungen generell eine Möglichkeit zu schaffen, kostenlos das Internet nutzen zu können.

Dieses wichtige Ziel einer Willkommenskultur ist eben auch eine Frage von Integration. Es geht, wie Sie zu Recht gesagt haben, einerseits um Sprache, Übersetzungshilfen und Ähnliches. Wir haben aber auch zum Beispiel in meiner Heimatstadt Witten – für zahlreiche andere Kommunen gilt das ebenfalls- ausreichend Apps oder andere Angebote für Flüchtlinge, um Kleidung, Essen und Ansprechpartner zu finden. Alles das kann man nur nutzen, wenn man mit seinem Smartphone irgendwie kostenlos ins Internet kommt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Herrmann zulassen?

Thomas Stotko (SPD): Wenn er das dringend wünscht. – Kollege Herrmann, gerne.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Stotko, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie begrüßen jetzt die barrierefreien Internetzugänge in den Aufnahmeeinrichtungen. Ich möchte Sie fragen: Warum haben Sie das denn vor zwei Jahren, als wir das im Rahmen des Antrags für eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme schon einmal beantragt haben, noch abgelehnt?

Thomas Stotko (SPD): Erstens. Vor zwei Jahren waren wir nicht so weit, wie es jetzt der Fall ist. Zu dem Zeitpunkt sind wir noch fest davon ausgegangen, dass die Menschen nur für einen kurzen Zeitraum in den Unterbringungseinrichtungen sind. Wir wissen inzwischen, dass das nicht unbedingt der Fall ist.

Zweitens. Wir hatten nicht diese große Menge an Unterbringungseinrichtungen.

Sie mögen der Meinung sein, dass man das schon vor zwei Jahren hätte machen können. Letztendlich können wir gerne darüber streiten.

Es bleibt dabei: Die Idee, die in Ihrem Antrag verfolgt wird, ist richtig. Dennoch können wir dem Antrag in dieser Form nicht zustimmen, weil er sehr stark nur auf etwas rekurriert, was wir hier im Sommer gemeinsam gelobt haben, nämlich das Engagement der Freifunkerinnen und Freifunker.

Hätten Sie uns zu diesem Antrag einmal gefragt, hätten wir Ihnen gesagt, was uns nicht gefällt. Dann hätten wir das auch zusammen machen können. Ein solches Ziel haben Sie ja nicht verfolgt, will ich deutlich formulieren.

Deshalb will ich nur noch einmal sagen: Wenn Sie es allein auf Freifunkinitiativen beschränken, finden wir das zu dürftig. Wir stellen auch die Telekom nicht heraus. In unserem Entschließungsantrag steht ausdrücklich, dass wir die Initiativen der Telekommunikationsanbieter unterstützen. Meines Erachtens müssen wir auch die Offenheit haben, dass sowohl Freifunker wie bei mir in Witten eine Notunterkunft versorgen können als auch in anderen Kommunen Freifunker oder Telekommunikationsunternehmen dieses Angebot machen können.

Deshalb waren wir der festen Auffassung, dass wir Ihrem Antrag in dieser Form nicht zustimmen können. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. – Besten Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion der Kollege Hendriks.

Heiko Hendriks (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gute Politik beginnt mit einem Blick auf die Realität. Wie sieht diese Realität aus? Wir haben es heute Morgen gehört: Hunderttausende Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Ungefähr 15.000 Menschen davon kommen pro Woche nach NRW. Das ist eine gewaltige Herausforderung.

Wir haben heute Morgen bestätigt bekommen, dass allein bei der Registrierung dieser vielen Menschen Schwierigkeiten bestehen. Wir haben Schwierigkeiten, ordnungsgemäß erstaufzunehmen. Der medizinische Check-up, die medizinische Erstversorgung, hat eine hohe Priorität. Diese Priorität gilt es zu erfüllen.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen, meine Damen und Herren: Das, was die Piraten hier ansprechen, ist durchaus sinnvoll. Auch Flüchtlinge müssen die Möglichkeit bekommen, unproblematisch das Netz zu benutzen, um Informationen nach Hause zu schicken und Kontakt zu Verwandten und Freunden zu halten. Es stellt sich allerdings die Frage: Welche Priorität hat dies? Ist es eine erste Priorität oder eine zweite Priorität?

Unter Abwägung aller Gesichtspunkte kommt die CDU-Fraktion zu dem Schluss, dass dies zwar ein wichtiges Anliegen ist, aber nicht erste Priorität. Erste Priorität haben eine Registrierung, eine menschenwürdige Unterbringung, der medizinische Check-up, die medizinische Erstversorgung usw. Danach kann man dann auch die Frage stellen: Inwieweit kann das Land helfen, den Zugang zum WLAN auch für Flüchtlinge in den entsprechenden Einrichtungen zu bewerkstelligen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Hendriks, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Olejak zulassen?

Heiko Hendriks (CDU): Ich will gerne erst den Gedanken zu Ende führen. Danach beantworte ich gerne die Frage.

Inwieweit kann das Land helfen, dieses zu bewerkstelligen? Da sind die Idee des Freifunks und vor allem die bisherige Arbeit, die die Freifunkinitiativen leisten, sehr sinnvoll. Diese Idee gilt es durchaus weiterzuverfolgen – auch in dem Sinne, dass das Land dort kooperiert und hilft. Wir kennen Beispiele aus Münster, aber auch aus meiner Heimatstadt Mülheim an der Ruhr, wo der Aufbau von freiem WLAN sehr unbürokratisch und unkompliziert funktioniert. Dann muss das Land auch nicht groß helfen. Es kann vielleicht zusätzlich Hilfestellungen geben, dass diese Freifunkinitiativen entsprechend handeln können.

Meine Damen und Herren, wir haben hier aber nicht nur den Blick darauf zu richten, was es möglicherweise zu schaffen gilt, sondern auch auf die Istsituation zu schauen. Da bleiben wir dabei: Es ist schon eine enorme Herausforderung für uns, überhaupt zu bewerkstelligen, dass die Erstregistrierung funktioniert und dass wir die Menschen menschenwürdig unterbringen. Das gilt für das Land, aber insbesondere auch für die Kommunen. Hier und da geht es in Kommunen nur noch darum, Obdachlosigkeit zu vermeiden.

Im Rahmen dieser Prioritätensetzung sind wir der Überzeugung, dass die Schaffung von WLAN eine Priorität sein kann. Sie steht zurzeit aber noch nicht an erster Stelle.

Der jetzt vorliegende Entschließungsantrag der rot-grünen Fraktionen ist natürlich in erster Linie deswegen entstanden, weil man dem Antrag der Piratenfraktion nicht zustimmen wollte. Er enthält zum Teil Modifikationen. Das hat Herr Lamla hier auch schon dargestellt. Wären Sie von SPD und Grünen tatsächlich so überzeugt davon gewesen, dass das jetzt eine erste Priorität hat, dann hätten Sie den Antrag selber stellen können. Das haben Sie nicht gemacht. Sie sind auf den Antrag der Fraktion der Piraten aufgesprungen.

Credo: Unsere Fraktion wird sich bei beiden Anträgen enthalten, weil wir den Zeitpunkt nicht als den richtigen ansehen, das grundsätzliche Ziel aber durchaus teilen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Jetzt beantworte ich gerne auch die Frage, wenn sie noch aktuell ist.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Das war allerdings, wie ich hinterher festgestellt habe, der Kollege Düngel, der auf dem Platz von Herrn Olejak saß. – Bitte schön, Herr Kollege.

Daniel Düngel (PIRATEN): Wir haben wieder bunt durchgewürfelt. Ich bitte vielmals um Nachsicht, Herr Präsident.

Herr Kollege Hendriks, ich überlege die ganze Zeit – ich bin ja gerne gewillt, noch dazuzulernen –: Wie genau können die Freifunker, die wir in unserem Antrag letztendlich adressieren, wie wir schon festgestellt haben, zum Beispiel bei der Registrierung oder bei der medizinischen Erstversorgung der Flüchtlinge helfen? Nach meinem Verständnis geht das parallel. Vielleicht können Sie mir aber diese Frage beantworten.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege.

Heiko Hendriks (CDU): Ehrlich gesagt, das ist eine sehr ungewöhnliche Frage, die Sie mir stellen; denn das eine hat mit dem anderen nichts tun. Das habe ich auch nicht gesagt.

Bei den Freifunkern ist es aber wie folgt: Was sie tun, ist ehrenamtliches Engagement. Wenn das Land entsprechende Hilfestellungen gewährt, damit der WLAN-Transport in die Flüchtlingsheime durch den Freifunk schnell vorangehen kann, ist das sicherlich eine gute Aktion. Deswegen habe ich unterstrichen, dass die in Punkt 2 Ihres Antrags erhobene Forderung von unserer Fraktion generell begrüßt wird.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Hendriks. – Das war das Ende der Rede, soweit ich es mitbekommen habe.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Bolte.

Matthi Bolte*) (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Hendriks, ich habe, ehrlich gesagt, auch nicht richtig begriffen, was jetzt eigentlich Ihr Problem ist. Sie haben vom falschen Zeitpunkt bzw. einer falschen Priorisierung geredet. Ich meine, der Kollege Lamla hat doch richtig dargelegt, welchen Stellenwert Kommunikation in die Heimat für die Menschen hat, die nach Nordrhein-Westfalen kommen und auf der Flucht vor Verfolgung und Not sind. Dann einfach zu sagen: „Das ist irgendwie nicht der richtige Zeitpunkt; das passt uns jetzt nicht in den Kram; die haben doch alle Smartphones“, finde ich schwierig.

Nichtsdestotrotz scheinen wir mit unserem rot-grünen Entschließungsantrag gar nicht so falsch zu liegen. Wenn die CDU sagt, wir gingen viel zu weit, und die Piratenfraktion sagt, wir gingen nicht weit genug, scheint es wohl so zu sein, dass wir es einigermaßen getroffen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es gut, dass im bisherigen Verlauf der Debatte deutlich wurde, dass wir uns in der Zielrichtung einig sind und dass wir uns auch darin einig sind, dass Smartphones und die Kommunikation in die Heimat mit den Angehörigen, mit Familienmitgliedern, mit Freundinnen und Freunden gerade für Menschen, die auf der Flucht vor Verfolgung und Not sind, eine sehr hohe Relevanz haben und dass sie darin unterstützt werden müssen.

Jeder von uns kennt das: Nach einer längeren Reise geht natürlich der erste Griff zum Handy, und wir sagen unseren Lieben zu Hause, dass wir gut angekommen sind. Nun ist – das will ich überhaupt nicht verkennen – eine Reise, wie wir sie kennen, mit einer Flucht vor Verfolgung und Not überhaupt nicht vergleichbar. Diese Menschen sind in eine ungewisse Zukunft aufgebrochen. Sie haben ihre Heimat, ihre Freunde und ihre Angehörigen zurückgelassen. Manche haben auf dem Weg Familienangehörige aus den Augen verloren. Ihre Freunde und die Menschen, die ihnen unterwegs geholfen haben, sind vielleicht in einem anderen Land gestrandet.

Sie brauchen den Kontakt, und sie brauchen die Unterstützung. Dabei wollen wir sie natürlich unterstützen; denn wir sehen auch, dass Smartphones oft die einzige Verbindung dieser Menschen zu ihren Angehörigen sind. Darüber hinaus sind sie auch ein Speicher für relevante Dokumente und wichtige private Erinnerungen.

Wir wollen diese Verbindungen erleichtern. Da wollen wir Brücken zwischen den Welten schlagen. Gerade für Menschen, deren Flucht hier in Nordrhein-Westfalen ihr vorläufiges Ende findet, sind Dienste wie Skype und WhatsApp ein wichtiger Weg der Kontaktaufnahme. Über freie WLAN-Zugänge kann das kostenlos erfolgen. Dadurch schaffen wir massive Erleichterungen für diese Menschen.

Insofern ist Kommunikation per Smartphone längst kein Luxusprodukt mehr. Viele von uns kennen das aus Debatten, in denen es heißt: Die haben doch alle Smartphones. Die leben hier ja in Saus und Braus. – Das ist natürlich nicht so. Ich finde es gut, dass solche Ressentiments in dieser Debatte nicht gefallen sind. Denn natürlich ist Kommunikation per Smartphone kein Luxusprodukt. Vielmehr erleichtern Smartphones Menschen, die eine wirklich schlimme Flucht hinter sich haben, die Kontaktaufnahme in die Heimat. Außerdem – auch in dieser Hinsicht spielen sie eine ganz wichtige Rolle – erleichtern sie durch viele Angebote konkret die Integration vor Ort.

Der Kollege Lamla hat uns gerade dafür kritisiert, dass wir in unserem Entschließungsantrag die Telekommunikationswirtschaft und ihre Initiativen begrüßt haben. Das eine zu tun, heißt natürlich nicht, das Engagement der anderen kleinzureden. Das will ich an dieser Stelle ganz klar sagen. Deshalb haben wir in unserem Text auch ganz eindeutig erwähnt, dass das Engagement der einen nicht zulasten des Engagements der anderen geht. Aber wir sagen schon: Die aktuelle Flüchtlingssituation ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Daran müssen auch alle mitwirken.

Deswegen ist es auch in Ordnung, erst einmal zu begrüßen, was beispielsweise die Deutsche Telekom gemacht hat. Ich habe sie von diesem Pult aus schon oft genug kritisiert. In diesem Zusammenhang hat sie aber, wie ich finde, etwas durchaus Richtiges gemacht. Sie hat nämlich gesagt: Wir beteiligen uns daran. – Auch Unitymedia hat das gesagt. Das darf man dann auch durchaus einmal lobend erwähnen, finde ich, ohne das Engagement der Freifunkerinnen und Freifunker kleinreden zu wollen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Lamla zulassen?

Matthi Bolte*) (GRÜNE): Sehr gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Lukas Lamla (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Bolte, für die Zulassung der Zwischenfrage. – Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich lediglich die prominente Heraushebung der Deutschen Telekom in diesem Antrag kritisiert habe, nicht das Engagement der Kommunikationswirtschaft an sich?

Matthi Bolte*) (GRÜNE): Ja, das nehme ich zur Kenntnis. Ich würde mich natürlich freuen, wenn Sie im Gegenzug zur Kenntnis nehmen würden, dass wir hier keine Marketingveranstaltung für die Deutsche Telekom gemacht haben und auch keine Veranstaltung, die das Engagement der einen oder anderen Seite kleinreden will.

Lieber Herr Kollege Lamla, wenn man an die Textarbeit geht, kann es immer vorkommen, dass Sie an der einen oder anderen Stelle andere technische Begriffe wählen und sagen würden: Statt „Hotspots“ hätte man eigentlich „Access Points“ schreiben müssen. – Wir wissen ungefähr, was damit gemeint war, glaube ich. Ich bin gern bereit, das zuzugestehen. Das ist völlig okay.

Nichtsdestotrotz sind wir uns wohl in der Zielrichtung einig. Gerade bei den Regelunterbringungseinrichtungen ist es wichtig, zu sagen, dass es tatsächlich um Standardfragen geht. Insofern finde ich es sehr relevant, dass wir das in unserem Antrag wirklich als Standard vorgesehen haben. Meiner Ansicht nach gehen wir auch tatsächlich ein Stück weit über das hinaus, was in Ihrem ursprünglichen Antrag steht.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Das war jetzt das Ende der Antwort? Das müssen wir ja bei der Zeitmessung berücksichtigen.

Matthi Bolte*) (GRÜNE): Ja, das war das Ende der Antwort, sehr geehrter Herr Präsident.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Gut. Dann können wir jetzt wieder die Uhr einstellen. – Danke schön.

Matthi Bolte*) (GRÜNE): Wenn Sie erlauben, würde ich gerne noch den letzten Satz sagen. Darf ich? – Gut.

Die Ministerpräsidentin sagte heute Morgen, dass auf die Wochen und Monate der Willkommenskultur, die jetzt hinter uns liegen, nun Jahre des Willkommens und der Integration folgen müssen. Das Internet bietet dafür großartige Möglichkeiten. Nutzen wir sie! – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Hendriks hat, wie ich finde, hier sehr gute Ausführungen gemacht. Ich habe heute Morgen in der Generaldebatte die Unterschiede, die zwischen uns und der CDU bestehen, deutlich gemacht. An dieser Stelle habe ich hingegen nicht viel hinzuzufügen.

Ich möchte nur noch einmal sagen, dass es ausgesprochen gut ist, privatwirtschaftliches Engagement zu haben, das dafür sorgt, dort, wo es möglich ist, tatsächlich WLAN zu empfangen. Ich finde es toll, dass sich Ehrenamtler wie die Freifunker engagieren. Das ist wertzuschätzen; das ist gar keine Frage.

Nichtsdestotrotz ist es in der momentanen Situation, in der wir versuchen, Obdachlosigkeit zu vermeiden, das falsche Signal und die falsche Herangehensweise, den Internetzugang obligatorisch für alle Einrichtungen zu fordern.

Deswegen lehnen wir den Antrag der Piraten ab und enthalten uns bei dem Entschließungsantrag von Rot-Grün. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für diejenigen, die bei uns Schutz suchen, ist der Zugang zum Internet elementar wichtig. Es geht dabei nicht um Wissensverbreitung und Wissensvermittlung. Vielmehr ist es oft – es ist schon gesagt worden – die einzige Möglichkeit, mit Freunden und der Familie Kontakt zu halten.

Es geht auch nicht darum, dass jemand als Flüchtling freies Internet bekommt, während andere dafür bezahlen müssen, sondern darum, dass diese Form des Internetzugangs helfen kann, die Integration von Schutzbefohlenen zu fördern. Es gibt bereits gute Beispiele, nämlich

,Apps, die dolmetschen, und Integrationsapps der Kommunen, in denen den Flüchtlingen Integrationsangebote und -maßnahmen mitgeteilt werden.

Ziel der Landesregierung ist, möglichst alle Erstaufnahme- und Zentralen Unterbringungseinrichtungen mit einem solchen freien und offenen Internetzugang auszustatten.

Wie schon gesagt worden ist, gibt es bereits einige WLAN-Hotspots, beispielsweise durch die Freifunkinitiative. Es gibt auch mit der Deutschen Telekom vereinbarte Ausstattungen.

Meine Damen und Herren, zukünftig soll die Versorgung mit kostenfreien WLAN-Hotspots in allen dauerhaften Unterbringungseinrichtungen des Landes als Standard für die Betreiber vorgegeben werden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir sind am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen erstens über den Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/9784 ab. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/9784. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Die CDU. – Ich frage noch einmal: Wer stimmt mit Nein? – Die FDP-Fraktion.

(Zurufe von der SPD: Wir auch! – Zuruf von den PIRATEN: Jetzt ist es vorbei! Das hat keiner gesehen!)

Mit Ja haben die Piraten gestimmt. Und Enthaltungen?

(Zuruf von den PIRATEN: Hammelsprung! Aufstehen!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Ergebnis ist: Die Piraten haben dem Antrag zugestimmt. Die FDP-Fraktion hat den Antrag abgelehnt.

(Zurufe)

Ich bitte, mir das noch einmal mitzuteilen. – Jetzt haben wir das Ergebnis: Zustimmung bei den Piraten; Ablehnung bei SPD, Grünen und FDP; Enthaltung der CDU-Fraktion.

(Zurufe: Ah! – Beifall von der SPD)

Damit ist der Antrag Drucksache 16/9784 abgelehnt.

Das war die Übung. Wir haben nämlich noch vier weitere Abstimmungen. Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag der Fraktion von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/9882 ab.

Die Fraktion der Piraten hat zu diesem Antrag Einzelabstimmung beantragt. Da diese Fraktion nicht die Antragstellerin ist, muss ich gemäß § 42 Abs. 1 GO feststellen, ob hiergegen Bedenken erhoben werden. Werden dagegen Bedenken erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Einzelabstimmung über den im Beschlussteil des Entschließungsantrags Drucksache 16/9882 aufgeführten Punkt II.1. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist Punkt II.1 mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Piratenfraktion angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den im Beschlussteil des Entschließungsantrags Drucksache 16/9882 aufgeführten Punkt II.2. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist Punkt II.2 mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Piratenfraktion angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den im Beschlussteil des Entschließungsantrags Drucksache 16/9882 aufgeführten Punkt II.3. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist Punkt II.3 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Piraten bei Enthaltung der CDU-Fraktion angenommen.

Wir kommen nun zur Gesamtabstimmung über den Entschließungsantrag Drucksache 16/9882. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/9882 mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Piratenfraktion angenommen.

Wir kommen zu:

7   Erstes allgemeines Gesetz zur Stärkung der Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9761

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Landesregierung Herrn Minister Schneider das Wort.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Inklusion braucht Orientierung. Inklusion benötigt einen Leitfaden zur Stärkung des inklusiven Bewusstseins bei den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, ja in der gesamten Gesellschaft.

Mit unserem Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ haben wir die Grundlagen geschaffen. Mit dem hier zu diskutierenden Inklusionsstärkungsgesetz gehen wir einen weiteren Schritt auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen. Dabei geht es allein in NRW um die Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe von mehr als 2,7 Millionen Menschen.

Wir geben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen und Eigenbetrieben von Land und Kommunen, in den Universitäten, aber zum Beispiel auch beim WDR eine verbindliche Richtschnur für ihr inklusives Handeln. Gleichzeitig verbessern wir den Schutz der Menschen mit Behinderung vor Diskriminierung, und wir stärken ihre Beteiligungsrechte getreu dem Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“. Wir unterstützen die Selbstständigkeit und selbstbestimmte Lebensführung durch eine Orientierung am Prinzip „Hilfen aus einer Hand“.

Von zentraler Bedeutung sind uns die Stärkung der Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung und die Schaffung umfassender Barrierefreiheit und Zugänglichkeit. Hierzu nenne ich als Beispiel die Stärkung der Rechte von Eltern mit Behinderung in Schulen und Kindertageseinrichtungen durch den Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscher zum Beispiel beim Elternsprechtag oder die Sicherstellung notwendiger Hilfen im Einzelfall. Das kann beispielsweise den Zugang für Rollstuhlfahrer zu Veranstaltungen oder Induktionsschleifen in Sitzungen für Menschen mit Hörbehinderung betreffen.

Ich nenne als weiteres Beispiel selbstbestimmte geheime Wahlen durch die Finanzierung von Wahlschablonen zur Unterstützung der selbstständigen Ausübung des Wahlrechts von blinden und sehbehinderten Menschen. Menschen mit Lernschwierigkeiten sollen Mitteilungen der Verwaltung in leicht verständlicher Sprache erläutert bekommen. Selbstbestimmtes Wohnen von Menschen mit Behinderung wird gestärkt und auch vereinfacht.

Ich nenne ferner die Stärkung der Beteiligungsrechte von Menschen mit Behinderung zum Beispiel durch die rechtliche Verankerung des Inklusionsbeirats auf Landesebene. Die Beteiligung von Menschen mit Behinderung nehmen wir sehr ernst. Wir haben im Inklusionsbeirat sowohl die Eckpunkte als auch den vorliegenden Gesetzentwurf selbst vorgestellt.

Im Rahmen der anschließenden Verbändeanhörung haben wir rund 200 Stellungnahmen von Organisationen von Menschen mit Behinderung ausgewertet. Nahezu alle haben die Vorlage des Gesetzentwurfes im Grundsatz begrüßt. In einer Reihe von Punkten haben wir aber auch kritische Anregungen aufgegriffen.

Meine Damen und Herren, ich lebe seit vielen Jahren im östlichen Ruhrgebiet, einer Region, in der die Menschen Klartext sprechen und manchmal alltagsphilosophische Bewertungen von sich geben. Einer dieser Alltagsphilosophen ist der hoch geachtete Adi Preißler, der durch folgenden Satz berühmt geworden ist: Grau ist alle Theorie – entscheidend is auf‘m Platz.

(Beifall von allen Fraktionen)

Ein anderer großer deutscher Philosoph, ein Geistestitan, hat das, was Adi Preißler in seiner Sprache ausgedrückt hat, so formuliert: Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Mir war jetzt klar, dass diese Seite des Parlaments klatscht, die andere Seite nicht

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

– vielleicht auch aus Unkenntnis. Das vermag ich an der Stelle nicht zu bewerten.

Übertragen auf den vorliegenden Gesetzentwurf bedeutet dies: Viele Konzepte können entwickelt werden. Entscheidend ist, dass sich am Ende des Tages die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung positiv ändert.

(Beifall von allen Fraktionen)

Ich denke, mit dem vorliegenden Entwurf sind wir hier auf der richtigen Seite.

Meine Damen und Herren, ich wünsche den Beratungen zum Inklusionsstärkungsgesetz in diesem Parlament einen konstruktiven Verlauf und verabschiede mich gleichzeitig als Sozialminister des Landes von Ihnen mit einem herzlichen Glückauf. Sorgen Sie weiter dafür, dass NRW das soziale Gewissen der Republik bleibt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Langanhaltender Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

– Nun klatschen Sie nicht zu viel. In Preußen ist Schweigen das höchste Lob. Aber man freut sich dennoch.

(Heiterkeit)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. Herr Minister Schneider, ich möchte diese Gelegenheit nutzen, mich im Namen des Präsidiums und sicherlich auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich bei Ihnen für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren zu bedanken. Wir wünschen Ihnen für den neuen Lebensabschnitt alles Gute, persönliches Wohlergehen, eine stabile Gesundheit und hoffen, dass Ihr Knie wieder wird.

(Heiterkeit)

Das haben Sie selber angesprochen. In dem Sinne vielen Dank insbesondere für die gute Zusammenarbeit hier in unserem nordrhein-westfälischen Parlament! Alles Gute für die Zukunft!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Vielen Dank, Herr Präsident, für die guten Wünsche. Aber es ist schon bemerkenswert, wie man mit einem Knie in die meinungsbildende Presse der Republik kommt. – Danke schön.

(Heiterkeit und Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Neumann.

Josef Neumann (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Schneider hat in seinem Redebeitrag bereits Eckpunkte und Ziele des heute hier eingebrachten Inklusionsstärkungsgesetzes genannt. Ich möchte dies nicht alles wiederholen.

An dieser Stelle ist für mich vielmehr der Moment gekommen, einen Dank auszusprechen, nämlich dafür, dass Nordrhein-Westfalen mit dem Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ und mit der Einbringung des bundesweit ersten Inklusionsstärkungsgesetzes eine Vorreiterrolle einnimmt. Das ist das große Verdienst Guntram Schneiders und seines Hauses. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das erste Inklusionsstärkungsgesetz wird sich als ein Meilenstein erweisen. In einem ersten Schritt, dem weitere folgen, übernimmt das Land bewusst Verantwortung, Anforderungen und Grundsätze der UN-Konvention in Landesrecht zu überführen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellt sich Nordrhein-Westfalen endgültig der fordernden Aufgabe, mit allgemeinen und sozialgesetzlichen Regelungen die Vorgaben der UN-Konvention auf die Bedingungen und Lebenslagen in Nordrhein-Westfalen herunterzubrechen.

Das beinhaltet zugleich eine umfassende Normenprüfung und Anpassung des bestehenden Rechtes, insbesondere zunächst des Behindertengleichstellungsgesetzes. Maßstab ist und bleibt die gleichberechtigte und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung.

Das Artikelgesetz schafft zudem Rechtssicherheit auf der Ebene für die Barrierefreiheit, insbesondere bei dem Thema „Kommunikationshilfen im öffentlichen Raum“.

Lassen Sie mich noch zwei Punkte erwähnen. Ob Menschenrechte im Quartier dauerhaft ein Zuhause haben, entscheidet sich nicht zuletzt an zwei Orten, in der Wohnung und an der Wahlurne. Die Möglichkeit selbstbestimmter Wohn- und Lebensformen und die Chance eigenständiger Ausübung des Wahlrechts scheinen uns selbstverständlich. Gerade weil das so ist, ist deren Herstellung ein Schlüssel zur nutzbaren Freiheit von Menschen mit Behinderung. Die Erleichterung der Wahlrechtspraxis für Menschen mit erheblichen Sehbehinderungen trägt dieser Erkenntnis Rechnung.

Sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Nordrhein-Westfalen durchaus Grund, stolz darauf zu sein, in Sachen Inklusion eine Pilot- und Pionierfunktion in der Bundesrepublik einzunehmen. Dieser Stolz macht uns nicht träge und zufrieden, sondern motiviert uns, dem ersten Schritt systematisch weitere Schritte anzuschließen. Das zeigen wir heute mit der Einbringung des allgemeinen Inklusionsstärkungsgesetzes.

Sehr geehrter Herr Minister, lieber Guntram, wenn man Werkzeugmacher ist, dann muss man sehr oft Sachen machen, die dazu dienen, anschließend etwas herzustellen. Du hast als Minister dieses Landes Nordrhein-Westfalen in der Vorreiterrolle für die Bundesrepublik Deutschland ein Integrationsgesetz gemacht. Du hast dafür gesorgt, dass Nordrhein-Westfalen Motor war in der Schaffung des Mindestlohns in der Bundesrepublik Deutschland. Beim Übergang Schule und Beruf unter dem Thema „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist Nordrhein-Westfalen federführend und trägt deine Handschrift.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer dann, wenn es darauf ankam, sich für Rechtsstaatlichkeit einzusetzen gegen den Mob, der manchmal auf den Straßen gegen Migranten und andere Menschen vorging, hat sich dieser Werkzeugmacher mit klarer Kante auf die Straße gestellt und sich denen, die uns die Demokratie streitig machen wollten, in den Weg gestellt.

Lieber Guntram, herzlichen Dank für deine Tätigkeit auch im Namen vieler Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für die klare Kante! Wir freuen uns auf eine weitere gute Zusammenarbeit mit dem Abgeordneten und Werkzeugmacher Guntram Schneider! – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Preuß.

Peter Preuß (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Neumann, ob sich dieser Gesetzentwurf als Meilenstein herausstellt, wird sich erst noch erweisen. Schaut man in die Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs, dann erkennt man sofort, worum es geht, nämlich um die Sicherung der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.

Hinter diesem Anspruch bleibt der Gesetzentwurf allerdings deutlich zurück. Er scheint so etwas wie eine Verlegenheitslösung zu sein, um drei Jahre nach der Vorlage des Aktionsplanes etwas vorweisen zu können.

Außerdem scheint die Landesregierung den Begriff „Inklusion“ kleinzureden. Denn es geht ja nicht nur um die Anpassung der landesrechtlichen Vorschriften an die UN-Konvention, sondern es geht darum, Teilhabe zu organisieren, dabei sein zu können. Es geht darum, aus dem Blickwinkel der Betroffenen Teilhabe zu ermöglichen und den Zugang zu unserer Gesellschaft für jeden zu gewährleisten – unabhängig vom Grad seiner geistigen oder körperlichen Einschränkungen.

Um es mit dem Kollegen Neumann zu halten, der im Zusammenhang mit der Debatte um das Bundesteilhabegesetz mal ausgeführt hat – ich zitiere etwas verkürzt –: Unser Maßstab an Gesetzgebung in Sachen Inklusion ist die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort, ihr Wunsch auf Teilhabe.

Genauso ist es. Es geht um die Lebenssituation von Menschen. Es geht um ihren Wunsch auf eigentlich selbstverständliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, ohne jedes Mal darum kämpfen zu müssen.

Herr Minister Schneider, Ihr Nachfolger wird im weiteren Gesetzgebungsverfahren klären müssen, wo denn der Lebenswirklichkeit im vorliegenden Entwurf tatsächlich Rechnung getragen wird. An der einen oder anderen Stelle sind Zweifel angebracht.

Schaut man in § 1 des Entwurfs, sieht man: Da werden Träger öffentlicher Belange aufgefordert, die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention zu verwirklichen. Das klingt so, als wollte man sagen: Wir tun da nichts, Träger öffentlicher Belange schaut mal, ob ihr es könnt.

Ohne auf Einzelheiten des Gesetzesentwurfs eingehen zu wollen, sehen wir derzeit Ungenauigkeiten in den Formulierungen, Ermessensspielräume, Kann- und Soll-Vorschriften – mit Formulierungen wie „man solle darauf hinwirken“ und „man sei gehalten“. Oder anders ausgedrückt: Man müsste mal dieses oder jenes tun. Meine Damen und Herren, auch Sanktionen finden sich in dem Gesetzentwurf an keiner Stelle.

Wir werden im Rahmen der weiteren Beratungen im Ausschuss selbstverständlich an diesem Gesetz mitarbeiten. Wir wollen allerdings, dass ein Gesetz entsteht, das den Anspruch erhebt, Inklusion zu garantieren. Wir wollen die Normsetzung weitgehend verbindlich gestalten.

Ich will nicht verschweigen, dass es in diesem Gesetzentwurf eine Reihe von Punkten gibt, die wir ausdrücklich begrüßen. Die sind auch von Herrn Minister Schneider vorgetragen worden, zum Beispiel die Einführung von Wahlhilfeschablonen, aber auch das von uns seit nun drei Jahren beantragte Anrecht gehörloser Eltern auf Gebärdendolmetscher für Gespräche in Kitas, Schule und Ähnliches. Aber es gibt auch viele andere Punkte, die kritisch zu hinterfragen und aus unserer Sicht noch nicht ausreichend geregelt sind, zum Beispiel die Frage nach den Schülerfahrtkosten und der Fürsorgepflicht gehörloser Eltern in Kita und Schule.

Auch die Frage nach dem Inklusionsbeirat ist noch im weiteren Verfahren zu erörtern. Wir werden die Frage stellen, ob die tatsächlich Betroffenen die Maßnahmen der Landesregierung aushandeln, prüfen, missbilligen, oder ob allein die Vertreter von Kommunen, Einrichtungsträgern, Dienstleistern und Gewerkschaften hierbei das Sagen haben, insbesondere wenn das Ministerium auch noch die Fachbeiräte mit selbstgewählten Experten besetzen kann. Das ist nämlich alles wichtig für die Mitsprache der Menschen, die mit einer Beeinträchtigung leben.

Der Gesetzentwurf muss an wesentlichen Punkten überarbeitet werden. Wir werden im Rahmen unserer weiteren Beratungen im Ausschuss im Gesetzgebungsverfahren daran mitwirken und unsere Vorschläge machen. Wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss.

Meine Damen und Herren, am Schluss der Rede möchte ich, wie das auch mein Vorgänger getan hat, mich persönlich, aber auch für meine Fraktion recht herzlich bei Ihnen, Herr Minister Schneider, für die gute Zusammenarbeit bedanken.

Wir waren uns nicht immer einig. Das liegt in der Natur der Sache. Aber die Auseinandersetzung und die Zusammenarbeit waren stets fair. Dafür möchte ich mich auch im Namen der Kollegen recht herzlich bedanken.

Man kann auch sagen: Wenn wir Sie als Opposition sozusagen mit dem Rücken an die Wand gebracht haben, haben Sie sich immer als tapferer Schneider erwiesen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen – Minister Guntram Schneider: Dann haben wir die Wand verschoben!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Frau Kollegin Grochowiak-Schmieding.

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister Schneider, mit dem Aktionsplan der Landesregierung „NRW inklusiv“ wollen wir das Ziel, die inklusive Gemeinschaft in unserer Gesellschaft, die inklusive Gesellschaft als solche schrittweise erreichen.

Viele der darin beschriebenen Maßnahmen werden bereits umgesetzt: Beteiligung, Beratung und Unterstützung sind unter anderem durch den Inklusionsbeirat, durch das Lotsensystem und auch durch die Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben gewährleistet, die wir bereits im Lande haben. Ich erwähne dies nur als einige Beispiele dafür, wie der NRW-Aktionsplan funktioniert.

Als Teil der Kampagne zur Bewusstseinsbildung ist gerade erst vor wenigen Wochen der erste Inklusionspreis NRW verliehen worden. In unterschiedlichen Kategorien wie Arbeit, Freizeit, Kultur wurden herausragende Initiativen für ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Inklusion ausgezeichnet. Dabei wurden in der Tat tolle Aktivitäten bekannt, die auch zur Nachahmung inspirieren. Das ist für die Kampagne zur Bewusstseinsbildung wichtig.

Denn an solchen Beispielen wird deutlich, wie viel Spaß Inklusion macht und wie Inklusion unserer Gemeinschaft guttut. Sie ist nicht nur ein Thema für einige wenige, sondern ein Thema für uns alle. Denn wir alle haben daran teil.

Als weitere Maßnahme im Katalog des Aktionsplans werden Normprüfung und Normprüfungsverfahren genannt. Dass die Landesregierung nun das Erste allgemeine Gesetz zur Stärkung der Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen, also das Inklusionsstärkungsgesetz, einbringt, ist ein Teil hiervon.

Hierin werden allgemeine Grundsätze, Behindertengleichstellung, Kommunikationshilfeverordnung und Wahlrecht zeitgemäß formuliert. An dieses Gesetz – da können wir uns alle ganz sicher sein – knüpfen die Menschen mit Behinderung, deren Angehörige, aber auch ihre Interessenvertretung, die Verbändevertretung, hohe Erwartungen. Menschen mit Behinderung soll die gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht werden. Dazu gehören einfaches Wählen trotz Sehbehinderung, Unterstützung bei Elterngesprächen für Hörbeeinträchtigte sowie selbstbestimmtes Wohnen trotz Beeinträchtigung.

Dieses Inklusionsstärkungsgesetz – das ist wichtig – beschreibt keine neuen Aufgaben, sondern es konkretisiert Maßnahmen, die die Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen. Das Gesetz richtet sich insbesondere an die Träger der öffentlichen Belange im Land und an die Kommunen. Es sind nicht nur die Kommunen genannt, sondern auch das Land, Herr Preuß. Sie haben das eben ein bisschen eingeschränkt vorgetragen. Diese tragen also in mehrfacher Hinsicht auch Verantwortung. Denn vor Ort werden die Barrieren abgebaut und dort wird gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht.

Natürlich haben öffentliche Einrichtungen auch eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Menschen mit Behinderung fördern und unterstützen ist das Ziel. Ein gutes Beispiel – das ist vorhin schon erwähnt worden – hierfür ist das, was wir in NRW vorangebracht haben. Das sind die Angebote für selbstbestimmtes Wohnen und Leben. Bereits seit 2003 haben die beiden Landschaftsverbände die Zuständigkeit für die Leistungsgewährung beim Wohnen erhalten. Seitdem konnte in NRW das Angebot an betreutem und selbstständigem Wohnen deutlich erweitert werden. Der weitere Zubau an Heimplätzen konnte gestoppt werden.

Heute leben in NRW bereits mehr Menschen im ambulant betreuten Wohnen und im selbstständigen Wohnen mit Assistenz als in Wohnheimen. Damit ist NRW ganz klar Vorreiter in der Bundesrepublik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die in den letzten Jahren bereits vollzogene Verlagerung der Organisation von ambulanten Wohnformen für Menschen mit Beeinträchtigung auf die Landschaftsverbände erhält nun die gesetzliche Grundlage.

Wir begrüßen, dass im Gesetzentwurf nun auch die Unterstützung von Eltern mit Hör- und Sprachbehinderungen mit geeigneten Kommunikationshilfen über das Verwaltungsverfahren hinaus gewährleistet wird. Das bedeutet, dass für gehörlose Eltern Kommunikationshilfen wie zum Beispiel Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung gestellt werden, wenn sie an Elterngesprächen in der Kita oder in der Schule teilnehmen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Inklusion ist ein Querschnittsthema durch alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche. Es ist aber auch ein Querschnittsthema über alle Ebenen. Hier sind Bund, Land und Kommune gefordert, ihre Verantwortung anzuerkennen und entsprechend zu handeln.

Wir geben in unserem Land viel Geld für Infrastruktur und Bau von Immobilien aus. Der Standard, den unsere öffentlichen Verkehrsflächen und auch Gebäude – egal, ob öffentlich oder privat – erreichen, sucht seinesgleichen in Europa. Bedauerlich ist nur, dass bei den hohen Investitionen nicht immer darauf geachtet wird, Barrieren zu vermeiden, die die Zugänglichkeit, das Auffinden und die Nutzung erschweren oder gar verhindern. Da steht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eher schlecht da.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich komme zu meiner letzten Bemerkung: Manchmal ist weniger doch mehr. Verstehen Sie mich aber nicht falsch: Ich meine damit, weniger investieren in Hochglanz für einige, dafür mehr investieren in Teilhabe für alle.

Im weiteren Beratungsverfahren kommt sicher noch der eine oder andere Änderungs- oder Ergänzungsvorschlag zur Sprache. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion zu diesem Gesetzentwurf.

Mir seien jetzt noch einige Worte zu unserem Herrn Minister gestattet, dessen Verdienste und Wirken schon mehrfach erwähnt worden sind. Sehr geehrter Herr Minister Schneider, lieber Guntram, ganz besonders und häufig habe ich dein phänomenales Gedächtnis bewundert. Ich hoffe, dass dich das auch in Zukunft nicht im Stich lässt. Denn du sollst ja uns alle in hoffentlich guter Erinnerung behalten. Dass wir dich in Erinnerung behalten, ich denke, dafür sorgst du quasi mit deinem Abschiedsgeschenk, das du uns heute mit dem Inklusionsstärkungsgesetz hinterlässt. Vielen Dank dafür und alles Gute für die weitere Zeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Alda.

Ulrich Alda (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, auf Sie komme ich gleich noch.

Wir Freien Demokraten stehen dafür, dass Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben und für das gesellschaftliche Leben die Teilhabe in allen Lebensbereichen bekommen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Dafür stehen wir.

(Beifall von der FDP)

Darüber hinaus hat sich die Bundesrepublik 2009 mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskon-vention verpflichtet, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung ihre Rechte in Deutschland in vollem Umfang wahrnehmen können. In diesem Sinne ist Inklusion für uns Menschen- und Bürgerrecht.

Insofern greift der vorliegende Gesetzentwurf zur Stärkung der Sozialen Inklusion Forderungen auf, die von einer breiten Mehrheit in unserem Ausschuss getragen werden. Ich glaube, davon können wir tatsächlich ausgehen.

Ein wesentlicher Aspekt des Gesetzentwurfs ist die Kostenübernahme für Kommunikationshilfen wie Gebärdendolmetscher für gehörlose Eltern. Nach der bisherigen Rechtslage besteht nur ein Rechtsanspruch in Verwaltungsverfahren. Minister Schneider ließ sich noch letzte Woche dafür in den Medien feiern, diesen Anspruch auch auf Elterngespräche in Schule und Kita auszuweiten.

Ich möchte aber die Vorgeschichte in Erinnerung rufen. Hintergrund sind Petitionen aus dem Jahr 2011. Maßgebend haben Martina Maaßen und Ulli Alda das in den Ausschuss gebracht, weil das Petitionen von besonderer Bedeutung waren. Bereits 2012 haben wir im AGS die Problematik erörtert. Die Landesregierung hat dabei auf Möglichkeiten einer Kostenübernahme auf freiwilliger Basis verwiesen.

Wir haben hingegen deutlich gemacht, dass wir einen Rechtsanspruch brauchen. Andere Bundesländer sind uns in dieser Frage auf Jahre voraus. Ich nenne Bayern, Berlin, Hessen und Niedersachsen, die schon lange entsprechende Regelungen in ihren Gleichstellungsgesetzen bzw. Verordnungen zu Kommunikationshilfen haben, die eine Kostenübernahme auch für Elterngespräche vorsehen. In Niedersachsen hatte das zum Beispiel noch die CDU/FDP-Landesregierung umgesetzt, also schon vor langer Zeit.

Anstatt 2012 schnell praktische Verbesserungen für die betroffenen Menschen zu erreichen, wurde vielmehr von Rot-Grün der große Wurf mit hehren politischen Zielen in diesem Inklusionsstärkungsgesetz angestrebt.

Ähnlich war die Situation bei den Stimmzettelschablonen für blinde und sehbehinderte Menschen. Auch hier waren uns viele andere Bundesländer voraus. In NRW hingegen gibt es dabei bisher keinen Rechtsanspruch für Landtags- und Kommunalwahlen. Erst mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Änderung von Landes- und Kommunalwahlgesetz eingebracht.

Hinsichtlich der Zusammensetzung des vorgesehenen Inklusionsbeirates – Kollege Peter Preuß sprach das Thema gerade auch schon an – werden wir aufpassen, dass nicht im Inklusionsbeirat die bekannten Rot-Grün nahestehenden Wohlfahrtsverbände gegenüber den Behinderten zur Vermeidung der unbedingt nötigen Selbsthilfe eingestilt werden und dort die Überhand gewinnen.

Weiterhin im Fokus haben wir die Konnexität. Es kann nicht sein, dass Rot-Grün etwa bei Gebärdendolmetschern die Hälfte der Kosten bei den Kommunen ansiedelt, nur weil die Wesentlichkeitsgrenze nach ihrer Definition nicht erreicht ist.

(Beifall von der FDP)

Sie sehen, es ist noch eine ganze Menge an Diskussionspunkten gegeben. Auch der Kollege Peter Preuß hat noch ein paar genannt. Ich will das nicht alles wiederholen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

Lieber Herr Minister Schneider, jetzt noch ein Wort zu Ihnen: Ich habe das den Medien entnommen – Sie haben das dort einmal persönlich gesagt –, dass Sie gar nicht amtsmüde sind, dass Sie nicht krank sind, sondern dass es nur das berühmte Knie ist.

Ich kann Ihnen bestätigen: Sie sind in meinen Augen nicht amtsmüde und auch nicht krank. Das mit dem Knie müssen Sie selbst beurteilen. Ich habe selten einen so vitalen Minister erlebt, der derart bodenständig war und solch schlagfertige Antworten geben konnte. Ich liebe solche Menschen und muss ganz ehrlich sagen: Die Zusammenarbeit war klasse!

(Beifall von der FDP und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und von den GRÜNEN)

Noch ein Wort zum Abschluss. Da wir in einer Altersklasse sind, erlaube ich es mir einmal, „du“ zu sagen – von Uli Alda zu Guntram Schneider: Dir würde ich als Mensch jeden Gebrauchtwagen abkaufen. – Danke. Tschüs!

(Heiterkeit und Beifall von allen Fraktionen)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Ich glaube, wir können inzwischen sagen: Das ist das berühmteste Knie Nordrhein-Westfalens. – Für die Fraktion der Piraten spricht jetzt der Kollege Wegner.

Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Wir Piraten begrüßen den Versuch der Landesregierung, die UN-Behindertenrechtskonvention in geltendes Recht umzusetzen, so wie wir jeden staatlichen Versuch begrüßen, die Menschenrechte einzuhalten. – Aber das war es dann auch schon. Denn mehr als einen Versuch – bestenfalls ein unverbindliches, wohlwollendes Bemühen – kann ich in Ihrem Gesetzentwurf, liebe Landesregierung, nicht erkennen.

An kaum einer Stelle in dem Gesetzentwurf steht, was zur Inklusion und Teilhabe von behinderten Menschen getan werden wird bzw. getan werden muss, sondern fast immer nur, was getan werden soll. Zum Teil sollen zum Beispiel die Träger öffentlicher Belange nicht einmal handeln, sondern werden in dem Gesetzentwurf nur gehalten, zu handeln.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Träger öffentlicher Belange werden in dem Gesetzentwurf gebeten, die Menschenrechte, zu denen die UN-Behindertenrechtskonvention unzweifelhaft gehört, einzuhalten. – Sie werden gebeten, die Menschenrechte einzuhalten!

Menschenrechte sind aber nicht etwas, was man einhalten kann oder soll. Nein, Menschenrechte müssen eingehalten werden! – Punkt und aus.

(Beifall von den PIRATEN)

Die UN-Behindertenrechtskonvention – und somit auch die Inklusion – ist in den Augen der Piraten kein Ideal, das irgendwann einmal wohlwollend verwirklicht werden soll. Nein, die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Minimum, eine Grundlage für staatliches Handeln, auf die das gesellschaftliche Zusammenleben behinderter und nicht behinderter Menschen aufbaut.

In diesem Zusammenhang habe ich sehr viele Probleme mit der Formulierung aus Art. 1 § 5 des Gesetzentwurfs. Ich zitiere:

„Die Herstellung inklusiver Lebensverhältnisse ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Das kann man mit Sicherheit so sehen, und es ist mit Sicherheit auch nicht falsch, doch eine solche Aussage hat meiner Meinung nach in dem Gesetz nichts zu suchen. Denn in dem genannten Paragrafen geht es um das Handeln der Träger öffentlicher Belange, und nicht um gesamtgesellschaftliches Handeln, welches sowieso nicht in einem Gesetz vorgeschrieben werden kann. Den einzigen Sinn, den ich in dieser Formulierung erkenne, ist, dass sich die Träger öffentlicher Belange in Kombination mit den Sollvorschriften hinter der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe verstecken können.

Natürlich kann ich Ihre Intention, liebe Landesregierung, verstehen, im Gesetz bloß nicht zu konkret zu werden. Denn je konkreter die Vorschriften, umso eher werden unabwendbare Kosten entstehen und geltend gemacht. Aber Inklusion darf, da es sich um ein Menschenrecht handelt, nicht von der Kassenlage abhängig gemacht werden. Inklusion muss, solange sie nicht vollständig umgesetzt ist, wie alle anderen Menschenrechte auch, ganz oben auf der Prioritätenliste stehen, auch bei den Finanzen. Denn Inklusion ohne entsprechende finanzielle Mittel funktioniert nicht, wie sich unlängst bei der Inklusion in der Schule gezeigt hat.

Aber davor scheinen Sie, liebe Landesregierung, Angst zu haben. Angst davor, dass es zu teuer werden könnte. Wie, wenn es nicht ums Geld geht, wäre es anders zu erklären, dass Sie durch die Sollvorschriften in Ihrem Gesetzentwurf weit hinter der UN-Behindertenrechtskonvention zurückbleiben?

Sie merken schon: Wir Piraten kritisieren weniger den Inhalt und schon gar nicht das Ziel hinter dem Gesetzentwurf, sondern ausschließlich die Unverbindlichkeit der Vorschriften. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussionen in den Ausschüssen.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich mich noch im Namen meiner Fraktion bei Ihnen, Herr Minister Schneider, für Ihre gute Zusammenarbeit bedanken, trotz aller Differenzen und Streitereien, die entstanden sind, was natürlich völlig normal ist. Ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wegner. – Weitere Wortmeldungen liegen hier nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen ab über den Tagesordnungspunkt 7, und zwar empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend –, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Wer hat etwas dagegen? – Niemand. Gibt es Enthaltungen? – Nein. Damit ist einstimmig so überwiesen, und weitere Debatten sind gewährleistet.

Wir kommen nun zu:

8   Gezielte Förderung nicht nur bei Mädchen – Lebenslagen von Jungen stärker in den Fokus nehmen!

Große Anfrage 14
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8472

Antwort
der Landesregierung
Drucksache 16/9548

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Kern das Wort.

Walter Kern (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Zunächst einmal möchte ich mich bei der Landesregierung für die Beantwortung der Großen Anfrage „Gezielte Förderung nicht nur bei Mädchen – Lebenslagen von Jungen stärker in den Fokus nehmen!“ im Namen der CDU-Fraktion bedanken, auch wenn aus meiner Sicht die eine oder andere Antwort den Eindruck erweckte, dass diese Fragen stören.

Auf eine kurze Formel gebracht: Für mich stellt sich ein Problem. Die Anfrage erkundigt sich nach den Ursachen. Wir haben es mit der Jungen-Förderung sehr ernst gemeint. Die Landesregierung lobt sich teilweise selbst – aber so kommen wir ja nicht weiter. Deswegen müssen wir einmal schauen, wie wir mit den Antworten umgehen.

Einige Antworten der Landesregierung zu der Großen Anfrage sind meines Erachtens von der Grundhaltung gekennzeichnet, eine Jungenthematik nicht aufkommen zu lassen. Das zeigt sich zum Beispiel in der Beantwortung der Frage 2. Jeder, der einigermaßen an der Jungenförderung interessiert ist, muss da enttäuscht sein. Die Antwort bewegt sich vielfach in dem Bereich, der die Lebenswelt und die Räume der Jungen in Nordrhein-Westfalen wenig einbezieht.

In den mir zur Verfügung stehenden fünf Minuten kann ich diese komplexe Thematik nur punktuell behandeln. Es bleibt allerdings festzuhalten: Spezifische Problemlagen oder Bedarfe von Jungen werden in den Antworten nur selten sichtbar. Die Antworten verlieren sich in allgemeinen Äußerungen zur Gender- und Mädchenförderung.

In anderen Antworten dagegen lohnt sich eine Analyse. Für die verschiedenen Zielfelder wie Bildung, Jugendarbeit, Gesundheit, Sport und Bewegung ergeben sich Chancen zur Weiterentwicklung für die tatsächliche Jungenförderung.

Auch ergeben sich aus den Antworten neue Fragen, die wir mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Parteien gerne im Gleichstellungsausschuss und auch mit der Regierung besprechen wollen. Wie findet zum Beispiel die partizipative Praxis in der Jugendarbeit statt?

Es bleibt festzuhalten: Allein in der Jugendverbandsarbeit bestehen eklatante Unterschiede zwischen dem Engagement und der qualitativen und quantitativen Partizipation. Wodurch unterstützt zum Beispiel die Landesregierung die gesellschaftliche Teilhabe von Jungen im Programm „Kein Kind zurücklassen“?

Wir fragen die Landesregierung: Welche konkreten Maßnahmen berücksichtigen die Geschlechtsdifferenzen, wie zum Beispiel häufigeres negatives Bildungsverhalten von Jungen, andere Krankheiten, ein stärker ausgeprägtes Risikoverhalten oder ein stärkerer Bewegungsdrang von Jungen? Wie ist es mit der Tatsache, dass bei Jungen ab etwa zehn Jahren im Vergleich zu gleichaltrigen Mädchen ein deutlich höheres Unfallrisiko besteht, das etwa drei- bis viermal so hoch ist? Das gilt übrigens auch für die Selbstmordrate. Dies sind Fakten, die uns alle sehr nachdenklich stimmen müssen.

Wir erwarten von der Landesregierung konkrete Antworten auf die Frage – das ist wieder ein anderer Themenbereich –, ob in Kitas oder im schulischen Leben alles dem Entwicklungsstand der Jungen Entsprechende im Förderbereich erfolgt und ob die Bildungsbenachteiligung von Jungen, wenn es um den Abschluss geht, abgebaut werden kann. Es muss uns beunruhigen, dass die Ergebnisse bei den Jungen heute nachhaltig schlechter sind. Wir erwarten von der Landesregierung Antworten auf die Frage, ob im Kinder- und Jugendförderplan die Jungenförderung zukünftig stärker berücksichtigt wird.

Ein weiteres Beispiel – das kann ich durchaus unterfüttern –: Gerade in Sachen „Sport und Bewegung im Alltag“ ist sportbezogene Jungenförderung kaum vorhanden. Pädagogen schlagen Alarm, dass im Sportunterricht vielfach die Jungen mangels Bewegung im Alltag weit hinter den Möglichkeiten der Mädchen zurückbleiben. Dieser Tage hat mich noch ein Lehrer darauf hingewiesen. Wir erwarten auch hier Gespräche und entsprechendes Regierungshandeln.

In Gesundheitsfragen bleibt festzuhalten: Was tun wir in Nordrhein-Westfalen spezifisch für die Gesundheit von Jungen?

Abschießend: Es gibt sehr viele Ansätze, die wir in den nächsten Jahren gemeinsam besprechen wollen. Der Ansatz der Landesregierung gibt diese Punkte sicherlich wieder. Ich möchte hinzufügen, dass wir gerade unter dem aktuellen Aspekt, was die Flüchtlinge angeht, junge Männer und Jungen bekommen, die aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes die Gleichberechtigung, die wir hier leben, nicht kennen. Auch da müssen wir noch einmal Ziellinien und Zielhorizonte besprechen, um die Gleichberechtigung zu stärken.

In diesem Sinne werden wir – die Anfrage wird ja nicht an den Ausschuss überwiesen – im Obleutegespräch mit Ihnen zusammen an Einzelpunkten versuchen, den einen oder anderen Ansatzpunkt weiterzuentwickeln, um Gleichstellung tatsächlich zu leben. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion hat das Wort nun Frau Kollegin Jansen.

Daniela Jansen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kern, ich bin ja eine sehr höfliche Vorsitzende. Insofern möchte ich Ihnen zunächst einmal zugestehen, dass es teilweise sehr wichtige und richtige Fragen sind, die Sie in der Großen Anfrage gestellt haben. Auch in der Vorbemerkung gibt es eine Formulierung, die mir sehr gut gefällt. Ich darf sie mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren:

„Es geht … um ein Mehr von geschlechterbezogener Reflexion der verschiedenen gesellschaftlichen relevanten Maßnahmen und Angebote, das hier mit Fokus auf die Jungen angefragt und ausdifferenziert wird.“

Damit bin ich sehr einverstanden. Man muss allerdings sagen: In den wirklich interessanten Themenfeldern, die Sie angesprochen haben, ist die Landesregierung bereits aktiv.

Zu den Einzelheiten Ihrer Anfrage. Es gibt zunächst einmal die Frage nach dem Umgang mit Partizipationshindernissen, also Misserfolgen von Jungen in den verschiedenen Ebenen. Ich glaube, da sitzen Sie einem Missverständnis auf, dass es zwischen Geschlecht und Bildungserfolg einen relevanten statistischen Zusammenhang gibt. Ich glaube das nicht.

In den Kitas, die sich damit beschäftigen, gibt es vielmehr das Konzept, dass die Handlungsfähigkeiten von Kindern gestärkt werden und Kinder auch Widerstandsfähigkeit entwickeln. Der Fachbegriff dafür ist Resilienz. Das Wort gefällt mir sehr gut; deswegen nenne ich es noch einmal. Und das ist unabhängig vom Geschlecht. Man soll mit Frustration umgehen können – egal ob man Mädchen oder Junge ist.

Zum Thema „Individuelle Förderung“. Auch das greifen Sie auf. Hier soll eine Förderung ebenfalls völlig unabhängig davon sein, ob ein Mädchen oder ein Junge gefördert werden muss; denn das Geschlecht ist nur – ich betone das ganz bewusst – ein Merkmal von vielen, das sich auf Potenziale und Talente auswirkt.

Ein spezielles Anliegen haben Sie auch benannt: Die Leseförderung für Jungen und Mädchen. Ich kenne da ein Beispiel aus meinem eigenen Wahlkreis: „ax-o“ – vielleicht sagt Ihnen das etwas. Die haben sich zur Aufgabe gemacht, Jungen zu Vorlesern zu machen. Das ist ein meiner Meinung nach sehr guter geschlechtersensibler Ansatz, der meine Zustimmung findet.

Meine eigene Erfahrung ist auch, dass mein Sohn mehr liest als meine Tochter. Das kann natürlich mit der Auswahl der Lektüre zusammenhängen, wenn man Starwars-Bücher als Lektüre betrachten will. Aber das ist, glaube ich, eine Diskussion, die ich zu Hause führen muss.

Ich komme zu dem Kernthema Ihrer Anfrage und Ihres Interesses: dem schlechteren Schulerfolg von Jungen. Da fand ich die Aussagen des MSW in dem Zusammenhang sehr aussagekräftig. Man darf die etwas schlechteren Werte in Bezug auf Klassenwiederholungen bei Jungen natürlich nicht verharmlosen – ganz sicherlich nicht.

Im Geschlechterverhältnis jedoch spielt das meiner Meinung nach keine Rolle und ist daraus auch nicht zu konstatieren. Da gibt es andere Faktoren, die über den Bildungserfolg entscheiden. Das sind eher soziokulturelle Hintergründe, wie der Bildungsstand der Eltern und die Muttersprache: ob das Deutsch ist oder eine andere Sprache.

Ich empfehle übrigens die Kurzstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft zu dem Thema „Bildungsverlierer“. Da gibt es überhaupt keine Rubrik, die sich mit dem unterschiedlichen Bildungserfolg von Mädchen und Jungen befasst; da geht es nur um soziokulturelle Merkmale.

Da das Thema sehr interessant ist, ich aber nur wenig Zeit habe, springe ich etwas. – Sie bemängeln, dass es weniger männliche als weibliche Lehrkräfte gibt. Dazu muss man sagen, dass die Landesregierung eine spezielle Lehrkräfteanwerbung betreibt und an Unistandorten mit Zentren für schulpraktische Ausbildung auch Aktionstage durchführt.

Interessanter fand ich eigentlich Ihren Punkt bei dem Thema „Gesundheit“. Da haben Sie gesagt, dass das Nichtfunktionieren von Jungen und auch die häufigeren Diagnosen von ADHS oder Asperger-Syndrom auch dem biologischen Geschlecht zuzuschreiben seien. Hierzu würde ich Ihnen gern zwei Sätze aus dem ADHS-Infoportal vorlesen – dahinter steckt die Uniklinik Köln –

„ADHS tritt bei Jungen wesentlich häufiger auf als bei Mädchen ... Die Ursachen dafür sind noch unbekannt. Es wird jedoch vermutet, dass erbliche Faktoren hierfür hauptsächlich verantwortlich sind .... Jungen werden jedoch deutlich häufiger als Mädchen zur Diagnose und Therapie vorgestellt.“

Das liegt aber einfach daran, dass sich Jungen in der Diagnose etwas expressiver verhalten, während Mädchen eher unaufmerksam sind oder eine schüchterne Zurückhaltung an den Tag legen. Ich glaube nicht, dass das wirklich besser ist oder dass sich die Diagnose daraufhin wesentlich verändert.

Es gibt ein paar Punkte, die mich in der Anfrage ein bisschen geärgert haben. Da ist das Thema „wenige männliche Erzieher“. Ich rufe Sie wirklich dazu auf, von der Vorstellung Abstand zu nehmen, dass das biologische Geschlecht der Personen entscheidend dafür ist, ob Kinder Vorbilder haben. Es ist egal, ob es Männer oder Frauen sind. Ich glaube, dass nicht nur Männer Kindern, insbesondere Jungen, ein Vorbild durch ihr Verhalten sein können. Das ist meiner Meinung nach eine veraltete Vorstellung von Genderpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Zum Thema „sexuelle Belästigung“. Ich muss sagen, da haben Sie leider recht. Hier fehlt meiner Wahrnehmung nach tatsächlich ein durchstrukturiertes und überall verfügbares Angebot für Jungen. Das in der Anfrage erwähnte Projekt im Oberbergischen Kreis oder das Theaterstück „Mein Körper gehört mir“ sind sicherlich gute Ansätze. Aber das ist ausbaufähig; denn jedes Kind, das Opfer sexueller Gewalt wird, ist definitiv eines zu viel.

Zum Schluss: Insgesamt zeigen die Formulierungen der Fragen eine teilweise etwas eingeschränkte Sichtweise auf das Thema „Gender“, indem immer noch zu häufig auf das Vorhandensein von männlichen Erziehern, Lehrern und Sozialarbeitern abgestellt wird und diese mit männlichen Rollenvorbildern gleichgesetzt werden. Das kann ich so nicht teilen.

Vielleicht noch eine Klarstellung, weil ich das gerade erwähnt habe: Da ich sowohl einen Sohn als auch eine Tochter habe, stehe ich nicht im Verdacht, nur eine Mädchenmutter zu sein und rein weibliche Interessen zu vertreten. – Ich bin gespannt auf die weitere Diskussion und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Jansen. – Für die grüne Fraktion hat nun Frau Paul das Wort.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Walter Kern, ich glaube, die Große Anfrage und auch die Beantwortung der Großen Anfrage sind durchaus ein guter und geeigneter Aufschlag, um in dieses Thema inhaltlich ein bisschen weiter einzusteigen. Wir haben im Ausschuss für Frauen, Gelichstellung und Emanzipation ähnliche Themen schon auf verschiedene Art und Weise diskutiert.

Jeder und jede, der bzw. die dabei war, wird wissen: Ich habe durchaus nicht bei allen Aufschlägen gedacht, dass sie besonders geeignet seien. In diesem Fall würde ich aber sagen: Damit können wir erst einmal arbeiten; denn das Anliegen ist wichtig, und es ist auch richtig, Jungen und ihre speziellen Lebenslagen in den Blick zu nehmen.

Nichtsdestotrotz muss man auch festhalten, dass Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle durchaus gut und in gewisser Hinsicht auch vorbildlich aufgestellt ist. Wir haben die LAG Jungenarbeit, die in sehr guter Zusammenarbeit mit der LAG Mädchenarbeit das Thema ganzheitlich in den Blick nimmt.

Wir haben die FUMA Fachstelle Gender, und wir haben auch unterschiedliche Projekte aus dem Bereich LSBTTI; denn zu den Lebenslagen von Jungen gehört neben der geschlechtlichen Identität auch die sexuelle Identität. Ich glaube, da sind wir in Nordrhein-Westfalen sehr gut aufgestellt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wichtig ist natürlich auch, zu betonen – bei aller Fokussierung in Ihrer Anfrage; aber ich habe durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass bei den Fragen ganz oft in Klammern „und Mädchen“ stand –: Wir müssen darüber reden, dass Genderpolitik eine Querschnittsaufgabe ist und dass es nicht passieren darf, dass Jungen- und Mädchenarbeit sowie Jungen- und Mädchenpolitik gegeneinander ausgespielt werden.

Das unterstelle ich Ihnen auch gar nicht. Aber es ist relativ einfach, den Schritt zu gehen und zu sagen: Wir müssen jetzt etwas für die Jungen machen, für die Mädchen haben wir doch schon was. – Das Ganze muss ein Nebeneinander und ein Miteinander sein; es darf keinesfalls ein Gegeneinander sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb ist es so wichtig, dass wir im Bereich der Bildung und in der Kinder- und Jungendarbeit in vielfältiger Art und Weise gendersensible Ansätze haben; das heißt Ansätze, die sowohl die Lebenswelt und Lebensrealität von Mädchen als auch die von Jungen – samt allem, was damit sozial und kulturell konnotiert ist – in den Blick nehmen.

Ich denke, so verstanden – mit Blick auf eine Querschnittsaufgabe, mit Blick auf die Lebenslagen von Jungen und Mädchen – sind gendersensible Bildung und gendersensible Jugendarbeit auch ein elementarer Beitrag zur Demokratieerziehung; denn Gendergerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit – wir als Ausschussmitglieder wissen das vielleicht noch besser als manch anderer in diesem Hause – fallen nicht vom Himmel, sondern sie müssen erarbeitet und erstritten und nicht zuletzt auch erlernt werden.

Das gilt gleichermaßen für die Themen LSBTTI und Diversity. Das sind Dinge, bei denen die Bildung einen ganz wichtigen Beitrag leistet, der vielleicht an der einen oder anderen Stelle durchaus ausbaufähig ist. Unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig. Das zeigt sich nicht nur im Bereich der Geschlechter, sondern auch bei LSBTTI und Diversity. Dementsprechend ist es ein Auftrag von Bildung und Demokratieerziehung, dem Rechnung zu tragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Große Anfrage macht noch einmal deutlich, dass nicht nur Mädchen ein Geschlecht haben – sonst reden wir immer von „Mädchenpolitik“ und von „Frauenpolitik“ –, sondern dass sich – erstaunliche Erkenntnis – auch Jungen mit gesellschaftlichen und sozialen Zuschreibungen konfrontiert sehen, die nicht immer zu ihrem Vorteil sind.

Trotzdem müssen wir geschlechterspezifische Auswirkungen auf die Lebensrealitäten von Mädchen und Jungen – ich will es noch einmal unterstreichen – in einem Zusammenhang diskutieren – nicht im Gegeneinander. Sie haben es auch gesagt; die „Bildungsverlierer Jungen“ werden so oft angesprochen.

Wir müssen trotzdem festhalten, dass Frauen nach wie vor weniger verdienen, dass sie nach wie vor in Berufen unterwegs sind, die weniger Karrierechancen mit sich bringen, und dass sie nach wie vor ein eingeschränkteres Berufswahlspektrum haben.

Ein Satz sei auch zu der von Ihnen richtigerweise formulierten Forderung gesagt, wir bräuchten mehr Jungen und junge Männer in sozialen, pflegerischen und erzieherischen Berufen. Dem würde ich mich auf jeden Fall anschließen. Wir wollen mehr Jungen und junge Männer in diesem Bereich haben.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dazu muss es natürlich eine Attraktivitätssteigerung in den Berufsbildern geben, aber nicht – das will ich noch einmal ganz deutlich sagen –, damit wir mehr Jungen und Männer in diese Berufe bekommen, sondern weil sie gesellschaftlich wichtig sind, und weil die Menschen, die dort arbeiten – im Moment sind es eben mehrheitlich Frauen –, das auch verdient haben.

(Beifall von den GRÜNEN und Daniela Jansen [SPD])

Es gilt aber natürlich auch, wie von Ihnen richtigerweise beschrieben, die Jungen in ihren Lebenslagen in den unterschiedlichen Bereichen mehr in den Blick zu nehmen, beispielsweise Jungen und Emotionalität; denn der Spruch „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ ist überholt und veraltet. Selbstverständlich kennen Indianer auch Schmerz, und selbstverständlich dürfen auch Jungen Schmerzen und Emotionen kennen. Diese gilt es in den Blick zu nehmen und gesellschaftlich abzubilden. Immer noch haben Jungs mit Vorurteilen zu kämpfen, dass sie die „harten Männer“ sein müssen. – Das müssen sie vielleicht nicht unbedingt sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben das Risikoverhalten und ebenso die unterschiedlichen gesundheitlichen Aspekte angesprochen. Hier müssen wir die Jungen anders in den Blick nehmen. Das Suchtverhalten stellt sich bei Mädchen und Jungen unterschiedlich dar.

Auch das Thema „sexuelle Gewalt“ muss noch einmal spezialisiert angegangen werden. Ich möchte da den Sport aufgreifen, den Sie in Bezug auf einen anderen Aspekt genannt haben. Der Landessportbund hat mit seinem Projekt „Schweigen schützt die Falschen“ explizit Jungen in den Blick genommen. Das ist eine vorbildliche Herangehensweise. Sonst müsste man bei der Sportförderung vielleicht noch einmal hinschauen, ob es nicht doch eher eine Jungenförderung ist, und ob wir an der einen oder anderen Stelle nicht doch mehr auf die Mädchen achten müssen.

Zusammenfassend sei gesagt: NRW ist bislang gut aufgestellt. Vieles ist auf dem Weg. Trotzdem würde ich sagen: Ihre Große Anfrage ist durchaus ein Steinbruch, in dem wir zu den unterschiedlichsten Bereichen sicherlich noch weiterarbeiten werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Paul. – Nun spricht Frau Schneider für die FDP-Fraktion.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor Kurzem stand in einer Zeitung in meinem Wahlkreis ein Artikel mit der Überschrift „Öl im Feuer des Geschlechterkriegs“. In diesem Bericht schildert die Leiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes des Kreises Unna ihre Erfahrungen, die sie aus den letzten Schuleingangsuntersuchungen gewonnen hat. Fazit: In allen Disziplinen haben deutlich mehr Jungen Defizite als Mädchen.

Eine kleine Kostprobe: Fast jedes vierte Kind hat eine Sprachstörung. Der Anteil der Jungen beträgt rund 30 %, wohingegen der Anteil der Mädchen bei nur gut 19 % liegt. Jedes zehnte Kind fiel durch motorische Defizite auf. Auch hier schneiden unsere Jungs mit knapp 14,5 % wesentlich schlechter ab als die Mädchen mit 6 %. Hier liegt etwas im Argen; denn auch landesweit sehen die Zahlen nicht viel anders aus.

Ich bin meinen Kollegen der CDU-Fraktion in gewisser Weise dankbar, dass sie die Initiative der FDP-Landtagsfraktion in diesem Haus aufgegriffen haben. Wir haben zu diesem Thema bereits zwei Anträge gestellt; einer befindet sich noch im parlamentarischen Verfahren. Mit der Großen Anfrage machen sie sich nun ebenfalls um das ausgemachte Missverhältnis in der NRW-Gleichstellungspolitik Gedanken.

Mein Eindruck hat sich über die Jahre in diesem Haus, über die Jahre mit der rot-grünen Landesregierung verfestigt: Wenn es um Gleichstellungspolitik geht, ist ausschließlich von Frauen- und Mädchenpolitik die Rede.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Bereits in der Vorbemerkung der Antwort der Landesregierung lese ich, dass „ein wesentlicher, die Persönlichkeit prägender und in der pädagogischen Förderung relevanter Aspekt“ das Geschlecht sei – Gedankenstrich.

Bis hier bin ich noch dabei. Danach steige ich aber aus. Die Regierung setzt nämlich nach zitiertem Satz einen Gedankenstrich, um deutlich zu machen, dass wir uns nun und in der folgenden Beantwortung der Anfrage mit dem Geschlecht in biologischer wie auch sozialer Variante zu befassen haben. Ich würde sagen, dass damit schon zu Beginn die falschen Voraussetzungen gelegt werden.

Zur Verdeutlichung darf ich aus einem jüngst im „FOCUS“ veröffentlichten Interview mit dem Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera zitieren. Kutschera antwortet auf die Frage, ob es ein soziales Geschlecht gäbe, das sich dem wissenschaftlichen Zugriff des Biologen entziehe, wie folgt:

„Der Glaube an ein von der Biologie und Evolution des Menschen losgelöstes (…) ‚Gender‘ sei der ‚Kernpunkt der Gender-Mainstreaming-Ideologie‘ und entstamme einer ‚radikalfeministischen Sekten-Esoterik der 1990er Jahre. Sie entbehrt jeglicher naturwissenschaftlichen Grundlage.‘„

(Josefine Paul [GRÜNE]: Kommt darauf an!)

Die weiter folgenden Ausführungen werde ich uns an dieser Stelle besser vorenthalten.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Ich mahne aber, dass wir uns besser mit der Sache, mit konkreten Lösungskonzepten für unsere Jungen, die mittlerweile gänzlich ins Hintertreffen zu geraten drohen, auseinandersetzen und alle weiteren Hirnkonstruktionen hintenanstellen mögen.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Große Anfrage ist in Teilen hilfreich, Missstände vergegenwärtigt zu bekommen. Beispielsweise ist schwarz auf weiß zu lesen, dass Jugendliche männlichen Geschlechts über 15 Jahre drei- bis viermal so häufig wie gleichaltrige Mädchen infolge eines Suizids oder aufgrund einer tödlichen Verletzung aus dem Leben scheiden. Hier schrillen bei mir als Politikerin und als Mutter von drei Kindern sämtliche Alarmglocken. Ich glaube nicht, dass die Maßnahmen, die die Landesregierung dagegen ins Feld führt, ausreichen.

An vielen Stellen müssen wir aber auch in den allerschönsten Wortgirlanden lesen, welch segensreiche Wirkungen beispielsweise Landesprogramme wie „Kein Abschluss ohne Anschluss“ haben oder vor allem, dass sie ja von Anfang an gendersensibel aufgesetzt worden seien.

Unter dem Strich sage ich jedoch: Der Ton macht die Musik. – Und da hören wir leider sehr viele schiefe Töne, beispielsweise von einer Landeshochschulministerin, die demokratisch gewählte Organe wie Verwaltungsräte von Studentenwerken – nein, wir müssen ja jetzt „Studierendenwerke“ sagen – verpflichten will, so oft zu wählen, bis die Frauenquote erreicht ist.

Oder: Wir haben eine rot-grüne Koalition, die auf unsere Initiative hin zwar per gemeinsamen Antrag aller Fraktionen den Boys’Day analog zum schon sehr erfolgreichen Girls’Day aufwerten will, aber mit welchem Ergebnis? – Im Landtag fand nun weder eine Veranstaltung zum Girls’Day noch zum Boys’Day statt. Dafür feiern wir den Weltmädchentag. Die Jungs bleiben dabei auf der Strecke.

Hier läuft etwas schief. Hier wird keine geschlechtersensible Politik gemacht. Die FDP wird nicht müde, dies auch in Zukunft weiter kritisch anzusprechen und zu hinterfragen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und Walter Kern [CDU])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneider. Kommen Sie noch mal ans Pult, Frau Schneider. Es gibt eine Zwischenintervention, angemeldet von der Piratenfraktion, von Herrn Dr. Paul. – Der hat sich jetzt schon aufgeschaltet und kann auch schon seine 1:30 nutzen. Bitte schön, Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin, ich kann Ihre Einwände durchaus verstehen, dass sich dort Dinge im Diskurs befinden. Aber Herrn Kutschera als Referenz zu nehmen, ist keine gute Idee. Er wäre gerne Richard Dawkins. Er ist quasi der deutsche Richard Dawkins für Arme und predigt eine sehr mechanistische biologistische Philosophie. Die Biologie ist nicht unsere einzige Determinante. Das nur als Hinweis. – Vielen Dank.

Susanne Schneider (FDP): Lieber Herr Dr. Paul, ich finde es sehr schade, dass Sie mit meiner erwähnten Quelle nicht ganz einverstanden sind. Das trifft sich ganz gut, ich bin mit Ihren auch nicht immer einverstanden. Insofern sind wir hier quitt.

Aber wichtig ist doch ganz einfach, dass wir jetzt bei allem Schreien nach Frauenförderung, nach Mädchenförderung unsere Jungs nicht außen vor lassen, dass dieses Gender-Mainstreaming zwar ganz hübsch ist, aber, bitte schön, auch mit Blick auf die Jungs, und dass wir diese Jungs, die zunehmend Bildungsverlierer sind,

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

die zunehmend Probleme mit ihrer Gesundheit haben, auch unterstützen und nicht aus den Augen verlieren. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneider. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Olejak.

Marc Olejak (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Liebes Publikum im Saal und am Stream zu Hause! Geschlechterkriege sind hier gerade von Frau Schneider ins Rennen geworfen worden. Die Verbalität nahm auch in Form eines gewissen aggressiven Tonfalls zu.

Das ist genau schon wieder einer der Punkte, wo ich sage: Wir als Piraten nehmen sowohl die Anfrage als auch die Antwort auf die Große Anfrage als weiteren Baustein in dieser gesamten Debatte, wie man insgesamt eine bipolare, gesellschaftlich-hierarchische Geschlechtsqualifikationssystematik – so irre ist diese Definition – einfach mal überwinden kann.

Diese geschlechterbezogene Pädagogik – biologisch, psychosexuell, psychosozial, all dies –: Letztlich geht es doch uns in der Politik auch darum, Mittel und Wege zu finden und zu eröffnen, dass wir die geschlechterspezifischen Rollenstereotype über-winden und nicht noch stärker verfestigen; letztlich.

Wir als Piraten gehen sogar noch einen Schritt weiter und sagen: Das Erziehungs- und Bildungsziel muss es sein, tatsächlich eine Egalität der Geschlechterdemokratie für alle psychosexuellen Individuen dieser Welt hinzubekommen. Ich stehe hier zwar als Kerl, aber ich könnte auch irgendwas anderes sein. Mir ist es egal, was ich bin – ich sehe mich selber einfach nur als menschliches Wesen.

Wie gesagt, danke ich für Ihre Große Anfrage und möchte mich auch ganz herzlich für die Antwort bedanken. So weit von mir. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Olejak. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Steffens das Wort.

Barbara Steffens*), Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines vorab, Frau Schneider: Ein Herr Kutschera, dessen Forschungsschwerpunkte die Symbioseerforschung mit epiphytischen Bakterien als Photosymbionten oder die Phylogenese mehrzelliger Algen sind, ist nicht derjenige, der leitgebend und sinnstiftend ist bezüglich der Ausrichtung unserer Kinder- und Jugendpolitik in diesem Land.

(Zuruf von Susanne Schneider [FDP])

Ich glaube, das ist auch gut so, weil die Forschungsschwerpunkte klar und deutlich erkennen lassen, welch Geistes Kind das ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, zu der Großen Anfrage möchte ich wie folgt Stellung nehmen: Mit der Großen Anfrage 14 der Fraktion der CDU wurde nach der Berücksichtigung insbesondere der speziellen Interessen von Jungen in einer Vielzahl pädagogischer und sonstiger Kontexte gefragt. Mit der Antwort der Landesregierung wird klar und deutlich: In NRW ist der geschlechterdifferenzierte Blick auf Kinder und Jugendliche in vielen Bereichen Standard.

Herr Kern, Sie beklagen, dass an vielen Stellen in der Antwort erst einmal mit „Gender“ geantwortet wird und auf Gender-Expertisen verwiesen wird. Es ist doch klar, dass Gender als das Analyseinstrument dann auch die entsprechenden jungen- oder mädchenspezifischen Konzepte zur Folge hat. Sie haben ja auch eben bei den Redebeiträgen einiger der Vorrednerinnen intensiv genickt, als die Beispiele für Nordrhein-Westfalen gebracht wurden. Ihre nonverbalen Äußerungen waren da zustimmender als Ihre verbalen. Ich will aber trotzdem einige Aspekte hervorheben und auf den einen oder anderen Punkt von Ihnen kurz eingehen.

In der Kinder- und Jugendhilfe ist die Partizipation von Mädchen und Jungen für uns in allen Bereichen selbstverständlich. Sie haben das ein Stück weit eben angemahnt.

Ich will aber kurz noch einmal in der Historie zurückgreifen, Herr Kern; denn als Sie noch mit in der Regierung waren, haben Sie ja selber die Landesinitiative Jungenarbeit NRW vonseiten des Kabinetts mit vorangebracht. Diese Landesinitiative ist in der jetzigen Legislaturperiode komplett mit dem Personal verstetigt worden und übergegangen in die Fachstelle Gender, in der genau diese Jungenexpertise neben der Mädchenexpertise mit dem Genderblick versucht, in allen Bereichen, die unsere Kinder und Jugendlichen betreffen, draufzugucken:

Welche Maßnahmen sind perspektivisch notwendig? Sie wissen ja auch, dass mit der LAG Jungenarbeit und der Fachstelle Gender gemeinsam genau diese Bereiche – weil Sie beklagt haben, dass die Partizipation, die Beteiligung nicht ausreichend sei – in dem Maße wirklich stattfinden.

Sie wissen aber auch, dass natürlich schon in den Kindertageseinrichtungen geschlechtersensible Pädagogik als Querschnittsthema strukturell sowie konzeptionell verankert ist in den Bildungsgrundsätzen „Mehr Chancen durch Bildung von Anfang an – Grundsätze zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen“. Also ist durchgängig in allen diesen Bereichen letztendlich die jungenspezifische wie mädchenspezifische Blickrichtung auch verankert.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern gelten wir in Nordrhein-Westfalen in der Jungenarbeit, was die Frage der Berücksichtigung von Geschlecht und sexueller Identität betrifft, als bestens aufgestellt. Frau Paul hat ja auch gerade bezogen auf die Jungen und Mädchen der LSBTTI-Community darauf hingewiesen, wie gerade hier die jungenspezifischen Ansätze durchgängig vorhanden sind.

In den Schulen – auch das ist klar – ist der geschlechterdifferenzierte Blickwinkel ein wesentlicher Aspekt der individuellen Förderung. Das einzelne Mädchen und der einzelne Junge werden gemäß der eigenen Persönlichkeits-, Lern- und Lebenslage mit in den Blick genommen.

Frau Schneider, wenn Sie sagen, dass die Sprachentwicklung der Mädchen in der von Ihnen genannten Erhebung prozentual gesehen als nicht so defizitär benannt wird, ist das an der Stelle auch normal, weil Mädchen in der Sprachentwicklung in dem Alter sehr viel schneller als Jungen sind. Jungen hinken selbst mit der besten Förderung zeitlich einfach etwas hinterher.

Insgesamt kann die Landesregierung bilanzierend festhalten, dass die Jungen- und die Mädchenarbeit bzw. eine geschlechterbewusste Pädagogik in pädagogischen Strukturen und Konzepten der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch darüber hinaus gut verankert sind. Das heißt nicht, dass wir die Diskussion an vielen Stellen nicht auch noch gemeinsam nach vorne führen müssen.

Herr Kern, Sie haben gerade auch Themenbereiche angesprochen, die eher im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales mitdiskutiert werden sollten. Da wird es auch eine spannende Diskussion im Hinblick darauf geben, wie das Präventionsgesetz umgesetzt werden soll und welche settingorientierten Angebote und Maßnahmen hier geschlechterdifferenziert nach vorne gebracht werden sollen.

Wenn wir uns zahlreiche Bereiche in der Gesundheitsförderung angucken – egal ob es der Suchtbereich, der ADHS-Bereich oder der Bereich Adipositas ist –, erkennen wir aber, dass es in allen diesen Bereichen sehr viele jungenspezifische Angebote gibt. Gerade den Sport als Beispiel für eine fehlende Jungenförderung zu bezeichnen, ist auch etwas gewagt; denn gerade der Fußball – das ist der größte Bereich – ist leider immer noch eine Jungendomäne.

In vielen Punkten besteht also noch Luft nach oben. Insgesamt sind wir in Nordrhein-Westfalen aber sehr gut aufgestellt. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Steffens. – Da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache und stelle fest, dass damit die Große Anfrage 14 der Fraktion der CDU erledigt ist.

Tagesordnungspunkt

9   Weichen für ein sicheres Nordrhein-Westfalen mit einer handlungsfähigen Polizei jetzt verantwortungsvoll stellen – Unverzüglich jährlich 300 weitere Polizeianwärterstellen schaffen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/9788

Ich darf die Aussprache eröffnen und für die FDP-Fraktion Herrn Kollegen Witzel das Wort erteilen. Bitte schön.

Ralf Witzel*) (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist die feste Auffassung der FDP-Landtagsfraktion, dass wir ohne eine dauerhafte strukturelle Erhöhung der polizeilichen Ausbildungskapazität bei Kommissaranwärtern große Besetzungsprobleme bekommen werden. Dann wird in den nächsten Jahren der erforderliche Nachersatz nicht gelingen. Die Folge mangelnder Einstellungspolitik ist ein faktischer Stellenabbau, der perspektivisch – je nach berechnetem Szenario – zwischen 1.500 und 4.000 Stellen liegen wird. Ist das vertretbar?

Da fragt man sich: Haben wir hier in Nordrhein-Westfalen etwa weniger Kriminalität, weniger Gefährder und Straftäter, weniger Notrufe und Polizeieinsätze, weniger Gefahren und polizeiliche Aufgaben, weniger konfliktträchtige Fußballderbys oder Demos, weniger Gewalt gegen Polizeibeamte, weniger Angsträume, weniger Brennpunkte und weniger Problemviertel zu erwarten?

Diese Fragen wird man mit Fug und Recht verneinen. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Auftragsbücher der Polizei sind voll – und zwar so voll, dass Private keine weiteren Aufträge mehr annehmen würden, was selbstverständlich im Bereich der Polizei – auch zu Recht – nicht geht.

Mit welchen Phänomenen haben wir es in Nordrhein-Westfalen zu tun?

Mit Salafisten haben wir es seit dem Jahr 2011 zu tun. Ihre Zahl ist von 500 auf inzwischen über 2000 angestiegen, hat sich also mehr als vervierfacht. Damit sind Gefährder personalintensiv zu überwachen.

Es sind auch zunehmend Schutzmaßnahmen gegen Terror zu treffen.

Wir haben es in vielen Großstädten mit der Entstehung und Verhinderung von No-Go-Areas zu tun.

Es gibt eskalierende Gewalt durch Rockerbanden, Clans, Hooligans und bestimmte Demonstrantengruppen.

Wir haben explodierende Zahlen beim Wohnungseinbruch. Seit dem Jahr 2011 sind diese Zahlen landesweit um mehr als 50 % angestiegen. Örtliche Steigerungsraten liegen teilweise über 200 % – bei einer Aufklärungsquote von oftmals nur 5 %. Es gibt nur minimale Verurteilungsquoten. Nur einer von 100 Einbrechern muss ins Gefängnis.

Alles das, was auch mit dem zu geringen Personalkontingent der Polizei zusammenhängt, kann uns keineswegs beruhigen.

Wir haben eine zu geringe Abschöpfung kriminellen Vermögens, also zu wenig Sicherstellung von Beute.

Es gibt eine wachsende Belastungssituation durch Zusatzaufgaben bei der normalen Polizeiarbeit.

Außerdem haben wir, wie die Landesregierung mit ihren Haushalten ja selber einräumt, sicherlich auch einen hohen personellen Aufwand im Zusammenhang mit dem Schutz der 151 landeseigenen Unterbringungseinrichtungen. Allein dort gab es im Monat August einen personellen Mehraufwand von knapp 4.000 Personalstunden.

Es liegen uns Berichte über eine wachsende Gefahr der polizeilichen Tätigkeit vor. Es gibt zunehmend Übergriffe auf Polizeibeamte.

All das sind Faktoren, die uns beunruhigen müssen, vor allem aber veranlassen müssen, dafür zu sorgen, dass die Polizei in ihrer personellen Ausstattung nicht geschwächt wird. Genau das wird aber bei den hohen Altersabgängen in den nächsten Jahren der Fall sein, wenn jetzt nicht dauerhaft gehandelt wird.

Deshalb sagen wir: Es reicht ganz ausdrücklich nicht aus, als Strohfeuereffekt hier in einem verkürzten Verfahren einmalige Beschlüsse zu treffen. Wir brauchen dauerhaft Planungssicherheit für die Personalrekrutierung bei der Polizei.

Die eigenen Berichte des Ministers stellen die Misere dar. Wir haben gegenwärtig einen faktischen Verlust von über 3.000 Planstellen als Vollzeitäquivalente infolge von Krankentagen bei der Polizei. Gegenwärtig sind es schon knapp 1.600 Planstellen. Nach der Prognose werden es im Jahr 2020 über 2.000 Planstellen sein. Das betrifft nicht zustande gekommene Arbeitsleistungen infolge von Teilzeitarbeit und Elternzeit. Es wird viele weitere Planstellenverluste durch Fortbildung, verwendungseingeschränkte Polizeivollzugsbeamte sowie durch Freistellungen nach dem LPVG geben. Insofern kommen viele Stellen, die in Haushaltsplänen auftauchen, tatsächlich nicht der Sicherheit von Bürgern in Nordrhein-Westfalen zugute.

Wir als FDP-Landtagsfraktion wollen in jedem Fall das ernst nehmen, was die Experten auch Ihnen, Herr Minister, aufschreiben. Wir wollen einen gravierenden dauerhaften Personalabbau bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen verhindern, weil wir hier im Ländervergleich – auch wenn man sich die Problemlage der vielen Ballungsräume anschaut – schon weit abgeschlagen hinten liegen. Wir wollen Planungssicherheit für die personelle Ausstattung der Polizei in Nordrhein-Westfalen.

Deshalb fordern wir Sie auf: Setzen Sie nicht auf Einmalaktionen, die dann hektisch in Form von Nachtragshaushalten durchgeführt werden. So richtig und berechtigt jede Korrektur in Nachtragshaushalten ist: Sie darf nicht dazu führen, dass eine regulär auskömmliche personelle Besetzung bei der Polizei verdrängt wird. Genau das ist das Plädoyer dieses Antrages, nämlich für mehr Planungssicherheit bei der zukünftigen dauerhaften Rekrutierung zu sorgen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Witzel. – Auch die SPD-Fraktion hat eine Meinung zu dem Antrag. Diese vertritt jetzt Herr Bialas.

Andreas Bialas (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich der FDP für den Antrag danken; denn ohne eine weitere plenare Befassung wäre die Leistung des Innenministers und der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen möglicherweise untergegangen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In der Tat: NRW stellt in diesem Jahr weitere 250 Polizeianwärter ein – zusätzlich zu denen, die wir ohnehin schon zum 1. September 2015 eingestellt haben. Das sind dann insgesamt fast 1.900 Neueinstellungen im Jahre 2015.

(Ralf Witzel [FDP]: Wie ist das denn in den nächsten Jahren?)

Diese gute Nachricht – da gebe ich Ihnen völlig recht – sollte nicht einfach im alltäglichen Politikgeschäft untergehen. Damit steigert diese Regierung die Einstellungszahlen für Polizeianwärter im Jahre 2015 auf knapp 800 Personen mehr, als wir sie im Jahre 2010 hatten. Wir haben damit seit 2010 über 600 neue Planstellen geschaffen, also für dauerhafte Erhöhung gesorgt.

(Christof Rasche [FDP]: Was ist mit dem Vergleich mit 2004?)

Das wird noch nicht ganz als Kompensation für die zahlreichen zu erwartenden Pensionierungen der starken Jahrgänge bis zum Jahr 2025 reichen. Das wissen wir. Daher streben wir auch weiterhin kontinuierliche und finanzierbare Anstiege an. NRW wird stets über so viele Polizistinnen und Polizisten verfügen, wie es zur Bewältigung der Aufgaben braucht.

Als Zweites möchte ich die FDP beglückwünschen, dass sie nun in der Opposition endlich die demografische Entwicklung bei der Polizei bemerkt

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

und in der Opposition auch die richtigen Forderungen nach mehr Einstellungen mehrere Jahre nach Beendigung eigener Zuständigkeit stellt. Diese von Ihnen benannte nachhaltige Personalentwicklung haben Sie wieder als Notwendigkeit entdeckt. Da kann ich nur sagen: Klasse! Wir hätten uns gefreut, wenn Sie Ihre jetzigen Forderungen bereits frühzeitig in Ihrer Regierungszeit in reales Handeln umgesetzt hätten.

Natürlich kennen wir die Zahlen derjenigen, die pensioniert werden. Natürlich kennen wir Nachersatznotwendigkeiten. Daher haben wir anschließend an Ihren Beginn – das sage ich auch – seit 2010 bereits weitere Erhöhungen mit kontinuierlichen Mehreinstellungen zu verzeichnen.

Wir sorgen außerdem dafür – daran muss man bei Einstellungen ebenfalls jederzeit denken –, dass wir auch die entsprechende Ausbildungskapazität und Infrastruktur hierfür haben und schaffen werden.

Ja, Sie haben völlig recht: Unsere Polizei ist vielfach gefordert. Sie macht ihre Arbeit sehr gut. Sie stellt sich auch flexibel auf neue Herausforderungen ein. Dafür genießt sie ein hohes Ansehen und unseren Respekt.

Auf die in Ihrem Antrag aufgestellten Zahlen gehe ich jetzt nur ganz sporadisch ein. Immer wieder kommen Sie – die CDU wird vermutlich gleich auch noch einmal in schillernden Farben den Untergang beschwören – mit den Quoten der Wohnungseinbrüche und deren Steigerungsraten. Dazu nur zwei Zahlenvergleiche:

Wenn Sie von Steigerungsraten von 50 % bei Wohnungseinbrüchen sprechen, müssen Sie Bayern meinen. Dann können Sie nicht Nordrhein-Westfalen meinen. In dem Vergleichszeitraum von 2010 bis 2014 beträgt unsere Steigerungsrate – leider ist es eine Steigerungsrate – lediglich 15 %.

Ich darf auch daran erinnern, dass in den letzten Jahren Ihrer Verantwortung bis 2010 diese Rate sogar bei 16 % lag. Ich frage mich immer wieder, welche Konsequenzen und Forderungen Sie daraus ziehen wollen.

In einem Punkt stimme ich mit Ihnen völlig  und restlos überein. Sie schreiben in Ihrem Antrag:

NRW braucht eine ausreichende Polizeipräsenz, konsequente Kriminalitätsbekämpfung, gute Personal- und Sachausstattung sowie eine effizient organisierte und eingesetzte Polizei.“

Ich darf an dieser Stelle dem Innenministerium und den Polizeibehörden sowie den Polizistinnen und Polizisten danken, die sich dieser Aufgabe täglich stellen und verantwortungsbewusst dafür sorgen, dass NRW genau diese entsprechenden Qualitäten, die Sie dort benannt haben, auch hat. – Ich darf mich herzlich bei Ihnen bedanken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bialas. – Bleiben Sie einfach am Pult. Es gibt eine Kurzintervention, angemeldet von Herrn Witzel von der FDP-Fraktion. – Bitte schön, Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Bialas, ich war gerade etwas erstaunt über Ihre historischen Bezüge, weil Sie bei Ihrer Betrachtung das ausgeblendet haben, was ich mindestens genauso interessant finde, nämlich – wenn Sie sich die letzten zehn Jahre anschauen – welche Personalabbaubeschlüsse Rot-Grün bis zum Jahr 2004/2005 hinterlassen hat.

Weil Sie gerade gesagt haben, seit 2010 gebe es eine positive Entwicklung bei den Stellen, möchte ich Sie mit einem Zitat der eigenen Expertenkommission dieser Landesregierung konfrontieren, die unlängst ihren Bericht „Bürgernahe Polizei – Den demographischen Wandel gestalten“ vorgestellt hat. Wie Sie dort auf Seite 13 nachlesen können, haben wir seit 2011 bis 2015 rund 600 Polizeivollzugsbeamte mehr, wobei die positiven Zuwächse auf die Einstellungsjahre 2008 und 2009 entfallen, die dann nach dreijähriger Ausbildungszeit in den Dienst getreten sind. Im Detail: Die Einstellungen von Polizeianwärtern im Jahre 2008 haben nach dreijähriger Ausbildung zu einer positiven Differenz von 417 Stellen bei der Polizei im Jahre 2011 geführt und die Einstellungen des Jahres 2009 zu einer positiven Differenz von 148 im Jahre 2012.

Ich frage Sie: Wie können Sie die Zahlen so auswerten und politisch so einordnen, wie Sie das gemacht haben, wenn hier doch klar erkennbar ist, wer gehandelt hat und aus welchen Zeiten welche Effekte resultieren?

Andreas Bialas (SPD): Ich wollte in meiner Rede nicht dem Innenminister vorgreifen, der hier auch immer die entsprechenden Replik vornimmt. Insoweit darf ich das an dieser Stelle einmal machen.

Ich habe Ihnen in meiner Rede vorhin ausdrücklich zugestanden, dass Sie bereits mit dem Wiederaufbau von Polizeikräften entsprechend der demografischen Entwicklung begonnen haben. Das ist unbestritten. Diese Zahlen werde ich niemals kritisieren. Dafür sind wir dankbar.

Das, was wir kritisieren, ist schlicht und ergreifend, dass diese Erkenntnisse des Demografieberichtes jahrelang in einer Schublade gelegen haben und erst zu spät umgesetzt wurden. Das ist das, was ich entsprechend kritisiere. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Bialas. – Die CDU-Fraktion wird nun durch Herrn Kollegen Lohn vertreten.

Werner Lohn (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen leisten trotz Personalmangels und trotz eines riesigen Berges an Überstunden immer noch sehr gute Arbeit. Trotz dramatischer Kriminalitätsbelastung, trotz immer mehr Gewalt gegen sie und trotz massiver Bedrohungen durch Salafisten, Hooligans und andere Extremisten bis hin zu selbsternannten aggressiven Weltverbesserern gehen sie jedes Wochenende hoch motiviert an die Arbeit. Ich glaube, an dieser Stelle ist das den Dank von allen Fraktionen wert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Dank ist aber nicht alles. Da muss noch ein bisschen mehr kommen. Trotzdem sind Dank, Respekt und Anerkennung wichtig. Deswegen hat die CDU in Nordrhein-Westfalen bereits vor einigen Monaten eine Initiative mit der Überschrift „Respekt & Anerkennung für unsere Polizei!“ ins Leben gerufen.

Auch Ministerpräsidentin Kraft, die jetzt aus sicherlich guten Gründen nicht anwesend ist, hat bereits 2012 vollmundig eine jährliche „Woche des Respekts“ angekündigt. Auf diese jährliche „Woche des Respekts“, die 2012 angekündigt wurde, warten wir jetzt seit über drei Jahren. Das ist bezeichnend für die Regierung – eine große Ankündigung und kleine oder gar keine Taten. Letztendlich ist es auch beschämend. Man kann nicht Respekt und Anerkennung ankündigen, und dann kommt nichts hinterher.

Unsere Polizei ächzt derzeit unter 3,8 Millionen Überstunden. Sie geht Wochenende für Wochenende bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit – leider ganz oft auch darüber hinaus, was die Krankenstände und die vielen Verletzten zeigen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Wesentlichen gibt es drei Gründe für den Personalnotstand bei der Polizei. Der erste Grund ist die überwiegend falsche Personalpolitik seit Ende der 90er-Jahre. Der zweite Grund sind die ständig neuen Aufgabenzuweisungen für die Polizei ohne neues Personal. Der dritte Grund ist eine falsche Prioritätensetzung beim Personaleinsatz durch Innenminister Jäger.

Dazu möchte ich einige Fakten nennen und einen kleinen Blick zurückwerfen, den auch die Kollegen Bialas und Witzel schon gewagt haben. Vor 2005 haben SPD und Grüne zunächst die vorhandenen Polizeischulen im Land Nordrhein-Westfalen verkommen lassen oder gar ganz geschlossen. Das war die Vorbereitung darauf, dass man 2004 die Einstellungszahlen von damals 1.063 auf völlig unzureichende 480 Einstellungen pro Jahr mehr als halbiert hat. So steht es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage. In Drucksache 16/2522 können Sie das gerne nachlesen.

Insgesamt hat die polizei- und sicherheitsfeindliche rot-grüne Polizeipersonalpolitik von 1998 bis 2005 dazu geführt, dass unglaubliche – ich betone: unglaubliche – 3.490 Personalstellen bei der Polizei gestrichen wurden. Dann heute hier zu sagen, wie der Minister das gerne macht, die Ursache für die Personalmisere bei der Polizei sei in den Jahren 2005 bis 2010 gelegt worden, ist nicht nur unwahr, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sondern auch unredlich und eines Ministers nicht würdig.

Man sollte die Fakten so zur Kenntnis nehmen, wie sie sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Denn die Wahrheit ist, dass CDU und FDP in ihrer Regierungszeit zunächst die Polizeischulen wieder aufrüsten mussten. Nachdem die Schulen wieder funktionstüchtig waren, haben wir dann die Einstellungszahlen von 480 auf 1.100 mehr als verdoppelt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Düker?

Werner Lohn (CDU): Einen kleinen Moment. Nach meinen Ausführungen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte.

Werner Lohn (CDU): Erst nach der Ertüchtigung der Polizeischulen konnten wir die Einstellungszahlen verdoppeln. Das war die erste zukunftsweisende Entscheidung in Richtung Personalpolitik, weil man nämlich erstmals viel mehr Einstellungen vorgenommen hat, als Beamte in den Ruhestand gegangen sind. Daraufhin war es folgerichtig, dass SPD und Grüne in mehreren Entscheidungen die Einstellungszahlen auf 1.500 erhöht haben. Allerdings reicht das nicht, um die Pensionierungszahlen, die sich bald irgendwo bei 2.000 einpendeln werden, wieder auszugleichen.

Auch die Einmalaktion – so nenne ich es einmal – aus diesem Jahr, zunächst 360 und dann noch einmal 250 Polizeibeamte zusätzlich einzustellen, können ein schlüssiges, auf Dauer angelegtes Personalkonzept bei der Polizei nicht ersetzen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Theo Kruse [CDU]: So ist es!)

Die Landesregierung hat kein Gesamtkonzept. Das möchte ich einmal an zwei Beispielen belegen.

Erstens. Minister Jäger hat trotz der großen Personalnot bei der Polizei vor Kurzem eine Hundertschaft eingesetzt, um Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung Dortmund zu erfassen. Die Erfassung von Flüchtlingen ist nicht Kernaufgabe der Polizei. Die Polizei hat genug anderes zu tun. Deswegen muss diese Erfassung durch Polizeihundertschaften schnellstens beendet werden.

Zweitens. Herr Jäger, vielleicht sprechen Sie einmal mit Frau Kraft, damit einmal ein Gespräch mit Herrn Remmel geführt wird. Wie wäre es denn, wenn aus dem Umweltressort, das mit über 750 Stellen sicher reichlich besetzt ist, einmal eine Hundertschaft der Blümchen- und Vogelzähler zusammengestellt werden würde? Von denen gibt es wohl genug. Sie wären an dieser Stelle mit Sicherheit besser eingesetzt als die Polizei, die Dringenderes zu tun hat.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Herr Minister Jäger, ich möchte einen letzten Satz dazu sagen; dann ist meine Redezeit zu Ende. Sie haben angekündigt, dass Sie auf die Blitzmarathons verzichten wollen. Die Blitzmarathons, die auf Ihre Erfindung zurückgehen, waren eine große Fehlentscheidung. Die Innenministerkonferenz hat das Scheitern der Blitzmarathons festgestellt. Ich erwarte heute von Ihnen, dass Sie hier das sofortige Aus der Blitzmarathons erklären und sie endgültig und für immer abblasen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Tun Sie Ihre Arbeit. Hangeln Sie sich nicht nur von einer Maßnahme zur anderen, sondern erstellen Sie ein Gesamtkonzept, das Sie bis zum Jahr 2020 auch mit Schuldenbremse erreichen können. Dann haben Sie Ihr Geld verdient. Leider ist das bis heute bisher nicht der Fall. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Lohn. – Als nächste Rednerin hat für die grüne Fraktion Frau Kollegin Düker das Wort.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Witzel, ich nehme an – schließlich ist Herr Lürbke heute nicht da –, dass Sie für Ihren Fachpolitiker den Antrag eingebracht haben. Ihrem Kollegen Herrn Lürbke glaube ich tatsächlich seinen durchaus ehrenhaften Anspruch, sich hier im Landtag für mehr Sicherheit einsetzen zu wollen. Aber bei Ihnen, Herr Witzel, wirkt das – freundlich formuliert – doch etwas unglaubwürdig. Denn Sie waren 2005 bis 2010 Mitglied des Landtags, als die FDP den Innenminister gestellt hat.

(Ralf Witzel [FDP]: Unverschämt!)

Ich zitiere hierzu – es handelt sich um keinen Grünen; er ist ganz unverdächtig – den damaligen Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft NRW, Rainer Wendt. Er gehört bekanntermaßen nicht zur grünen Kernklientel und sagte während der Regierungszeit Ihres Innenministers, die Polizei in NRW funktioniere nicht wegen, sondern trotz dieses Innenministers gut. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Witzel, in Ihrer Regierungszeit wurden unter Ihrem Innenminister – Herr Lohn, das gehört zur Wahrheit dazu; Sie vergessen immer mindestens die Hälfte der Wahrheit – in 2006 500 – in Worten: fünfhundert – Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter eingestellt. Versprochen wurden damals im Wahlkampf 1.000. 2007 wurde dieses Wahlversprechen erneut gebrochen. Das ist noch keine zehn Jahre her, Herr Lohn, und die demografische Entwicklung war auch damals schon bekannt. Das wissen Sie ganz genau.

(Ralf Witzel [FDP]: Abbauplan!)

2007 waren es noch einmal 500 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter. Diese Zahl lag aber deutlich unterhalb des erforderlichen Nachersatzes, damit die Polizeistärke überhaupt hätte erhalten werden können.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ich möchte gar nicht davon sprechen, dass Sie eigentlich damals schon über Bedarf hätten einstellen müssen. Denn, wie gesagt, schon damals war die demografische Entwicklung bekannt, auch wenn Herr Wolf sie immer in den Schubladen gelassen hat.

(Beifall von Matthi Bolte [GRÜNE])

Also lautet das Fazit: Am Ende Ihrer Regierungszeit steht bei der Polizei ein Minus.

Ich sagte es bereits: 2006 haben Sie 500 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter eingestellt. Das ist knapp zehn Jahre her.

Wo stehen wir jetzt? – Im Jahr 2015 stellt die rot-grüne Landesregierung nachweislich der Ergänzungsvorlage zum Haushalt 2015 1.892 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter ein. Ganz grob betrachtet ist das fast eine Vervierfachung der Einstellungszahl in Ihrer Regierungszeit, Herr Lohn und Herr Witzel.

Insofern ist Ihr Antrag, Herr Witzel – freundlich formuliert –, unglaubwürdig. Ich könnte auch sagen, es ist ziemlich dreist,

(Beifall von den GRÜNEN)

dass Sie meinen, Ihnen würde hier jemand abnehmen, dass Sie sich ehrlich und ernsthaft dafür einsetzen, dass das Personal bei der Polizei aufgestockt wird. Nein, das glaubt Ihnen hier niemand. Herrn Lürbke, wie gesagt, nehme ich das ab.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist eine bodenlose Unverschämtheit, was Sie hier vortragen!)

Denn er hat die Gnade der späten Geburt und kann nicht genau wissen, was hier damals tatsächlich passiert ist. – So weit die Zahlen.

Ich will es mir aber nicht zu einfach machen, will Ihnen nicht nur die Zahlen um die Ohren hauen und sagen: Das reicht jetzt. Jetzt brauchen wir nichts mehr zu machen. – Das gehört nämlich auch zur Klarheit und Wahrheit dazu, Herr Lohn: Selbst die Einstellungszahlen, die wir jetzt beschlossen haben, werden nicht reichen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lohn?

Monika Düker (GRÜNE): Ich tue das immer gerne. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Lohn, ist mir das nicht lästig. Bitte schön.

Werner Lohn (CDU): Frau Düker, herzlichen Dank. Es ist mir unerklärlich, wie ich eben vergessen konnte, noch auf Ihre Zwischenfrage einzugehen.

Monika Düker (GRÜNE): Tja, so ist das.

Werner Lohn (CDU): Aber dafür haben wir jetzt die Gelegenheit.

Können Sie mir bitte erklären, wie Sie zu dem Ergebnis kommen, zu Zeiten von CDU und FDP sei in der Polizeiausbildung reduziert worden, obwohl – ich hatte es eben bereits gesagt – in 2004 die Einstellungszahlen von Ihnen auf 480 reduziert wurden und wir diese in 2008 auf 1.100 heraufgesetzt und damit mehr als verdoppelt haben? Wie kommen Sie zu dem Ergebnis, dass die von Ihnen vorgenommene Reduzierung um mehr als die Hälfte – wir haben die Zahl anschließend mehr als verdoppelt – eine Reduzierung durch CDU und FDP wäre? Das kann nur grüne Logik sein, die mit Wahrheit nichts zu tun hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Monika Düker (GRÜNE): Herr Lohn, Sie sollten Ihre Reden, die Sie hier schon vor Jahren gehalten haben, nicht einfach abschreiben. Genau die gleiche Debatte – ich kann sie Ihnen heraussuchen – haben wir vor ein paar Jahren schon einmal geführt.

Ihre Rechnung, dass damals zu rot-grünen Regierungszeiten Stellenabbau betrieben wurde, hat einen ganz einfachen Hintergrund: Erstens hatten wir – es war streitig – hier die 41-Stunden-Woche für Beamtinnen und Beamte eingeführt. Das war ziemlich hart, aber das war schon damals ein Konsolidierungsbeitrag. Diese 41-Stunden-Woche auch bei den Polizistinnen und Polizisten brachte ein Stellenäquivalent von 2.000 Stellen. Einen Teil davon – nicht die kompletten 2.000 Stellen – haben wir befristet für zwei Jahre mit verrechnet.

(Werner Lohn [CDU]: Weil Sie abgewählt wurden!)

Insofern war es kein Stellenabbau, wie Sie es darstellen.

Zweitens vergessen Sie bei dieser Zahl immer, dass wir in diesen Zeiten den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin verrechnet haben. Dabei sind Aufgaben für die Stadt Bonn, verbunden mit einem hohen Stellenäquivalent, weggefallen.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Und das jedes Jahr? Interessant!)

Der Abbau, den Sie hier so proklamieren, hat schlicht und einfach etwas mit Aufgabenverlagerung und damit zu tun, dass wir das kompensiert haben. Ja, es waren harte Einschnitte durch eine 41-Stunden-Woche und durch eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit.

Den Teil der Wahrheit lassen Sie immer wieder weg, aber wahrscheinlich werden wir diese Auseinandersetzung nicht das letzte Mal geführt haben. Daher ist es gut, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, diese immerwährenden Falschdarstellungen hier zu korrigieren. Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Nach Ihrer Logik ist die Polizei überbesetzt, oder was?)

Zurück zur Frage, was eigentlich mehr nötig ist, als einfach mehr Personal einzustellen. Herr Witzel, da gibt es einen ganz keinen Nebensatz in Ihrem Antrag, und das ist schade. Denn da bleiben Sie jede Antwort auf die spannende Frage schuldig. Sie schreiben, dass wir mehr Polizei brauchen – das ist immer einfach und schön –, aber da steht auch drin: Neben mehr Polizei brauchen wir auch einen notwendigen Prozess der Aufgabenkritik und der Überprüfung von Synergieeffekten.

Was sagen Sie denn dazu? Dieser Frage müssen wir uns doch alle stellen, wenn wir uns nicht vor der Verantwortung drücken wollen.

Es gab mal Zeiten, da hatte Ihr innenpolitischer Sprecher – Horst Engel hieß er – mutige Vorschläge. Er sich nämlich dazu bekannt und gesagt, wir müssen unter Umständen die Polizeistrukturen anpacken, unter Umständen Behörden zusammenlegen – das konnten Sie damals in Ihrer Regierungszeit auch nicht umsetzen – und schauen, wie wir auch bei der Aufgabenkritik weiterkommen.

(Ralf Witzel [FDP]: Wir haben doch Polizeipräsidien zusammengelegt!)

So, jetzt liegt ein Kommissionsbericht auf dem Tisch, zu dem es Vorschläge gibt. Ich habe von Ihnen noch kein Wort dazu gehört – auch nicht von Ihnen, Herr Lohn –, wie man sich dieser viel schwierigeren, aber aus meiner Sicht unabdingbar notwendigen Herausforderung stellen will, wie man denn innerhalb der Strukturen Effizienzgewinne schafft, wie man durch Aufgabenkritik unter Umständen auch bei den Kernaufgaben der Polizei schaut, welche Aufgaben übertragen werden können oder schlicht und einfach wegfallen; Stichwort: Bagatellverkehrsunfälle und Objektschutz.

Ich glaube, wir brauchen mal eine ehrliche Debatte, ob wir es uns wirklich noch leisten können – ich sage es mal ungeschützt, aber diese ehrliche Debatte würde mich interessieren –, überall bei der Bestreifung im niedrigschwelligen Bereich, bei der Bestreifung so vieler Objekte Beamte des gehobenen Dienstes im Streifenwagen einzusetzen. Ich möchte diese Debatte mal führen, anstatt ständig über das Thema „Mehr Polizei“ zu reden, das überhaupt nicht weiterführt. Denn genau die Zahl, die wir ausbilden können, wird jetzt von Rot-Grün eingestellt.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Ende.

Monika Düker (GRÜNE):Vielmehr müssten wir – davor drücken Sie, Herr Lohn, und Sie, Herr Witzel, sich – die sehr viel schwierigere Debatte führen, wie wir innerhalb der Strukturen der Polizei eine bessere Ablauforganisation hinkriegen und eine ehrliche Aufgabenkritik führen. Darauf würde ich mich freuen. Leider hat das heute nicht geklappt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Frau Kollegin Düker. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Schatz das Wort.

Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was musste ich gestern – Herr Lohn hat es schon gesagt – in der Presse lesen? – Blitzmarathon im Herbst aufgrund von Überlastung der Polizei abgesagt.

(Beifall von den PIRATEN)

Wer mich kennt, der weiß, dass ich diesen Marathon für Blödsinn halte. Von daher finde ich das gut.

Ich bin nur ein wenig überrascht, denn: Seit Jahren rede ich mir den Mund fusselig, wie sinnlos diese Aktion ist und dass sie letztlich nur wichtige Ressourcen verschwendet. Im selben Zeitraum musste ich mir vom Minister immer wieder anhören, dass das alles kein Problem sei und diese Marathons eigentlich überhaupt keine Mehrbelastung darstellten. Alles sei immer von langer Hand geplant und finde deshalb mehr oder weniger im normalen Dienstbetrieb statt. Mehrarbeit, also eine Mehrbelastung, falle im Grunde nicht an.

Jetzt kann ich das sagen, was ich am liebsten sage: Ich habe es ja gleich gesagt. Aber weil wir von der Opposition sind, dürfen wir nicht recht haben. Deshalb ziehen Sie diesen Blödsinn trotz der Mehrbelastung und obwohl es empirisch nicht nachgewiesen ist, dass es überhaupt einen Nutzen bringt, seit Jahren konsequent durch. Wie ich gehört habe, soll es nächstes Jahr weitergehen.

Bei der Bundeswehr – auf der Tribüne sitzen mehrere Kameraden – gibt es ein Sprichwort, das ich in parlamentarisch angemessener Weise wiederzugeben versuche. Es lautet: Wenn schon Mist, dann Mist mit Schwung. – Das ist genau die Art und Weise, mit der Minister Jäger mit unserer Polizei umgeht.

Besonders deutlich zeigt sich das bei dem Thema „Einstellungszahlen“. Nur die Konsequenzen, die daraus erwachsen können, sind meines Erachtens bei diesem Thema weitaus gravierender als bei etwas vergleichsweise Lapidarem wie dem Blitzmarathon. Seit Jahren predigen wir, dass wir mehr Polizei auf der Straße brauchen – und das unabhängig vom demografischen Wandel, der nur noch erschwerend hinzukommt.

Gleichzeitig – genau da liegt aus unserer Sicht die Beratungsresistenz des Ministers – sagen wir seit demselben Zeitraum auch, dass eine Erhöhung der Einstellungszahlen nicht um jeden Preis erfolgen darf. Weder die Qualität der Ausbildung noch die der Bewerber darf darunter leiden. Aber genau diese Gefahr ist hier geradezu offensichtlich.

Ich möchte Beispiele nennen:

In den Behörden fehlen schon jetzt vorne und hinten die Tutoren, also die Menschen, die die Auszubildenden in der so wichtigen praktischen Ausbildung anleiten und ausbilden. Wie ich vernommen habe, machen Sie jetzt Folgendes: Aufgrund von Kapazitätsproblemen, die wegen der hohen Einstellungszahl in den Trainingszentren, wie zum Beispiel in Selm-Bork, vorhanden sind und in Zukunft noch größer werden, sind Sie mehr oder weniger gezwungen, die Ausbildung künftig so umzustrukturieren, dass Ausbildungsinhalte aus dem Training herausgenommen und in die Praxis verlagert werden – wohlgemerkt in die Praxis, in der die Tutoren ohnehin schon fehlen.

Sie verlagern das Problem also nur, und das in einen Bereich, der aus meiner Sicht für die Ausbildung sogar noch ein bisschen wichtiger ist als das Training. Unter diesen Umständen muss es jedem normal denkenden Menschen förmlich ins Auge springen, dass eine erhebliche Gefahr der Qualitätsminderung in der Ausbildung besteht. Sie bilden immer mehr Menschen aus, ohne die Kapazitäten dafür zu haben. Obwohl Sie das wissen, weil wir es Ihnen – wie auch heute – immer wieder sagen, tun Sie nichts dafür, um das zu ändern.

Allerdings ist es aus meiner Sicht viel gravierender, dass Sie befürchten müssen, dass die Qualität der Anwärter zukünftig leiden könnte. Seit einigen Jahren stagnieren die Bewerberzahlen auf konstant niedrigem Niveau. Die Zahl der Neueinstellungen hingegen – das hat Frau Düker gerade richtig gesagt – hat sich seit 2007 nahezu vervierfacht. Wir haben also bei gleichbleibender Bewerberzahl eine Vervierfachung der Einstellungszahlen. Man muss wirklich kein Genie sein, um das Offensichtliche zu erkennen. Selbstverständlich besteht unter diesen Umständen eine große, konkrete Gefahr, dass die Qualität der Auszubildenden leidet.

Was machen Sie dagegen, Herr Minister? – Mal wieder nichts. Sie beharren seit Jahren darauf, die Bewerberzahl durch andere Maßnahmen zu erhöhen, obwohl wir Ihnen schon lange aufgezeigt haben,

(Zuruf von Minister Ralf Jäger [SPD])

wie es funktionieren könnte. Das Ergebnis Ihrer Unbelehrbarkeit sehen wir jetzt. Herr Minister, lassen Sie endlich die Einstellung von Bewerbern der Haupt- und Realschulen wieder zu! Damit können sie den Pool der potenziellen Bewerber auf einen Schlag nahezu verdoppeln. Tun Sie etwas gegen die Gefahr, dass durch die grundsätzlich richtige Erhöhung der Einstellungszahlen die derzeit doch noch hohe Qualität unserer Ausbildung zukünftig leiden könnte!

In Richtung der Kolleginnen und Kollegen der FDP sage ich aber auch ganz klar, dass all die eben von mir geäußerte Kritik in Ihrem Antrag ebenfalls keine Berücksichtigung findet. Sie fordern im Prinzip einfach nur pauschal eine Erhöhung der Einstellungszahlen, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Das ist der Grund, warum wir sagen: Die Forderungen des Antrags sind zwar richtig, aber es fehlt noch sehr viel an Substanz. Deswegen werden wir uns enthalten. – Ich bedanke mich.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Schatz. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie „Immer zweimal mehr wie du“ bei YouTube eingeben, sehen Sie einen kleinen Animationsfilm von der Filmmanufaktur aus Sachsen. Da beschimpfen sich zwei Weihnachtstassen nicht ganz jugendfrei, schaukeln sich immer weiter hoch, und am Schluss sagt die eine Tasse zur anderen: Immer zweimal mehr wie du. – Daran werde ich erinnert, wenn ich Ihren Antrag lese. Sie haben im Mai 1.800 Einstellungen gefordert. Jetzt stellen wir 1.892 ein. Nun fordern Sie 1.950. – Immer zweimal mehr wie du.

(Beifall und Heiterkeit von der SPD)

Meine Damen und Herren, Kollege Bialas hat völlig recht. Ein solcher Antrag gibt uns immer wieder die Gelegenheit, ein wenig mit Legendenbildung aufzuräumen, tatsächlich in die Historie einzusteigen und mal miteinander zu diskutieren: Wo kommen wir eigentlich her?

Wir kommen aus einer Zeit, in der mein Vorvorgänger Fritz Behrens 2005 eine Demografiearbeitsgruppe initiiert hat, deren Bericht 2006 fertig war. Als ich 2010 ins Amt eingeführt wurde, wurde mir als Erstes dieser Bericht vorgelegt, der übrigens von einer schwarz-gelben Landesregierung vier Jahre unter Verschluss gehalten worden ist. In diesem Bericht stand ziemlich klar, auf welche Personalsituation die Polizei in Nordrhein?Westfalen zusteuert.

Sie können das hin- und herrechnen und versuchen, anders darzustellen, aber die Steigerungen in den Jahren zwischen 2005 und 2010 kamen deutlich zu spät. Ihre Personalpolitik war völlig unzureichend. Sie war mutlos. Sie war kraftlos, und sie war ziellos, Herr Witzel.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Letztendlich haben Sie trotz besseren Wissens einer demografischen Entwicklung, die sich am Horizont abzeichnet, nicht frühzeitig gegengesteuert.

Was haben wir dann getan? Wir haben die Einstellungszahlen im Jahre 2010 sofort auf 1.400, dann auf 1.500, auf 1.620 und inzwischen auf 1.892 junge Kommissaranwärterinnen und -anwärter erhöht.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Ohne die Kapazitäten dafür zu haben! Super!)

Das ist eine unglaubliche Leistung.

Herr Witzel, Sie sind in Vertretung für Ihren Kollegen ans Pult getreten und nicht so sehr mit der Sache vertraut, was ich Ihnen auch gar nicht vorwerfen will, denn das liegt in der Natur der Sache. Aber klar ist: So viele Anwärterinnen und Anwärter hat das Land Nordrhein-Westfalen seit Bestehen der zweigeteilten Laufbahn noch nie eingestellt, Herr Witzel. Noch nie! Ich bin dem Parlament und vor allem den Fraktionen, die die entsprechenden Haushalte mitgetragen haben, außerordentlich dankbar, dass sie uns in einer schwierigen Zeit, in der sich die Gesellschaft rasant verändert und damit auch die Kriminalität rasant verändert, für die veränderten Aufgabenstellungen ausreichend Polizeibeamtinnen und ?be-amte zur Verfügung gestellt haben.

Sie sagen jetzt, das sei alles viel zu wenig. Herr Schatz von den Piraten sagt, das sei alles viel zu viel und darunter leide die Qualität der Ausbildung.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Dirk Schatz [PIRATEN]: Man kann die Kapazitäten ja erhöhen! Das ist ja richtig!)

Wir machen das, was wir mit den regierungstragenden Fraktionen besprochen haben. Ich meine, dass das genau der richtige Weg ist.

Um auf die Ausbildung zu kommen: Das ist in der Tat eine Herkulesaufgabe für diejenigen, die in der nordrhein-westfälischen Polizei die Ausbildung zu organisieren haben, die aus drei Modulen besteht.

Dazu zählt die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Herr Lohn. Das sind nicht mehr Polizeischulen. Da denken Sie, glaube ich, 20 Jahre zurück. Wir haben eine Fachhochschule für öffentliche Verwaltung mit einem Studiengang mit Bachelorabschluss, mit dem Bereich Training und Einsatztraining in Selm-Bork, also dem Standort des LAFP, und in der Tat mit Praxisanteilen mit Tutoren in den Polizeibehörden.

Wer so viele Menschen ausbildet in Nordrhein-Westfalen wie kein anderes Bundesland, stellt in der Tat diejenigen, die die Ausbildung organisieren müssen, vor eine echte Herausforderung. Aber das geflügelte Wort dieser Tage, Herr Schatz, lautet sinngemäß: Wir werden das schaffen – ohne Qualitätsverlust bei der nordrhein-westfälischen Polizei.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Das ist mathematisch gar nicht möglich!)

Meine Damen und Herren, wenn man sich den Einzelplan 03 anschaut, kann man feststellen – nicht nur in Bezug auf die Einstellungen bei der Polizei, sondern insgesamt –: In Nordrhein-Westfalen wird an der Sicherheit nicht gespart, im Gegenteil. In Nordrhein-Westfalen wird in die Sicherheit investiert.

Diese Debatte hier, Herr Lohn und Herr Witzel, zeigt: Das Zerrbild, das Sie hier zu zeichnen versuchen, glaubt Ihnen hier im Parlament keiner. Das glaubt Ihnen vor allem auch bei der Polizei niemand.

(Werner Lohn [CDU]: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Sie sollten hier weniger die Backen aufblasen und mehr Demut zeigen, was das an Leistung dieser Landesregierung in den letzten fünf Jahren bedeutet hat. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Minister, vielen Dank. Auf der Zielgeraden war noch der Wunsch von Herrn Kollegen Lohn, Ihnen eine Frage stellen zu dürfen, eingetroffen. Dem werden Sie sicherlich nachkommen, oder?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Wie immer.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte, Herr Lohn.

Werner Lohn (CDU): Vielen Dank, Herr Minister. – Es ist schon eine erstaunliche Leistung, über Einstellungszahlen und Personalpolitik zu sprechen, ohne als Minister eine einzige Zahl zu nennen. Denn Ihre Aussagen waren zwar beleidigend und unwahr, aber konkret waren sie nicht.

Konkret würde mich interessieren: Was machen Sie mit den Blitzmarathons? Sie haben angekündigt, für 2015 gibt es keinen mehr wegen Erfolglosigkeit und zu hohen Personaleinsatzes. Ist der Blitzmarathon jetzt endgültig abgeblasen oder fangen Sie im nächsten Jahr wieder mit dem Theater an?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Sie mögen ja darüber reden, wie Sie wollen. Das ist Ihnen unbenommen. Aber ich sage Ihnen, Herr Lohn: 421 Tote auf nordrhein-westfälischen Straßen sind 421 …

(Werner Lohn [CDU]: Sind nicht verhindert worden!)

– Sind nicht zu verhindern, sagen Sie?

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Sind nicht verhindert worden, hat er gesagt!)

Das sind 421 Tote zu viel.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dirk Schatz [PIRATEN]: Was macht der Blitzmarathon dagegen? Gar nichts! – Ralf Witzel [FDP]: Daran ändert der Blitzmarathon nichts!)

Killer Nummer eins ist zu schnelles Fahren.

Sie wissen, dass die Organisation TISPOL, die europäische Vereinigung der Polizei in der Verkehrssicherheit, für Mai nächsten Jahres einen europaweiten Blitzmarathon plant, der im Übrigen auch in Australien und in Norwegen und in vielen anderen Ländern der Welt erfolgreich durchgeführt wird. Sie können sicher sein, dass wenn TISPOL diesen europaweiten Blitzmarathon nächstes Jahr durchführt, Nordrhein-Westfalen auch wieder dabei sein wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister, für die Beantwortung der Frage.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende FDP-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt über den Inhalt ihres Antrags in Drucksache 16/9788. Ich darf fragen, wer dem FDP-Antrag zustimmen möchte. Den darf ich um das Handzeichen bitten. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit stelle ich fest, dass der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/9788 mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU und FDP bei Enthaltung der Piratenfraktion abgelehnt worden ist.

Ich schließe die Beratung zu Tagesordnungspunkt 9.

Ich rufe auf:

10       Gesetz zur Änderung des WDR-Gesetzes und des Landesmediengesetzes Nordrhein-West-falen (15. Rundfunkänderungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9727

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin zur Einbringung des Gesetzentwurfs für die Landesregierung Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren das Wort. Bitte, Frau Ministerin.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich heute dem Landtag die Novellierung des WDR-Gesetzes und des Landesmediengesetzes vorstellen kann. Mit diesen Gesetzen reagieren wir auf zum Teil aktuelle Bedarfe und tragen veränderten Rahmenbedingungen Rechnung.

Wie Sie wissen, haben wir zur Vorbereitung nicht nur den WDR und seine Gremien einbezogen, sondern wir haben vor allem eine vierwöchige Onlinekonsultation vorgeschaltet.

Die Beteiligung war aus unserer Sicht hervorragend und lag mit 1.200 Kommentaren und über 1.700 Bewertungen noch deutlich über der beim Landesmediengesetz. Wir haben hierbei bewusst einen anderen Weg, nämlich den über konkrete Fragen anstelle eines Referentenentwurfes, gewählt und sehen uns nun durch das Ergebnis bestätigt.

Meine Damen, meine Herren, viele der Anregungen haben wir in den vorliegenden Entwurf übernommen, etwa zum Thema „Transparenz“ oder bei der Präzisierung des Programmauftrags.

Lassen Sie mich zunächst festhalten: Der Westdeutsche Rundfunk hat in den vergangenen 60 Jahren Überragendes geleistet. Er war und ist für uns alle unverzichtbar und hat insbesondere durch seine starke regionale Ausrichtung für eine große Identifikation der Bürger und Bürgerinnen mit ihrem WDR gesorgt.

Damit dies so bleibt, sieht der Gesetzentwurf unter anderem folgende Änderungen vor, die ich mit Blick auf die Uhr nur stichwortartig anspreche.

Wir modernisieren das Gesetz: weg vom Programm, hin zum Angebot unter Betonung von Telemedien und Apps.

Wir ermutigen zur Kooperation durch ein klares Ja zu auch medienübergreifenden Kooperationen mit öffentlich-rechtlichen Anstalten und Privaten.

Wir stärken die Unabhängigkeit der Gremien. Die Landesregierung hält die Aufsicht durch die ehrenamtlich tätigen Gremien nach wie vor für unverzichtbar für eine große Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ist für das Engagement der Berufenen sehr dankbar.

Damit dies auch künftig effektiv geleistet werden kann, halten wir die Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit und die Personalhoheit der Gremien für erforderlich.

Außerdem, meine Damen und Herren, sollen die Aufgaben des Rundfunkrates auf die Bereiche Kooperationen und Kontrolle von größeren Programmbeschaffungen durch Tochterunternehmen erweitert werden.

Den Verwaltungsrat wollen wir zu einem Expertengremium machen. Diese Forderung wurde in der Konsultation ebenso erhoben wie die nach Transparenz, die der Entwurf ebenso umsetzt.

Die Sitzungen des Rundfunkrates sollen in Zukunft öffentlich sein, und im Rahmen der ausgeweiteten Veröffentlichungspflichten sind auch außer- und übertarifliche Vereinbarungen offenzulegen.

Last but not least wird durch die Aufnahme weiterer Mitglieder der staatliche Einfluss in den Gremien des WDR reduziert – weit über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus. Die Vorgaben des höchsten deutschen Gerichts zu Themen wie „Dynamisierung“ und „Vielfaltssicherung“ werden ebenfalls umgesetzt.

Ich möchte abschließend noch darauf hinweisen, dass die Webseite der Onlinekonsultation weiterhin online verfügbar ist. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens können Sie so auch weiterhin darauf zurückgreifen. Alle Kommentare und Bewertungen sind über eine Open-Data-Schnittstelle herunterladbar.

Meine Damen und Herren, jetzt liegt es an Ihnen, den Gesetzentwurf weiter zu beraten, um das Gesetz zu einem guten Abschluss für die Zukunft des Westdeutschen Rundfunks zu bringen.

Ich danke Ihnen allen für die Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren. Dies ist, wie Sie wissen, meine letzte Einbringungsrede. Ich danke Ihnen für die konstruktive Kritik und die Lösungsorientierung bei der Zusammenarbeit.

Ich wünsche Ihnen allen privat und beruflich für die Zukunft alles Gute. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin Schwall-Düren, nicht nur für Ihre Rede, sondern im Namen des Landtags Nordrhein-Westfalen für das, was Sie für unser Land als Ministerin geleistet haben. Ich weiß, dass die Abgeordneten sehr gerne mit Ihnen debattiert haben. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Parlaments für das, was vor Ihnen liegt, sehr herzlich alles Gute. Wir freuen uns auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen. – Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Jetzt geht es weiter in der Debatte. Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Vogt.

Alexander Vogt (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist ein Tag, der im Zeichen des Wandels steht: auf der einen Seite eine ganz persönliche Veränderung für Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, auf der anderen Seite ein Gesetzentwurf, der die Vorgaben für den WDR so verändern soll, dass er auch für die Zukunft gut gerüstet ist.

Seit Jahrzehnten trägt der WDR zur Medien- und Meinungsvielfalt in NRW und in Deutschland bei. Gemeinsam mit privaten Sendern und Verlagen leistet er einen wichtigen Beitrag für unsere Demokratie. Mit der Zeit aber wandeln sich Rahmenbedingungen – auch für Medienunternehmen –: geändertes Nutzungsverhalten, neue Angebote, neue Ansprüche an Transparenz und die zunehmende Digitalisierung. Den WDR an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen, ihn so aufzustellen, dass er auch zukünftig erfolgreich arbeiten kann – dazu bietet der eingebrachte Gesetzentwurf eine gute Grundlage.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns einige zentrale Punkte des Gesetzentwurfs genauer an. Was finden wir zu verändertem Nutzerverhalten? Immer mehr Menschen schauen ihre Sendung dann, wenn es ihnen zeitlich passt: online und in Mediatheken.

Der Gesetzentwurf trägt dieser gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung. Er setzt auf die Idee, dass Angebote verbreitet werden sollen, anstatt nur lineares Programm auszustrahlen. Diese inhaltlichen Angebote sollen die Menschen erreichen über TV, Radio und auch über das Internet.

Ein weiteres wichtiges Thema im Gesetzentwurf ist die Stärkung der binnenpluralen Kontrolle, also wie der WDR intern kontrolliert wird. Diese Kontrollfunktion wird beim WDR durch den Rundfunkrat und durch den Verwaltungsrat vorgenommen. Dort bringen sich Menschen aus Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und vielen weiteren Organisationen ein. Ihre Arbeit soll gestärkt werden.

Wie von Ministerin Schwall-Düren schon erwähnt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum ZDF-Staatsvertrag beschlossen, dass die Gremien durchlässiger werden sollen und die sogenannte Versteinerung aufgebrochen werden müsse. Diesen Vorgaben des Gerichts kommt der Gesetzentwurf für den WDR nach.

Vertreter von neuen Organisationen haben die Möglichkeit, für jeweils eine Periode in den Rundfunkrat entsandt zu werden, und auch Einzelbewerber können durch den Rundfunkrat selbst hinzugewählt werden. Auch die Amtszeitbeschränkung auf maximal drei Perioden ist vorgesehen. Damit wird eine wesentlich höhere Durchlässigkeit erreicht.

Die Anforderung an die Tätigkeit in den Gremien steigt. Dies gilt insbesondere für den Verwaltungsrat. Der Gesetzentwurf sieht vor, Experten mit bestimmten Kenntnissen und Qualifikationen in den Verwaltungsrat zu berufen und die Kontrollfunktion somit zu stärken.

Eine Stärkung der Kontrolle bei größeren Programmbeschaffungen von Tochterunternehmen des WDR ist ebenfalls Ziel des Gesetzes. Das ist nicht nur mit Blick auf die Diskussion über die Gottschalk-Verträge eine wichtige Neuerung. Mehr Transparenz, öffentliche Sitzungen und Offenlegung von Unterlagen sowie Kooperation im journalistischen Bereich sind auch für uns wichtige Punkte des Gesetzes.

Meine Damen und Herren, wir werden in den nächsten Monaten den Gesetzentwurf intensiv beraten. Dankenswerterweise stehen uns hierzu auch die Informationen der erfolgreichen Onlinekonsultation der Landesregierung zur Verfügung, wie Frau Ministerin eingangs schon erwähnt hatte. Darüber hinaus erreichen uns jetzt schon eine ganze Reihe von Zuschriften, die uns empfehlen, weitere Änderungen am WDR-Gesetz vorzunehmen. Dies reicht von der Gremienzusammensetzung bis hin zur Einschränkung von Werbung und Sponsoring. Wir werden uns diese Forderungen und Ideen alle eingehend ansehen und beraten.

Sehr geehrte Frau Ministerin, die Gesetzeseinbringung möchte ich nutzen, um Danke zu sagen. Liebe Angelica Schwall-Düren, danke für deine Arbeit, die du seit 2010 hier geleistet hast. Beständigkeit, Herzlichkeit und hohe Professionalität zeichnen dein Tun hier für uns in unserem Bundesland und für die Medienpolitik aus. Du warst für uns immer fachlich und auch menschlich eine Bereicherung und darüber hinaus eine ausgezeichnete Streiterin für die Sache.

Wir wünschen dir das Allerbeste. Mach es gut!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Prof. Dr. Dr. Sternberg das Wort.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung bringt einen Gesetzentwurf ein, von Staatssekretär Eumann offensichtlich jetzt schon weiß, wie er verabschiedet werden wird. Denn am 3. September erläuterte er beim Medientreff in Köln, was nach der Verabschiedung des neuen WDR-Gesetzes Sache ist. Allerdings kommt der Gesetzentwurf heute ins Parlament, und das Gesetz wird hier und nirgendwo anders verabschiedet. Nicht noch einmal so eine Überrumpelung wie damals beim Mediengesetz!

Herr Kollege Vogt, ob dieser Entwurf wirklich auf die neue Medienwirklichkeit reagiert – daran habe ich doch erhebliche Zweifel. Zumindest die Ersetzung des Wortes „Programm“ durch „Angebot“ ist dafür ein bisschen dürftig.

Wenn man einen Blick auf das ZDF-Urteil wirft, stellt man fest: Es hat die Besetzung des WDR-Rundfunkrates kaum berührt. Denn auch nach dem geltenden Gesetz gibt es da kein Problem mit zu großer Staatsnähe.

Der Rundfunkrat wird aber deutlich vergrößert. Meine Frage: Sind 47 Mitglieder nicht ohnehin schon sehr viel? Warum soll das aufgebläht werden auf 58? Oder soll damit dessen Entmachtung kaschiert werden? Übrigens entstehen allein durch diese Aufblähung Kosten von etwa einer Viertelmillion Euro pro Jahr.

Es gibt viele Fragen zu der Besetzung, die da jetzt vorgesehen ist. Diese werden wir im Ausschuss diskutieren. Das gilt zum Beispiel für die Frage, was die neuen Kombinationen sollen. Mich hat besonders die Kombination von Bühnenangehörigen und Filmbüro amüsiert. Wie man auf diese aparte Kombination gekommen ist, weiß ich auch nicht. Anderes hingegen ist durchaus sinnvoll.

Ferner können sich sieben neue Verbände beim Landtag bewerben. Wird das Ganze dann wirklich politikferner als bisher? Zwei Mitglieder soll der Rundfunkrat auf Bewerbung hinzuwählen können. Wen repräsentieren die eigentlich? Oder ist das alles eher ein modischer Gag?

Erstaunt hat mich, dass eine Vertretung der vielen Muslime in diesem Land offenbar weniger wichtig ist und nicht vor die Klammer gezogen wurde.

Aber der Entwurf zeigt: Aufblähen, um das Entmachten zu verdecken. Das ist Methode. Denn nur noch für Programmfragen ist diese riesige Vertretung von 58 Personen dann zuständig. Alle Aufsichtsfunktionen liegen künftig beim Verwaltungsrat. Wollen Sie das wirklich? Die gesellschaftlichen Gruppen im Rundfunkrat haben dann nicht mehr die Aufsicht über den WDR. Dafür sind künftig nicht die die Gesellschaft repräsentierenden Gremien zuständig, sondern ein professionalisierter Verwaltungsrat.

Dass der Verwaltungsrat professionalisiert werden soll – why not? Das kann man bei einem Kontrollgremium für ein Unternehmen mit immerhin 1,5 Milliarden € Jahresetat durchaus einsehen. Aber warum diese Anforderungen für alle? Wenn das so festgelegt wird, dann hätte zum Beispiel der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Telekom, René Obermann, keine Chance. Der dürfte dann nicht Verwaltungsratsmitglied werden.

Oder werden hier wieder Tricks angewandt, um personalpolitische Absichten zu verfolgen, wie wir das bei der Tischvorlage zum Mediengesetz über eine scheinbar harmlos neue Voraussetzung für die Vertragsverlängerung mit der Absetzung des Direktors der LfM, Dr. Brautmeier, erleben mussten?

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zur Frage nach der Werbefreiheit, die offenbar nicht nur mich erstaunt hat. Gerade die Werbefreiheit kann zur Unterscheidbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beitragen.

Die Fraktionen von SPD und Grünen haben am 16. Juni dieses Jahres einen Antrag eingebracht, zu dem wir uns enthalten. Es gibt in dieser Frage offenbar einen politischen Konsens. Aber wie wollen Sie Ihre vollmundige Formulierung im Antrag „Es ist nun Zeit zum Handeln“ im Gesetz umsetzen?

Wir dürfen den WDR weder überlasten, noch dürfen wir ihn schlechter stellen als andere ARD-Sender. Der neue Intendant setzt sich bewundernswert für echte Einsparungen ein. Vielleicht finden wir eine Formulierung, mit der das Ziel der Werbefreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks WDR ohne momentane Zusatzbelastungen genannt und erwähnt werden kann. Ich denke, da werden wir zu reden haben.

Kommen wir zu einer weiteren Ungereimtheit. Das Grimme-Institut soll künftig direkte Zuweisungen vom WDR erhalten. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Da wird ein inzüchtiges System aufgebaut. Der WDR zahlt an ein Institut und holt sich das Investment über die Grimme-Preise wieder zurück. Aber der neue Aufsichtsratsvorsitzende ist zugleich auch Fernsehdirektor beim WDR. Das ist schon sehr in sich bezogen.

Die Mediennutzung befindet sich auch beim WDR in einem rasanten Umbruch. Eine Formulierung, die das Gesetz auf neue Sachverhalte hin zukunftsfest machen würde, ist ein Desiderat im Gesetz. Bei jedem WDR-Gesetz, das wir verabschieden, geht es um einen Sender, der in seinem öffentlich-rechtlichen Anspruch gestärkt zu werden verdient.

Auch im WDR hat sich über viele Jahre der sich selbst eingeredeten Konkurrenz zu den Privaten eine Orientierung an der Quote durchgesetzt, die wie ein Gift das Denken von Machern und Redaktionen bestimmt. In dieser Situation ist es unsere Aufgabe, deutlich zu machen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Legitimation nicht aus der Bespaßung möglichst vieler bezieht, sondern aus der Erfüllung seiner Kultur- und Bildungsaufgaben.

Dieses Gesetz wird bei einer Antwort zu dieser Kernfrage keine Hilfe sein. Es dient auch nicht größerer Staatsferne, sondern es ist ein weiterer Baustein in dem Versuch, die Medienlandschaft im Griff der Landes- und Parteipolitik zu halten. Wir werden im Ausschuss zu diskutieren haben.

Bevor ich schließe, noch ein Dank an die zuständige Ministerin Frau Dr. Schwall-Düren. Sie haben in der Zusammenarbeit immer die Rollenverteilung von Exekutive und Legislative beachtet – ich wünschte mir das übrigens auch von Kollegen, die vorhin geredet haben, in dieser Weise. Das möchte ich ganz besonders loben und hervorheben. In Ihrer noblen und zurückhaltenden Art haben Sie zwischen Sachauseinandersetzung und persönlichem Respekt immer zu unterscheiden gewusst. Auch von uns vielen Dank und alle guten Wünsche. Ad multos annos! – Vielen Dank!

(Beifall von der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Sternberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident! „Demokratieabgabe“ hat Jörg Schönenborn den Rundfundbeitrag genannt, als er dafür geworben hat, dass wir vom Rundfunkgebührenmodell, bezogen auf Geräte, auf ein haushaltsbezogenes Modell umgestiegen sind.

60 Eurocent pro Tag kostet uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner Gesamtheit in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Anteil davon wird an den WDR abgeführt. Der Westdeutsche Rundfunk ist gleichwohl der größte unserer Landessender, und er sitzt in Nordrhein-Westfalen.

In NRW haben wir nicht nur den größten öffentlich-rechtlichen Sender, sondern wir haben mit RTL auch den größten Privatsender mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Nachdem wir uns mit dem Landesmediengesetz beschäftigt haben, debattieren wir nun über das WDR-Gesetz – dank der Einbringungsrede und der Einbringungsarbeit von Frau Ministerin Schwall-Düren und vor allem auch von ihrem Team, bei dem ich mich sehr herzlich bedanken möchte: bei der Staatskanzlei, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diesen Entwurf vorgelegt und sich mit viel Mühe ans Werk gemacht haben.

Ich will fünf Punkte nennen, die jedenfalls aus meiner Sicht ganz entscheidend zur erfolgreichen Beratung beitragen werden. Ich bin sicher: Wir werden erfolgreich miteinander beraten, auch mit den kritischen Einwendungen, die gerade der Kollege Sternberg von der Opposition schon angeführt hat.

Zunächst einmal möchte ich für die Onlinekonsultationen danken. Das ist ein Verfahren, das nicht gewöhnlich, sondern neu ist, und das in Nordrhein-Westfalen schon erfolgreich beim Landesmediengesetz erarbeitet wurde. Es war aus meiner Sicht auch hier beim WDR-Gesetz sehr hilfreich, weil – Sie haben es gesagt, Frau Ministerin –, ganz viele Reaktionen und Anregungen gekommen sind, und zwar mehr als beim Landesmediengesetz. Das zeigt, dass der WDR eben als Landessender auch in der Wahrnehmung vieler von Interesse ist, und der Umgang mit ihm und dem, was wir ihm gesetzlich aufzugeben haben, ebenso.

Zum Zweiten – und das finde ich wichtig – haben wir insgesamt unter dem Stichwort „Mehr Netz“ im Gesetz neue Entwicklungen beschrieben bekommen. Wir haben das Verstärkungsgebot im Hinblick auf die Kooperation. Sie alle wissen, was damit gemeint ist, wenn es heißt: Der WDR, der NDR und die „Süddeutsche Zeitung“ haben gemeinsam recherchiert. – Sie alle haben auch schon registriert, dass so manches, was wir durch die öffentlich-rechtlichen Medien auf dieser Kooperationsbasis herausgefunden und erfahren haben, für unsere weiteren Debatten von großem Interesse und von inhaltlichem Belang ist.

Unter dem Stichwort „Mehr Transparenz“ haben wir wichtige Hinweise im Gesetz, die sich unter anderem darauf beziehen, dass wir künftig einen öffentlich tagenden Rundfunkrat haben werden. Das wiederum führt dazu, dass die Leute, wenn es sie interessiert, an den Beratungen eines bisher nichtöffentlich tagenden Gremiums teilhaben können.

Wir haben als Vorschlag auch ein Mehr an Gremienkompetenz im Gesetz, was ich gut finde, da es wichtig ist, dass die Gremien insgesamt in der Überwachungsfunktion, in ihrem Auftrag, Kontrolle auszuüben, gestärkt werden.

Wir haben – das finde ich ebenfalls wichtig – einen gestärkten Verwaltungsrat. Das ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt. Den hat sogar Kollege Sternberg hervorgehoben; in seinem ansonsten sehr kritischen Beitrag war das ein positiver Punkt. Ich denke, dies teilen wir.

Wir haben damit einen Gesetzesvorschlag, den wir natürlich noch intensiv miteinander beraten werden. Er ist heute eingebracht worden und wird unseren Beratungen vorbehalten sein, vor allen Dingen im Hinblick darauf, ob wir noch über Änderungen zu diskutieren haben. Der Bedarf mag aus Sicht der Regierungskoalitionsfraktionen möglicherweise nicht viel sein, etwas mehr aus Sicht der Oppositionsfraktionen. Das ergibt sich ein bisschen aus der Rollenverteilung.

Insgesamt jedoch haben wir meines Erachtens eine interessante Novelle vorliegen, über die wir angeregt und vielfältig diskutieren können. Am Ende ist bisher kein Gesetz so in die Beratungen hineingegangen, wie es später dann verabschiedet wurde. Insofern bleibt uns das jetzt als Parlamentarier überlassen.

Ich will noch auf den Begriff der „Versteinerung“ eingehen. Darauf bin ich gestoßen, und dieser Begriff wird im Entwurf, verehrte Regierung, auch zitiert. Das ist ein Begriff, der mich irgendwie stört, weil er suggeriert, dass das, was beim ZDF galt, auch beim WDR gegolten hätte. Ich weise das ein Stück von uns. I

Ich habe bisher den Eindruck, dass wir in Nordrhein-Westfalen eben nicht wie beim ZDF-Fernsehrat versteinerte Gremien vorgefunden haben, sondern einen Sender, der insgesamt in weiten Teilen seiner Konstruktion dem entspricht, was das sogenannte ZDF-Urteil vom 25. März 2014 nun auch für das ZDF vorgegeben hat. Insofern ist Nordrhein-Westfalen da ein Stück Vorbild gewesen, und wir verbessern mit dem Gesetzentwurf jetzt noch bestimmte Beteiligungs- und Gremienaspekte. Das ist auch gut so.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Ministerin, dieses sind meine letzten Sekunden – die Redezeit ist gerade abgelaufen –, aber quasi auch Ihre heute im Amt, die wir gemeinsam damit verbringen, dass Sie noch einen Vorschlag in Ihrer Verantwortung hier lassen.

Ich möchte mich dem sehr langen und sehr herzlichen Applaus mit einem ganz kurzen Dank anschließen. Ich möchte mich noch einmal im Namen meiner Fraktion ausdrücklich für die gute Kooperation bedanken, ganz besonders im Namen meines Kollegen Stefan Engstfeld, der mir das aufgetragen hat.

Ich darf Ihnen, Frau Ministerin, liebe Angelika, auch ganz persönlich danken für die Zusammenarbeit in den letzten fünf Jahren. Das waren angenehme Kooperationen; es waren bereichernde Begegnungen. Vor allen Dingen habe ich in der Medienministerin auch immer die Europaministerin erlebt und umgekehrt.

Das hat mich besonders gefreut, weil ich glaube, dass die Offenheit, mit der man diese Themen berät, und die europäische Dimension, die Medienpolitik immer hat, in dieser Verbindung ganz besonders gut untergebracht waren. – Herzlichen Dank persönlich von mir, im Namen meiner Fraktion und von Stefan Engstfeld. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Nückel das Wort.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Schwall-Düren, ich möchte mit dem beginnen, womit Herr Keymis geendet hat. Ich bedauere es sehr, dass Sie sich aus der ersten Linie zurückziehen, und ich möchte Ihnen danken für Ihre ruhige, unaufgeregte und, wie ich finde, auch sehr uneitle Art sowie für den Stil Ihrer Auseinandersetzung, bei der man immer die große Wertschätzung gegenüber dem politischen Gegner erkennen konnte.

Für dieses stilvolle Arbeiten möchte ich Ihnen im Namen meiner Fraktion danken. Ich wünsche Ihnen für den neuen Lebensabschnitt, der Sie sicherlich zu neuen Ufern und auch Zielen führen wird, von ganzem Herzen viel Erfolg und viel Glück.

(Beifall von allen Fraktionen)

Damit Sie an Ihrem letzten Tag als Ministerin nicht enttäuscht sind, geht es jetzt im Text so weiter, wie Sie es von mir gewöhnt sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem ZDF-Urteil vom März 2014 eine wegweisende Entscheidung über die Aufsichtsstrukturen der öffentlich-recht-lichen Sender getroffen. Der Einfluss der Politik auf die nach wie vor mit erheblicher publizistischer Macht ausgestatteten Rundfunkanstalten muss zu Recht begrenzt werden. Gebetsmühlenartig wurde das ja auch von den Vertretern von SPD und Grünen gerade wiederholt.

Aber das kann leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen exakt in die entgegengesetzte Richtung marschieren. Die Rigorosität und Härte, mit der Rot-Grün die politischen Interessen in der Medienpolitik und über die Medienpolitik durchsetzen will, nimmt, wie ich finde, bedrohliche Züge an. Es gibt immer wieder diesen Drang, dem Medienbereich die Zügel anzulegen – kurzum: Kontrolle statt Konzept. Das ist der Humus für ein langsam wachsendes Gängelband.

Das haben wir am Landesmediengesetz schon bemerkt; Kollege Sternberg hat darauf hingewiesen. Übrigens: Heute auf den Tag genau in 365 Tagen muss der Direktor der Landesanstalt für Medien, weil er politisch nicht genehm war, seinen Schreibtisch räumen, da man die Bedingungen für sein Amt verändert hat.

Wir sehen das ganz deutlich beim vorgelegten Entwurf des WDR-Gesetzes: Da wird zwar immer auf das ZDF-Urteil Bezug genommen. Da fällt immer das Wort „Transparenz“; ohnehin verwenden Rot-Grüne gerne die Wörter „Transparenz“ und „Partizipation“. Aber ich glaube, Sie meinen nur die eigene Partizipation.

(Beifall von der FDP)

Denn was machen Sie? – Sie blähen den Rundfunkrat auf. Er wird ein wenig mehr auf Rot-Grün gebürstet. Und dann verlagern Sie noch, weil Sie, glaube ich, wissen, dass es in einem solchen Gremium schwierig wird mit der Arbeit, bedeutende Teile der operativen Aufsicht auf das kleine Kämmerlein namens Verwaltungsrat. Und der soll jetzt im Grunde die Geschicke leiten.

Ich fürchte, Sie haben damit die Intention des Urteils völlig verkannt. Der Verwaltungsrat besteht aus neun Mitgliedern. Sieben werden durch Mehrheitsbeschluss des Rundfunkrates gewählt, aber neun Personen entsprechen mit Sicherheit nicht den möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens, denen – wie es im ZDF-Urteil gefordert wird – diese Personen entsprechen sollen.

Aus unserer Sicht ist es ein Versuch, den WDR ein bisschen der gesellschaftlichen Kontrolle zu entziehen. Ich glaube, das steht auch nicht mit der Verfassung im Einklang. Gut – böse Zungen beim WDR behaupten, Sie wollen mit der „kleinen KEF“. wie man sie vielleicht bald nennen wird, den Intendanten lebendig einmauern. Herr Eumann liest möglicherweise Edgar Allan Poe – mag sein.

Ich möchte noch über die zunehmende Zweckentfremdung von Beitragsmitteln reden, mit denen Sie Ihre politischen Vorhaben aufgrund der gescheiterten Haushaltspolitik dieses Landes sozusagen um die Ecke querfinanzieren wollen.

Die Filmschule, um das deutlich zu sagen, gehört ins Wissenschaftsressort. Oder bei Grimme: Ihre Vorhaben bedrohen in fataler Weise die Unabhängigkeit des Grimme-Preises, und es droht das Renommee von Grimme ins Provinzielle gezogen zu werden. Man hängt am Tropf von NRW, ist zu WDR-zentriert. Der WDR ist da aber kein unabhängiger Mitspieler. Er fördert sich jetzt selbst bei Grimme. Das sagen nicht nur Produzenten, das sagen uns auch viele Medienkritiker.

Dann die Scheinheiligkeit beim Thema „Werbung“! SPD und Grüne wollten ja zumindest symbolisch die Spitze der Entwicklung hin zu werbefreiem Rundfunk setzen. Wir hatten ja sogar zwei Anträge, einen im Dezember 2013 und einen im Juni 2015. Aber auch hier machen Sie wieder das Gegenteil – Stichwort: 90 Minuten. Sie sind also nicht an der Spitze der Werbefreiheitsbewegung, sondern Sie machen den WDR zur Spitze bei der erlaubten Werbung.

Und Staatssekretär Eumann – lassen Sie mich das noch zum Schluss erwähnen – wartet ja laut „RP“-Interview von heute auf einen neuen Staatsvertrag. Komisch – der NDR hat es auch ohne Bundesregelung hinbekommen, seine Werbezeiten im Hörfunk deutlich zu reduzieren. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Schwerd das Wort.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und im Stream! So gut es mit dem Landesmediengesetz funktioniert hat, so sehr ist es jetzt mit dem WDR-Gesetz in die Hose gegangen. Transparenz, Staatsferne, Partizipation – weit gefehlt. Ein Gesetz ändern zu wollen, und dabei all die Chancen, die sich jetzt geboten haben, liegen zu lassen – das ist schon eine reife Leistung.

Lassen Sie mich ein paar Beispiele anbringen. Zwar soll es in Zukunft verpflichtend sein, die Entscheidungen des Rundfunkrats im Internet zu veröffentlichen, aber wenn es nach Ihnen geht, hat dieser viel weniger Befugnisse als zuvor. Nach Ihren Plänen soll in Zukunft nicht mehr der Rundfunkrat für Jahresabschlüsse und den Geschäftsbericht zuständig sein, sondern der Verwaltungsrat. De facto erhält damit der Verwaltungsrat die totale Kontrolle über Finanzen und Personalangelegenheiten des WDR. Dieser Verwaltungsrat tagt natürlich nicht öffentlich.

(Zuruf von den PIRATEN: Aha!)

Der Rundfunkrat hingegen wird personell aufgebläht. Man senkt also die Staatsquote dadurch, dass man nicht weniger Politiker entsendet, sondern einfach viel mehr sonstige Mitglieder hinzufügt. Das ist grotesk. Warum aber ein Gremium auf nunmehr 58 Mitglieder vergrößern, das dann weniger oft zusammentreten soll und dem man auch noch einen Teil seiner ohnehin geringen Kompetenzen abnimmt?

Zudem erlauben Sie dem Landtag, sieben zusätzliche Mitglieder frei zu bestimmen. Wohin das führt, konnten wir bei der Medienkommission schon beobachten: Die Plätze werden als verlängerte Parlamentsbank betrachtet, als Verhandlungsmasse zwischen den Parteien, und sie werden mit den Mitgliedern opportuner Gruppen besetzt. So stellen Sie den politischen Einfluss im Rat durch die Hintertür wieder her.

Qualifikation ist nach wie vor kein personelles Auswahlkriterium. Auch die Zusammensetzung der 36 Verbände, die der Gesetzentwurf vorsieht, um Repräsentanten zu entsenden, wird den Anforderungen nicht gerecht. Es fehlt beispielsweise an Vertretern aus Gruppen, die den digitalen Wandel in unserer Medienwelt vorantreiben. Wo sind denn die Netzbürger repräsentiert? Wo sind denn die Bürgerrechte im digitalen Raum repräsentiert? Wo sind muslimische Verbände repräsentiert?

Im Übrigen fehlt mir auch ein Ausschuss zu dem Thema „Digitalisierung im Rundfunkrat“. Von der Beschränkung auf die klassischen audiovisuellen Medien müssen wir uns bekanntlich lösen.

Nicht zuletzt finde ich die Vergütung für die Mitglieder des Rundfunkrats verhältnismäßig hoch. Man könnte sich auch hierbei an der Medienkommission orientieren: Die tagt auch nicht seltener, ist kleiner, und es wird hier mit Sicherheit genauso qualifizierte Arbeit geleistet wie im Rundfunkrat.

Gewundert habe ich mich über die Regelung, dass der Rundfunkrat selbst zwei Personen hinzuwählen können soll, die ihm aber vorher nicht angehört haben dürfen. Hat man etwa Angst vor Qualifikation und Erfahrung? Traut man dem Rat die Entscheidung selbst nicht zu?

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu dem Thema „Partizipation“ sagen. Wünschenswert wären die Stärkung des Programmausschusses und die zusätzliche Einführung eines Publikumsrates – das wäre wegweisend gewesen –, der neben dem Rundfunkrat einen Teil der Programmaufsicht hätte übernehmen können, und der eine direkte Verbindung zwischen dem Sender einerseits und dem Publikum andererseits darstellen könnte. Diese Chancen wurden verpasst.

Auch zu einer Reduzierung der Werbezeiten, wie beim NDR, konnte man sich nicht durchringen. Obwohl Werbeeinnahmen nur einen verschwindend geringen Anteil der Einnahmeseite ausmachen, will man darauf wohl nicht verzichten. Möchte man dem Intendanten Spielgeld für fragwürdige Großhonorare à la Gottschalk erhalten?

Letztlich bleibt festzuhalten, dass dieser Gesetzentwurf keine Verbesserung darstellt – im Gegenteil. Es wurden nicht nur alle notwendigen Reformen außer Acht gelassen, sondern der Entwurf stellt sogar einen Rückschritt dar. Dementsprechend kann unser Fazit heute nur vernichtend ausfallen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vielfach in der Kritik. Selbst die Legitimationsfrage wird gestellt. Wir sind uns in diesem Hause alle einig, dass wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen. Aber dann muss auch ein Höchstmaß an Transparenz, Ausgabendisziplin, Staatsferne und Partizipation herrschen. Sonst sind seine Akzeptanz und damit auch seine Existenz gefährdet.

(Beifall von den PIRATEN)

Frau Dr. Schwall-Düren, an dieser Stelle auch von mir noch ein paar Worte an Sie: Ich möchte Ihnen auch im Namen unserer Fraktion ganz herzlich danken. Losgelöst von allen inhaltlichen Differenzen fand ich die Arbeit mit Ihnen immer außerordentlich angenehm. Der Umgang war immer sehr fair. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken, und ich wünsche Ihnen alles Gute, viel Glück und Erfolg. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerdt. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/9727 an den Ausschuss für Kultur und Medien. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung folgen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich schließe die Beratung zu TOP 10 und rufe auf:

11       Der Landtag von Nordrhein-Westfalen würdigt den Einsatz der Bundeswehr für ein friedliches und vereintes Europa

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/9790

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Marquart das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Thomas Marquardt (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kameradinnen und Kameraden und Gäste auf der Zuschauertribüne! Heute würdigen wir als Landtag von Nordrhein-Westfalen die deutsche Bundeswehr für ihren unermüdlichen Einsatz für ein friedliches und vereintes Europa.

60 Jahre nach der Gründung sagen wir heute als Parlamentarierinnen und Parlamentarier ein Dankeschön an die vielen Soldatinnen und Soldaten und auch an die vielen Zivilangehörigen der Bundeswehr, die mit großem Einsatz ihren Dienst für die Bundesrepublik Deutschland und auch für das Land Nordrhein-Westfalen verrichten.

Bundespräsident Joachim Gauck hat während seiner Antrittsrede im Juni 2012 gesagt – ich zitiere –:

„Sie schützen und verteidigen das, was uns am wichtigsten ist, auch über die Grenzen unseres Landes hinaus: Freiheit und Sicherheit, Menschenwürde und das Recht jedes Einzelnen auf Unversehrtheit. Sie handeln dabei im Auftrag einer freiheitlichen Demokratie. Sie sind als ‚Staatsbürger in Uniform‘ Teil dieser Gesellschaft, Sie stehen mit Ihrem Dienst für diese Gesellschaft ein.“

Der Bundespräsident charakterisiert damit nach meiner Meinung sehr treffend, warum die Bundeswehr ein so wichtiger Teil unserer Gesellschaft ist und bleiben muss.

Mit dem heute hier zur Abstimmung stehenden Antrag zur Würdigung des Einsatzes der Bundeswehr für ein friedliches und vereintes Europa setzen wir als Landesparlament ein besonderes Zeichen.

Auch wenn die politische Zuständigkeit für die Bundeswehr vor allem beim Deutschen Bundestag liegt, ist die Bundeswehr doch ein Teil von uns allen in Nordrhein-Westfalen. Hier sind zahlreiche Institutionen beheimatet. Das Landeskommando Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Düsseldorf, das Kommando Streitkräftebasis, das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen, die Flugbereitschaft oder auch das I. Deutsch-Niederländische Korps in meinem Wahlkreis in Münster – um nur einige zu nennen – sind wichtige Dienststellen der Bundeswehr, die hier in Nordrhein-Westfalen beheimatet sind.

Eine Verbindung zwischen der Bundeswehr und dem Land Nordrhein-Westfalen ist daher auch und gerade in der aktuellen Zeit auf der parlamentarischen Ebene sehr wichtig. Ich freue mich, dass wir es in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit mit der CDU, der FDP und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen geschafft haben, einen fraktionsübergreifenden Antrag zur heutigen Beratung zu erarbeiten und die heutige parlamentarische Begegnung mit der Bundeswehr gemeinschaftlich ins Leben zu rufen. Dies zeigt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen hat den festen Rückhalt seines Landesparlaments.

(Beifall von der SPD und der CDU – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Erst vor wenigen Wochen überreichte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Münster das Fahnenband des Landes Nordrhein-Westfalen an das I. Deutsch-Niederländische Korps im Beisein des niederländischen Königs Willem-Alexander. Diese höchste Ehrung, die einem Militärverband in Nordrhein-West-falen überreicht werden kann, unterstreicht einmal mehr, wie wichtig die Arbeit unserer Streitkräfte für unser Land ist. Dafür möchte ich der Landesregierung danken.

Ein weiteres Zeichen für die Verbundenheit unseres Parlaments mit der Bundeswehr ist die Übernahme der Patenschaft für die Fregatte 125, die im Frühjahr vom Stapel gelaufen ist. Heute sagen wir gemeinschaftlich Danke für staatsbürgerliches Handeln in Uniform im Auftrag der freiheitlichen Demokratie für unsere Gesellschaft.

Mit der heutigen Beschlussfassung dieses Antrags unterstreichen wir die starke Verbundenheit der Bundeswehr zu unserem Bundesland. Um diese Verbundenheit zu untermauern, findet im Anschluss an das heutige Plenum die parlamentarische Begegnung mit der Bundeswehr in der Bürgerhalle statt. Ich freue mich auf gute Gespräche und den Austausch mit Ihnen, liebe Abgeordnete und verehrte Soldatinnen und Soldaten.

Ich möchte aber auch der Landtagsverwaltung und dem Landeskommando NRW für ihre Arbeit danken. Sie haben in der Vorbereitung Großartiges geleistet.

Ich freue mich über die Zustimmung zu dem Antrag und auf die parlamentarische Begegnung. – In diesem Sinne: Glück auf!

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Marquardt. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Golland.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kameradinnen und Kameraden auf der Besuchertribüne! „Wir. Dienen. Deutschland.“ ist das Leitmotiv der Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr. In einem parteiübergreifenden Antrag würdigen wir heute das 60-jährige Bestehen der Bundeswehr und danken den Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz für Frieden und Freiheit im In- und Ausland.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Dieser Konsens ist gut. Er zeigt, wie anerkannt und bedeutend Auftrag und Anspruch unserer Streitkräfte sind.

Wir gedenken heute auch derer, die im Einsatz für ihr Land und ihren Auftrag gefallen oder verletzt worden sind. Ihr Opfer war nicht umsonst.

Gleichzeitig muss uns bewusst sein, dass auch in Zukunft der Einsatz für Frieden und Freiheit Opfer kosten wird. Aufgabe der Politik muss es daher sein, den Auftrag der Bundeswehr klar zu definieren und sie dann personell und materiell bestmöglich auszustatten.

Genauso wichtig ist aber eine breite politische Rückendeckung und gesellschaftliche Akzeptanz für unsere Soldaten in der Heimat und im Auslandseinsatz –

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

dies umso mehr vor dem Hintergrund globaler Entwicklungen, die Deutschland zu Recht mehr Verantwortung und Engagement abverlangen werden.

Die Bundeswehr ist unerlässlicher Garant der Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten. Sie hat in den vergangenen 60 Jahren unsere Freiheit, unsere Demokratie, unsere Werte und unsere Art zu leben verteidigt und geschützt. Sie war und ist dabei stets eine Parlamentsarmee aus der Mitte der Gesellschaft. Der Leitsatz des „Staatsbürgers in Uniform“ und die Grundsätze der Inneren Führung gibt es in dieser Form und Verankerung – zumindest soweit ich weiß – bei keinen anderen Streitkräften demokratischer Staaten.

Daher sollten alle demokratischen Parteien den Soldatinnen und Soldaten Dank und Anerkennung entgegenbringen. Das möchte ich heute im Namen der CDU-Landtagsfraktion ausdrücklich tun. Wir stehen an Ihrer Seite. Danke, dass Sie Deutschland dienen!

(Beifall von der CDU und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Golland. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Kollege Abel.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich zu diesem Antrag eine sehr persönliche Rede halte. Sie hat mit meiner Geschichte und vor allem mit der meiner Mutter zu tun.

1989 – kurze Zeit vor dem Fall der Mauer – brach meine Mutter mit mir in Leipzig-Markkleeberg auf, um über die deutsche Botschaft in Prag in die Bundesrepublik zu fliehen. Das Ticket hatte sie bis Brünn gebucht. Das Reisegepäck bestand, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, aus einem Koffer und einem Rucksack. Nach einer über achtstündigen Fahrt erreichten wir den Prager Hauptbahnhof.

Mit Glück, vor allen Dingen aber mit Hilfe eines Taxifahrers, der einige Schleichwege hinauf zur anderen Seite Prags kannte und vor allen Dingen wusste, wo die Kontrollpunkte waren, gelang es, mit dem Taxi bis auf wenige Hundert Meter an die Rückseite der Botschaft heranzukommen. Von hier aus ging es zu Fuß weiter. Letztlich halfen uns dann Mitarbeiter des Roten Kreuzes, auf das Gelände der Botschaft, die stark überfüllt war, zu kommen.

Auch hier hatten wir großes Glück. Der Aufenthalt war nicht lang. Nach kurzer Zeit wurde ein Transport zusammengestellt, der direkt aus Prag in den Westen fuhr, ohne – wie die anderen Züge wenige Wochen zuvor – durch die DDR zurückzumüssen.

Über die Bundesaufnahmestelle Gießen wurden wir schließlich der Notunterkunft auf dem Truppenübungsplatz Stegskopf in Daaden zugewiesen. Die Gemeinde im Norden von Rheinland-Pfalz nahm im Oktober 1989 knapp 2.000 Männer, Frauen und Kinder auf. Es waren viele Helferinnen des Deutschen Roten Kreuzes und Soldaten der Bundeswehr vor Ort, die die Versorgung und die Betreuung in der Notunterkunft organisierten.

Meine Damen und Herren, einer dieser Soldaten ist heute extra aus Rheinland-Pfalz angereist. Das ist der Oberstabsfeldwebel Bertold Korstian, der oben auf der Tribüne neben meiner Mutter Platz genommen hat und dieser Debatte folgt.

(Beifall von allen Fraktionen)

Herr Korstian, Ihnen und Ihren Kolleginnen, die damals Dienst hatten – Sie haben uns damals freundlich aufgenommen und alles möglich gemacht – sage ich ein herzliches Dankeschön für Ihre Arbeit. Das gilt natürlich auch für die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die damals dort ihren Dienst verrichtet haben. Vielen Dank!

(Beifall von allen Fraktionen)

Ich will mich auch ganz persönlich für diese Begegnung bedanken, die vor allem der Kollege Falk Heinrichs von den Sozialdemokraten ermöglicht hat. Falk, Herr Korstian war Gast in einer deiner Besuchergruppen. Er hatte damals einen Artikel in der „Rhein-Zeitung“ anlässlich des Mauerfalls vor 25 Jahren gelesen. Da hatte die „Rheinische Post“ unsere Geschichte veröffentlicht. Du hast über dein Büro den Kontakt realisiert und so auch ermöglicht, dass meine Mutter, Herr Korstian und ich uns heute das erste Mal bewusst kennenlernten. Dafür vielen Dank!

(Beifall von allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, ganz zum Schluss: Vor zwei Wochen war zu lesen, dass der Truppenübungsplatz in Daaden nach 25 Jahren wieder Flüchtlinge beherbergen wird. Ich will ganz bestimmt keine Parallelen zu aktuellen Ereignissen oder zu den Biografien derer ziehen, die jetzt in diesen Tagen hier zu uns nach Deutschland kommen. Ich wünsche mir aber – das ist, glaube ich, auch Anlass dieses Antrags –, dass sich die vielen Menschen, die bei uns ankommen und in diesen Tagen in vielen Städten den ersten Kontakt zum deutschen Militär bzw. zur Bundeswehr bekommen, später – in 20 oder 25 Jahren – so wie wir daran zurückerinnern können. Ich wünsche mir an dieser Stelle, dass sie das in guter Erinnerung behalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Abel, für diese sehr persönliche Rede. – Als nächster Redner spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Alda.

Ulrich Alda (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kameradinnen und Kameraden! Ich weiß nicht, ob der Landeskommandeur, General Gorgels, anwesend ist. Jedenfalls begrüße ich ihn schon einmal.

Ich vertrete hier meinen Kollegen Marc Lürbke hier, der sich heute Morgen mit 39 Grad Fieber entschuldigt hat. Er konnte kaum sprechen. Jedenfalls habe ich irgendwie verstanden, dass er krank ist. Das hat für die Kollegen im Saal den Vorteil, dass sie nicht auf eine Höhe von 2,07 m gucken müssen; bei mir ist es niedriger.

(Heiterkeit von allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, im Mai 1955 wurde die Bundeswehr als Parlamentsarmee gegründet. Am 12. November 1955 erhielten die ersten Rekruten – man weiß noch, wie umstritten das damals war – ihre Ernennungsurkunden.

Seither hat sich die Bundeswehr stetig gewandelt. Vieles wurde an sicherheitspolitische Herausforderungen angepasst oder aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen erneuert.

Unsere Parlamentsarmee hat im Laufe der Jahre immer mehr Aufgaben bekommen. Sie sieht sich permanent neuen Themen, Herausforderungen und einer gestiegenen Verantwortung ausgesetzt.

Der vorliegende Antrag ist aus Sicht der Freien Demokraten daher absolut notwendig. Er findet unsere volle Unterstützung. Wir als Freie Demokraten bekennen uns ausdrücklich zur Bundeswehr.

Die Leistungen und der Einsatz der Bundeswehr sind sehr vielfältig. So beteiligt sich die Bundeswehr gegenwärtig an insgesamt 16 Auslandseinsätzen. Dazu zählen unter anderem der Resolute Support in Afghanistan, die Kosovo Force im Kosovo oder die Ausbildungsunterstützung im Irak.

All diese Einsätze fordern nicht nur die Expertise unserer Bundeswehr: Nein, sie fordern das persönliche Engagement einer jeden Soldatin und eines jeden Soldaten. Die Anforderungen an die Kameradinnen und Kameraden sind somit beträchtlich und die Gefahren nicht zu unterschätzen. Wir müssen den Soldatinnen und Soldaten daher größten Respekt für ihren Einsatz zollen.

Aber nicht nur im Ausland, sondern auch innerhalb der Grenzen unserer Bundesrepublik leistet die Bundeswehr herausragende Arbeit und Unterstützung für die Bevölkerung. Meine Vorredner haben das zum Teil schon – auch sehr persönlich – untermalt.

Ich möchte lediglich die Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013 oder den Sturm „Ela“ im vergangenen Jahr als Beispiele nennen. Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten unermüdliche Hilfe und Unterstützung bei der Beseitigung von Gefahren und Bedrohungen. Dieser Einsatz für unser Land, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte von uns mit höchstem Dank und Anerkennung gewürdigt werden.

Aber auch bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise – auch das haben zum Teil die Vorredner schon angesprochen – können wir gegenwärtig auf die Hilfe der Bundeswehr zählen. So sind etwa 150 Angehörige der Bundeswehr für das BAMF abgestellt – zwar befristet, aber immerhin abgestellt. In Düsseldorf und Dortmund sind 60 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Bei der Bevölkerung ist dieses kaum bekannt.

Dazu werden unzählige Fahrzeuge der Bundeswehr mit Fahrern zur Verfügung gestellt, um Flüchtlinge zu transportieren. Sanitätskräfte der Bundeswehr sind eingesetzt, um bei der medizinischen Versorgung zu helfen. Und nicht zu vergessen: vielfach sind Flüchtlinge in Kasernengeländen untergebracht.

Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist Teil unserer Gesellschaft. Sie ist fest in unseren Strukturen verankert. Wir brauchen sie.

Es bleibt abschließend festzuhalten: Unsere Bundeswehr braucht die beste Ausrüstung. Unsere Bundeswehr muss geschützt werden vor Kritik aus Strömungen, die unserem Land Militarismus unterstellen wollen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Die Freien Demokraten solidarisieren sich mit der Bundeswehr, und zwar nicht nur mit der gelben Schleife, sondern tatsächlich mit der Seele.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich sehr auf unser Zusammentreffen und den Parlamentarischen Abend heute hier im Hohen Hause. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP, der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Alda. – Nun spricht für die Piratenfraktion der Fraktionsvorsitzende, Herr Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Liebes Digitalistan! In Art. 87a GG heißt es – ich zitiere –: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“

Die Bundeswehr hat durchaus Verdienste, die wir auch gerne würdigen – ebenso wie das Technische Hilfswerk, wie die Feuerwehr und wie die Polizei.

(Beifall von den PIRATEN)

Heute jedoch sieht die deutsche Verteidigungsarmee leider anders aus. Circa 7.500 Soldatinnen und Soldaten sind auf dem Balkan, in Zentralasien, im Mittelmeer und bis ans Horn von Afrika aktiv. Darunter sind auch offensive Kampfeinsätze. Im Mittelmeer zum Beispiel beteiligt man sich an der menschenrechtswidrigen Militarisierung des Kampfes gegen Schlepper.

Fakt ist leider auch: Die verteidigungspolitischen Richtlinien von 2011 zeigen den Umbau der Bundeswehr auf. Die Streitkräfte werden zu weltweit jederzeit offensiv einsetzbaren Kampftruppen umgebaut. Somit ist die Bundeswehr zu einem außenpolitischen Macht- und Interessenwahrnehmungsinstrument gemacht worden. Frei nach Horst Köhler kann ich sagen: Die Bundeswehr muss notfalls auch unsere Handelsrouten freischießen.

Diesen Umbau zu einer aggressiven Armee, zu einer Angriffsarmee wollen wir Piraten nicht.

(Beifall von den PIRATEN – Minister Michael Groschek: Quatsch ist das!)

Auch den Einsatz im Inneren lehnen wir ab – und Einsätze im Inneren werden in diesem Antrag gelobt. Wir geben nicht unsere Stimme her für eine Bundeswehr, die sich an grundrechtswidrigen Drohnenangriffen beteiligt. Wir geben nicht unsere Stimme her für einen Lobhudelei-Antrag des Establishments an das Establishment;

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unverschämt! – Zurufe von der SPD)

denn wir sind nicht Teil des Establishments.

(Beifall von den PIRATEN)

Im Übrigen sei für alle Zuschauerinnen und Zuschauer und die Öffentlichkeit da draußen noch gesagt: Die Wahrheit ist doch auch, dass dieser Antrag genau heute nur deswegen gestellt wird, damit man schön beim Parlamentarischen Abend mit den Bundeswehrvertretern Schnittchen essen kann. Dabei machen wir nicht mit.

(Zurufe von der SPD – Beifall von der SPD – Weitere Zurufe von der SPD und der CDU)

– Dann bleibt mehr über; ich weiß. – Dabei machen wir nicht mit. Denn bei uns heißt es nicht: „Drones welcome – killing your families.“ Da bleibt uns das Essen im Hals stecken. – Ich wünsche ohne uns einen guten Appetit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts des Tagesordnungspunktes hatte die Landesregierung eigentlich entschieden, keine Stellungnahme abzugeben. Nach diesem Wortbeitrag, der Zeichen der Pluralität von Meinungen in diesem Parlament ist, finde ich aber trotzdem, dass nicht jede Meinung unwidersprochen bleiben muss, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Deutsche Armeen haben in unserer Geschichte zu dunklen Kapiteln beigetragen. Daraus hat die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Verfassung 1949 Lehren gezogen. Diese Bundeswehr ist die rechtsstaatlichste Armee in der Geschichte Deutschlands.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP – Michele Marsching [PIRATEN]: Kein Widerspruch!)

Sie verteidigt Verfassung, Demokratie und Rechtsstaat in diesem Land. Sie ist dem Grundsatz der zivilen Führung unterstellt. Die Soldatinnen und Soldaten sind Bürger in Uniform und haben für ihre Arbeit, die sie im Auftrag von Parlamenten erledigen, Respekt und Wertschätzung verdient.

B(eifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Ich habe mich selbst davon überzeugen können, wie im Kosovo nordrhein-westfälische Polizei, Bundespolizei und Angehörige der Bundeswehr mit dafür gesorgt haben, dass rechtsstaatliche Strukturen in diesem Land eingekehrt sind und dass Justiz und Polizei als wesentliche Säulen des Rechtsstaates aufgebaut werden können.

Darüber hinaus sage ich auch angesichts der Gäste, die wir oben auf der Tribüne haben: Sei es Oder-Flut, sei es Ela-Sturm oder sei es aktuell die Unterbringung von Flüchtlingen – wir danken der Bundeswehr und den Soldatinnen und Soldaten sehr herzlich für ihre helfenden Hände. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Als nächster Redner spricht Herr Nettekoven für die CDU-Fraktion.

Jens-Peter Nettekoven (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Als aktiver Soldat war ich im Jahr 2011 für viereinhalb Monate in Afghanistan. Als Personenschützer des Generalinspekteurs der Bundeswehr, General Kujat, war ich im Dezember 2011 live im Deutschen Bundestag dabei, als die Abgeordneten entschieden haben, dass deutsche Soldaten nach Afghanistan entsandt werden.

Unsere Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag haben damals wie heute schwierige Entscheidungen getroffen, die nicht nur uns Soldaten, sondern auch unsere Familien betreffen.

Während Vater, Ehemann, Sohn, Tochter, Bruder, Schwester, Onkel, Tante oder Freund im Auslandseinsatz sind, gibt es hier, in unserem Land, Menschen, die hoffen, dass alle Soldatinnen und Soldaten gesund an Körper und Seele zurückkehren.

Es gibt für uns vieles, was hier selbstverständlich ist. Ich erinnere nur an fließendes Wasser, Zigaretten, Cola und daran, sein Kind oder seine Frau in den Arm zu nehmen.

Ich habe in den viereinhalb Monaten 16 Soldaten zum Flughafen gebracht, die nicht mehr gesund zurückkamen. Ein Soldat, mit dem ich an einem Tag Fußball gespielt habe, ist einen Tag später, am 28. Mai 2011, bei einem Anschlag in die Luft gesprengt worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als aktiver Soldat kann ich Ihnen nur eines sagen: Ich bin froh, in Frieden und Freiheit zu leben, und danke unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren/euren Einsatz für unser Land. – Vielen Dank.

(Langanhaltender Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Nettekoven. Auch Ihnen danke ich für diese sehr persönlichen Worte. – Als nächster Redner spricht noch einmal für die Piratenfraktion der Fraktionsvorsitzende Herr Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte noch einige Worte hinzufügen, weil ich glaube, dass ich vorhin einfach falsch verstanden wurde.

(Widerspruch von der SPD und der CDU)

– Doch, doch; das ist so. Den Respekt, das Lob und die Anerkennung für die Soldaten drücken wir durchaus aus. Denn die einzelnen Soldatinnen und Soldaten können nichts für die Probleme, die ich gerade angesprochen habe. Die angesprochenen Aufträge kommen von der Politik. Wir haben also kein Problem mit der Bundeswehr und auch kein Problem mit den Soldaten der Bundeswehr, sondern wenn, dann haben wir ein politisches Problem. Darauf wollte ich hinweisen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Daniel Sieveke [CDU]: Sie sind das Problem!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben direkte Abstimmung beantragt.

Daher stimmen wir über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/9790 ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das sind SPD, CDU, Grüne, FDP und zwei Abgeordnete der Piraten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Die restliche Fraktion der Piraten, soweit im Hause vorhanden. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen sind nicht zu sehen. Damit ist der Antrag Drucksache 16/9790 von den antragstellenden Fraktionen und mit zwei Stimmen aus der Piratenfraktion angenommen.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

12       Nordrhein-Westfalen muss verstärkt Planfeststellungen für Bundesfernstraßenbrücken vorantreiben

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9799

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU Herrn Kollegen Voussem das Wort.

Klaus Voussem (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem Gedicht von Wilhelm Busch ist folgender Vers zu lesen:

„Einszweidrei, im Sauseschritt           
Läuft die Zeit; wir laufen mit.“

Die Zeit der rot-grünen Landesregierung läuft seit 2010 – aber von Sauseschritt ist keine Spur. Stattdessen hinkt die Landesregierung der Zeit hinterher.

Hier nur ein Beispiel: Sie, Herr Minister Groschek, haben vergangene Woche in einem Interview folgenden Satz gesagt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:

„Wir haben mindestens ein Jahrzehnt der Baustelle vor uns. Wir müssen mehr reparieren und an Engpassstellen ausbauen.“

Die Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nur: Warum ist dieses Jahrzehnt der Baustellen nicht schon längst angebrochen? Wann soll dieses Jahrzehnt denn endlich beginnen? Wann wird endlich mehr repariert und ausgebaut?

Halten wir uns doch noch einmal die verlorenen fünf verkehrspolitischen Jahre in Nordrhein-Westfalen vor Augen: Hätte die rot-grüne Landesregierung den Kurs der Vorgängerregierung weitergeführt, dann wäre das Jahrzehnt der Baustellen schon zur Hälfte vorbei.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Marc Herter [SPD])

An allen Ecken und Enden fehlen die Planfeststellungen, um genügend Bundesmittel abzurufen. An Ausreden und Ablenkungsmanövern aber fehlt es der Landesregierung nicht. Sie, Herr Minister Groschek, haben das am vergangenen Wochenende wieder einmal unter Beweis gestellt. In dem erwähnten Interview in der „Neuen Westfälischen“ vom 26. September 2015 haben Sie gesagt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten noch einmal –:

„… wenn wir einen Planungsvorrat von einer Milliarde Euro anlegen, haben wir 100 Millionen Euro gebunden, die bei Schule, Polizei oder Justiz fehlen.“

Das ist ein Musterbeispiel einer Ausrede und fügt sich nahtlos in Ihre Ausredenreihe ein. Erst war die Vorgängerregierung schuld. Dann gab es angeblich nicht genug Ingenieure. Dann war es der Bund. Nun ist es der Anteil des Landes an den Planungskosten.- Damit aber muss doch jedes Land umgehen; andere Bundesländer können das auch.

(Beifall von der CDU)

Dafür macht eine Regierung, wenn sie fähig ist, eine vorausschauende Haushaltsplanung, und sie stellt eine mittelfristige Finanzplanung auf. Aber was tut die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen? – Sie lebt von der Hand in den Mund und verkonsumiert die sprudelnden Steuereinnahmen, anstatt Investitionen zu tätigen und vorausschauend zu planen. Das ist das Versäumnis dieser Landesregierung, und ein Ende ist nicht in Sicht. Zu leiden haben darunter die Menschen in Nordrhein?Westfalen und die Wirtschaft, die durch Sie im Stauland Nummer eins ausgebremst werden.

Herr Minister Groschek, wenn Sie mir nicht glauben, glauben Sie vielleicht unserem Bundespräsidenten Joachim Gauck, der am 9. Juni 2015 sagte:

Politik muss Infrastruktur und eine auskömmliche Grundfinanzierung von Bildung und Forschung bereitstellen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] – Zuruf von der FDP: Genau!)

Sie, Herr Minister Groschek, haben jedoch in Ihrem Interview versucht, Infrastruktur und Bildung gegeneinander auszuspielen, und das geht nicht. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall von der CDU und Christof Rasche [FDP])

Meine Damen und Herren, Bundesverkehrsminister Dobrindt gab Anfang dieses Monats bekannt, dass in den nächsten drei Jahren 500 Millionen € zusätzlich für die Sanierung maroder Bundesfernstraßenbrücken bereitgestellt werden. Dafür werden die Mittel bis 2018 von den bereits angekündigten 1,5 Milliarden € auf 2 Milliarden € erhöht.

Darüber hinaus sagte der Bundesverkehrsminister zu, dass jede Sanierungsmaßnahme einer Brücke, bei der Baurecht vorliegt, auch finanziert wird.

Deshalb haben wir heute diesen Antrag gestellt. Wieder einmal erhöht der Bund trotz Haushaltskonsolidierung und trotz Milliardenhilfen für Flüchtlinge die Mittel für die Infrastruktur. Das ist erstens eine Leistung, die es zu würdigen gilt, und zweitens eine Aufforderung an die Landesregierung, endlich genügend Projekte zur Baureife zu führen.

Zudem fordern wir die Landesregierung auf, alle Planungen mit und ohne Baureife offenzulegen. Die Zeit der Ausreden und Vorwürfe an den Bund muss ein Ende haben.

Schließen möchte ich mit einem weiteren Zitat von Ihnen, Herr Minister Groschek, vom April dieses Jahres:

„Wir werden im kommenden Jahrzehnt auf den Straßen bauen, bauen, bauen.“

(Minister Michael Groschek [SPD]: Jawohl!)

Aber, Herr Minister, damit dieses Jahrzehnt endlich anbrechen kann, müssen Sie erst einmal planen, planen, planen.

(Beifall von der CDU und Christof Rasche [FDP])

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und Christof Rasche [FDP])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Voussem. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Breuer.

Reiner Breuer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr darüber, dass die CDU-Fraktion heute diesen Antrag in das Plenum eingebracht hat. Denn sie gibt mir Gelegenheit, an meinen letzten beiden Plenartagen zwei Punkte deutlich zu machen:

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Erstens. Ich weiß die Verkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen in guten Händen und kann guten Gewissens mein Amt im Landtag aufgeben und in Kürze das des Bürgermeistes der Stadt Neuss aufnehmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweitens. Ich bin mir ziemlich sicher, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie noch lange in der Opposition bleiben werden, wenn Sie weiterhin nicht die Interessen Nordrhein-Westfalens richtig berücksichtigen, Herr Kollege Voussem.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Wie „verschemmert“

(Beifall und Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

muss man eigentlich sein, wenn man als Nordrhein-Westfale die Verkehrspolitik des CSU?Regionalpo-litikers Dobrindt so über den grünen Klee lobt, wie Sie das mit Ihrem Antrag heute erneut tun. Ihnen muss doch aufgefallen sein,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wenn Sie als Bürgermeister so weitermachen, …!)

dass das Problem weniger in der Planfeststellung liegt als daran, dass die vielen Straßen in Nordrhein-Westfalen nicht im Wahlkreis von Herrn Dobrindt liegen und deswegen nicht in Angriff genommen werden.

(Beifall von der SPD)

Sie müssen ja mal sehen, in Bayern, in Oberau, in Garmisch-Partenkirchen, werden 500 Millionen € versenkt, verbrannt für Ortsumgehungen mit teuren Tunneln.

(Klaus Voussem [CDU]: Dafür gab es auch Planungen!)

Mit diesem Geld könnten wir die 21 Ortsumgehungen, die wir zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet haben, in einem Rutsch bauen. Der Bund verweigert hingegen weiterhin seine Unterstützung, auch wenn es um weit fortgeschrittene Projekte geht. Ich erinnere an das Investitionspaket, bei dem zunächst 128 Millionen € nach Nordrhein-Westfalen fließen sollten und man uns abspeisen wollte. Dabei hätte man die sofortige Vollziehung für weitere Projekte von 240 Millionen € anordnen können, wenn wir die Bundesfinanzzusagen erhalten hätten.

Sie wollen natürlich weiterhin den Eindruck eines Staulandes erwecken,

(Klaus Voussem [CDU]: Ich weiß nicht, was Sie jeden Morgen erleben!)

eines verkehrs- und baupolitischen Stillstands.

Genau das Gegenteil ist der Stand. Wir sind nicht Stauland Nummer eins, sondern Bauland Nummer eins. Wir reparieren, und Sie schwadronieren. Das ist die Wahrheit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei allen Schwierigkeiten sind wir in Nordrhein-Westfalen weiterhin mobil, und wir investieren.

Wir haben den Landesbetrieb Straßen.NRW fit und wettbewerbsfähig gemacht. 900 Millionen € Bundesmittel werden in diesem Jahr durch den Landesbetrieb verbaut. Es kommen Investitionspaket, Brückensanierungsprogramm und die Landesstraßenbaumittel hinzu. Die 6.000 Beschäftigten des Landesbetriebs verbauen in diesem Jahr wieder über 1 Milliarde € auf die Straße und sichern dadurch die Mobilität in Nordrhein-Westfalen.

Mit dieser Mobilitätsoffensive haben wir es geschafft, hier wieder Schwung reinzubringen. Der Minister höchstselbst hat sehr stark daran mitgewirkt, dass der Stellenabbau, den Sie hergestellt haben, wieder eingeschränkt wird. 771 Stellen sind unter Herrn Verkehrsminister Wittke eingespart worden – darunter auch sehr viele Planerinnen und Planer. Heute leiden wir unter Ihrem Verkehrsminister Wittke, der im Bund den Mund weit aufmacht.

Die Planungskapazitäten haben wir der DEGES übertragen und weiteren Dritten. Wir haben den Landesbetrieb optimiert, und wir haben die Straßen priorisiert, die wir weiterplanen wollen. Den Mut haben Sie in all den Jahren nie aufgebracht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dadurch schaffen wir es auch voraussichtlich bis 2017, über 2 Milliarden € für neue Projekte in Nordrhein-Westfalen zu akquirieren.

(Zuruf von Klaus Voussem [CDU])

Wir gestehen aber auch zu, die Planungsreserve muss weiter aufgebaut werden. Daran arbeiten wir, damit wir nicht wieder von Ad?hoc?Programmen des Bundes aufgefressen werden.

Insofern brauchen wir eine verlässliche, eine dauerhafte, eine jahresübergreifende Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur durch den Bund. Daran sollten wir besser gemeinsam arbeiten, wie wir es bei den Regionalisierungsmitteln für den öffentlichen Personennahverkehr geschafft haben. Der Landtag hat hierzu einen einstimmigen Beschluss gefasst, und Herr Groschek hat diesen mit Erfolg im Bund durchgesetzt. Wir werden deutlich mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr und für die Verkehrswende in Nordrhein-Westfalen erreichen. Sie denken sowieso nur in Straße und nicht in anderen Verkehrsmitteln.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Wir werden insofern gehalten sein, auch beim Bund gemeinsam für die Interessen Nordrhein-Westfalens einzutreten. Ich kann nur dringend an Sie appellieren und abschließend betonen:

Ich habe schon den Eindruck, dass die Fraktionen hier im Landtag allesamt das Land Nordrhein?Westfalen im Blick haben. Wir müssen uns wohl nur entschiedener und deutlicher Richtung Berlin artikulieren. Die Wege sind natürlich immer unterschiedlich. Das gehört zu einer Demokratie dazu und macht sie spannend. Das hat mir hier im Landtag besonderen Spaß gemacht.

Ich möchte deswegen, meine Damen und Herren, hier Dank sagen für viele kritische Diskussionen, zum Teil auch langwierige Diskussionen, die wir im Fachausschuss, aber auch hier im Plenum des Landtags zur Verkehrspolitik geführt haben. Natürlich haben wir dabei immer die Städte Nordrhein-Westfalens im Blick, was die Stadtentwicklungspolitik, die Baupolitik und die Wohnungsbaupolitik angeht.

Ich meine, dass wir hier vieles entscheidend vorangebracht haben. Die Wohnungsbauförderprogramme des Landes Nordrhein-Westfalen, die Wohnungsaufsicht, die Mietpreisbremse sind ein paar Stichworte, die ich hier nur nennen will. Wir haben hier vieles erreicht, und ich hoffe, dass ich einen kleinen Beitrag dazu in den letzten Jahren leisten konnte.

Ich möchte jedenfalls Dank sagen für viele interessante Diskussionen und Begegnungen, die ich hier im Landtag hatte. Theodor Fontane hat einmal geschrieben – das zum Abschluss –: Abschiedsworte müssen kurz sein wie eine Liebeserklärung. – Deswegen ein Dankeschön an alle, Tschüss und Glück auf!

(Langanhaltender Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Breuer. Auch von mir im Namen des Präsidiums alles Gute für Ihre neues Amt als Bürgermeister von Neuss.

Ich kann gleichwohl nicht verhehlen, dass ich, wenn ich es ganz hart machen würde, eigentlich eine Rüge über den Rhein bis nach Neuss hinterherschicken müsste. Denn wir haben uns im Hohen Hause eigentlich darauf geeignet, eine Verballhornung von Namen nicht zu dulden. Ich bitte um Verständnis, dass ich es jetzt so erwähne.

(Reiner Breuer [SPD]: Wenigstens eine Rüge! – Heiterkeit)

Sie nehmen das mit, werden das im neuen Amt wägen, und wir halten uns weiterhin an die Regeln, die wir hier miteinander besprochen haben.

Als nächster Redner spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal im Namen aller Obleute und Kollegen herzlichen Dank an den Kollegen Breuer für die gute Zusammenarbeit

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

und viel Erfolg für die neue Aufgabe gerade nach so einem historischen Wechsel in Neuss nach so vielen Hunderten von Jahren konservativer Herrschaft. Wir freuen uns auf die Bilder vom Neusser Schützenfest mit Reiner Breuer, der dann dort die Parade abnehmen darf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt zum CDU-Antrag. Ich meine, wir sind von der Grundlinie her gar nicht so elementar auseinander. Ich kann auch verstehen, dass man, wenn man in der Opposition ist, Tätigkeitsnachweise bringen muss. Ich hätte Ihnen, lieber Kollege Voussem, auch die Pressemitteilung für Ihren Antrag schreiben können: Landtags-CDU macht Dampf bei der Brückensanierung.

Dieser Antrag ist aber angesichts der konkreten Arbeit der Landesregierung und des Ministeriums überflüssig. Die Aktivitäten laufen. Ich vermute, dass der Minister in seiner Rede gleich noch einmal die Liste vorstellen wird, welche Autobahn- und Bundesstraßenbrücken saniert werden.

2011, in unserer ersten rot-grünen Regierungszeit – damals gab es einen grünen Staatssekretär –, ist die erste Bestandsaufnahme vorgelegt worden, die aufzeigte, wo es massive Brückenschäden in Nordrhein-Westfalen gibt.

Die grüne Bundestagsfraktion hat vor Kurzem die Antwort aus dem Bundesverkehrsministerium auf ihre Anfrage zum Zustand der Straßenbrücken in den Bundesländern bekommen. Dabei ist noch einmal festgestellt worden, dass knapp 240 Straßenbrücken in Nordrhein-Westfalen dringend sanierungsbedürftig sind und sich 20 in einem völlig ungenügenden Zustand befinden.

Das heißt, die Problemlage, die im CDU-Antrag beschrieben wird, besteht durchaus. Aber dass Sie versuchen, das für eine Lobhudelei an die Bundesregierung zu nutzen – auch bei allem Eingeständnis, dass es gut ist, dass der Bund dafür mehr Geld in die Hand nimmt –, ist völlig unangebracht.

Sie schreiben in Ihrem Antrag: Die Bundesregierung hat dies erkannt und entsprechend gehandelt. – Nach der Daehre-Kommission 2011 und der Bodewig-Kommission 2012, als die Länder parteiübergreifend erkannt haben, dass wir ein jährliches Sanierungsdefizit von über 7 Milliarden € haben, hat die Große Koalition festgelegt, dass sie pro Jahr 1,5 Milliarden € in die Hand nimmt. Und jetzt hat sie noch einmal ein bisschen draufgesattelt.

Es ist gut, dass Geld fließt. Aber wenn Sie meinen, dass wir zustimmen, obwohl jährlich 5 Milliarden € an Sanierungsgeldern fehlen, die vom Bund fließen müssten, und weil Sie sagen, dass der Bund das erkannt hat – wir führen im Herbst 2015 schließlich eine Debatte zu Erkenntnissen, die schon seit 2012 vorliegen –, lieber Kollege Voussem, dann liegen Sie falsch. Wir können nicht zustimmen, und deshalb können wir bei diesem Antrag auch nicht mitgehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das überrascht uns nicht!)

Ich frage mich – das haben Sie als Forderung an die Landesregierung formuliert –, was Sie mit dieser 1 Milliarde € Planungsreserve beabsichtigen. Worum geht es denn bei dieser Planungsreserve? Reden wir hier über Neubau, über Ausbau oder über Sanierung?

Für uns Grüne ist klar – das ein bisschen in Abwandlung zu dem, was der Minister gesagt hat –: Wir müssen in den nächsten Jahren sanieren, sanieren, sanieren. Darum wird es in den nächsten Jahren gehen.

(Christof Rasche [FDP]: Selbst dafür muss man planen!)

Oder reden wir über Straßenneubau?

(Christof Rasche [FDP]: Ohne Planen geht nichts!)

Reden wir also über die unsinnigen Umgehungsstraßenprojekte, hinsichtlich derer wir es zum Glück hinbekommen haben, gemeinsam mit der Landesregierung eine Priorisierung vorzunehmen, damit nicht alle Straßenprojekte gleichzeitig weitergeplant werden? Vielmehr legen wir jetzt ein Augenmerk darauf, was dringend notwendig ist, was angegangen werden muss und wo dringend saniert werden muss. Das ist die Leistung dieser Landesregierung gewesen, dass wir das klar priorisiert haben.

Sie bleiben in Ihrem Antrag jede Antwort schuldig. Also: Worum geht es bei dieser 1 Milliarde € Planungsreserve, die jetzt aufgelegt werden soll?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock?

Arndt Klocke (GRÜNE): Ja, selbstverständlich.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist sehr nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege Klocke, stimmen die Medienberichte, dass Sie gefordert haben sollen, die Mittel für den Landesstraßenbau im Kölner Umfeld oder in Köln bedeutsam zu kürzen und stattdessen für den Radschnellwegebau zu verwenden? Stimmen diese Mitteilungen in den Medien?

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das habe ich auch gelesen!)

Arndt Klocke (GRÜNE): Ja, die stimmen. Ich habe vorgeschlagen, dass man perspektivisch einen Teil der Summe aus dem Topf, mit dem heute Landesstraßenneubau finanziert wird, in den Bau von Radschnellwegen investiert könnte.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Also alles neben der Spur!)

– Nein, ich finde die Forderung nicht neben der Spur, sondern zukunftsgerichtet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schließlich zeichnen sich die Radschnellwege dadurch aus, dass sie häufig nicht neben den Straßen, sondern auf eigener Trassierung liegen, also beispielsweise auf ehemaligen Bahntrassen und anderen Parzellen geführt werden.

(Klaus Voussem [CDU]: Auch das muss man planen!)

Das unterscheidet die Radschnellwege von den heutigen Radwegen, dass man auf diesen kreuzungsfrei unterwegs ist.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Kennt er nicht! Hat er noch nie gesehen! – Gegenruf von Holger Ellerbrock [FDP]: Kollege, ich fahre mehr Rad als Sie!)

Damit war die Frage, glaube ich, auch beantwortet. Ich würde jetzt mit meiner Rede fortfahren bzw. gleich zum Schluss kommen.

Dass wir in den nächsten Jahren Brückensanierungen in erheblichem Maße vor uns haben, ist absolut richtig und konzediert. Wir sollten uns auch deutlich darauf fokussieren und mehr Gelder akquirieren. Dass der Bund das erkannt hat und hier mehr Geld gibt, ist zu begrüßen. Aber es ist noch viel zu wenig. Die Bundesregierung hält immer noch an der schwarzen Null fest, statt zu sagen: Investitionen in Mobilität und in die Sanierung sind Zukunftsinvestitionen und das, was wir heute dort investieren, bedeutet eine Dividende für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. – Das ist leider im Bund noch nicht erkannt worden.

Mir ist Ihr Antrag, lieber Kollege Voussem, noch viel zu wenig auf all die anderen Aspekte ausgerichtet, die Zukunftsmobilität bedeutet. Was ist beispielsweise mit einem intensiveren Ausbau im Schienenbereich? Was ist mit Radschnellwegen? Was ist mit Mobilitätsmix etc.? Für mich stecken da viel zu viel Straße und viel zu viel Neubau drin und viel zu wenig das Setzen auf einen modernen Mobilitätsmix. Deswegen können wir diesem Antrag leider nicht zustimmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Klocke. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Rasche.

Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Breuer, viel Glück und Erfolg bei der kommenden Aufgabe in Neuss! Das wird bestimmt spannend. Sie haben heute hier Ihre Abschiedsrede gehalten. Ich hätte Sie mir noch einen Tick objektiver gewünscht und noch ein bisschen mehr verbunden mit Respekt vor den Kollegen. Aber Schwamm drüber! Viel Glück! Wir werden uns bestimmt wiedersehen.

Kommen wir nun zum Antrag der CDU, der sich mit dem Sanierungsstau bei der Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen befasst. Das ist gut so. Mit dem gleichen Thema haben sich die Verkehrsminister von 16 Bundesländern in der sogenannten Daehre- und der Bodewig-Kommission in den Jahren 2011, 2012 und 2013 befasst. Sie haben dann unbestritten festgestellt, dass wir dort alleine einen Sanierungsstau von 40 Milliarden € haben und dass wir jährlich im Bundeshaushalt zusätzlich 7 Milliarden € brauchen. Das haben sie während der Koalitionsverhandlungen im Bund eingefordert. All das ist unbestritten und viele Unionsverkehrsminister waren dabei.

Jetzt komme ich konkret zum Antrag, und zwar zunächst zur Einleitung. Darin, liebe Kolleginnen und Kollegen, befassen Sie sich mit der Bundespolitik. Da ist zumindest ein Satz gewagt. Sie schreiben: Die Bundesregierung hat erkannt, dass, um diesen Verkehrsinfarkt zu vermeiden, saniert werden muss. – Sie haben dann noch hinzugefügt: Sie hat entsprechend gehandelt.

Tatsächlich ist bei diesen Koalitionsverhandlungen herausgekommen: Für vier Jahre 5 Milliarden mehr. Minus Wegekostengutachten, minus Ausfinanzierung von besonderen Maßnahmen in Bayern bleibt 1 Milliarde, durch vier Jahre dividiert bleiben im Jahr 250 Millionen. Also: Die eigenen Landesverkehrsminister haben 7 Milliarden gefordert. Sie haben 250 Millionen gegeben. Ich wiederhole es noch einmal: Die Aussage, sie haben entsprechend gehandelt, ist mehr als gewagt.

Aber kommen wir zum Beschlussteil! Darin befassen Sie sich, Herr Voussem, mit Landespolitik. Da passen die Aussagen wie ein Deckel auf den Eimer. Zum einen sagen Sie – das ist die Kernaussage –: Es muss, um den endgültigen Verkehrsinfarkt abzuwenden, bedarfsgerecht die Infrastruktur saniert werden. – Da sind wir bei Ihnen. Das ist auch die Forderung der Daehre- und Bodewig-Kommis-sionen und das ist noch nicht der Fall.

Im zweiten Teil des Beschlussteils fordern Sie eine Planungsreserve für Bundesfernstraßen von insgesamt 1 Milliarde €. Auch da gibt Ihnen die FDP-Landtagsfraktion völlig recht. Auch dem stimmen wir zu. In den Zeiten der Vorgänger von Minister Groschek war es eine Selbstverständlichkeit, in allen Plänen eine Planungsreserve einzuplanen, weil erstens immer wieder und manchmal sogar überraschend Maßnahmen beklagt wurden und für diese das Geld dann nicht ausgegeben werden konnte. Zweitens gab es auch immer wieder Sonderprogramme des Bundes, auf die man vorbereitet sein musste. Man muss Maßnahmen in der Schublade haben.

Um dieses Ziel zu erreichen, stellt die CDU diesen Antrag. Das ist klug und das ist gut. Ich glaube, es trifft sogar das Ziel des Ministers persönlich. Auch er möchte gerne genügend Planungsreserven haben, damit das Geld, das der Bund zur Verfügung stellt, in Nordrhein-Westfalen ausgegeben werden kann.

Um dieses zu erreichen, stimmen wir dem Antrag der CDU zu. Vermutlich werden wir die einzige Fraktion sein, die das tut. Aber vielleicht arbeiten wir gemeinsam an diesem Ziel. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Fraktion der Piraten hat nun Herr Kollege Fricke das Wort.

Stefan Fricke (PIRATEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Vorne weg: Auch wir werden diesem Antrag zustimmen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das mag Sie überraschen. Denn bisher gab es kaum Anlass dafür, Anträgen der CDU zum Straßenbau zu folgen. Im Grunde sind die meisten Anträge der CDU hierzu nicht einmal ernst zu nehmen. Insofern unterscheidet sich dieser Antrag kaum von früheren, aber er fordert halt nichts Falsches. Die Piraten werden also mal über ihren Schatten springen.

Worum geht es eigentlich? Die CDU stellt – für alle Anwesenden natürlich total überraschend – fest, dass wir in Nordrhein-Westfalen ein Problem mit unserer Straßeninfrastruktur haben. Dann folgt das unvermeidliche Loblied auf den Bundesverkehrsminister, der in seiner unendlichen Güte weitere Mittel zur Verfügung stellen will, auf dass die Straßen in diesem Lande wieder in einen vernünftigen Zustand versetzt werden.

Dass wir beschließen sollen, dass wir das begrüßen, ist wenig zielführend. Irgendwie fühle ich mich auch nicht besonders wohl bei dem Gedanken, qua Beschluss Mitglied des Alexander-Dobrindt-Fan-clubs zu werden. Aber die Mitgliedsgebühren sehen ja erst einmal gar nicht so unattraktiv aus. Also: Was soll‘s? Die von Ihnen versprochenen Milliarden hören sich ja nicht schlecht an, auch wenn damit noch lange nicht alles finanziert werden könnte, was repariert werden muss.

Wie viel davon dann aber auf NRW entfällt, bleibt jedoch abzuwarten.

Der Bundesverkehrsminister hat da so seine ganz eigenen Vorstellungen von gerechter Verteilung auf die Länder und die Wahlkreise. Herr Kollege Breuer hat es ja schon erwähnt: In seinem eigenen bayerischen Wahlkreis wird schon ein Tunnel geplant, der die grasenden Kühe vor unangenehmen Emissionen schützen soll. Dieser Tunnel wird im Volksmund nach ihm benannt.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Ich gestehe: Da habe ich dann doch Schwierigkeiten, dem Fanclub beizutreten.

(Beifall von Marc Olejak [PIRATEN])

Aber darum geht es eigentlich nicht. Es geht darum, dass wir uns über kaum eine Sache einiger sind als darüber, dass die NRW-Straßeninfrastruktur saniert werden muss und dass dafür Bundesmittel in genügender Höhe zur Verfügung gestellt werden müssen.

(Beifall von den PIRATEN)

Dass dafür auch Planungsreserven aufzubauen sind, ist sogar schon bei der Landesregierung angekommen. Das Verkehrsministerium hat schon längst entsprechende Schritte unternommen.

Gleichwohl bleibt die Forderung richtig, auch wenn sie, nun ja, ein wenig geschichtsblind daherkommt. Wer hat denn noch mal schnell vor allem beim Landesbetrieb Straßen.NRW Personal in großen Mengen abgebaut? – Genau, das dürfen sich CDU und FDP auf die Fahnen schreiben. Übrigens, das ist ein gutes Beispiel für die ziemlich kurzsichtige Lust, Geld zu sparen, das hinterher doppelt ausgegeben werden muss. Die schwarze Null kommt uns noch teuer zu stehen.

Der damals verantwortliche NRW-Verkehrsminister hieß übrigens Oliver Wittke,

(Zuruf von der CDU: Guter Mann!)

der ja bekanntermaßen besonders interessiert an hochgeschwindigkeitsgeeigneten Straßen ist und seit einiger Zeit nur noch Wahlkampfmodus kann.

Die FDP hält sich sowieso aus jeder inhaltlichen Debatte raus, weil sie Angst hat, aufs falsche Pferd zu setzen und so 2017 auch aus diesem Landtag zu galoppieren. Aber noch mal: Was soll’s?

Der Antrag benennt nichts Neues und ist überflüssig wie ein Schlagloch. Er bleibt bei Altbekanntem. Er vergisst die unrühmliche Rolle der alten schwarz-gelben Landesregierung.

(Zuruf von den GRÜNEN: Dann sollten Sie ihn ablehnen!)

Er bezieht nicht kritisch Stellung zur total eigennützigen Politik des Bundesverkehrsministers, aber er fordert auch nichts, was nicht von allen unterschrieben werden kann.

Deshalb sind wir Piraten heute großzügig und machen uns kein bisschen lustig über diesen Antrag und seine Prosa. Wir sagen: Ja, lasst uns Bundesmittel für dringend notwendige Sanierungen akquirieren. Lasst uns dies tun, bevor wieder ein Sachzwang dann dazu missbraucht wird, demokratische Rechte der Beteiligung auf dem satanischen Altar des „Basta“ zu opfern.

Kurz: Wir stimmen diesem Antrag zu und wollen jetzt aufhören, unsere Zeit mit unnötigem Zeug wie diesem Antrag weiter zu verschwenden. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Fricke. – Nun hat für die Landesregierung der Minister, der auch für Verkehr zuständig ist, Herr Groschek, das Wort.

(Christof Rasche [FDP]: Endlich mal ein Minister, der uns erhalten bleibt!)

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Bitte?

(Christof Rasche [FDP]: Endlich ein Minister heute, der uns erhalten bleibt! – Weitere Zurufe)

– So, ich habe weder Knie noch Rücken und fühle mich pudelwohl.

(Heiterkeit und Beifall)

Deshalb: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Worum geht es? Es geht darum, dass wir Mobilität organisieren und uns endlich von dem traditionellen Spartendenken der Vergangenheit lösen. Dieses Spartendenken in der Verkehrspolitik hat uns in diese Sackgasse geführt.

Straße, Schiene, Wasserstraße, Radschnellweg sind nicht spinnefeind, sondern sie ergänzen sich sinnvoll. Das zu begreifen und in praktische Politik umzusetzen, ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Da haben wir gesündigt, weil wir das vernachlässigt haben. Das ist die eigentliche Malaise.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wo stehen wir heute? Seit 2013 ist der Stellenabbau gestoppt. Zur Ehrenrettung von Herrn Wittke muss ich sagen: Er hat nur 620 Stellen abgebaut, den Abbau des Restes hat der Kollege Lienenkämper organisiert, also: Ehre, wem Ehre gebührt an dieser Stelle.

Zweite Bemerkung: Seit 2013 gestoppt, seit 2014 Stellenaufbau, Rekordetats für Vergabe, DEGES-Mitgliedschaft. Die DEGES plant für uns die A-40-Rheinquerung, drei A-1-Brücken, viermal Autobahnkreuz Heumar, Brückenbauwerke. Die DEGES plant vier Talbrücken A 44. Mehr kann die DEGES nicht, und ich fürchte, die DEGES wird zeigen, dass sie nicht schneller als unser herausragend guter Landesbetrieb ist.

Der Landesbetrieb plant die Leverkusener Rheinquerung, vier A-1-Brücken, A-3-Brücke, A-44-Brücke, sechs Brücken A 45, A 46, A 544, dreimal B 55 in Lippstadt, damit HELLA & Co. Weltmeister bleiben können, eine zusätzlich bei der B 55, zwei weitere Bundesstraßenbrücken.

Summa summarum planen wir so viel, dass mehr überhaupt nicht möglich und später auch gar nicht umsetzbar sein wird, wenn die Pläne Baureife haben. Wir haben 27 Pläne in der Planfeststellung. Wir haben 20 in der Planung. Wir haben sechs Knoten in der Planung. Also: Was den Planungshochlauf angeht, gibt es keinen außerhalb der Oppositionsbänke, der sagt: Ihr müsst an dieser Stelle mehr tun, weil mehr überhaupt gar nicht rational umsetzbar ist. Da spielt Geld keine Rolle, sondern die vorhandene Planungskapazität.

Zweite Anmerkung: Was ist mit der Baureife? Baureife ist kein Kriterium für verkehrswirtschaftliche Vernunft. Auf Bundesebene sind 99 Projekte am Bundesverkehrswegeplan vorbei Realität geworden, ohne eine erneute verkehrswirtschaftliche Prüfung über sich ergehen zu lassen. Da ist Oberau ja nur ein Stichwort; es gibt viele andere.

Auch wir haben Ortsumgehungen genannt, die in der eigentlichen Priorisierung im Vergleich zu anderen, in Planung befindlichen Baumaßnahmen nicht vorne gestanden hätten. Deshalb reden wir ja in Berlin bei der Fortsetzung der Bodewig-Kommission auch über die Überjährigkeit.

Der Bund hat für sich Überjährigkeit organisiert. Die Länder brauchen sie dringend. Uns gehört das Geld. Hier gehört das Geld hin, und wir müssen überjährig entscheiden können, wo das Geld eingesetzt wird. Nicht Baureife, sondern realer verkehrswirtschaftlicher Bedarf muss das Entscheidungskriterium sein – am besten verkehrsträgerübergreifend, weil Nordrhein-Westfalen ein Paradebeispiel dafür ist, dass wir Schiene ausbauen müssen für Güter und Menschen: RRX, Betuwe, Eiserner Rhein, Ruhr-Sieg-Strecke, Münster–Lünen, und zwar möglichst schnell, dass wir Straße ausbauen müssen, wo es Straßenengpässe gibt.

Also: Erweiterung auf mehr Spuren wie bei der A1, Beseitigung der Engpassstellen an den Kreuzen, Lückenschluss A1 – all das muss parallel zur Schiene laufen.

Außerdem müssen wir uns um die maroden Wasserstraßen kümmern. Hier ist nur der Bund originär zuständig. Allein im Ruhrgebiet gibt es ein Investitionsloch von 500 Millionen €. Man kann nicht ausschließen, dass demnächst ganze Kanalabschnitte gesperrt werden müssen, weil die Düker, Wehre, Schleusen und andere technische Einrichtungen marode und die Spundwände so löchrig sind wie Schweizer Käse. Das ist Berliner Originalverantwortung!

Deshalb müssen wir sagen: Wir brauchen eine parallele Organisation, eine Ertüchtigung der Verkehrswege und natürlich das Etablieren von neuen Radschnellwegen. Die Pedelecs sind die eigentliche Elektromobilität. Das ist keine Mogelpackung. 1 Million Kraftfahrzeuge bis 2020 – diese Million werden wir fast allein auf zwei Rädern erreichen. Deshalb brauchen wir Radschnellwege, weil darüber Berufspendlerverkehre abgefangen werden können, die ansonsten im Stau stünden – entweder auf der Schiene oder auf der Straße.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Solch einen Quatsch sollten wir beenden. Mobilität organisieren – das ist das rot-grüne Ziel. Das werden wir in dieser und in der nächsten Wahlperiode beherzt angehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Für die CDU-Fraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Schemmer zu Wort gemeldet.

(Zuruf von der SPD: Da war er aber schnell!)

Bernhard Schemmer (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz zwei Richtigstellungen: Sie sprechen von der abgebauten Personalmenge zuzeiten der CDU/FDP-Koa-lition. Das waren 620 Mitarbeiter: Verwaltungsangestellte, Straßenwärter – viele Leute. Dass aber von 2010 bis 2014 unter Rot-Grün 100 Stellen für Bauingenieure abgebaut worden sind, von denen Sie dann in 2014 mit einem halben Jahr Verzögerung 20 wieder eingestellt haben, das gehört auch zur ganzen Wahrheit dazu.

(Minister Michael Groschek: Nein!)

100 weniger und 20 mehr – da bleibt ein Malus von 80.

Letzte Anmerkung von mir: Bei dem, was Sie an Planungsreserven angemeldet haben – ich verweise auf Ihre Vorlage 16/3128 –, nämlich Ortsumgehung Barntrup – in Ihrer eigenen Planung nicht enthalten –, Ortsumgehung Münster, haben Sie doch gesehen: Wenn Sie vollziehbares Baurecht liefern, bekommen Sie auch Geld. Aber Sie müssen erst einmal vollziehbares Baurecht liefern.

Wenn Sie von den 22 Brückenprojekten mit einem Volumen von 861 Millionen € sprechen, dann müssen Sie auch sehen: Da fehlt das vollziehbare Baurecht und nicht das Geld des Bundes. Machen Sie Ihre Arbeit, schaffen Sie Baurecht, dann werden Sie Geld des Bundes bekommen. Und schaffen Sie zudem eine Planungsreserve, damit das auch wirklich funktioniert. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schemmer. – Nun liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Die antragstellende Fraktion der CDU hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag Drucksache 16/9799 zu? – CDU und FDP sowie die Fraktion der Piraten, wie es angekündigt war. Wer ist gegen den Antrag? – SPD und Grüne. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag Drucksache 16/9799 mit breiter Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

13       Gesetz zur Umsetzung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes in Nordrhein-West-falen (KInvFöG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9519

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/9881

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/9810

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Hübner das Wort.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Bürgermeister Reiner Breuer, lieber Bürgermeister Kai Abruszat, es freut mich, dass wir heute ein Thema behandeln, das euch beiden ganz konkrete Hilfestellung in euren Städten geben soll, die ihr zu führen gedenkt, nämlich das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz.

Ich möchte mich bei allen Fraktionen ganz herzlich dafür bedanken, dass dies den beiden Kollegen so schnell ermöglicht worden ist. Beim letzten Mal hatten wir die erste Lesung, haben dann eine kurze Anhörung dazu durchgeführt – die sehr einvernehmlich war, wie wir das auch in der vergangenen Woche im Kommunalausschuss ausgewertet haben – und bringen das Ganze heute entsprechend auf den Weg.

Ich habe gerade vom Kollegen Kuper vernommen, dass die 10-%-Regelung der CDU dazu letztlich – das wird er vielleicht gleich noch einmal darstellen – zurückgezogen wird, weil das nämlich nicht ein Konjunkturprogramm ist, sondern ein Investitionsprogramm, wie ich Ihnen ansonsten gesagt hätte. Das kann natürlich ersetzend in den Haushalten eingesetzt werden – nicht nur in Neuss und in Stemwede, sondern in ganz vielen Kommunen Nordrhein-Westfalens. Die kommunalen Vertreter haben es verdient, dass sie es möglichst schnell zum Einsatz bringen können.

Wir haben ein schnelles Verfahren ermöglicht. Der Dank geht an die anderen Fraktionen. Ich freue mich auf den Wortbeitrag von meiner Nachfolgerin. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hübner. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau Scharrenbach.

Ina Scharrenbach (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes merken eigentlich tagtäglich, wie es in unseren Städten mit der Infrastruktur aussieht. Haushaltskonsolidierung und Haushaltssanierung zwingen die Städte und Gemeinden, die Stadträte, die Oberbürgermeister dazu, vielfach auf Unterhaltungs- und dringend erforderliche Investitionsmaßnahmen zu verzichten bzw. solche in die Zukunft zu verschieben.

Das Verhalten im Zusammenhang mit dem Haushalt – notgedrungen oftmals – schadet insgesamt auch der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Deshalb ist es umso begrüßenswerter, dass die CDU-geführte Bundesregierung 3,5 Milliarden € an die Kommunen, an die Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik verteilt, um die Infrastruktur zu stärken.

(Beifall von der CDU)

Auf Nordrhein-Westfalen werden davon 1,1 Milliarden € entfallen. Und was können die Städte und Gemeinden damit alles tun? – Sie können in Infrastruktur investieren; sie können in die Krankenhäuser investieren. Damit übernimmt die Bundesregierung erneut eine Beteiligung an Aufgaben des Landes; denn eigentlich sind die Bauinvestitionen in Krankenhäuser über die Landesebene zu finanzieren. Auch hier steigt die Bundesregierung wieder ein.

(Zuruf von der CDU: So ist das!)

Gleichzeitig können dringend erforderliche Straßensanierungen vorgenommen werden, und zwar im Zusammenhang mit Lärm. Schon eine heile Asphaltdecke ist vielfach leiser und verbessert an sich das Lärmklima einer Straße. Insofern ist das eine sinnvolle Maßnahme und Möglichkeit.

Ein weiterer Punkt, den die Bundesregierung hineinnimmt, und der auch für Nordrhein-Westfalen von besonderer Bedeutung ist, sind der altersgerechte Stadtumbau und die Möglichkeiten, die den Städten und Gemeinden mit diesem Geld geschaffen werden, auch in Bezug auf einen Abbau von Barrieren, zum Beispiel im öffentlichen Personennahverkehr.

Neben diesen Infrastrukturschwerpunkten können die Kommunen dieses Geld auch für die Bildungsinfrastruktur verwenden. Was in Nordrhein-West-falen im Zusammenhang mit dem Weiterleiten der Mittel des Bundes immer noch offen ist, ist die Frage: Welche Kommunen gehören denn eigentlich zum ländlichen Raum, und welche Kommunen können damit die dringend notwendigen Investitionen in den Breitbandausbau bis 50 Mbit/s vornehmen? Denn Sie wissen: Alle Städte und Gemeinden überlegen derzeit, wie sie diese Mittel verwenden können. Aber man muss natürlich wissen, ob man selbst zum ländlichen Raum gehört oder nicht.

Wir haben Ihnen heute einen Änderungsantrag zum Kommunalinvestitionsförderungsgesetz vorgelegt. Dieser behandelt einen Punkt, den wir bereits in der Anhörung thematisiert haben. Es gibt zahlreiche Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die den geforderten Eigenanteil von 10 % nicht erbringen können, die nicht die Möglichkeit haben, geplante Investitionen aus der mittelfristigen Finanzplanung vorzuziehen, sondern die wirklich neue Maßnahmen durchführen.

Deshalb hatten wir schon in der Anhörung um Vorschläge bei den Sachverständigen gebeten, wie man denn diese Investitionslücke für die Kommunen auflösen kann, um diese Kommunen in die Lage zu versetzen, die Mittel des Bundes auch tatkräftig in ihre Infrastruktur zu investieren. Deswegen haben wir Ihnen mit dem Änderungsantrag vorgeschlagen, ein Darlehnsprogramm aufzulegen.

In der Zwischenzeit, im Laufe des Tages, haben wir – was uns sehr freut – Signale aus anderen Fraktionen empfangen, die sagen: Es wäre sinnvoll gewesen, wenn wir uns darüber vorher hätten abstimmen können; denn wir halten dieses Anliegen der CDU-Fraktion für durchaus diskussionswürdig.

Deshalb haben wir im Laufe des späten Nachmittags entschieden, diesen Antrag heute zurückzuziehen und ihn zum nächsten Plenum ordentlich wieder einzubringen, um dann diesen Antrag – ein Darlehnsförderprogramm für den zehnprozentigen Eigenanteil für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen – auf den Weg zu bringen.

Wir werden heute – genauso wie wir das im Kommunalausschuss getan haben – dem Gesetzentwurf zur Umsetzung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen zustimmen. Damit heißt es ab der heutigen Beschlussfassung für die Städte und Gemeinden, für die Räte, Bürgermeister und Oberbürgermeister: Sie können die Betonmischer anwerfen. Sie können den Infrastrukturinvestitionsstau in den Kommunen endlich angehen. Wir sind uns sicher, die Bürgerinnen und Bürger werden das sofort bemerken. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Scharrenbach, für diese Rede. Noch einmal herzlichen Glückwunsch zum heutigen Geburtstag. Das wird sicher ein schöner Abend werden. Aber jetzt müssen wir erst einmal in der Tagesordnung fortfahren. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen, meine Herren! Herr Präsident! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es sind immerhin noch vier, fünf anwesend. – Ich möchte an die Aussagen vom Kollegen Hübner anknüpfen. Er hat ja betont, wie schnell das Ganze abgehandelt worden ist. Ich möchte betonen, wie einmütig das Ganze abgehandelt worden ist. Das war nicht zu erwarten angesichts des vorhergehenden Streits innerhalb der kommunalen Familie, nach welchen Kriterien diese Gelder verteilt werden sollten.

Dass sich in diesem Zusammenhang alle Fraktionen entschlossen haben, der Empfehlung beizutreten – das heißt, die Schlüsselzuweisungen der letzten fünf Jahre als Verteilmechanismus zugrunde zu legen –, hat mich überrascht. Ich freue mich darüber, dass diese Einmütigkeit bei allen Fraktionen in diesem Zusammenhang vorhanden war. Das zum einen.

Zum anderen würde ich gerne an die Ausführungen von Frau Scharrenbach anknüpfen wollen. Sie hatten gerade noch einmal die Rolle des Bundes herausgestellt, dass er entsprechende Hilfestellungen gibt, um die kommunale Investitionstätigkeit zu verbessern. Ich möchte Ihnen in Erinnerung rufen, dass es einmal die Zusage einer Kostenentlastung in Höhe von 5 Milliarden € gegeben hat, und zwar durch ein neues Gesetz zur Eingliederungshilfe, das ab dem Jahr 2014 eigentlich kommen sollte.

Wenn es denn im Jahr 2014 gekommen wäre, hätten wir bis 2017 bereits eine Kostenentlastung von etwa 14 Milliarden € für alle Länder bzw. für alle Kommunen gehabt. Der Anteil in Nordrhein-West-falen – wenn wir den Königsteiner Schlüssel zugrunde legen – betrüge 21 %. Wir würden uns dann über eine Summe von 3 Milliarden € unterhalten, und nicht über 1,1 Milliarden €.

Worum geht es? – Es geht darum, dass wir die Investitionstätigkeit im kommunalen Raum ankurbeln wollen. Ich würde mit Blick auf die Entscheidungsträger vor Ort bei der Frage, welche Maßnahmen realisiert werden sollen, empfehlen, behutsam vorzugehen – behutsam in der Art und Weise, dass nicht neue Vorhaben, die man sich immer schon gewünscht hat, umgesetzt werden – wie beispielsweise eine Dreifachturnhalle mit entsprechenden Zuschauerrängen etc. –, sondern dass man sich dort auf den eigenen Gebäudebestand konzentriert und versucht, zum Beispiel im Rahmen der Energiesanierung Betriebskostenaufwendungen einzusparen. Denn das wird dann auch haushaltsentlastend sein.

Zu dem Antrag, der dann zur nächsten Sitzung neu eingebracht werden soll: Ich kann nachvollziehen, dass man darüber nachdenkt, inwieweit man den Kommunen Hilfestellung gibt, die möglicherweise Schwierigkeiten haben, ihren kommunalen Anteil in Höhe von 10 % leisten zu können. Nur, der Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, sieht erst einmal vor, dass alle Kommunen die Möglichkeiten haben, auf eine Darlehnsfinanzierung mit entsprechenden Zinsaufwendungen zulasten des Landes zurückzugreifen.

Natürlich wird dann jede Kommune zugreifen. Das Ganze ein Stück weit auf die Kommunen zu reduzieren, die es wirklich betrifft, müsste die eigentliche Aufgabenstellung sein. Ich möchte Sie bitten, in diesem Zusammenhang noch einmal darüber nachzudenken, inwieweit man hier diesem Anliegen Rechnung tragen kann, um dann gezielt eine solche Herangehensweise miteinander vereinbaren zu können.

Wir schaffen Klarheit. Deswegen wurde dieser Gesetzentwurf schnell innerhalb von einem Monat im parlamentarischen Verfahren abgeschlossen. Damit gibt es auch eine Belastbarkeit bezogen auf die Haushaltsplanung in den kommenden Jahren.

Noch einmal zu dem, was Sie, Frau Scharrenbach, ausgeführt haben und zur Frage, wie man mit den einzelnen Bausteinen umgeht, beispielsweise beim Thema „Breitbandausbau“. Da bin ich sehr hoffnungsvoll, dass in Kürze auch eine entsprechende FAQ-Liste des Ministeriums vorliegen wird, abgestimmt mit dem Bundesfinanzministerium. Das kann dann sozusagen als Handreichung für die Entscheidung der Kommunen vor Ort hilfreich sein. So viel von unserer Seite. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Abruszat.

Kai Abruszat (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz eignet sich definitiv nicht für Parteiengezänk hier im nordrhein-westfälischen Landtag. Das ist deutlich geworden. Die FDP-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen wird gleich, wie auch schon im Fachausschuss, mit guten Gründen diesem Gesetz zustimmen.

Es ist gut, dass das Geld, das aus Berlin stammt und für unsere Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen vorgesehen ist, jetzt auch ankommt, dass es verwendet werden kann und einen Teil dazu beiträgt, dass der Investitionsstau in unserer kommunalen Familie ein Stück weit abgemildert wird. Deswegen ist das heute ein gutes Gesetz.

Ein bisschen Wasser in den Wein gießen möchte ich aber dennoch, weil wegen des Verteilmechanismus nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz nicht alle Kommunen davon profitieren können. Ich will sagen: Wir haben uns sehr für den Verteilmechanismus „Gemeindefinanzierungsgesetz“ ausgesprochen, weil es uns wichtig ist, dass wir Rechtssicherheit haben. Wir wollen nicht nur, dass das Geld schnell ankommt, sondern auch, dass es rechtssicher ankommt.

Aber wir sollten hier im Landtag Nordrhein-Westfalen auch den Blick dafür behalten, dass es die eine oder andere vermeintlich reiche Gemeinde gibt, die ebenfalls Hilfe gebrauchen könnte, die aber keine Hilfe bekommt.

(Beifall von der FDP)

Man denke beispielsweise – der Kollege Rasche applaudiert gerade – an die Stadt Erwitte – eine Stadt, die sich seit Jahren im Nothaushalt befindet, die rein rechnerisch aber abundant ist und die kommunale Zwangsabgabe zahlen muss. Sie erhält aus dem Gesetz heute keinen Cent. Das gehört dann auch zur Wahrheit dazu. Nichtsdestotrotz werden wir gleichen diesem Gesetz so zustimmen.

Ich würde mich freuen, Herr Minister, meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung ihre Bemühungen in Berlin zur Stärkung der kommunalen Finanzen in Nordrhein-Westfalen auch dadurch verbessern würde, dass sie beim Thema „Eingliederungshilfe“ etwas mehr Tempo an den Tag legen und so Erfolge zeitigen würde. Dann hätten auch solche Städte wie Erwitte und andere über die umlagefinanzierten Systeme noch etwas mehr Spielraum.

Lassen Sie mich abschließend noch auf ein Detail des Gesetzes eingehen. Im Gesetzentwurf steht, dass die Prüfung der Verwendungsnachweise auf die örtliche Rechnungsprüfung verlagert werden soll. Das heißt: Die jeweilige Kommune soll die zweckmäßige Verwendung ihrer Fördermittel selbst prüfen.

Ob das eine kluge Entscheidung ist, die wir hier im Gesetz zu verankern haben oder zu verankern gedenken, darf man zumindest hinterfragen. Ich darf, Herr Minister, darauf hinweisen, dass wir in anderen Feldern – zum Beispiel bei der Selbstbeaufsichtigung im Stadtbahnbau – nicht die besten Erfahrungen damit gemacht haben.

Auf der anderen Seite will ich aber abschließend sagen: Das Gesetz verdient unsere Zustimmung. Wir werden gleich bei der Abstimmung das kommunale Investitionsförderungsgesetz als FDP-Fraktion mittragen. – Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Sommer.

Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Saal! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Stream! Ich kann mich meinen Vorrednern an vielen Stellen anschließen und denke, dass meine Fraktion gut beraten ist, dem Gesetzentwurf ebenfalls zuzustimmen. Insgesamt etwa 1,1 Milliarden €, die aus dem Bund kommen, werden an die Kommunen nach den Schlüsselzuweisungen verteilt. Das GFG ist rechtssicher, und das ist das, worauf es ankommt.

Es gab in der Anhörung die eine oder andere Stimme, die sich durchaus einen anderen Verteilschlüssel hätte vorstellen können; aber die große Mehrheit hat dann doch dem jetzt gewählten Schlüssel zugestimmt.

(Michael Hübner [SPD]: Einer!)

– Ja, eine Stimme. Ich weiß, dass Sie gerne Stimmen herunterfallen lassen, aber dazu kommen wir morgen. – Entschuldigung!

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von der SPD)

– Nein, das hat nichts mit Köln zu tun, aber Kommune ist schon richtig. Wir tippen morgen weiter.

Aber es ist wahrscheinlich immer so, dass sich einige übergangen oder nicht gerecht behandelt fühlen, wenn es um die Verteilung von viel Geld geht. Jetzt geht es aber darum, das Geld schnell in die Kommunen zu bekommen.

Übrigens halten wir diesen 10%igen Eigenanteil – das möchte ich im Gegensatz zu meinen Vorrednern bemerken – für eine sinnvolle Geschichte; denn wir wollen keine Leuchtturmprojekte auf Kosten von Landes- oder Bundesmittel fördern. Wir wollen vielmehr, dass die Kommunen ernsthaft mit dem Geld umgehen. Deshalb bin ich da sehr kritisch, dass wir diesen 10%igen Eigenanteil jetzt als Kreditaufnahme in die NRW.BANK schieben. Ich bin sehr gespannt, ob wir da übereinkommen.

Im Übrigen ist es so, dass viele Kommunen diese Investitionsmittel wahrscheinlich dazu nutzen werden, Investitionen, die sie eh getätigt hätten, abzulösen, und die die daraus freiwerdenden Mittel dazu nutzen werden, ihren eigenen Haushalt zu konsolidieren. Ich weiß nicht, ob das unbedingt im Sinne dieses Gesetzes ist.

Im Sinne dieses Gesetzes geht es ja nur um Investitionen an sich. Das darf uns aber nicht den Blick dafür versperren, dass unsere Kommunen in NRW strukturell unterfinanziert sind, und das inzwischen seit Jahren. Da müssen wir auch endlich einmal herangehen. Ich kann mir – das habe ich schon mehrfach gesagt – eine umfassende Konnexität aller Aufgaben der Kommune als ständigen Prozess gut vorstellen. Ich bin gespannt, ob wir da auch übereinkommen.

Dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf wird meine Fraktion zustimmen. Alles Weitere, was die nächsten Finanzierungswellen angeht, werden wir im Ausschuss besprechen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Die Landesregierung dankt für die breite Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

(Beifall von allen Fraktionen)

Die Landesregierung dankt für die breite Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich möchte darauf hinweisen, dass die CDU-Fraktion den Änderungsantrag Drucksache 16/9881 zurückgezogen hat. Deshalb ist natürlich heute über diesen Antrag nicht mehr abzustimmen.

Wir stimmen über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9519 ab. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in Drucksache 16/9810, den Gesetzentwurf Drucksache 16/9519 mit den redaktionellen Änderungen aus der Vorlage Drucksache 16/3244 anzunehmen.

Wir kommen deshalb zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung Drucksache 16/9810. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/9810 angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/9519 unter Berücksichtigung der Vorlage Drucksache 16/3244 in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

14       Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9517

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/9811

zweite Lesung

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden  zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 1)

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in Drucksache 16/9811, den Gesetzesentwurf Drucksache 16/9517 unverändert anzunehmen. Wir kommen deshalb zur Abstimmung, aber nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9517 selbst. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch der Gesetzentwurf Drucksache 16/9517 in zweiter Lesung unverändert angenommen und verabschiedet.

Ich rufe auf:

15       Achtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9079

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/9812

zweite Lesung

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden  zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 2)

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/9812, den Gesetzentwurf Drucksache 16/9079 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung, und zwar nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9079 selbst. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/9079 mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der CDU-Fraktion gegen die Stimmen der Piraten und bei Enthaltung der Fraktion der FDP in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

16       Gesetz zur Änderung gesetzlicher Befristungen im Zusammenhang mit der ländlichen Bodenordnung

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9078

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Drucksache 16/9813

zweite Lesung

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden  zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 3)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/9813, den Gesetzentwurf Drucksache 16/9078 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung, nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9078 selbst. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/9078 mit den Stimmen von SPD, CDU, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piraten bei Enthaltung der FDP-Fraktion in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

17       Achtzehnter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achtzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung
zu einem Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/9758

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden  zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 4)

Auch hier kommen wir direkt zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/9758 auf Zustimmung zu dem Staatsvertrag an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kultur und Medien. Wer kann dem seine Zustimmung geben? – Wer kann das nicht? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

18       Gesetz zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis im Land Nordrhein-Westfalen und zur Entfristung der Altersteilzeitregelung

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9759

erste Lesung

Der Minister hat inzwischen mitgeteilt, dass er seine Einbringungsrede zu Protokoll gibt. Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen. (Siehe Anlage 5)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/9759 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

19 Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen (Hafensicherheitsgesetz – HaSiG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9760

erste Lesung

Die Landesregierung hat mitgeteilt, dass die Rede zu Protokoll gegeben wird. Eine Aussprache ist auch bei diesem Tagesordnungspunkt nicht vorgesehen. (Siehe Anlage 6)

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/9760 an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem seine Zustimmung nicht geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

20       Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2015/2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/9807 – Neudruck

erste Lesung

Minister Walter-Borjans hat mitgeteilt, dass er die Einbringungsrede zu Protokoll gibt. (Siehe Anlage 7)

Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/9807Neudruck – an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Unterausschuss Personal, an den Innenausschuss, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann das nicht? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

21       Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Wahlkreiseinteilung für die Wahl zum Landtag Nordrhein-Westfalen (Wahlkreisgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/9794

erste Lesung

Eine Aussprache ist auch hier heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/9794 an den Hauptausschuss. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

22       Nachwahl eines ordentlichen und eines stellvertretenden Mitglieds der Medienkommission der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 16/9814

Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 16/9814. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist auch der Wahlvorschlag Drucksache 16/9814 angenommen.

Ich rufe auf:

23       Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 1. Quartal des Haushaltsjahres 2015

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2
Landesverfassung
Vorlage 16/3170

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/9816

Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/9816, die mit Vorlage 16/3170 beantragte Genehmigung zu erteilen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die Vorlage 16/3170 und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer der beantragten Genehmigung in der Vorlage 16/3170 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer möchte dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschluss-empfehlung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Piratenfraktion angenommen und somit die mit Vorlage 16/3170 beantragte Genehmigung erteilt.

Ich rufe auf:

24       Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 2. Quartal des Haushaltsjahres 2015

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2
Landesverfassung
Vorlage 16/3168Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/9817

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/9817, die mit Vorlage 16/3168 – Neudruck – beantragte Genehmigung zu erteilen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die Vorlage 16/3168 – Neudruck – und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer der beantragten Genehmigung in Vorlage 16/3168 – Neudruck – zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Piratenfraktion angenommen und somit die mit Vorlage 16/3168 beantragte Genehmigung erteilt.

Ich rufe auf:

25       Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Landtags

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/9818

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Bevor wir zur Abstimmung kommen: Der Abgeordnete Michele Marsching hat um Erteilung des Wortes zur Abgabe einer Erklärung zur Abstimmung gemäß § 47 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung gebeten. Nach dieser Vorschrift soll die Dauer der Erklärung höchstens drei Minuten betragen. – Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Michele Marsching (PIRATEN) : Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Ich werde mich so wie meine gesamte Fraktion gegen die Aufhebung der Immunität des Kollegen Düngel aussprechen.

Diese Entscheidung haben wir nicht getroffen, weil es sich um einen Kollegen aus den eigenen Reihen handelt,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nein!)

sondern weil mit dem heutigen Tag jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete hier im Haus weiß, dass es sich bei den Vorwürfen gegen den Kollegen Düngel um die Blockade einer Demonstration von Neonazis dreht. Wer heute diesem Beschlussvorschlag zustimmt, der nimmt in Kauf, dass ein Mensch wegen seines gewaltfreien politischen Engagements gegen rechts und der von diesem Parlament immer wieder geforderten Zivilcourage juristisch verfolgt wird.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Frechheit!)

Wenn Minister quasi zu einem solchen Verhalten aufrufen, dann ist es ein Unding, ein Mitglied aus unserer Mitte dermaßen zu behandeln. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege, für diese Stellungnahme.

Ich möchte vor der Abstimmung noch darauf hinweisen, dass verschiedene Abgeordnete der Fraktion der Piraten gemäß § 47 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung dem Sitzungsvorstand kurze schriftliche Begründungen zu ihrem Abstimmungsverhalten überreicht haben. Diese werden in das Plenarprotokoll aufgenommen. (Siehe Anlage 8)

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 16/9818, die Immunität des Abgeordneten Daniel Düngel für das dort genannte Verfahren aufzuheben. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? –

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist überhaupt keine Würdigung der Situation! – Gegenruf von Michele Marsching [PIRATEN]: Genau! Von Ihnen!)

Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/9818 mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion der Piraten angenommen.

Ich rufe auf:

26       In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 33
gem. § 82 Abs. 2 GeschO
(§ 79 Abs. 2 GeschO a.F.)
Drucksache 16/9819

Die Übersicht 33 enthält vier Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung an die Ausschüsse zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen entsprechend der Übersicht 33 abstimmen. Wer kann dem seine Zustimmung geben? – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit sind die Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse in Drucksache 16/9819 bestätigt worden.

Ich rufe auf:


27       Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/35

Mit der Übersicht 16/35 liegen Ihnen Beschlüsse zu Petitionen vor.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ist jemand mit den Beschlüssen nicht einverstanden? – Das ist auch nicht der Fall. Dann stelle ich gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass damit diese Beschlüsse zu Petitionen in der Übersicht 16/35 bestätigt sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 1. Oktober, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen, angenehmen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 19:38 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

 


Anlage 1

Zu TOP 14 – „Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Reden

Christian Dahm (SPD):

Die kommunalen Versorgungs- und Zusatzversorgungskassen in Nordrhein-Westfalen sind eine seit Langem fest verankerte Form interkommunaler Zusammenarbeit für den Personalbereich der Kommunen und verstehen sich deshalb als Partner der kommunalen Familie.

Das Gesetz über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen wurde jedoch zwischenzeitlich evaluiert. Dabei wurde festgestellt, dass sich das Gesetz im Grundsatz bewährt hat, aber neben redaktionellen Änderungen im Bereich der Aufsicht insbesondere eine Finanz- und Versicherungsaufsicht ist, die zum Teil außerhalb der Zentralkompetenzen des Ministeriums für Inneres und Kommunales liegt und nur durch die Einbindung von Experten optimiert werden kann.

Daher schlägt die Landesregierung ein Änderungsgesetz vor, dass zum einen die rechtliche Grundlage für die Arbeit der kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen in Nordrhein-Westfalen sicherstellt.

Zum anderen können künftig erforderliche fachliche Beurteilungen, die im Rahmen einer kompetenten Aufsicht notwendig sind, einer externen Prüfung durch neutrale – von der Aufsichtsbehörde beauftragter – Gutachter unterzogen werden.

Nach meiner Einschätzung bietet der vorliegende Gesetzesentwurf eine gute Grundlage für die künftige Arbeit und die absehbaren Herausforderungen für die Kassen.

Zusammengefasst: Dem vorliegenden Gesetzesentwurf ist inhaltlich nichts hinzuzufügen.

Gleichlautend ist auch die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kommunalpolitik, dass nämlich der Gesetzesentwurf der Landesregierung (Drucksache 16/9517) unverändert angenommen werden soll. Dieser Beschluss wurde mit den Stimmen aller Fraktionen am 25. September 2015 gefasst.

Insofern empfehle ich dem Landtag heute ebenfalls: unveränderte Annahme.

Ina Scharrenbach (CDU):

Die CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen wird dem Vierten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen zustimmen.

Mario Krüger (GRÜNE):

Die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen sind in ihrer jetzigen Form schon lange ein gut funktionierendes Beispiel der interkommunalen Zusammenarbeit für den Personalbereich der Kommunen.

Das aktuelle Gesetz ist mit einer Befristung zum 31.12.2015 versehen. In der jetzt erfolgten Bewertung des Gesetzes hat sich gezeigt, dass neben einigen radaktionellen Änderungen vor allem der Bereich der Finanz – und Versicherungsaufsicht neu geregelt und den veränderten Bedürfnissen angepasst werden muss.

So können zukünftig erforderliche fachliche Beurteilungen, die zum Teil außerhalb der Kompetenzen des Ministeriums für Inneres und Kommunales liegen, durch externe Gutachter, die von der Aufsichtsbehörde beauftragt werden, hinzugezogen werden. Durch den hier vorliegenden Gesetzentwurf, der auch durch die Stellungnahmen der angefragten Verbände und Kassen nicht beanstandet wurde, kann die rechtliche Grundlage für die Arbeit der kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen sichergestellt werden.

Darum begrüßen wir von Bündnis 90/Die Grünen die Zustimmung aller Fraktionen in diesem Hause.

Kai Abruszat (FDP):

Der hier in Rede stehende Entwurf für ein „Gesetz über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen“ – V-K-Z-V-K-G – ist im Wesentlichen eine technische Angelegenheit.

Das VKZVKG ist bis zum 31. Dezember 2015 befristet und droht daher auszulaufen. Die Evaluierung des Gesetzes hat gezeigt, dass es sich grundsätzlich bewährt hat. Eine Verlängerung bzw. eine Nachfolgeregelung ist also angezeigt.

Dass wir Freie Demokraten der pauschalen Entfristung von Gesetzen grundsätzlich kritisch gegenüberstehen, ist bekannt. Im vorliegenden Fall ist eine Entfristung aufgrund der dauerhaften Notwendigkeit einer Versorgungskassenregelung allerdings auch für uns tragbar.

Die im Entwurf vorgesehene gesetzliche Festschreibung, dass die Landschaftsverbände dazu verpflichtet werden, die Versorgungskassen mit Personal auszustatten, ist inhaltlich nichts Neues. Hier wird lediglich ein bislang per Satzung geregelter Sachverhalt in Gesetzesform gegossen. An der Notwendigkeit der Personalbereitstellung ändert sich nichts; Versorgungskassen sind nicht dienstherrenfähig, und irgendwoher müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ja kommen. Insoweit gibt es auch hier von uns keine Einwände.

Auch der nun gesetzlich geregelte Anspruch auf Sitzungsgeld in Höhe der Sitzungsgelder der Landschaftsversammlungen hat eher klarstellenden Charakter. Hierdurch wird sichergestellt, dass Aufwandsentschädigungen ausschließlich als Sitzungsgelder bezahlt werden.

Bei einem Aspekt waren wir im Vorfeld allerdings kritisch. Denn laut Gesetzentwurf soll es der Aufsichtsbehörde in Ermangelung eigener Expertise zukünftig möglich sein, Stellungnahmen zu Prüfberichten, Geschäftsplänen und Finanzierungsplänen der Versorgungs- und Zusatzversorgungskassen durch Beauftragung externer Gutachter einzuholen. Die Kosten hierfür sollen die Beaufsichtigten selbst tragen.

Vor diesem Hintergrund waren wir gespannt darauf, zu erfahren, was die Beaufsichtigten von dieser Idee halten.

Gelegenheit dazu, ihre Meinung kundzutun, hatten sie im Rahmen der schriftlichen Ausschussanhörung. Das Ergebnis war für uns überraschend: Keine der befragten Einrichtungen hatte hinsichtlich dieser Regelung Bedenken.

Vor diesem Hintergrund können wir auch in dieser Sache zustimmen und das Gesetz in seiner Gesamtheit mittragen.

Torsten Sommer (PIRATEN):

Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist unstrittig und wird auch von meiner Fraktion mitgetragen. Auch der Entfristung stimmen wir in diesem Fall zu.

Im Rahmen der Evaluierung hat sich ergeben, dass das Gesetz sich im Grundsatz bewährt hat.

Neben redaktionellen Anpassungen hat sich wohl gezeigt, dass die Aufsicht insbesondere eine Finanz-und Versicherungsaufsicht ist, die zum Teil außerhalb der Zentralkompetenzen des Ministeriums für Inneres und Kommunales liegt und nur durch die Einbindung von Experten optimiert werden kann.

Ich empfehle deshalb meiner Fraktion die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen in Nordrhein-Westfalen sind wichtige Dienstleister für die Kommunen. Sie berechnen und zahlen die beamtenrechtlichen Versorgungsleistungen für ihre Mitglieder

Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Mitglieder schaffen sie eine zusätzliche betriebliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung. Das ist ein wichtiger Baustein für die Stützen unserer Verwaltungen: die Mitarbeiter in den Verwaltungen.

Insgesamt verwalten die Kassen ein Vermögen von mehreren Milliarden Euro.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll in erster Linie das bis zum 31.12.2015 befristete Gesetz – sozusagen die „Arbeitsgrundlage“ der Versorgungskassen – in seiner Geltung unbefristet verlängert werden.

Neben einigen redaktionellen Anpassungen und Klarstellungen soll weiterhin die fachliche Prüfung von Prüfberichten, Geschäftsplänen und Finanzierungsplänen im Rahmen der Aufsicht durch das Ministerium für Inneres und Kommunales optimiert werden.

In § 30 wurde deshalb eine Rechtsgrundlage geschaffen, um in Einzelfällen eine externe Prüfung durch neutrale – von der Aufsichtsbehörde zu beauftragende – Gutachter vorzusehen. Die zusätzlichen aber notwendigen Aufsichtskosten werden von den Versorgungs- und Zusatzversorgungskassen getragen.

Nachdem der Ausschuss für Kommunalpolitik dem Plenum einstimmig die Zustimmung emp-fohlen hat, bitte ich auch Sie um Ihre Zustimmung.


Anlage 2

Zu TOP 15 – „Achtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales“ – zu Protokoll gegebene Reden

Thomas Stotko (SPD):

Mit dem vorliegenden Gesetz werden drei Normbereiche entfristet, die nach ihrer Evaluierung deutlich gemacht haben, entfristet werden zu können.

Es handelt sich um das Landeszustellungsgesetz, das Gesetz über Unschädlichkeitszeugnisse und das 2. Euro-Einführungsgesetz. Daneben wird das „Städteregion Aachen Gesetz“ redaktionell angepasst.

In allen vier Fällen wird deutlich: Da, wo Befristungen Sinn machen, werden sie erhalten, wo nicht, fallen sie weg. Damit werden wir auch als Parlament dem Anspruch gerecht, Gesetze nicht zu vergessen und regelmäßig deren Wirksamkeit zu überprüfen.

Insoweit wird die SPD-Fraktion für die Annahme des Gesetzes stimmen.

Kirstin Korte (CDU):

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung ist unpolitischer Natur. Es handelt sich um ein rein technisches Gesetz, das eine Entfristung des 2. Euro-Einführungsgesetzes, des Landeszustellungsgesetzes, des Städteregion Aachen Gesetzes und des Gesetzes über Unschädlichkeitszeugnisse vorsieht.

Eine Änderung der materiellen Rechtslage ist damit nicht verbunden.

Nachdem die Landesregierung im Innenausschuss dargelegt hat, dass diese Gesetze auch in Zukunft allesamt noch benötigt werden, ist die Entfristung ihrer Geltungsdauer in der Tat sinnvoll. Aus diesem Grund wird auch die CDU-Fraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.

Matthi Bolte (GRÜNE):

Mit dem Gesetzentwurf für ein Achtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales legt die Landesregierung ein weiteres Mantelgesetz vor, in dem die Befristung solcher Normen verlängert wird, auf die nach sorgfältiger Prüfung nicht verzichtet werden kann.

Die Landesregierung hat im vorliegenden Gesetzentwurf und in den ihm vorausgehenden Berichten überzeugend dargestellt, warum Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft auf das 2. Euro-Einführungsgesetz, das Landeszustellungsgesetz, das Städteregion Aachen Gesetz sowie das Gesetz über Unschädlichkeitszeugnisse nicht verzichten kann. Dementsprechend wurde das Gesetz im Innenausschuss von einer sehr breiten Mehrheit getragen.

Ich möchte Sie bitten, dass wir diese überzeugende Mehrheit auch hier im Plenum erreichen.

Marc Lürbke (FDP):

Inhaltlich können wir dem Entwurf zustimmen. Die FDP-Fraktion lehnt aber die generelle und in genannten Gesetzen vollzogene Abkehr von der Befristung des Landesrechts ab.

Mit der Entfristung von Rechtsvorschriften wird ein wirksames Instrument abgeschafft, um die regelmäßige Kontrolle der Notwendigkeit und Wirkung der bestehenden Vorschriften sicherzustellen und Regelungen aufgrund fortschreitender Veränderungen anzupassen, zu vereinfachen, zu reduzieren oder aufzuheben.

Die Abgeordneten der FDP-Fraktion lehnen zudem eine Abschaffung von in NRW-Gesetzen bestehenden Berichts- bzw. Evaluierungspflichten ab.

Insoweit verweise ich auf die entsprechende ausführliche Protokollerklärung der Abgeordneten der FDP-Fraktion nach § 46 Abs. 2 GeschO zum Abstimmungsverhalten zum Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/178 Plenarprotokoll 16/10 Plenarprotokoll 16/10 Plenarprotokoll 16/10 vom 23.10.2012, Seite 479.

Insoweit muss sich die Fraktion der FDP hier enthalten.

Frank Herrmann (PIRATEN):

Wir behandeln hier und heute ein Gesetz mit dem schönen Namen „Achtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales“.

Als sogenanntes Artikelgesetz werden hier Änderungen meist formaler Natur in verschiedenen bereits bestehenden Gesetzen geregelt. Dabei geht es unter anderem um die Aufhebung von Befristungen, um die Streichung von Berichtspflichten und auch um einige inhaltliche Änderungen. Typisch für diese Landesregierung ist dabei, dass das Artikelgesetz ohne großes Aufheben durch den Landtag geschleust werden soll, mit tatkräftiger Unterstützung der regierungstragenden Fraktionen.

Ich möchte mich hier mit meinen Anmerkungen auf den Artikel 2, Änderung des Landeszustellungsgesetzes, beschränken. Das Gesetz würde ohne eine Änderung zum 31.12.2015 seine Gültigkeit verlieren, schriftliche oder elektronische Zustellungen von Behörden hätten keine gesetzliche Grundlage mehr, und das möchte die Landesregierung verhindern.

Skandalös an dem vorliegenden Verfahren ist, dass im Gesetzesentwurf an keiner Stelle auf einen redaktionellen Vermerk im aktuell gültigen Landeszustellungsgesetz hingewiesen wird! Dieser Vermerk besagt: „Dies ist eine gesetzlich angeordnete Evaluierungsverpflichtung. Sie verpflichtet die Landesregierung, dem Landtag rechtzeitig vor dem genannten Datum das Ergebnis der Evaluierung vorzulegen.“

Dieser Pflicht kommt die Landesregierung aber offensichtlich nicht nach, und dieses Vorgehen kann man ruhig als Skandal bezeichnen! Zumindest wird hier aber deutlich, was die immer wieder von der Landesregierung bzw. den regierungstragenden Fraktionen bei neuen Gesetzesvorhaben wie eine Monstranz vornweg getragenen Berichtspflichten wert sind: rein gar nichts!

Berichtspflichten sind oft bei kritischen Gesetzespassagen zur Beruhigung der Opposition eingeführte Maßnahmen, um nach einem Zeitraum von meistens fünf bis zehn Jahren eben die Wirkung dieser kritischen Passagen nochmals zu prüfen und diese eventuell anzupassen.

Im hier vorliegenden Gesetzesentwurf sieht man dann im Ergebnis, was passiert, wenn der Zeitpunkt für die Evaluation, für die Erstellung des Berichts, gekommen ist: Die betreffende Pflicht wird einfach nicht beachtet, die als Grenze eingetragene Gültigkeitsdauer wird einfach aus dem Gesetz gestrichen!

DAS ist gelebte Demokratie 1.0, meine Damen und Herren!

Wir wissen nicht, was die Evaluation des Landeszustellungsgesetzes ergeben wird und ob der Bericht dazu überhaupt in diesem Jahr vorliegen wird. Die Formulierung „...kann dem Landtag voraussichtlich bis Ende 2015 vorgelegt werden“ verheißt nichts Gutes. Dabei geht es hier um keine Kleinigkeit, denn der Bericht sollte die Erfahrungen mit der Einführung von DE-Mail als zulässiges Verfahren im Bereich der elektronischen Zustellung beschreiben! Aber auch ein so wenig angewendetes und daher mangels Praxis kritisches Verfahren wie DE-Mail hält die Landesregierung nicht davon ab, ihre gesetzliche Evaluierungspflicht einfach nicht zu beachten.

Wir können an dieser Stelle unser Missfallen über dieses Vorgehen nur durch die Ablehnung des hier vorliegenden Gesetzesentwurfs zum Ausdruck bringen, und genau das werden wir auch tun.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf legen wir als Landesregierung dem Parlament einen Vorschlag über die weitere Behandlung befristeter Vorschriften vor.

Dabei sollen zum einen Regelungen, die sich in der Praxis eindeutig bewährt haben, von einer gesetzlichen Befristung befreit werden.

Zum anderen soll eine mittlerweile entfallene Berichtspflicht aus dem entsprechenden Gesetz gestrichen werden.

Der Gesetzentwurf umfasst die Änderung gesetzlicher Befristungen von drei Gesetzen, nämlich des 2. Euro-Einführungsgesetzes Nordrhein-Westfalen, des Landeszustellungsgesetzes, des Gesetzes über Unschädlichkeitszeugnisse sowie die redaktionelle Anpassung des Städteregion Aachen Gesetzes.

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 24. September 2015 beschlossen, die Annahme des Gesetzentwurfes zu empfehlen.

Nun noch der bewährte Hinweis:

Die Entfristung bzw. die Streichung von Berichtspflichten bedeuten nicht, dass wir als Landesregierung zukünftig auf die Prüfung und Evaluierung dieser Gesetze verzichten. Ganz im Gegenteil: Auch künftig werden wir die Gesetze in unserem Land sorgfältig beobachten.

Sollte sich daraus der Bedarf für notwendige Änderungen und Reformen ergeben, werden wir diese im Dialog auf den Weg bringen.


Anlage 3

Zu TOP 16 – „Gesetz zur Änderung gesetzlicher Befristungen im Zusammenhang mit der ländlichen Bodenordnung“ – zu Protokoll gegebene Reden

Annette Watermann-Krass (SPD):

Mit der zweiten Lesung dieses Ausführungsgesetzes wird die Befristung des Gesetzes aufgehoben, weil es weiterhin zwingend notwendig ist. Es betrifft das Flurbereinigungsgesetz, das Gesetz über die Kosten- und Abgabenfreiheit in Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz, in Siedlungsverfahren sowie im Kleingartenwesen und das Gesetz über die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten.

Nach wie vor werden Flurbereinigungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz dem Gemeinschaftswaldgesetz und dem Gemeinheitsteilungsgesetz in Nordrhein-Westfalen eingeleitet und durchgeführt. Ganz überwiegend dienen sie der Lösung von Landnutzungskonflikten, aber auch der Flächenbereitstellung für Infrastrukturprojekte oder der Verbesserung der Agrarstruktur. Zurzeit sind rund 300 Verfahren mit einer Gesamtfläche von ca. 125.000 ha und knapp 40.000 Teilnehmern anhängig. Das entspricht ca. 3,5 % der Landesfläche.

Die Mitte der 50er-Jahre im Kontext des Flurbereinigungsgesetzes erlassenen Gesetze sind im Laufe der Jahre mehrfach geändert und angepasst worden. In der Praxis haben sie sich bewährt, weshalb eine Entfristung notwendig ist.

Im vorliegenden Gesetzentwurf sind neben der Entfristung kaum wesentliche weitere Änderungen vorgesehen. Lediglich in Bezug auf die Bezeichnung des zuständigen Ministeriums und mit Blick auf Regelungen, die sich in der Praxis nicht bewährt haben, werden Änderungen vorgenommen.

Dafür steht aus Sicht der SPD der Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf nichts entgegen.

Norwich Rüße (GRÜNE):

Auch aus Sicht unserer Fraktion ist unstrittig, dass die vorgelegten Gesetzesänderungen richtig sind, und wir stimmen daher dem Gesetzentwurf der Landesregierung zu.

Der Minister hat schon in seiner Einbringungsrede hinreichend begründet, warum diese Entfristung sinnvoll ist und warum wir auch in Zukunft die Möglichkeit brauchen, mithilfe der Flurbereinigung Probleme im Bereich der Bodenordnung zu regeln.

Zwei Anmerkungen seien mir an dieser Stelle erlaubt:

Zum einen stellt sich für mich schon die Frage, ob eine Befristung von Gesetzen immer sinnvoll ist. In diesem Fall handelt es sich um ein Gesetz, das sich im Grundsatz seit Jahrzehnten bewährt hat und dessen Notwendigkeit auch von niemandem infrage gestellt wird. Was bei einem vollkommen neuen Gesetz Sinn macht – nämlich die Evaluation getroffener, neuer gesetzlicher Regeln –, kann bei einem solchen alten Gesetz getrost hinterfragt werden.

Zweitens ist mir schon wichtig, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass dieses Gesetz im Prinzip natürlich auch nur repariert. Es dient dazu, den Eingriff – die Konflikte und die unterschiedlichen Interessen bei der Nutzung von Boden – miteinander in Ausgleich zu bringen.

Diese Landesnutzungskonflikte werden in der Hauptsache dadurch hervorgerufen, dass wir als Gesellschaft immer mehr Boden beanspruchen und namentlich der Landwirtschaft entziehen.

Boden ist aber nicht vermehrbar, Boden ist ein knappes Gut, mit dem wir sparsam und behutsam umzugehen verpflichtet sind.

Insofern ist der leichtfertige Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche wie zum Beispiel beim newPark-Projekt ärgerlich. Und kein Flurbereinigungsverfahren der Welt kann einen solchen Verlust an Fläche für die Landwirtschaft ausgleichen.

Es muss in Zukunft gelten, dass wir uns ernsthaft bemühen, landwirtschaftliche Fläche nur noch dann für Verkehrs- und Siedlungszwecke zu verbrauchen, wenn es eben gar nicht anders geht.

Bei newPark und bei ganz vielen anderen Projekten ginge es aber anders – es liegen hinreichend – oder besser gesagt: in übergroßem Ausmaß – gewerblich nutzbare Flächen gerade im Ruhrgebiet brach, die es zu reaktivieren gilt.

Die Flurbereinigung und ihre gesetzlichen Grundlagen können diesen grundsätzlichen Konflikt nicht lösen. Das ist Aufgabe einer mutigen, den landwirtschaftlichen Boden und die Natur schützenden Politik.

Sehr wohl können aber potenzielle Konflikte mithilfe dieser Gesetze verarbeitet und Nutzungsinteressen gegeneinander abgewogen werden. Weil wir diesen Nutzen natürlich auch sehen, stimmen wir – wie schon eingangs gesagt – dem Gesetzentwurf zu.

Henning Höne (FDP):

Der nun abschließend zur Abstimmung stehende Gesetzesentwurf der rot-grünen Landesregierung sieht die Entfristung von drei Gesetzen vor, die in der Mitte des letzten Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Flurbereinigungsgesetz entstanden sind. Dabei handelt es sich um das Ausführungsgesetz zum Flurbereinigungsgesetz, das Gesetz über Kosten- und Abgabenfreiheit in Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz, in Siedlungsverfahren sowie im Kleingartenwesen und abschließend das Gesetz über die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten.

Die Notwendigkeit dieser Gesetze ist für die Fraktion der Freien Demokraten grundsätzlich unstreitig. Eine generelle Entfristung von Gesetzen lehnen wir aber ab.

Die Befristung von Gesetzen ist das effektivste politische Instrument, um die regelmäßige Kontrolle von Notwendigkeit und Wirkung von Gesetzen sicherzustellen. Damit einher geht die Möglichkeit, die Regelungen aufgrund fortschreitender Veränderungen anzupassen, zu vereinfachen, zu reduzieren oder aufzuheben. Die von der Landesregierung gewollte Entfristung führt hingegen zu einer Überflutung, sie erschwert sinnvolle Weiterentwicklungen.

Eine Verlängerung der Frist würden wir auch mittragen. Ohne eine Verlängerung würden zum 31. Dezember viele Normen ohne Nachfolgeregelungen außer Kraft treten. Zuständigkeitsregelungen und Befugnisse zwischen dem Umweltministerium als obere Flurbereinigungsbehörde und den Bezirksregierungen als Flurbereinigungsbehörden würden unpräzise. Das ist nicht unser Ziel. Inhaltlich besteht beim vorliegenden Entwurf Einigkeit. Da wir die grundsätzliche Entfristung von Gesetzen aber aus den genannten Gründen ablehnen, werden sich die Freien Demokraten der Stimme enthalten.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN):

Die drei infrage stehenden Gesetze haben sich bewährt und werden weiter benötigt. Eine Befristung macht nur dann Sinn, wenn nach Ablauf eines Zeitraums eine Evaluation durchgeführt werden soll oder Änderungen erforderlich sind. Das ist mit Ablauf des Befristungszeitraumes hier nicht der Fall; und falls zukünftig Änderungen nötig werden, können sie auf dem normalen gesetzgeberischen Weg durchgeführt werden. Ich empfehle daher wie schon im Ausschuss Zustimmung.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz:  

Zum Gesetzentwurf, über den ich heute zu Ihnen spreche, kann ich mich kurz fassen, da Sie die wesentlichen Punkte im Plenarprotokoll vom 2. September nachlesen können. Dennoch möchte ich Ihnen in wenigen Sätzen erläutern, um was es hier geht.

Der Gesetzentwurf sieht die dauerhafte Entfristung von drei weiterhin sachlich zwingend notwendigen Landesgesetzen im Bereich des Flurbereinigungsrechts vor, die am 31. Dezember dieses Jahres außer Kraft treten würden, wenn wir keine Nachfolgeregelung schaffen.

Nach wie vor werden in Nordrhein-Westfalen Flurbereinigungsverfahren eingeleitet und durchgeführt.

Zurzeit sind rund 300 Verfahren auf insgesamt ca. 125 000 ha anhängig. Dies entspricht ca. 3,5% der Landesfläche.

Das Instrument der Bodenordnung wird genutzt, um einerseits eine Verbesserung der agrarstrukturellen Verhältnisse in Land- und Forstwirtschaft zu bewirken – daher ist die Förderung der Flurbereinigung auch Bestandteil des NRW-Programms „Ländlicher Raum 2014 – 2020 – und insbesondere Landnutzungskonflikte, die durch öffentliche Planungen ausgelöst werden, agrarstrukturell verträglich und flächensparend zu lösen.

Die drei Gesetze, die mit dem Gesetzentwurf entfristet werden sollen, sind bereits in den 1950er- Jahren im Kontext des Flurbereinigungsgesetzes entstanden. Im Laufe der Jahre sind sie, wo notwendig, geändert und angepasst worden und haben sich in der Praxis bewährt.

Im Einzelnen handelt es sich um

–   das Ausführungsgesetz zum Flurbereinigungsgesetz,

–   das Gesetz über Kosten- und Abgabenfreiheit in Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz, in Siedlungsverfahren sowie im Kleingartenwesen und

–   das Gesetz über die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten.

Mit dem Ausführungsgesetz zum Flurbereinigungsgesetz nutzt das Land NRW die Handlungsspielräume, zu denen es durch das Flurbereinigungsgesetz ermächtigt ist. Ein Verfall dieses Gesetzes würde dazu führen, dass die Regelungen zur Spruchstelle für Flurbereinigung und zum Flurbereinigungsgericht keine Gültigkeit mehr besäßen und die im Zusammenhang mit der Verwaltungsstrukturreform geschaffenen Zuständigkeitsregelungen und Befugnisse zwischen meinem Haus als oberer Flurbereinigungsbehörde und den Bezirksregierungen als Flurbereinigungsbehörden aufgehoben würden.

Das Gesetz über Kosten- und Abgabenfreiheit in Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz, in Siedlungsverfahren sowie im Kleingartenwesen überträgt die im Flurbereinigungsgesetz geregelte Freiheit von Gebühren, Steuern, Kosten und Abgaben auf solche aufgrund landesrechtlicher Vorschriften. Ein Verzicht auf diese Regelung würde überwiegend zu einer aufwändigen Umverteilung öffentlicher Mittel führen.

Das Gesetz über die durch ein Auseinandersetzungsverfahren – dies sind die landwirtschaftlichen Bodenordnungsverfahren nach preußischem Recht – begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten stellt einen praktikablen Rechtsrahmen für die Verwaltung und Vertretung insbesondere der Wege und Gewässer im Gesamthandseigentum dar. Da es in NRW noch eine Vielzahl solcher Wege gibt, würde der Verfall des Gesetzes eine Regelungslücke schaffen.

Ich bitte daher um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und danke Ihnen.


Anlage 4

Zu TOP 17 – „Achtzehnter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achtzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)“ – zu Protokoll gegebene Reden

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien:

Die heutige Verbreitungstechnik ermöglicht, wie Sie wissen, Fernsehprogramme geografisch auseinanderzuschalten und damit zu bestimmten Sendezeiten einzelne Teile des Verbreitungsgebiets mit jeweils spezifischen Inhalten zu versorgen. Die Auseinanderschaltung kann auch für Werbung genutzt werden. Damit sollen dann gezielt Rezipienten in bestimmten Zielregionen angesprochen werden.

Regionale Werbung dient aber auch dazu, die Finanzierbarkeit von regionalen Informationen sicherzustellen. Dies gilt für regionale Fernsehsender, regionale Hörfunksender, aber auch für regionale Zeitungen.

Hier in Nordrhein-Westfalen haben wir bisher den Ansatz verfolgt, dass nur der mit regionaler Werbung Geld verdienen soll, der zumindest auch ein regionales Programm verbreitet. So auch die Regelung im LMG!

Nun hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom Dezember letzten Jahres entschieden, dass nach bisheriger Rechtslage in Ermangelung eines konkreten Verbotes im Rundfunkstaatsvertrag regionenspezifische Werbung grundsätzlich und ohne Einschränkung gestattet ist.

Mit diesem Staatsvertrag wird nunmehr ausgeschlossen, dass bundesweite Veranstalter ohne Weiteres Zugriff auf regionale Werbemärkte haben. Stattdessen wird für jedes Land die Möglichkeit geschaffen, die Verbreitung regionenspezifischer Werbung selbst zu regeln.

Die Bestimmung im Staatsvertrag sieht deshalb ein grundsätzliches Verbot für solche Werbung vor; es wird aber eine Öffnungsklausel für landesrechtliche Erlaubnisse vorgesehen.

Landesregierung und Landtag waren bisher gemeinsam der Meinung, dass die Finanzierung regionaler Verleger und regionaler Rundfunkveranstalter auch durch Werbung soweit wie möglich abgesichert werden sollte. Um das auch in Zukunft zu gewährleisten, muss der Rundfunkstaatsvertrag geändert werden.

Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung.

Lisa Steinmann (SPD):

Vor uns liegt ein Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge – dem Achtzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Mit der Unterschrift unserer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im September folgt NRW der Abstimmung aller Länder, regionalisierte Werbung in bundesweit ausgestrahlten Fernsehprogrammen zu verbieten.

Der Landtag NRW startet heute das parlamentarische Ratifizierungsverfahren, damit wir die beiden Staatsvertragsnovellen, die Siebzehnte und die Achtzehnte, bis zum Jahresende beschließen können, um das Inkrafttreten zum 1. Januar 2016 zu ermöglichen.

Werbeunterbrechungen gehören im deutschen Fernsehprogramm zum Alltag.

Während wir für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an einem schrittweisen Werbeverzicht arbeiten, ist Werbung für private Sender unverzichtbarer Bestandteil zur Refinanzierung des Programms.

Durch moderne Verbreitungstechnik ist es möglich, Fernsehprogramme regional auseinanderzuschalten. Diese dann parallelen Programmfenster werden weitestgehend mit Werbeinhalten belegt.

Das angestrebte staatsvertragliche Verbot regionalisierter Werbung in bundesweit ausgestrahlten Fernsehprogrammen soll Rundfunkanbieter und Zeitungsverlage im lokalen Bereich schützen und ihren Erhalt sichern – Einnahmen aus einem regionalen Werbermarkt sollen zukünftig eben denjenigen Inhalteanbietern vorbehalten sein, die mit ihren Programmen lokale Vielfalt abbilden.

Wir überweisen den Antrag der Landesregierung heute federführend an den Hauptausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Kultur und Medien.

Ich freue mich auf den Austausch in beiden Gremien.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein paar persönliche Worte: Sehr geehrte Ministerin Schwall-Düren, liebe Angelika. Ich möchte Dir Dank sagen für die großartige Zusammenarbeit im Medienbereich in den letzten Jahren. Deine Arbeit als Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien hat sich mir immer besonders dargestellt, denn Deine bescheidene, unprätentiöse Art besticht dabei stets mit Charme und Kompetenz zugleich. Auch im Namen meiner Kollegen aus dem Hauptausschuss wünsche ich Dir von ganzem Herzen alles Gute für diese Deine neue Zeit!

Thorsten Schick (CDU):

Wir begrüßen die Regelungen im Achtzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Regionalisierte Werbung im nationalen Fernsehen ist eine potenzielle Gefahr für die Werbeerlöse regionaler journalistischer Angebote. Deshalb ist es richtig, dass die einzelnen Bundesländer eine rechtliche Grundlage erhalten, um die Pläne von nationalen Fernsehsendern stoppen zu können.

Wir können nicht ständig den Niedergang des Lokaljournalismus beklagen, ohne selbst aktiv zu werden. Insofern ist der Rundfunkänderungsstaatsvertrag ein richtiger Schritt.

Mit einem Schritt ist man allerdings selten am Ziel. Deshalb wird beispielsweise die Diskussion um das WDR-Gesetz spannend. Welche Regelungen werden dort getroffen, um den Lokalfunk konkurrenzfähig zu halten? Der Achtzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist wichtig – er ist aber nur ein Punkt unter mehreren.

Sehr geehrte Frau Ministerin Schwall-Düren, Sie legen Ihr Amt nieder. Das war Ihre letzte Rede in diesem Haus. Auch im Namen meines Fraktionskollegen Prof. Thomas Sternberg möchte ich mich bei Ihnen für die Zusammenarbeit bedanken. Ich schätze Ihre ruhige und unaufgeregte Art. Diese bei dem einen oder anderen Angriff – auch von meiner Seite – zu bewahren, war sicher nicht immer einfach.

Noch mehr dürfte Sie allerdings die eine oder andere Vorlage aus dem eigenen Haus aus der Fassung gebracht haben. Ich sage nur: „Landesmediengesetz“!

Insofern kann ich verstehen, dass Sie sich – trotz des Ausscheidens aus dem Amt – auf den neuen Lebensabschnitt freuen.

Frau Ministerin Schwall-Düren: Alles Gute und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Thomas Nückel (FDP):

Das Gesetz ist eine Feuerwehrmaßnahme, aber es steckt kein großes Konzept dahinter. Die große Linie fehlt, es ist ein Reparaturgesetz.

Zur Problemstellung im Detail: Pro7SAT1 brachte den Ball ins Rollen mit dem Vorhaben, im nationalen Programm regionale Werbeinseln zu schalten; aber ohne jeden regionalen Programminhalt. Warum? Nun, auch das Privatfernsehen sucht neue Einnahmemöglichkeiten, ist ja auch der Macht der Plattformen und dem Abfließen von Werbungen in soziale Medienmedien ausgesetzt.

Eine bundesweite Rundfunklizenz ist allerdings ein Privileg. Die Vergabe einer solchen Lizenz ist daher an Voraussetzungen geknüpft, insbesondere mit Blick auf die Einhaltung bestimmter Grundsätze. Die Achtung der Menschenwürde oder der Jugendschutz sind einige Stichworte.

Der Rundfunkstaatsvertrag verbindet mit der Erteilung einer Rundfunklizenz darüber hinaus auch vielfaltssichernde Aspekte. Dazu gehört, dass bundesweite Vollprogramme auch die gesamte Vielfalt der Gemeinschaft bzw. Deutschlands abdecken sollen und sich nicht nur auf bestimmte -möglicherweise besonders lukrative – Regionen konzentrieren.

Wer das möchte, kann es tun, allerdings nicht unter dem Deckmantel einer bundesweiten Sendelizenz. Es liegt auf der Hand, dass das auch für den Bereich der Werbung gelten muss. Denn mit Blick auf die herausragende Bedeutung der Werbung für private Rundfunkangebote muss eine bundesweite Lizenz ausschließen, dass mit nur auf eine bestimmte Region zugeschnittener Werbung eine Art „Rosinenpickerei“ stattfindet.

Deshalb ist die Präzisierung des Rundfunkstaatsvertrages richtig und geboten.

Daniel Schwerd (PIRATEN):

Mit diesem Achtzehnten Staatsvertrag bin ich nicht ganz glücklich. Einerseits stimmen wir der grundsätzlichen Intention zu, haben aber Bedenken bei der Wahl der Mittel und der Formulierung.

Wir alle sind uns einig, dass Kultur und Medien, dass Information keine Ware ist wie jede andere. Die Medien- und Meinungsvielfalt, die Unabhängigkeit der Medien, auch gerade die regionale Medienvielfalt sind ein wichtiges Gut. Daher akzeptieren wir Eingriffe in die Freiheit des Marktes, die genau das sicherstellen sollen.

Eben deswegen ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn ein regionaler Werbemarkt existiert, den regionale Player bedienen können und der nicht von überregionalen Programmen abgegrast wird. Es besteht sonst die Gefahr, dass auch hier große Medienkonzerne den Markt dominieren werden und dass die Vielfalt der regionalen Angebote darunter leidet.

Dieser Staatsvertrag stellt es den Ländern frei, für regionale Werbung bundesweiter Programme Regelungen zu ergreifen oder Bedingungen zu stellen. Ein Markt regionaler Werbung kann damit also grundsätzlich geschützt werden.

Damit wird dieser Schutz aber zur Verfügungsmasse der jeweiligen Regierungsmehrheit und gilt nur bis jeweils zum nächsten Mehrheitswechsel. Ob das eine gute Lösung ist, wage ich zu bezweifeln. Wir werden sehr unterschiedliche Handhabungen von Bundesland zu Bundesland sehen.

Ich bin auch nicht sicher, dass eine gesetzliche Einschränkung das Mittel der Wahl ist, regionale Medienvielfalt zu sichern. Ich bin gespannt auf die Argumente in der weiteren Beratung.

Auch mit der Formulierung, dass „Werbung Teil des Programms“ sei, sind wir nicht glücklich. Aus gutem Grund gibt es die Trennung zwischen Werbung und redaktionellen oder journalistischen Inhalten, aber eben auch zwischen Werbung und Unterhaltung, Bildung und weiterem Programm. Was Werbung ist, soll als Werbung erkennbar und vom sonstigen Programm spürbar abgesetzt sein. Das soll bitte auch hier in diesem Staatsvertrag nicht aufgeweicht werden.


Anlage 5

Zu TOP 18 – „Gesetz zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis im Land Nordrhein-Westfalen und zur Entfristung der Altersteilzeitregelung“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält eine Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis.

Der Gesetzentwurf ergibt sich aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich entschieden – anderes als das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung –, dass das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen keine hinreichend bestimmte Ermächtigung zur Festsetzung von Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte enthält.

Eine solche Höchstaltersgrenze muss nach der Entscheidung aber auf gesetzlicher Ebene geregelt werden.

Um es gleich vorweg zu sagen: Wir brauchen eine allgemeine Altersgrenze als Grundlage für die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems.

Denn eine angemessene Dienstzeit ist für das Lebenszeitprinzip sowie das Alimentationsprinzip ausschlaggebend.

Bei der Neuregelung haben wir alle Gesichtspunkte sorgfältig abgewogen.

Der Entwurf sieht nun eine Anhebung der Einstellungsaltersgrenze von bislang 40 auf 42 Jahre vor und ermöglicht künftig eine Verbeamtung für Menschen mit Behinderung und ihnen gleichgestellte Menschen bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres.

Aber wir gehen mit den Neuregelungen noch einen Schritt weiter:

Mit der Neuregelung wollen wir zugleich auch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. So haben wir auch die Voraussetzungen, unter denen sich die Einstellungsgrenze über das 42. Lebensjahr hinaus erhöht, neu geregelt.

Das Laufbahnrecht ermöglichte auch bisher eine Überschreitung der Altersgrenzen – zum Beispiel wegen der Geburt oder der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen, wenn die Verzögerung der Einstellung hierdurch kausal herbeigeführt wurde.

Das musste bisher in einem nicht unerheblichen Verfahren geprüft werden. Dieses Verfahren wollen wir zukünftig wegfallen lassen, indem wir das Erfordernis der Kausalität streichen.

Für den Polizeibereich müssen wir wegen der besonderen Anforderungen an die Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, aber auch vor dem Hintergrund der niedrigeren Ruhestandsaltersgrenze bei der bisher geltenden Altersgrenze von 40 Jahren bleiben.

Die Landesregierung hat unter Hochdruck an einer Neuregelung gearbeitet und bringt nunmehr eine den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entsprechende gesetzliche Neuregelung für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf den Weg.

Des Weiteren sieht der Gesetzentwurf eine Entfristung der bestehenden Altersteilzeitregelung vor. Diese soll über den 31.12.2015 hinaus zu den bestehenden Konditionen Bestand haben. Dies ist vor allem für den kommunalen Bereich sowie für die Lehrerinnen und Lehrer von Bedeutung.

Ich bin der Auffassung, dass wir mit dem Gesetzentwurf eine sorgfältig ausbalancierte Regelung getroffen haben.


Anlage 6

Zu TOP 19 – „Gesetz über die Sicherheit in Häfen und Hafenanlagen im Land Nordrhein-Westfalen (Hafensicherheitsgesetz – HaSiG) – zu Protokoll gegebene Rede

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll ein seit Jahren zwischen der Hafenwirtschaft und der Landesverwaltung bestehender Streit über die Reichweite der gesetzlichen Verpflichtung zur Gefahrenabwehr in Häfen beendet werden. Worum ging es?

Das Europäische Parlament und der Rat hatten im Jahre 2005 die sogenannte Gesamthafenrichtlinie beschlossen mit dem Ziel, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen auch auf die Häfen auszuweiten.

Die Umsetzung dieser Richtlinie erfolgte in Nordrhein-Westfalen durch das Hafensicherheitsgesetz aus dem Jahre 2007. Dieses Gesetz weist dem Hafenbetreiber weitgehende Aufgaben zu: So ist er zur Erstellung eines Gefahrenabwehrplans und der Durchführung der in diesem Plan darzustellenden Gefahrenabwehrmaßnahmen verpflichtet.

Die Hafenwirtschaft hat sich gegen diese weitreichende Inanspruchnahme, insbesondere gegen die Zuweisung von Zugangskontrollen ins Hafengebiet, von Anfang an gewehrt.

Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen den Hafenbetreibern und der Hafensicherheitsbehörde wurden letztendlich in einem Rechtsstreit geklärt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass der Hafenbetreiber nicht zu Zugangskontrollen auf öffentlichen Straßen verpflichtet werden könne; hierbei handele es sich um eine hoheitlich wahrzunehmende Aufgabe.

Auch die Europäische Kommission hat im Rahmen einer Inspektion festgestellt, dass die derzeitige Zuweisung von Aufgaben an den Hafenbetreiber nicht in Einklang mit der europarechtlichen Hafensicherheitsrichtlinie steht und hat zwischenzeitlich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Die Landesregierung zieht hieraus nun die Konsequenz:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die gesamte Gefahrenabwehrplanung in Häfen als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet.

Ich bitte, den Gesetzentwurf an die zuständigen Ausschüsse zur Beratung zu überweisen.


Anlage 7

Zu TOP 20 – „Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2015/2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister:

Die Landesregierung legt Ihnen heute in erster Lesung den Gesetzentwurf zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2015/2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vor.

Dem Gesetzesentwurf sind intensive und konstruktive Gespräche mit den Gewerkschaften des DGB und dem DBB vorausgegangen. Sie standen im Zeichen des gemeinsamen Verständnisses, dass wir die angemessene und attraktivitätserhaltende Besoldung unserer Beamten mit den Erfordernissen einer soliden und verantwortungsvollen Haushaltsführung in Übereinstimmung bringen müssen.

Für diese dem Ganzen dienende Sichtweise danke ich unseren Gesprächspartnern noch einmal ausdrücklich.

Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf, der eine – wenn auch zeitlich verzögerte – 1:1 Übertragung vorsieht, setzten wir das mit den Gewerkschaften und Verbänden am 20. Mai 2015 erzielte Gesprächsergebnis um. Das hat allen Beteiligten Zugeständnisse abverlangt.

Natürlich haben wir dabei die neuen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil vom 5. Mai 2015 sorgfältig geprüft und beachtet. Das Ergebnis ist detailliert in der Gesetzesbegründung und den dazugehörigen Anlagen dargestellt. Damit wird auch den prozeduralen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, vollumfänglich Rechnung getragen.

Inzwischen hat auch das erste Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, dass die Besoldung der Beamten in NRW für die Streitjahre 2013/2014 verfassungsgemäß ist. Daran, dass das auch für die aktuelle Besoldung gilt, besteht kein Zweifel.

Ich bitte Sie, der Überweisung des Gesetzentwurfs an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Unterausschuss Personal, an den Innenausschuss, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik zuzustimmen. Dort können dann auch noch die Punkte des Gesetzesentwurfs besprochen werden, auf die ich aus Zeitgründen hier nicht eingegangen bin.


Anlage 8

Zu TOP 25 – „Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Landtags – gem. § 47 Abs. 2 GeschO zu Protokoll gegebene schriftliche Begründungen des Abstimmungsverhaltens

Simone Brand (PIRATEN) :

Meine Entscheidung, die heutige Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten im Landtag NRW abzulehnen, beruht auf der Tatsache, dass jeder Mensch, der sich friedlich gegen Neonazis stellt, zukünftig juristisch verfolgt werden kann. Diese Form der Einschüchterung ist nicht hinnehmbar.

Stefan Fricke (PIRATEN) :

Ich kann der Aufhebung der Immunität meines Parteikollegen Daniel Düngel nicht zustimmen. Nicht Partei-Kadaver-Gehorsam zwingt mich dazu, sondern die feste Überzeugung, dass er sich keiner Straftat schuldig gemacht hat.

Der Antrag, die Immunität aufzuheben, hat für mich ein „Geschmäckle“. Da scheint jemand seine persönliche Inkompetenz kaschieren zu wollen und obendrein darauf zu spekulieren, dass da „irgendetwas hängenbleiben wird“.

Der Ruf eines Piraten wird gründlich ruiniert – die Richtigstellung erfolgt dann auf der vorletzten Seite einer Zeitung in 6-Punkt-Schrift.

Da spiele ich nicht mit – als aufrechter Demokrat und Volkstribun.

Marc Olejak (PIRATEN) :

Meine Entscheidung, die heutige Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten im Landtag NRW abzulehnen, beruht auf der Tatsache, dass jeder Mensch, der sich friedlich gegen Neonazis stellt, zukünftig juristisch verfolgt werden kann. Diese Form der Einschüchterung ist nicht hinnehmbar.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN)

Ich begründe mein Abstimmungsverhalten in der Frage der beantragten Immunitätsaufhebung des Kollegen Daniel Düngel. Die parlamentarische Immunität soll die Mitglieder der Legislative vor ungerechtfertigter, darunter politisch motivierter Verfolgung durch die Exekutive schützen. Sie ist kein Freibrief für Gesetzesbrüche.

In diesem Fall handelt es sich für mich eindeutig um einen politisch motivierten Vorwand. Unabhängig von der Absurdität des Vorwurfs, der bei einer Aufhebung der Immunität nur in einer krachenden Blamage für die beantragende Staatsanwaltschaft enden kann, greift hier der basale Grund für die parlamentarische Immunität, weshalb ich gegen die Aufhebung stimmen werde.


Dietmar Schulz (PIRATEN) :

Die Immunität von Abgeordneten ist ein hohes Gut. Sie stellt Abgeordnete gleichwohl weder über das Recht noch darf politisches Kalkül Abgeordnete über rechtsstaatliche Verfahren vor ordentlichen Gerichten und unabhängigen Richterinnen und Richtern stellen. Immunität schützt unterdessen vor evident fehlerhafter oder gar willkürlicher Strafverfolgung, zu der auch Ermittlungsmaßnahmen der politisch weisungsgebundene Staatsanwaltschaften gehören können.

Als Immunitätsbeauftragter meiner Fraktion (Piratenfraktion) bin ich im Besitz von Kenntnissen aus dem zugrunde liegenden Verfahren, hinsichtlich derer ich zur Verschwiegenheit verpflichtet bin.

Diese Kenntnisse von Fakten, welche der heute zur Abstimmung stehenden Immunitätsaufhebungsfrage zugrunde liegen, veranlassen mich, unter Abwägung der mir zur Abwägung in die Hand gegebenen Kriterien gemäß Anlage 4 zur Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen im derzeitigen Stadium des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens der Immunitätsaufhebung nicht zuzustimmen, ohne dass hierdurch irgendeine tatsächliche oder rechtliche Bewertung eines Tatvorwurfs intendiert ist oder vorweggenommen werden soll.

Zwischen der Entscheidung im Rechtsausschuss des Landtags und dem heutigen Tage konnten die sich mir stellenden Fragen nicht beantwortet werden und Zweifel an der bereits heutigen Aufhebung der Immunität nicht ausgeräumt werden.

Aus diesem Grunde stimme ich gegen die Aufhebung der Immunität.

Daniel Schwerd (PIRATEN) :

Bei der Abstimmung zur Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten konnte ich der Abstimmungsempfehlung des Rechtsausschusses nicht folgen.

Wenn wir eines aus dem dunklen Kapitel der Nazidiktatur gelernt haben sollten, dann jenes: Es ist dringend notwendig, sich der braunen Brut frühzeitig und entschlossen entgegenzustellen! Wenn rechte Demagogen Arm in Arm mit Rechtsextremen und Rechtsterroristen kommen, muss sich jeder Demokrat ihnen entgegenstellen und sagen: Nicht in unserer Stadt! Nicht durch unsere Straße! Unsere Nachbarn bedrohst Du nicht!

Allenthalben fordert man mehr Zivilcourage – und dann schützt man braune Horden, die hitlergrußzeigend durch unsere Straßen ziehen, während Gegendemonstranten mit Mitteln des Strafrechts verfolgt werden. Welch fatale Fehleinschätzung der Gefahren!

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, doch was ist mit der Meinungsfreiheit der Menschen im Land, die das Nazigift in ihrer Nachbarschaft nicht verbreitet sehen wollen? Zählt das automatisch weniger? Was ist mit der wehrhaften Demokratie, die sich den Antidemokraten in den Weg stellt? Gilt das nicht mehr?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Hier geht es nicht darum, einen Kollegen vor der Durchsetzung einer gerechten Strafe zu schützen; hier geht es darum, alle Menschen zu schützen, die sich Nazis in den Weg stellen – egal, ob sie als Abgeordneter privilegiert sind oder nicht. Denn antifaschistischen Widerstand leistet man nicht mit Lichterketten oder Onlinepetitionen – Widerstand leistet man aktiv auf der Straße.

Und nachher soll bitte keiner erzählen, er habe von nichts gewusst.

Torsten Sommer (PIRATEN) :

Einer Aufhebung der Immunität kann in diesem besonderen Fall nicht zugestimmt werden, da es sich um ein Verfahren handelt, das gegen die politische Arbeit des Mitgliedes des Landtages von Nordrhein-Westfalen gerichtet ist. Die politische Arbeit eines Abgeordneten steht dementsprechend unter besonderem, verfassungsrechtlich abgesichertem Schutz. Dementsprechend kann einer Aufhebung, die durch die Staatsanwaltschaft (Exekutive) beantragt wird, nicht zugestimmt werden, wenn man sich an die Landesverfassung halten möchte.

Olaf Wegner (PIRATEN) :

Meine Entscheidung, die heutige Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten im Landtag abzulehnen, beruht auf meiner Überzeugung, dass ein Mensch, der sich friedlich gegen Neonazis stellt, aus moralischen Gründen juristisch nicht verfolgt werden darf.

Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Und ich freue mich über jeden Menschen, der sich dieser Pflicht stellt.