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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/83

16. Wahlperiode

29.04.2015

83. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 29. April 2015

Mitteilungen der Präsidentin. 8381

Nachruf auf den verstorbenen
Abgeordneten Volker Jung (CDU) 8381

1   Nordrhein-Westfälische Unternehmen vor Wirtschaftsspionage schützen

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8531. 8381

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 8381

Thomas Stotko (SPD) 8383

Dr. Günther Bergmann (CDU) 8384

Matthi Bolte (GRÜNE) 8386

Marc Lürbke (FDP) 8387

Minister Ralf Jäger 8388

Ralph Bombis (FDP) 8389

Daniel Schwerd (PIRATEN) 8390

2   Gesetz zur Sicherung von Schullaufbahnen und zur Weiterentwicklung des Schulrechts (12. Schulrechtsänderungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8441

erste Lesung. 8392

Renate Hendricks (SPD) 8392

Klaus Kaiser (CDU) 8393

Sigrid Beer (GRÜNE) 8394

Yvonne Gebauer (FDP) 8395

Michele Marsching (PIRATEN) 8396

Ministerin Sylvia Löhrmann. 8397

Ergebnis. 8398

3   Nordrhein-Westfalen muss Energieland bleiben – keine Diskriminierung von Braunkohlekraftwerken durch „nationalen Klimaschutzbeitrag“

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8455

In Verbindung mit:

Ideologische Klimapolitik gefährdet den Industriestandort NRW – auf nationale und regionale Alleingänge in der Energie- und Klimapolitik verzichten, Arbeitsplätze sichern

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8456

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8559. 8398

Armin Laschet (CDU) 8398

Christian Lindner (FDP) 8400

Norbert Römer (SPD) 8402

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 8404

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 8405

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 8406

Rainer Schmeltzer (SPD) 8409

Thomas Kufen (CDU) 8411

Christian Lindner (FDP) 8411

Minister Johannes Remmel 8412

Wibke Brems (GRÜNE) 8414

Ergebnis. 8414

4   Zweites Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LPlG)

Gesetzentwurf
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8458

erste Lesung. 8414

Ralf Witzel (FDP) 8414

Thomas Eiskirch (SPD) 8415

Dr. Günther Bergmann (CDU) 8416

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE) 8417

Stefan Fricke (PIRATEN) 8418

Minister Michael Groschek. 8419

Ergebnis. 8419

5   Nordrhein-Westfalen leistet „digitalen Widerstand“: Keine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8450

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8564. 8419

Frank Herrmann (PIRATEN) 8419

Hans-Willi Körfges (SPD) 8420

Gregor Golland (CDU) 8422

Matthi Bolte (GRÜNE) 8423

Marc Lürbke (FDP) 8424

Minister Ralf Jäger 8425

Ergebnis. 8426

Namentliche Abstimmung
(siehe Anlage 1)

6   Gesetz zur Stärkung des Regionalverbands Ruhr

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6866

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/8464

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8543

zweite Lesung. 8427

Thomas Eiskirch (SPD) 8427

André Kuper (CDU) 8428

Mario Krüger (GRÜNE) 8429

Kai Abruszat (FDP) 8430

Simone Brand (PIRATEN) 8432

Minister Ralf Jäger 8433

Werner Jostmeier (CDU)
gem. § 47 Abs. 2 GeschO
Erklärung zum Abstimmungsverhalten
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Ergebnis. 8433

7   Freiwilligendienste stärker unterstützen und anerkennen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8294. 8433

Walter Kern (CDU) 8434

Ernst-Wilhelm Rahe (SPD) 8435

Dagmar Hanses (GRÜNE) 8436

Marcel Hafke (FDP) 8436

Daniel Düngel (PIRATEN) 8437

Ministerin Svenja Schulze. 8438

Ergebnis. 8439

8   Mütter wertschätzen – individuelle Lebensentwürfe respektieren

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8459. 8439

Susanne Schneider (FDP) 8439

Regina Kopp-Herr (SPD) 8440

Regina van Dinther (CDU) 8440

Andrea Asch (GRÜNE) 8441

Birgit Rydlewski (PIRATEN) 8443

Ministerin Svenja Schulze. 8444

Ergebnis. 8445

9   Nordrhein-Westfalen soll sich der schleswig-holsteinischen Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebungshaft anschließen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8448. 8445

siehe TOP 15

10 Fragestunde

Drucksache 16/8470. 8445

Mündliche Anfrage 62

der Abgeordneten
Ingola Schmitz (FDP)

„Kostenexplosion bei den Bauarbeiten für das Projekt Burg Vogelsang im Nationalpark Eifel – Wie stellt die Landesregierung als Beteiligte der Standortentwicklungsgesellschaft eine termingerechte Fertigstellung im Rahmen des seinerzeit geplanten Finanzbudgets sicher?. 8445

Minister Michael Groschek. 8446

Mündliche Anfrage 63

des Abgeordneten
Marc Lürbke (FDP)

„Prognostische Personalentwicklung der Polizei in NRW in den Jahren 2014 bis 2025“ 8448

Minister Ralf Jäger 8448

Mündliche Anfrage 64

des Abgeordneten
Ralf Witzel (FDP)

„Steuerliche Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Galeristen in Gefahr – Welche Konsequenzen zieht der Finanzminister aus den Protesten bei der Art Cologne zu der deutlich erhöhten Besteuerung zu Lasten des Kunstmarktes in Nordrhein-Westfalen?“ 8456

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 8457

11 Zweites Gesetz zur Änderung des Landesjagdgesetzes Nordrhein-West-falen und zur Änderung anderer Vorschriften (Ökologisches Jagdgesetz)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/7383

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8544

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8545

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Drucksache 16/8465

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8561

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8562

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Entwurf einer Verordnung über die Jagdzeiten (Landesjagdzeitenverordnung – LJZeitVO)

Antrag
des Ministeriums für Klimaschutz,
Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
Vorlage 16/2500

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8546

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Drucksache 16/8466. 8462

Norbert Meesters (SPD) 8462

Rainer Deppe (CDU) 8465

Norwich Rüße (GRÜNE) 8468

Karlheinz Busen (FDP) 8470

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 8472

Minister Johannes Remmel 8473

Ergebnis. 8475

Namentliche Abstimmung
(siehe Anlage 3)

12 Photovoltaik ermöglichen – Inanspruchnahme der Kulturlandschaft vermeiden

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8295. 8476

Hubertus Fehring (CDU) 8477

Manfred Krick (SPD) 8478

Wibke Brems (GRÜNE) 8479

Henning Höne (FDP) 8480

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 8480

Minister Johannes Remmel 8481

Ergebnis. 8482

13 Mammographie für alle Altersschichten: Prävention stärken, Altersdiskriminierung verhindern

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8460. 8483

Ergebnis. 8483

14 Mehr Chancengleichheit durch verlässliche Gewährung von Nachteilsausgleichen für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8444 – Neudruck. 8483

Ina Spanier-Oppermann (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 4)

Sigrid Beer (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 4)

Yvonne Gebauer (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 4)

Monika Pieper (PIRATEN)
zu Protokoll (siehe Anlage 4)

Astrid Birkhahn (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 4)

Ministerin Sylvia Löhrmann
zu Protokoll (siehe Anlage 4)

Ergebnis. 8483

15 Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen (Abschiebungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen – AHaftVollzG NRW)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/7545

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/8467

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Nordrhein-Westfalen soll sich der schleswig-holsteinischen Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebungshaft anschließen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8448. 8483

Thomas Stotko (SPD) 8483

Daniel Sieveke (CDU) 8484

Monika Düker (GRÜNE) 8485

Frank Herrmann (PIRATEN) 8486

Dirk Wedel (FDP) 8487

Minister Ralf Jäger 8489

Ergebnis. 8489

16 Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe-Anerkennungsgesetz – SobAG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6224

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8547

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Familie, Kinder und Jugend
Drucksache 16/8468

zweite Lesung. 8489

Ingrid Hack (SPD) 8489

Andrea Milz (CDU) 8490

Dagmar Hanses (GRÜNE) 8491

Marcel Hafke (FDP) 8491

Daniel Düngel (PIRATEN) 8492

Ministerin Svenja Schulze. 8492

Ergebnis. 8493

17 Kitaschließungen verhindern – Trägervielfalt bewahren!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8451. 8493

Bernhard Tenhumberg (CDU) 8493

Wolfgang Jörg (SPD) 8494

Andrea Asch (GRÜNE) 8496

Marcel Hafke (FDP) 8497

Olaf Wegner (PIRATEN) 8498

Ministerin Svenja Schulze. 8499

Ergebnis. 8500

18 Die Chancen der Digitalisierung im Wissenschaftsbereich nutzen – landesweit koordinierte Lizensierung von digitalen Bibliotheksbeständen eröffnet neue Spielräume

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8454. 8500

Ergebnis. 8500

19 Qualitätsanalyse – ein wichtiger Baustein für die Schulqualität

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/6121

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Schule und Weiterbildung
Drucksache 16/8160. 8500

Hans Feuß (SPD) 8500

Klaus Kaiser (CDU) 8501

Karin Schmitt-Promny (GRÜNE) 8502

Yvonne Gebauer (FDP) 8503

Monika Pieper (PIRATEN) 8504

Ministerin Sylvia Löhrmann. 8505

Ergebnis. 8506

20 Bildungsqualität fördern
Teil 1: Gymnasien in ihrem pädagogischen Auftrag stärken

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6858

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Schule und Weiterbildung
Drucksache 16/8469

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6957. 8506

Eva Voigt-Küppers (SPD) 8506

Astrid Birkhahn (CDU) 8507

Sigrid Beer (GRÜNE) 8508

Yvonne Gebauer (FDP) 8509

Monika Pieper (PIRATEN) 8510

Ministerin Sylvia Löhrmann. 8511

Ergebnis. 8512

21 Gesetz zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/8293

erste Lesung. 8513

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(siehe Anlage 5)

Ergebnis. 8513

22 Gesetz zur Beschleunigung der Aufstellung kommunaler Gesamtabschlüsse

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/8385

erste Lesung. 8513

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(siehe Anlage 6)

Ergebnis. 8513

23 Gesetz über die Bestimmung des 31. Oktober 2017 als 500. Jahrestag der Reformation zum Feiertag in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/8386

erste Lesung. 8513

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(siehe Anlage 7)

Ergebnis. 8513

24 Vereinbarung zur Ausführung des Artikels 11 Abs. 2 des Abkommens über das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt-Finanzierungsvereinbarung)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung zu einem
Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/8154. 8514

Ergebnis. 8514

25 Haushaltsrechnung des Landes Nordrhein-Westfalen für das Rechnungsjahr 2011

Unterrichtung
durch die Präsidentin
des Landtags
auf Erteilung der Entlastung
nach § 114 LHO
Drucksache 16/2060

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Haushaltskontrolle
Drucksache 16/8471

In Verbindung mit:

Jahresbericht 2013 des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen über das Ergebnis der Prüfungen im Geschäftsjahr 2012

Unterrichtung
durch den Landesrechnungshof
Drucksache 16/3510. 8514

Ergebnis. 8514

26 Jahresbericht 2014 gemäß § 28 VSG NRW

Unterrichtung
durch das Kontrollgremium gemäß § 23
des Verfassungsschutzgesetzes NRW
Drucksache 16/8296. 8514

Ergebnis. 8514

27 Nachwahl eines Schriftführers des Landtags Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8542 – Neudruck. 8514

Ergebnis. 8514

28 Wahl der Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses I

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 16/8473. 8515

Ergebnis. 8515

29 Wahl des Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 16/8474. 8515

Ergebnis. 8515

30 Nachwahl von stellvertretenden Mitgliedern des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses I

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8475. 8515

Ergebnis. 8515

31 Wahl eines ordentlichen und eines stellvertretenden Mitglieds des Kontrollgremiums nach § 23 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8297. 8515

Ergebnis. 8515

32 Verfassungsbeschwerden zu der Frage, ob verschiedene Vorschriften in mehreren Landesgesetzen zur Neuregelung des Rechts der Spielhallen, insbesondere das sogenannte Verbundverbot, das Abstandsgebot und die Übergangsregelungen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind

1 BvR 1314/12
1 BvR 1630/12
1 BvR 1694/13
1 BvR 1874/13
Vorlage 16/2794

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/8476. 8515

Ergebnis. 8515

33 Mitteilung nach § 6 Absatz 3 und 4 des Abgeordnetengesetzes NRW

Unterrichtung
durch die Präsidentin
des Landtags
Drucksache 16/8431. 8516

Ergebnis. 8516

34 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 29
gem. § 82 Abs. 2 GO
(§ 79 Abs. 2 GO a.F.)
Drucksache 16/8477. 8516

Ergebnis. 8516

35 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/31. 8516

Ergebnis. 8516

Anlage 1. 8517

Namentliche Abstimmung über den Antrag der PIRATEN Drucksache 16/8450TOP 5 (Nordrhein-Westfalen leistet „digitalen Widerstand“: Keine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung!)

Anlage 2. 8525

Zu TOP 6 – Gesetz zur Stärkung des Regionalverbands Ruhr (Drucksache 16/6866) – von Werner Jostmeier (CDU) nach § 47 Abs. 2 GeschO zu Protokoll gegebene schriftliche Erklärung zur Abstimmung

Anlage 3. 8527

Namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/7383TOP 11 (Zweites Gesetz zur Änderung des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Vorschriften [Ökologisches Jagdgesetz])

Anlage 4. 8535

Zu TOP 14 – Mehr Chancengleichheit durch verlässliche Gewährung von Nachteilsausgleichen für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen – zu Protokoll gegebene Reden

Ina Spanier-Oppermann (SPD) 8535

Sigrid Beer (GRÜNE) 8535

Yvonne Gebauer (FDP) 8536

Monika Pieper (PIRATEN) 8536

Astrid Birkhahn (CDU) 8537

Ministerin Sylvia Löhrmann. 8537

Anlage 5. 8539

Zu TOP 21 – Gesetz zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 8539

Anlage 6. 8541

Zu TOP 22 – Gesetz zur Beschleunigung der Aufstellung kommunaler Gesamtabschlüsse – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 8541

Anlage 7. 8543

Zu TOP 23 – Gesetz über die Bestimmung des 31. Oktober 2017 als 500. Jahrestag der Reformation zum Feiertag in Nordrhein-Westfalen – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 8543


Entschuldigt waren:

 

Minister Garrelt Duin    
(bis 16 Uhr)

Ministerin Ute Schäfer

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans      
(bis 12 Uhr)

Brigitte Dmoch-Schweren (SPD)          
(ab 17:30 Uhr)

Ingrid Hack (SPD)        
(bis 14 Uhr)

Markus Töns (SPD)

Kirstin Korte (CDU)      
(bis 16:30 Uhr)

Theo Kruse (CDU)

Werner Lohn (CDU)      
(ab 14 Uhr)

Norbert Post (CDU)

Ina Scharrenbach (CDU)           
(bis 12:15 Uhr und ab 16:30 Uhr)

Robert Stein (CDU)      
(ab 16:30 Uhr)

Verena Schäffer (GRÜNE)        
(ab 18:30 Uhr)

Holger Ellerbrock (FDP)

Oliver Bayer (PIRATEN)

Kai Schmalenbach (PIRATEN)

Torsten Sommer (PIRATEN)

 


Beginn: 10:02 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 83. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Volker Jung ist tot. Mit dieser unendlich traurigen Nachricht sind wir alle in den Osterferien konfrontiert worden. Sie hat uns verstört und fassungslos gemacht. Auch heute, vier Wochen nach seinem Tod, fehlen uns erklärende Worte.

Unser tiefes Mitgefühl gilt im Besonderen seiner Frau, den beiden Söhnen sowie seinen Eltern, aber auch seinen vielen Freunden.

Bei der Trauerfeier in Herbram hat ein ganzes Dorf Abschied genommen von Volker Jung. Viele von uns, die daran teilgenommen haben, konnten erahnen, wie tief verwurzelt er in seiner Heimat, dem Paderborner Land, war und wie sehr er geschätzt und geliebt wurde.

Pfarrer und Landrat haben in der Kirche das Wirken von Volker Jung in seiner und für seine Heimat umfassend gewürdigt. Bei allem klang sehr deutlich hervor, wie sehr er sich von Kindesbeinen an engagiert hat – in der Kirchengemeinde, bei den Schützen, der Feuerwehr, als Spieler und Schiedsrichter im Fußball und auch in der Politik als Ortsvorsteher, Ratsmitglied und schließlich auch als Landtagsabgeordneter.

Sein Mandat hat er 2012 mit dem besten Direktwahlergebnis seiner Partei errungen. Hier im Landtag – ich bin sicher, im Namen aller sprechen zu können – haben wir Volker Jung als kenntnisreichen jungen Kollegen und darüber hinaus als überaus freundlichen, bescheidenen und liebenswerten Menschen kennengelernt. Wenn wir miteinander gesprochen haben – hier oben am Präsidiumstisch oder in meinem Büro in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des FC Landtag –, immer waren diese Begegnungen von verbindlicher Herzlichkeit, ja fast von Freundschaft geprägt.

Volker Jung hat den Menschen zugewandt gelebt und ist dadurch früh zum Vorbild geworden. Uns bleibt nach seinem frühen Tod die Erinnerung an sein wirklich beachtliches Lebenswerk, das nachhaltige Spuren hinterlässt.

Unermesslich groß aber müssen bei Volker Jung Leiden und Schmerz gewesen sein, um aus diesem Leben zu scheiden. Wir alle haben davon nichts gewusst. Deshalb richte ich die Bitte an uns alle: Lassen Sie uns in Zukunft noch stärker aufeinander achten!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute und morgen wird das Blumengesteck auf seinem Plenartisch an Volker Jung erinnern. Wir werden ihn aber auch darüber hinaus in dankbarer Erinnerung behalten.

Nun darf ich Sie bitten, sich zum Gedenken an Volker Jung von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Sie haben sich im Gedenken an unseren Kollegen von Ihren Plätzen erhoben. Wir werden ihn in Erinnerung behalten. – Ich danke Ihnen ganz herzlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es nicht so einfach ist, nach einem solchen Beginn in die Plenarberatungen einzutreten, ist es sicherlich ganz im Sinne von Volker Jung, dass wir nun den ersten Tagesordnungspunkt aufrufen.

1   Nordrhein-Westfälische Unternehmen vor Wirtschaftsspionage schützen

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8531

Die Fraktion der Piraten hat mit Schreiben vom 27. April dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu diesem aktuellen Thema der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der Piraten Herrn Dr. Paul das Wort.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen. liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Es ist jetzt wirklich nicht einfach.

Aber seit Donnerstag letzter Woche steht ein skandalöser Verdacht im Raum. Nach Informationen des „SPIEGEL“ hat der Bundesnachrichtendienst in Tausenden Fällen Kommunikationsdaten von deutschen Unternehmen und Politikern gesammelt und an den amerikanischen Nachrichtendienst NSA weitergegeben.

Das Bundeskanzleramt war nachweislich seit dem Jahr 2008 informiert. Wir Piraten haben in der Begründung zur heutigen Aktuellen Stunde diesen Vorgang als „Amtshilfe“ des BND an die NSA bezeichnet.

Im Grunde ist das ein Euphemismus. Denn wenn die Informationen stimmen – das hat bisher keine Seite angezweifelt –, handelt es sich hierbei um Landesverrat auf Bundesebene, der höchstwahrscheinlich auch das Hightechland Nordrhein-Westfalen betrifft.

Wir Piraten warnen seit Jahren vor den technischen Möglichkeiten und dem Willen der Nachrichtendienste, im In- und Ausland massenhaft Kommunikationsdaten abzugreifen und ihre Inhalte zu nutzen. Nicht erst seit Edward Snowden steht dabei auch der Verdacht auf Wirtschaftsspionage im Raum. Doch spätestens mit den neuesten Enthüllungen wird klar: Die NSA-Affäre ist zur Bundeskanzleramtsaffäre geworden. Die zuständigen Politiker tragen die politische Verantwortung.

Als wir Piraten das letzte Mal dieses Thema in den Landtag brachten, wurde uns vom Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Landesinnenministerium mitgeteilt, dass kein Grund zur Besorgnis bestehe. In seiner Stellungnahme ließ er das Parlament wissen, es lägen keine Erkenntnisse vor, dass sogenannte befreundete Dienste Wirtschaftsspionage in Nordrhein-Westfalen betrieben. Weiter hieß es beschwichtigend: Auch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz liegen nach eigener Aussage keinerlei Erkenntnisse vor, die die These einer Wirtschaftsspionage aus dem Westen stützen.

Ist also alles nur grundloses Gerede, Verschwörungstheorie oder hanebüchene Spekulation? Nun stellt sich heraus, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz vielleicht nur mal seinen Kollegen vom Bundesnachrichtendienst oder das zuständige Bundeskanzleramt hätte fragen sollen, das seit 2008 vollumfänglich darüber im Bilde war, wie die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland von sogenannten befreundeten Diensten ausspioniert werden.

Das allein ist schon unglaublich genug, unfassbar aber ist, dass dies noch unter aktiver Mithilfe des vom deutschen Steuerzahler mit Millionen finanzierten BND geschieht. Da fehlen einem schlicht die Worte.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Super-GAU in der deutschen Innenpolitik ist also da. Seit 2013, als Edward Snowden mit seinen mutigen Enthüllungen an die Öffentlichkeit trat, hat es nicht lange gedauert bis zur Kernschmelze jeglichen Vertrauens in die staatliche Integrität. Seitdem galt auf allen Ebenen der deutschen Politik in dieser Thematik nur eine einzige Handlungsanweisung, ob im Bund oder hier im Land: weggucken, vertuschen, leugnen, und wenn es gar nicht mehr anders geht und die Last der Beweise erdrückend wird, alles kleinreden und für komplett erledigt erklären. – Damit muss jetzt ein für alle Mal Schluss sein!

(Beifall von den PIRATEN)

Selbst der Hilferuf der Geschädigten gab unserer Landesregierung keinen Anlass zum Umdenken. So erklärte die Arbeitsgemeinschaft Produkt- und Know-how-Schutz in Ihrer Stellungnahme zu der Anhörung Wirtschaftsspionage, die, von uns Piraten verlangt, im Februar 2014 hier im Plenarsaal stattfand – ich zitiere –:

„Die Hilfe der Politik, auch in NRW, ist verschwindend gering. Es gibt für Behörden und Politik einiges zu tun!“

Die Piraten haben bereits im Jahre 2013 Aufklärung gefordert, als wir das Thema „Wirtschaftsspionage“ hier einbrachten. Als ein Jahr später bekannt wurde, dass am Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt, übrigens von einem Kölner Unternehmen betrieben, ein millionenfacher Abgriff von Daten erfolgt ist – Stichwort: Eikonal –, haben wir wieder Aufklärung gefordert. Und auch heute fordern wir eine vollumfängliche Aufklärung der BND-Affäre.

Doch damit allein kann es diesmal nicht getan sein. Die Salamitaktik des Bundesnachrichtendienstes hat es selbst verursacht: Kein Mensch glaubt mehr daran, dass sich der Nachrichtendienst freiwillig einer ehrlichen Aufklärung und den daraus folgenden Konsequenzen unterzieht.

Wer trägt dafür die Verantwortung? Ist es Frank-Walter Steinmeier, der den Bundesnachrichtendienst bis ins Jahr 2005 beaufsichtigte? Ist es sein Nachfolger Thomas de Maizière oder etwa Ronald Pofalla, der zudem im August 2013 wider besseres Wissen die Unverfrorenheit besaß, die NSA-Affäre für beendet zu erklären? Oder ist es der derzeitige Amtschef Peter Altmaier?

Fest steht: Es gibt ein eklatantes Staatsversagen der Sicherheitsbehörden.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Bundeskanzleramt hat bei der Aufsicht des Bundesnachrichtendienstes versagt, und zwar sowohl unter christdemokratischer als auch unter sozialdemokratischer Führung. Deswegen erneuern wir Piraten unsere Forderung: Das Eigenleben der deutschen Nachrichtendienste schändet unsere Demokratie!

(Beifall von den PIRATEN)

Die Nachrichtendienste müssen wieder Teil des Rechtsstaats werden. Sie gehören an die parlamentarische Kette.

Was muss also getan werden, um die Bürger und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen vor staatlichen Nachrichtendiensten zu schützen?

Erstens. Der Skandal muss vollumfänglich aufgeklärt werden, insbesondere im Hinblick auf betroffene Bürger und Unternehmen hier im Land.

Zweitens. Es muss endlich Schluss sein mit der Vertuschung und Verharmlosung des Spionageskandals – sowohl im Bund als auch hier in NRW. Sie, Herr Minister Jäger, und der Ihnen unterstellte Verfassungsschutz, der einen gesetzlichen Auftrag zur Spionageabwehr hat, müssen Ihre „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“-Linie endlich aufgeben.

(Beifall von den PIRATEN)

Drittens. Die Bundesbehörden scheinen nicht willens oder in der Lage zu sein, dem Eigenleben des Dienstes Herr zu werden. Die Landesregierung und der Landtag müssen daher aus ureigenem Interesse die Bundesregierung auffordern, die Kontrolle über den BND zurückzuerlangen.

Viertens. Wir, die Mitglieder unserer Fraktion, der Bundesvorsitzende der Piratenpartei und der Landesvorsitzende der Piratenpartei, erstatten beim Generalbundesanwalt Strafanzeige bezüglich § 99 Strafgesetzbuch gegen die Führungsebene des BND und gegen die aufsichtführenden Politiker im Bundeskanzleramt. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die SPD?Fraktion spricht Herr Kollege Stotko.

Thomas Stotko (SPD): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Kollege Dr. Paul dreht sich so ein bisschen wie ein Hamster im Mühlrad. Mein Kollege Falk Heinrichs hat bereits im Dezember – Sie haben Eikonal angesprochen – darauf hingewiesen, dass solche Anträge oder Aktuellen Stunden wie diese nicht in den nordrhein-westfälischen Landtag gehören, sondern entweder in das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes, in den aktuell eingesetzten Untersuchungsausschuss, von mir aus in den dortigen Innenausschuss oder ins Parlament selbst.

Sie haben mehrfach in Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass es sich um eine Bundesaufgabe bzw. eine Bundeskontrolle handelt. Deshalb frage ich mich natürlich immer: Machen Sie das nur, weil Sie nicht im Bundestag sitzen und das dann in die Länderparlamente ziehen müssen, um das einmal diskutieren zu können?

Ich habe mir Ihre Begründung zur Beantragung der Aktuellen Stunde durchgelesen und Ihnen jetzt gerade aufmerksam zugehört. Sie sprechen über „habe gebeten“, „es ist anzunehmen“, „der Verdacht steht im Raum“ und „es ist höchstwahrscheinlich“. Das ist eine Aneinanderreihung von Konjunktiven. Und dann behaupten Sie am Schluss einfach: NRW-Unternehmen sind betroffen. – Das alles tun Sie nur, um eine Aktuelle Stunde beantragen zu können.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das ist ein Beleg für die Untätigkeit hier! Es sind NRW-Unternehmen betroffen. Das wissen Sie auch!)

Ich halte das für keine kluge Idee, denn bis jetzt hat sich dazu noch gar nichts ergeben.

(Daniel Schwerd [PIRATEN]: Das ist doch gelogen!)

Deshalb ist die SPD-Landtagsfraktion auch eher vorsichtig, Presseberichte mit Vorwürfen zu kommentieren oder zu bewerten – insbesondere wenn man sich die aktuelle Berichterstattung anschaut. Sie begann mit „wurden ausspioniert“ und drehte sich dann hin zu „sollten ausspioniert werden“.

Um das hier einmal deutlich zu sagen, damit Sie sich ein bisschen besser fühlen und weniger hineinschreien müssen: Wenn die Vereinigten Staaten ernsthaft den Bundesnachrichtendienst erfolgreich eingespannt hätten, um Wirtschaftsspionage in Deutschland zu betreiben, dann hätte dies eine besondere Qualität; denn gegen staatlich organisierte Wirtschaftsspionage müssen Politik, Behörden und Unternehmen gemeinsam vorgehen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Richtig! Völlig richtig!)

Das muss natürlich schnellstens aufgeklärt werden – wohlgemerkt aber im Bund.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Falsch!)

Es gibt jedoch ausreichend Anhaltspunkte dafür – da gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Dr. Paul –, dass der Bundesnachrichtendienst offensichtlich ein Eigenleben führt, das Parlament im Bund mehrfach falsch informiert hat und offensichtlich keiner ordnungsgemäßen Kontrolle unterliegt – einer Kontrolle, die im Übrigen dem Bundeskanzleramt obliegt, welches augenscheinlich kläglich versagt hat. Wie? Das Bundeskanzleramt? – Ja, genau! Eben das Amt der Frau Merkel –, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die sich bitterlich darüber beschwert hat, selber abgehört worden zu sein, und ganz überrascht getan hat, obwohl sie offensichtlich seit Jahren darüber informiert ist, dass die NSA auf jeden Fall beabsichtigt, deutsche Firmen auszuspionieren. Wie sie das überraschen kann, entzieht sich meiner Kenntnis.

(Beifall von der SPD)

Die Kanzlerin muss deshalb persönlich, also nicht der Untersuchungsausschuss im Bund allein, die Öffentlichkeit darüber informieren, welche Kenntnisse sie persönlich ab wann gehabt hat und wie sie als oberste Kontrolleurin des Bundesnachrichtendienstes reagiert hat. Aber auch das, liebe Piratenfraktion, interessiert nicht nur uns in Nordrhein-Westfalen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik – insbesondere, wenn es jetzt Stück für Stück eine lange Liste von Nichtverantwortlichen gibt.

Von gleichem Interesse ist sicherlich auch – das betone ich auch im Sinne meiner Kolleginnen und Kollegen im Bund –, dass es eine Liste abgelehnter Selektoren gibt, die 40.000 Stück umfassen soll. Die sind in einer Ablehnungsdatei erfasst. Man fragt sich in diesem Falle schon, wie viele Tausend akzeptiert worden sind, wenn 40.000 Selektoren abgelehnt wurden. Auch das muss aufgeklärt werden. Deshalb ist diese Selektorenliste umfassend, ausführlich und schnellstens zu veröffentlichen.

Um aber trotz Ihres bundespolitischen Antrags den Blick auf Nordrhein-Westfalen zu werfen: Wir sind beruhigt – das hat sich offensichtlich noch immer nicht geändert; der Innenminister wird etwas dazu sagen –, dass bis zum heutigen Tage keine Erkenntnisse darüber vorliegen, dass sich Nordrhein-Westfalen an irgendeiner Wirtschaftsspionage beteiligt hat.

Im Gegenteil: Wir in Nordrhein-Westfalen sind mit CERT – dem Computer Emergency Response Team; das ist ein englischer Begriff, ich habe ihn nicht erfunden – gut aufgestellt. Das gibt es bei IT.NRW. Dabei handelt es sich um ein in einem bundesweiten Verbund arbeitendes Netz der Sicherheitsinfrastruktur.

Wir allen kennen aus den Diskussionen hier und im Innenausschuss, dass wir im Landeskriminalamt mit dem Cybercrime-Kompetenzzentrum eine Vorzeigeabteilung für ganz Deutschland haben, die sich um Prävention und Aufklärung von Straftaten im IT-Bereich kümmert.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Die nichts wissen! Die von allem nichts wissen!)

Wir haben hier in verschiedenen Debatten klargemacht, dass NRW im IT-Planungsrat unter anderem eine Sicherheitsleitlinie erarbeitet hat.

Wir unterstützen die kommunale Familie – also Kommunen und Kreise – bei der Umsetzung dieser Sicherheitsleitlinie, haben deren Anwendung aber auch der Privatwirtschaft nahegelegt und erneuern dies täglich durch Sensibilisierungsmaßnahmen für eine ausreichende IT-Sicherheit im Privatbereich.

Denn grundsätzlich – ich will das hier noch einmal klarmachen – ist die Privatwirtschaft gehalten, die Zusammenarbeit von Unternehmen, Kammern und Verbänden mit den zuständigen Organen weiter zu vertiefen und eigene Anstrengungen zu unternehmen, sich erfolgreich gegen Wirtschaftsspionage zu wehren. Dies gilt umso mehr, als das Vertrauen in das Internet als Wirtschaftsmotor nicht gefährdet werden darf.

Bei aller Wertschätzung für alle möglichen Maßnahmen und Forderungen: Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass trotz umfassender Schutzmaßnahmen insbesondere gegen neue und hochkomplexe Spionage- und Schadsoftware kein 100%iger Schutz existiert. Wenn die Beantragung der heutigen Aktuellen Stunde zumindest diese Sensibilisierung bewirkt hätte, wäre sie nicht so nutzlos, wie es hier den Anschein hat. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die Fraktion der CDU spricht Herr Dr. Bergmann.

Dr. Günther Bergmann (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wir hätten hier heute in der Aktuellen Stunde über das Thema, das derzeit vielen Menschen nicht nur im Rheinischen Revier unter den Nägeln brennt, sprechen können: Bundeswirtschaftsminister Gabriel legt mit seinen Plänen für die Klimaabgabe die Axt an die Energieversorgung im Energieland NRW.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Zum Thema!)

Ver.di und IG BCE fürchten den Verlust von bis zu 100.000 Arbeitsplätzen, viele davon in unserem Land. Gleichzeitig findet die Landesregierung zu keiner einheitlichen Position.

(Beifall von der CDU)

Während SPD-Minister gegen die Pläne Gabriels demonstrieren, demonstrieren grüne Minister dafür.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Was soll das denn? Das ist doch lächerlich!)

Wie gesagt: Wir hätten allen Grund, ausführlich und intensiv eine Debatte darüber zu führen. Tun wir aber leider nicht. Sei’s drum! Sprechen wir also über Wirtschaftsspionage.

Im Februar 2014 hatten wir im Wirtschaftsausschuss eine Anhörung genau zu dem Thema „Wirtschaftsspionage“ bezogen auf unser Bundesland NRW, sodass uns darüber viele Informationen vorliegen.

(Zuruf von Daniel Schwerd [PIRATEN])

Daher möchte ich auf die damals geschilderten Sachverhalte und Fragenkomplexe sowie die angeregten Maßnahmen eingehen – genau so, wie Sie es, liebe Piraten, in Ihrer Begründung für diese Aktuelle Stunde gewünscht haben. Ich rede über NRW, da hier der Landtag und nicht der Bundestag ist.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Und ich rede so, wie Sie es mit Ihrer Überschrift zu Ihrer Aktuellen Stunde auch getan haben: „Nordrhein-westfälische Unternehmen vor Wirtschaftsspionage schützen“, zu nichts anderem.

Auch nordrhein-westfälische Unternehmen stehen laut den Sachverständigen im Fokus von Spionagetätigkeiten. Das ist nicht überraschend. Laut dem Leiter des Verfassungsschutzes unseres Landes, Burkhard Freier, erfolgten nur fünf bis zehn der Angriffe mit nachrichtendienstlichen und kriminellen Mitteln. Der Rest erfolgt demnach offen, über das Netz oder über Einzelpersonen.

Der Ursprung der Angriffe ist nicht gänzlich geklärt. Man geht davon aus, dass er mal in befreundeten, mal in nicht befreundeten Staaten liegt. Oft ist das Abgreifen von Know-how unserer Weltmarktführer das Ziel.

Wir sind uns sicher einig, dass wir auf das mitschwingende Lob „Unsere Unternehmen sind so innovativ, dass es sich offensichtlich lohnt, sie auszuspähen“ gut verzichten könnten.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Man muss neben kriminellen Aspekten auch eine von der Wirtschaftsspionage ausgehende Gefahr im Auge behalten: Know-how-Abfluss schädigt den Standort NRW massiv.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Ach! – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Da ist er, der Landesbezug!)

Sicher: In erster Linie sind Unternehmen selbst für den Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse, etwa in den FuE-Abteilungen, verantwortlich. Das können vor allem große Konzerne auch selbst leisten. Aber Nordrhein-Westfalen ist nicht nur Standort der großen Konzerne, sondern ist vor allem ein Land mit starker mittelständischer Struktur. Schließlich sind 94 % unserer Industrieunternehmen mittelständische Betriebe. Unsere Hidden Champions brauchen unsere Hilfe beim Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse.

Sicher ist: Die zunehmende Digitalisierung unseres Wirtschaftens ist eine große Chance für den Standort NRW. Eine gemeinschaftliche Studie des Branchenverbands BITKOM mit dem Fraunhofer-Institut geht von einem jährlichen Wachstumspotenzial von bis zu 1,7 % durch die Digitalisierung wirtschaftlicher Prozesse bzw. durch die Umsetzung von Industrie 4.0 aus.

Sicher ist aber auch: Durch die Digitalisierung werden auch das Ausspähen von Betriebsgeheimnissen und das Verwischen des wahren Angriffsursprungs immer einfacher.

Das Fazit muss also lauten: Wenn Industrie 4.0 eine Erfolgsgeschichte werden soll, müssen wir den Unternehmen helfen, ihre Betriebsgeheimnisse, ihre Daten und damit ihr Know-how besser zu schützen.

Glücklicherweise hat Nordrhein-Westfalen eine exzellente Forschungslandschaft. Derzeit laufen an vielen Hochschulen genau dazu Projekte, nämlich zur Verbesserung der Datensicherheit. Das ist gut.

Die Ministerpräsidentin hat angekündigt, solche Projekte in Zukunft verstärkt fördern zu wollen. Das ist richtig. Wir werden in Zukunft die Landesregierung an dieser Ankündigung messen. Das ist notwendig.

Forschung und Entwicklung alleine reichen jedoch leider nicht aus. Wir müssen vielmehr den Mittelstand stärker für einen ausreichenden Schutz von Betriebsgeheimnissen sensibilisieren. Da hakt es nämlich noch. Ich zitiere dazu aus der Anhörung:

„Leider sind viele Vertreter von kleinen und mittelständischen Unternehmen immer noch nicht ausreichend sensibilisiert und beschäftigen sich erst dann mit dem Thema, wenn ein Schadensfall eingetreten ist, nach dem Motto „Jetzt ist mir etwas passiert, und jetzt muss ich etwas dagegen tun“. Das ist dann aber leider zu spät.“

So sagte bei der Anhörung hier im Landtag in diesem Raum Hubert Martens von networker NRW aus Essen.

Ganze zwei Mitarbeiter beschäftigen sich beim nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz mit Wirtschaftsspionage. Die beiden machen einen guten Job, bereisen das Land, um Unternehmen zu sensibilisieren und zu betreuen. Sie können in unserem großen Flächenland aber nicht überall sein. Diese Präsenz reicht also offensichtlich nicht aus.

Hier muss das Land eine aktive Rolle übernehmen. Die in der Anhörung vom Leiter des NRW-Verfas-sungsschutzes erwähnte Sicherheitspartnerschaft von Innenministerium, Polizei, Verfassungsschutz, Wirtschaftsministerium, IHK und Verband für Sicherheit in der Wirtschaft bildet dafür eine gute Grundlage.

Der NRW-Verfassungsschutz arbeitet mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz – mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz! – und nicht mit dem BND auf der Ebene der Inlandsnachrichtendienste zusammen. Das ist sein Auftrag, und den erfüllt der auch.

Neben der mangelnden Sensibilisierung der Unternehmen, die sich vertrauensvoll an die Akteure der erwähnten Sicherheitspartnerschaft wenden sollten, haben die Experten in der Anhörung die fehlende Nachsorge kritisiert: Was passiert, wenn tatsächlich ein Schaden entstanden ist? Wie bringen wir ein Unternehmen dazu, in einem solchen Schadensfall schnell zu reagieren und die richtigen Ansprechpartner zu finden? Dafür muss man ein noch stärkeres Vertrauensverhältnis schaffen, ohne Unternehmen in einer Meldepflicht öffentlich an den Pranger zu stellen.

Wichtig in diesem Zusammenhang waren auch Schilderungen der Experten, dass zumeist der Vertrauensverlust zwischen den Geschäftspartnern im Falle von Wirtschaftsspionage weitaus gravierender ist als der eigentliche finanzielle Schaden.

Großer Klärungsbedarf besteht in solchen Fällen bei den Betroffenen demnach in den Fragenbereichen: Wie kann ich mein Unternehmen so aufstellen, dass es im Fall eines Spionageschadens wieder schnell handlungsfähig wird? Und wie kann das Unternehmen den Schaden lokalisieren und die Informationen sichern, damit es schnell zum operativen Geschäft zurückkehren kann?

Hier fehlt es bis dato aus unserer Sicht an ausreichend bekannten Konzepten. Hier erwarten wir von der Landesregierung, dass sie die Wirtschaft noch mehr unterstützt, Lösungen zu finden, Maßnahmen möglichst standardisiert und somit einfach zu implementieren und etwa Best-Practice-Pools zu installieren. Wirkliche Aktivitäten des Landes haben wir seit der Anhörung jedoch leider nicht wahrnehmen können. Das muss aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion besser werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Bergmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Matthi Bolte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzte Woche hat gezeigt: Der Bundesnachrichtendienst ist offensichtlich ein Nachrichtendienst außer Rand und Band. Wenn offenbar wird, dass die demokratische Einhegung eines Nachrichtendienstes nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, dann wird es Zeit für eine Zäsur, dann wird es Zeit für Konsequenzen.

Die heutige Aktuelle Stunde behandelt ein Thema, das eindeutig außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Landesregierung und des Landtags liegt. Wir sind hier nicht das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages.

Aber diese Erkenntnisse zeigen eines sehr deutlich: Es war gut, dass der Deutsche Bundestag einen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre, zum Geheimdienstskandal eingesetzt hat. Es war gut, dass insbesondere die Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag sich durchgesetzt haben, dass dieser Untersuchungsausschuss sich nicht allein mit den Überwachungsaktivitäten ausländischer Dienste befasst, sondern explizit auch mit den Aktivitäten deutscher Nachrichtendienste.

Der PUA in Berlin ist weit davon entfernt, seine Arbeit zu beenden. Immer neue Erkenntnisse kommen ans Licht. Was als NSA-Affäre gestartet ist, hat sich zu einem internationalen Geheimdienstskandal ausgewachsen. Dieser Skandal ist zudem ein Ausweis von Tatenlosigkeit mindestens zweier Bundesregierungen. Die von CDU und FDP getragene Bundesregierung wollte ihn einfach unter den Teppich kehren und für beendet erklären. Die jetzige Regierung hat diese Vorgehensweise in bester Merkel-Manier weitergesponnen.

Meine Damen und Herren, der Bundesnachrichtendienst hat der NSA in zahllosen Fällen – laut derzeitiger Berichterstattung und Erkenntnislage – bei der Ausspähung deutscher und westeuropäischer Ziele geholfen; das legen die aktuellen Erkenntnisse jedenfalls nahe. Ob aus Versehen oder aus Absicht, was er davon wusste oder was er vielleicht auch nicht wusste – das muss Ergebnis der lückenlosen Aufklärung sein, die zwar angekündigt ist, die jetzt aber auch tatsächlich erfolgen muss.

Spätestens seit 2008 sind diese Vorgänge bekannt. Bis 2013 schaute man diesem Treiben beim BND tatenlos zu. Notwendig ist, dass die Bundesregierung nun endlich reinen Tisch macht. Dafür gehören die Listen mit den Selektoren der NSA auf den Tisch. Mittlerweile wird nicht nur von 2.000, sondern von bis zu 40.000 verdächtigen illegalen Suchparametern gesprochen, mit denen die NSA systematisch gegen deutsche Interessen verstoßen hat. Der BND hat bei dieser Kooperation an einigen Stellen offenbar auch deutsche Gesetze verletzt.

Deswegen muss die Bundesregierung jetzt klarmachen, in wie vielen und in welchen Fällen und vor allem mit welchen dahinterstehenden Interessen der BND deutsche Gesetze verletzt hat. Das betrifft insbesondere die zuständigen Ministerinnen und Minister der früheren Bundesregierungen. Thomas de Maizière, Peter Altmaier, Ronald Pofalla und auch die Kanzlerin müssen jetzt endlich klar Stellung beziehen und reinen Tisch machen. Denn es sieht doch sehr stark danach aus, als hätte es in den vergangenen Jahren ein gestörtes Verhältnis zwischen der Bundesregierung und der parlamentarischen Kontrolle gegeben.

Die Bundesregierung täte jetzt gut daran, die Kompetenzen des BND kritisch zu überprüfen, mindestens aber klarer zu fassen oder einzuschränken. Wir brauchen mehr Kontrolle, weniger Befugnisse und mehr Transparenz. Die Pläne der Bundesregierung fallen derzeit jedoch genau umgekehrt aus: mehr Befugnisse und weniger Kontrolle. Das kann so nicht gut gehen.

Wir haben es – Sie werden sich erinnern – in Nordrhein-Westfalen vor gut zwei Jahren besser gemacht. Wir haben unseren nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz transparenter aufgestellt und seine Befugnisse klarer gefasst. Gerade auch durch die öffentlichen PKG-Sitzungen haben wir mehr Kontrolle und mehr Transparenz geschaffen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es soll in dieser Aktuellen Stunde nicht allein um Strukturreformen und die internationale Kooperation von Nachrichtendiensten gehen, sondern auch um die Abwehr von Wirtschaftsspionage. Wir wollen am Standort Nordrhein-Westfalen – das haben wir in den letzten Monaten intensiv debattiert; ich erinnere nur an die Aussprache zur Regierungserklärung – ein höchstes Maß an Sicherheit erreichen.

Der Verfassungsschutz – das ist sein gesetzlicher Auftrag – sensibilisiert schon heute Unternehmen und Unternehmensverbände in Nordrhein-Westfa-len für die Gefahren der staatlich gelenkten Wirtschaftsspionage und berät sie. Zahlreiche Hochschulen in unserem Land forschen im Bereich „Sichere IT“. Das wird unser Markenkern. Wir haben über die Leitmarktwettbewerbe bereits Initiativen für mehr Sicherheit angestoßen.

Ein hundertprozentiger Schutz – das ist eine Binsenweisheit – ist nicht möglich. Aber gerade weil das so ist, gibt es natürlich immer noch Möglichkeiten, über weitere Schutzmaßnahmen zu diskutieren. Herr Dr. Paul, ich fand die Vorschläge, die Sie gemacht haben, eher übersichtlich; da habe ich wenig Konkretes von Ihnen gehört.

Wie können wir Unternehmen Anreize bieten, sich sicherer aufzustellen? Der Kollege Dr. Bergmann hat eben darauf abgestellt, dass die Problematik insbesondere im Mittelstand besteht, der für uns die zwar die tragende Säule der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen darstellt, zugleich aber noch an vielen Stellen das geringste Schutzniveau aufweist, während er häufigstes Opfer von Angriffen wird. Wie schaffen wir es, dass sich Unternehmen sicherer aufstellen und welche Anreize können wir dafür bieten? Über diese Fragen befinden sich nicht nur die Grünen – das gestehe ich gern zu – in regelmäßigem Austausch mit der Wirtschaft.

Wir brauchen in diesem Zusammenhang auch einen handlungsfähigen Datenschutz. Es kann nicht länger angehen, dass die Bundesregierung die europäische Datenschutzreform aushebelt, mit der wir endlich einen verbindlichen und hohen Schutzrahmen für alle Europäerinnen und Europäer vorhalten.

Meine Damen und Herren, die aktuellen Erkenntnisse zeigen: Wir brauchen endlich eine vollständige und proaktive Aufklärung durch die Bundesregierung. Die deutschen Dienste müssen endlich ihre Karten auf den Tisch legen, wann sie mit wem warum zusammengearbeitet haben, welche Daten dabei ausgetauscht wurden und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschah.

Dann müssen wir Konsequenzen ziehen. Wir müssen die Dienste demokratisch einhegen und die Rechtsstaatlichkeit stärken. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin.– Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Fest steht: Der am vergangenen Donnerstag bekannt gewordene Skandal bedarf dringend der Aufklärung. Anders als bei der ursprünglichen NSA-Spähaffäre von 2013 sitzen die Verantwortlichen dieses Mal in der Bundesrepublik Deutschland.

Das Kanzleramt darf sich daher nicht hinter vermeintlichen Staatswohlaspekten verschanzen und die Aufklärung behindern; denn schließlich steht es selbst im Verdacht, das Staatswohl auf eklatante Art und Weise gefährdet zu haben, mutmaßlich sogar in einer Weise, die fast schon Zweifel an der Eigenstaatlichkeit unserer Republik aufkommen lässt.

(Zustimmung von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Weiterhin steht fest: Die deutschen Geheimdienste verheddern sich in Widersprüchen. Auf der einen Seite berät das Landesamt für Verfassungsschutz Unternehmen, wie sie sich vor digitaler Spionage schützen können, und auf der anderen Seite versucht der BND, im Auftrag der amerikanischen NSA genau diese Vorkehrungen auszuhebeln und den USA Daten über die betroffenen Unternehmen und ihre Geschäftsgeheimnisse zu liefern. Das erscheint schon fast schizophren.

Aber wenn die vorliegenden Medieninformationen zutreffen, haben wir in der Tat einen handfesten Skandal im Gefolge der Snowden-Enthüllungen. Bekannt war schon einiges: die nahezu lückenlose Erfassung des deutschen und europäischen Internetverkehrs – mindestens der Metadaten –, das berühmte Kanzlerinnen-Handy und nicht zuletzt die Angriffe der NSA und des britischen GCHQ auf Telekommunikationsanbieter wie Belgacom oder die Telekom.

Wie meine Fraktion hier im Hohen Hause an diesem Pult bereits im Jahr 2013 betont hat, stand schon seinerzeit der Verdacht einer Mitwirkung oder zumindest einer Duldung jener Aktivitäten durch deutsche Beteiligte im Raum. Im Prinzip kann man sich die zögerliche Aufklärung der Spähaffäre kaum anders erklären. Schließlich sind mittlerweile schon zwei Jahre ins Land gegangen.

Die neuerliche Nachrichtenlage lässt die Dinge jetzt jedoch in einem anderen Licht erscheinen. Augenscheinlich gilt das für den früheren Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, der die Spähaffäre im August 2013 schon für beendet erklärt hatte; es gilt aber auch mit Blick auf den heutigen Innenminister de Maizière, der 2008 die Geschicke im Kanzleramt leitete.

Das trifft insbesondere dann zu, wenn der BND das Kanzleramt offenbar schon damals unterrichtet hat, als aufmerksamen Mitarbeitern Zweifel an den von der NSA abgefragten Selektoren kamen, und wenn dann 2010 eine weitere Unterrichtung erfolgt ist, als Pofalla Kanzleramtschef war. Es ist schon merkwürdig, wenn gerade derjenige, der offenbar über die NSA-Interessen informiert war, rasch ein Ende des Skandals ausruft. Ohne unken zu wollen, drängen sich insofern doch eine ganze Reihe von Fragen auf.

Was nützen uns da strenge, effektive und präzise Rechtsvorschriften zum Schutz von Persönlichkeitsrechten oder Unternehmensdaten, wenn diese Vorschriften gleichsam im Handstreich durch Geheimdienste oder potenzielle Helfer an anderer Stelle unterlaufen werden können?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es deutlich zu sagen: Man kann Sinn und Zweck der Überwachungstätigkeit westlicher Geheimdienste im Gefolge von 9/11 politisch unterschiedlich bewerten; was man aber nicht unterschiedlich bewerten darf, ist die Tatsache, dass es dabei klar definierte Grenzen geben muss.

(Beifall von der FDP)

Das fängt bei den Bürger- und Menschenrechten an und hört bei Staat und Wirtschaft auf. Besonders perfide – „perfide“ passt in diesem Zusammenhang ganz gut – muss es aber erscheinen, wenn das Spionageziel selbst den Spion noch mit Rat und Tat unterstützt. Das ist im Grunde das Gravierendste und Folgenschwerste, was eine solche Affäre hervorbringen kann.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in die Lauterkeit, in die Rechtschaffenheit der demokratischen Institutionen und in die Rechtstreue der politischen Führung verlieren, wird der Boden für populistische Rattenfänger und Verschwörungstheoretiker bereitet. Eine solche Lage wiederum bereitet antidemokratischen Strömungen den Weg – und das ist das Letzte, was ich mir für unser Land und für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes wünsche.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Erstens gilt es daher, jetzt die Aufklärung in dieser Sache dringend und zügig voranzutreiben. An dieser Stelle weise ich noch einmal ausdrücklich auf die bestehenden Verdachtsmomente gegen den gegenwärtigen Bundesinnenminister hin. Wer an so prominenter Stelle Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist, der muss sich dann auch erklären. Ich bin sehr gespannt, ob wir mit einer solchen Erklärung rechnen dürfen, oder ob – wie in den Medien bereits spekuliert wird – „tagespolitische Notwendigkeiten“ eine Aufklärung wieder einmal aufs Neue verzögern oder verhindern werden. Schließlich hatte de Maizière mit Frank-Walter Steinmeier einen prominenten Amtsvorgänger.

Zweitens werden wir uns insbesondere, aber nicht nur, auf Bundesebene noch einmal intensiv mit Aufgabe und Rolle der deutschen Geheimdienste zu befassen haben, jedenfalls für sämtliche Fälle der internationalen Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit muss möglich sein; sie darf aber nicht dazu führen, dem eigenen Land Schaden zuzufügen, die eigenen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen auszuspähen und ihre Privat- oder Geschäftsgeheimnisse ausländischen Geheimdiensten preiszugeben.

Ich komme zum Schluss. Wenn wir über das Thema „Geheimdienstreform“ sprechen, dann in zweierlei Hinsicht: Die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen der internationalen Zusammenarbeit bedürfen klarerer, streng definierter Regeln, und die Aufsicht über die Geheimdienste muss effektiver und strenger werden, was zunächst aber voraussetzt, dass sie überhaupt stattfindet. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landesregierung und auch dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz liegen zu den im Raum stehenden Vorwürfen und Vorfällen keine Erkenntnisse vor.

(Zuruf von den PIRATEN)

Das hat einen einfachen Grund: Die Handlungs- und Kontrollverantwortlichkeit liegt allein beim Bund. Der Bundesnachrichtendienst ist eine Behörde, die unmittelbar dem Bundeskanzleramt zugeordnet ist. Das heißt, das Bundeskanzleramt hat die Aufsicht inne. Die parlamentarische Kontrolle obliegt dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages. Insofern sind die in Rede stehenden Vorwürfe, sofern sie zutreffen, ausschließlich Angelegenheit des Bundes.

Gleichwohl fordern die Länder – die Landesämter für Verfassungsschutz – beim Bund Aufklärung in dieser Sache ein; denn der Schutz der nordrhein-westfälischen Unternehmen vor Wirtschaftsspionage besitzt für uns eine hohe Priorität. Außerdem – das habe ich hier im Parlament schon mehrfach betont – hat Wirtschaftsspionage das Potenzial, Existenzen zu zerstören.

Wie Sie wissen, entstehen Innovationen in der Regel nicht von heute auf morgen, sondern sind oft das Ergebnis jahrelanger Forschung. Ein Spionageerfolg kann diese hart erarbeiteten Ergebnisse auf einen Schlag zunichtemachen. Deshalb ist es das Ziel dieser Landesregierung, die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen im Vorfeld rechtzeitig auf die Gefahren hinzuweisen.

Die Unternehmen sind hier gefordert, ihre Eigenverantwortung wahrzunehmen.

Wir setzen auf Prävention durch Sensibilisierung, damit bereits vor Ort und vor einem Angriff Schutzmechanismen greifen. Dieses Ziel wollen wir durch Teamwork erreichen. Die Sicherheitspartnerschaft gegen Wirtschaftsspionage und Wirtschaftskriminalität wurde bereits im Jahr 2001 ins Leben gerufen, und sie ist heute wichtiger und gefragter als je zuvor. Mitglieder dieser Partnerschaft sind unser Verfassungsschutz, unsere Polizei, das Wirtschaftsministerium, der Verband für Sicherheit in der Wirtschaft und die Industrie- und Handelskammer.

Die Sicherheitspartnerschaft ist ein wichtiger Baustein, wenn es darum geht, in diesem Land gegenseitige Kompetenzen auf Augenhöhe zusammenzubringen. Jedes Mitglied soll den eigenen Sachverstand einbringen. Durch die Mitgliedschaft der Multiplikatoren ist die Chance besonders groß, möglichst viele Unternehmen zu erreichen und sie vor Wirtschaftsspionage zu schützen.

Ein solches Hand-in-Hand zwischen den Sicherheitsbehörden eines Landes und eines Unternehmens ist sicherlich keine Selbstverständlichkeit – das ist auch in anderen Bundesländern nicht unbedingt selbstverständlich –, sondern es ist ein Beweis für ein sehr gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen den Sicherheitsbehörden und den Unternehmen in Nordrhein-Westfalen.

Auch über diese Kooperationen hinaus steht unser Verfassungsschutz als kompetenter Ansprechpartner für alle Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Das Angebot, in die Unternehmen zu gehen und dort über Bedrohungen und Schutzmechanismen zu informieren, wird rege nachgefragt. Allein im letzten Jahr hat unser Verfassungsschutz in mehr als 200 Veranstaltungen und Einzelgesprächen auf Gefahren hingewiesen und Empfehlungen ausgesprochen. Insgesamt wurden so über 5.700 Multiplikatoren der nordrhein-westfäli-schen Wirtschaft erreicht.

Ich finde, das sind Zahlen, die sich sehen lassen können. Besonders erfreulich ist, dass eine Vielzahl der Unternehmen die Empfehlungen tatsächlich umsetzt und eine weitere Begleitung beim Schutz vor Wirtschaftsspionage wünscht.

Ich will an dieser Stelle und in diesem Rahmen darauf hinweisen, dass diese Gespräche auf Wunsch der Unternehmen selbstverständlich vertraulich behandelt werden. Insofern werbe ich ausdrücklich dafür, das Angebot unserer Sicherheitsbehörden tatsächlich zu nutzen, und zwar nicht immer erst dann, wenn etwas passiert ist, sondern, wenn man Schaden verhindern will, diese Beratungen möglichst frühzeitig in Anspruch zu nehmen.

Darüber hinaus setzen wir nicht nur bei der Wirtschaftsspionage, sondern beim Schutz von Cyberkriminalität auf den engen Kontakt zur Wirtschaft. Bestes Beispiel ist die Sicherheitskooperation Cybercrime, die BITKOM und unser LKA im Jahr 2011 miteinander geschlossen haben. In diesem Cybercrime-Kompetenzzentrum beim Landeskriminalamt stehen rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche kompetente Ansprechpartner bei Fragen und für Hinweise bereit. Auch hier werbe ich dafür, dass nordrhein-westfälische Unternehmen dieses Angebot bei vermuteten Straftaten konsequent nutzen.

Trotz allem muss eines klar sein: Eine hundertprozentige Sicherheit kann es nie geben – egal, wie gut sich unsere Unternehmen gegen Angriffe absichern. Es muss daher in erster Linie darum gehen, die Risiken so weit wie möglich zu minimieren. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz tut alles, um die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen hierbei zu unterstützen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Die nächste Wortmeldung ist von der FDP angemeldet. Herr Kollege Bombis.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Richtig ist – es ist bereits angesprochen worden –, dass wir noch zu wenig konkrete Anhaltspunkte haben; aber die Berichte, dass sich deutsche Behörden an Wirtschaftsspionage gegenüber deutschen Unternehmen beteiligen, sind auf jeden Fall besorgniserregend.

Die Institutionen des Staates müssen die Bürger schützen, und sie müssen demzufolge selbstverständlich auch die Unternehmen, die Unternehmer sowie die Mitarbeiter dieser Unternehmen in diesem Land schützen. Deswegen ist es richtig, dass wir uns Sorgen machen über diesen Aspekt der Wirtschaftsspionage.

Ich möchte in drei kurzen Punkten sagen, warum ich der Auffassung bin, dass es richtig ist, dass wir uns als Land Nordrhein-Westfalen mit dieser Thematik auseinandersetzen.

Der erste Punkt – es ist eben schon angesprochen worden –: Wir haben bereits vor etwa anderthalb Jahren darüber gesprochen, dass wir als Land die Unternehmen darin unterstützen müssen, selber mehr gegen Wirtschaftsspionage zu tun. Sicher kann man darüber diskutieren, ob das genug ist.

Wir als Freie Demokraten sind der Auffassung, dass es auf jeden Fall noch Ansatzpunkte gibt. Bei der Vielzahl der Unternehmen, die wir hier im Lande haben, sind zwei Mitarbeiter, die für diesen Bereich zuständig sind, vielleicht eine etwas zu überschaubare Zahl.

Entscheidend ist aber noch viel mehr, dass es an Schizophrenie grenzt, wenn wir in Nordrhein-Westfalen – auch von behördlicher Seite aus – versuchen, Unternehmen dabei zu unterstützen, sich gegen Wirtschaftsspionage zu wehren, zugleich aber auf der Bundesebene andere Behörden aus Berlin,

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

angeblich kontrolliert, diese Unternehmen mit ausspionieren.

Diese Landesregierung muss in Berlin deutlich machen, dass das gegen die Interessen nordrhein-westfälischer Unternehmen verstößt. Diese Landesregierung muss deutlich machen, dass Aufklärung notwendig ist. Wir als nordrhein-westfälischer Landtag tun gut daran, diese Aufklärung deutlich einzufordern.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Noch ein zweiter Punkt ist wichtig: Wir alle wissen – wir betonen es ja immer wieder –, dass der einzige wesentliche Rohstoff in diesem Land „Wissen und Bildung“ ist. Wir alle wissen auch, dass die Veredelung dieses Rohstoffes „Wissen und Bildung“ durch die Innovationen und die Innovationsfähigkeit der Bürger und der Unternehmen in diesem Land geschieht.

Deswegen ist es entscheidend, dass der Veredlungsprozess von Wissen zu Innovationen in diesem Land nicht von Misstrauen und damit von Selbstzensur gehindert ist. Es ist wichtig, dass wir die Grundlage für Wachstum und Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen erhalten. Darum ist es notwendig, dass sich die nordrhein-westfälische Landesregierung gegen neue Bemühungen im Bund – wie etwa die Vorratsdatenspeicherung – wehrt, damit eben nicht anlasslos völlig blind irgendwelche Daten gespeichert werden.

Sonst schaffen wir ein Klima des Misstrauens. Damit schaffen wir kein Klima der Innovationsfähigkeit. Hier hätte ich mir gerade von dem grünen Koalitionspartner in der nordrhein-westfälischen Landesregierung eine etwas deutlichere Stimme erhofft und erwartet. Das ist eine Aufgabe, die wir auch in NRW verfolgen müssen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Ein dritter Punkt – auch er ist bereits angesprochen worden –: Natürlich müssen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen selber etwas für ihren Schutz tun. Wir als Land Nordrhein-Westfalen – und insbesondere die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen – müssen die Unternehmen aber hierbei unterstützen. Seitens der Behörden müssen klare Kontrollen und Grenzen – Marc Lürbke hat es angesprochen –gesetzt werden, die natürlich auch auf Bundesebene eingeführt werden müssen.

Wir müssen Angebote für unsere Unternehmen in Nordrhein-Westfalen machen und ihnen entsprechende Kapazitäten geben, sodass sie sich selber schützen können. Wir dürfen sie nicht immer weiter durch Bürokratie und durch neue Abgaben an anderer Stelle belasten. Das ist ein wesentlicher Punkt, den wir uns hier in Nordrhein-Westfalen zum Schutz der Unternehmen vornehmen können.

(Beifall von der FDP)

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang: Wir diskutieren das Freihandelsabkommen, das derzeit auf Bundesebene und auf europäischer Ebene thematisiert wird, hier in Nordrhein-Westfalen viel zu sehr nach den Kriterien der Oberbedenkenträger. Herr Bolte hat in der letzten Debatte zum TOP „Wirtschaftsspionage“ vor anderthalb Jahren sehr deutlich gesagt – und darin stimme ich ihm ausdrücklich zu –, dass wir natürlich nicht alles über internationale Abkommen regeln können, dass aber gerade dieses Freihandelsabkommen auch wechselseitige Chancen bietet. Ich habe es im Plenarprotokoll nachgelesen, Herr Bolte.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Ralph Bombis (FDP): Sie haben gesagt, dass es auch wechselseitig Chancen bietet, zu klaren Vereinbarungen zu kommen. Da haben Sie uns Freie Demokraten an Ihrer Seite. Aber dann müssen Sie das als nordrhein-westfälische Landesregierung auch bei Ihrem Bundeswirtschaftsminister einfordern, meine Damen und Herren.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Ralph Bombis (FDP): Dann haben wir wirklich etwas für den Schutz der Unternehmen in diesem Land getan. Dafür stehen wir Freien Demokraten an Ihrer Seite, aber nicht für Symbolpolitik und schöne Sonntagsreden. Hier erwarten wir mehr von Ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bombis. – Für die Piraten spricht jetzt noch einmal Herr Kollege Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn in 15 oder 20 Jahren Ihre Kinder oder Ihre Enkel zu Ihnen kommen und Sie fragen, was Sie damals getan haben, als die totalitäre Überwachung auf der Welt eingerichtet worden ist, was wollen Sie denen dann erzählen? Wollen Sie denen sagen: „Ich war nicht zuständig“?

(Beifall von den PIRATEN)

Wie deutsch ist das denn?

Es ist eine Farce, wie auf diesen Geheimdienstskandal reagiert wird. Selbst die Bundeskanzlerin und der Vizekanzler reihen sich ein in die lange Reihe derjenigen, die Aufklärung fordern. Dabei sind sie der Kopf der Regierung. Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war der Verfassungsschutz noch Teil der Exekutive. Herr Gabriel und Frau Merkel haben Aufklärung nicht zu fordern, sondern sie haben sie zu liefern.

(Beifall von den PIRATEN)

Derweil wird der NSA-Untersuchungsausschuss nach Kräften durch die sehr große Koalition behindert. Da gibt es vollständig geschwärzte Akten. Snowden will man immer noch nicht als Zeugen anhören. Zugegeben wird nur das, was sowieso bekannt ist. Und das ist schon schlimm genug. Was mag sich noch alles in den geschwärzten Teilen der Akten verbergen?

Hier im Landtag sieht das ganz genauso bescheiden aus. Wer von Ihnen hat denn unserem Antrag „Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie Prism und Tempora schützen!“ zugestimmt?

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das war ja überschaubar, hat Herr Bolte gesagt!)

Der Kollege Stotko ist glücklicherweise noch da. Er sagte, seiner Meinung nach gehört das alles auf die Bundesebene, und NRW habe damit ja nichts zu tun. Es sei auch nichts bewiesen. Das ist hanebüchener Unsinn.

(Beifall von den PIRATEN)

Das ist Vogel-Strauß-Praxis.

Sehen Sie denn irgendwo eine ausreichende Aufklärung auf Bundesebene? Das Kölner Unternehmen De-CiX hat Strafanzeige erhoben. Hat das überhaupt nichts mit NRW zu tun?

(Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN]: Wir sind nicht zuständig!)

– Ach so.

Herr Minister Jäger, Sie versprachen, dass der NRW-Verfassungsschutz NRW-Unternehmen helfen will. Darf ich also davon ausgehen, dass Sie die Selektorenliste vom BND anfordern und daraufhin durchsuchen werden, inwieweit NRW-Unternehmen betroffen sind?

Die Innen- und Sicherheitspolitik – selbsternanntes Kompetenzfeld christ- und sozialdemokratischer Hardliner – ist gescheitert. Den Vertrauensverlust in unsere staatlichen Institutionen haben Ihre Parteifreunde verursacht, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Thema „Wirtschaftsspionage“ wurde von Ihnen in den vergangenen beiden Jahren völlig ignoriert. Als bekannt wurde, dass zwei Kommunikationsunternehmen in der Nähe von Köln vom britischen Nachrichtendienst abgehört wurden – wo blieb denn da Ihr Aufschrei? Wir waren bei einem der betroffenen Unternehmen vor Ort und haben danach diverse Anträge gestellt. Die haben Sie samt und sonders hier im Hause abgelehnt.

Übrigens: Es wurde damals auch bekannt, dass der englische Nachrichtendienst gezielt Arbeitnehmer dieser Firmen ausspioniert, um damit in die Firmennetzwerke einzudringen. Es sind also Menschen in Nordrhein-Westfalen ganz persönlich betroffen. Fühlen Sie sich dafür gar nicht verantwortlich?

Wir können es uns nicht länger leisten, an den Symptomen herumzudoktern. Es ist absurd: Zwar beteuern die westlichen Geheimdienste, ihre jeweils eigenen Bürger nicht abzuhören, gehen dann aber Kooperationen mit ausländischen Geheimdiensten ein, um just an diese Daten zu gelangen. Damit verhalten sie sich im wahren Sinne des Wortes asozial.

(Beifall von den PIRATEN)

Deutsche Nachrichtendienste machen bei diesem Tauschgeschäft fleißig mit. Dass der BND von sich aus Wirtschaftsspionage für den NSA betreibt, ist entweder politisch so gewollt oder an Inkompetenz nicht zu überbieten. Das ist entweder kriminell oder kriminell unfähig.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir müssen uns fragen, inwieweit zum Beispiel Kanzleramtsminister der Jahre 2008 bis 2013 – Herr Dr. Frank-Walter Steinmeier, Dr. Thomas de Maizière, Ronald Pofalla oder Peter Altmaier – in die Sache verwickelt sind. Das Gleiche gilt für die Geheimdienstkoordinatoren Klaus-Dieter Fritsche und Günter Heiß, den Geheimdienstkoordinator und späteren Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhrlau oder auch die anderen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning und Gerhard Schindler.

Wenn diese Personen verantwortlich oder mitverantwortlich für diese Spionage sind, dann gehören sie meines Erachtens ins Gefängnis.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ich bin sofort fertig.

Geheimdienste sind Fremdkörper in unserer Demokratie. Das Eigenleben des BND muss ein Ende haben. Wenn es nicht anders geht, müssen Geheimdienste aufgelöst und ihre Aufgaben von neuen, demokratisch kontrollierbaren Einrichtungen übernommen werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Daniel Schwerd (PIRATEN): Letzter Satz: Zudem muss durch internationale Abkommen sichergestellt werden, dass das Konglomerat westlicher Nachrichtendienste abgerüstet wird und nicht weiter Menschenrechte verletzt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Das bleibt auch so. Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache. Wir haben damit auch die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

2   Gesetz zur Sicherung von Schullaufbahnen und zur Weiterentwicklung des Schulrechts (12. Schulrechtsänderungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8441

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstes Frau Kollegin Hendricks für die SPD-Fraktion das Wort.

Renate Hendricks (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem 12. Schulrechts-änderungsgesetz bringen die Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD einen Gesetzentwurf ein, der die Fortschreibung des Schulkonsenses in Nordrhein-Westfalen untermauert. Der Bericht des Ministeriums zum Schulkonsens hat noch einmal deutlich gemacht, dass es Nachsteuerungs- und Nachjustierungsbedarf gibt.

Mit diesem Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, nehmen wir zum Ersten auf, dass wir individuelle Bildungsbiografien in der Fläche sichern wollen.

Zum Zweiten wird mit dem 12. Schulrechtsänderungsgesetz das aufgenommen, was das Bundesverfassungsgericht im März dieses Jahres dem Land Nordrhein-Westfalen mit auf den Weg gegeben hat. Deshalb streichen wir in § 57 einen Satz, der vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden ist, nämlich den Satz 3 in Abs. 4 des § 57, in dem die Privilegierung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte unterstrichen wird.

Wir nehmen im Gesetzentwurf keine weiteren Erläuterungen dazu vor, weil wir uns damit noch im Rahmen der Beratung und der Anhörung beschäftigen werden. Diese Regelung, die wir jetzt auf den Weg bringen, ist auch gemeinsam mit den Kirchen verabredet. Insofern werden wir auf der Strecke der Beratung sicher noch zu weitergehenden Erkenntnissen kommen, was die mögliche Ausgestaltung des Gesetzes angeht.

Schulentwicklung braucht Zeit, und Prozesse müssen begleitet werden. Ich habe eben schon gesagt, dass der Bericht des Schulministeriums zum Thema „Bildungskonsens“ noch einmal sehr deutlich gemacht hat, wie dynamisch sich das Schulsystem in Nordrhein-Westfalen verändert hat und dass wir jetzt auch nachsteuern müssen, wenn wir in der Fläche Bildungsbiografien von Kindern und Jugendlichen sichern wollen, und zwar insbesondere da, wo das gegliederte Schulwesen in seiner Vollständigkeit nicht mehr vorhanden ist.

Die von den Eltern nicht mehr nachgefragten Hauptschulen und die Umgestaltung des öffentlichen Schulangebotes haben dazu geführt, dass dieses gegliederte Schulwesen nicht mehr vorhanden ist. Die Entwicklung hatte allerdings – das muss man an dieser Stelle auch sagen – bereits vor dem Schulkonsens begonnen; das Hauptschulsterben hat schon deutlich früher angefangen.

Die individuellen Bildungsverläufe von Schülern und Schülerinnen in der Fläche wollen wir sichern. Deshalb ermöglichen wir es Realschulen dort, wo die Schulträger das in Absprache mit der Schulaufsicht erreichen wollen, ab Klasse 7 einen Hauptschulgang nach § 47 Schulgesetz einzurichten. Das heißt, dass Schüler und Schülerinnen dann an den Realschulen in der Regel binnendifferenziert ihren Hauptschulabschluss machen können. Diese Möglichkeit sieht auch vor, dass äußere Differenzierungen an den Realschulen angeboten werden können. Wir wollen aber bewusst keine Hauptschulklassen an den Realschulen einrichten, sondern es soll ein binnendifferenziertes Angebot sein.

Meine Damen und Herren, damit wird es den Kindern, die die Erprobungsstufe nicht mit Erfolg absolviert haben oder möglicherweise zwei Mal eine Nichtversetzung haben erfahren müssen, möglich, dort ein Anschlussangebot zu bekommen, wo das gegliederte Schulsystem nicht mehr vollständig vorhanden ist. Die integrierten Schulen in diesen Gemeinden können die Kinder aufgrund struktureller Gründe oder wegen fehlenden Platzangebots oft nicht aufnehmen. Die FDP hat dazu noch einmal eine ausführliche Anfrage gestellt, aus deren Beantwortung das auch in weiten Teilen hervorgeht.

Mit der Neuregelung in § 132c machen wir zudem deutlich, dass es sich um eine Übergangsvorschrift handelt, die in der Gliederung des Schulgesetzes nicht unter „Aufbau und Gliederung des Schulwesens“ aufgeführt ist, sondern unter „Übergangs- und Schlussvorschriften“, was auch deutlich macht, dass es auf dem weiteren Weg der Schulentwicklung in Nordrhein-Westfalen sicherlich noch weitere Nachjustierungen geben muss.

Wir nehmen eine zweite Änderung auf – neben vielen anderen, bei denen es sich um redaktionelle Änderungen oder Ergänzungen handelt. Ich komme in meinem Statement jetzt nicht dazu, sie alle aufzuführen, möchte aber gerne noch § 61 erwähnen. Mit dem Schulgesetz 2006 ist die Schulleiterwahl den Schulkonferenzen übertragen worden. Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen moniert, wenigstens in Teilen. Deshalb ist das Verfahren, das im Gesetz verankert ist, nicht mehr möglich. Das hat zu vielen Irritationen an den Schulen geführt, weil die Schulen nicht abschätzen konnten, dass das, was im Gesetz steht, faktisch nicht mehr umgesetzt werden kann.

Mit den jetzt vorgenommenen Korrekturen wird deutlich, dass sowohl Schulkonferenz als auch Schulträger beteiligt werden, dass aber die Letztentscheidung bei den Bezirksregierungen liegt. Das OVG hat auch noch einmal sehr deutlich gemacht, dass die Bestenauswahl alternativlos ist und durch die Schulaufsichtsbehörde umgesetzt werden muss. Insofern denke ich, dass wir mit den jetzt auf den Weg gebrachten Regelungen auch die Landschaft befrieden. Erst vor Kurzem hatte ich wieder mit einem Fall zu tun, in dem es ganz massive Kontroversen mit der Bezirksregierung gegeben hat, weil man nicht glauben wollte, dass das, was im Gesetz steht, nicht angewandt werden kann.

Meine Damen und Herren, ich habe gerade schon etwas zum Kopftuchverbot gesagt.

Wie ich ebenfalls bereits erwähnt habe, haben wir eine ganze Reihe von weiteren Änderungen im Gesetz vorgenommen, bei denen es sich um kleine Änderungen handelt.

Lassen Sie mich aber noch eine Änderung ansprechen, die mir ganz wichtig ist, nämlich die Änderung, die wir aufnehmen, nachdem die Bildungskonferenz von 2011, also die erste Bildungskonferenz, erklärt hat, dass wir auch die Zusammenarbeit mit den Trägern in der OGS und in der Ganztagsschule verbessern wollen. Insofern können die pädagogischen Mitarbeiter dieser Träger jetzt auch in der Schulkonferenz mitwirken. Das bedeutet ein Heranrücken der Jugendhilfe. Damit können wir die Jugendhilfe auch stärker in der Schule verankern.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin.

Renate Hendricks (SPD): Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. Wir haben ja noch Gelegenheit, das Ganze in der Anhörung und anschließend im Ausschuss und im Parlament noch einmal gemeinsam zu besprechen. – Ich bedanke mich.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Klaus Kaiser.

Klaus Kaiser (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seitens der CDU-Fraktion haben wir diesen Gesetzentwurf gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen eingebracht, weil er pragmatische Lösungen für konkrete Fragestellungen bietet, insbesondere auch – Frau Hendricks hat es angesprochen – infolge des Schulkonsenses. Neben den redaktionellen Klarstellungen sind für uns vor allem drei Punkte, die aber auch schon angesprochen worden sind, bei der Suche nach neuen Lösungsmöglichkeiten wichtig.

Zunächst geht es um die Bestellung der Schulleitungen. Ansinnen auch der früheren Landesregierung war es, die Position der Schulkonferenzen und damit auch der Eltern bei der Bestellung der Schulleitungen zu stärken. Aufgrund von rechtlichen Auseinandersetzungen zum Beamtenrecht gab es immer wieder Probleme und kein durchgängiges Handlungssystem, zu dem man sagen kann, das ist rechtssicher unterwegs. Deshalb wird durch diese neue Regelung einmal mehr deutlich, dass die Schulkonferenz weiterhin ein wichtiges – kein beliebiges – Vorschlagsrecht hat, von dem nur begründet abgewichen werden kann.

Was wir seitens der CDU allerdings ebenfalls begrüßen, ist, dass die Position der Schulträger gestärkt wird, die ebenfalls Vorschlagsrechte haben und damit wieder stärker in den Verfahren dabei sind. Nicht ganz unwichtig ist auch, dass Schulleitung und Schulträger in einem kooperativen und konstruktiven Verhältnis zueinander stehen sollten. Auch das halten wir für eine vernünftige Klarstellung, insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.

Ein zweiter Punkt lässt sich insbesondere aus kommunaler Sicht darstellen, nämlich die Möglichkeit für Realschulen, als letzter Schule in einem Ort ab Klasse 7 einen Hauptschullehrgang anzubieten, weil es eine Möglichkeit ist, alle Schülerinnen und Schüler aus einem Ort, aus einer Stadt – das ist natürlich nur bis zu einer gewissen Größenordnung relevant – wohnortnah zu beschulen. Denn wenn es in den Städten und Gemeinden keine Hauptschulen mehr gibt – das wird bei kleineren Städten und Gemeinden immer häufiger der Fall sein; in Südwestfalen kenne ich mehrere sehr konkrete Beispiele –, werden Hauptschülerinnen und -schülern oftmals sehr weite Schulwege bis zur nächsten Hauptschule zugemutet. Von daher ist diese neue Regelung auch ein Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit gerade gegenüber diesen Schülerinnen und Schülern.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Für die Realschulen ist es andererseits ebenfalls eine neue Perspektive zur Absicherung von Standorten. Kommunalpolitisch ist für Städte und Gemeinden eine Perspektive gegeben, die auf Dauer eben nicht die nötige Mindestzügigkeit für eine Sekundarschule erfüllen und wo vielleicht eine Dependance nicht die Lösung ist, die kommunalpolitisch den Konsens findet.

Deshalb ist es wichtig, dass durch die Gesetzesänderung die Qualität der Realschulen, die einen Hauptschullehrgang einrichten, nicht gefährdet wird. Wir alle wissen von hohen Prozentanteilen, die die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe an den Realschulen erreichen. Das soll natürlich nicht gefährdet werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier binnendifferenziert arbeiten, dass wir leistungsdifferenziert, aber teilweise auch angebotsdifferenziert unterrichten.

Doch wir müssen darauf achten, dass die Qualität dieser Schulen, die dieses zusätzlich einrichten, gewährleistet bleibt. Das wird der Fokus sein, den wir uns als CDU-Fraktion ganz besonders ansehen werden.

Wir wissen aber auch, dass Binnendifferenzierungen da sein müssen. Auch wir als CDU haben uns gefragt: Ist es nicht besser, wenn man Klassen bildet? - Nur haben die Schulen, die diese Lehrgänge anbieten werden, nicht mehr die erforderliche Zahl, um eine eigene Hauptschulklasse zu bilden. Für diejenigen, die sich das sehr genau ansehen – ich könnte mir Fraktionen vorstellen –: Das ist genau das sachliche Argument, mit dem man sich da auseinandersetzen muss. Sonst gäbe es diese Perspektive nicht.

Im 12. Schulrechtsänderungsgesetz wird noch ein dritter Punkt geregelt. Er folgt dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2015 zur Aufhebung des Kopftuchverbots, Satz 3 in Abs. 4 des § 57 Schulgesetz. Frau Hendricks hat es angesprochen. Es ist auch sinnvoll, das anzugehen. Wir sind uns mit den Regierungsfraktionen darin einig, dass wir totalitäre und eben auch religionstotalitäre Ansätze in unseren Schulen nicht wollen, auch nicht nach Aufhebung des Kopftuchverbots. Gesellschaftlich hat sich seit der Verabschiedung des Kopftuchverbots im Schulgesetz sicherlich einiges verändert.

Zum Tragen des Kopftuchs aus religiöser Sicht – wir haben es im Gesetz als politisches Symbol verstanden – besteht sicherlich heute eine andere Sichtweise als noch vor gut zehn Jahren. Die Bedenken der Lehrerverbände, dass sich Schülerinnen und Schüler durch kopftuchtragende Lehrerinnen unter Druck gesetzt sehen könnten, sind nicht trivial. Auch das müssen wir sehen. Uns ist aber auch wichtig, dass weiterhin das Kreuz in der Schule, das Vorbereiten von Weihnachten und Ostern, die christlichen Feiern und auch ein Priester im Gewand zum Schulalltag gehören. Das wollen wir auch gesichert wissen.

Deshalb sind wird, Frau Ministerin, der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen dankbar, dass wir übereingekommen sind, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen, falls sich, zum Beispiel als Folge der Anhörung, herausstellen sollte, dass durch andere Formulierungen oder durch andere Streichungen im Gesetzestext weitere Klarheit geschaffen werden kann. Diese Übereinkunft war uns besonders wichtig.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, die Zeit.

Klaus Kaiser (CDU): Von daher begrüße ich sehr, dass wir uns darauf haben einigen können. Ich halte es für sinnvoll, dass wir diese Frage im Konsens regeln.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Ihre Redezeit, Herr Kollege.

Klaus Kaiser (CDU): Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Deshalb mein letzter Satz: Von daher machen wir guten Gewissens mit, glauben an pragmatische Lösungen für die aufgezeigten Fragestellungen und hoffen auf einen konstruktiven und guten Gesetzgebungsprozess. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir als die Fraktionen, die den Schulkonsens hier im Parlament tragen, auch zu dieser Frage das 12. Schulrechtsänderungsgesetz gemeinsam eingebracht haben.

Mein Kollege Kaiser hat schon sehr genau auf die Details hingewiesen; meine Kollegin Frau Hendricks hat das sehr ausführlich getan. Deswegen will ich mir auf die großen Linien beschränken. In der Tat sind es neben den Rechtsbereinigungen drei wesentliche Punkte, die uns gemeinsam auf dem Weg in die Anhörung begleiten.

Das eine ist die Frage der Schulleitung. Es ist so, dass bei den Schulkonferenzen mit dem Schulrechtsänderungsgesetz 2006 völlig falsche Erwartungen gehegt worden sind, vor allen Dingen bei den Eltern, die meinten, sie könnten jetzt über die Schulleitung bestimmen. Leider mussten sie wahrnehmen, dass das Beamtenrecht diese Regelung nicht zulässt und dass natürlich die Bestenauslese greift. Das hat die Bezirksregierung oft in die Rolle des Schwarzen Peters und des Sündenbocks gebracht, die diese rechtlichen Regelungen dann auch durchsetzen mussten.

Um diese unschönen Situationen jetzt zu bereinigen, haben wir eine Neuordnung vorgenommen, die eine klare Beteiligung der Schulkonferenzen und des Schulträgers vorsieht und auch deutlich macht, in welcher Rolle das passieren kann. Es wird den Schulkonferenzen in Zukunft im Vorfeld mit mehr Informationen die Bewerberinnenlage dargestellt, sodass da eine entsprechende Entscheidung gefällt werden kann.

Also: Rechtsbereinigung in größerem Umfang auch hier, damit wirklich das Schulgesetz zu den rechtlichen Realitäten passt und alle Beteiligten wissen, wie es im Verfahren gut gelingen kann.

Der zweite Punkt ist in der Tat die dynamische Schulentwicklung, die wir in Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage des Schulkonsenses feststellen können. Ich möchte an dieser Stelle, und wir haben das sehr bewusst gemacht, die Empfehlung der Bildungskonferenz ins Gedächtnis rufen, die wir jetzt in der aktuellen Runde noch einmal bekräftigt haben, mit der die Bildungskonferenz festgestellt hat, dass die Empfehlung vom Mai 2011 weiterhin Bestand hat. Ich will sie gerne zitieren:

„Jede Schule übernimmt die Verantwortung für den Bildungsweg der ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Es ist Aufgabe und Zielsetzung der Schule, gemeinsam mit den Eltern, die von ihr aufgenommenen Kinder und Jugendlichen unter Wahrung der Bildungsstandards zumindest zum ersten von ihr angebotenen Abschluss (Sekundarstufe I) zu führen.“

Das bleibt weiterhin die Aufgabe.

Wir haben in der Bildungskonferenz auch noch einmal – das war sehr eindrücklich – feststellen können, dass wir das integrierte System jetzt in der Landesverfassung verankert haben, und dass es genau zwei Wege für die Eltern gibt. Es muss bei der Anmeldung zur weiterführenden Schule viel transparenter dargestellt werden, wohin der Weg im gegliederten Schulsystem führt, falls es doch zu einer Entscheidung mit den Eltern kommt, dass die Schule verlassen werden sollte.

Deswegen ist es wichtig, dass wir gerade aufgrund der demografischen Entwicklung auch an den Standorten, wo es nur noch ein eingeschränktes Schulangebot gibt, dafür Sorge tragen, dass dort die Kinder vor Ort weiter beschult werden können. Auf die Problematik der Hauptschulen hat Herr Kaiser schon hingewiesen. Die Schulen sollen genau das auch rechtlich tun dürfen, was sie gerne tun wollen, nämlich die Kinder ihrer Gemeinde gelingend zu beschulen.

Bezüglich der Qualitätssicherung sind wir uns völlig einig. Für alle Schulen und alle Schulformen gilt: Wir werden ein Auge darauf haben, dass vor Ort für die Kinder der Gemeinde Sorge getragen wird. Dass uns die individuellen Bildungsverläufe wichtig sind und dass wir all diese Entscheidungen aus dem Blick der Kinder und Jugendlichen treffen, das ist das, was uns in diesem Gesetzentwurf auch eint.

Ich will nun zu dem dritten Punkt kommen. In der Tat ist zunächst deklaratorisch das nachzuvollziehen, was das Bundesverfassungsgericht uns in der Frage des Kopftuchparagrafen aufgegeben hat. Wir werden auch hier in einen Diskurs hineingehen – Frau Hendricks und Herr Kaiser haben dies bereits angedeutet – und gemeinsam über die Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils mit der Perspektive „Anhörung“ miteinander reden. Wir möchten sowohl mit den Kirchen als auch mit den muslimischen Verbänden und natürlich ebenfalls mit den Vertretern der jüdischen Gemeinden sprechen, sodass wir insgesamt übereinkommen, wie wir das Schulgesetz gegebenenfalls an anderen Stellen in der Folge ausgestalten können und werden.

Wichtig ist, dass das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass es hier keine Diskriminierung geben darf, sondern eine rechtliche Gleichstellung erfolgen muss, so wie es das Grundgesetz vorgesehen hat. Ich habe schon erwartet, dass dieses Urteil so kommen wird, weil wir über die Gleichstellung miteinander reden müssen. Wir sind in vielen anderen Diskursen, wir haben schon lange den islamischen Religionsunterricht hier im Land. Daher haben wir auch einen festen Diskurs mit allen Partnern sowohl der muslimischen Verbände wie auch der Kirchen installiert.

Auf diesen Weg werden wir uns jetzt machen. Ich freue mich auf die Anhörung und die weitere Beratung hier im Haus.

(Beifall von den GRÜNEN und Klaus Kaiser [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Gebauer.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann bei der Frage religiöser Symbolik unzweifelhaft unterschiedlicher Meinung sein. Dennoch: Es geht in diesem Zusammenhang sicher nicht nur um das Tragen religiöser, bisweilen auch politisch motivierter Symbolik bei Personen, die den Staat repräsentieren, sondern es geht hier auch um unsere Kinder, um die Kinder und Jugendlichen in unseren Schulen, für die wir als Gesetzgeber auch die Verantwortung tragen.

Als Gesetzgeber tragen wir unter anderem die Verantwortung für das, was die Schulen zu leisten haben bzw. auch für das, was explizit nicht zu ihrem Portfolio der zu treffenden Entscheidungen gehört. Es darf nicht sein, dass hier schlimmstenfalls massive Konflikte in die Schulen hineingetragen werden. Schulen brauchen ganz klare Kriterien, wann der Schulfrieden gestört und unter welchen Voraussetzungen die Schulaufsicht einzuschalten ist.

In diesem Zusammenhang finden sich im vorliegenden Entwurf keine Aussagen dazu, dass diese Klärung einer möglichen Gefährdung des Schulfriedens eben nicht den Schulen aufgebürdet wird.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Dafür haben wir die Anhörung!)

– Dazu komme ich gleich. Weil wir die bereits deutlich gemachte Verantwortung tragen, müssen wir also ganz genau hinsehen, was die gemäß Beschluss des Bundesverfassungsgerichts folgerichtige Streichung des Satzes bedeutet. Frau Beer, Sie haben es angesprochen, werte Kollegen von SPD und CDU und auch von den Grünen, es darf nicht bei einer bloßen Streichung dieses Satzes bleiben. Das wäre für uns als Fraktion nicht akzeptabel. Hier hoffen wir auf einen Diskurs und die entsprechende Anhörung, die wir nun schon festgelegt haben.

Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt im Rahmen dieses 12. Schulrechtsänderungsgesetzes eingehen: die Neuregelungen für Realschulen, an denen zukünftig Schulwechsler zu den Hauptschulen verbleiben können sollen. Man muss in diesem Zusammenhang annehmen, dass Rot-Grün und die Gesamtschulverbände hier doch offensichtlich eine Zweiteilung des Schulsystems anstreben. Die erste Säule ist demnach das gegliederte Schulsystem, und die zweite Säule bilden die integrierten Schulformen.

Ich sage Ihnen, vor einem solchen schulgesetzlichen Handeln warnen wir als FDP-Fraktion. Denn wer eine hermetisch abgeschlossene Versäulung anstrebt, der führt das Ziel – ich denke, wir haben alle das gemeinsame Ziel – einer bestmöglichen Durchlässigkeit ad absurdum.

Die Bildungskonferenz hat unter anderem auch gezeigt, wie – das muss man leider in diesem Zusammenhang sagen – unehrlich die soziale Rhetorik mancher Verbände ist. Zunächst wurde die Hauptschulgarantie abgeschafft, und jetzt in der Folge weigern sich die Verbände, deren Schulen dieses grundlegende Angebot ersetzen, die entsprechenden Schulwechsler aufzunehmen. Das muss man sich einmal vor Augen führen.

Dass Kinder, die eigentlich an die Hauptschule wechseln müssten, an Realschulen verbleiben, kann an bestimmten Orten sinnvoll sein. Herr Kaiser hatte dazu Entsprechendes ausgeführt.

Es ist unserer Meinung nach aber nicht akzeptabel, dass eine möglichst integrierte Unterrichtung im Klassenverband in diesem Zusammenhang erzwungen werden soll. Und: Für mangelnde Räumlichkeiten haben wir Verständnis, aber für eine generelle Verweigerung der Erhöhung einer Zügigkeit haben wir als FDP-Fraktion kein Verständnis.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann ich sagen: Ich bin sehr gespannt auf diese Anhörung zu diesem Gesetzentwurf, für die ja sehr schnell ein Termin gefunden wurde. Sie wird sicherlich, auch in Bezug auf die dort anzutreffenden Personen, sehr interessant werden. In diesem Zusammenhang freue ich mich auf den Diskurs. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Drei Regelungen in einen Topf geworfen und kräftig umgerührt – das macht noch lange kein leckeres Gericht.

Wir Piraten begrüßen, dass Sie sich so schnell an die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten Kopftuchverbot machen. Da wird die Gleichheit zwischen den Religionen wieder hergestellt. Das sollte in unserem Land einfach eine Selbstverständlichkeit sein. Wir können Nordrhein-Westfalen nicht allein aus einer christlich-jüdischen Tradition sehen, sondern wir müssen uns mit einer in vielerlei Hinsicht heterogenen und vor allen Dingen auch muslimischen Gegenwart auseinandersetzen.

Wir Piraten begrüßen auch, dass sich die Schulkompromissfraktionen hier im Landtag an das Problem der fehlenden Bildungsabschlüsse im Bereich „Wegfall von Hauptschulen“ gemacht haben und dass sie die Schullaufbahn von Hauptschülern sichern wollen. Die Regelung zum Bildungsgang der Hauptschulen an Realschulen schließt eine Lücke. Allerdings wird uns von Teilnehmern der Bildungskonferenz zugetragen, dass die Regelungen, die hier getroffen werden, hinter den Empfehlungen dieser Bildungskonferenz zurückbleiben. Frau Beer, Sie haben gerade das Zitat gebracht, dass Schule Verantwortung für die Schüler an der Schule übernehmen soll. Da wird durchaus Kritik geäußert, dass der hier vorgelegte Gesetzentwurf diese Kriterien nicht erfüllt.

So sehr wir die Richtung des Antrags als korrekt und als richtig ansehen, können wir nicht vorbehaltlos zustimmen. Wenn es berechtigte Zweifel an Regelungen gibt, dann werden wir sicherlich dazu in der Anhörung etwas hören.

Wir Piraten würden auch begrüßen, wenn Sie die Vorgaben zur Bestellung von Schulleiterinnen und Schulleitern genauso schnell angegangen wären wie die Regelungen beim Kopftuchverbot. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist aus dem Jahre 2008. Warum wird diese Änderung jetzt in diesen Topf geworfen und soll hier jetzt so im Vorbeilaufen mitberaten werden? Allein das muss aufmerksam machen.

Zum anderen werden auch die Mitwirkungsrechte der beteiligten Lehrer, Schüler, Eltern nicht verfassungskonform eingeschränkt, wie das Urteil vermuten ließe, sondern sie werden glatt wegrasiert. Wir fragen uns: Ist es wirklich notwendig, so weit in Mitwirkung hineinzugrätschen und Regelungen, die so weitreichend sind, dass sie die Demokratie einschränken, zu erlassen? Frau Hendricks, ist das wirklich alternativlos?

Ihre Versorgungsfallregelung birgt doch eine reale Gefahr. Wir haben gerade in Nordrhein-Westfalen mehrere Schulen, die wortwörtlich den Bach heruntergehen, weil Schulleiter kurz vor der Pensionierung noch an die Schule versetzt werden und in bisher funktionierende Systeme eindringen. Sie haben keine Lust mehr, sitzen ihre Zeit nur noch ab und wollen sich nicht mehr engagieren. Hier müssen Sie nachbessern. So geht es nicht. Regelungen mit Findungskommissionen wie zum Beispiel in Schleswig-Holstein, Hamburg oder Bremen zeigen auch, wie man Mitwirkung verfassungskonform umsetzen könnte.

Drei Regelungen in einen Topf geworfen und gerührt – das ergibt kein gutes Gericht. So wie wir der schnellen Reaktion auf die Kritik des Bundesverfassungsgerichts zustimmen können, so haben wir an den anderen beiden wesentlichen Änderungen selber Kritik. Unter dem Radar „Änderungen mit beschließen“ – das geht mit uns nicht. Wir freuen uns auf die Anhörung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Herr Marsching, die Unterstellung – das muss ich direkt zu Beginn loswerden –, die Sie hier geäußert haben, dass Schulleitungen durch eine Versetzung irgendetwas noch absitzen wollten und ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß und mit Engagement wahrnehmen würden, möchte ich hier sehr deutlich zurückweisen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen als gesamtes Parlament ein Interesse haben, Schulleitungen zu gewinnen, weil wir Vakanzen haben und daran arbeiten müssen. Dazu ist die Aussage, die Sie getroffen haben, aus meiner Sicht nicht zielführend.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung begrüßt diesen Gesetzentwurf. Es ist schon der zwölfte. Überlegen Sie einmal, in welch kurzer Zeit wir wie viele Schulrechtsänderungen vorgenommen haben. Es ist dann eben manchmal sinnvoll, die Dinge, die entscheidungsreif und beschlussreif sind, dann auch zusammenzuführen und nicht jede Veränderung einzeln vorzunehmen.

Die Kolleginnen und Kollegen haben es angesprochen, dass es im Wesentlichen um drei Dinge in diesem Gesetzentwurf entgeht:

Das Erste ist der Nachvollzug einer mühsam errungenen Empfehlung der Bildungskonferenz, nämlich die Sicherung der Bildungsverläufe aus Sicht der Schülerinnen und Schüler. Ein Grundsatz steht nämlich in diesem Schulkonsens, und der hat uns geeint: Wir stellen die Schülerinnen und Schüler und deren Interesse in den Mittelpunkt. Danach richten wir uns aus, nicht ideologisch, sondern pragmatisch und im Lichte der vorgenommenen Entwicklungen.

Frau Hendricks hat es noch einmal dargelegt: Die Landesregierung hat hierzu einen Bericht vorgelegt. Die Entwicklung ist in der Tat dynamisch. Mich freut es sehr, dass die Schulkonsensfraktionen das weiter mittragen, dass auch – so will ich es einmal sagen – die friedliche Koexistenz, aber auch die Kooperation – es geht nicht um eine Versäulung, Frau Gebauer – zwischen gegliedertem System und integriertem System, die jetzt durch unsere Verfassung gesichert ist, hier tragen und dass die Verbände um Konsense gerungen haben, die jetzt abgebildet und nachvollzogen werden. Das zu sagen, ist mir ganz wichtig. Der Schulkonsens trägt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Den zweiten Punkt brauche ich nicht näher ausführen. Zur Frage der Schulleitungswahl: Herr Marsching, Sie können nicht wissen, wie intensiv in den letzten Jahren hier darüber diskutiert worden ist.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ich kann Protokolle lesen, sehr viele!)

Es ist meinem Haus gelungen, hier einen Vorschlag zu erarbeiten. Es ist nämlich nicht so ganz einfach gewesen, verschiedene Zielsetzungen unter einen Hut zu bekommen: die beamtenrechtlichen Vorgaben, die Wünsche der Schulen nach Beteiligung, aber auch die hohe Mitwirkung der Kommunen in diesem Bereich.

Das war nicht so ganz einfach. Aber es ist jetzt gelungen. Es wird getragen. Ich hoffe, das wird in der Anhörung deutlich werden. – Das war der zweite Aspekt.

Einen dritten Aspekt will ich ebenfalls ansprechen. Ich bin ausdrücklich Herrn Laschet und Herrn Kaiser sowie der ganzen CDU-Fraktion für ihre Bereitschaft dankbar, sehr kurzfristig eine sogenannte Verfassungslösung mitzutragen, nachdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuch so ausgefallen ist, wie es ausgefallen ist. Das wissen Sie. Das muss ich nicht rekapitulieren.

Der nichtige Satz ist ab sofort nicht mehr gültig und wird aktiv vom Gesetzgeber aus dem Schulgesetz gestrichen. Das ist aus meiner Sicht wichtig und richtig. Das haben wir jetzt geklärt. Über alles andere können wir gut im Zusammenhang mit der Anhörung sprechen. Ich habe selbst schon viele, viele Gespräche mit den Lehrerverbänden, mit den Schulleitungsvereinigungen, aber auch mit den Vertretern der Glaubens- und Religionsgemeinschaften geführt. Sie halten es alle für richtig, dass wir diesen Weg heute so gehen, und möchten natürlich im Weiteren beteiligt werden.

Die Grundsätze des Urteils sind: Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut. Sie gilt für alle Religionsgemeinschaften. Es kann nicht mehr differenziert werden. – Und mir ist noch eines wichtig: Man kann nicht aufgrund eines Bekleidungsstückes mit religiösen Motivationen eine abstrakte Gefährdung durch eine bestimmte Personengruppe – und in diesem Fall nur durch die Frauen, die dieser Religion angehören – unterstellen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Johannes Rau hat einmal gesagt: Der Missbrauch einer Sache darf den rechtmäßigen Gebrauch nicht mindern. – Das habe ich damals schon immer an dieser Stelle vorgetragen. Das ist ganz, ganz wichtig.

Es ist natürlich richtig, auch über Verfahrensfragen zu sprechen. Ich rate an, in der Anhörung mit Juristen zu diskutieren, ob und wie man klärt, was ganz konkret und massiv den Schulfrieden stört. Auch das ist nicht so einfach. Das ist mir in den Gesprächen deutlich geworden.

Klar ist: Das sogenannte Überwältigungsverbot gilt unabhängig von der Religion. Es gilt aber auch für Männer, die in Schulen arbeiten. Das kann man eben nicht an einem Kleidungsstück festmachen. Das werden wir herausarbeiten. Ich hoffe, dass wir zu einer einvernehmlichen Entscheidung dieses Parlaments kommen. Es wäre auch gut für die Integrationspolitik, bei der wir uns in diesem Landtag in der Regel einig sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/8441 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend –, an den Hauptausschuss sowie an den Integrationsausschuss. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

3   Nordrhein-Westfalen muss Energieland bleiben – keine Diskriminierung von Braunkohlekraftwerken durch „nationalen Klimaschutzbeitrag“

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8455

In Verbindung mit:

Ideologische Klimapolitik gefährdet den Industriestandort NRW – auf nationale und regionale Alleingänge in der Energie- und Klimapolitik verzichten, Arbeitsplätze sichern

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8456

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8559

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden Armin Laschet das Wort.

Armin Laschet (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht in dieser heutigen Debatte nicht um die Frage: Energiewende ja oder nein? – Wir sind nach Beschlüssen und Vereinbarungen alle für die Energiewende. Das ist ein langfristiger Prozess, der klug umgesetzt werden muss. Es geht auch nicht um den Gegensatz zwischen Braunkohle und erneuerbaren Energien.

Wir erleben Jahr für Jahr, dass der Teil an erneuerbaren Energien steigt. Wir sind bereits heute bei 26 %. Wir haben uns im Koalitionsvertrag der Großen Koalition darauf verständigt, dass bis zum Jahr 2025 insgesamt 40 bis 45 % und bis zum Jahr 2035 dann 55 bis 60 % aus regenerativen Energien stammen sollen. Das ist mit klaren Ausbaupfaden unterlegt.

Die Zahl 40 bis 45 % für das Jahr 2025 ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Und man stellt fest: 50, 55 oder 60 % müssen auch noch in 20 Jahren aus konventionellen Energien kommen.

Die Braunkohle ist im Energiemix der heimische Energieträger. Sie ist eine wichtige Säule mit Blick auf die Versorgungssicherheit für Unternehmen und Privathaushalte. Sie gehört zu den Stützen des Industriestandortes Nordrhein-Westfalen.

Deshalb haben in den letzten Tagen nicht nur die Bergleute des Reviers, sondern auch viele Unternehmen aus dem Ruhrgebiet wie die Firma TRIMET aus Essen, Herr Mostofizadeh, und andere geschrieben und Sorge über das geäußert, was der Bundeswirtschaftsminister vorgelegt hat.

Und deshalb sagen wir: In dieser Phase, in der die Energiewende ein Erfolg werden soll, ist es unverantwortlich, eine Strafsteuer für Braunkohlekraftwerke einzuführen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dies würde dazu führen, die Braunkohle künstlich aus dem Markt zu drängen. Es sind eben nicht die 40 oder 50 Jahre alten Meiler, sondern durch die Regelung „über 20 Jahre alte Meiler“ sind 17 von 20 Meilern im Rheinischen Revier betroffen. Wenn diese aus dem Markt gedrängt werden, hängen die Tagebaue, hängt der Wasserbau und hängen viele Beschäftigte daran. Deshalb geht es nicht nur darum, eben einmal ein Kraftwerk ein- oder auszuschalten.

Wie unausgegoren das ist, was der Bundeswirtschaftsminister vorgelegt hat, sieht man schon daran, dass er darin Zahlen über die Entwicklung des Strompreises angenommen hat, dies dann aber innerhalb von zwei Wochen durch seinen grünen Staatssekretär nachbessern und neue Zahlen nennen lässt. Das hat mit Verlässlichkeit und Planbarkeit überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wie soll denn ein Unternehmen, dass in Stromnetze investieren soll, das Milliardeninvestitionen tätigen soll, arbeiten, wenn alle zwei Wochen neue Vorschläge bekannt werden und wenn man sich nicht einmal mehr auf einen Koalitionsvertrag verlassen kann? Ein solcher Vertrag muss doch die Grundlage bilden, die mindestens vier Jahre hält. Nie war von einer solchen Steuer die Rede. Insofern muss diese Zusatzsteuer unmittelbar vom Tisch, und es muss Sicherheit hergestellt werden.

(Beifall von der CDU)

Ich war zufällig – deshalb hat mich das besonders aufgeregt – an diesem 18. März bei einer Betriebsversammlung der Bergleute. Ich habe denen vorgetragen, was wir zusammen, Frau Kraft, in der Großen Koalition, in der Energiearbeitsgruppe ausgehandelt haben. Ich habe deutlich gemacht, dass es da keinen Dissens gibt. Als ich dann mit dem Auto aus dem Rheinischen Revier zurückfahre, erfahre ich, dass sich der Herr Bundeswirtschaftsminister mal eben eine neue Steuer hat einfallen lassen. Ich habe ihm dann unmittelbar geschrieben.

In diesen ersten Tagen danach war man ziemlich allein mit diesen Aussagen. Herr Römer hat erklärt: „Nicht drüber reden. Machen wir ganz still und leise. Machen wir hinter verschlossenen Türen.“ – Ist das, was Herr Groschek gemacht hat, nämlich lautstark auf Demonstrationen zu reden, ein Handeln hinter verschlossenen Türen? Sind das die verschlossenen Türen, die Sie meinen?

Nein: Man muss in einer solchen Phase unmissverständlich sagen: Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall von der CDU)

Frau Kraft hat mitteilen lassen, sie habe am Rande des SPD-Präsidiums mit Herrn Gabriel darüber geredet. Uns würde freuen, einmal zu erfahren, was Sie ihm denn gesagt haben. Schaue ich mir die Situation vom letzten Wochenende an, so wird deutlich, dass dazu in Ihrer Landesregierung zwei Positionen vertreten werden.

Herr Groschek steht an der Spitze der Bewegung der Gewerkschaften mit großen Schildern vor dem Bundeskanzleramt, darunter dem großen Plakat mit der Aufschrift: „Sigmar Gabriel – er war mal einer von uns“.

(Lachen bei der CDU)

Herr Groschek steht auf der Bühne und wettert gegen die Gabriel’sche Politik.

Neun Kilometer entfernt von diesem Ort tagt der grüne Länderrat. Da sitzt die stellvertretende Ministerpräsidentin und reiht sich ein in eine Kette, die sich quer durch die Republik twittert, und erklärt da: „Ich bin für den sofortigen Braunkohleausstieg und solidarisiere mich mit den Demonstranten im Rheinischen Revier.“

(Beifall von der CDU)

Was ist das für eine Regierung? Die stellvertretende Ministerpräsidentin unterstützt die eine Demonstration, Herr Groschek die andere. Unterschiedliche Meinungen zu haben, das kann ja einmal passieren. Aber in diesem Falle stehen die Vertreter und Vertreterinnen der jeweiligen Meinungen demonstrativ in entsprechenden Ketten, die eine da, der andere da.

Herr Gabriel könnte fragen: Was ist denn die Position der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen? Dann könnte er, weil sie ihm ja nicht mitgeteilt wird, einmal die Zeitung aufschlagen. Am Montag liest er ein Interview mit Minister Duin. Ihr Wirtschaftsminister, Frau Kraft, sagt darin: Das Gabriel-Konzept ist falsch. Am nächsten Tag sagt in der „Rheinischen Post“ der Umweltminister, er verstehe gar nicht die Aufregung: Es muss eigentlich noch weiter gehen als das, was Herr Gabriel vorlegt.

Vier Minister äußern in vier Tagen vier unterschiedliche Positionen. Das ist ein Quattro Infernale, was Sie da haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das war mit vier Leuten Ihr halbes Kabinett, Frau Kraft. Deshalb sind wir froh, wenn Sie heute einmal etwas dazu verlautbaren würden. Sie können sich da nicht herausreden. Und Sie sind auch nicht die Moderatorin einer Talkshow Ihrer Minister, sondern Sie sind Regierungschefin eines Industrielandes!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Eine Regierungschefin eines Industrielandes muss deutlich machen: Diese Abgabe wird es mit mir nicht geben! Das muss Ihre Aussage sein. Wenn Ihre Bundestagsabgeordneten in der Weise Klartext reden würden, wie das unsere Bundestagsabgeordneten gemacht haben, ist das Ding schnell vom Tisch.

(Lachen von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Schaffen Sie also Klarheit in Ihrem Kabinett. Überzeugen Sie Ihre Ministerin, die Ihnen zur Rechten sitzt, dass sie falsch liegt. Dann sind wir auch bereit, liebe Frau Kraft, das mit Ihnen gemeinsam zu beschließen.

Meine Vermutung ist allerdings, dass Sie das in Wirklichkeit gar nicht wollen. Denn im Klimaschutzplan, den Sie mitten in diese Beratung hinein beschlossen haben, haben Sie auf dem Höhepunkt des Kampfes gegen diese Steuer ein Instrument gefordert, das die Energiewirtschaft dazu bringen soll, bestimmte Kraftwerke abzuschalten und aus dem Markt zu drängen. In der Ressortabstimmung ist das noch „angeschärft“ worden. Am Anfang war es ein Satz, nachher war es ein ganzer Absatz. Das war vor zwei Wochen im Kabinett. Da spielt Herr Remmel mit Herrn Baake Pingpong, und Sie merken nicht einmal, dass Sie hier etwas beschließen, was am Ende der Vorwand für Herrn Gabriel ist, so mit dem Land Nordrhein-Westfalen umzugehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb brauchen wir keine neuen Instrumente. Wir haben 40 Stunden in fensterlosen Räumen des Willy-Brandt-Hauses und auch in Räumen im Adenauer-Haus gesessen, verhandelt und bei diesem schwierigen Energiethema abgewogen, was wo welche Wirkung hat. Das ist nämlich ein sehr komplizierter Prozess. Wir haben uns am Ende auf einen Text verständigt. Wenn Sie ehrlich sind und das hier auch offen sagen, war zu keiner Sekunde von irgendwem in diesem Raum vorgetragen worden, eine neue Steuer zu erfinden, um die Braunkohle schneller aus dem Markt zu drängen. Das war nie ein Thema.

Wenn wir wieder da enden, wo wir 2013 standen, und heute klipp und klar sagen, dass es solche draufgelegten Zusatzsteuern zulasten des Industrie- und Energielandes nicht geben wird, wenn wir unseren Antrag heute hier gemeinsam verabschieden, dann ist das ein klares Signal in Richtung Berlin:

keine Eierei, keine fünf Positionen der Landesregierung, sondern eine einzige für die Menschen in Nordrhein-Westfalen! Und das erwarten wir von Ihnen.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Für die FDP-Fraktion spricht deren Vorsitzender Herr Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn die Industriegewerkschaften und Tausende Facharbeiter aus Industrie und Energiewirtschaft gegen eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung und gegen einen sozialdemokratischen Bundeswirtschaftsminister demonstrieren, könnte man sich als Opposition auf der Ebene des parteipolitischen Kleingeldwechselns vielleicht darüber freuen. Es zeigt aber, wie bedrohlich die Situation sein muss.

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben durchaus erkannt, welche Brisanz in diesem Thema steckt. Deshalb warnen Sie in Ihren Interviewäußerungen oft genug vor dem drohenden Strukturbruch.

Armin Laschet hat gerade schon dargelegt, dass aber Ihr Kabinett vor 14 Tagen in Johannes Remmels Entwurf für einen Klimaschutzplan geschrieben hat, dass Sie die Klimaschutzstrategie der Bundesregierung unterstützen und von der Energiewirtschaft einen zusätzlichen Emissionsminderungsbeitrag inklusive des entsprechenden Instruments fordern. Das ist eins zu eins die Position von Bündnis 90/Die Grünen, die auch auf ihren Landesdelegiertenkonferenzen regelmäßig den Kohleausstieg als politisches Ziel bekräftigt.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Reiner Priggen hat dieser Tage gesagt, was wir gegenwärtig erleben würden, auch die Demonstrationen von RWE-Mitarbeitern und anderen, sei eine Schmierenkomödie.

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Genau so!)

So sagt es Kollege Priggen, und er meint die Beschäftigten.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Angesichts Ihrer Sowohl-als-auch-Haltung, Frau Ministerpräsidentin, fällt der Vorwurf der Schmierenkomödie auf Ihre Koalition zurück.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie können das heute beenden und hier Ihr kraftvolles Sowohl-als-auch – natürlich Klimaschutz nahezu um jeden Preis und selbstverständlich kein Strukturbruch – auflösen, indem Sie uns beschreiben, wie das gelingt.

Ich sage Ihnen für meine Fraktion: Wir glauben, dass diese beiden Ziele in dieser Form nicht vereinbar sind.

(Beifall von der FDP)

Wir haben nach Fukushima, auch in einem gesellschaftlichen Konsens – trotz erheblicher technologischer Bedenken –, die Beschleunigung des Ausstiegs aus der Kernenergie gemeinsam beschlossen. Ursprünglich sollte die Kernenergie, verlängert bis ins nächste Jahrzehnt, die Brücke ins Zeitalter der erneuerbaren Energien sein.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das war Ihre Fantasie!)

Jetzt sind die Auswirkungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, des Verzichts auf die Kernenergie für den Strommarkt noch gar nicht klar. Wir haben bei den Erneuerbaren noch keine Fortschritte bei den Speichern erzielt. Horst Seehofer stemmt sich gegen die Stromtrassen. Das heißt, die Energiewende, der Ausstieg aus der Kernenergie, die mal als Brücke gedacht war, sind noch nicht bewältigt, und jetzt diktieren uns die Grünen das nächste Hauruckprojekt für unsere Volkswirtschaft, nämlich auch noch den Ausstieg aus der Kohle. Frau Ministerpräsidentin, das geht nicht zusammen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wer die industrielle Basis erhalten will, muss erkennen, dass die beiden Ziele in dieser Form nicht vereinbar sind.

Die Europäische Union hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 80 % CO2 einzusparen. Das ist eine Generationenaufgabe. Jetzt hat Deutschland entschieden, bereits im Jahr 2020 40 % CO2 gegenüber dem Basisjahr 1990 einsparen zu wollen.

(Minister Johannes Remmel: Das hat die FDP beschlossen!)

– Ja, das war das schwarz-gelbe Kabinett.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Minister Johannes Remmel: Verantwortung übernehmen!)

– Entschuldigen Sie bitte, Herr Remmel, Ihr Hinweis ist völlig richtig. Es ist ein einfacher Kabinettsbeschluss.

(Beifall von Ibrahim Yetim [SPD])

Dieser einfache Kabinettsbeschluss könnte natürlich jetzt überprüft werden, und ich sage Ihnen: Er müsste überprüft werden.

(Lachen und Zurufe von der SPD)

– Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie auf ein für unsere Volkswirtschaft für die nächsten Jahrzehnte so zentrales Thema mit solch einer Belustigung reagieren, haben Sie den Ernst der Lage nicht erkannt.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Sie sind lustig! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Entschuldigen Sie, Herr Körfges, Sie haben doch das Problem damit. Sie erleben jetzt, dass Sigmar Gabriel im wahrsten Sinne des Wortes der Schwarze Peter zugeschoben werden soll, weil er versucht, dieses 40-%-Ziel im Jahr 2020 zu erreichen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Was Sie formuliert haben! – Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Das ist aber so nicht möglich. Nehmen Sie es also differenziert wahr, Kollege Körfges! Blöken Sie nicht sofort dazwischen! Denn ich will Folgendes sagen: Wer das 40-%-Ziel erreichen will, …

(Zurufe von der SPD: Oi, oi oi!)

– Heute sind Sie aber wirklich alle sehr zart besaitet. Sie wissen, ich bin auch zu anderem fähig.

(Beifall von der FDP und der CDU – Ibrahim Yetim [SPD]: Was für ein Schaumschläger! – Weitere Zurufe von der SPD)

Also: Lassen Sie uns versuchen, noch kurz – eine Minute – ernsthaft über das 40-%-Ziel zu sprechen!

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Zurufe von der SPD)

– Wenn ich Ihre Reaktion sehe, bin ich offensichtlich zu optimistisch.

Das 40-%-Ziel, das wir uns für 2020 vorgenommen haben, ist, wenn wir es gleichzeitig mit dem Verzicht auf die Kernenergie vorantreiben, ein Programm, das unsere industrielle Basis in Deutschland massiv gefährdet,

(Beifall von der FDP und der CDU)

ohne dass ein Nutzen für den Klimaschutz erreicht wird. Denn hier werden Sektoren wie die Energiewirtschaft einbezogen, die längst durch den Emissionshandel europäisch harmonisiert sind. Die Folge ist, dass wir in Deutschland die industrielle Basis, volkswirtschaftliches Vermögen, zerstören, und es zeitgleich anderen in Europa – Polen, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich – leichter machen, ihre Klimaschutzziele zu erreichen.

Das, was hier geplant ist, ist ein Wirtschaftsförderungsprogramm für unsere Nachbarn und Dreckoutsourcing aus Deutschland. Das ist wirtschaftlich unverantwortlich und steht auch ökologisch nicht in globaler Verantwortung!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die SPD-Fraktion spricht der Fraktionsvorsitzende, Herr Römer.

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Unterschied zwischen Opposition und Regierungskoalition ist gerade in den beiden Redebeiträgen deutlich geworden. Herr Laschet hat zwar versucht, mit einem Einstieg zu suggerieren, als ginge es der CDU auch darum, die klimapolitischen Ziele mit den energiepolitischen Zielen zusammenzubinden.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Dies ist aber nicht gelungen, Herr Kollege Laschet.

Das ist der Unterschied zwischen der Opposition und unserer Regierungskoalition:

(Armin Laschet [CDU]: Koalitionsvertrag! Wir regieren zusammen!)

Die Opposition versucht, Stimmung zu machen und parteipolitische Feldvorteile zu erreichen, während wir, SPD und Grüne – das können Sie dem Entschließungsantrag entnehmen, Herr Kollege Laschet –, verantwortungsvoll handeln und vor allen Dingen konzentriert daran arbeiten, die Energiewende politisch zu gestalten. Denn darauf kommt es an, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das wird beim Lesen dieser Anträge auch überdeutlich.

Herr Kollege Laschet, wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Sie haben gefragt: Was ist denn die Position der Landesregierung? – Im Entschließungsantrag ist das deutlich geworden. Sie haben in Ihrem Antrag außer Stimmungsmache überhaupt keine Position festgehalten, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie setzen auf Effekthascherei und biedern sich bei den Bergleuten, bei meiner Gewerkschaft, an, die Sie ansonsten ja verachten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die FDP, meine Damen und Herren – Herr Lindner hat das gerade deutlich gemacht –, torpediert die Klimaschutzziele, die sie selbst mitbeschlossen hat. Herr Kollege Lindner, das ist nun wirklich nicht verantwortungsbewusst!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Sie leiden darunter!)

Also lassen Sie uns einmal die Fakten auf den Tisch legen: Bis 2013 – bis zu dieser neuen Koalition – hat es bei der Gestaltung der Energiewende von der abgewählten schwarz-gelben Koalition nur Chaos gegeben. Es ist keine Gestaltung hinterlassen worden. Das musste Sigmar Gabriel zunächst einmal aufräumen, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen von der CDU und der FDP)

Das ist es, worüber wir jetzt reden!

Nach Jahren des Stillstandes hat der Bundeswirtschaftsminister – der Vizekanzler, Herr Kollege! – mit seiner Zehn-Punkte-Energieagenda einen strukturierten Prozess eingeleitet, in dem wir uns jetzt befinden. Darüber mit ihm zu reden, ist beispielsweise Aufgabe einer verantwortungsbewussten Politik! Wir machen das, Herr Kollege Laschet, im Gegensatz zu Ihnen, weil wir die Gestaltung der Energiewende hier in Nordrhein-Westfalen nicht billiger Effekthascherei überlassen, sondern weil wir wissen, wie wichtig dies für das Land und vor allen Dingen für die Energiewirtschaft in diesem Lande ist!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Wirtschaftsminister ist heute in Berlin, um weiter zu verhandeln, weil wir es erreicht haben, Herr Kollege Laschet, dass die Länder mit in diesem Prozess sind, und weil es darum geht, Strukturbrüche zu vermeiden. Im Übrigen hat der Bundeswirtschaftsminister auch zugesichert, dass es mit ihm keine Strukturbrüche geben wird. Sie bauen also einen Popanz auf, …

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

…der unerträglich und vor allen Dingen unnötig ist, Herr Kollege Laschet!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich zitiere den Bundeswirtschaftsminister:

„Sollten sich tatsächlich die von den Gewerkschaften IG BCE und ver.di formulierten Befürchtungen eines Strukturbruches mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten bestätigen, dann wird das Wirtschaftsministerium selbstverständlich die bisherigen Vorschläge zum Erreichen des Klimaschutzes ändern.“

Das ist eindeutig und klar – klarer als das, was Sie suggerieren wollen, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will Sie – auch den Kollegen Lindner – daran erinnern, was denn beispielsweise unter der Federführung der Bundeskanzlerin in dieser Frage der Klimaschutzziele beschlossen worden ist. Am 28.9.2010 – Sie waren mit dabei, Herr Kollege Lindner – beschloss die damalige CDU/CSU-FDP-Regierung unter Führung von Angela Merkel ihr Energiekonzept. Darin stehen CO2-Minderungs-ziele, die weit über das Jahr 2020 hinausgehen, und die, das wissen wir doch alle, ohne massive CO2-Einsparungen – selbstverständlich bei der Stromerzeugung: bei Steinkohlekraftwerken, bei Gaskraftwerken und bei Braunkohlekraftwerken – nicht zustande kommen würden, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich erinnere Sie daran: 2020 mindestens 40 %, 2030 mindestens 55 %, 2040 mindestens 70 %, 2050 mindestens 80 bis 95 %. Beschlossen von CDU, CSU und FDP, Herr Kollege Lindner! Davon können Sie sich nicht verabschieden, ohne Glaubwürdigkeit zu verlieren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die jetzige Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel, Herr Kollege Laschet, hat am 3. Dezember letzten Jahres wiederum festgestellt, dass dieses Ziel einer 40%igen CO2-Einsparung bis 2020 ohne weitere Maßnahmen nicht erreichbar ist. Deshalb hat die Bundeskanzlerin im Bundeskabinett mit dafür gesorgt, dass entschieden worden ist: Es braucht einen zusätzlichen Beitrag aus der Stromerzeugung von 22 Millionen t CO2-Minderung. Die Bundeskanzlerin hat das in das Kabinett hineingebracht und mitentschieden, Herr Kollege Laschet! Lassen Sie es sein, nur Sigmar Gabriel hier zu Ihrer Zielscheibe zu machen, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was ist verantwortliche Politik in diesem Zusammenhang? – Verantwortliche Politik ist, dafür zu sorgen, dass beides zusammengeht: das Klimaschutzziel zu erreichen versuchen, Strukturbrüche in der Braunkohlewirtschaft zu vermeiden und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Energiewende erfolgreich gestaltet wird, damit sie gelingt, Herr Kollege Laschet. Das haben wir in unserem Entschließungsantrag festgelegt. Wir haben das im Übrigen hier im Landtag gemeinsam, mit Ihrer Zustimmung, beschlossen.

Es braucht jetzt vor allen Dingen die schnelle Entscheidung darüber, dass die Kraft-Wärme-Koppelung in ihrem Bestand gesichert und vor allen Dingen ausgebaut wird,

(Zuruf von Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN])

dass das 25-%-Ziel erreicht wird. Das müssen wir gemeinsam erreichen. Damit leisten wir auch einen Beitrag zur CO2-Minderung, meine Damen und Herren. Dazu sind wir mit dem Bundeswirtschaftsminister in guten Gesprächen.

(Armin Laschet [CDU]: Der soll den Koalitionsvertrag umsetzen!)

Ich bin zuversichtlich, dass wir erfolgreich sein werden ohne Ihr Zutun, Herr Kollege Laschet.

Es ist ja atemberaubend, was ich in der „Rheinischen Post“ lesen durfte. Ich zitiere das mal:

„Laschet ist zuversichtlich, dass der einhellige Protest seiner Partei die Wirkung in Berlin bei den weiteren Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht verfehlen wird.“

(Christian Lindner [FDP]: Wie bei der Maut!)

„Im Streit um die Maut habe man bereits entsprechende Erfahrungen machen können.“

(Lachen und Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Minister Johannes Remmel: Dann wissen wir ja, wie es ausgeht! – Weitere Zurufe)

Herr Kollege Laschet, das müssen die Bergleute in der rheinischen Region doch als Bedrohung empfinden; denn die wissen, welcher Murks bei der Laschet-Maut herausgekommen ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Römer, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen van den Berg zulassen?

Norbert Römer (SPD): Nein, ich möchte zu Ende reden.

Meine Damen und Herren, ich fasse mal zusammen, was Sie vorhin von sich gegeben haben. Armin Laschet versucht, Stimmung zu machen. Wir handeln.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Sie handeln aber falsch!)

Armin Laschet macht Opposition. Wir regieren. Und die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege Laschet, wissen – das ist auch gut so –, dass wir regieren und dass Sie Opposition sind.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie wissen auch: Das bleibt auch so. Und dann bleibt das auch gut, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Römer.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, ich darf die Debatte an dieser Stelle kurz unterbrechen, weil ein Ehrengast auf der Zuschauertribüne Platz genommen hat. Es ist der Metropolit der Orthodoxen Kirche von Antiochien in Deutschland und Mitteleuropa, seine Eminenz Isaac Barakat. Eminenz, ich freue mich, dass Sie den Landtag von Nordrhein-Westfalen besuchen, und heiße Sie im Namen des Hohen Hauses sehr herzlich willkommen.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Ihr Besuch ist Ausdruck der engen und guten Beziehungen zur Orthodoxen Kirche in unserem Land. Herzlich willkommen bei uns im Landtag von Nordrhein-Westfalen!

Nun geht es weiter in unserer Debatte. Das Wort hat Herr Kollege Mostofizadeh, der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Laschet, ich muss ehrlich sagen: Das Beste an Ihrem Auftritt ist die wunderschöne grüne Krawatte, die Sie umhaben.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zu Herrn Lindner gar nichts zu sagen. Aber die eine Bemerkung muss noch drin sein: Mit welcher Leichtigkeit Sie Beschlüsse, an denen Sie selbst mitgewirkt haben, wieder als „Messias mit beschränkter Haftung“ vom Tisch wischen, ist schon abenteuerlich, Herr Kollege Lindner.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte nun möglichst schnell zu den Fakten der Auseinandersetzung des heutigen Tages kommen. Reden wir über die wirklichen Probleme beim Klimaschutz und bei der Energiepolitik!

Fakt 1 ist: Die Bundesregierung mit Frau Merkel an der Spitze hat Klimaschutzziele beschlossen. Sie hat beschlossen: 40 % weniger Treibhausgasemissionen bis 2020.

Fakt 2 ist: Bis 2014 wurden gerade einmal 24 % von diesen Emissionen eingespart. Der wesentliche Anteil kommt noch durch den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft zustande.

Fakt 3 ist: Die CO2-Emissionen bei der Braunkohle – leider auch im Revier – sind in den letzten 20 Jahren nahezu konstant geblieben. Bei Steinkohle und bei Gaskraftwerken sind sie massiv zurückgegangen.

Weil die Faktenlage so ist, wie ich sie jetzt beschrieben habe, handelt der Bundeswirtschaftsminister richtig, wenn er auch – ich sage ausdrücklich: auch! – bei der Braunkohleverstromung ansetzt. Er steht mit diesem Konzept ausdrücklich an der Seite der Kanzlerin – im Gegensatz zum Bundesvize der CDU Armin Laschet.

Die Klimaschutzabgabe, die der Bundeswirtschaftsminister vorschlägt – das ist sozusagen die erste Nebelkerze, die Herr Laschet hier heute geworfen hat –, ist alles andere als eine Strafsteuer. Wir sind beim Emissionshandel ursprünglich mal von 30 € je Tonne ausgegangen. Er schlägt jetzt vor, sozusagen auf das Niveau von damals zurückzukommen.

Die jetzige Politik führt dazu, dass 50 Jahre alte Blöcke in der Braunkohle weiterlaufen und dass Gaskraftwerke vom Markt gedrängt werden. Wer die Klimaschutzziele der Bundesregierung ernst nimmt, der muss – der muss! – also auch bei der Braunkohle ansetzen, oder er nimmt diese Ziele, Herr Kollege Laschet, schlichtweg nicht ernst.

Gabriels Vorschlag entspricht gerade einmal 18 € pro Tonne beim Emissionshandel, was ein Fünftel Cent pro Kilowattstunde ist – bei historisch niedrigen Industriepreisen. Wer hier von Deindustrialisierung schwätzt, Herr Kollege, der hat schlicht einen … Entschuldigung, Herr Präsident.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP] – Armin Laschet [CDU]: Herr Groschek und Herr Duin sagen das auch!)

– Zu Herrn Bsirske komme ich noch.

Die Abgabe könnte bei der CO2-Senkung 22 Millionen t einsparen.

Tatsächlich brauchen wir aber, um die Klimaschutzziele bis 2020 erreichen zu können, eine CO2-Einsparung von 70 Millionen t.

Kommen wir zu den Gegenargumenten, die auf den Tisch gelegt worden sind. Teilweise sind sie eins zu eins in den Anträgen der Oppositionsfraktionen abgedruckt. Darin wird von 100.000 gefährdeten Arbeitsplätzen in der Braunkohle von Herrn Laschet und auch von Herrn Bsirske schwadroniert. Tatsächlich hat der gesamte RWE-Konzern nicht einmal mehr 10.000 Beschäftigte.

(Armin Laschet [CDU]: Duin! Groschek! Vassiliadis!)

– Herr Laschet, Sie verbreiten Panik. Sie spielen mit den Gefühlen der Menschen im Revier und machen damit billigen Populismus auf dem Rücken der Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christof Rasche [FDP]: Unglaublich!)

Ich will Ihnen eindeutig sagen, welche Strukturwandelprozesse Nordrhein-Westfalen hinter sich hat. Wir haben zwischen den 50er- und 90er-Jahren Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der Steinkohle abbauen müssen. Noch 1990 waren 130.000 Menschen in der Steinkohle beschäftigt. 2005, nach all diesen Anpassungsprozesse, waren es noch 38.500. Jetzt, 2014, sind es noch knapp 14.000. Das waren über 115.000 Arbeitsplätze in 15 Jahren. Wir sprechen bei der Braunkohle über einen Umfang in 25 bis 30 Jahren von einigen Tausend. Wer hierbei von „Strukturbrüchen“ spricht, schürt Angst und Panik zulasten der Menschen im Revier.

Der Strukturwandel in der Braunkohle ist eine sozial gestaltbare Aufgabe. Natürlich werden wir ihn gestalten. Niemand wird ins Bergfreie fallen. Niemand wird ohne soziale Absicherung rausgehen. Wenn Sie das suggerieren, machen Sie wieder Polemik und Panik.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich sage Ihnen: Ich komme aus Essen und habe auch in meiner Zeit als Kommunalpolitiker eher kritisiert, dass wir den Wandel zu langsam gestalten und nicht genug tun. Da hatte ich oft genug die CDU im Revier an der Seite der Grünen. Beide haben sich beschwert, es gehe nicht schnell genug. – Wir müssen diesen Wandel gestalten. Wir brauchen keine illusionären Durchhalteparolen, die auf alte Politik und alte Wirtschaftszweige setzen.

Heute, Herr Kollege Laschet, ist nicht die Zeit, Dinos zu füttern. Wir müssen die Zeit des wirtschaftlichen und Arbeitsmarktausbaus nutzen. Es ist doch irrsinnig, dass in Frimmersdorf fast alle Blöcke, elf von 13, abgeschaltet sind und man sich gegen die wirtschaftliche Entwicklung wehrt. Wir müssen doch die Gewerbegebiete der Zukunft an dieser Stelle schaffen. Machen Sie doch keine Schranke davor. Gestalten Sie den Wandel für neue Arbeitsplätze mit!

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich sage Ihnen noch etwas: Bei den Erneuerbaren sind über 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland entstanden. 50.000 sind aber durch die schwarz-gelbe Politik wieder verloren gegangen. Wo war Herr Laschet? Wann hat er sich beschwert, dass die Arbeitsplätze nach China verlagert wurden? Warum beschimpfen Sie die FDP nicht für die Blockade in diesen Arbeitsbereichen? Da habe ich weder Wehklagen noch Gestaltungswünsche von Ihnen gehört.

(Beifall von Marc Herter [SPD])

Ich höre auch nichts von Ihnen, wenn es darum geht, für Planungssicherheit für die Menschen im Braunkohlerevier zu sorgen, wenn der Braunkohlebagger kommt. Auch sie brauchen Planungssicherheit für ihre Häuser und für ihre Orte. Deswegen war es richtig, die Leitentscheidung der Landesregierung vorzubereiten und hier für klare Ausgangspunkte zu sorgen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich könnte Ihnen noch einiges zum Zuspruch bei der Frage der Klimapolitik vortragen. Ich sage Ihnen: Eine Emnid-Umfrage hat zuletzt noch deutlich gemacht: Der Frage, ob die Bundesregierung mehr als bisher für den Klimaschutz tun solle, haben 76 % der Befragten zugestimmt.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Übrigens: 73 % davon waren Anhänger der CDU. Da lagen Sie noch knapp vor der SPD und nur hinter uns. Wollen Sie weiterhin eine Politik gegen die Mehrheit der Menschen in Deutschland machen? Ich kann Ihnen nur raten: Kommen Sie von diesem Kurs ab und setzen Sie sich für einen Wandel in Nordrhein-Westfalen ein.

Anschlagsrhetorik der Marke Laschet und populistische Spielchen helfen nämlich nicht weiter. Wir zeigen mit unserem Entschließungsantrag – da bin ich dem Kollegen Römer und der SPD-Fraktion ausdrücklich dankbar – ausdrücklich auf: Wir müssen Klimaschutz, Energiewende und Strukturwandel in einem durchdeklinieren. Denn das ist die Zukunft Nordrhein-Westfalens.

Dieses Land ist viel zu schade, um sich mit den Spielchen aufzuhalten, die Sie machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und draußen im Stream! Wir debattieren heute einen Antrag von CDU und einen der FDP zur Braunkohle und zum geplanten Klimaschutzbeitrag für alte „Braunkohlemöhren“, die seit Jahrzehnten abgeschrieben und reine Gelddruckmaschinen sind.

Wir halten fest, dass die Vorschläge aus Berlin für sich allein genommen unzureichend sind. Wer sichere und bezahlbare Energieversorgung und damit Arbeitsplätze in der Energieproduktion und bei den gewerblichen Verbrauchern sichern und ausbauen will, wer gleichzeitig Ressourcenschonung, Klima- und Umweltschutz betreiben will, muss die Energiewende mit aller Kraft fördern und darf nicht versuchen, den Strukturwandel auszubremsen, der sowieso schon eingesetzt hat.

(Beifall von den PIRATEN und Norwich Rüße [GRÜNE])

Das haben sogar die großen EVU gemerkt, die dreckigen vier, die bereits anfangen, ihre veralteten ineffizienten, unwirtschaftlichen, umwelt- und klimaschädlichen sowie auf Sicht todgeweihten Bereiche mit den Ewigkeitsschäden und anderen Belastungen abzutrennen und eine Art von Bad Bank aufzumachen. Was sagen denn die antragstellenden Fraktionen dazu? Haben Sie das verschlafen?

Ich greife einige Details heraus. Behauptet wird ein unverhältnismäßiger Eingriff in Eigentumsrechte, der massiv die Investitionssicherheit unseres Energiestandortes angreift. Fakt ist, dass der Klimaschutzbeitrag besonders uralte, längst abgeschriebene Kraftwerke betrifft, also keine Gefährdung der Investitionssicherheit ist, sondern – im Gegenteil – Investitionssicherheit für die Energiewende schafft.

Behauptet werden Einseitigkeit zulasten einer bestimmten Technologieform, Wettbewerbsverzerrung, Strompreissteigerungen sowie der Aufbau eines bürokratischen Parallelsystems zum EU-Emis-sionshandel.

(Christian Lindner [FDP]: So ist es!)

Fakt ist, dass sich Wettbewerbsverzerrungen vor allen Dingen durch massive Umwelt-, Gesundheits- und Klimaschäden ergeben, die bei Kohlekraftwerken nicht eingepreist sind, wobei der angedachte Klimaschutzbeitrag einen völlig unzureichenden Schritt in die richtige Richtung darstellt.

Fakt ist auch, dass der EU-Emissionshandel zurzeit keine Lenkungswirkung für das Erreichen der deutschen Klimaschutzziele entfaltet. Fakt ist auch, dass der Klimaschutzbeitrag über Emissionshandelszertifikate laufen soll, die damit verbraucht würden. Das ist eben kein bürokratisches Parallelsystem.

Behauptet wird eine Gefährdung Zehntausender Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen ohne irgendeine Wirkung auf das Weltklima. Fakt ist, dass die Energiewende der Innovationsmotor für den unausweichlichen Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen ist. Natürlich hat ein verminderter CO2-Ausstoß Auswirkungen auf das Weltklima – egal wo, ob in China oder in Nordrhein-Westfalen.

Noch bizarrer ist der Antrag der FDP. Hunderttausende Arbeitsplätze würden verloren gehen. Tatsächlich wären es 34.000, falls alle Arbeitsplätze in der Braunkohle in Nordrhein-Westfalen sofort wegfielen. Denen stehen bereits jetzt bis zu 54.000 bei den Erneuerbaren gegenüber. Diese Zahl wird mit dem Fortschritt der Energiewende weiter steigen. Dazu kommt bisher ein Zwangsvertriebener auf jeden Braunkohlebeschäftigten. Diese Zahl würde weiter steigen, wenn es nach Ihnen ginge.

Die Folge von deutschen Kraftwerksabschaltungen sei, dass weniger effiziente Kraftwerke in anderen europäischen Staaten mit den frei werdenden Zertifikaten länger am Leben erhalten würden. Wie denn, wenn der EU-Emissionshandel derzeit ohnehin keine Lenkungswirkung hat? Wie sollten andere Länder das dann aufholen können, wenn Deutschland weltweit mit die meiste Braunkohle fördert?

Herr Lindner hat hier davon gesprochen, es sei ein unverantwortlicher Export von Dreck in andere Länder, der mit dieser Abgabe folgen würde. Dazu kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Herr Lindner will ganz offensichtlich, dass der Dreck nicht exportiert wird, sondern dass die Quecksilber-, Feinstaub- und Kohlendioxidbelastung weiter hier im Lande bleibt, vielleicht, weil die Menschen im Rheinischen Revier schon daran gewöhnt sind. Denen macht es nichts mehr aus. Das sehen wir allerdings anders.

Wir stellen fest: Der Wohlstand in Nordrhein-Westfalen hängt davon ab, dass der unausweichliche Strukturwandel erfolgreich ist. Er darf nicht durch vergebliche Sabotageversuche ausgebremst werden. Vielmehr müssen wir ihn gemeinsam fördern und schöpferisch begleiten.

Es ist Ihre ideologische Antiklimaschutzpolitik, die den Industriestandort Nordrhein-Westfalen gefährdet.

(Beifall von den PIRATEN)

Regionale Klimaschutzprojekte bieten weltweit den größten Klimaschutzbeitrag. Sie schaffen innovative Arbeitsplätze, und sie sind keine Alleingänge, sondern eine globale Entwicklung.

Vonseiten der regierungstragenden Fraktionen wurde ein Entschließungsantrag mit der Drucksachennummer 16/8559 eingebracht. Dieser bezieht sich auf die unzureichende Klimaschutzstrategie der Bundesregierung, derselben Bundesregierung, die die Energiewende massiv bremst und dadurch genau die Strukturbrüche provoziert, vor denen in diesem Entschließungsantrag gewarnt wird. Strukturbrüche durch gezielte Förderung und Gestaltung des Strukturwandels in der Energiewende vermeiden – das hätten Sie dort hineinschreiben müssen.

Sie schlagen dann vor, dass als Reserve die alten Braunkohlekraftwerke vorgehalten werden sollen. – Nein, als Reserve sollte man lieber die stillgelegten Gaskraftwerke, die effizienter und umweltfreundlicher sind, wieder aktivieren, statt die alten und ineffizienten Braunkohlekraftwerke weiter vorzuhalten.

Die Kraft-Wärme-Koppelung, die Sie ebenfalls in Ihrem Entschließungsantrag erwähnen, hat dort gar nichts zu suchen. Die hat nichts mit Braunkohle und der Klimaschutzabgabe zu tun. Wir haben diese Kraft-Wärme-Koppelung bereits in einer der letzten Plenarsitzungen behandelt und mit einem Verbesserungsantrag von uns Piraten, den auch Sie angenommen haben, erfolgreich darüber abgestimmt. Das brauchen wir hier kein zweites Mal hineinzuschreiben. Wir lehnen auch diesen Änderungsantrag ab, weil er in die völlig falsche Richtung zielt und unzureichend ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rohwedder. – Nun spricht für die Landesregierung die Ministerpräsidentin, Frau Kraft.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte läuft jetzt seit einiger Zeit, und ich kann festhalten, dass wir uns offensichtlich in der Mehrheit dieses Hauses einig sind, dass Nordrhein-Westfalen Energieland ist und Energieland bleiben muss.

Wir sind uns auch einig – so habe ich es vernommen –, dass wir fossile Kraftwerke noch für Jahrzehnte brauchen werden, um den Übergang zu einer regenerativen Stromerzeugung so zu gestalten, dass die Versorgungssicherheit unserer Stromerzeugung zu jeder Sekunde an 365 Tagen im Jahr sichergestellt ist.

Unsere heimische Braunkohle und unsere Kraftwerke brauchen wir, um auch in wind- und sonnenarmen Zeiten die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das können die erneuerbaren Energien auf absehbare Zeit noch nicht. Wir müssen die Energie aus Sonne und Wind nutzen und sie in die Energieversorgung integrieren, aber wir müssen das auf eine Art und Weise tun, die weder die Netzstabilität, noch die Versorgungssicherheit gefährdet, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, was sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in der Bundesrepublik insgesamt häufiger vorkommt, als man glaubt.

Im Durchschnitt haben die Erneuerbaren im vorigen Jahr rund 28 % zur Stromerzeugung beigetragen, und das ist gut so. Aber an einzelnen Tagen waren es weniger als 1 %.

Die Investoren und Unternehmen können sich heute darauf verlassen, dass bei uns im Vergleich zu anderen Regionen der Welt Stromausfälle Gott sei Dank extrem selten sind. Diesen Standortvorteil dürfen wir nicht gefährden. Das ist die Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende.

(Beifall von der SPD und der FDP)

Das gilt umso mehr, wenn komplexe und vernetzte Produktionsprozesse immer anfälliger werden und immer anfälliger auf solche Spannungs- und Frequenzschwankungen reagieren. Unsere Wirtschaft ist existenziell darauf angewiesen, dass wir eine gesicherte und stabile Energieversorgung haben. Ich bin sicher und hoffe, dass wir uns auch darin einig sind.

Darüber hinaus sind wir uns auch hoffentlich darin einig, dass wir gemeinsam dafür Sorge tragen müssen, dass bei dem auf der Energiewende basierenden Strukturwandel, der auch in Bezug auf die Braunkohle zu bewältigen sein wird, niemand ins Bergfreie fällt. Darauf haben sich die Kumpel bei der Steinkohle über Jahrzehnte verlassen können, und wir kämpfen an der Seite der Beschäftigten und ihrer Familien dafür, dass das auch im Rheinischen Revier gilt. Das ist die Position der Landesregierung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb kämpfen wir um Arbeitsplätze, und das sollten wir gemeinsam tun. Denn Geschlossenheit ist hier das wichtigste Argument.

(Zuruf von der FDP: Auch in Berlin! – Armin Laschet [CDU]: Und im Kabinett!)

– Lieber Herr Laschet, Sie haben vorhin in Ihrer Rede versucht, den Eindruck zu erwecken, wir würden hier alle auseinanderstieben.

(Zurufe von Armin Laschet und Lutz Lienenkämper [CDU])

– Warten Sie doch einmal. Sie haben doch reden können; jetzt lassen Sie mich doch auch reden.

Wenn Sie das mit Zitaten hinterlegt hätten, die hier dann wirklich detailliert aufzulisten wären, dann würden Sie feststellen, dass die Dinge gar nicht so weit auseinanderliegen, wie Sie hier suggerieren.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das ist doch zitiert worden!)

Und die Tatsache, dass es einen gemeinsamen Entschließungsantrag von Rot und Grün gibt, widerlegt Ihre These, werter Herr Laschet. Das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Wortklaubereien und das Auseinanderdividieren von Halbsätzen kennen wir ja schon.

Wir haben ferner die gemeinsame Sorge, dass die jetzt in dem Eckpunktepapier „Strommarkt“ des Bundeswirtschaftsministers vorgeschlagenen Maßnahmen zu Verwerfungen führen, und zwar mit gravierenden Folgen für Wirtschaft und Arbeitsplätze. Das ist eine gemeinsame Sorge, die uns umtreibt.

Aber jetzt bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob unsere gemeinsamen Auffassungen noch weiter reichen. Denn die Landesregierung – das sage ich hier klipp und klar – steht dazu, dass das Klimaschutzziel richtig ist. Wir stellen das nicht infrage.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Ziel ist, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu senken. So haben wir es auch gemeinsam im Koalitionsvertrag festgeschrieben, Herr Laschet.

In Ihrem Antrag spielt das keine Rolle mehr. Sie müssen hier mal Farbe bekennen. Stehen Sie eigentlich noch dazu,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

oder wollen Sie das nicht mehr mittragen wie jetzt die FDP?

Werter Herr Lindner, ich habe Ihren Antrag gelesen, und dachte: Guck mal! Da duckt er sich wieder weg. Unter Punkt I. Ausgangslage steht:

„Die Bundesregierung hat als nationales Klimaziel für das Jahr 2020 die Senkung der Treibhausgasemissionen um 40 % … ausgerufen.“

Und am Schluss steht, wir sollten uns dem Bund gegenüber konsequent dafür einsetzen, das undifferenzierte Reduktionsziel von 40 % Treibhausgas-emissionen bis 2020 aufzugeben und Sektoren, die bereits europäisch harmonisiert sind, nicht einzubeziehen.

Werter Herr Lindner, das war Ihre Koalition in Berlin mit Ihrem Wirtschaftsminister, die diese Ziele vereinbart hat.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Davon verabschieden Sie sich mal eben opportunistisch, weil Sie hier in der Opposition sitzen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist eine Politik, die sich rächen wird, werter Kollege! Sie wird sich rächen.

Sie reden von der Bundesregierung, damit nicht deutlich wird, dass das Ihre Bundesregierung war, die diese Ziele auf den Weg gebracht hat. Es ist schade, dass Sie sich von Ihrer eigenen Vergangenheit hier ständig distanzieren müssen.

(Christian Lindner [FDP]: Wir sind zwischenzeitlich aus der Kernenergie ausgestiegen!)

Aber das wird kein erfolgreicher Weg sein.

Meine Damen und Herren, wir gehen davon aus, dass diese Reduktionspläne richtig sind. Übrigens waren die, die Sie damals vereinbart haben, noch wesentlich ehrgeiziger. Das gehört zur Wahrheit noch dazu. Sie wollten nicht nur 40 % bis 2020, sondern Sie wollten bis 2030 sogar um 55 % und bis 2040 um 70 % reduzieren.

(Christian Lindner [FDP]: Aber mit Kernenergie!)

Und wir alle wissen doch, wie das damals entstanden ist. Wir alle wissen, wie die Klimakanzlerin aufgetreten ist mit der FDP im Rucksack

(Christian Lindner [FDP]: Und Kernenergie!)

und dann in Brüssel dafür gekämpft hat, dass dort Klimaziele überhaupt vereinbart werden, und deshalb Deutschland bei 40 % gelandet ist, damit die Europäer bei 30 % landen. Das ist doch die Wahrheit dieses damaligen Diskussionsprozesses. Damit haben Sie sich doch gebrüstet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In der Großen Koalition haben wir uns auf eine realistische Perspektive verständigt. Aber auch der Weg dahin, werter Kollege Laschet, muss definiert werden. Mit uns ist keine Politik zu machen, in der man für die Ferne irgendwelche Ziele setzt, aber bei der nicht deutlich wird, wie denn diese Ziele mit welchen Maßnahmen erreicht werden können. Es ist klare Politik der Landesregierung, dass man das hinterlegen muss und Farbe bekennen muss. Da können Sie sich nicht wegducken, liebe CDU-Kolleginnen und -Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, das 40-%-Ziel steht. Da war es opportun, zu überprüfen, wo wir denn jetzt in diesem Fahrplan liegen. Und da hat die Bundesregierung am 3. Dezember 2014 festgestellt: Wir sind nicht auf dem richtigen Pfad. Deshalb geht sie davon aus, dass zur Erreichung dieses Ziels eine Emissionsminderung um 22 Millionen t im Bereich der Energiewirtschaft notwendig ist.

Lieber Kollege Laschet, das geht nicht, ohne dass auch die Braunkohle dabei ist. Stellen Sie hier keine Schimären in den Raum,

(Beifall von den GRÜNEN)

sondern sagen Sie klipp und klar, wie es gehen soll! Das ist eine Erwartung auch an einen Oppositionsführer in diesem Landtag.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund der Klärung der Zahlen und der Überprüfung, ob wir auf dem richtigen Weg sind, hat der Bundeswirtschaftsminister in Absprache mit der Bundeskanzlerin, Ihrer Parteichefin, einen Vorschlag gemacht, wie diese 22 Millionen t im Strom-sektor eingespart werden können. Das ist seine Aufgabe vor dem Hintergrund der Beschlüsse auch des Koalitionsvertrages.

Und es stimmt: Auch wir haben große Sorge, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zu einem tiefgreifenden Strukturbruch führen können. Wir haben darum von Anfang an auf Veränderungen gedrängt. Ich habe am 23. März, also kurz nachdem die Vorschläge auf dem Tisch waren, direkt ein persönliches Gespräch mit dem Bundeswirtschaftsminister geführt, übrigens nicht am Rande des Präsidiums, sondern einen Extratermin. Ich habe nachdrücklich die Überprüfung und Änderung der Pläne angemahnt. Wir haben uns von der ersten Minute an auf den Weg gemacht – wir haben Druck gemacht –, dass diese Vorschläge eben nicht so bleiben können.

Wir haben in Berlin klargemacht: Es dürfen im Bund keine Entscheidungen getroffen werden, die den Industriestandort Nordrhein-Westfalen und die Arbeitsplätze hier massenhaft gefährden. Das Ziel einer CO2-Reduzierung darf eben nicht einseitig zulasten der Braunkohle gehen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Das haben wir von Anfang an deutlich gemacht. Das ist klare Position auch dieser Landesregierung!

(Beifall von der SPD – Armin Laschet [CDU]: Wer ist denn wir? Frau Löhrmann auch?)

Eines war doch klar, nachdem der Vorschlag auf dem Tisch war und man nachgerechnet hat: Die Realität ist doch, dass, wenn es Realität werden würde, es eben nicht um eine Einsparung von 22 Millionen t geht, sondern dass sie weit darüber hinausläge. Das heißt, eine Übererfüllung dieses Planes wäre dann sozusagen das Ergebnis. Deshalb haben wir gesagt: Wir müssen die Daten abgleichen. Wir müssen in Gespräche eintreten. Und das tun wir.

Wir stehen in ständigem Kontakt mit dem Bundeswirtschaftsministerium, übrigens auch mit RWE, den Gewerkschaften, um Alternativen zu berechnen, mit neuen Modellen zu arbeiten. Das ist das, was jetzt getan werden muss, um die Dinge in den richtigen Fluss zu bringen.

Wie Sie wissen, hat der Bundeswirtschaftsminister auch deutlich gemacht, dass er hier zu Veränderungen bereit ist. In einem Brief an Michael Vassiliadis und Frank Bsirske hat er klargestellt, dass erst die Alternativen geprüft werden müssen. Vorher wird nichts entschieden. Und sollten sich die Befürchtungen eines Strukturbruchs in den Braunkohlerevieren bestätigen, werden sich – ich zitiere – selbstverständlich die bisherigen Vorschläge zum Erreichen des Klimaschutzzieles ändern. Das hat er schon gesagt.

Sie bauen hier eine Diskussionslage auf, die mit diesen Gesprächen im Hintergrund nichts zu tun hat, statt sich darum zu kümmern, was Ihre Aufgabe wäre, nämlich die Klimakanzlerin, die in der Versenkung verschwunden ist – die „WAZ“ titelt am 25. April „Klimakanzlerin auf Tauchstation“ –, wieder herauszuholen, ihr wieder Sauerstoff zu geben und dann gemeinsam Vorschläge auf den Tisch zu legen, wie wir die Ziele denn erreichen können. Das wäre doch einmal ein vernünftiger Weg.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Piraten, ja, es gibt einen fachlichen Zusammenhang zwischen KWK und dem, was da diskutiert wird. Wir drängen auch darauf, dass am Ziel, die Kraft-Wärme-Kopplung auf 25 % der Stromerzeugung auszubauen, festgehalten wird. Denn ohne das Festhalten an diesem vorgesehenen Ausbau können zusätzliche CO2-Minderungsbeiträge eben nicht erreicht werden. Auch deshalb muss die KWK-Förderung entsprechend finanziert werden.

Da werden wir um Ressourcen kämpfen müssen in Berlin. Herr Laschet, tun wir das gemeinsam, oder müssen wir das als Landesregierung NRW alleine tun? Diese Frage können Sie hier heute beantworten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Ich bin fest davon überzeugt, dass Nordrhein-Westfalen erfolgreich sein kann. Aber es bleibt dabei: Wir wollen beides. Wir wollen eine erfolgreiche Energiewende. Wir wollen die Klimaschutzziele erreichen, und wir wollen dafür sorgen, dass es eben nicht zu Strukturbrüchen kommt. Wir werden um die Arbeitsplätze hier in Nordrhein-Westfalen kämpfen. – Vielen Dank.

(Langanhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin Kraft. – Als nächster Redner ist für die SPD Herr Kollege Schmeltzer angekündigt.

Rainer Schmeltzer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Laschet, Sie müssten eigentlich anhand der Debatte mittlerweile festgestellt haben, dass das, was Sie hier versucht haben zu inszenieren, wie ein Kartenhaus zusammenbricht.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: In welcher Debatte sind Sie denn?)

– In der gleichen wie Sie, Herr Lienenkämper. Nur: Ich verstehe sie, und Sie tun das ganz offensichtlich nicht.

Das wird ja schon deutlich an der Überschrift Ihres Antrages; da heißt es: „ ...keine Diskriminierung von Braunkohlekraftwerken ...“ – Daraufhin haben Ihnen die „Aachener Nachrichten“ am 25. April 2015 schon den richtigen Kommentar ins Stammbuch geschrieben. Die Überschrift wurde dort als „sinnlose, sinnfreie Formulierung“ tituliert.

Weiter schreiben die „Aachener Nachrichten“ richtigerweise: Das Gebaren der NRW-CDU ist hysterisch. Tatsächlich werden in den nächsten Tagen und Wochen wichtige Weichen für die Zukunft der Braunkohle gestellt. Aber das letzte Gefecht, das Laschet nun inszeniert, ist Popanz. – Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall von der SPD)

Die Ministerpräsidentin hat es gerade deutlich gemacht; ebenso der Kollege Römer und der Kollege Mostofizadeh: Das, was Sie hier machen, ist ein Sich-Aufblasen, das ist lautes populistisches Gebrüll. Sie stellen sich als Retter der Gewerkschaften und als Retter der Kohle dar. Das wird Ihnen nicht gelingen.

Um auf den Zwischenruf einzugehen, den Sie eben getätigt haben: Wer geht denn auf die Demos? – Darauf gebe ich Ihnen die Antwort: Es geht der auf die Demos, der eingeladen und der als Unterstützer angesehen wird. Deswegen sind wir auf den Demonstrationen und nicht Sie. Sie füllen lediglich die Klatschpressen. Es wird Ihnen nicht gelingen, dass das bei den Menschen ankommt, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie erzählen, wie entsetzt Sie waren auf Ihrer Autofahrt. Das wird Ihnen sicherlich öfter passieren, dass Sie entsetzt sind ob der guten Politik, die hier vollbracht wird. Sie haben gesagt, dass Sie dann sofort einen Brief nach Berlin geschrieben haben. Das mag sein, dass Sie sofort geschrieben haben.

Ministerpräsidentin Kraft hat Ihnen gesagt, dass sie gleich am 23. März 2015 das Gespräch mit Minister Gabriel geführt hat. Wir haben hier im Hause direkt am 23. März 2015 mit den Betriebsräten aus dem Rheinischen Revier zusammengesessen. Das ist Handeln, das ist Kommunizieren mit den Betroffenen und mit denjenigen, die das Ganze zu verantworten haben, und nicht Medienpolitik, wie Sie sie betreiben. Da geschieht nichts hinter verschlossenen Türen. Wir machen das alles offen, in einem Dialog, wie sich das für anständige Politiker gehört.

Sie sagen, es sei nicht reagiert worden, und Sie hätten nichts gehört. Dann müssen Sie auch mal zur Kenntnis nehmen, dass die Landesregierung bereits am 24. Februar dieses Jahres eine sehr umfangreiche Stellungnahme zum Grünbuch abgegeben hat. In dieser Stellungnahme sind alle Positionen dieser Landesregierung enthalten: die Versorgungssicherheit, der Netzausbau, der Vertrauensschutz und natürlich die Kraft-Wärme-Kopplung. Das sind Punkte, die jetzt noch zusätzlich in die Diskussionen eingebracht werden, die zurzeit in Berlin geführt werden.

Minister Duin ist heute nicht anwesend, weil er in Berlin wieder Gespräche in der Sache führt. Das sind gute Gespräche. Die laufen genau auf der Ebene, wie sie Ministerpräsidentin Kraft gerade ausgeführt hat: mit RWE, mit dem Bundeswirtschaftsministerium, aber natürlich auch mit den Betriebsräten und den Gewerkschaften, mit denen wir einen engen Dialog pflegen.

Herr Kollege Lindner, gestatten Sie mir ein Wort zu Ihrem mehrmaligen Zwischenruf „Mit Kernenergie! Mit Kernenergie!“ Sie entlarven sich doch hier selber. Die Ziele, die Ihnen Herr Römer und Frau Kraft mehrfach vorgetragen haben, sind damals von Ihrer Bundesregierung gefasst worden. Der Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie, den Sie ja zwangsläufig mittragen mussten, ist – wenn ich das richtig erinnere – im Jahre 2011 beschlossen worden. Wenn Sie diese Ziele unter dem Gesichtspunkt der Kernenergie gesehen haben, warum haben Sie sie dann in der Bundesregierung nicht korrigiert?

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das haben Sie deshalb nicht getan, weil Sie nicht an Frau Merkel vorbeikamen, und weil Sie das mitgetragen haben. Die Zwischenrufe, die Sie hier heute tätigen, sind heuchlerisch, Herr Kollege Lindner.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann muss man sich einmal vorstellen, wie in Berlin derzeit diskutiert wird. Die CDU/CSU hat sich ja lange Zeit der Diskussion entzogen. Dann hat es einen Fragenkatalog gegeben. Schließlich gab es am 21. April 2015 einen Brief der CDU/CSU-Fraktion an ihre Mitglieder. Darin stellt man unter anderem die Frage an das BMWi – ich zitiere inhaltlich –, wo wir perspektivisch Energierohstoffe für Jahrzehnte beziehen wollen. Weiter zielt man dann auf einen wertvollen Mix aus Erdgas, Steinkohle und Braunkohle, den man benötige.

Sie fragen, wo man die Energierohstoffe, unter anderem Steinkohle, hernehmen will? Sie waren es doch, die im Jahr 2007 die Steinkohle hier in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen kaputtgemacht haben! Dann fragen Sie gefälligst heute nicht, wo man sie herholt! Sie haben das zu verantworten, wie auch andere Dinge, die Sie heute immer wieder kritisieren, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD)

Wenn wir über die Bundeskanzlerin reden, dann gehört noch viel mehr dazu als das, was eben schon alles angebracht wurde. Frau Ministerpräsidentin und Herr Römer haben bereits die verschiedenen Zielpunkte aufgeführt. Wir haben unter anderem die einzelnen Positionen aufgeführt. Frau Ministerpräsidentin hat gerade gesagt, wie das Ganze am 3. Dezember 2014 zustande gekommen ist.

Richtig ist aber auch, dass ebenfalls am 3. Dezember 2014 ein Kabinettsbeschluss gefasst wurde, mit dem Frau Merkel letztendlich die Bundesumweltministerin aufgefordert hat, einen Klimaschutzplan vorzuführen, und zwar einen Klimaschutzplan für die nächsten konkreten Reduktionsschritte, mit Maßnahmen unterlegt. Diese Maßnahmen sind ohne massive Reduktionen der Braunkohleverstromung nicht möglich. Das ist auch ein Ziel von Frau Merkel.

Angesichts dieser weitreichenden Beschlüsse ist es geradezu bemerkenswert, dass die dagegen fast zaghaft wirkenden Klimaschutzmaßnahmen von Sigmar Gabriel nicht nur nicht unterstützt werden, sondern auch angesichts der massiven Kritik Ihrer eigenen Partei scheitern.

Die Glaubwürdigkeit einer Bundeskanzlerin sieht anders aus. Da reicht Sauerstoff alleine nicht aus. Da braucht man die Druckbeatmung des Vizevorsitzenden der CDU an der Vorsitzenden. Herr Laschet, das wäre Ihr Auftrag und nicht, hier einen großen Popanz zu vollführen.

(Beifall von der SPD)

Wir haben wichtige Schritte auf den Weg gebracht. Ich erinnere an den gemeinsamen Antrag Kraft-Wärme-Kopplung. Kraft-Wärme-Kopplung ist eine Maßnahme, die dringend erforderlich ist, unter anderem zum Klimaschutz, unter anderem zur Ressourcenschonung.

Wir gestalten die Energiewende an dieser Stelle mit der Fernwärmeschiene Niederrhein. Mike Groschek hat in Berlin recht gehabt. Er sagt: Klimaschutz lässt sich mit der Kohle erreichen, nicht gegen sie.

(Zurufe von der FDP: Aha! – Zurufe)

– Klimaschutz lässt sich mit der Kohle erreichen, nicht gegen sie. – Deshalb reden wir mit den Betroffenen, auch ohne Pressemitteilungen herauszugeben.

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Lutz Lienenkämper [CDU])

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Die Kolleginnen und Kollegen in der Energiewirtschaft und im Braunkohlebergbau können sich auf uns verlassen. Wir sind ihre konsequente politische Interessenvertretung, weil wir die Gesamtsituation für die Stadtwerke und die großen Energieversorgungsunternehmen ebenso im Blick haben wie für die energieintensive Industrie und die erneuerbaren Energien. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schmeltzer. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kufen.

Thomas Kufen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der wiederholten kontrollierten Überhitzung von Herrn Schmeltzer will ich für die CDU noch einmal sehr deutlich machen: Wir stehen erstens zur Energiewende. Wir stehen zweitens zum Klimaschutz.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Weil wir zum Klimaschutz stehen, werden wir übrigens dem FDP-Antrag nicht zustimmen können. Wir wollen die Ziele schließlich erreichen.

Eines ist aber auch klar: Wir wollen, dass die Energiewende gelingt und ein Exportschlager wird. Allerdings muss man sagen, dass diese Energiewende so, wie sie aktuell hier in Nordrhein-Westfalen von Rot und Grün mit Blick auf die Braunkohle diskutiert wird, und dann noch mit den Vorschlägen des Energieministers zum Klimabeitrag kein Exportschlager wird. Wer soll uns das, bitte schön, nachmachen?

(Beifall von der CDU)

Insofern ist klar: Dieser Klimaschutzbeitrag muss vom Tisch. Das ist unsere Position.

Diese Position können Sie sich nicht abringen, liebe Koalitionsfraktionen. Das findet sich in Ihrem Vorschlag, der heute hier vorliegt, nicht wieder. Sie sagen, es sei nichts in Stein gemeißelt. Aber offensichtlich ist Demonstration besser als nur Gespräche. Die erste Eskalationsstufe war eine Demonstration von Ministerin Löhrmann und Minister Groschek. Ich frage mich die ganze Zeit: Was kommt denn danach, Frau Kraft? Kettet sich vielleicht Frau Löhrmann bei RWE oder Herr Groschek am Willy-Brandt-Haus an?

Die Frage ist doch, wie es dort weitergeht; denn jetzt steht – bei aller Aufgeregtheit – eine Weiterentwicklung des Energy-only-Marktes an. Entsprechend brauchen wir Klarheit mit Blick auf die Ziele der KWK, und zwar ohne Taschenspielertricks.

Wie schon mehrfach vorgetragen worden ist, brauchen wir nicht 18 Energiewenden. Aktuell muss ich nämlich 18 Energiewenden zur Kenntnis nehmen: 16 Energiewenden in den Bundesländern, eine Energiewende, die wir von CDU/CSU und SPD gemeinsam im Koalitionsvertrag verabredet haben, und eine Energiewende, an der Herr Gabriel und Herr Baake gerade arbeiten. Das ist schlecht für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Dass die Regierung hier unterschiedlich agiert, wird auch daran deutlich, dass Herr Remmel in der „Rheinischen Post“ erklärt hat, es gehe eben nicht nur um RWE. Ich habe fast schon den Eindruck, es ärgert Sie, dass es ab und zu auch um RWE geht, weil es eben auch um Arbeitsplätze geht. Wenn Sie meinen, dass die Energiewende ohne RWE leichter zu stemmen ist, sagen Sie das doch hier an diesem Pult.

Wir haben eine andere Auffassung zu diesem Thema. Wir glauben, dass wir auch die großen Energieversorger brauchen, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen. Genau deshalb vertreten wir in dieser Diskussion mit Blick auf E.ON und RWE eigene nordrhein-westfälische Interessen. Wir erwarten von dieser Landesregierung auch, dass sie diese Interessen vertritt.

(Beifall von der CDU)

Was wir jetzt haben, sind unterschiedliche Modelle, unterschiedliche Prognosen. Das ist den Menschen draußen, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, am Ende aber völlig egal. Es geht nämlich um die 100.000 Menschen, die betroffen sind, davon 50.000 Menschen, die im Braunkohletagebau oder in Zulieferbetrieben arbeiten. Sie wollen eine klare Position von dieser Landesregierung haben. Eine solche klare Position sehe ich heute an dieser Stelle nicht. Demonstrationen ersetzen keine Positionen.

Insofern stimmen wir unserem Antrag zu und lehnen Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kufen. – Nun spricht für die FDP-Fraktion der Fraktionsvorsitzende Herr Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Ministerpräsidentin hat hier eine gute Rede gehalten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das erste Drittel dessen, was Frau Kraft gesagt hat, hätte ich auch unterschreiben können. Dass die Rede gut war, konnte man übrigens auch der Tatsache entnehmen, dass die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen nahezu kein Mal applaudiert haben. Bei den Grünen hat sich keine Hand gerührt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Minister Johannes Remmel: Das habe ich anders gesehen! – Zurufe)

In der Debatte ist herausgearbeitet worden, dass die FDP ihre Position zu den deutschen Klimaschutzzielen korrigiert hat. Das ist so. Ich bin ja nicht FDP-Vorsitzender geworden, um alles so zu lassen, wie es war.

(Beifall von der FDP – Zurufe)

Wir haben nämlich erkannt, dass die Ziele des Jahres 2010 – Norbert Römer hat sie hier eben noch einmal in Erinnerung gerufen –, die mit der Brückentechnologie „Kernenergie“ erreicht werden sollten, ohne Kernenergie bis 2020 eben nicht ohne Schaden an unserer industriellen Substanz zu erreichen sind. Deshalb brauchen wir hier eine kritische Revision der Klimaschutzpolitik.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Die Redezeit.

Christian Lindner (FDP): Darüber könnte man ja – nur dieser eine Gedanke noch, Herr Präsident – aus globaler Verantwortung heraus verständig miteinander reden. Nur wissen wir doch auch: Selbst wenn wir unsere industrielle Basis mit diesem klimapolitischen Alleingang gefährden, wird die Erderwärmung keine Sekunde aufgehalten; denn jede über die europäischen Ziele hinaus in Deutschland eingesparte Tonne CO2 kann ja andernorts in Europa zusätzlich verfeuert werden. Was ist denn das für eine Politik? Das bringt nichts für die Umwelt, schadet aber unserer Wirtschaft. Das kann man nur mit Ideologie erklären.

(Lebhafter Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lindner. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon ein wenig grotesk. Ich würde mir wünschen, wir könnten hier Livebilder miteinander verschneiden.

Denn wir sind hier in Nordrhein-Westfalen nicht auf einer Insel, sondern wir sind mittendrin in einer sich dramatisch verändernden Welt, insbesondere was das Weltklima angeht. Es gibt zwei bedeutende Persönlichkeiten, die zurzeit an einer anderen Stelle zusammensitzen: Ban Ki-moon und Papst Franziskus. Sie befinden sich aktuell in Rom und unterhalten sich darüber,

(Christian Lindner [FDP]: Was die da machen, hat keine Auswirkungen – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

wie wir es schaffen können, das Klimaziel 2050 zu erreichen, nämlich die Erderwärmung um nicht mehr als 2o nach oben zu bringen.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Wenn wir die Debatte – insbesondere die Wortbeiträge von Herrn Laschet und von Herrn Lindner – dagegenhalten,

(Christian Lindner [FDP]: Das ist totaler Quatsch!)

dann, Herr Lindner, wird klar, dass Sie hier in Düsseldorf die Klimaziele der Bundesrepublik Deutschland einfach über Bord werfen wollen. Das haben Sie gerade hier dokumentiert.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Herr Laschet und Herr Lindner, das ist in vielerlei Hinsicht verantwortungslos. Ich will es Ihnen erklären:

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

– Herr Lindner, es ist verantwortungslos gegenüber Ihrer eigenen Politik.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie selbst haben in Ihrer Funktion als Generalsekretär der FDP in 2011 das Konzept, das vor Fukushima von der Bundesregierung erstellt worden ist, nicht ändern wollen. Sie haben recht: Vor Fukushima hat es ein Energiekonzept der Bundesregierung gegeben. Aber dann wurde im Bundestag die Frage gestellt – auch von meiner Fraktion –: Muss das nicht geändert werden, weil wir mehr erneuerbare Energien brauchen? Ihre Antwort damals als Generalsekretär, und auch die Antwort der Bundesregierung war: Nein, es muss nicht verändert werden; wir bleiben bei unserem Energiekonzept.

(Christian Lindner [FDP]: Aber damals war die Koalition nicht wie heute gegeben!)

– Herr Lindner, dieses Energiekonzept beinhaltet noch heute – weil es auch heute noch Grundlage der Politik ist – eine Halbierung der Braunkohleverstromung für 2030/2035. Dafür sind Sie verantwortlich, und dafür ist Herr Laschet verantwortlich, und dazu müssen Sie auch stehen!

(Christian Lindner [FDP]: Das ändert nichts ... Heute tragen andere Verantwortung; die können es ändern! – Weitere Zurufe)

Wenn man ein solches Ziel für 2030 formuliert, ist es doch selbstverständlich, dass man nicht erst am 31. Dezember 2029 mit der Realisierung anfängt, sondern das ist ein kontinuierlicher Weg. Wer diesen Weg richtig gestalten will, wer keine Brüche will, der muss jetzt gestalten, der muss jetzt handeln. Das ist die Aufgabe der Landesregierung, und genau das tun wir an dieser Stelle.

(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Deswegen protestieren wir auch!)

Herr Laschet, ich will es auch bei Ihnen konkret machen. Ihre Kanzlerin – „unsere Kanzlerin“ sage ich an dieser Stelle;

(Armin Laschet [CDU]: Noch nicht! – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

ich möchte sie ausdrücklich zitieren – sagt:

„Es ist fünf vor Zwölf. Nur dann bleibt es bei etwa zwei Grad Erderwärmung, wenn wir schnell handeln. Wir müssen den Kopf frei machen für neue Wege“,

Ich habe den Eindruck, dass die Bundeskanzlerin erst einmal im eigenen Präsidium, beim eigenen Parteivorstand beginnen muss, um den Kopf frei zu machen für neue Regeln.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Welche Verantwortung tragen Sie eigentlich? Im Dezember – darum verstehe ich die Aufregung jetzt nicht – hat es einen Beschluss der Bundesregierung unter Mitwirkung Ihrer Bundesministerin

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

und der Bundeskanzlerin gegeben: 22 Millionen € zusätzlich aus der Energieerzeugung.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Was ist denn Ihre Alternative?

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Lutz Lienenkämper [CDU])

Wenn ich Ihren Beschluss lese, den Sie gemeinsamen mit den Abgeordneten auf den Weg gebracht haben, dann frage ich mich: Was kommt denn als Alternative? Da kommt als Alternative die Energieeinsparung, da kommt als Alternative die Gebäudesanierung,

(Armin Laschet [CDU]: Kraft-Wärme-Kopp-lung kommt!)

Und dann kommt wieder die Gebäudesanierung und wieder die Energieeinsparung.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Herr Laschet, das ist im Konzept der Bundesregierung schon eingepreist.

(Armin Laschet [CDU]: Es kommt aber nicht!)

Das, was wir brauchen, ist „Add-on“. Wir brauchen nicht einen Joker, der dreimal ausgespielt wird, sondern wir müssen Konzepte nach vorn haben, und an dieser Stelle liefern Sie einfach nicht!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn es um die Gestaltung geht, haben wir in der Tat eine Aufgabe, an der wir gemeinsam arbeiten müssen. Wir haben den Auftrag des Landtags, das 25-%-Ziel bei KWK umzusetzen, im Bundesrat eingebracht, und wir haben dafür eine Mehrheit im Bundesrat. Jetzt ist die Bundesregierung dran. Jetzt erwarte ich dazu eine Aussage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bisher jedoch null Erklärung aus diesem Bereich.

(Beifall von Minister Michael Groschek)

Es besteht vielleicht ein zaghaftes Interesse, aber Herr Kauder hat sich bisher nicht dahin gehend geäußert, dass er das unterstützen wird, was von uns im Bundesrat beantragt worden ist.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Dann die Frage nach der Gestaltung des zukünftigen Strommarkts. Auch hier könnten wir miteinander arbeiten und gemeinsame Wege finden. Es ist doch – wie in jedem anderen Technologiebereich auch – selbstverständlich, dass es so etwas wie einen Stand der Technik gibt. Das ist die Anforderung, die wir im Übrigen an jedes technische Bauwerk, an jede technische Einrichtung stellen. Im Übrigen: E.ON musste sich dieser Frage auch stellen. Datteln 1 – 3 ist abgeschaltet worden, weil E.ON nicht in eine Renovierung der Kraftwerke investiert hat.

Deshalb ist jenseits der Frage nach dem Klimaschutz die Frage nach dem Stand der Technik und der Effizienz zu stellen, wenn wir unseren Kraftwerkspark erneuern müssen, und genau das wollen wir. Deshalb brauchen wir hier Wege des Übergangs von einem Strommarktdesign, das auf zentrale Strukturen organisiert ist, hin zu einem Strommarktdesign der Dezentralität und der neuen Kraftwerke.

Welche Rolle spielen da die alten Kraftwerke in Nordrhein-Westfalen? Wir als Landesregierung haben dazu jedenfalls eine Stellungnahme abgegeben. Wir haben gesagt: Ja, die können in eine Kapazitätsreserve überführt werden.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dieser Stellungnahme anschließen könnten – da ist noch viel Arbeit in Berlin zu tun –, um es nicht zu Strukturbrüchen kommen zu lassen, sondern um hier die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Also: Die Landesregierung ist bei der Unterstützung der Bundesregierung, bei der Diskussion des 22-Millionen-€-Konzepts gemeinsam unterwegs. Man kann bestimmte Annahmen hinterfragen und muss die Annahmen diskutieren. Dann kann man das Konzept entsprechend aufsetzen. Aber wir sind hier gemeinsam unterwegs. Bei Ihnen habe ich den Eindruck, Sie ziehen mit uns nicht an einem gemeinsamen Strang. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit etwas überzogen, um exakt 5 Minuten 37 Sekunden. Möglicherweise gibt es Wortmeldungen? - Es gab eine Wortmeldung von Frau Beer.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Kollegin Brems spricht!)

– Frau Brems hat sich damit zu Wort gemeldet. Weitere Anmeldungen können vorgenommen werden. Die Debatte kann für alle Fraktionen entsprechend der Zeitüberziehung noch einmal ergänzt werden, wobei ich den wesentlichen Eindruck habe, dass schon sehr viel Kluges gesagt worden ist.

(Heiterkeit)

Frau Brems, bitte schön, Sie haben das Wort.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte eben das Gefühl, dass die Atompartei FDP wieder auferstanden ist. Wir hören hier Märchen von der Brückentechnologie; Sie beziehen das sowohl auf die Atomkraft wie auf die Braunkohle.

Ich erkläre Ihnen das gerne noch einmal technisch: Die erneuerbaren Energien, die wir alle – das haben wir hier von allen Seiten gehört – ausbauen wollen, sind fluktuierend. Wenn wir sie in Zukunft immer mehr brauchen, dann benötigen wir als technische Ergänzung flexibel regelbare Kraftwerke. Das jedoch können weder Atomkraftwerke noch uralte riesige Braunkohlekraftwerke leisten, denn sie sind technisch dafür nicht gebaut.

Wer so etwas vor Jahren über die Atomkraft behauptet hat – und auch jetzt wieder –, der hat genauso gelogen, wie diejenigen, die das jetzt über die unflexiblen Braunkohlekraftwerke behaupten. Diese beiden Technologien sind keine Brücke, sie sind vielmehr eine Umleitung in eine Sackgasse. Wir aber wollen den Weg für die erneuerbaren Energien frei machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu guter Letzt möchte ich noch auf einen Aspekt zu sprechen kommen, den wir uns meines Erachtens einmal ansehen sollten. Während beispielsweise die Steinkohle seit dem Jahr 2000 den Beitrag zu den CO2-Emissionen in Deutschland um 20 % reduziert hat, hat im gleichen Zeitraum die Braunkohle ihren Beitrag um 3 % erhöht. Es wird also Zeit, dass auch die Braunkohle einen Beitrag zum Klimaschutz leistet.

Die Klimaschutzabgabe ist hierzu – das hat mein Kollege eben auch schon gesagt – ein interessanter Vorschlag. Deutschland und Nordrhein-Westfalen müssen Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen, und zwar nicht mit einer vergangenheitsverliebten Verweigerungshaltung, wie die Opposition sie an den Tag legt, sondern mit einem politisch gesteuerten Strukturwandel sowie klaren Maßnahmen und Zielen für den Klimaschutz. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Brems. – Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir haben drei Abstimmungen vorzunehmen, da es drei Anträge gibt:

Erstens stimmen wir ab über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8455. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD, Grüne und die Piratenfraktion. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der FDP ist dieser Antrag der CDU-Fraktion mit großer Mehrheit abgelehnt.

Zweitens stimmen wir ab über den Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/8456. Wer stimmt dem zu? – Das ist die FDP-Fraktion, was zu erwarten war. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne, Piraten und CDU-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag der FDP mit breiter Mehrheit im Hohen Haus abgelehnt worden.

Drittens entscheiden wir über den Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/8559. Wer stimmt dieser Entschließung zu? – Das sind SPD und Grüne. Wer stimmt gegen diese Entschließung? – Das sind CDU und FDP sowie die Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Die rot-grüne Mehrheit reicht rechnerisch allemal. Der Antrag ist daher mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zu:

4   Zweites Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LPlG)

Gesetzentwurf
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8458

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für diesen Tagesordnungspunkt Herrn Witzel für die FDP-Fraktion das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Unruhe – Glocke)

Anlass dieses Gesetzentwurfs ist die Forderung von Ruhrgebietsoberbürgermeistern – ausdrücklich auch von denen der SPD –, dass aufgrund des bevorstehenden Außerkrafttretens von § 39 Abs. 4 Landesplanungsgesetz dringender Handlungsbedarf für den Gesetzgeber besteht.

Nach deren und unserer gemeinsamen Auffassung muss verhindert werden, dass die Befugnis der Planungsgemeinschaft zur Änderung, Ergänzung und Aufhebung des regionalen Flächennutzungsplans erlischt, bevor die Verbandsversammlung des RVR den Regionalplan Ruhr überhaupt beschließen kann. Das kann sinnvollerweise nämlich erst nach der Beschlussfassung über den endgültigen Landesentwicklungsplan, den LEP, geschehen. Handlungsunfähigkeit sollte im Hinblick auf den gesetzlichen Planungsauftrag vermieden werden.

Die FDP-Landtagsfraktion hat bereits vor über einem Monat den Chef der Staatskanzlei angeschrieben, da diese federführend für Landesplanung ist. Eine Antwort ist bis heute leider ausgeblieben. In der Staatskanzlei wird aber derzeit bekanntlich an der Novelle des Landesentwicklungsplans gearbeitet. Wie man hört, sind offenbar über 10.000 überwiegend kritische Stellungnahmen sorgsam auszuwerten und zu bewerten.

Die FDP-Landtagsfraktion hat stets betont, dass die Landesplanungsbehörde bei der Überarbeitung des LEP-Entwurfs im Interesse des Investitionsstandortes Nordrhein-Westfalen diese Zeit auch erhalten muss. Daher ist es nur folgerichtig, dass Verzögerungen bei der LEP-Novelle nicht zulasten der Planungsgemeinschaft bzw. des RVR gehen. Bis ein Aufstellungsbeschluss für den Regionalplan erfolgt, müssen Änderungen des regionalen Flächennutzungsplans möglich bleiben. Unsere Ansicht ist klar: Das Motto der bevorstehenden Planung sollte stets lauten: „Qualität vor Schnelligkeit“; denn zu folgenreich sind falsche Weichenstellungen.

Die LEP-Novelle kommt langsam in Bewegung. Als Landesregierung haben Sie der Presse dazu gestern und heute erste Ansätze vorgestellt. Gleichwohl ist dieser Gesetzentwurf nicht obsolet. Die Landesregierung hat Änderungen in der Landesplanung angekündigt. Diese ziehen zwingend auch ein neues Beteiligungsverfahren bei wesentlichen Punkten nach sich. All das nimmt weiter Zeit in Anspruch. Außerdem ist keineswegs gesagt, dass die bislang kommunizierten Änderungen in diesem Prozess die letzten bleiben werden.

Uns ist es wichtig, dass wir uns auch anschauen, was inhaltlich passiert, wenn wir hier den formalen Rahmen dafür schaffen, Beratungszeit für qualitätsorientierte Beratungen zu bekommen. Das, was Sie als Landesregierung gestern und heute ein bisschen wie das Kaninchen aus dem Hut gelassen haben, stimmt nicht besonders hoffnungsvoll.

Sie halten bei ganz wenigen Ausnahmen im Prinzip an Ihrem 5-Hektar-Grundsatz fest für das, was Sie „Flächenverbrauch“ nennen.

Für uns als FDP-Landtagsfraktion gilt: Revitalisierung von Brachflächen ist natürlich besser als der Gebrauch neuer Flächen. Aber genauso richtig ist: Es darf kein Flächensparen um jeden Preis geben, wie von Umweltminister Remmel stets gefordert. Bürger, Kommunen und Wirtschaft benötigen auch Freiräume für ihre Entwicklung. Und die Beschränkungen, die Sie jetzt für die ländliche Fläche oder für Betriebserweiterungen vornehmen wollen, sind gefährliche Entscheidungen für die weitere Entwicklung unseres Landes – bei auch teilweise völlig absurden Berechnungsgrundlagen.

Wenn jemand ein Grundstück erwirbt und das mit einem Einfamilienhaus bebaut wird und auf einem Viertel der Grundstücksfläche das Haus steht und drei Viertel als Gartenland angelegt werden, dann ist das für Sie ein Flächenverbrauch zu 100 %.

Das Anlegen eines naturnahen Gartens ist für uns nicht zu 100 % Flächenverbrauch. Da müssen wir uns noch über viele definitorische Punkte Gedanken machen.

Es lässt auch wenig Gutes vermuten, was Sie hier für einen wichtigen Wirtschaftszweig vorsehen. Jedenfalls tragen wir deutschlandweit überproportional zum Abbau von Kies und Sand bei. Auch das ist für bestimmte Regionen Nordrhein-Westfalens wichtig. Das wollen Sie jetzt aus dem LEP ausklammern, damit diesen Industriezweigen, Herr Minister Remmel, umso mehr die Daumenschrauben über das Landeswassergesetz angelegt und angezogen werden können. Das kann nicht sinnvoll sein.

Deshalb gibt es viele inhaltliche Fragen, die sehr gründlich zu erörtern sind. Wir haben in Nordrhein-Westfalen seit Jahren und Jahrzehnten eine Wachstumsschwäche. Wir hinken der wirtschaftlichen Dynamik der bundesweiten Entwicklung hinterher.

Von daher, meine Damen und Herren, sollten wir – das ist mein und unser Appell – alles dafür tun, dass wir mehr Dynamik am Standort Nordrhein-Westfalen ermöglichen, Arbeitsplätze sichern, Ausbildungsplätze schaffen und uns Perspektiven für die Landesentwicklung erschließen.

Bei dem, was Sie aktuell an Vorstellungen vorgeschlagen haben, gibt es noch sehr viel Korrekturbedarf. Deshalb brauchen wir die Zeit für qualitätsorientierte Lösungen. Für die stehen für als FDP-Landtagsfraktion immer zur Verfügung. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Eiskirch das Wort.

Thomas Eiskirch (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schöne Grüße an den Kollegen Ellerbrock, der heute leider dazu nicht sprechen konnte. Die FDP legt einen vernünftigen Vorschlag vor, den Herr Ellerbrock, nehme ich an, maßgeblich initiiert hat. Jetzt redet Herr Witzel darüber, und man bekommt mit, dass dann schon die Verknüpfung von LEP und Landesplanungsgesetz und auch der Schwerpunkt der Rede ein bisschen durcheinander geraten.

(Ralf Witzel [FDP]: Beides hängt zusammen!)

Das finde ich durchaus schade, weil das, was die FDP hier in schriftlicher Form vorgelegt hat, eine richtige Problembeschreibung ist,

(Zustimmung von Ralf Witzel [FDP])

eine Problembeschreibung, die übrigens dadurch entstanden ist – das versuchen Sie in Ihrem Antrag ein bisschen zu umschwurbeln –, dass CDU und FDP in ihrer kurzen regierungstragenden Zeit das RVR-Gesetz trotz aller Warnungen in einer Form geändert haben, die genau zu dieser offenen Wunde geführt hat, indem Schwarz-Gelb initiiert hat, dass regionaler Flächennutzungsplan und Regionalplanung in ihren Kompetenzen und Umsetzungsmöglichkeiten eben nicht mehr synchron regelbar waren.

Wir haben Sie auf die Lücke hingewiesen; Sie haben sie damals bestehen lassen. Insofern finde ich es gut, dass Ihr Antrag nicht nur inhaltlich ein richtiges Problem aufzeigt, sondern gleichzeitig auch noch deutlich macht, dass Sie Ihre eigenen, von Ihnen verursachten Baustellen erkennen und heilen wollen. Auch das will ich durchaus begrüßen.

Ob die Regelungsart, nämlich eine unbefristete Situation zu schaffen, die richtige ist, oder ob es nicht klüger wäre, die Befristung zu verlängern, um den Druck hochzuhalten und voranzukommen mit einem gemeinsamen Regionalplan fürs Ruhrgebiet, darüber können wir noch in den Fachausschüssen sprechen. Beides sind gangbare Wege.

Ich bedanke mich ganz herzlich für diese Gelegenheit, möchte aber deutlich machen, dass ich davon ausgehe – deswegen auch meine Replik auf die Verwechslung von LEP und Landesplanungsgesetz –,

(Ralf Witzel [FDP]: Das hängt doch beides zusammen!)

dass das Landesplanungsgesetz, Kollege Witzel, auch problemlos änderbar ist, ohne dass der Prozess um den neuen LEP abgeschlossen ist.

Ich bin mir sehr sicher, dass die Landesregierung auf dem Weg dahin – ich denke, auch noch auch während des Beratungsprozesses Ihres Gesetzgebungsvorschlages – einen entsprechenden Entwurf für Veränderungen des Landesplanungsgesetzes vorstellen wird, in dem dieses von Ihnen richtigerweise und von uns allen seit Langem bekannte Problem angesprochen sein wird, aber auch noch viele Punkte darüber hinaus, die aus unserer Sicht sinnvollerweise in einem Rutsch im Landesplanungsgesetz geändert werden sollten.

Insofern gehe ich davon aus, dass wir schließlich zwei Gesetzgebungsverfahren in der Beratung haben werden, die dazu führen werden, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen – um das vorwegzunehmen.

Alle weiteren Fragen rund um das Thema – so spannend ist es zum heutigen Zeitpunkt nicht – können wir in Ruhe in den Fachausschüssen miteinander beraten. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Eiskirch. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Bergmann das Wort.

Dr. Günther Bergmann (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Für uns ist unstrittig, dass eine enge Zusammenarbeit der Ruhrgebietskommunen wichtig und sinnvoll ist. Daher ist es für uns auch unstrittig, dass der RVR zukünftig einen eigenen Regionalplan für das Verbandsgebiet aufstellen soll.

Bis es so weit ist, brauchen die Ruhrgebietskommunen das Instrument des regionalen Flächennutzungsplans. Dieses Instrument läuft bekanntlich Ende dieses Jahres aus. Ob es bis dahin einen Aufstellungsbeschluss für einen Regionalplan durch den RVR geben wird, ist mehr als fraglich.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

Notwendig dafür ist, dass endlich das Gesetzgebungsverfahren für den neuen LEP abgeschlossen wird. Wer die heutige landesweite Presseberichterstattung zum LEP verfolgt, wird berechtige Zweifel daran haben, ob das bis Ende des Jahres gelingt. Natürlich, Herr Eiskirch, muss in diesem Zusammenhang, wenn man über Landesplanung spricht, auch der LEP thematisiert werden. Die Landesregierung hat offenbar gestern so umfangreiche Änderungen am LEP beschlossen – quasi eine Art Generalüberholung –, dass ein zweites Beteiligungsverfahren notwendig erscheint.

So wird der LEP-Entwurf vielleicht nicht – wie befürchtet – ein Verhinderungsplan, sondern doch noch ein Entwicklungsplan. Es ist schade, dass Sie für diese Erkenntnis, dass massive Veränderungen notwendig sind, fast zwei Jahre benötigt haben.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das ist unnötigerweise geschehen und hat viel Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen aufs Spiel gesetzt.

Hinweise darauf, wo nachgebessert werden muss, haben Sie zur Genüge von Kommunen, Gewerkschaften, Unternehmen und Verbänden bekommen. So reagieren Sie zum Beispiel beim Flächenverbrauch. Angeblich soll das 5-Hektar-Ziel jetzt zum Grundsatz heruntergestuft werden. Das ist aus unserer Sicht schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Eine solche Abstufung bleibt aber redaktionelle Kosmetik, wenn Sie nicht gleichzeitig die weiteren Ziele in Kapitel 6.1 zu Grundsätzen herabstufen. Dazu haben wir bislang noch keine Verlautbarung gelesen.

Noch gar nichts haben wir zu grenzüberschreitenden Entwicklungsprozessen gehört. Die Euregios und die Entwicklungen etwa am Niederrhein sowie in den östlichen Niederlanden werden im LEP überhaupt nicht gespiegelt. Das Wort „Euregio“ kommt noch nicht einmal vor, obwohl diese Regionen viele Chancen für NRW eröffnen. Das hebt Frau Ministerin Schwall-Düren zu Recht bei jeder Gelegenheit bei uns in den Grenzregionen hervor.

Bedenken Sie nur die Entwicklungen in der Stadsregio Arnhem–Nijmegen. Dat is in Nederland, dames en heren. Durch die Entwicklungen kommt es dort – nur fünf Kilometer jenseits der Grenzen von NRW – zu einer Verdreifachung der Einwohnerzahl auf 1,5 Millionen. Das sind alles potenzielle Kunden, alles potenzielle Bewohner.

Wo finden sich diese euregionalen Aspekte im LEP? Wann nehmen Sie endlich die Realitäten zur Kenntnis?

Dazu gehört auch dies: Während zum Beispiel der Flughafen Düsseldorf an seine Grenzen stößt, schlummert im nur 80 Kilometer entfernten Weeze ungenutztes Potenzial. Es liegt im Landesinteresse, das Potenzial zu heben. So könnten Flugbewegungen entzerrt und Lärmbelästigungen im Rhein-Ruhr-Gebiet gemindert werden. Weeze hatte 2014 über 1,8 Millionen Passagiere. Rund 40 % davon waren Niederländer. Das waren mehr Passagiere als in Münster/Osnabrück und Paderborn/Lippstadt zusammen. Dennoch soll Weeze nicht landesbedeutsam gestellt werden. Da scheint der LEP-Entwurf doch eher wieder ein Verhinderungsplan als ein Entwicklungsplan zu sein.

Dabei steht auch auf diesem Feld eigentlich die Chance, einen zugleich kommunal- und wirtschaftsfreundlichen Plan vorzulegen. Genauso verstehen wir übrigens den Antrag der FDP zum Landesplanungsgesetz.

Da die Ruhrgebietskommunen nach dem jetzigen Stand wohl auch über 2015 hinaus noch auf das Instrument des regionalen Flächennutzungsplans zurückgreifen müssen, spricht vieles dafür, dem Gesetzentwurf der FDP zuzustimmen. Das tun wir von der CDU auch und freuen uns auf die Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Bergmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Goldmann.

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Bergmann, auch für Sie gilt, was Herr Eiskirch zu Beginn seiner Rede gegenüber Herrn Witzel ausgeführt hat. Wir reden heute über einen Gesetzentwurf der FDP zur Änderung des Landesplanungsgesetzes und nicht zum LEP.

 

(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Das hängt doch beides logisch zusammen!)

– Aber es hat nichts mit dem Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung zu tun. Insofern kann ich mich kurzfassen und mich auf wesentliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf der FDP zur Änderung des Landesplanungsgesetzes Nordrhein-Westfalen beschränken.

Die im Gesetzentwurf aufgezeigte Problemstellung und der daraus resultierende Regelungsbedarf in Bezug auf die Befristung der Überleitungsvorschrift des § 39 Abs. 4 Landesplanungsgesetz im Verhältnis der geltenden Bestimmungen für die Planungsgemeinschaft Städteregion und der seit Oktober 2009 auf den RVR übertragenen Regionalplanungskompetenz sind formal und materiellrechtlich zutreffend erkannt. Insofern wird die grüne Landtagsfraktion heute der Überweisung an den Wirtschaftsausschuss zustimmen.

Aufgrund der vorgegebenen Fristsetzung ist es zutreffend, dass über das Verfahren im Fachausschuss diskutiert und entschieden werden muss. Ich gehe dabei davon aus, dass dies auf beiden Seiten der Beteiligten – damit meine ich die sechs Ruhrgebietsstädte und den RVR – genauso gesehen wird und in dieser Frage kein Dissens besteht. Als Mitglied der Verbandsversammlung des RVR kann ich bestätigen, dass es eine konstruktive Zusammenarbeit in den Planungsprozessen zwischen den genannten Ebenen gibt.

Natürlich könnte eine Neuregelung auch im Rahmen der ohnehin anstehenden Novellierung des Landesplanungsgesetzes erfolgen. Das ist gerade schon angesprochen worden. Dies würde voraussetzen, dass die vorgeschaltete Ressortabstimmung kurzfristig abgeschlossen werden kann. Ich kann das heute noch nicht abschließend einschätzen. Aber hier gilt für mich – insofern stimme ich Ihnen zu, Herr Witzel –: Ein dringender Handlungsbedarf zur Überleitungsvorschrift kann nicht dazu führen, dass die Novellierung des Landesplanungsgesetzes nur deswegen forciert wird.

Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass nach der Ressortabstimmung unter anderem die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände erforderlich ist. Bereits jetzt stellt sich das vorhandene Zeitfenster mit Blick auf das hier angesprochene weitere Verfahren zum LEP als ausgesprochen eng dar.

Das Landesplanungsgesetz ist neben dem LEP das zweite wichtige Planungs- und Steuerungsinstrument der Raumordnung. Es bedarf einer qualitativen und belastbaren Ausrichtung. Ich denke, das ist in diesem Hause Konsens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, überhaupt nicht infrage käme für mich, dass die Kompetenz für den regionalen Flächennutzungsplan bereits zum 1. Januar des kommenden Jahres auf den RVR überginge. Dies würde den RVR mit Blick auf eine zeitnahe Fertigstellung des Regionalplans Ruhr vor unlösbare Probleme stellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist arbeitstechnisch und personell nicht zu stemmen. Insofern bin ich dankbar für den in sich schlüssigen FDP-Antrag, die Überleitungsregelung und damit die Befugnisse der Planungsgemeinschaft Ruhr sachgerecht zu verlängern. Ob dies die einzige verfahrensrelevante Möglichkeit darstellt, oder ob auch eine Streichung der Befristung möglich und sinnvoll sein kann, sollte in Abstimmung mit der Staatskanzlei als oberster Planungsbehörde im Rahmen der weiteren fachlichen Beratung im Fachausschuss erörtert werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Goldmann. Bitte bleiben Sie noch einen Augenblick am Redepult, denn Herr Kollege Witzel hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Er bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Goldmann, vielen Dank für Ihre wohlwollende Bewertung des Anliegens unseres Gesetzentwurfes. Wir liegen da gar nicht grundsätzlich auseinander. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Gesetzentwurf der FDP-Landtagsfraktion auf die Regelungen des Landesplanungsgesetzes zielt.

Einen Komplex muss ich anschneiden, weil Sie das ebenso wie der Kollege Eiskirch kritisch gesagt haben. Herr Kollege Eiskirch hat sich leider meiner Zwischenfrage entzogen; deshalb trifft Sie jetzt beides im Paket. Sie haben ein bisschen den Eindruck erweckt, als hinge beides nicht inhaltlich zusammen.

Deshalb ist meine Frage an Sie, weil ich glaube, dass wir die Arbeitsabläufe beim RVR ähnlich einschätzen, ob Sie erstens davon ausgehen, dass die Verbandsversammlung des RVR den Regionalplan Ruhr noch im Jahr 2015 beschließen kann und wird, und zweitens, ob das sinnvollerweise überhaupt beim RVR zur Beschlussfassung kommen sollte, bevor das Land über einen endgültigen LEP entschieden hat. Wenn wir diese beiden Fragen gemeinsam verneinen, macht es meines Erachtens schon Sinn, die Entwicklung auch im Zusammenhang zu sehen.

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Herr Witzel, Sie werden sich vielleicht noch an meine Ausführung erinnern, dass ich gesagt habe, dass das Landesplanungsgesetz neben dem LEP das zweite wichtige Planungs- und Steuerinstrument darstellt. Insofern ist das diesbezüglich, so denke ich, eine klare Aussage meinerseits. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass es aus meiner Sicht wenig sinnvoll erscheint, die Regionalplanung beim RVR in diesem Jahr übers Knie zu brechen, bevor die wesentlichen Entscheidungen und Fragestellungen mit dem LEP nicht belastbar bewertet werden können.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ich gehe nicht davon aus, dass der RVR seinen Regionalplan noch im Laufe dieses Jahres wird verabschieden können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Goldmann. Soweit Kurzintervention und Reaktion darauf. – Nächster Redner ist für die Piratenfraktion Herr Kollege Fricke.

Stefan Fricke (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer am Stream und auf der Tribüne! Wir begrüßen den hier vorliegenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion und wundern uns. Worüber? Offensichtlich hat jetzt die FDP in Nordrhein-Westfalen die Regierung übernommen, zumindest wenn man sich diesen Gesetzentwurf ansieht. Der hätte nämlich eigentlich von der Landesregierung kommen müssen.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Eigentlich – wobei zu fragen ist, ob damit die Landesregierung nicht ein Eingeständnis ihrer eigenen Untätigkeit geliefert hätte. Eigentlich schon. – Also, liebe Landesregierung, Sie sind nach wie vor im Amt. So etwas würden Sie nie, aber auch niemals tun.

Fakt ist: In zwei Jahren – seit dem entsprechenden Beschluss vom Juni 2013 – hat es die Landesregierung nicht auf die Reihe bekommen, trotz diverser Ermahnungen, unter anderem der Ermahnung meines Fraktionskollegen Bayer vor ziemlich genau einem Jahr, im April 2014, einen erneuerten Entwurf des Landesentwicklungsplan vorzulegen. Wie üblich also großes Getöse, viele große Versprechungen und keine Ergebnisse. Diesmal sogar gar keine im Vergleich zu der heißen Luft, die in anderen Bereichen produziert wird.

Das muss man wohl aber auch positiv sehen. Immerhin trägt die Regierung von Frau Kraft wenigstens hier nicht zur Erderwärmung bei. Legen wir dies also als einen zu vernachlässigenden Fall ab. Zur Planungssicherheit in diesem Bundesland trägt sie allerdings auch nichts bei. Das ist leider nicht zu vernachlässigen, sondern aufs Schärfste zu kritisieren.

Ein Hinweis noch an die Kollegen der FDP. Sie schreiben in Ihrer Begründung des Gesetzentwurfs: „… und es ist absehbar, dass bis Ende des Jahres 2015 ein Aufstellungsbeschluss für einen Regionalplan durch den RVR nicht gefasst werden wird.“ Das ist etwas missverständlich formuliert und kann sehr unterschiedlich verstanden werden. Vielleicht möchten Sie diese Passage ja umformulieren.

Dieser Gesetzentwurf wird aber wie üblich in die Ausschüsse verwiesen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Fricke. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Groschek das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! In der Tat gibt es die Befristung bis zum 31.12. dieses Jahres. In diesem Zeitraum lässt sich realistisch nicht erwarten, dass ein Regionalplan Ruhr aufgestellt wird. Deshalb müssen wir zu einer Entfristung kommen. Das ist in sich selbst schlüssig.

Der vorliegende Gesetzentwurf wäre ein geeignetes Instrument, ohne jede Frage. Wir gehen aber davon aus, dass dieser Gesetzentwurf deshalb überflüssig ist, weil die Novelle des Landesplanungsgesetzes unter anderem eine entsprechende Entfristungsregelung vorsieht. In einem Änderungsbefehl soll genau das erreicht werden, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf erreichen wollen. Die Landesregierung ist sehr optimistisch, dass das Landesplanungsgesetz in novellierter Form Ihren Gesetzentwurf überflüssig macht.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/8458 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

5   Nordrhein-Westfalen leistet „digitalen Widerstand“: Keine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8450

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8564

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Herrmann das Wort.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger auf der Tribüne und im Stream! Um es gleich vorneweg zu sagen: Es ist völlig egal, ob von Quick Freeze, Mindestspeicherdauer oder Höchstspeicherfrist gesprochen wird – es ist immer das Gleiche, nämlich die pauschale Vorratsdatenspeicherung über das Kommunikationsverhalten der Menschen in unserem Land.

(Beifall von den PIRATEN)

Wer spricht wann mit wem wie lange und von wo? Wer schickt wann wem eine SMS? Und wer ist wann wie lange mit welcher Kennung im Internet eingeloggt?

Sowohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2010 wie auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom letzten Jahr lassen keinen Spielraum für eine vorsätzliche, anlasslose und verdachtsunabhängige Speicherung von Kommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung. Der Europäische Gerichtshof führte dazu aus, dass die Speicherung ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte sei. Zudem erzeuge sie bei den Bürgern das Gefühl, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung sei.

Genau dieser Auffassung sind wir Piraten auch, und zwar seitdem die Europäische Richtlinie und die deutschen Gesetze dazu vor fast zehn Jahren in Kraft gesetzt worden sind. Es ist gut, dass diese Gesetze heute abgeschafft sind.

Auch Bundesjustizminister Heiko Maas hat noch vor vier Monaten in einem Tweet die Vorratsdatenspeicherung entschieden abgelehnt, weil sie, so schreibt er, gegen das Recht auf Privatheit und den Datenschutz verstößt. Was treibt nun Heiko Maas an, seine Meinung zu ändern? Offen gesagt, ich weiß es nicht.

In den Leitlinien, aus denen das Gesetz für Vorratsdatenspeicherung werden soll, wird sehr abenteuerlich argumentiert. Da heißt es, dass laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs nur die anlasslose Speicherung aller Daten unzulässig sei. Im Umkehrschluss soll dann die Speicherung in Ordnung sein, wenn man einige Daten, zum Beispiel die E-Mail-Kontakte, weglässt. – Das macht mich wütend. Für wie dumm hält man die Menschen im Land eigentlich?

(Beifall von den PIRATEN)

Natürlich geht es nicht um alle Daten, sondern um die Daten von allen Menschen, der gesamten Bevölkerung, die wieder unter Generalverdacht gestellt werden soll. Das hat der Europäische Gerichtshof kritisiert und deshalb die europäische Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit den Grundwerten der europäischen Wertegemeinschaft erklärt. Für diese klaren Worte sind wir sehr dankbar.

(Beifall von den PIRATEN)

Offensichtlich erkennen nur die Gerichte, welchen Schaden die Speicherung des Kommunikationsverhaltens der gesamten Bevölkerung anrichten kann. „Wir wissen, was du die letzten zehn Wochen gemacht hast“, könnte der Slogan sein. Denn die gespeicherten Daten machen unser Leben aus. Die Daten zeigen, was wir tun, was uns interessiert, wo wir sind, mit wem wir uns treffen. Die Eingriffstiefe wäre heute viel intensiver als vor zehn Jahren, als die erste Vorratsdatenspeicherung eingeführt wurde. Denn die Smartphone-Revolution kam erst später und hat heute eine Abdeckung von fast 100 % erreicht.

Wollen wir wirklich eine Wohlverhaltensgesellschaft, die nach dem Motto „Verhaltet euch ruhig!“ ständig die Rückverfolgbarkeit der letzten zehn Wochen im Kopf hat? Ich glaube nicht. Wir Piraten wollen das auf jeden Fall nicht. Ein solches Vorhaben wäre auch schlicht unvereinbar mit den Grundprinzipien unseres Rechtsstaates, der Unschuldsvermutung, mit den Grundwerten unserer Gemeinschaft. Müssen wir tatsächlich wieder das Bundesverfassungsgericht anrufen? Eine Klage, die bereits von Bürgerrechtsgruppen und vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung angekündigt wurde, würde die volle Unterstützung der Piraten erhalten.

(Beifall von den PIRATEN)

Liebe SPD-Kolleginnen und -Kollegen hier im Saal, bei unserer letzten Debatte zum Thema „Vorratsdatenspeicherung“ meinten Sie, eine differenzierte Perspektive zur Vorratsdatenspeicherung zu haben. Ich bitte Sie, differenzieren Sie sie hin zur Rechtsstaatlichkeit und zur Achtung unserer Grundwerte! Senden Sie ein klares Signal nach Berlin! Wir in Nordrhein-Westfalen wollen keine anlasslose und massenhafte Überwachung unserer Gesellschaft. Wir in Nordrhein-Westfalen wollen nichts, was gegen unsere demokratischen Prinzipien verstößt. Wir in Nordrhein-Westfalen wollen kein unnützes Überwachungsinstrument, das keinen Mehrwert gebracht hat. Machen Sie es wie Ihre Kolleginnen und Kollegen der SPD in Dortmund, Frau Lüders, Frau Kieninger, Herr Jahl und Herr Minister Schneider, und stimmen Sie gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung! Stimmen Sie für unseren Antrag! – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Körfges das Wort.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will, weil Herr Herrmann es angesprochen hat, sofort mit der differenzierten Haltung anfangen, nämlich einer differenzierten Haltung zu Ihrem Antrag, der sich mit den Leitlinien des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherdauer beschäftigt. Da gibt es nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich eine gewisse Differenzierung.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ja, wir gehen differenziert mit Ihren Antrag um. Wir haben eine kritische Position zu dem, was in Berlin veranstaltet wird, allerdings auch zu Ihrem Antrag. Wir lehnen Ihren Antrag gleich ab, und zwar, weil wir uns in einer Phase befinden, in der Details über das Gesetz noch nicht bekannt sind und wir uns über Leitlinien unterhalten.

(Zurufe von den PIRATEN)

Nach dem Koalitionsvertrag – ich will versuchen, unsere Position herzuleiten – zwischen CDU und SPD in Berlin war die Umsetzung einer EU-Richtlinie über Abruf und Nutzung von Telekommunikationsdaten vorgesehen. Durch die EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 2014 sind nach meiner Ansicht, die auch von meiner Partei mehrheitlich geteilt wird, die Grundlagen für diesen Teil der Koalitionsvereinbarung in Berlin entfallen.

Jetzt versucht die Berliner Koalition, die Vorratsdatenspeicherung stattdessen für den Schutz vor Kriminalität einzusetzen; auch das gehört zu einer differenzierten Betrachtung.

Es geht nicht darum, dass so etwas aus Daffke diskutiert wird, sondern es geht darum, dass der Schutz vor schwerster Kriminalität – wie zum Beispiel vor terroristischen Gewaltakten – durch die Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist verstärkt werden soll, sodass die gespeicherten Daten genutzt werden können.

Ich sage nur, dass das die Motivation war, weiß aber nicht, ob ich in einer endgültigen Abwägung der Dinge zu dem Ergebnis kommen werde, dass dies einen Eingriff in Grund- und Bürgerrechte rechtfertigt. Denn unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes ist es ein – ich sage es einmal so – gewagtes bis sehr schwieriges Unterfangen, das man in seiner Rechtswirksamkeit – auch darum geht es mir ein bisschen – erst anhand der konkreten Gesetzesformulierungen beurteilen kann, nicht aber schon bei der Diskussion über Leitlinien, die die Absicht des Gesetzgebers in Bezug auf die Frage, worum es geht, irgendwie umreißen sollen. Ich glaube, gerade bei einem so komplizierten Thema ist es wichtig, sich mit den Details auseinanderzusetzen.

Es ist auch wichtig, welche formale Rolle uns als Land an der Stelle zugedacht ist; denn es macht für mich schon einen Unterschied – das ist für uns nachher sicherlich auch hier interessant –, ob es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt oder nicht. Das ist nach meiner Meinung zumindest aus den Leitlinien nicht ablesbar.

Schließlich ist es sehr deutlich – das will ich in Richtung der Berliner Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen sagen –, dass es um zwei Dinge geht.

Zum einen geht es offensichtlich den im Bundestag nicht mehr vertretenen bzw. den noch nicht oder sehr wahrscheinlich niemals im Bundestag vertretenen Fraktionen darum, zur eigenen Profilierung hier auf Landesebene Dinge zu diskutieren, die in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers fallen.

Zum anderen wird sicherlich deutlich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, uns hier über ein Stöckchen springen lassen wollen. Dazu sind wir nicht bereit. Wir sind in der Angelegenheit nicht mit Schnellschüssen – weder in die eine noch in die andere Richtung – unterwegs. Wir wollen uns ein differenziertes Bild machen. Das kann man erst dann, wenn das Gesetz im Wortlaut vorliegt.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Herrmann zulassen?

Hans-Willi Körfges (SPD): Ja, natürlich.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte schön, Herr Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Herr Kollege Körfges, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich konnte jetzt anhand Ihrer Äußerungen Ihre Position nicht ganz erkennen. Bei unserem Antrag geht es ja darum, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung abzulehnen. Das ist völlig unabhängig vom Gesetz. Das heißt, es geht um die anlasslose und nicht eingeschränkte, das heißt die gesamte Bevölkerung betreffende Vorratsdatenspeicherung. Das ist der Kontext bzw. das, was wir im Antrag fordern.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Würden Sie bitte eine Frage stellen!

Frank Herrmann (PIRATEN): Ihre Position dazu habe ich nicht erkennen können, obwohl Sie dazu etwas gesagt haben. Vielleicht können Sie die zum Ausdruck bringen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Herrmann, bitte die Frage!

Hans-Willi Körfges (SPD): Da ich keine Frage erkennen kann, empfehle ich, meinen weiteren Ausführungen zu lauschen.

Frank Herrmann (PIRATEN): Was ist Ihre Position?

Hans-Willi Körfges (SPD): Vielleicht ergibt sich dann antwortmäßig das, was Sie womöglich hätten fragen wollen. – Ich will nämlich an der Stelle – da sind wir vielleicht genau an dem Punkt – einräumen, dass der Diskussionsprozess in meiner Partei – wir sind eine Volkspartei, und in einer solchen gibt es ganz unterschiedliche Positionen zu dem Thema – noch nicht abgeschlossen ist. Es ist aber ein sehr schmaler Grat, den die Bundesregierung beschreitet, wenn sie versucht, den Abruf bereits gespeicherter Daten verfassungskonform zu gestalten.

Ich will in dem Zusammenhang auch sagen und für mich ganz persönlich erklären, dass ich an vielen Stellen Bemühungen unternommen werden, Bedenken des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH Rechnung zu tragen. Dies trifft zum Beispiel zu auf die Frage des Umgangs mit Berufsgeheimnissen – wobei ich mir als Anwalt die Anmerkung erlauben darf, dass man sich auch da einen umfassenderen Schutz vorstellen kann –; das gilt aber auch für die Frage der Benachrichtigung usw. An diesen Stellen wird versucht, auf die höchstrichterlichen Bedenken einzugehen.

Mir persönlich ist aber nicht klar, wie der Aspekt „fehlender Anlass“ einer verfassungsfesten Regelung zugeführt werden soll. Solange mir das nicht klar ist, bin ich zumindest persönlich dagegen, so etwas gesetzlich zu normieren. Damit ist Ihre Frage, bezogen auf meine Person, hoffentlich beantwortet.

Grundsätzlich möchte ich allerdings hinzufügen: Ich hätte es schöner gefunden, wenn wir uns – und zwar ohne direkte Abstimmung – in einem geordneten Beratungsverfahren mit einem tatsächlichen Gesetz hätten auseinandersetzen können, statt uns hier in Mutmaßungen über ein noch nicht vorliegendes Bundesgesetz bzw. einen noch nicht vorliegenden Bundesgesetzentwurf zu ergehen. Diese Diskussion heute dient nämlich nicht der Klarheit einer nordrhein-westfälischen Position, sondern der Profilbildung einer Partei, die, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, ganz offensichtlich Existenzängste hat.

Ich glaube auch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie ganz schlechte Ratgeber sind, wenn Sie uns da, bezogen auf Bürgerrechte, aufklären wollen. Ich erinnere nur an den völlig misslungenen Versuch der Einführung einer Onlinedurchsuchung, der, eingebracht und verantwortet vom FDP-Innenminister, vor dem Bundesverfassungsgericht kläglich gescheitert ist.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Hans-Willi Körfges (SPD): An Ihrer Stelle würde ich also in den Fragen eher etwas kleinlauter auftreten.

(Beifall von der SPD)

Ich bin gerade freundlich auf das Ende meiner Redezeit hingewiesen worden.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das Ende war schon da, Herr Kollege Körfges. Vielen Dank für Ihren Beitrag.

Hans-Willi Körfges (SPD): Ich darf mich dafür bedanken und bin ganz sicher, dass wir noch genügend Gelegenheit bekommen, uns über dieses Thema anderweitig auseinanderzusetzen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: So, jetzt haben wir es geschafft! Noch mal vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Golland das Wort.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist endlich auf der Zielgeraden. Das begrüßen wir als CDU-Landtagsfraktion ausdrücklich.

Was ist bei diesem wichtigen sicherheitspolitischen Thema bisher passiert? Was sagt die hohe Gerichtsbarkeit?

Der Europäische Gerichtshof hat die bis dato existierende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung am 8. April 2014 für ungültig erklärt. Dabei hat er aber die Vorratsdatenspeicherung nicht generell für unzulässig erklärt. Im Gegenteil, er hält sie grundsätzlich für ein legitimes Mittel, um schwere Kriminalität zu bekämpfen. Sie muss nur konkreter und ausgewogener formuliert werden.

Ungeachtet des Urteils des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2014 behält jeder EU-Mitgliedsstaat das Recht, eine Regelung zur Vorratsdatenspeicherung einzuführen, solange diese nicht gegen seine nationale Verfassung verstößt. Eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ist und bleibt daher auch in Deutschland möglich.

Wie reagiert nun die Politik?

Insbesondere NRW-Innenminister Jäger ist ein Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. In Zeiten der schwarz-gelben Bundesregierung ließ er keine Gelegenheit aus, um die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung auf reißerische Art und Weise zu untermauern. So erklärte Jäger zum Beispiel, dass die Weigerung der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Vorratsdatenspeicherung neu zu regeln – ich zitiere – „mit gesundem Menschenverstand nicht mehr zu erklären“ sei. Das stand am 26.03.2012 in der „BILD“. Sie agiere – ich zitiere – „aus parteipolitischem Kalkül, anstatt sich für die Interessen der Opfer von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch einzusetzen“. – „WZ-Newsline“ vom 26.06.2012.

Seit das Bundesjustizministerium wieder von der SPD geführt wird, ist diese Kritik merkwürdigerweise jedoch verstummt. In der letzten Debatte zu diesem Thema im Landtag, am 30. Januar 2015, also vor fast genau drei Monaten, durfte Herr Jäger dann aber nicht zu diesem Thema sprechen und verließ vorab den Plenarsaal.

(Minister Ralf Jäger: Was? – Daniel Düngel [PIRATEN]: Nein!)

Warum, Herr Jäger? – Weil Landesjustizminister Kutschaty eine gänzlich andere Meinung vertrat und die Spaltung der Landesregierung für alle Beobachter offenkundig machte. Einmal mehr ist sich die Landesregierung – wie zum Beispiel auch beim Thema „Braunkohle“ – nicht einig.

Wie ging es nun weiter? – Die CDU-Bundestagsfraktion und Innenminister Thomas de Maizière haben sich klar für das wichtige und notwendige Instrument der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen und an den gemeinsam beschlossenen Koalitionsvertrag erinnert. Daraufhin hat der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel ein Macht-wort gesprochen und den Kritiker in den eigenen Reihen, Bundesjustizminister Heiko Maas, in die Schranken gewiesen.

Nun stellte ebendieser Justizminister am 15. April seine Leitlinien zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung der Öffentlichkeit vor. Das notwendige Gesetzgebungsverfahren soll sich zügig anschließen. Ich erlaube mir, Maas wie folgt zu zitieren: „Wir legen einen Kompromiss vor, um schwerste Straftaten künftig besser aufklären zu können.“ Damit werde man auch höchstrichterlichen Urteilen gerecht. Es handle sich um eine gute Grundlage für die noch ausstehende parlamentarische Beratung, die in der Substanz – Herr Körfges! – aber nicht mehr veränderbar sei.

NRW-Innenminister Ralf Jäger begrüßt den nun gefundenen Kompromiss in seiner Pressemitteilung vom 15. April – ich zitiere – „als ausgewogenen Vorschlag für einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Sicherheitsinteressen des Einzelnen und datenschutzrechtlichen Vorgaben“.

Was sagen Sie nun, Herr Justizminister? Oder haben Sie jetzt den Maulkorb von Herrn Jäger übernommen?

(Zurufe von Minister Ralf Jäger und Minister Thomas Kutschaty)

Meine Damen und Herren, die CDU begrüßt den nun gefundenen Kompromiss; denn wir brauchen dieses Instrument zur Abwehr und Verfolgung schwerster Straftaten wie Terror, Mord und Kinderpornografie. Das sind wir unseren Bürgern, aber insbesondere den Opfern schuldig. Es ist ein Ausgleich zwischen Freiheits-, Datenschutz- und Sicherheitsinteressen.

Die Landesregierung hat dabei im Diskussionsverlauf weder ein geschlossenes noch ein gutes Bild abgegeben.

Die CDU hatte und hat dagegen eine klare und vernünftige Linie vertreten. Daher lehnen wir den vorliegenden Antrag der Piraten und den Entschließungsantrag der FDP selbstverständlich ab. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Golland. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Vorratsdatenspeicherung beschäftigt uns ja nun zum fünften Mal innerhalb von knapp anderthalb Jahren. Ich habe gerade schon wahrgenommen: Sie möchten das gerne weiterhin so halten.

Es hat sich in dieser Zeit einiges getan. Das muss man konstatieren.

Der Europäische Gerichtshof hat die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung im vergangenen Jahr für mit den europäischen Grundrechten unvereinbar erklärt und verworfen. Er hat insbesondere festgestellt, dass es unzulässig ist, die komplette Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen. Seine zentrale Begründung war, dass die Richtlinie eine Speicherung ohne Differenzierung, ohne Ausnahme und ohne Einschränkung vorsah.

Genau dieses Vorgehen war jahrelang eines der Kernargumente der Kritikerinnen und Kritiker der Vorratsdatenspeicherung. Und das war gut so; denn ein Mensch, der überwacht wird, ist niemals frei.

Heribert Prantl sprach damals in einem Kommentar, den ich immer noch für bemerkenswert halte, vom „Ende der Maßlosigkeit“. Ich hätte mir gewünscht, dass er recht behalten hätte.

Fast genau ein Jahr später legen der Bundesjustizminister und der Bundesinnenminister nun ein Leitlinienpapier – noch keinen Gesetzentwurf – vor, mit dem die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun doch wiederbelebt werden soll – ohne Not, denn eine Europäische Richtlinie steht nicht in Aussicht.

Auch wenn die Speicherfristen nun verkürzt werden sollen, so bleibt es doch bei der generellen Speicherung, bleibt es bei dem Generalverdacht. Man darf sich da nicht täuschen lassen: Die Leitlinien sind eben kein Kompromiss zwischen Sicherheit und Datenschutz, sondern sie sind die Ausreizung der Spielräume, die die Urteile von BVerfG und EuGH gelassen haben. – Das ist aus grüner Sicht ein Problem.

Neben dieser grundsätzlichen Problematik ist auch der Schutz der Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger – Hans-Willi Körfges hat das eben als eine ganz besondere Baustelle der Leitlinien angesprochen – unzureichend geregelt. Darüber gibt es schon jetzt Verunsicherung. Die Verunsicherung in den Verhältnissen zwischen Geheimnisträgern und ihren MandantInnen, PatientInnen und KlientInnen tritt bereits ein, wenn Daten gespeichert werden, und nicht erst, wenn sie ausgewertet werden.

Mit ihrem Vorstoß zieht die Bundesregierung keine Konsequenzen aus dem größten Überwachungsskandal der Geschichte. Sie höhlt das Label „Datenschutz made in Germany“ aus.

Meine Damen und Herren, wer sich die politischen Beschlüsse meiner Partei anschaut, der wird sofort sehen, dass Bündnis 90/Die Grünen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ablehnen.

Die Sozialdemokraten haben inzwischen in verschiedenen Gliederungen ähnlich lautende Beschlüsse gefasst. Ungeachtet dessen gibt es bei der Sozialdemokratie auf der Bundesebene aber auch einen Beschluss pro Vorratsdatenspeicherung.

Es lässt sich tatsächlich nicht leugnen, dass wir zwei Parteien sind, die in dieser Sachfrage unterschiedlicher Auffassung sind. Das kommt in den besten Familien und sogar in Koalitionen vor. Es wäre schlimm, wenn es in einer Demokratie anders wäre.

Und weil das normal ist, meine Damen und Herren, wenn Parteien Koalitionen bilden, haben wir für diesen Fall klare Verfahren: Da, wo es tatsächlich etwas zu entscheiden gibt, nämlich im Bundesrat, enthält sich das Land, wenn in der Koalition keine Einigkeit über das Abstimmungsverhalten besteht. Das haben wir hier oft genug erklärt.

Noch viel wichtiger ist aber: Wir sind noch nicht an diesem Punkt. Bevor es so weit kommt, muss die Bundesregierung erst einmal einen Gesetzentwurf vorlegen. Der geht dann in die Fachausschüsse und in den Bundesrat. Dort gilt das Ressortprinzip, die Ministerinnen und Minister können ihre Positionen dazu festklopfen. Dann gibt es eine Bundestagsabstimmung. Wenn der Entwurf dann noch einmal in den Bundesrat kommt, dann – das kann ich Ihnen versichern – werden wir Grüne für unsere ablehnende Position werben und streiten. Ich freue mich über jeden Sozialdemokraten, ich freue mich über jeden Liberalen, ich freue mich über jeden Piraten und über alle anderen, die uns dabei unterstützen.

Wir haben heute eines ganz deutlich gehört, nämlich dass bei der CDU, die sich ja immer modernisieren will, in dieser Frage wie überhaupt beim Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte Hopfen und Malz völlig verloren ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Gregor Golland [CDU]: Das Gegenteil ist der Fall!)

Das hat der Kollege Golland gerade eindrücklich bewiesen.

Lieber Kollege Lürbke, Sie werden gleich das Hohelied der Bürgerrechtler bei der FDP singen. Wir haben es uns schon mehrfach erzählt, aber ich will das gerne noch einmal hervorholen: FDP-Innenminister Ingo Wolf hat damals in diesem Haus die Onlinedurchsuchung im Landesverfassungsschutzgesetz beschließen lassen. Das hat Karlsruhe Ihnen um die Ohren geschlagen, und zwar völlig zu Recht.

(Marc Lürbke [FDP]: Frau Leutheusser-Schnarrenberger!)

Deswegen müssen wir uns von Ihnen da keine Ratschläge einholen.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Mehr Fehlerkultur!)

Wir können diese Debatte – das wurde schon angekündigt – sehr gern fortsetzen. Das ist das Schöne an der Demokratie. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Lürbke das Wort.

Marc Lürbke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal grundsätzlich, damit es nicht durcheinandergeht: Die anlassbezogene Überwachung ist seit Langem ein wichtiger Baustein in einem Gesamtkonzept unserer Sicherheitsbehörden. Die anlassbezogene Überwachung, Herr Minister, findet etwa bei der Überwachung von bekannten Gefährdern bei ausreichenden Anhaltspunkten für die Begehung von Straftaten statt. Ich denke: Das ist Ihnen bekannt.

Kurz: Wenn Sie vermeintliche Straftäter kennen, können Sie diese bereits nach geltendem Recht umfassend technisch anlassbezogen überwachen. Wenn Sie diese nicht kennen und es auch keine ausreichenden Belege gibt, können Sie diese eben auch nicht überwachen. Das sind die Leitplanken, in denen unser geltendes Recht die Überwachung heute – rechtsstaatlich – erlaubt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Vorratsdatenspeicherung geht es um mehr und um Grundsätzliches: Darf ich jemanden, gegen den bis dato nichts, rein gar nichts, gegen den kein Verdacht wegen Gefährdung oder Straftaten besteht, völlig anlasslos auf Vorrat umfassend technisch überwachen und sensible Verkehrsdaten über diese Person auf Vorrat aufzeichnen und: von wo, mit wem, wann, wie lange, wie oft?

Sowohl der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom April 2014 als auch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom März 2010 hatten zu den entsprechenden Regelungen klar geurteilt: Nein. Die Regelungen zu einer solchen anlasslosen Speicherung sind ein erheblicher Eingriff in die Daten der Bürger und mit europäischem Recht bzw. den Grundrechten unvereinbar, ungültig und nichtig.

Dennoch: Da ist sie wieder, die Vorratsdatenspeicherung.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Hui!)

Die ganze Story ist eigentlich kaum zu glauben. Als in Zeiten erhöhter Terrorgefahr nahezu reflexartig der Ruf nach anlassloser Datenspeicherung aufkam, passierte Folgendes: Die EU-Kommission offenbarte, man werde keinen neuen Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung starten. Bundes- wie auch NRW-Landesregierung lehnten zunächst einen nationalen Alleingang ab.

SPD-Bundesjustizminister Maas warnte, Deutschland dürfe grundgesetzlich nicht. SPD-Landesjus-tizminister Kutschaty mahnte, Deutschland könne rechtlich gar nicht. SPD-Innenminister Jäger tönte in bester CSU-Manier: Ich will aber!

(Lachen von Minister Ralf Jäger)

SPD-Ministerpräsidentin Kraft sagte … – Ich weiß es nicht; ich habe sie in der Frage nicht gehört. Sie hat nichts gesagt. Sie tauchte ab.

Die Grünen ließen das der Landesregierung dann auch noch durchgehen. Die CDU pochte in Berlin weiter darauf. Und SPD-Vorsitzender Gabriel fragte unter der Hand augenscheinlich: Sag mal, Frau Merkel, was gibst du mir denn eigentlich dafür, wenn wir hier mitgehen?

Das Ergebnis, meine Damen und Herren, ist: Die Justizminister wurden vorgeführt. Haltung und Überzeugung wichen parteipolitischem Gehorsam.

Herr Körfges, weil Sie es angesprochen haben, erinnere ich in puncto Rückgrat gern einmal an Frau Leutheusser-Schnarrenberger. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Die Bürgerrechte sind bei der SPD in schlechter Hand.

(Beifall von der FDP – Frank Sundermann [SPD]: Weiter! Weiter! Weiter!)

Lassen Sie uns die weiteren Ergebnisse anschauen: Eine Ministerpräsidentin offenbart mangelnden Einfluss in Berlin. Ein Innenminister bekommt recht, was nicht rechtens ist. Ein SPD-Vorsitzender führt die eigene Partei und die Öffentlichkeit an der Nase herum. Ein Bundesverfassungsgericht bekommt einen neuen Fall.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Weder eine Unrechtsvereinbarung der Bundeskanzlerin Merkel oder des Vizekanzlers Gabriel noch eine Mehrheit in der Großen Koalition kann grundrechtswidrige Gesetze legitimieren.

Sie haben einen neuen Fall bzw. ein neues Aktenzeichen für das Bundesverfassungsgericht geschaffen. Vielleicht kalkulieren Sie sogar mit der Verfahrenslaufzeit, in der man nun munter Daten sammeln und nutzen kann. Aber die Wahrheit ist doch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Schon heute fehlt bereits aufgrund der desolaten Personalpolitik der rot-grünen Landesregierung das Personal zur bereits erlaubten anlassbezogenen Überwachung konkreter Personen.

Wir brauchen daher in Nordrhein-Westfalen keine Vorratsdatenspeicherung, sondern mehr Sicherheit durch polizeiliche Sichtbarkeit. Wir brauchen keine unverhältnismäßige technische Überwachung, sondern personalstarke Sicherheitsbehörden.

Das müsste Auftrag dieser Landesregierung sein. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Grunde nach könnte man sich an dieser Stelle eigentlich ziemlich kurz fassen.

(Marc Lürbke [FDP]: Aber?)

Wir beurteilen in dieser Debatte nicht einen konkreten Gesetzentwurf der Bundesregierung, sondern Grundlagen dieser Debatte sind die vorgestellten Leitlinien.

Was konkret der Bundesgesetzgeber in einem künftigen Gesetzentwurf tatsächlich vorsehen und ob das mit den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes vereinbar sein wird – darüber können alle Seiten zurzeit nur spekulieren. Ich glaube, dass diese Entwicklung erst einmal abzuwarten ist und dass auf Grundlage eines Gesetzentwurfs konkret diskutiert werden sollte. Zurzeit ist aus meiner Sicht eine Entscheidung dieses Parlamentes überhaupt nicht angezeigt.

Aber, meine Damen und Herren, bei diesem bloßen Hinweis will ich es in dieser Debatte nicht belassen, sondern mir sind ein paar Aspekte auch heute wieder aufgefallen, die ich gern aufgreifen will.

Ich glaube, dass wir uns zum einen darüber einigen müssen, über welche Form bzw. über welches Modell einer Vorratsdatenspeicherung – Mindestspeicherdauer, Höchstspeicherdauer – wir überhaupt diskutieren. Eine Regelung der Art und Weise, mit der sich die Gerichte bereits beschäftigt haben, kann es nicht geben. Herr Körfges, da haben Sie völlig recht.

(Zustimmung von Hans-Willi Körfges [SPD])

Es kann kein Gesetz geben, das dem EuGH-Urteil oder dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts widerspricht. Regeln, die nicht mit unserer Verfassung vereinbar sind oder die gegen europäisches Recht verstoßen würden, können deshalb auch logischerweise nicht Gegenstand eines Gesetzes werden.

Ich habe in dieser Debatte das Gefühl, meine Damen und Herren, dass sowohl die Piraten als auch die FDP-Fraktion eher über den alten Stand diskutieren als über die jetzt vorgestellten Leitlinien, über die vieles hinweggegangen ist.

Zweitens möchte ich dafür werben, dass wir diese Debatte nicht oberflächlich führen, sondern von einem Schwarz-Weiß-Denken zwischen den einzelnen Fraktionen wegkommen und diese Debatte über eine Höchstspeicherdauer vor allem nicht ideologisch überhöhen sollten. Es ist falsch, diese Höchstspeicherfrist als ein Allheilmittel für die Sicherheitsbehörden darzustellen. Das ist sie nicht, und das kann sie auch niemals leisten. Aber es ist genauso falsch, sie unter allen Umständen und gleich in welcher Ausgestaltung zu verteufeln.

Ich halte es deshalb für richtig, dass wir eine differenzierte und sachliche Diskussion darüber führen, wie der Spagat geschafft werden kann, einen Ausgleich zwischen der Freiheit einerseits und der Sicherheit, insbesondere mit Blick auf die Opfer von schweren Straftaten, andererseits herzustellen und wie eine mögliche Regelung beides gewährleisten kann.

Diese Diskussion wollen die Piraten offensichtlich gar nicht führen, eine Diskussion darüber, eine Versachlichung innerhalb dieses Themas gar nicht erreichen, sonst gäbe es heute nicht wieder einmal eine direkte Abstimmung zu diesem Thema.

Meine Damen und Herren, wer die Leitlinien des Bundes genau liest, der findet darin im Vergleich zu der bisherigen Diskussion eine völlig andere Konstruktion eines möglichen Gesetzes. Es ist bereits angesprochen worden: eine deutliche Verkürzung der Speicherfristen, eine Beschränkung auf schwerste Straftaten, einen strengen, uneingeschränkten Richtervorbehalt, den Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Herr Körfges hat es zu Recht angesprochen: Auch das Gesetz muss darlegen, ob die Interpretation des EuGH-Urteils anlasslos richtig ist und wie das in einem Gesetzentwurf zu erfüllen sein könnte.

Ich sage es noch einmal, meine Damen und Herren: Es geht darum, einen Ausgleich zu schaffen…

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Minister, entschuldigen Sie bitte.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Vizepräsident!

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Würden Sie so freundlich sein und eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrmann zulassen?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Ja.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte, Herr Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Meine Frage ist: Stimmen Sie mit mir darin überein, dass auch in den Leitlinien wieder steht, dass die Daten der gesamten Bevölkerung gespeichert werden sollen? Das ist doch genau der Aspekt, den das Bundesverfassungsgericht und auch der EuGH negiert haben und zu dem sie gesagt haben, dass das nicht sein darf. In den Leitlinien steht es aber wieder. Sehen Sie das auch so, dass das dort wieder steht?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Nein, das sehe ich nicht so. Denn erstens wird nicht die Bevölkerung gespeichert, sondern es werden Verkehrs- und Kommunikationsdaten gespeichert, und zweitens, Herr Herrmann, gibt es in der Fachwelt eine sehr differenzierte Diskussion darüber, wie das EuGH-Urteil in diesem Punkt zu interpretieren ist. Auch in der Fachwelt gibt es noch keine abgeschlossene Meinung dazu.

Meine Damen und Herren, es ist mir wichtig, noch einmal Folgendes zu erwähnen: Ich glaube, dass diese Leitlinien eine Chance darstellen, die unterschiedlichen Grundrechte, die in unserer Verfassung verankert sind, nämlich Datenschutz und Bürgerrechte auf der einen Seite, aber auch das Recht von Opfern von Straftaten auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit, miteinander abzuwägen und möglicherweise miteinander zu verbinden. Die Chance zu dieser sachlichen Diskussion sollten wir alle wahrnehmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Die antragstellende Piratenfraktion hat direkte Abstimmung und zugleich gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu diesem Antrag Drucksache 16/8450 beantragt.

Nach Absatz 2 dieses Paragrafen aus unserer Geschäftsordnung erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Bevor ich die Schriftführer bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen, darf ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle bitten, den Geräuschpegel möglichst niedrig zu halten, damit die Schriftführer Ihr Votum auch verstehen können. Ich kann nachvollziehen, dass das heute schwerfällt, nachdem in uns allen die Begeisterung über den gestrigen Sieg von Borussia Dortmund über Bayern München noch nachwirkt.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Aber wir müssen jetzt alle unsere Euphorie in den Griff bekommen, damit wir diese namentliche Abstimmung gut zu Ende führen.

Ich darf die Schriftführer nun bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage 1])

Ich frage nun, ob jemand glaubt, er sei nicht erfasst worden, oder ob alle, die stimmberechtigt sind, jetzt auch abgestimmt haben. – Das ist so. Dann kann ich die Abstimmung schließen und die Schriftführer bitten, die Auszählung vorzunehmen.

(Die Auszählung erfolgt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein Abstimmungsergebnis, das ich Ihnen jetzt gerne bekanntgeben möchte. In der namentlichen Abstimmung zum Antrag Drucksache 16/8450 haben 222 Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 35 Abgeordnete, mit Nein haben 187 Abgeordnete gestimmt. Es hat keine Stimmenthaltung gegeben. Damit ist der Antrag Drucksache 16/8450 abgelehnt.

Wir kommen weiterhin zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/8564. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP-Fraktion und die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die CDU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

6   Gesetz zur Stärkung des Regionalverbands Ruhr

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6866

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kommunalpolitik
Drucksache 16/8464

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8543

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Eiskirch das Wort.

Thomas Eiskirch (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für das Ruhrgebiet und für Nordrhein-Westfalen,

(Henning Höne [FDP]: Das ist falsch!)

und zwar im Hinblick auf dieses RVR-Gesetz für beide, für das Ruhrgebiet und für ganz Nordrhein-Westfalen. Denn wir beschließen heute über eine große Breite des Parlaments hinweg gemeinsam ein Gesetz zur Stärkung des Ruhrgebiets, des Kommunalverbands, des Regionalverbands im Ruhrgebiet.

In diesem wird deutlich gemacht, wie regionale Kooperation möglich sein soll, wie regional kooperiert werden soll, wie die Ziele des Klimaschutzes gemeinsam im Ruhrgebiet angegangen werden sollen und wie das Thema „Verkehrsentwicklungsplanung“, eine der dringenden Herausforderungen im Ruhrgebiet, aber auch das Thema der Vernetzung der Europaarbeit, zu bearbeiten ist.

Das sind alles wichtige Bausteine, um im Ruhrgebiet mehr Gemeinsamkeit zu leben, Kirchturmdenken weiter zu überwinden, aber vor allem effizienter und effektiver im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten. All dies gibt dieses Gesetz uns mit.

Es ist nur gelungen, weil es Gemeinsamkeit gibt, und zwar Gemeinsamkeit, die man von außen betrachtet in der Vergangenheit dem Ruhrgebiet nicht zugetraut hätte. Ich will ehrlich sagen: Dieser Frage hätten auch einige im Ruhrgebiet nicht bis an dieser Stelle getraut. Trotzdem ist es gelungen, die Interessenlagen aller 15 Mitgliedskörperschaften, der elf kreisfreien Städte und der vier Kreise, in einem ausführlichen Diskussionsprozess so miteinander zu verschränken, dass es eine gemeinsame Sicht aus dem Ruhrgebiet über alle Kommunen hinweg gibt, wie das Ruhrgebiet zusammenarbeiten möchte. Ich finde, das ist bemerkenswert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt im Ruhrgebiet auch Gemeinsamkeiten über Parteigrenzen hinweg. Es ist früher auch nicht vermutet worden, dass die drei wichtigen Parteien, die die Politik im Ruhrgebiet, aber auch hier im Landtag von der Größenordnung her mitbestimmen können,

(Beifall von der SPD – Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

gemeinsam und geschlossen zu einem solchen Gesetz stehen. Das ist bemerkenswert, weil es populäre Themen sind, mit denen man sich schön gegeneinander treiben kann. Deswegen ist es im Sinne der Menschen im Ruhrgebiet, dass SPD, Grüne und CDU gemeinsam den Versuch unternommen und auch bewältigt haben, zu einem Ergebnis zu kommen, welches die Anforderungen aus den Ruhrgebiet heraus beschreibt.

Ich habe aber auch gesagt, es ist ein guter Tag für ganz Nordrhein-Westfalen, weil die letzten Wochen und Monate dieser Diskussion deutlich gemacht haben, dass diese Initiative aus dem Ruhrgebiet, im Ruhrgebiet mehr Gemeinsamkeit organisieren und gestalten und diese Option auch nutzen zu wollen, zum einen aus anderen Regionen zu der Diskussion „Das wollen wir nicht“ im Blick auf das Ruhrgebiet geführt haben, aber irgendwann zu einem Prozess geführt hat: Okay, wenn das kommt, müssen wir uns auch Gedanken über kommunale Zusammenarbeit machen.

Die Grundlage, die dieses Parlament mit dem GkG, dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit, schon vor zwei Monaten geschaffen hat, ist eine gute Grundlage dafür. Das heißt, dieses Gesetz ist Impuls für das Ruhrgebiet, aber auch Impuls für das Land, in den anderen Regionen kommunale Zusammenarbeit zu stärken und sich auf diesen Weg zu machen. Das begrüße ich sehr, das begrüßt die Sozialdemokratie sehr, weil es ein Angebot an alle Regionen ist,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

die Effizienzmöglichkeiten von kommunaler Zusammenarbeit gemeinsam zu heben und für die Bürgerinnen und Bürger zu nutzen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will an dieser Stelle nicht den Entschließungsantrag vorstellen – er wird von drei Parteien getragen; dazu werden wir gleich bestimmt noch etwas hören –, sondern ich möchte mich an dieser Stelle – ich glaube, das kann ich für die anderen auch sagen – ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken, und zwar für die gute Zusammenarbeit, auch wenn man das bei Legislative und Exekutive vielleicht ein bisschen komisch findet, zwischen den zuständigen Ministerien und den die Landesregierung tragenden Parteien und Fraktionen im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Diese war notwendig und gut.

Auf die Beratungsleistung konnten wir uns immer verlassen, und wir konnten dann auswählen, was wir davon annehmen wollten oder nicht. In diesem Kräfteverhältnis ist das auch völlig richtig.

(Beifall von der SPD)

Herzlichen Dank vor allem noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, aber auch im Ruhrgebiet selber, die über die Parteigrenzen hinweg über den gesamten Prozess, der durchaus Spielräume für ein Gegeneinanderstellen geboten hat, Seite an Seite geblieben sind – so wie es in einem sozialdemokratischem Lied heißt: Schreiten Seit an Seit– und das Ganze miteinander nach vorne gebracht haben.

Ich möchte noch sagen: Der heutige Tag ist ein guter für das Ruhrgebiet und für Nordrhein-Westfalen. Der heutige Tag ist aber auch einer, der uns allen ein Stück Verantwortung mitgibt, um dieses Gesetz nun mit Leben zu füllen. Das bedeutet die Verantwortung, im Ruhrgebiet die ersten Projekte zu benennen, die wir gemeinsam wuppen wollen, die wir gemeinsam schaffen wollen, die wir gemeinsam nach vorne bringen wollen, um die Synergien zu nutzen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Thomas Eiskirch (SPD): – Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

Wir haben auch eine Verantwortung für die anderen Regionen des Landes, das, was wir in den letzten Wochen gehört haben – nämlich „dann wollen wir auch“ –, umzusetzen und zu prüfen, wie regionale Zusammenarbeit in den anderen Regionen aussehen kann.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Thomas Eiskirch (SPD): – Das ist mein letzter Satz – Ein Mehr an kommunaler Zusammenarbeit in einem gestärkten RVR – deswegen ist es ein guter Tag –, mit einem Mehr an Verantwortung, mit einem Mehr an Verbindlichkeit für die Region ist ab 2020 durch die Direktwahl mit diesem Gesetz verbunden. Deswegen ist es in vielerlei Hinsicht ein guter Tag für das Ruhrgebiet und für Nordrhein-Westfalen. Ich finde, wir können stolz auf die gemeinsam geleistete Arbeit sein. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Eiskirch. Das war ein letzter Satz mit mehreren Kommata. – Als nächster Redner für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Kuper das Wort.

André Kuper (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der erste Referentenentwurf zum RVR-Gesetz der Landesregierung aus dem vergangenen Jahr hat für einen riesigen Diskussionsprozess im Land gesorgt, und zwar innerhalb des RVR und auch außerhalb des Ruhrgebiets. Er hat auch – das darf man an dieser Stelle nicht unterschätzen – Sorgen und Befürchtungen ausgelöst.

Ich persönlich – das sage ich ganz ehrlich als Abgeordneter, der aus dem Bereich Ostwestfalen-Lippe kommt – war zu Beginn des Verfahrens kein großer Befürworter dieses Gesetzgebungsvorhabens und hatte zunächst erhebliche Bedenken gegenüber dem Vorhaben der Landesregierung.

Aber die intensive Auseinandersetzung mit dem Gesetz, die gründliche Auseinandersetzung mit den besonderen Problemen und Herausforderungen des Ruhrgebiets, vor allem aber die in den interfraktionellen Gesprächen erzielten Änderungen am Gesetz, die heute auch zur Abstimmung stehen, und insbesondere der aus unserer Sicht wichtige Entschließungsantrag haben zu einem anderen Blick auf dieses Gesetz geführt. Wir konnten wesentliche Verbesserungen für das RVR-Gebiet und zur Wahrung der Chancengleichheit der Regionen erreichen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Nach all den Diskussionen können wir jetzt das RVR-Gesetz mitsamt den Änderungen und der Aufforderung an Landtag und Landesregierung als eine wirkliche Chance begreifen, alle Regionen in NRW zu stärken.

In der interkommunalen und regionalen Zusammenarbeit liegt ein wesentlicher Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Wir als Landesgesetzgeber können heute in Richtung des Ruhrgebietes und der anderen Regionen nur sagen: Nutzt die Chancen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger für eine positive wirtschaftliche Entwicklung.

(Beifall von der CDU)

Ein Beispiel aus OWL: „It`s OWL“ – dieser Cluster ist ein gutes Beispiel dafür, wie erfolgreiche Zusammenarbeit praktiziert werden kann.

Rückblickend war für uns als CDU wichtig, Bedenken, die es bekanntermaßen reichlich gab und gibt, ernst zu nehmen und bestenfalls auch aus der Welt zu schaffen. Daher gibt es gegenüber den ersten Entwürfen mit dem vom Kommunalausschuss vorgelegten gemeinsamen Änderungsantrag wichtige Verbesserungen: zum Beispiel die Beibehaltung der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft im RVR, verbunden mit der Möglichkeit, diese einseitig kündigen zu können;

(Beifall von Marie-Luise Fasse [CDU])

Verfahrenserleichterungen, eine Fristverlängerung, der Ausschluss der Konnexität, was befürchtet worden war; sowie der Ausschluss von direkt laufenden Finanztransfers aus dem GFG zulasten anderer Regionen. Außerdem ist der Aufgabenkatalog des RVR nun abschließend geregelt worden.

Der wichtigste Punkt: Wir haben politisch die Chancengleichheit aller Regionen sichergestellt. Keine Region wird durch das RVR-Gesetz schlechtergestellt.

(Beifall von der CDU)

Im Gegenteil: Das Ruhrgebiet wird ebenso gestärkt, wie alle anderen Regionen in NRW gestärkt werden. All dies ist jetzt ein Angebot an die Städte und Gemeinden. Es liegt nun an den Regionen und Kommunen im RVR, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, um die Anforderungen an die Zukunft regional und interkommunal zu bewältigen.

Die Voraussetzungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum durch Bündelung der Kräfte sind gegeben. Nutzen Sie im RVR jetzt diesen Vertrauensvorschuss gut, der Ihnen mit diesem Gesetzentwurf gegeben wird. Wir erwarten vom RVR als Vorreiter mehr gemeinsame Arbeit und dadurch mehr Effizienz oder Effektivität. Lassen Sie uns in diesem Sinne das Gesetzespaket bitte gemeinsam als Chance begreifen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kuper. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen, meine Herren! Frau Vorsitzende! Lassen Sie mich an die Worte von Thomas Eiskirch anknüpfen. Er begann mit dem Hinweis: Ein guter Tag für die Metropole Ruhr – er sprach von „Ruhrgebiet“; ich spreche von „Metropole Ruhr“ – und für NRW. – Das sehen wir genauso.

Wir schließen damit einen langjährigen – und das will ich durchaus zugestehen; ich habe es so nicht erwartet – und sehr kontrovers diskutierten Prozess zur Novellierung des RVR-Gesetzes ab. Alle Beteiligten – und damit meine ich auch die Beteiligten aus dem Münsterland, aus Ostwestfalen-Lippe oder auch aus den Regionalräten – waren sich einig, dass das Zusammenwirken der Städte und Kreise im Ruhrgebiet zu stärken ist.

Die Vernetzung innerhalb des Ruhrgebietes und die Beziehungen in das angrenzende Umland sind zu verbessern, damit die Metropole insgesamt eine entsprechende Aufwertung erfahren soll. Diese Einigkeit bestand; das bestätigte zum Beispiel der Regionalrat Düsseldorf in seiner Stellungnahme aus dem April 2013.

Genau diese Intention verfolgt dieser Gesetzentwurf. Wir reihen uns ein in frühere Vorlagen, die in diesem Haus beschlossen worden sind. Ich erinnere nur an das Gesetz über den Regionalverband aus 2003/04, in dem insbesondere dem Regionalverband die Möglichkeiten zur interkommunalen Zusammenarbeit in den Bereichen Freizeit, Erholung, Kultur und Wirtschaftsförderung gegeben worden sind, aber auch an die Möglichkeiten zur Erarbeitung von interkommunalen Flächennutzungsplänen.

Ich erinnere an das Gesetz zur Übertragung der Regionalplanung für die Metropole Ruhr auf den Regionalverband Ruhr in den Jahren 2006 und 2007. Damit wurden erstmalig dem RVR als Regionalplanungsträger die Aufgaben übertragen, städteübergreifende Lösungen beispielsweise in der Freiraumgestaltung oder in der Ausweisung von Gewerbe- und Wohnflächen zu suchen.

Gleichzeitig – 2006/07 – wurde dem RVR das Beratungsrecht für raumbedeutsame und strukturwirksame Planungen und Förderprogramme wie den Städtebau, die Abfallbeseitigung oder für Kultur und Tourismus zugestanden. So wurde das seinerseits beschlossen, und das geschah in breitem Konsens. 2003/04: SPD, Grüne und CDU. 2006/07: CDU, FDP und Grüne, und die SPD hätte dem damals auch zugestimmt, wenn man den Verbandausschuss unter Einbeziehung der Oberbürgermeister beibehalten hätte. Das will ich durchaus zugestehen.

Aber wir haben in der Vergangenheit erfahren müssen – ich erinnere nur an Bemühungen der Ruhrgebietsstädte, das Thema „Vermessungs- und Katasterwesen“ unter dem Dach des Zweckverbandes zu organisieren –, dass hier die Aufgaben des RVR einschränkender Natur sind. Insofern ging es darum, ihm mögliche Kompetenzen zu übertragen bzw. die Möglichkeiten der interkommunalen Kooperation unter dem Dach des Regionalverbandes weiter auszuweiten in Anlehnung an den Rahmen, den wir bereits jetzt im Gesetz zur kommunalen Gemeinschaftsarbeit haben.

Die heute zu beschließende Vorlage verfolgt nicht das Ziel, Kompetenzen oder Gelder zulasten anderer Regionen auf den RVR zu übertragen. Wenn gerade noch einmal ausgeführt worden ist, dass er keine GFG-Gelder bekommt, dann muss man sagen: Das stand auch nie zur Diskussion.

Wir haben immer deutlich gemacht: Wir werden keine Mittelverschiebungen zulasten anderer Regionen bzw. zugunsten des RVR vornehmen. Ganz im Gegenteil! Wir machen noch einmal deutlich – deswegen verweise ich auch gerne auf den Entschließungsantrag –: Alle anderen Regionen sind aufgefordert, sich auf vergleichbare, für sie passgenaue Wege zu begeben, um so das Thema „Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit“ zu vertiefen.

Dazu haben wir die Grundlage mit dem neuen Gesetz zur kommunalen Gemeinschaftsarbeit geschaffen. Wenn es in diesem Zusammenhang Hemmnisse gibt, wenn noch Ergänzungsbedarf besteht, dann möge man das uns wissen lassen. Wir greifen das dann gerne auf.

Kommen wir zum Thema „Direktwahl“. Ich möchte gerne auf einen der Hauptakteure eingehen, unseren lieben, netten LWL-Direktor Löb, der das immer wieder thematisiert hat: Da gibt es ein Ruhrparlament, da werden dem Land Kompetenzen genommen, das geht zulasten anderer Regionen. – Ich kann dazu nur sagen: Herr Löb, wenn Sie der Auffassung sind, die bräuchten das nicht, dann weiß ich nicht, wie Sie dazu kommen. Wenn Sie der Meinung sind, wir als LWL bräuchten das nicht, dann sollte man nicht zu der Schlussfolgerung kommen: Weil wir das nicht brauchen, brauchen andere das auch nicht. – Diesen Eindruck habe ich gewinnen können.

Wenn man sich einmal genauer anschaut, wie denn bisher die Entsendung der Delegierten ausgesehen hat – ich lasse das Thema „Reservelisten“ einmal außen vor –, stellt sich die Situation – da wird mir Norbert Römer zustimmen –, bezogen auf die Frage: „Wer geht wohin?“, folgendermaßen dar: Du gehst in den Aufsichtsrat A, du in den Aufsichtsrat B, und du – wenn noch einer überblieb – gehst zum RVR.

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.

Mario Krüger (GRÜNE): Wir hatten oftmals Prozesse, die die Abstimmung unnötig erschwert haben, weil die Leute immer wieder Rücksprache mit ihren jeweiligen Fraktionschefs haben nehmen müssen. Das wollen wir aber nicht. Vielmehr wollen wir über die Direktwahl eine Situation herstellen, in der sich die Leute der Region verpflichtet fühlen und entsprechend legitimiert sind.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Mario Krüger (GRÜNE): Ich komme zu meinem letzten Punkt. Da möchte ich gerne Bezug nehmen auf eine Aussage seitens der Piraten vom 30. August 2013, vorgetragen von Joachim Paul als Fraktionsvorsitzendem, gerichtet an den Regionalrat Detmold:

Gerade die Anstrebung demokratischer Prinzipien ist für uns kein Argument gegen, sondern unbedingt ein Argument für das Anliegen in der Region.

Insofern bin ich nun gespannt, wie Sie gleich Ihre Ablehnung begründen. Sollte in diesem Zusammenhang Handlungsbedarf für andere bestehen, greifen wir ihn gerne auf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Demnächst wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie meine Förderhinweise auch umsetzen würden.

(Kai Abruszat [FDP]: Bedenken Sie das auch bei meiner jetzt folgenden Redezeit?)

– Natürlich, ich bin großzügig bei allen. Nun spricht Herr Kollege Abruszat für die FDP-Fraktion.

Kai Abruszat (FDP): Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Ruhrgebiet braucht dringend eine Perspektive. Was es aber nicht braucht, ist das heute zur Abstimmung stehende RVR-Gesetz.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Was das Ruhrgebiet braucht, sind Impulse für Wachstum und Beschäftigung. Was das Ruhrgebiet nicht braucht, ist ein künstlich durch Direktwahl aufgepepptes sogenanntes Ruhrparlament,

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

es sei denn, Sie meinen mit „mehr Wachstum und Beschäftigung“ mehr Versorgungsposten. Dann könnte das Gesetz natürlich einiges dafür tun.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der SPD)

Im „Westfälischen Anzeiger“, Herr Kollege Eiskirch, steht heute wunderbar zu lesen – ich zitiere –:

„Mehr lukrative Posten und luxuriöse Dienstwagen sind sicher, aber die erhoffte Verbesserung für das vom Strukturwandel gebeutelte Ruhrgebiet bleibt ungewiss.“

Ein ganz tolles Zitat, meine Damen und Herren!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Josef Hovenjürgen [CDU]: Abenteuerlich!)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Abruszat, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt unterbreche …

(Zurufe)

Kai Abruszat (FDP): Ich möchte jetzt erst fortfahren. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin nicht der Auffassung, dass wir in Nordrhein-Westfalen einen Mangel an Bürokratie oder Verwaltungsebenen hätten. Wir haben die Landesministerien, die Regierungsbezirke, die Landschaftsverbände, wir haben die Kreise, wir haben die Kommunen, und Sie setzen durch die strukturelle Änderung beim RVR quasi eine zusätzliche sechste Bürokratieebene dauerhaft dazwischen.

(Zuruf von der CDU: Quatsch!)

Anstatt wirklich einmal darüber einmal nachzudenken, im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung über Verwaltungsebenen zu sprechen, werden hier zusätzlich neue Strukturen geschaffen. Das ist für uns nicht der richtige Weg. Diese neue Ruhrparlamentsebene ist eher eine para-parlamentarische Einrichtung,

(Michael Hübner [SPD]: Oh je, oh je! – Weitere Zurufe von der SPD)

und sie passt auch überhaupt nicht zur gesamten Architektur im Aufbau unseres Landes. Das ist doch der entscheidende Punkt!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich schon auf meine Rede einlassen, dann will ich Ihnen sagen: Sie entwerten durch dieses Gesetz vor allen Dingen den Landtag selbst.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie entwerten vor allen Dingen den Landtag selbst; denn der Landtag ist die Volksvertretung aller Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Das muss hier einmal festgestellt werden.

Ich habe Herrn Eiskirch, Herrn Kuper und Herrn Krüger zugehört. Wenn ich diese Reden zusammenfasse und einen Strich darunter ziehe, komme ich zu dem Ergebnis, dass ja eigentlich alles ganz toll ist und dass Sie sich eigentlich alle einig seien. Die Wahrheit sieht offensichtlich anders aus.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Ich weiß, dass es laut Presse bei der SPD-Fraktion Gegenstimmen gegeben haben soll.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Ich weiß, dass es bei der CDU-Fraktion gegenüber diesem Gesetzesvorstoß erhebliche Vorbehalte gegeben hat und auch gibt.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Skandal!)

Tun Sie also bitte nicht so! Führen Sie in dieser Debatte die Bürger in Nordrhein-Westfalen nicht hinter die Fichte, indem Sie sagen, alles sei Friede, Freude, Eierkuchen. Das RVR-Gesetz ist alles andere als ein unumstrittenes Gesetzesvorhaben Ihrer Parteien.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Nicht nur die Abgeordneten aus einigen Regionen Nordrhein-Westfalens haben zu Recht Bedenken; es sind auch die Landschaftsverbände – das ist angeklungen –, es sind auch Regionalräte. Ich darf daran erinnern, dass wir das in der Anhörung entsprechend gehört haben.

Natürlich ist interkommunale Zusammenarbeit auch auf einer regionalen Ebene ein Schlüssel. Da haben wir keinen Nachholbedarf; wir haben in den letzten Jahren viele Parlamentsinitiativen in dieser Sache ergriffen. Aber ich sage Ihnen, was uns stört: Uns stört dieser isolierte Blickwinkel. Ich gebe Ihnen noch ein Zitat von Herrn Prof. Oebbeck mit auf den Weg.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Oebbecke heißt er!)

Dieses Zitat hat gar nichts mit rechtlichen Dingen zu tun, sondern mit der Gesetzessystematik, mit der Sie begonnen haben. Ich zitiere:

„Dass das Vorhaben in irgendeiner Weise in eine Konzeption für die Entwicklung der Verwaltung im Lande eingebettet wäre, die dann auch andere Teile des Landes einbeziehen müsste, ist nicht erkennbar.“

Dieser isolierte Blickwinkel wird der Sache definitiv nicht gerecht.

(Beifall von der FDP – Beifall von Werner Jostmeier [CDU])

Weil dieses Gesetz die Probleme des Ruhrgebiets nicht löst, gilt der alte Grundsatz von Montesquieu, der zu Recht gesagt hat:

„Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“

Deswegen werden wir das auch ablehnen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Beifall von Werner Jostmeier [CDU])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Für die Piraten spricht Frau Kollegin Brand.

Simone Brand (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Ich möchte gleich zu Beginn sagen, dass wir uns als Piraten die Sache mit dem RVR nicht einfach machen. Wir sind wirklich hin- und hergerissen. Das werden Sie an den Argumenten erkennen, die für uns ausschlaggebend waren.

Letztlich lehnen wir im Ergebnis nach einer sorgfältigen Abwägung das Gesetz ab. Warum ist das so?

Auf der einen Seite gibt es gute Ansätze, die wir auch immer wieder im Land vertreten haben und weiter vertreten werden.

Da ist in erster Linie die Direktwahl. Die angestrebte Stärkung demokratischer Prinzipien ist für uns kein Argument gegen, sondern unbedingt ein Argument für das Anliegen der Akteure in der Region. Insofern begrüßen wir vor allem die Aufwertung der Verbandsversammlung über die Direktwahl der Mitglieder.

Ebenso würden wir im Übrigen auch die Direktwahl der Regionalräte beziehungsweise der Landschaftsverbände begrüßen. Aber dies wird sicher nach Verabschiedung dieses Gesetzes noch in Angriff genommen werden. Ansonsten gäbe es tatsächlich die Teilung des Landes, die immer wieder als Hauptargument gegen das RVRG ins Feld geführt wird.

Der so durch das Gesetz betriebenen weiteren Verschiebung der demokratischen Architektur hin zu den Regionen stehen wir positiv gegenüber. Es ist aber auch wichtig, dass die Aufwertung des RVR mit einer Verstärkung der Beteiligungsmöglichkeiten und Beteiligungsrechte der Menschen in der Region einhergehen muss. Dies ist aber nicht der Fall.

Weiter stehen wir der Einrichtung einer weiteren bloß repräsentativen Institution kritisch gegenüber, da wir mit ihr nicht die wachsende Distanz zwischen den Menschen und den politischen Akteuren überwinden werden. Damit wird letztlich der Direktwahl wieder das ganz große Stück von ihrem Glanz genommen.

In diesem Zusammenhang sind weitere nicht sinnvolle Neuerungen im Gesetz zu nennen, die letztlich die Waage ins Negative schwenken lassen: die Einrichtung eines Europabüros, des Kommunalrats und die Verlängerung der Amtszeit der Direktorin des RVR. – Das alles führt zu Verfestigungen und nicht zur demokratischen Lockerung, die gerade in diesen Zeiten wichtig wäre.

Kommen wir erstens zur Direktorin. Zum einen kann damit auch eine Verfestigung von Schwierigkeiten in Bezug auf die Arbeit mit der Verbandsversammlung und ihrer jeweiligen Mehrheit einhergehen, da die Direktorin eben nicht immer nur ein verwaltungsrechtlich verlängerter Arm der Versammlung ist.

Zum anderen muss die Unterschiedlichkeit mit den anderen kommunalen Vertretungen benannt werden, die in den meisten Fällen eben keine Laufzeit von acht, sondern in der Regel nur von fünf Jahren vorsehen. Der Vergleich mit den anderen Kommunalverbänden ist deshalb nicht einschlägig, weil auch dort eine Unterschiedlichkeit der Zeiträume zu einer nicht konsistenten Arbeit führen kann.

Zweitens nenne ich das Europabüro. Zwar wird im Begründungstext aufgeführt, eine Erweiterung über den Kompetenzbereich der Verbandsmitglieder hinaus werde nicht begründet. Falls es aber zur Einrichtung eines Büros unter anderem in Brüssel, Straßburg oder Luxemburg käme, müsste man sich fragen, ob dies nicht über den Bereich der kommunalen Aufgaben hinausginge und ob nicht eine Landesvertretung für Nordrhein-Westfalen zur Deckung der europäischen Herausforderungen ausreichend sein dürfte.

Letztlich sieht es eher wieder nach Verwaltungsaufbau in Bereichen aus, die es nicht nur schon gibt, sondern die es auch schon mehrfach gibt.

Als drittes und letztlich schwerstes Argument gegen diese Art des RVRG ist der Kommunalrat anzuführen. Die Einrichtung eines Kommunalrats wird unsererseits abgelehnt. Dieser soll aus den Hauptverwaltungsbeamten der Mitgliedskörperschaften als ergänzendes Gremium mit beratender Funktion bestehen. Wir erkennen die tatsächliche Motivation zur Schaffung eines solchen Gremiums, der sich nicht nur auf die Kompetenz der HVBs beschränken lassen kann. Die angesprochenen Personen waren im bisherigen System ein Fremdkörper, und sie werden es auch im neuen sein, jedoch ohne direkte Einflussmöglichkeit.

Es lassen sich hierbei positive wie negative Effekte feststellen, wobei meines Erachtens die Gefahren überwiegen. Einerseits enden unerwünschte Formen direkter Einflussnahme, weil durch einen Kommunalrat die direkte Verantwortlichkeit des Gewählten in seiner Eigenschaft als Verbandsversammlung kraft Direktwahl durch den Bürger gewährleistet werden kann. Dies war mit der Stellung als gewählter Oberbürgermeister oder Landrat nicht möglich, denn derjenige war zwar als Stadtoberhaupt, aber eben nicht als Vertreter im RVR gewählt worden.

Auf der anderen Seite könnte dies zu einer Einführung eines Zweikammersystems durch die Hintertür führen. Dies wäre dann der Fall, wenn dem angedachten Beratergremium durch Gesetz oder aber auch durch Verbandsordnung im Sinne des § 14a Abs. 2 Satz 2 RVRG eine Vorrangschaltung in Bezug auf den Ablauf von institutionalisierten Vorgängen im RVR zukommen sollte. Diesem Beratergremium könnte man im Nachhinein das Recht einräumen, zu entscheiden, was überhaupt im RVR zu entscheiden ist.

Präsidentin Carina Gödecke: Bitte beachten Sie die Redezeit.

Simone Brand (PIRATEN): – Letzter Satz: Es wäre eine Art Vorrangprüfung durch ein nicht unmittelbar dazu gewähltes Gremium; letztlich wäre der heutige Zustand nicht wiederhergestellt, sondern noch überboten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier endet eine intensive und, Herr Abruszat, überwiegend konstruktive und sachliche Diskussion der letzten Wochen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben in verhältnismäßig kurzer Zeit alle Facetten der kommunalen Zusammenarbeit beleuchtet und ein Modell vorgelegt, das dem RVR guttun wird.

Bei wirklich objektiver Betrachtung wird durch dieses Gesetz dem RVR keine Sonderstellung eingeräumt. Seine Mitglieder werden auch nicht entmachtet, und es werden auch keine ureigenen kommunalen Aufgaben herausgerissen. Im Gegenteil: Der Verband bekommt mehr Gewicht, die betroffenen Kommunen werden darunter nicht leiden, sondern es werden im Gegenteil dem RVR gemeinsame Aufgaben übertragen. Ich denke, der Gesetzentwurf bietet eine Chance, durch diese Kooperation noch mehr Synergien zu erzielen.

Was in dieser Debatte in den letzten Wochen eine große Rolle gespielt hat – das gehört zur Ehrlichkeit dazu –, ist die Wirkung dieses Gesetzes auf andere Regionen Nordrhein-Westfalens. Es bestand die Furcht, dass die anderen Regionen durch die Stärkung dieses RVR geschwächt würden. Die Debatte heute hat wohl gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich denke, es ist allen Beteiligten klar geworden, dass es eine besondere Region ist.

Man muss sich auch mit der besonderen Geschichte des RVR auseinandersetzen – eine über Jahrzehnte gewachsene Gemeinschaft. Der RVR und seine besondere Bedeutung für das Ruhrgebiet kann kein Parlament, kann keine Regierung einfach nur „schaffen“. Da ist etwas zusammengewachsen, da ist etwas entstanden. Da hat sich seit den 1920er-Jahren des letzten Jahrhunderts etwas entwickelt. So wie gestern fast das ganze Ruhrgebiet erfolgreich dem BVB die Daumen gedrückt hat, so erfolgreich werden auch die Kommunen im Ruhrgebiet zusammenarbeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Jäger. – Weitere Wortmeldungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen nicht vor. Wenn das so bleibt, was ich hiermit feststelle, schließe ich die Debatte.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich Sie gern darüber informieren, dass Herr Kollege Jostmeier von der CDU eine Erklärung zu seinem Abstimmungsverhalten gemäß § 47 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung hier beim Sitzungsvorstand schriftlich abgegeben hat. Diese Erklärung wird dann im Protokoll nachzulesen sein, so wie es die Geschäftsordnung vorsieht. (Siehe Anlage 2)

Wir kommen nun zur Abstimmung erstens über den Gesetzentwurf Drucksache 16/6866. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in Drucksache 16/8464, den Gesetzentwurf in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer dieser zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, die CDU-Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – FDP, die Piratenfraktion und sieben Mitglieder der CDU-Fraktion. Wer möchte sich enthalten? – Bei zwei Enthaltungen aus der CDU-Fraktion ist damit die Beschlussempfehlung Drucksache 16/8464 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/6886 in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir stimmen zweitens ab über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/8543. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die CDU-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die FDP und acht Gegenstimmen aus der CDU-Fraktion. Wer möchte sich enthalten? – Wiederum gibt es zwei Enthaltungen in der CDU-Fraktion. Außerdem hat sich die Piratenfraktion komplett enthalten. Der Entschließungsantrag Drucksache 16/8543 ist aber trotzdem mit dem richtig protokollierten und festgestellten Abstimmungsergebnis mit großer Mehrheit angenommen worden. Wir sind damit am Ende der Beratung zu Tagesordnungspunkt 6.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

7   Freiwilligendienste stärker unterstützen und anerkennen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8294

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Kern das Wort.

Walter Kern (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Bereits seit über einem halben Jahrhundert gibt es die gute Idee, junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren zu motivieren, sich in einem Freiwilligen Sozialen Jahr – oder FSJ – zivilgesellschaftlich und gemeinwohlorientiert zu engagieren.

Heute bringen sich annähernd 12.000 junge Menschen in Nordrhein-Westfalen im FSJ ein. Darüber hinaus sind in unserem Bundesland rund 8.800 Freiwillige im Bundesfreiwilligendienst engagiert. Abgerundet werden die Freiwilligendienste durch das Freiwillige Ökologische Jahr, den Internationalen Freiwilligendienst, den Europäischen Freiwilligendienst und die Initiative „weltwärts“.

Jedem hier im Plenarsaal ist klar: Ohne die Freiwilligendienste würde unserer Gesellschaft sehr viel fehlen. Sie sind ein Zukunftsmodell, ob in der Wohlfahrtspflege, in der Kinder- und Jugendhilfe, ob in den Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung oder der Jugendarbeit, ob in der Gesundheitspflege oder in der Kultur, ob im Sport oder in gemeinwohlorientierten Einrichtungen der Denkmalpflege. Die Wahrheit ist, diese jungen Freiwilligen leisten Großartiges. Hier werden die Persönlichkeiten geformt, die morgen die Leistungsträger unseres Gemeinwohls, unserer Gesellschaft sind.

(Beifall von der CDU)

Ihnen gelten – da spreche ich wohl im Namen aller – unser Respekt, unser Dank und unsere Anerkennung.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von Dagmar Hanses [GRÜNE])

So weit, so gut. Aber, meine Damen und Herren, gutes Benehmen ist keine Einbahnstraße. Am 22. Januar dieses Jahres hat die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen zusammen mit dem Landesarbeitskreis des FSJ/BFD in Nordrhein-Westfalen und dem Landesjugendring NRW ausführlich im Ausschuss für Kinder, Familie und Jugend vorgetragen, wie wichtig das heute von uns angesprochene Thema ist.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen – also wir – muss diese Anregungen und Argumente ernst nehmen und die Leistungen der Freiwilligendienste in Nordrhein?Westfalen fühlbar anerkennen, und das nicht nur verbal, sondern konkret. Darauf zielt der CDU-Antrag ab. Anerkennungskultur für das Engagement der Freiwilligen muss weiter gehen. Es gibt einen bunten Strauß von Lösungen.

Wie können wir neue Perspektiven zur Ausgestaltung des Freiwilligen Sozialen Jahres entwickeln und schaffen? In einer aktiven Bürgergesellschaft ist die Gemeinwohlorientierung Charakter und Ziel der Arbeit, ob Freiwilligkeit, Selbstorganisation, ob Eigenverantwortung oder Eigeninitiative bzw. gegenseitige Unterstützung.

Der Landesarbeitskreis FSJ/BFD in Nordrhein-Westfalen, die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und der Landesjugendring haben uns, dem Ausschuss, detaillierte Vorschläge zur Weiterentwicklung gemacht. Sie reichen von der gesellschaftlichen Wertschätzung des Engagements der Freiwilligen über die Anerkennung der zivilgesellschaftlichen Akteure, von der Wertschätzung der Freiwilligendienste als Lerndienst bis hin zur Annäherung, die Dienste des FSJ und des Bundesfreiwilligendienstes für Freiwillige unter 27 Jahren zusammenzuführen.

Diese Vorschläge sind unseres Erachtens sehr diskutabel. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen mit dem Ziel, Ansprüche auf verbindliche Vergütung für Freiwillige, zum Beispiel auf ein NRW-weites Ticket ähnlich dem Studententicket, herzuleiten.

(Beifall von der CDU)

Darüber hinaus könnte der Freiwilligendienst mehr als bisher zu zeitlichen Anrechnungs- und Bonussystemen an Hochschulen oder Ausbildungsstellen führen. Nebenbei bemerkt: Gute, zukunftsorientierte Arbeitgeber rekrutieren ihren Nachwuchs bereits heute bewusst aus diesem Potenzial.

Es muss darüber gesprochen werden, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, welche Vergünstigungen und kulturellen Einrichtungen Kommunen für die Freiwilligen schaffen können. Wir fordern daher die Landesregierung auf, hier initiativ zu werden.

Ein besonderes Augenmerk sollte zudem auf den Abbau von Bürokratie und die Vereinfachung der Förderregeln gelegt werden. Dazu sollten die Richtlinien zur Durchführung der Jugendfreiwilligendienste überarbeitet werden.

Ich komme zum Schluss. Freiwilligendienste dürfen nicht nur ein Privileg von Jugendlichen mit höheren schulischen Bildungsabschlüssen sein. Hier gibt es noch freie Potenziale, die es zu heben gilt. Die jungen Freiwilligen brauchen unsere Anerkennung und müssen dies auch spüren.

(Beifall von der CDU)

Wir sollten zusammen mit den Trägern Konzepte dazu entwickeln. Das gilt meines Erachtens insbesondere für die bessere Einbindung benachteiligter Jugendlicher in das FSJ, sprich: Inklusion. Das ist sicherlich ein dankbares Handlungsfeld.

Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, die CDU bietet den anderen Fraktionen einen offenen Dialog über dieses wichtige gesellschaftliche Thema an. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Rahe.

Ernst-Wilhelm Rahe (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat anfangen: „Wenn ich keinen Zivildienst gemacht hätte, dann hätte ich in meinem technischen Beruf niemals die menschliche Erfahrung gemacht, die ich heute habe.“ – Diesen Satz habe ich vor vielen Jahren von einem jungen Zivildienstleistenden gehört, der in der Schwerstbehindertenbetreuung eingesetzt war. Damals war ich in einer Sozialstation für den Einsatz von Zivis zuständig. Ich habe auch viele Fachkräfte in der Pflege kennengelernt, die ihren Berufseinstieg durch den Zivildienst gefunden haben.

Was für den damaligen Zivildienst galt, gilt auch heute für die Freiwilligendienste.

Erstens. Das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr und der Bundesfreiwilligendienst sind wichtig für unsere Gesellschaft. Sie verbessern die Lebensqualität von Menschen mit Hilfebedarf. Sie fördern die natürlichen Lebensbedingungen, und sie stärken unsere soziale Infrastruktur. Und nicht nur das – wenn Berufsbiografien mit einem Freiwilligendienst beginnen, kann das ein praktischer Beitrag für die Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft sein.

Zweitens. Die Freiwilligendienste sind auch ein wichtiger Teil der Bildung und nicht zuletzt der Persönlichkeitsentwicklung. Soziale Verantwortung übernehmen und im Team arbeiten, lernen, eigene Erfahrungen zu sammeln, das bereichert das Leben. Genau dabei werden die Kompetenzen entwickelt, die man auch in der beruflichen Karriere braucht, selbst wenn man nicht in einem sozialen Beruf arbeitet. Das fördert wiederum ein inklusives Klima.

Drittens. Die Freiwilligendienste sind ein wichtiger Baustein, um auch in Zukunft den Fachkräftebedarf in sozialen Diensten zu sichern. Denn viele junge Menschen entwickeln in dieser Zeit eine entsprechende berufliche Orientierung. Und – auch das ist kein Geheimnis – wir benötigen im Sozialen künftig eher mehr als weniger Fachkräfte.

So gesehen ist es gut, dass die CDU-Fraktion – Herr Kern hat es gesagt – mit dem vorliegenden Antrag unsere Diskussion vom Januar im Ausschuss aufgegriffen hat.

Wir müssen bei diesem Thema also keine unnötige Angriffsenergie entwickeln, denn die Weiterentwicklung der Freiwilligendienste ist einerseits ein wichtiges Thema im Koalitionsvertrag von Rot-Grün hier im Landtag. Andererseits ist auch im Vertrag der Großen Koalition in Berlin Entsprechendes vereinbart.

Jetzt legt die CDU einen besonderen Schwerpunkt auf den Personennahverkehr und auf Ermäßigungen in kulturellen Einrichtungen. Dabei muss man zunächst darauf aufmerksam machen, dass bereits heute viele kulturelle Einrichtungen – vielleicht noch in der Tradition des Wehr- und Zivildienstes – Vergünstigungen anbieten. Das gilt übrigens auch für viele Verkehrsbetriebe. Hierfür kann man natürlich weiter werben, ohne gleich eine gesetzliche Regelung einzuführen.

Wir sollten im Ausschuss vielmehr darüber diskutieren, wie wir in NRW noch weiter gehende Aktivitäten entwickeln können, um – das ist schon gesagt worden – die Anerkennungskultur für Freiwillige weiterzuentwickeln.

In Punkt 3 des Beschlussteils fordert die CDU ebenfalls etwas, was natürlich wünschenswert ist, aber längst im Land bewegt wird. Wir fördern aus dem Kinder- und Jugendförderplan die Bildungsarbeit in den Jugendfreiwilligendiensten. Mit Blick auf benachteiligte Jugendliche fördert das Land konkrete Projekte, um zum Beispiel Hauptschüler für den Freiwilligendienst zu gewinnen.

Beim Freiwilligen Ökologischen Jahr haben wir in Nordrhein-Westfalen bereits so etwas wie eine Quotenregelung. Damit stellen wir sicher, dass die Stellen auch mit Schülerinnen und Schülern mit Sek-I-Abschluss und auch von jungen Menschen, die keinen Abschluss haben, besetzt werden.

„Inklusion“ ist ein Stichwort, das im CDU-Antrag ausschließlich im Hinblick auf benachteiligte Jugendliche verwendet wird. Wir sollten auch hier einen Schritt weiterdenken und gute Erfahrungen einbeziehen. Zum Beispiel hat die „Lebenshilfe“ in Nordrhein-Westfalen ein Tandemprojekt erfunden. Hier wurden Menschen mit geistigen Behinderungen erfolgreich für die Freiwilligenarbeit gewonnen. Sie leisten ihre Arbeit gemeinsam mit einem zweiten Freiwilligen ohne Behinderung. So etwas sollten wir aufgreifen.

Um es also kurz zu machen: Es wird schon viel getan, aber wir begrüßen, dass die CDU mit Ihrem Antrag dieses Thema wieder aufgreift. Wir meinen, dass man mehr daraus machen kann. Darum hoffe ich, dass es im Ausschuss zu einer konstruktiven Diskussion kommt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Rahe. Nach dieser ostwestfälischen Übereinstimmung zwischen den beiden Sprechern kommt nun die südwestfälische Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Frau Kollegin Hanses. Bitte schön.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident, gucken wir einmal, ob es mit der Übereinstimmung so bleibt. – In Teilen ja, liebe CDU.

Freiwilligendienste, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind für unsere Gesellschaft ein Geschenk. Im FSJ, im FÖJ sowie in allen anderen Einsatzbereichen – auch im politischen Leben und in der Kultur – schenken junge Menschen der Solidargemeinschaft ihre Zeit, ihr Engagement und ihre Fähigkeiten. Das ist unbestritten ein Gewinn für alle. Es ist ein Gewinn für die Persönlichkeitsentwicklung der Freiwilligen, die dies als Bildungs- und Orientierungsjahr nutzen, sowie für die Menschen in den Einsatzstellen, die unmittelbar davon profitieren.

Dabei sind die Prinzipien einer aktiven Bürgerinnen- und Bürgergesellschaft auch die Prinzipien des FSJ und des FÖJ. Das sind die Freiwilligkeit, die Selbstorganisation, die Eigeninitiative und die Verantwortungsübernahme für sich und andere.

Wir in Nordrhein-Westfalen haben da noch einmal eine besondere Akzentuierung. Wir legen besonderen Wert auf die Qualifizierung und Bildung, deren Förderung im Kinder- und Jugendförderplan verankert ist. Wir legen – durch eine verbindliche Quote für Jugendliche und junge Erwachsene auch ohne Abitur – Wert auf eine breite Aufstellung. Die Anzahl der Plätze – das wurde schon beschrieben – hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verzehnfacht. Aktuell sind es 11.700. Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber übersteigt diese Zahlen noch einmal. Je nach Einsatzgebiet gibt es in den unterschiedlichen Einsatzstellen eine sehr hohe Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern.

Dadurch wird für uns deutlich: Die Jugend in Nordrhein-Westfalen ist besser als ihr Ruf. Junge Menschen wollen sich engagieren. Junge Menschen sind bereit, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Walter Kern [CDU])

Auch die Träger der Freiwilligendienste haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie haben die Plätze massiv ausgebaut, und sie haben massiv in die Bildung und Qualifizierung investiert.

Noch einen Einwurf zum Bundesfreiwilligendienst, denn wir Grüne hatten bei der Einführung 2011 massive Kritik: Sie bezog sich auf zwei unterschiedlich ausgestattete Säulen nebeneinander mit unterschiedlicher Struktur, unterschiedlicher Bürokratie und unterschiedlicher Förderung. Daran hatten wir viel Kritik. Doch trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen, lieber Kollege Kern, hat sich der Bundesfreiwilligendienst etabliert. Er wird gut angenommen.

(Beifall von den GRÜNEN und Walter Kern [CDU])

Dieser Realität stellen wir Grüne uns. Wir möchten mit Ihnen gerne gemeinsam auf die unterschiedlichen Freiwilligendienste schauen und überlegen, wie wir dort zu einer Anerkennungskultur kommen können.

Wir geht die Bundesregierung mit diesem Geschenk des Engagements um? Zu Recht schreiben Sie, dass die Instrumente der Anerkennungskultur gestärkt werden müssen. Gerne möchten wir das.

Doch wir möchten Sie gleichzeitig auf das hinweisen, was uns – Herr Kollege Rahe hat es angesprochen – in Ihrem Antrag noch fehlt: Die Inklusion ist in Ihrem Antrag nur einmal im Beschlusspunkt genannt. In der Begründung aber kam sie überhaupt nicht vor.

Ich kann aus der Praxis über großartige Beispiele berichten, welche Effekte es hat, wenn junge Menschen mit einem Handicap in eine Einrichtung kommen, da helfen können und mit ihren Fähigkeiten auch gebraucht werden. Das ist ein ganz wertvoller Beitrag in der Gesellschaft.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Grundlage, die wir in der Jugendhilfe kennen – die Subsidiarität, die klare Einhaltung des Trägerprinzips bei den Freiwilligendiensten –, ist in Ihrem Antrag deutlich zu kurz gekommen. Es ist für uns ein Grundprinzip der Freiwilligendienste, dass wir die Subsidiarität der Träger erhalten und stärken wollen.

Wir möchten mit Ihnen gerne neben den genannten auch noch über andere Formen der Anerkennung nachdenken. Wie steht es beispielsweise auf Bundesebene mit einem eigenen Wohngeldanspruch für junge Freiwillige mit eigener Wohnung? Wie sieht es mit der Entlastung der Einsatzstellen aus? Wie können wir dort zu einem Bürokratieabbau kommen? Da wollen wir gerne mit Ihnen gemeinsam genauer hinschauen. Wir finden, 50 Jahre nach Einführung des FSJ und vier Jahre nach Einführung des BFD haben es die jungen Menschen verdient, dass wir im Ausschuss mehr als einmal genauer hinsehen. – Vielen Dank und gute Beratungen!

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Walter Kern [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die FDP spricht Herr Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns wohl bei dem grundsätzlichen Anliegen dieses Antrages einig. In der Tat wollen wir alle die Freiwilligenkultur in diesem Land stärken und insbesondere junge Menschen bei diesem wichtigen Engagement unterstützen.

Auch das im vorliegenden Antrag formulierte Ziel, benachteiligte Jugendliche besser zu erreichen, als dies bislang der Fall ist, ist unstrittig. Tatsächlich ist das ein, wenn nicht das große Manko in dem bestehenden Programm, dass wir manche Jugendliche gut erreichen, manche aber auch nicht. Eine soziale Schieflage dürfen wir hier jedenfalls nicht dauerhaft zulassen.

(Beifall von der FDP)

Insofern geht der Antrag in die richtige Richtung. Wie genau eine landesweite Kampagne zur Werbung ausgestaltet sein müsste und ob es weitere Ideen hierzu gibt, können wir dann im Ausschuss besprechen.

Das Thema „Anerkennung“ ist ebenfalls wichtig. Natürlich wirft das unter anderem die Frage nach Vergünstigungen auf. Auch hier sind wir uns mit der CDU einig. Ich denke, dass Anerkennung aber über eine rein finanzielle Dimension hinausgeht.

(Beifall von Susanne Schneider [FDP])

Darüber wäre vielleicht ebenfalls zu reden.

Aber insgesamt nimmt die Wertschätzung für ehrenamtliches und freiwilliges Engagement in der Gesellschaft erfreulicherweise zu. Dass wir den jungen Menschen, die ja für ein relativ kleines Taschengeld arbeiten, auch bei Vergünstigungen helfen, ist natürlich richtig. Es macht ja tatsächlich keinen Sinn, dass etwa Studierende große Rabatte bekommen und die FSJler und BFDler nicht. Insbesondere das Thema „Fahrtkosten“ ist da zentral; die können das Taschengeld ansonsten ganz schön dezimieren.

Vergünstigungen können darüber hinaus ja auch Ausdruck einer Anerkennung sein. Wenn Einrichtungen sagen: „Du kommst hier vergünstigt rein, weil wir uns freuen, dass du dich in der Gesellschaft engagierst“, ist das mehr, als wenn man sagt: „Du hast wenig Geld, hier ist dein Rabatt.“ – Also: Ja, es wäre wünschenswert, dass wir bei den Vergünstigungen zu einem Mehr und zu einem „Überall ähnlich“ kommen. Hieran wollen wir als FDP mitarbeiten.

Nicht ganz schlüssig finde ich allerdings Ihren Forderungsteil. Das Anliegen unter Punkt 3 ist richtig; das hatte ich zu Beginn angesprochen. Punkt 2 ist bei der Frage nach Vergünstigungen aus meiner Sicht zentral, nämlich mit den Beteiligten an einen Tisch zu gehen und zu fragen: Bekommen wir hier eine breit getragene Lösung, sodass die Freiwilligen auf einem vergleichbaren Niveau Vergünstigungen bekommen?

Sie schreiben ja selbst, dass in einigen Verkehrsverbünden und in manchen Einrichtungen bereits Vergünstigungen gewährt werden. Insofern liegt es doch nahe, das im Sinne von Best Practice oder Vorbildcharakter mit denen zu diskutieren, die in ihren Bereichen noch keine Vergünstigungen vorsehen. Wenn das mancherorts klappt, wäre ich sogar optimistisch, dass man eine allgemeine Lösung vereinbaren kann.

Aber eines ist auch klar: Wenn man den Dialog und eine Verständigung möchte, dann muss man dem auch eine Chance geben und das Ergebnis abwarten. Insofern finde ich Ihre erste Forderung dazu nicht ganz so passend, direkt eine Bundesratsinitiative zu starten.

Ob es überhaupt möglich ist, verbindliche Vergünstigungen herzuleiten, wie Sie schreiben, weiß ich auch nicht. In jedem Fall wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, erst einmal die richtigerweise unter Punkt 2 angeführten Dialoge zu führen. Vielleicht können wir im Ausschuss schon die ersten Gespräche dazu führen. Ich bin gespannt auf die Debatte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Daniel Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles ist gesagt. Ich glaube, ich kann mich auch einigermaßen kurzfassen.

Zunächst herzlichen Dank an die CDU-Fraktion, Walter Kern, für den Antrag. Das ist hier jetzt ja schon paar Mal zur Sprache gekommen. Wir haben dieses Thema bereits im Ausschuss diskutiert – andiskutiert, das betone ich an dieser Stelle –, haben uns dazu ein wenig angehört. Wir müssen jetzt halt gucken, wie wir als Land Nordrhein-Westfalen, als Landtag Nordrhein-Westfalen die Wünsche und Belange der Freiwilligen, die in dem Bereich tätig sind, bzw. derer, die solche Stellen anbieten, unterstützen können, wie wir ihre Situation verbessern können.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss, möchte hier allerdings ganz kurz auf die drei Beschlusspunkte im Antrag eingehen.

Zu dem ersten Punkt: Das sehe ich ein bisschen anders, als Marcel Hafke es gerade gesagt hat; ich halte diesen Punkt tatsächlich für einen sehr zentralen. Hier reicht es auch nicht, dass einzelne Verkehrsbetriebe Vergünstigungen anbieten. Da brauchen wir tatsächlich eine landes- bzw. bundesweite Regelung. Hinsichtlich dieses Zieles sind wir bei der CDU.

Ich wundere mich an der Stelle allerdings schon; denn wenn mich meine politischen Kenntnisse nicht so ganz trügen, dann ist die CDU im Bundestag und in der Bundesregierung ja nicht ganz so mager vertreten. Also: Als CDU-Landtagsfraktion eine Bundesratsinitiative in die Wege zu leiten, wo doch vielleicht der kurze Draht zur CDU-Bundestagsfraktion auch eine Möglichkeit gewesen wäre – ich weiß nicht, ob das der sinnvolle Weg ist.

(Zurufe von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Insofern, lieber Walter Kern, die Bitte, auch von der Seite aus ein bisschen unterstützend einzugreifen. Die Kontakte sind ja da.

(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])

Es gibt Erfolgsmodelle – Walter Kern hat das eben auch angesprochen –, zum Beispiel das Semesterticket auch hier im Land, also eine umlagefinanzierte ÖPNV-Lösung. Wir Piraten stehen zu solchen Lösungen. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter; darauf will ich an dieser Stelle aber nicht eingehen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir hier für die Freiwilligen tatsächlich etwas Sinnvolles schaffen könnten.

Zum zweiten Punkt: Sehr wichtig, das sollten wir im Ausschuss tatsächlich tun; wir sollten mit den Kommunen reden, wir sollten natürlich auch mit den Verkehrsdiensten reden, vielleicht speziell mit denen – Marcel Hafke hatte das gerade schon gesagt –, die solche Lösungen bislang nicht anbieten, um zu gucken, wo da die Probleme liegen. Vielleicht ist das vor Ort noch kein Riesenthema gewesen. Ich glaube, da können wir viele Dinge in die richtige Richtung lenken. Ich halte den Landtag da für den richtigen Ort. Man sollte das gar nicht so der Landesregierung in die Schuhe schieben – Frau Ministerin Schulze spricht ja nachher in Vertretung für Frau Ministerin Schäfer –, sondern unsere Verantwortung als Landtag tragen und die entsprechenden Gespräche führen.

Dritter Punkt: Die Inklusion ist jetzt mehrfach angesprochen worden. Das geht natürlich schon. Aber ich bin mir sicher, dass die CDU-Fraktion weiß: Das geht natürlich längst nicht weit genug. Also, einfach eine Kampagne zu starten und irgendwie dafür zu werben, dass jetzt mehr benachteiligte Jugendliche in die Freiwilligendienste einsteigen, das wird letzten Endes nicht ausreichen. Wir haben in den Gesprächen ja auch mehrfach gehört, dass gerade dann, wenn Stellen oder Dienste angeboten werden, bei denen benachteiligte Jugendliche mitmachen sollen, einfach Geld erforderlich ist. Es braucht gegebenenfalls auch Betreuungspersonen, fachlich-medizinisch geschultes Personal. Das kostet alles ein bisschen Geld. Da ist nicht allein mit einer Kampagne geholfen.

Wie dem auch sei: Ich freue mich auf die weitere Beratung. Ich bin ganz gespannt. Ich glaube, dass wir alle bei dem Thema nicht wahnsinnig weit voneinander entfernt liegen und freue mich auf eine tolle Beratung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze in Vertretung für Frau Ministerin Schäfer.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Landesregierung begrüßt natürlich, dass die CDU die Bedeutung von Ehrenamtlichen und von freiwilligem Engagement für die Gesellschaft mit ihrem Antrag unterstreicht.

Sie formulieren aber in Ihrem Antrag Forderungen, die wir in der weiteren Beratung im Ausschuss differenziert diskutieren müssen. Sie fordern zum Beispiel eine Bundesratsinitiative, um verbindliche Vergünstigungen für Freiwillige insbesondere bei Verkehrsdienstbetrieben zu erreichen. Wir sehen aber in Nordrhein-Westfalen, dass es bereits Angebote gibt. Alle drei Verkehrsverbünde und alle fünf westfälischen Verkehrsgemeinschaften stellen bereits Freiwillige verbindlich mit Auszubildenden gleich – verbunden mit den entsprechenden Ermäßigungen.

Auch bei den Ermäßigungen in kommunalen oder kulturellen Einrichtungen hat sich bereits einiges getan. Das Bewusstsein dafür wächst im Moment. So gewährt zum Beispiel die Kunstsammlung NRW auf Anregung des Landeskulturministeriums inzwischen für Freiwillige aller Dienste ermäßigten Eintritt.

Meine Damen und Herren, auch beim Taschengeld müssen wir die Ausgangslage näher betrachten. Die flexiblere Höchstbetragsregelung hat nämlich durchaus ihren Sinn. Sie ermöglicht es auch kleineren Trägern, die oft nicht über sehr hohe finanzielle Mittel verfügen, jungen Menschen einen Platz im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres, des Freiwilligen Ökologischen Jahres oder des Bundesfreiwilligendienstes anzubieten. Sollte die Höhe des Taschengeldes auf einen bestimmten Betrag festgelegt werden, wäre es wirklich fraglich, ob die kleineren Träger das stemmen können und ob sie diese Plätze weiterhin anbieten können.

Bei der Einbeziehung von benachteiligten Jugendlichen in die beiden Jugendfreiwilligendienste Soziales und Ökologisches Jahr gehen wir alle in die gleiche Richtung. Dieses Ziel verfolgen wir schon seit Längerem, und es ist uns auch sehr wichtig. Zum Beispiel werden die Plätze im FÖJ seit seinem Bestehen in Nordrhein-Westfalen, also seit 20 Jahren, immer im Verhältnis 50:50 vergeben. Das heißt: Die zu vergebenden Plätze müssen grundsätzlich zu 50 % mit jungen Menschen besetzt werden, die keinen Abschluss oder einen Sekundarstufe-I-Ab-schluss haben.

Darüber hinaus gibt es im Kinder- und Jugendförderplan des Landes Nordrhein-Westfalen eine Förderposition mit Mitteln für die Qualifizierung der Jugendfreiwilligendienste durch Bildungsarbeit. Hierbei sollten die Träger spezielle Angebote für junge Menschen entwickeln, deren Integration als gefährdet gilt. Diese geförderten Maßnahmen tragen dazu bei, benachteiligten jungen Menschen den Zugang zum Freiwilligen Ökologischen Jahr und zum Freiwilligen Sozialen Jahr zu ermöglichen.

Sie sehen: Das sind viele interessante Themen. Wir sollten das differenziert in der weiteren Ausschussberatung miteinander vertiefen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und Dagmar Hanses [GRÜNE])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin Schulze. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/8294 an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

8   Mütter wertschätzen – individuelle Lebensentwürfe respektieren

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8459

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der FDP Frau Kollegin Schneider das Wort.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 10. Mai ist Muttertag, ein Gedenktag, der in der heutigen Form erstmals 1907 in den USA begangen wurde und der in vielen Ländern dieser Welt am zweiten Sonntag im Mai gefeiert wird.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh! Ui! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Blümchen für Mutti!)

Aber wie ist es in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 um die Mütter bestellt? Alles bestens? – Sicher nicht.

Mütter müssen sich heute permanent rechtfertigen und ihre Lebensentwürfe verteidigen. Die Mutter, die relativ schnell nach der Geburt ihres Kindes wieder in den Beruf zurückkehrt und Vollzeit arbeitet, wird gern als „Rabenmutter“ bezeichnet, die nur an ihre Karriere denkt. Ob sie einfach gerne berufstätig ist oder auf dieses Einkommen angewiesen ist, interessiert oft nur am Rande.

Auch Mütter, die in Teilzeit oder auf 450-€-Basis arbeiten, werden oft belächelt und kritisiert, sie trauten sich zu wenig zu. Das sei ja alles nichts Halbes und nichts Ganzes.

Und die Vollzeitmutter, die Frau, die sich einfach dafür entschieden hat, für ihre Familie da zu sein und den Beruf aufgegeben hat, wird besonders kritisch beäugt. Sie sie ja „nur“ Hausfrau und Mutter und wolle nicht arbeiten. Nicht arbeiten? Diese Frauen haben sich dafür entschieden, ohne Gehalt zu arbeiten. Denn wer Kinder erzieht und eine Familie managt, arbeitet sehr wohl – nur eben nicht für Geld.

(Beifall von der FDP – Karin Schmitt-Promny [GRÜNE]: Was ist denn mit den Vätern?)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, vor Kurzem wurde die Studie „Regretting Motherhood“ aus Israel veröffentlicht, in der Mütter aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Altersgruppen erklärten, sie bereuten es, Mutter zu sein – nicht, weil sie ihre Kinder nicht liebten, sondern weil diesen Frauen auch andere Dinge wichtig sind, die sie nun nicht mehr ausleben können. Die Berichterstattung darüber war umfangreich. Die „Süddeutsche“ schrieb vorgestern noch von einem überfrachteten Mutterbild und davon, dass die Mütter auch bei uns in Deutschland und hier in Nordrhein-Westfalen unter immensem Druck stünden – von außen und auch selbstgemacht.

Mit der Geburt eines Kindes kommt es zu einer einschneidenden Veränderung der Lebensumstände der Eltern, vor allem der Frauen. Wer Kinder hat, weiß, dass Muttersein mit wenig Schlaf, Erschöpfung, körperlichen Veränderungen und gleichzeitig mit einer großen Verantwortung verbunden ist: 24 Stunden am Tag von Montag bis Sonntag.

Außerdem belastet die Mütter, dass sie sich für ihr gewähltes Lebensmodell gegenüber der Gesellschaft legitimieren müssen. Die Frauen hoffen auf Wertschätzung für ihr Engagement und auf ein besseres Ansehen in der Gesellschaft.

Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf fehlen häufig flexible Betreuungszeiten. Außerdem legen Eltern auch immer mehr Wert auf eine qualitativ gute und liebevolle Betreuung.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Jetzt doch „Eltern“!)

Häufig stellt sich auch die Frage: Wie komme ich im Alter finanziell zurecht? Hierbei ist auch die Politik gefragt, aber nicht, um mit dem großen, aber leider leerem Füllhorn Wohltaten zu vollbringen, sondern die Frauen über die verschiedenen Möglichkeiten der individuellen Altersvorsorge zu informieren.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Ehevertrag, Riesterrente, Aktienversicherungen, Fonds – es gibt unzählige Möglichkeiten, für das Alter vorzusorgen. Darauf kann neben den klassischen Tipps auch auf einer zentralen Homepage hingewiesen werden.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag äußert die FDP-Landtagsfraktion drei Wünsche.

Erstens. Wir wollen, dass jede werdende Mutter Wahlfreiheit ohne Diskriminierung für ihr individuelles Mutterbild erhält.

Zweitens. Alle Mütter sollen in unserer Gesellschaft Respekt erfahren, egal, für welchen Lebensentwurf sie sich entschieden haben.

Drittens möchten wir, dass Mütter mehr Akzeptanz und Wertschätzung bekommen. Sie kümmern sich um unsere Kinder und damit um die Zukunft unseres Landes.

Wenn uns das gelänge, hätten wir schon viel erreicht. Der Rollenkonflikt von Müttern würde ausgehebelt und damit auch dieses unsägliche Negativimage abgestreift.

Das Ergebnis der oben erwähnten Studie „Regretting Motherhood“ entsetzt, macht nachdenklich und auch traurig. Sie zeigt auch, dass hier Handlungsbedarf besteht. Ich hoffe sehr, dass sich solche Ergebnisse nicht häufen und dass unsere Mütter Perspektiven haben.

Im Namen der FDP-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen danke ich allen Müttern für ihren großartigen Dienst in unserer Gesellschaft.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen –

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

für mehr Wertschätzung und Respekt für die Mütter, und zwar nicht nur ein Mal im Jahr am Muttertag. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Kopp-Herr.

Regina Kopp-Herr (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich mache es für meine Fraktion ganz kurz: Wir werden den Antrag ablehnen. Wir wollen keine rückwärtsgewandte Familienpolitik. Wir erkennen die veränderten, vielfältigen Familienformen an und wollen mit unserer Politik dieser Vielfalt gerecht werden und dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen gestalten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wichtige Maßnahmen sind hier bereits angestoßen worden, wie der Ausbau der Kindertagesbetreuung oder das Elterngeld. Gerade beim Elterngeld finde ich erfreulich festzustellen, dass es junge Väter erreicht, da sie selbiges in Anspruch nehmen.

(Beifall von Walter Kern [CDU] – Das Licht im Plenarsaal geht aus. – Heiterkeit)

Das ist ein Indiz dafür, dass junge Eltern auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Aufgabenverteilung zwischen Fürsorgearbeit – ich hoffe, der Strom reicht für das Mikro aus – und Berufstätigkeit sind.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Das Mikrofon funktioniert.

Regina Kopp-Herr (SPD): Selbst, wenn es nicht funktioniert: Ich glaube, ich spreche laut genug. – Diesen Weg gilt es konsequent mit den entsprechenden Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln und zu begleiten. Hier ist noch ein weites Feld zu beackern. Daran arbeiten wir, beispielsweise in der Enquetekommission „Familie“ seit Anfang des Jahres oder, mit anderen Worten gesagt: Wir wollen die Zukunft gestalten, und wir wollen keine rückwärtsgewandte Familienpolitik. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Kopp-Herr. Der Stromausfall wird sicherlich eher im Zusammenhang mit einer Energiedebatte diskutiert werden können als ausgerechnet bei diesem Tagesordnungspunkt. Vielen Dank für Ihren Beitrag. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin van Dinther.

Regina van Dinther (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, die Mütter! Lasst sie doch bitte einfach in Ruhe ihren Job machen, würde ich hier am liebsten einleiten. Aber natürlich ist schon einiges skurril in der deutschen Mütterdebatte. Ich glaube, die Wörtchen Rabenmutter und Karrierefrau gibt es nur im Deutschen.

Leider habe ich in den vielen Jahren, in denen ich unterwegs war, festgestellt, dass oft die Geschlechtsgenossinnen den Druck erzeugen, der in dem Antrag beschrieben wird. Ich habe sehr häufig erlebt, dass viele Frauen ihr Lebensmodell, das sie für sich gewählt haben, immens verteidigen und andere Varianten, die andere Frauen für sich wählen, nicht so recht akzeptieren.

Meine Damen und Herren, ich muss auch immer über Berichte schmunzeln, in denen solche Leidensgenossinnen berichten, wie sie an den Rand der Erschöpfung geraten, und zwar durch Hürden, die sie sich meistens selbst setzen. Denn in keiner Generation vor uns hatten Frauen eine größere Auswahl an Möglichkeiten.

Natürlich stimmt es, dass der gesellschaftliche Wandel, der sich durch Frauen und bei Frauen vollzogen hat, nicht im gleichen Tempo im Kopf, im Herz und im Handeln der Männerwelt festzustellen ist. Aber, meine Damen und Herren, auch da liegt es doch an uns, etwas zu ändern.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Ich glaube, wir haben politisch einiges auf den Weg gebracht und haben auch die Rückmeldung, dass sich bei den jungen Männern langsam etwas tut.

Meine Damen und Herren, keine Müttergeneration vor uns hat mit Kindern einen ruhigen Job gehabt, aber vielleicht wusste man früher mehr über Kinder, und zwar instinktiv, in Form eines Erfahrungswissens, das durch Mütter, Großmütter und Geschwisterkinder weitergegeben wurde. Vielleicht wusste man, dass Kinder Dreck machen und oft auch unberechenbar und nicht planbar sind.

Liebe, Demut und Geduld empfahl Pestalozzi im 19. Jahrhundert den Eltern. Er hat nicht gesagt, dass das Haus auf Hochglanz poliert sein muss, der Chinesischkurs im dritten Lebensjahr zu beginnen hat und die Mutter für den Sieben-Tage-Stundenplan des Kindes zu sorgen hat.

Ich bin ausdrücklich dafür, dass Eltern verlässliche Hilfe bekommen, und in diesem Zusammenhang gibt es sicher noch Steigerungspotenzial. Übrigens sind die Helden der Republik, glaube ich, die Großeltern. Denn diese sorgen nach Forschungsberichten sehr häufig dafür, dass überhaupt das Ja zum Kind und zur Familie stattfinden kann.

(Beifall von der CDU)

Nennen wir das Kind doch beim Namen, meine Damen und Herren: Zu lange Ausbildungsgänge, zu häufig befristete Jobs und zu wenig Hilfe haben schon den Kinderwunsch ganzer Generationen in der Vergangenheit unerfüllt gelassen. Uns liegen Unterlagen aus jahrelangen Shell-Studien vor, in denen wir nachlesen können, dass der Kinderwunsch bei jungen Leuten ganz stark ausgeprägt ist, und in der Realisierung dieses Kinderwunsches halbieren sich dann die Zahlen.

Natürlich fragt man auch nach der Rolle der potenziellen Väter. Mehr akademische Männer als Frauen bleiben kinderlos. Den Begriff der Selbstverwirklichung gibt es hier aber nur in Bezug auf Mütter, die ihre Mutterrolle vielleicht nicht wahrnehmen wollen oder die nicht Mütter werden wollen, und auch nur in diesem Zusammenhang gibt es einen vorwurfsvollen Unterton.

Wir sollten die Menschen in diesem Bereich eher nicht belasten. Mit sehr häufigen Diskussionen tun wir aber gerade dies. Die vorwurfsvolle Grundhaltung gegenüber kinderlosen Paaren finde ich ganz schrecklich. Jede fünfte Ehe in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Warum belasten wir diese jungen Leute mit diesem unausgesprochenen Vorwurf?

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Auch das darf in dieser Debatte mal gesagt werden. Wir freuen uns natürlich über jedes Kind, das zur Welt kommt. Deshalb müssen wir die jungen Leute unterstützen. Also: Geben wir ihnen unbefristete gute Jobs! Erleichtern wir ihnen das Arbeitsleben mit Kindern! Bieten wir die kleinen Dienste an, die die Eltern brauchen! Erziehen wir auch unsere Jungen zu Menschen, denen die Arbeit im Haushalt vertraut ist! Das hilft auch schon einmal ein bisschen.

Meine Damen und Herren, der FDP-Antrag enthält nicht viel Falsches. Deshalb werden wir ihm zustimmen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wer dieses Thema aber ernsthaft behandeln will, meine Damen und Herren, der hätte diesen Antrag in den Ausschuss überweisen lassen können. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir trefflich über diesen Antrag hätten diskutieren können. Es wäre uns sicherlich das eine oder andere aufgefallen. Insbesondere hätten wir Familienforscher dazu vortragen lassen können. Diese Chance wollen Sie scheinbar nicht nutzen. Das finden wir eher schade. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin van Dinther. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus diesem Antrag der FDP-Fraktion – man kann es nicht anders sagen – spricht ein durch und durch traditionelles Rollenverständnis. Hier wird die Elternrolle auf Mutterschaft reduziert. Wir haben uns in der Fraktion gefragt: Leben denn lauter Halbwaisen in Deutschland? Wo ist denn der Vater, wo ist die Vaterrolle? Davon ist in diesem Antrag kein Wort zu lesen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Erziehungsarbeit betrifft aber Mütter und Väter, betrifft Frauen und Männer. Dass in Deutschland – das ist ja richtig – Kinderziehung nach wie vor größtenteils Frauenaufgabe ist, dass nämlich meistens die Frauen teilweise zu Hause bleiben, das ist doch die politische Herausforderung, die wir anpacken müssen. Da reicht es nicht, Lob und schöne Worte den Müttern zu geben, sondern da müssen wir politische Maßnahmen ergreifen, um die Rahmenbedingungen für die Frauen, für die Mütter zu verbessern. Und davon ist in Ihrem Antrag nichts zu lesen.

Die Situation für Mütter hat sich leider auch durch das Elterngeld nicht verändert. Nur jeder dritte Vater nimmt in Deutschland überhaupt Elternzeit, und der größte Teil dieser Väter, nämlich 80 %, nimmt diese Elternzeit auch nur für zwei Monate. Insofern ist schon der Begriff der Zweimonatsväter geprägt worden. Und es ist leider auch nur ein Bruchteil aller Väter, nämlich 6 % – nur 6 % –, die anschließend in Teilzeit gehen, während ein Großteil der Mütter ausschließlich in Teilzeit beschäftigt ist. Nochmal: zu diesen Rahmenbedingungen in dem FDP-Antrag kein Wort!

Sie erwähnen auch mit keinem Satz, dass immer mehr Väter wünschen, ihrer Väterrolle mehr gerecht zu werden, ihnen aber durch ihre beruflichen Rahmenbedingungen Steine in den Weg gelegt werden, dass die berufliche Aufstiegsmöglichkeit gefährdet ist, wenn sie den Wunsch äußern, länger in Erziehungszeit und im Anschluss in Teilzeit gehen zu wollen. Das ist doch die Situation von vielen Vätern, dass ihnen das von den Arbeitgebern verwehrt wird.

Ich möchte nur am Rande erwähnen: Es gibt nicht nur die Doppelbelastung der Frauen durch die Mutterrolle; es gibt sie auch dadurch, dass immer noch die Verteilung bei der Hausarbeit so ist, dass 65 % der Paare angeben, dass Kochen, Putzen, Aufräumen nach wie vor Frauensache ist. Ich möchte hier keine Umfrage bei den Mitgliedern des Landtages durchführen; aber ich könnte mir vorstellen, dass das hier auch so aussieht.

Darauf allerdings mit dem Verweis auf den Muttertag, auf diesen einen Tag im Jahr und das, was dort geschieht – Wertschätzung, das Überreichen von Blumensträußen, Lob –, zu reagieren, während über den Rest des Jahres nichts von alledem zu merken ist: Das kann doch um Himmels willen keine politische Antwort sein, Frau Schneider.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genau dieses Symbolische – mal eben loben, Wertschätzung geben, Blumensträuße überreichen – ist doch das Trostpflaster, das dafür sorgt, dass sich im Alltag der Frauen konkret nichts ändern muss.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, es liegt eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schneider von der FDP-Fraktion vor.

Andrea Asch (GRÜNE): Sehr gerne, Frau Kollegin Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Ich folge ganz gespannt Ihren Ausführungen. Ich frage mich jetzt: Haben Sie den Antrag gelesen? Wenn ja, dann haben Sie ihn nicht verstanden?

Es geht in diesem Antrag in keinster Weise darum, Mütter am Muttertag wertzuschätzen, sondern die FDP wünscht sich einfach, dass alle Lebensmodelle respektiert werden, für die sich die Mütter entscheiden, dass sie nicht in ein rot-grünes Rollenbild gezwängt werden. Wir wünschen uns Respekt für unsere Mütter. Sind Sie bereit, ihnen den das ganze Jahr über entgegenzubringen? – Danke schön.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Frau Asch, bitte schön.

Andrea Asch (GRÜNE): Frau Kollegin Schneider, vielen Dank für die Frage. Ich kann Ihnen sagen, wir als Fraktion – nicht nur ich – haben diesen Antrag sehr intensiv gelesen. Ich habe ihn auch mitgebracht. Wir haben uns gewundert, weil wir in der Vergangenheit FDP-Frauenpolitik – ich habe mit Ina Albowitz in der Landschaftsversammlung zusammengearbeitet – etwas anders wahrgenommen haben.

Ich kann Ihnen einen Satz vorlesen, der genau für dieses traditionelle Rollenbild steht, das ich hier eben angeprangert habe. Er ist im zweiten Absatz zu finden: „Elternschaft hat … immer noch eine unterschiedliche Bedeutung für Mütter und für Väter.“ – Das ist rückwärtsgewandtes Rollenverständnis.

Ich frage Sie als FDP-Fraktion: Wo sind denn Ihre konkreten Vorschläge? Was wollen Sie tun, um dem Stress, um der Doppelbelastung, denen Frauen und Mütter ausgesetzt sind, tatsächlich zu begegnen? Davon findet sich nichts in Ihrem Antrag. Hier finden sich nur wohlfeile Worte und die Aufforderung zum Lob und für Blumen.

Wirkliche Wertschätzung für Mütter heißt: gerechte Aufteilung der Familienarbeit, ein starkes Netz an Betreuungseinrichtungen und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dann tun Sie etwas für die Frauen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genau das sind unsere rot-grünen Antworten. Das sind die Antworten, die wir hier in Nordrhein-Westfalen seit 2010 geben. Wir haben 50 % mehr Betreuungsplätze für die Ein- und Zweijährigen geschaffen. Wir haben die Platzzahlen um 82 % erhöht. Wir fördern das Netzwerk Wiedereinstieg in das Berufsleben, das Kompetenzzentrum „Frau und Beruf“, wir investieren in NRW in die Aktionsplattform „Familie und Beruf“.

Es muss aber noch weiter gehen. Wir müssen die Unternehmen auffordern – auch in ihrem eigenen Interesse im Übrigen –, familienfreundlicher zu denken. Auch Väter müssen längere Elternzeit nehmen können. Es muss auch möglich sein, dass sie in Zukunft in Teilzeit gehen können, ohne sich berufliche Sorgen machen zu müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, diese Fragen sind Fragen der Zeitpolitik und Zeitpolitik ist auch eine Gerechtigkeitsfrage. Überlastung und Zeitnot finden sich bei Frauen und Männern.

Ich kann sagen: Wir als grüne Partei stellen uns diesen Fragen. Wir haben am letzten Samstag bei unserem Parteitag in Berlin einen Antrag zur Zeitpolitik gestellt. Wir wollen uns diesen Fragen stellen und Maßnahmen weiterentwickeln, damit Väter und Mütter ihrem Erziehungsauftrag gerecht werden können und Zeit für die Kinder haben können.

Wir fragen uns in der Tat: Bei welcher Wählergruppe wollen Sie eigentlich mit diesem rückwärtsgewandten Antrag punkten?

(Beifall von Birgit Rydlewski [PIRATEN])

Ganz sicher nicht bei jungen Frauen, die sich nicht auf ihre Mütterrolle reduzieren lassen wollen, und auch nicht bei der Wirtschaft, die dringend diese Fachkräfte, die Frauen, braucht. Ich habe das Gefühl, Sie wollen hier bei Ihrem schärfsten Konkurrenten, der AfD, fischen

(Lachen von Susanne Schneider [FDP])

und im konservativen Lager Wählerinnen und Wähler gewinnen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Andrea Asch (GRÜNE): Ich kann nur sagen: Dieser Antrag ist peinlich und ein politisches Armutszeugnis ersten Ranges.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin Asch, würden Sie noch einen Moment hierbleiben? Denn es liegt eine Kurzintervention von Herrn Dr.  Stamp vor. Bitte schön.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Frau Kollegin Asch, dass es immer mit Unterstellungen endet, haben wir hier schon mehrfach bei Beiträgen von Ihnen gehört. Ich weiß nicht, ob Sie den Antrag wirklich richtig gelesen haben oder ob Sie uns von vornherein Dinge unterstellen wollen.

Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass ich aufgrund einer entsprechenden Karriereentwicklung meiner Frau selber zwei Jahre Elternzeit genommen habe, dass ich heute Morgen unsere Kinder versorgt habe, weil meine Frau auf Dienstreise ist, und dass das für uns eine Selbstverständlichkeit ist.

Wir wollen aber an dieser Stelle einfach mal zum Ausdruck bringen, damit das auch in diesem Hause mal zum Ausdruck gebracht wird, dass es gesellschaftlich eine spezifische Herausforderung für Mütter und einen spezifischen Druck auf Mütter gibt.

Das haben wir in diesem Antrag zum Ausdruck gebracht, indem wir eben nicht irgendein Rollenmodell präferieren, sondern indem wir insgesamt auf die besonderen Herausforderungen für Mütter hingewiesen haben. Dafür sind wir der Kollegin Schneider sehr dankbar. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und Walter Kern [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Dr. Stamp, es ist aller Ehren wert, wenn Sie persönlich zwei Jahre zu Hause bei Ihren Kindern verbracht haben. Die Zahlen sind trotzdem deutlich. Es sind viel zu wenige Väter, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

Ich meine, wir müssen nicht wohlfeile Appelle der Wertschätzung in die Gesellschaft geben. Wir sind als Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu verbessern. Das ist unsere Aufgabe.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Richtig!)

Genau daran fehlt es in Ihrem heutigen Antrag. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Kollegin Rydlewski.

Birgit Rydlewski (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Im Grunde könnte man bei „von 1907“ auch aufhören, aber gut.

Wie bei vielen Anträgen der FDP vermischen sich auch hier Wahrheit und Dichtung zu einem tragischen Gesamtergebnis.

Ja, es ist richtig, dass sich Elternschaft in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert hat. Ja, traditionelle Erziehungsziele wie Gehorsam und Pflichtbewusstsein werden langsam von moderneren Zielen abgelöst, und das ist auch gut so. Ja, Eltern setzen sich für eine gelingende Erziehung zunehmend selbst unter Druck. Das ist alles völlig richtig bzw. aus der forsa-Studie wiedergegeben bzw. erkannt. Aber dieser innere Druck betrifft sowohl Frauen als auch Männer.

Die dann allerdings im Antrag aufgestellten Behauptungen, Mütter müssten ständig ihr Image verteidigen, Vollzeitmütter würden als faul, unmodern und nicht vollwertig gelten, in Vollzeit arbeitende Mütter als Rabenmütter und in Vollzeit arbeitenden Müttern werde ein schlechtes Gewissen injiziert, basieren worauf? – Man weiß es nicht, auf der genannten Studie jedenfalls nicht. Dort steht nichts, aber auch gar nichts von den hier genannten Thesen.

Ich kenne auch niemanden, der über Vollzeitmütter derart denkt. Ich weiß nicht, ob das gesellschaftliches Leben im Umfeld der FDP ist. Das wäre bitter, würde aber einiges erklären.

Richtig ist vielmehr, dass die beiden wichtigsten Gründe für den gefühlten Stress zum einen – Zitat – „die eigenen Ansprüche“ und zum anderen „gesellschaftliche Normen“ sind. Welche Normen genau das sind, wird nicht näher aufgelistet. Das wäre aber durchaus eines weiteren Blicks wert.

Eines weiteren Blicks wert wäre auch das, was sich Eltern wirklich wünschen. Dort stehen dann nicht nur Dinge wie – ich zitiere – „mehr Akzeptanz“, sondern auch „mehr finanzielle Unterstützung durch den Staat“, „mehr innere Ausgeglichenheit, Lockerheit und Gelassenheit“ und vor allem „flexiblere Zeiten und Orte für berufliche Tätigkeit“.

Es geht also um viele verschiedene Punkte, bei denen Eltern und Kinder unserer Unterstützung bedürfen. Sich nur einen beliebigen Punkt aus der Studie herauszugreifen, ihn dann völlig willkürlich auf Mütter zu reduzieren und dann daraus eine sinnfreie Kampagne stricken zu wollen, ist wahrlich absurd,

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

dies zudem vor dem Hintergrund, dass es doch in NRW für diese Thematik aktuell die Enquetekommission für Familienpolitik gibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass eine solche Diskussion gut dorthin passen würde.

Aber was soll man auch erwarten, wenn auch bei anderen Themen aus diesem Bereich – so zuletzt bei der Anhörung zur Jungen- und Männerpolitik – Positionen vertreten werden, die von fast allen Sachverständigen zurückgewiesen werden, außer von den ganz rechts anzusiedelnden Maskulisten, die von der FDP-Fraktion eingeladen wurden? Erschreckenderweise!

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich schließe mich Frau Asch an. In der Gesamtheit ist das alles so unglaublich rückwärtsgewandt, dass man sich schon fragen muss, ob hier im Vorgriff auf die Wahlen 2017 prophylaktisch AfD-Positionen besetzt werden sollen.

Insgesamt spielt die FDP in der Familien- und Gleichstellungspolitik – derzeit jedenfalls – eine sehr tragische Rolle. Dieser Antrag ist ein weiterer Beweis dafür. Wir werden ihn natürlich ablehnen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze in Vertretung für Frau Ministerin Schäfer.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser FDP-Antrag zeichnet ein sehr seltsames Bild vom Familienleben in unserem Land. Sie weisen mit Ihrem Antrag darauf hin, dass einige Menschen es kritisch sehen, wenn Mütter sich beruflich engagieren, während andere es nicht verstehen, wenn Mütter sich vorwiegend um ihre Familie kümmern. Das heißt aber nicht, dass Mütter generell ein Negativimage hätten, wie Sie in dem Antrag zum Ausdruck bringen.

Das Spannungsfeld, das Sie beschreiben, ergibt sich vielmehr zwangsläufig aus der Umbruchsituation, in der sich unsere Gesellschaft seit Längerem befindet. Das herkömmliche Ernährermodell, in dem der Vater arbeitet und die Mutter die Kinder erzieht, ist deutlich auf dem Rückzug. Wer dieses Modell sein Leben lang mit Überzeugung gelebt hat, tut sich schwer mit den Müttern, die ihr Leben anders gestalten und zum Beispiel in Vollzeit arbeiten. Umgekehrt haben Menschen, die sich ein Leben ohne Beruf nicht vorstellen können, manchmal wenig Verständnis für diejenigen Mütter, die zugunsten der Familie auf eine Erwerbstätigkeit verzichten.

Die meisten Familien haben für sich selbst längst einen Mittelweg gefunden. 47 % der Paare in Westdeutschland leben das sogenannte Zuverdienstmodell. Das heißt: Der Vater arbeitet Vollzeit, die Mutter Teilzeit.

Nach meiner Meinung ist dieses Modell auch ganz überwiegend gesellschaftlich akzeptiert. Niemand kommt auf die Idee, eine Frau als „Rabenmutter“ zu bezeichnen, nur weil sie vormittags Teilzeit arbeitet und nachmittags zu Hause ist, um ihre Kinder zu betreuen.

Umfragen zeigen aber auch immer wieder: Das Zuverdienstmodell kann nur ein Anfang sein. Familien wünschen sich noch mehr partnerschaftliche Aufteilung zwischen Familien- und Erwerbsarbeit.

Ich will hier sehr bewusst die Frauen und die Männer nennen; denn ein ganz zentraler Aspekt fehlt in dem Antrag der FDP: Kinder haben nicht nur Mütter, sondern auch Väter, und zwar Väter, die immer öfter nicht mehr nur Ernährer sein wollen. Sie wollen aktiv am Alltag der Kinder teilnehmen und suchen deshalb ihr Glück nicht mehr in lebenslänglicher Vollzeittätigkeit.

Mehr Partnerschaftlichkeit zu ermöglichen ist deshalb auch ein zentrales familienpolitisches Ziel der Landesregierung. Mit Blick auf die vielen Tagesordnungspunkte, die wir heute noch zu diskutieren haben, will ich jetzt nicht aufzählen, welche Leistungen die Landesregierung dafür insgesamt erbringt. Ein gutes Beispiel ist aber das ElterngeldPlus. Es setzt Anreize, von Anfang an Familienleben und Erwerbstätigkeit partnerschaftlich zu gestalten.

Wir haben die Einführung des ElterngeldPlus sehr unterstützt und werden diesen Weg in unserer Familienpolitik auch weiter gehen. Wir unterstützen Eltern in ihrem Alltag konsequent in ihrem Wunsch nach einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung. Das ist die Anerkennungskultur und die Unterstützung, die Mütter und Väter wirklich brauchen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Die antragstellende Fraktion der FDP hat direkte Abstimmung beantragt. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/8459. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/8459 mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Piraten gegen die Stimmen der FDP-Fraktion und der CDU-Fraktion abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

9   Nordrhein-Westfalen soll sich der schleswig-holsteinischen Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebungshaft anschließen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8448

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte darauf hinweisen, dass alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen sich inzwischen darauf verständigt haben, die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt nachher in Verbindung mit der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 15 durchzuführen.

Deshalb rufe ich jetzt auf den Tagesordnungspunkt

10       Fragestunde

Drucksache 16/8470

Mit der Drucksache 16/8470 liegen Ihnen die Mündliche Anfrage 64 sowie die Mündlichen Anfragen 62 und 63 aus der letzten Fragestunde vor.

Als Erstes rufe ich aus der letzten Fragestunde die

Mündliche Anfrage 62

der Abgeordneten Ingola Schmitz von der Fraktion der FDP auf.

Kostenexplosion bei den Bauarbeiten für das Projekt Burg Vogelsang im Nationalpark Eifel – Wie stellt die Landesregierung als Beteiligte der Standortentwicklungsgesellschaft eine termingerechte Fertigstellung im Rahmen des seinerzeit geplanten Finanzbudgets sicher?

Bereits seit mehreren Wochen berichten unterschiedliche Medien von der Kostenexplosion bei den Bauarbeiten auf Burg Vogelsang im Nationalpark Eifel. Nach Aussagen von Insidern droht das einstige Vorzeigeprojekt mittlerweile finanziell und organisatorisch zum Desaster zu werden.

Die Anlage Burg Vogelsang ist ein ursprünglich von den Nationalsozialisten auf dem Berg Erpenscheid errichteter Gebäudekomplex bei Gemünd/ Eifel oberhalb der Urfttalsperre, der insbesondere von 1936 bis 1939 als Schulungsstätte für den Führungskader genutzt worden ist und heute zu großen Teilen unter Denkmalschutz steht.

Seit dem Jahr 2006 ist die Liegenschaft wieder für die Bevölkerung allgemein zugänglich, nachdem in dem erweiterten Militärgelände der Nationalpark Eifel etabliert worden ist. Die bereits langfristig geplante Herrichtung sieht die Errichtung eines Dokumentations- und Besucherzentrums zur NS-Vergangenheit und einer Nationalpark-ausstellung vor.

Die Standortentwicklungsgesellschaft Vogelsang GmbH (SEV), an der das Land neben dem Bund und den Landkreisen der Region auch maßgeblich beteiligt ist, organisiert den Konversionsprozess für den ehemals belgischen Truppenübungsplatz und steuert die zukünftige Standortentwicklung. Das Land nimmt wesentliche Verantwortlichkeiten über seine Gesellschaft NRW.URBAN wahr.

Aktuellen Berichten ist nun zu entnehmen, dass eine millionenschwere Finanzlücke im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen aufgetreten ist und sich auch die Eröffnungstermine erheblich verzögern dürften. Diese Zeitverzögerung stellt ein großes Problem dar, da offenbar alle Bauarbeiten Mitte 2015 beendet sein müssen, weil sonst fest eingeplante Fördergelder nicht mehr abgerechnet werden können.

Trotz erheblicher Abstriche an Gegenleistungen für das mit 42 Millionen € seinerzeit kalkulierte Budget scheint dieser Betrag für eine erfolgreiche Fertigstellung der Arbeiten längst nicht mehr auszureichen.

Die Landesregierung sollte dem Parlament daher detailliert darlegen, wie der aktuelle Projektstatus für Burg Vogelsang und ihr weiteres Vorgehen in dieser Frage aussieht, um sämtliche Mehrkosten für die öffentliche Hand abzuwenden.

Offenbar geht auch der Landschaftsverband Rheinland bei der Baustelle Vogelsang längst von einer deutlich größeren Finanzlücke als bislang angenommen aus und rechnet locker mit einer Mehrbelastung von 5 Millionen €. In der Vorlage für den LVR-Kulturausschuss steht wörtlich:

„Darüber hinaus geht die Geschäftsführung von weiteren Mehrkosten in Höhe von bis zu 2 Millionen €für Restarbeiten und Nachbesserungen aus, die nach den bisherigen Erfahrungen im weiteren Projektverlauf zu erwarten sind.“

Da wohl noch unklar ist, ob eine Nachfinanzierung durch das Land erfolgt, sind die LVR-Gremien schon auf eine Ausfallbürgschaft von über 3 Millionen € zur Absicherung der zur Finanzierung der Mehrkosten erforderlichen Kreditaufnahme vorbereitet worden.

Wie stellt die Landesregierung als Beteiligte der Standortentwicklungsgesellschaft eine termingerechte Fertigstellung im Rahmen des seinerzeit geplanten Finanzbudgets sicher?

Ich bitte Herrn Minister Groschek um Beantwortung.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens. Die Landesregierung ist nicht, wie man vielleicht den Eindruck haben könnte, Mitgesellschafter …

(Unruhe)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Ich bitte um noch einen Moment Geduld. – Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr laut geworden. Es sind viele in den Plenarsaal gekommen. Das ist schön. Ich glaube aber, dass gerade auch die Fragestunde ein wichtiger Tagesordnungspunkt im Sinne des Parlaments ist. Deswegen bitte ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit oder darum, den Plenarsaal zu verlassen. – Bitte schön.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Erstens. Die Landesregierung ist nicht, wie man vielleicht den Eindruck haben könnte, Mitgesellschafter der Projektgesellschaft, sondern nur Gesellschafter der Standortentwicklungsgesellschaft. Deshalb kann die Landesregierung eine termingerechte Fertigstellung nicht garantieren. Garant hierfür kann laut Satzung nur die Vogelsang ip gemeinnützige GmbH sein. Gebildet wird sie durch den Landschaftsverband, die Kreise und die übrigen kommunalen Partner, nicht durch das Land.

Zweitens. Die Geschäftsführung der GmbH hat uns folgende Informationen zur Verfügung gestellt: Erstens rechnet sie mit einer Beendigung der Bauarbeiten im August 2015. Zweitens soll die offizielle Gesamteröffnung im Dezember 2015 erfolgen. Drittens sollen die dreieinhalb Monate Zwischenzeit genutzt werden, um professionell den Aufbau der Nationalparkausstellung und der NS-Dokumentation zu gewährleisten. Viertens sollen ab Juli 2015 der Bauzaun rund um den Adlerhof Schritt für Schritt abgebaut werden und ab September 2015 die Gastronomie dauerhaft und der Besucheranlaufpunkt vorübergehend, bis die abschließende Lösung fertiggestellt ist, wieder in den Adlerhof integriert werden.

Drittens: zur Finanzierung. Seit Anfang des Jahres liegt uns ein Antrag über eine zusätzliche Förderung in Höhe von 3 Millionen € – das entspräche 8,5 % der ursprünglich zugesagten Fördersumme – vor. Entscheidungsgrundlage für uns ist der Kostendeckel, der im Jahr 2011 verabredet wurde. Die Entscheidung befindet sich noch im Abstimmungsprozess. Heute kann ich kein Ergebnis verkünden, weil die Ressortabstimmung noch läuft. Sie wird aber zeitnah beendet werden. Wir werden Sie dann schriftlich informieren und in geeigneter Weise sicherstellen, dass Sie unverzüglich informiert werden.

Viertens. Bauüberwachung, Termintreueüberwachung und Kostentreueüberwachung erfolgen nicht durch das Land, denn das Land hat 33 % der Standortentwicklungsgesellschaft Vogelsang GmbH. Wir kümmern uns um Konversion und künftige Standortentwicklung zusammen mit der BIma und den kommunalen Partnern in dieser Gesellschaft. Aber Sie können sicher sein, dass alle Beteiligten wissen, wie wichtig die fristgerechte Fertigstellung ist, die Eröffnung und die Abrechnung noch im Jahr 2015. Das gilt natürlich auch für den Kreis Euskirchen, der Förderempfänger war.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine Frage der Frau Kollegin Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, nachdem die belgischen Truppen 2004 die Liegenschaft Vogelsang verlassen hatten, einigten sich Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik darauf, den Ort als Mahnmal zu erhalten und seine Geschichte zu dokumentieren. Laut Pressebericht wurde schon früh bekannt, dass die Aus- und Umbauarbeiten schöngerechnet wurden. Was genau hat die Landesregierung unternommen, als ihr die Kostenexplosion zum ersten Mal bekanntgeworden ist?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Noch einmal: Wir haben die Zuständigkeit im Rahmen der Standortentwicklungsgesellschaft nicht im Rahmen der Projektentwicklungsgesellschaft. Dieser Projektentwicklungsgesellschaft obliegen die Bauüberwachung, die Termintreueüberwachung und die Kostentreueüberwachung.

Das Land muss als Mitgesellschafter der Standortentwicklungsgesellschaft und als Fördergeber vor allen Dingen darauf achten, dass die Fördermittel sachgerecht eingesetzt werden. Das haben wir selbstverständlich stets getan. Deshalb können wir in unserem Verantwortungsbereich keine Schönrechnerei unterstellen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Herr Kollege Witzel hat sich gemeldet. Bitte schön.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie mir die Gelegenheit zu einer ersten Nachfrage geben.

Herr Minister Groschek, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass aufgrund der Minderheitsbeteiligung des Landes das Land nicht federführend auf alle Fragen dort Einfluss hat. Trotzdem stellt sich natürlich die Frage für den Verantwortungsanteil, den auch das Land mitträgt: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus, sowohl konkret für Vogelsang als auch für vergleichbare Projekte, was Kostenmanagement und Kostenkontrolle für die Steuerung solcher Projekte angeht?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Bitte schön, Herr Minister.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Nach meiner Überzeugung gibt es keine vergleichbaren Projekte, und bei Vogelsang haben wir unsere Pflicht erfüllt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Es liegt eine zweite Frage von Frau Kollegin Schmitz vor.

Ingola Schmitz (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, in der kommunalen Politik wird inzwischen auch darüber spekuliert, weitere Mehrkosten per Kredit zu tilgen. Würde die Landesregierung in diesem Fall der Gesellschaft über die NRW.BANK einen Kredit mit Sonderkonditionen gewähren, wohl wissend, dass der Kreis Euskirchen mit großer Wahrscheinlichkeit dann im Bereich der Bildung die finanziellen Mittel massiv kürzen wird, um das Geld einzusparen?

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Ich möchte jetzt nicht über hypothetische Nachforderungen und Finanzierungskonstruktionen diskutieren. Ich kann Ihnen nur versichern: Unser Verantwortungsbewusstsein reicht so weit, dass wir jegliche verantwortliche Hilfestellung leisten, um das Projekt termingerecht und so kostentreu wie möglich realisiert zu wissen. Jegliche Form der Hilfestellung, die von uns erbeten wird, werden wir wohlwollend prüfen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Herr Witzel hat eine weitere Frage.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zu einer weiteren Nachfrage. – Herr Minister Groschek, es kursieren in den Medien unterschiedliche Zahlen zur Kostenexplosion. Teilweise ist die Rede von 3 Millionen € Unterdeckung. Der Landschaftsverband Rheinland kalkuliert aber durchaus mit 5 Millionen €. Auch weitere Kosten, die entstehen können, sind nicht auszuschließen, gerade bei noch anstehenden, schwer einzuschätzenden Maßnahmen, zum Beispiel am Altbau. Deshalb kursiert öffentlich das Gerücht, dass die Gesellschaft kurz vor der Insolvenz stehe.

Was ist der Landesregierung zu diesem Komplex und zu der weiteren Zahlungsfähigkeit bis zum Abschluss des Projekts bekannt, bzw. wovon gehen Sie aus?

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Der Landesregierung ist faktisch ein vorliegender Antrag zur Nachfinanzierung in Höhe von 3 Millionen € bekannt. Zu Gerüchten in Medien unterschiedlichster Art kann die Landesregierung keine Stellung nahmen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Frau Schmitz hat eine dritte Frage. Bitte schön, Frau Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, eine letzte Frage: Wie stellt die Landesregierung eine zukünftige wirksame Kostenkontrolle des Projekts im Detail sicher? Selbst wenn Sie jetzt sagen, die Verantwortung liegt hier nicht allein bei uns, so ist es doch hier entscheidend. Man sieht, dass die Kosten bei Weitem überstiegen sind und hier eine Kostenkontrolle dringend notwendig wird.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Die originäre Verantwortung zur Kostenkontrolle bezieht sich bei der Landesregierung auf das sachgerechte Verwenden der Fördermittel, wie es im Förderbescheid festgelegt war. Da sieht die Landesregierung im Moment keinen Nachbesserungsbedarf. Ansonsten sind wir als Landesregierung mit den uns zur Verfügung stehenden fachlichen Ressortkenntnissen wie sicherlich auch die NRW.BANK dazu bereit, im Rahmen von Dienstleistung der kommunalen Familie zu helfen, ihr Kostenmanagement weiter zu optimieren.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Fragen liegen zu dieser Mündlichen Anfrage nicht vor. Damit danke ich Ihnen für die Beantwortung.

Ich rufe die

Mündliche Anfrage 63

des Abgeordneten Marc Lürbke von der Fraktion der FDP aus der letzten Fragestunde auf:

Prognostische Personalentwicklung der Polizei in NRW in den Jahren 2014 bis 2025“

Die Polizeigewerkschaften haben in ihren Stellungnahmen zur Beratung des Haushalts 2015 vorgerechnet, dass trotz der bereits derzeit sehr hohen Belastungssituation der Polizei NRW bei zunehmenden Aufgaben, Eigengefahren und Personalengpässen

–   Rot-Grün einen Abbau von über 3.700, faktisch sogar bis zu 4.300 Polizeistellen (bei Berücksichtigung sonstiger Abgänge neben Pensionierungen) in den Jahren 2018 bis 2025 durch die Deckelung der Zahl der Neueinstellungen trotz viel höherer Pensionierungszahlen eingeleitet hat;

–   dies einen massiven Personalverlust von gut 10 % aller Polizisten in NRW bis zum Jahr 2025 zur Folge haben werde.

Die nunmehrige Erhöhung um 120 Anwärterstellen von 2015 bis 2017 ist nicht ausreichend, um einen drohenden massiven Polizeistellenabbau bis 2025 zu stoppen. Der Innenminister hat dem Innenausschuss trotz mehrfacher Bitte die eigenen Zahlen/Prognosen des MIK zur Personalentwicklung der Polizei in NRW bis zum Jahre 2025 bis heute nicht vorgelegt.

Auch aktuelle Fakten des Berichts über verwendungseingeschränkte Polizeivollzugsbeamte im Jahr 2014, wonach

–   4.167 Beamte in 2014 verwendungseingeschränkt waren,

–   2.793 dauerhaft verwendungseingeschränkt (länger als zwei Jahre) waren,

–   336 Beamte 2014 wegen Polizeidienstunfähigkeit vorzeitig pensioniert wurden,

–   rund 100 einen Laufbahnwechsel machten,

geben insoweit berechtigten Grund zur Sorge, dass der Polizei in NRW ein massiver Personalverlust droht.

Wie stellt sich die Personalentwicklung der Polizei in NRW in den Jahren 2014 bis 2025 (bitte jeweils für jedes Jahr unter Angabe der Differenz der Zahl der Pensionierungen und sonstigen Abgänge im Verhältnis zu den ausgebildeten Nachwuchspolizisten) dar?

Dazu hat für die Landesregierung Herr Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Die Landesregierung begegnet den Folgen des demografischen Wandels seit Übernahme der Regierungsverantwortung der 15. Legislaturperiode konsequent und plant zukunftsorientiert.

Der Haushalt 2015 weist mit 40.202 Planstellen 609 Planstellen mehr aus als noch 2010. Hätte die Vorgängerregierung von 2005 bis 2010 ähnlich vorausschauend agiert und aus der sich in dem Bericht der Projektgruppe Altersstruktur der Polizei NRW abzeichnenden demografischen Entwicklung die notwendigen Konsequenzen durch Erhöhung der Einstellungszahlen auf 1.400 gezogen, hätten wir heute eine deutlich bessere Ausgangssituation.

Seit 2011 haben wir die Einstellungsermächtigung erhöht. Für 2015 sind 1.522 und mit dem Nachtragshaushalt weitere 120 vorgesehen. Somit plant der Haushalt 2015 mit 1.642 Einstellungen. Derzeit bauen wir kein Personal ab, sondern – im Gegenteil – deutlich auf. Die Personalentwicklung in der laufenden Legislaturperiode und bis 2020 ist unkritisch.

Die Landesregierung steht für eine bürgernahe, leistungsfähige und innere Sicherheit gewährleistende Polizei. Um dies auch für die Zukunft sicherzustellen, haben wir eine Expertenkommission eingesetzt, die Vorschläge zur Personal- und Organisationsentwicklung unter Berücksichtigung des demografischen Wandels erarbeiten wird. Überlegungen zum Stellenabbau anzustellen, ist ausdrücklich nicht Auftrag der Expertenkommission.

Die in der Einleitung zur Mündlichen Anfrage dargestellten Fragen zur tatsächlichen Verfügbarkeit des Personals, wie beispielsweise Verwendungseinschränkungen, wird die Kommission bei ihren Überlegungen selbstverständlich berücksichtigen.

Derzeit liegt der Aussage der Gewerkschaften zur Weiterentwicklung der Personalstärke der Polizei eine Prognose zugrunde, die es zu aktualisieren gilt. Eine aktuelle Datenbasis ist nicht nur für die Arbeit der eingesetzten Expertenkommission unter anderem zur Frage der demografischen Entwicklung der Polizei von hohem Interesse, sondern ebenso für die mittelfristige Haushaltsentwicklung und für die politische Diskussion elementar.

Die für die Polizei somit äußerst relevante Prognose soll auf einer soliden und breiten Datenbasis fußen. Von Relevanz sind hierbei beispielsweise Daten darüber, in welchem Umfang Polizeivollzugspersonal in der Vergangenheit vorzeitig in den Ruhestand getreten ist. Es ist vonnöten, Daten sowohl im Landesbestand der Polizei als auch beim Landesamt für Besoldung und Versorgung auszuwerten und aufzubereiten. Diese Arbeiten laufen derzeit. Auf dieser Basis wird sodann mit externer wissenschaftlicher Unterstützung eine neue Prognose erstellt, welche in Kürze vorliegen wird.

Entscheidungen über den Umgang mit den Ergebnissen der Prognose sind zum geeigneten Zeitpunkt und dann auch im Lichte der Vorschläge der Expertenkommission zu treffen.

Zu den Rohdaten der Prognose erfolgt, wie in der letzten Sitzung vereinbart, ein schriftlicher Bericht an den Innenausschuss zur nächsten Sitzung am 5. Mai 2015.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Lürbke hat eine Frage.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Herr Minister für Ihre Ausführungen. – In dem Anschreiben von Ihnen, Herr Minister Jäger, vom 3. Januar 2011, Drucksache 15/263, an die Präsidentin zur Überreichung des Altersstrukturberichts der Polizei NRW haben Sie in zwei Tabellen eine Prognose der Pensionierungszahlen inklusive sonstige Abgänge für die Jahre 2011 bis 2030 aufgeführt, wonach in dem Zeitraum von 2014 bis 2026 über 22.000 Polizeibeamte und im Zeitraum 2020 bis 2025 über 12.000 Polizeibeamte pensioniert werden. Diese Zahlen stammen aus PersIS, also Personalinformationssystem der Polizei NRW.

Daher meine Frage: Ist es möglich, mit diesem Personalinformationssystem PersIS eine aktuelle Prognose der Pensionierungszahlen inklusive sonstiger Abgänge für den Zeitraum 2015 bis 2025 oder gar bis 2030 stichtagsgenau abzufragen? Wenn nein: Aus welchen Gründen ist das nicht möglich?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, Sie haben das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Ein Datenerfassungssystem, Herr Abgeordneter Lürbke, stößt dann an seine Grenzen, wenn bestimmte Faktoren und Kriterien einen Personalbestand beeinflussen.

Ich will Ihnen Beispiele nennen. Inzwischen haben wir bei den Anwärterinnen und Anwärtern ungefähr 40 % Frauen, die diesen Beruf ausüben. Deren Inanspruchnahme von Mutterschutzzeiten, von Erziehungszeiten unterscheiden sich immer noch, aus gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ergebend, von denen der Männer. Genauso wie in der Versichertenwirtschaft müssen in einer so personalintensiven Organisation auch beispielsweise die Sterbetafeln aktualisiert werden. Es gibt sowohl in der Landesverwaltung als auch bei der Polizei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor der Zurruhesetzung versterben. Da ist also die richtige Quote einzurechnen. Darüber hinaus muss belegt und berechnet werden, in welcher Weise in der Vergangenheit, aber auch in der Zukunft beispielsweise vorzeitige Zurruhesetzungen, möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen, stattfinden.

Man muss sehr genau in den Blick nehmen – wir reden ja hier über Einstellungsermächtigungen –, wie viele von denen, die zum Stichtag 1. September eingestellt werden, tatsächlich drei Jahre später die Prüfung bestehen und/oder durchfallen und/oder aus anderen Gründen die Ausbildung abbrechen.

Sie sehen also: Wenn man tatsächlich über einen sehr langen Zeitraum Personalbedarf berechnen will, ist das mit einem reinen Softwareprogramm nicht leistbar. Man muss bestimmte Faktoren, Kriterien bewerten und analysieren. Dazu haben wir uns – ich habe es gerade ausgeführt – wissenschaftlichen Sachverstandes bedient, der diese Rohdaten zur Verfügung gestellt bekommt, genau wie der Innenausschuss auch, daraus aber die Analyse ziehen soll, wie sich der Personalbedarf der nordrhein-westfälischen Polizei mittelfristig entwickelt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Herr Brockes hat eine Frage.

Dietmar Brockes (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, dass Sie das Personalproblem eigentlich nur vertagt haben und derzeit die große Herausforderung erst gar nicht angehen? Aus den Zahlen wird ja deutlich, dass der massive Stellenabbau in den Jahren 2021 bis 2025 erfolgen wird, also erst nach der nächsten Landtagswahl.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Minister.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Nein, Herr Abgeordneter Brockes, dem stimme ich ausdrücklich nicht zu. Wir haben die demografische Entwicklung bei der Polizei nicht verschoben, sondern vorgefunden. Ich darf darauf aufmerksam machen – ich habe es eingangs erwähnt –, dass trotz des Vorliegens des Altersberichts der Kommission, die seinerzeit der Innenminister Fritz Behrens eingesetzt hatte, der vonseiten der Landesregierung vier Jahre unter Verschluss gehalten wurde, nicht im ausreichenden Maße für diese demografische Entwicklung bei der Polizei wie aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen Vorsorge getroffen wurde. Insofern ist eine sich möglicherweise ergebende demografische Lücke auf Fehler, Einstellungsversäumnisse der Vergangenheit zurückzuführen.

Diese Landesregierung ist dabei, den Personalbestand der nordrhein-westfälischen Polizei auszubauen. Das habe ich gerade deutlich gemacht: Es gibt 602 Planstellen zusätzlich. Man ist darum bemüht, mit ganz erheblichen Anstrengungen bis an die Kapazitätsgrenze, was die Ausbildungsfähigkeit der Person angeht, diese Fehler der Vergangenheit möglichst abzumildern.

Darüber hinaus, Herr Brockes, habe ich eingangs gesagt, dass es keinen Auftrag an die Expertenkommission gibt, einen Stellenabbau zu betreiben. Im Übrigen ist es auch nicht die Frage der zukünftigen Personalstärke bei der Polizei, wie viele Stellen sie hat, sondern wie viele Menschen tatsächlich aufgrund der demografischen Entwicklung zur Verfügung stehen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Frau Schmitz hat eine Frage.

Ingola Schmitz (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, bereits vor der derzeitigen erhöhten Terrorgefahr gab es eine sehr hohe Belastungssituation der nordrhein-westfälischen Polizei bei zunehmenden komplexen Aufgaben, Eigengefahren durch Gewalt, Personalengpässen etwa aufgrund von hohen Kranken- und Ausfallzahlen, Verwendungseinschränkungen, hohem Durchschnittsalter und beträchtlichen Überstundenkontingenten.

Teilen Sie als Innenminister die Aussage der Polizeigewerkschaften, dass schon die gegenwärtige Personalausstattung der Polizei in NRW eine sachgemäße Aufgabenerledigung innerhalb der Belastungsgrenze kaum noch zulässt, und wie kann nach Ihrer Meinung, Herr Innenminister, die Belastung unserer Polizeibeamtinnen und -beamten dauerhaft gesenkt werden?

Und wie bewerten Sie als Innenminister die Aussage der Polizeigewerkschaften, dass der Personalabbau, wie er von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen eingeleitet wird, unweigerlich zu einer weiteren Belastung und Gefährdung der Polizeibeamtinnen und -beamten führen und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger weiter einschränken wird?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Schmitz, nur zur Genauigkeit: Das waren jetzt drei Fragen. Der Herr Minister kann eine beantworten; er kann auch alle drei beantworten. Aber wir müssen uns schon ein bisschen an die Regeln der Fragestunde halten, in der man jeweils nur eine Frage stellt und sich noch einmal melden kann, um eine weitere Frage zu stellen. Sonst hätten wir nachher immer ein Paket an Fragen. Das nur als Hinweis; wir haben es gerade im Präsidium noch einmal kurz miteinander besprochen. – Herr Minister, Sie haben das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Abgeordnete Schmitz, ich habe versucht, es sehr deutlich zu machen. Offensichtlich ist mir das nicht gelungen. Ihre Darstellung, dass diese Landesregierung einen Personalabbau bei der Polizei betreiben würde, ist nicht zutreffend bzw., um es präzise zu sagen, völlig falsch.

Wir verfügen zurzeit über 602 mehr Planstellen bei der nordrhein-westfälischen Polizei als 2010. Das hat ursächlich damit zu tun, dass diese Landesregierung erhebliche Anstrengungen unternimmt, insbesondere im Bereich der Einstellung von Kommissaranwärterinnen und -anwärtern, die die Landesregierung deutlich erhöht hat.

Sie schildern jetzt das, was ich schon versucht habe, darzustellen, nämlich dass aufgrund der demografischen Entwicklung in der Zukunft ein größerer Personalbedarf entstehen könnte. – Das ist gerade Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung.

Wenn es tatsächlich zu einer solchen demografischen Lücke – so nenne ich sie einmal – kommen sollte, dann, um es etwas plakativ auszudrücken, handelt es ich um eine schwarz-gelbe Lücke. Diese ist darauf zurückzuführen, dass die Anstrengung, die diese Landesregierung für den Personalbestand der nordrhein-westfälischen Polizei unternommen hat, die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung nicht unternommen hat, sondern sie hat trotz vorliegendem Altersbericht, trotz in Kenntnis dessen, was in wenigen Jahren auf die nordrhein-westfälische Polizei zukommt, keine ausreichenden Einstellungen vorgenommen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Herr Witzel hat eine Frage.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zur Nachfrage. – Herr Minister Jäger, ich würde gerne auf Struktur, Standorte und Besetzungszeiten von Polizeiwachen vor Ort, einschließlich Funkstreifen und Bezirksdienststellen, zu sprechen kommen und Sie gerne fragen, ob Sie die Ansicht teilen, dass die Besetzung dort maßgeblich ist für Einsatzreaktionszeiten, polizeiliche Verfügbarkeit, bürgernahe Präsenz und deshalb eine personellen Ausdünnung und Schwächung einzelner Dienststellen und Kommissariate vor Ort oder sogar die Schließung weiterer Polizeiwachen oder eine Reduzierung von Streifenwagenbesetzungen deshalb abzulehnen ist, wenn keine zusätzlichen Gefahren für die innere Sicherheit in Kauf genommen werden sollen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, bitte.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Abgeordneter Witzel, ich versuche jetzt einen vierten Anlauf: Es gibt keinen Personalabbau bei der nordrhein-westfälischen Polizei. Im Gegenteil: Wir haben seit 2010 600 zusätzliche Planstellen zur Verfügung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Insofern ist das Szenario, das Sie gerade schildern, dass es zur Schließung von Wachen aufgrund von Personalmangel kommen sollte, nicht zutreffend.

Ich will Ihnen aber kurz erläutern, wie die Organisations- und Personalentscheidungen innerhalb der nordrhein-westfälischen Polizei bezogen auf die 47 Kreispolizeibehörden getroffen werden.

Die über 40.000 Polizeivollzugsbeamten werden nach der sogenannten BKV über die 47 Kreispolizeibehörden und die drei Landesoberbehörden verteilt. Grundlage für die Personalverteilung zwischen diesen 47 Kreispolizeibehörden ist beispielsweise die Häufigkeit von Verkehrsunfällen, die Häufigkeit von Delikten, also sozusagen das „Auftragsbuch“ der Polizei. Je nachdem, wie sich die jeweilige Lage in den 47 Kreispolizeibehörden darstellt, so wird das Personal vonseiten des Ministeriums dorthin zugewiesen.

Ob und in welchem Umfang Polizeidienststellen in einer solchen Kreispolizeibehörde betrieben, aufrechterhalten oder neu angemietet werden, entscheidet in der Regel die Kreispolizeibehörde selbst, weil nur sie die örtlichen, regionalen Kenntnisse darüber hat, wie beispielsweise eine gute Einsatzreaktionszeit zu entwickeln ist, wie die Wege innerhalb einer Stadt aussehen, wo es möglicherweise Hotspots gibt wie beispielsweise die Düsseldorfer Altstadt, wo es in der Tat Sinn macht, vor Ort eine Wache zu haben.

Sie sehen, es gibt keinen Personalabbau, es gibt einen Personalaufbau bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist gut ausgestattet. Die Sachmittel sind in den letzten Jahren angemessen gestiegen. Das, was die Polizei an notwendigen Instrumenten zur Verfügung gestellt bekommen muss, hat sie auch zur Verfügung.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Als Nächster stellt Herr Nückel eine Frage. Bitte schön.

Thomas Nückel (FDP): Danke sehr, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister Jäger, halten Sie eine Reduzierung der Zahl der Hundertschaften bzw. der jeweiligen Stärken, wie sie vom Polizeipräsidenten von Münster, Herrn Wimber, öffentlich gefordert wurde, angesichts der hohen Einsatzbelastung für realistisch?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Ich kenne keine Forderung des Polizeipräsidenten aus Münster, die so lautet. Ich will es umgekehrt formulieren: Ich habe aus Medien erfahren, dass es eine solche Diskussion gibt.

Wir verfügen in Nordrhein-Westfalen über 18 Einsatzhundertschaften. Eine Hundertschaft hat 123 Beamtinnen und Beamte. Die Personalplanung sieht so aus, dass jede Hundertschaft bei einer 41-Stunden-Woche in der Regel im Jahr zwölf freie Wochenenden haben sollte. Diese zwölf freien Wochenenden je Einsatzhundertschaft sind zurzeit nicht vollständig zu gewährleisten. Das hat sehr viel mit den Einsatzlagen rund um den Fußball zu tun. Wir haben aufgrund der besonderen Aufstiegs- und Abstiegssituation in Nordrhein-Westfalen 10 % mehr Spiele in der ersten, zweiten und dritten Liga. Das sind 241 Spiele insgesamt.

Es hat auch etwas mit all den Montagsdemonstrationen in Düsseldorf und Duisburg von der sogenannten PEGIDA-Bewegung zu tun, die erhebliche Kräfte binden. Die allgemeine Demonstrationslage macht es erforderlich, dass Hundertschaften aus Nordrhein-Westfalen auch in anderen Bundesländern aushelfen. Zuletzt waren sie in Frankfurt und in Dresden.

Herr Nückel, daran können Sie erkennen: Die Auslastungszahlen der Einsatzhundertschaften sind bereits jetzt hoch. Bei einer Reduzierung der Zahl der Einsatzhundertschaften würde die Belastung je Hundertschaft noch einmal deutlich steigen. Deshalb warte ich gerne den Expertenbericht ab und gehe mit ihm so um, wie es alle tun sollten: Ich werde ihn lesen und mir dann ein Urteil bilden. – Es spricht vieles dafür, dass das Urteil am Ende lauten könnte, dass es nicht geboten ist, die Zahl der Einsatzhundertschaften zu reduzieren.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Frau Schneider von der FDP-Fraktion hat eine Frage.

Susanne Schneider (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Verehrter Herr Minister, schließlich steht bereits heute für den Polizeidienst von den rund 50.000 Beschäftigten bei der Polizei NRW jährlich aufgrund von knapp 1 Million Krankentage ein rechnerisches Vollzeitäquivalent von über 4.000 Beschäftigten dauerhaft nicht zur Verfügung. Allein 4.591 Beschäftigte der Polizei waren 2013 mehr als 31 Tage krank.

Nun meine Frage: Herr Minister, welche konkreten Vorstellungen haben Sie bezüglich Maßnahmen wie etwa eines wirksamen präventiven Gesundheitsmanagements bei der Polizei, um damit die Belastungen der Polizistinnen und Polizisten sowie die Ausfallzeiten zu senken? – Danke.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Minister.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Der Beruf des Polizeibeamten oder der -beamtin ist sehr anspruchsvoll. Er fordert in hohem Maße Physis, aber auch die Psyche. Diese im Beruf vorhandenen Belastungen werden nicht besser verarbeitet, wenn eine solche Organisation ebenso wie die gesamte Gesellschaft älter wird. Es ist in der Tat auch Gegenstand dieser Expertenkommission, zu analysieren, inwieweit es in der Zukunft möglicherweise aufgrund der demografischen Entwicklung zu einer früheren Zurruhesetzung kommt.

Mir ist es wichtig, dass wir die Polizeibeamtinnen und -beamten so fortbilden, ausstatten, begleiten und beraten, dass sie mit dieser schwierigen Situation im Beruf bestmöglich umgehen können. Dazu wollen wir im Rahmen der Dienstrechtsreform einerseits verpflichtend einführen, dass es in jeder Behörde ein Gesundheitsmanagement gibt. Wir geben keine konkreten Maßnahmen vor. Die Konkretisierung der Maßnahmen sollte je Behörde erfolgen, weil die individuelle Belastung in den unterschiedlichen Landesbehörden auch unterschiedlich aussieht.

In Nordrhein-Westfalen gibt es einen Sporterlass. Das ist ein weiterer Punkt. Danach werden Beamtinnen und Beamte in Teilen für Dienststunden freigestellt, wenn sie das Sportabzeichen absolvieren. Ferner betreuen wir die Beamtinnen und Beamten beispielsweise nach schwierigen Einsätzen durch Betreuerteams, damit auch die mit diesem Beruf einhergehende psychische Belastung verarbeitet werden kann.

Daran können Sie erkennen: Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen, die ich jetzt gar nicht vollständig auflisten kann. Wir haben die Gesundheit unserer Beamtinnen und Beamten sehr genau im Blick und versuchen, sie bestmöglich zu erhalten.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Brockes hat eine zweite und für ihn letzte Frage.

Dietmar Brockes (FDP): Herr Minister, im Haushaltsgesetz gibt es nach wie vor eine Deckelung auf 1.642 Neueinstellungen. Das heißt, mehr Stellen dürfen nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden, in dem Anwärterinnen und Anwärter aus dem Ausbildungsjahrgang drei Jahre zuvor ohne bestandene Laufbahnprüfung ausgeschieden sind.

Meine Frage: Warum wird diese Deckelung nicht aufgehoben? – Die Anwärter werden ja gebraucht, und die Ausbildungskapazitäten müssten bei der hohen Abbrecherquote ebenfalls vorhanden sein.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte, Herr Minister. Sie haben das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Abgeordneter Brockes, leider muss ich Ihnen auch in diesem Punkte widersprechen. Die Abbrecherquote ist nicht hoch. Sie ist – im Gegenteil – mit einer Größenordnung von 5 bis 7,5 % relativ niedrig. Das hat damit zu tun, dass wir bei den Auswahlverfahren sehr engmaschige Assessmentcenter haben, um die bestmöglichen Bewerberinnen und Bewerber für diesen Beruf zu gewinnen. Es ist ein dreijähriges Bachelor-Studium. Einige verlassen während der Ausbildung die Polizei aus ganz unterschiedlichen und individuellen Gründen. Einige stellen fest, dass es vielleicht doch nicht ihr Beruf ist. Manche fallen trotz intensivster Begleitung durch die Dozenten an der Fachhochschule durch die Prüfung. Aber wie gesagt: Das sind relativ wenige, nur 5 bis 7,5 %.

Was die von Ihnen unterstellte höhere Ausbildungskapazität bei der Polizei angeht, muss ich kurz erläutern, wie diese Polizeiausbildung in Nordrhein-Westfalen gegliedert ist. Es handelt sich um eine zweigeteilte Laufbahn. Laufbahnbeginn ist die gehobene Beamtenlaufbahn mit einem dreijährigen Bachelor-Studiengang an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung. Zeitgleich erfolgen in Blöcken Einsatztrainings in Selm-Bork und die Praxisausbildung in den Polizeibehörden. Diese Ausbildung ist extrem anspruchsvoll. Sie ist inhaltlich hochqualifiziert.

Um bildlich zu sprechen: Mit den 1.642 zusätzlichen Kommissaranwärterinnen und -anwärtern in diesem Jahr, im Jahre 2016 und im Jahre 2017 wird es, um es bildlich zu sagen, an der Fachhochschule richtig kuschelig.

Eine Organisation wie die Polizei hat Kernaufgaben, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Das ist nicht zu vernachlässigen. Eine solche Organisation kann nicht nebenher beliebig viel ausbilden. Es gibt natürliche Kapazitätsgrenzen. An der Grenze sind wir mehr oder weniger angekommen.

Herr Brockes, kurz und gut: Es bringt überhaupt nichts, wenn Sie in einem Haushalt Stellen ausweisen und dahinter nicht die entsprechenden Ausbildungskapazitäten haben.

Wir werden den Bericht der Expertenkommission bekommen. Das wird im ersten Halbjahr dieses Jahres sein. Darin wird die demografische Entwicklung wissenschaftlich begleitet dargestellt. Ich gehe davon aus, dass wir die Anstrengungen, die wir in den letzten vier Jahren bei der Einstellung von Anwärtern unternommen haben, aufrechterhalten müssen. Ob und in welcher Größe trotzdem eine zusätzliche Lücke entstehen sollte – ich habe schon deutlich gemacht, wo die Ursache einer solchen Lücke liegt –, muss Gegenstand weiterer politischer Beratung sein. Es stellt sich die Frage, ob in der Zukunft Ausbildungskapazitäten erweitert werden können.

Letzter Punkt: Ich würde nicht dafür plädieren, die Qualität der Polizeiausbildung zugunsten einer höheren Quantität zu reduzieren. Die Anforderungen an den Polizeiberuf sind heute völlig anders als noch vor 20 Jahren. Das setzt eine sehr qualifizierte Ausbildung voraus, die wir nicht reduzieren wollen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Lürbke, bitte.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Herr Minister. – Ihre Ausführungen haben mich zu einer weiteren Nachfrage motiviert. Sie haben den Stellenüberhang von 600 Beamtinnen und Beamten angesprochen und die Leistungen der rot-grünen Landesregierung gerühmt. Ausweislich der Vorlage für den letzten Innenausschuss wird aber in der von Ihnen vorgelegten Tabelle deutlich, dass von diesen 600 Beamtinnen und Beamten – diesem Überhang, diesem Speckbauch – bereits unter Schwarz-Gelb etwa 500 dieser 600 Stellen veranlasst worden sind, weil sie nämlich auf erhöhte Einstellungszahlen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 zurückgehen. Insofern ist die Mär, Rot-Grün wäre für diesen Überhang von 600 Beamten verantwortlich, eigentlich nicht haltbar. Sind Sie bereit, das anzuerkennen?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Abgeordneter Lürbke, aus verschiedenen Diskussionen zwischen uns beiden wissen Sie, dass ich das nicht anerkenne, weil es schlichtweg falsch ist.

Ich will es noch einmal deutlich machen: Fritz Behrens hat im Jahre 2004, also vor elf Jahren, einen Altersbericht für die nordrhein-westfälische Polizei in Auftrag gegeben, weil auch vor der Polizei die demografische Entwicklung nicht haltmacht. Das war seine Erkenntnis im Jahre 2004. Über die Erstellung dieses Altersberichtes hinweg ist eine Landtagswahl erfolgt, die im Jahr 2005 zu veränderten politischen Mehrheitsverhältnissen in diesem Land geführt hat. Der Altersbericht für die nordrhein-westfälische Polizei ist dann, wie 2004 von Fritz Behrens in Auftrag gegeben, 2006 vorgelegt worden.

Aus diesem Bericht ist sehr präzise herleitbar, dass die damalige Einstellung seitens der schwarz-gelben Landesregierung von nur 500 Anwärtern – später dann 1.100 Anwärtern – nicht im Ansatz ausreichend ist, um größere Lücken bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen zu schließen bzw. gar nicht entstehen zu lassen.

Ich will es noch einmal ganz deutlich machen: Durch die Anstrengung und die Unterstützung vor allem des Haushaltsgesetzgebers – indem wir seit 2010 die Einstellungszahlen auf 1.400 und jetzt für die nächsten drei Jahre auf jährlich 1.642 erhöht haben – kompensieren wir vieles von dem, was in diesen fünf Jahren vernachlässigt worden ist – grob und wider besseres Wissen vernachlässigt worden ist. Insofern, Herr Lürbke: Was wir als Landesregierung aufstellen, ist gut, und es ist auch gut, was dieses Parlament als Haushaltsgesetzgeber beschließt – aber wir werden nicht alle Fehler der Vergangenheit beseitigen können.

Der Umgang mit dieser Lücke, die durch falsche Einstellungspolitik in jenen Jahren entstanden ist, muss Gegenstand der Erörterung um diesen Bericht sein: Wie organisieren wir Polizei, wenn eine größere demografische Lücke entsteht? Wie können wir das Kerngeschäft der Polizei – für mich ist das Verkehr, Gefahrenabwehr und die Kriminalitätsbekämpfung – in der Qualität und in der Quantität aufrechterhalten und drumherum die Polizei so organisieren, dass wir diese demografische Lücke abwettern können, ohne größeren Schaden zu nehmen?

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Seine zweite und letzte Frage stellt Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Jäger, ich würde gerne zurückkommen auf Berechnungen der Polizeigewerkschaften, die als Praktiker natürlich den direkten Einblick in die alltägliche Realität haben.

Die gehen in ihren Berechnungen davon aus, dass wir es bis zum Jahr 2025 mit einem landesweiten Fehlbestand von rund 12 % der derzeit 37.500 Planstellen für die Kreispolizeibehörden zu tun haben; wir reden also über rund 4.300 wegfallende Planstellen. Die Größenordnungen, die hier zur Disposition stehen, gibt auch der Altersstrukturbericht her, den Sie erwähnt haben, für den Zeitraum von 2014 bis 2025, insbesondere wegen der von Ihnen gerade genannten Verluste durch die Nichtfortsetzung des Dienstes nach der Ausbildungszeit.

Meine Frage ist deshalb angesichts dieser Größenordnung – Verlust von 12 % bis zum Jahr 2025 – weiter gedacht: Wie soll das aus Ihrer Sicht kompensiert werden, wenn Sie das nicht grundlegend mit entfallenden Aufgaben verbinden? Am Beispiel der Stadt Düsseldorf wären dann rechnerisch über 300 von jetzt 2.600 Planstellen nicht mehr vorhanden.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, Sie haben das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Abgeordneter Witzel, Sie haben in Ihrer Bemerkung eingangs gesagt, dass die Polizeigewerkschaften und die Mitglieder der Polizeigewerkschaften Praktiker sind, die Einblicke haben in die polizeiliche Arbeit. Das ist unzweifelhaft so, Herr Witzel.

Ob es aber zu den Kernkompetenzen der drei Polizeigewerkschaften gehört, Personalentwicklung, Personalanalysen und -berechnungen vorzunehmen, ziehe ich ein wenig in Zweifel. Ich kann mir vorstellen, woher deren Materialien stammen und wie sie zu dieser Berechnung kommen, die Sie gerade zitiert haben. Ich glaube aber, dass der Bericht der Expertenkommission, den wir in Kürze vorlegen werden, das so nicht wiederspiegeln wird.

Ich will jetzt keine Zahlen in den Raum werfen, weil ich sie nicht kenne, da der Expertenbericht noch nicht vorliegt. Ich bin aber sehr sicher, dass die große Lücke, die durch die Untätigkeit der schwarz-gelben Landesregierung entstanden ist, nicht so groß sein wird, wie Sie sie gerade geschildert haben.

In der Tat muss man sich aber auch darüber Gedanken machen, wie man die Polizei möglicherweise von Aufgaben entlasten kann. Ich glaube, dass der steuerzahlende Bürger, wenn er die 110 ruft, eine bestimmte Erwartungshaltung hat, dass nämlich die Polizei kommt und er nicht verwiesen wird an irgendwelche anderen staatlichen Institutionen, wo er sein Problem vortragen soll.

Ich könnte mir aber sehr wohl vorstellen, dass in Bereichen wie beispielsweise der Begleitung von Schwertransporten des Nachts oder bei der Entnahme von Blutproben punktuell Entlastungen für die Polizei herbeigeführt werden können.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen zu Recht kein Verständnis hätten, wenn sich die Polizei ihrer Kernkompetenzen in irgendeiner Weise entledigen würde. Das heißt für mich: Wenn jemand die 110 ruft, muss auch schnell die Polizei da sein. Das werden wir mit den zur Verfügung stehenden Kräften – bei extremen Anstrengungen, was die Einstellungszahlen angeht – auch in Zukunft gewährleisten müssen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Ihre zweite und letzte Frage stellt Frau Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, für die Kreispolizeibehörden sind zunehmend die nicht kompensierten ansteigenden Ausfallzeiten durch Mutterschutz, Elternzeit, Beurlaubung – rund 402 Vollzeitstellen in 2013 – und sich gegebenenfalls anschließende Teilzeitmodelle eine zusätzliche Belastung, die es – so die Forderung von Behördenleitern und Gewerkschaften – durch entsprechende Berechnungen der Einstellungszahlen endlich ausreichend zu berücksichtigen gilt. Hinzu kommen Freistellungen aufgrund von Personalratstätigkeit – rund 100 Vollzeitstellen in 2013 – und naturgemäß Abwesenheiten aufgrund von Urlaub, Fortbildung, Gerichtsterminen etc.

Halten Sie es für richtig, dass die hohen Ausfallzeiten durch Mutterschutz, Elternzeit, Beurlaubungen und sich gegebenenfalls anschließende Teilzeitmodelle bei der Errechnung der notwendigen Anwärterstellen nicht berücksichtigt werden und Behörden keinen Ersatz erhalten?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, Sie haben das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Frau Abgeordnete Schneider, ich habe schon vorhin versucht, deutlich zu machen: 1.642 Anwärter in diesem, im nächsten und im übernächsten Jahr führen dazu, dass wir die Kapazitätsobergrenze erreicht haben, was eine qualifizierte Ausbildung angeht.

Frau Schneider, wenn man diese Einstellungszahlen vorliegen hat, kann man nicht einfach noch etwas draufrechnen, weil man die Plätze beispielsweise an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung gar nicht zur Verfügung hat. Wir sind wirklich am Anschlag. Das ist eine unglaubliche Anstrengung dieser Landesregierung. Es wäre schön gewesen, wenn vergangene Landesregierungen dies auch so getan hätten.

Was die Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten, Erziehungszeiten oder auch die Freistellung von Personalräten, die Sie genannt haben, angeht, hatte ich versucht zu erläutern, wie die Personalverteilung über die 47 Kreispolizeibehörden und die drei Landesoberbehörden stattfindet.

Dazu dient die sogenannte BKV, eine an der Belastung orientierte Kräfteverteilung. Die Lagen innerhalb der 47 Kreispolizeibehörden entscheiden darüber, wie viel Personal zugewiesen wird. Dabei sind Freistellungen oder Mutterschutz in gewisser Weise mit berücksichtigt. Es wird aber nicht funktionieren, Frau Schneider, dass, wenn eine Beamtin in einer Behörde mit beispielsweise 2.000 Mitarbeitern in den Mutterschutz geht, dann automatisch für diese Zeit eine Beamtin aus einer anderen Behörde dort hinzutritt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Lürbke stellt seine dritte und letzte Frage. Bitte schön.

Marc Lürbke (FDP): Herr Minister, Ihr Blick in die Vergangenheit ist mitunter doch ein wenig Geschichtsklitterung. Sie werden nicht müde, das eigene Unvermögen der SPD in den Jahren 2004 und 2005 anderen in die Schuhe zu schieben, um es einmal auf den Punkt zu bringen.

Trifft es zu, dass Rot-Grün und Innenminister Behrens für den Doppelhaushalt 1.429 auf die Polizei entfallende kw-Vermerke ausgebracht haben – diese Stellen sollten also wegfallen –, und Sie zudem für die Jahre 2004 bis 2009 die Einstellungsermächtigung für Kommissaranwärter und -anwärterinnen planmäßig auf 500 reduziert haben?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Lürbke, Entschuldigung, ich kenne den Haushalt der Jahre 2004 und 2005 nicht aus dem Gedächtnis – tut mir leid. Deswegen kann ich die Zahl weder bestätigen noch dementieren. Richtig ist aber – daran ist nicht zu zweifeln –, dass 2004 und 2005 die Einstellungszahlen zu deutlich auf nur 500 gefallen sind – in der Annahme, dass es schon irgendwie ausreichen wird.

Deswegen war es seinerzeit der richtige Schritt von Fritz Behrens zu sagen: Gut, wenn es einen solchen allgemeinen Konsolidierungsdruck auf den Haushalt gibt und der Haushaltsgesetzgeber nur 500 Stellen zur Verfügung stellt, muss ich wissen: Wie sieht die Polizei der Zukunft aus? Wie viele Einstellungen brauche ich tatsächlich? – Dazu hatte er diesen Altersbericht in Auftrag gegeben, um dem Parlament und dem Finanzminister auf einer soliden Datenbasis klarzumachen: Was brauchen wir an Einstellungen?

Herr Lürbke, ich muss es leider wiederholen. Dieser Bericht ist 2006 vorgelegt worden. Die alte Landesregierung hat ihn vier Jahre unter Verschluss gehalten, weil erkennbar war – jetzt spekuliere ich –, dass die Einstellungsanstrengungen, die unternommen wurden, viel zu gering waren, um den Tendenzen, die im Altersbericht aufgezeigt wurden, zu begegnen.

Fazit ist: Wider besseres Wissen ist zu wenig eingestellt worden, und wenn man es in der Summe sehen will: Hätte die alte Landesregierung die gleichen Anstrengungen unternommen wie diese Landesregierung, hätten wir heute auf den Tag 2.700 Beamtinnen und Beamte mehr.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Frau Freimuth hat noch eine Frage.

Angela Freimuth*) (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben gerade schon die belastungsbezogene Kräfteverteilung angesprochen. Die Kreispolizeibehörden vor Ort leisten sowohl in der Prävention als auch in der Kriminalitätsbekämpfung einen wichtigen Beitrag.

Ich habe eine Frage. Nach dieser belastungsbezogenen Kräfteverteilung würde zum Beispiel für die an die Polizeibehörde Düsseldorf angrenzende Landratsbehörde Rheinkreis Neuss mit derzeit 633,18 Planstellen für Polizeibeamte ein Fehlstand von 12 % bis 2025 eine rechnerisch dauerhafte Einbuße von 76 Stellen für Polizeibeamte bzw. -beamtinnen bedeuten. Unter dem Strich wäre ein noch deutlich höherer Realverlust zu befürchten, in dem der ländliche Raum spürbar stärker beschnitten werden soll als zum Beispiel die Ballungsräume.

Bedeutet das faktisch, dass eine Behördenzusammenlegung unvermeidbar sein und von Ihnen auch befürwortet wird, oder wie soll ein solcher Personalverlust aus Ihrer Sicht kompensiert werden?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister Jäger, bitte schön.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Frau Abgeordnete, die Frage kann ich nicht abschließend beantworten, weil Sie einen Personalverlust unterstellen, der durch nichts begründet ist – weder durch die Einstellungszahlen heute, noch durch eine Datenbasis, aus denen diese 12 % herzuleiten wären.

Das Ergebnis dieser Expertenkommission wird noch im ersten Halbjahr 2015 vorgelegt, und die Experten versuchen sehr genau, die Zukunft zu berechnen. Deshalb zu unterstellen, dass eine bestimmte Behörde in wer weiß wie vielen Jahren 12 % weniger Personal hat, ist, wie ich glaube, völlig aus der Luft gegriffen.

Ich habe aber verstanden, warum Sie diese Zahlen genannt haben. Sie möchten von mir wissen, wie ich zur Aufbauorganisation der Polizei in Nordrhein-Westfalen stehe. Genau das ist auch Gegenstand dieser Expertenkommission: nicht nur den zukünftigen Personalbedarf darzustellen, sondern auch die Aufbauorganisation der Polizei hinsichtlich möglicher Effizienzen zu untersuchen.

Das Ergebnis wird vorgelegt werden, und wir werden es miteinander diskutieren. Ich habe einen sehr ergebnisoffenen Auftrag an die Expertenkommission gegeben. Und genauso ergebnisoffen warte ich dann den entsprechenden Bericht ab.

(Angela Freimuth [FDP]: Aber Sie haben dazu keine Meinung!)

– Ich bilde mir dann eine Meinung, wenn die entsprechenden Fakten und Daten vorliegen. Erst dann kann man sich seriös eine spezifische Meinung bilden.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. Damit sind wir am Ende dieser Mündlichen Anfrage 63.

Ich rufe auf die

Mündliche Anfrage 64

des Abgeordneten Ralf Witzel von der FDP-Fraktion.

Steuerliche Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Galeristen in Gefahr – Welche Konsequenzen zieht der Finanzminister aus den Protesten bei der Art Cologne zu der deutlich erhöhten Besteuerung zu Lasten des Kunstmarktes in Nordrhein-Westfalen?“

Die Art Cologne verbindet seit fast 50 Jahren in einzigartiger Weise Kunstausstellung, Handelsplatz und Kulturaustausch und ist wohl weltweit die älteste Kunstmesse dieses Formats. Die dort ausstellenden Galeristen gehören international zur Avantgarde. Auch in diesem Frühjahr ist bei der Art Cologne die erhöhte Besteuerung der Galeristen in unserem Land wieder ein großer politischer Streitpunkt gewesen.

Hintergrund der nun schon seit über einem Jahr andauernden Proteste ist der Umstand, dass die erklärte Absicht des Bundesgesetzgebers auf Landesebene konterkariert wird. Im Ergebnis sind zahlreiche der in ihrer Mehrzahl kleinen und mittelständischen Galerien im internationalen Kunstmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig und existenziell gefährdet.

Nach dem erfolgten Wegfall des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für den Kunsthandel hat der Deutsche Bundestag bereits im Juni 2013 das Modell der Pauschalmargenbesteuerung in deutsches Recht übertragen, um den zu erwartenden negativen Auswirkungen auf Galerien und sonstige Wiederverkäufer bildender Kunst vorzubeugen und die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Galerien auf dem internationalen Markt zu erhalten. Auch die Länder stimmten dieser Änderung im Bundesrat ausdrücklich zu.

In der Praxis kommt diese politische Absicht aber kaum zum Tragen, da die Finanzminister auf Länderebene in den damit einhergehenden steuerrechtlichen Anwendungsvorschriften zum Bundesgesetz die Pauschalmargenbesteuerung de facto zum absoluten Ausnahmefall machen.

Durch ministerielles Handeln wird derzeit ein breit getragener politischer Wille ins Gegenteil verkehrt. Der Finanzminister riskiert mit seinem Vorgehen die Verlagerung des ansässigen Kunsthandels in die Schweiz und die USA. Das bedeutet eine Schwächung für den nationalen Kunstmarkt und die Nachwuchsförderung von heimischen Kulturschaffenden.

Auch in diesem Jahr hat sich auf der Art Cologne erneut gezeigt: Ausländische und deutsche Galeristen stellen nebeneinander aus, die deutschen Kunsthändler leiden jedoch aufgrund des Umsatzsteuerrechts zusätzlich zur Künstlersozialversicherung unter um rund 30 % höheren Kosten als die ausländischen Mitaussteller.

Die Galeristen erwarten, dass Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans nun die versprochene pauschale Margenbesteuerung zur Anwendung bringt. Sie gilt als Sonderform der bisher schon überwiegend im Auktionshandel praktizierten Differenzbesteuerung: Der Händler muss dabei die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis mit 19 % versteuern; dafür entfällt beim Verkauf der Umsatzsteuerausweis auf der Rechnung.

Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sollte aufgrund der anhaltenden Beschwerden aus der Galeristenszene dem Parlament nun transparent darlegen, wie er das steuerliche Versprechen einzulösen gedenkt, die Benachteiligung der heimischen Galeristen zu beenden und zeitnah in Nordrhein-Westfalen die politisch in Aussicht gestellte Margenbesteuerung als Regelfall zur Anwendung zu bringen. Die Landesregierung darf den gravierenden Wettbewerbsnachteilen des nordrhein-westfälischen Kunstmarktes nicht weiterhin nur unbeteiligt zusehen; dafür ist er für unser Land zu wertvoll.

Fraglich ist für viele Betroffene, die Öffentlichkeit und die Politik, warum der Finanzminister nicht endlich seine Handlungsspielräume nutzt, mit einer angemessenen steuerlichen Erlasslage die sachgerechte Veranlagung des Kunstmarktes zu ermöglichen.

Welche Konsequenzen zieht der Finanzminister aus den Protesten bei der Art Cologne zu der deutlich erhöhten Besteuerung zulasten des Kunstmarktes in Nordrhein-Westfalen?

Da freut sich Herr Dr. Walter-Borjans als Finanzminister, mal wieder zu einem kunstbezogenen Thema sprechen und antworten zu dürfen. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren, Sie liegen völlig richtig mit Ihrer Einschätzung: Ich finde diese Frage – sehen Sie mir das bitte nach – absolut amüsant, und zwar deshalb, weil es ja erst ein paar Wochen her ist, dass ich am Pranger stand und es hieß, dass ich Kunst zu leichtfertig als eine verkäufliche Ware ansehen würde.

Heute hingegen fühle ich mich der Kritik ausgesetzt, dass ich es denen, die mit Kunst handeln, erschweren würde, ihrem Geschäft nachzugehen. Das nehme ich jetzt einmal zur Kenntnis, obwohl ich das eine wie das andere weit von mir weisen möchte.

Der Vortext zu dieser Frage insinuiert ja, dass das Land Nordrhein-Westfalen – und hier der Finanzminister persönlich – eine bestimmte Vorgabe des Bundesgesetzgebers eng zu Ungunsten der Galeristen in Nordrhein-Westfalen auslegt. Diese Aussage bzw. Interpretation ist absolut falsch. Wir müssen vielmehr erst einmal – auch für die Damen und Herren auf der Tribüne, die uns zusehen und zuhören – sagen, was überhaupt die Grundlage ist.

Es war so, dass Galeristen für ihren Handel den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % – also nicht 19 % – zu bezahlen hatten. Das ist nicht vom Land Nordrhein-Westfalen kritisiert und verändert worden, sondern das ist vom Bundesgesetzgeber verändert worden, und zwar deshalb, weil klar war, dass diese Regelung nicht EU-konform ist und nicht der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Union entspricht. Es war damit zu rechnen, dass sich Deutschland einem Vertragsverletzungsverfahren ausgesetzt sehen würde.

Das hat dazu geführt, dass der Bundesgesetzgeber diese Ermäßigung zurückgenommen und gesagt hat: Für Galerien muss künftig – jedenfalls in den meisten Fällen – der Mehrwertsteuersatz von 19 % gelten. Um die damit verbundene Erschwernis auch im Vergleich zu anderen Regelungen in den Nachbarstaaten bzw. im internationalen Umfeld nicht zum Tragen kommen zu lassen, haben wir nun eine Sonderregelung eingeführt.

Diese Möglichkeit wird in Frankreich bereits angewendet. Sie besteht darin, dass man einfach von vornherein sagt: 70 % dessen, was an Verkaufserlösen erzielt wird, sind sozusagen Vorleistungen. Dabei wird davon ausgegangen, dass im Grunde nur 30 % Gewinn erzielt werden, die mit 19 % Umsatzsteuer belastet werden. Wer einmal nachrechnet, stellt fest, dass das, was dann an Umsatzsteuer zu bezahlen ist, sogar weniger als 7 % ausmacht.

Allerdings hat die Europäische Kommission auf die Frage, wie sie denn die Regelung in Frankreich bewertet, sehr deutlich erklärt, dass das nur in begrenzten Einzelfällen möglich ist, und zwar dann, wenn eine Pauschalmarge angenommen werden kann. Das ist etwa der Fall, wenn ganze Sammlungen oder Nachlässe übertragen werden – das heißt, wenn hier gar nicht im Einzelfall für ein einzelnes Kunstwerk festzustellen ist, wie wertvoll es ist, und somit da auch nicht die 19 % anzuwenden sind.

Deswegen hat man gesagt: In diesem Fall nehmen wir an, dass nur 30 % des Erlöses die wirkliche Besteuerungsgrundlage sind. Das war der Gegenstand. Im Übrigen ist das die Sichtweise der Europäischen Kommission.

Damit hat sich nicht nur der nordrhein-westfälische Finanzminister beschäftigt; das ist nämlich nicht die Angelegenheit eines einzelnen Bundeslandes. Vielmehr treten in solchen Fällen die Abteilungsleiter bzw. die Referatsleiter „Umsatzsteuer“ der Länder und des Bundes zusammen und interpretieren diese Richtlinie. Das ist geschehen.

Die Frage lautete, welche Konsequenzen ich aus den Protesten bei der Art Cologne ziehe. Die Kritik – ich nenne es einmal so –, die bei der Art Cologne gegen mich persönlich gerichtet geäußert wurde, basiert auf der falschen Annahme, dass sich der nordrhein-westfälische Finanzminister weigert, hier eine andere Regelung anzuwenden.

Vielmehr ist es so, dass der nordrhein-westfälische Finanzminister im Kreis der Finanzminister von Bund und Ländern dieses Thema bzw. diese Problematik angesprochen hat. Er hat die Sorgen der Galeristen, die auch persönlich an mich herangetragen worden sind, im Kreise der Finanzminister mitgeteilt.

Dort habe ich gesagt, dass ich bei der zwangsläufig engen Auslegung, wie sie von Bund und Ländern insgesamt vorgegeben worden ist, darum bitte, dass wir wenigstens die Tatbestände, bei denen diese Pauschalmarge angenommen werden kann, erweitern – etwa auf den Verkauf von Kommissionen. Denn es ist ein durchaus übliches Geschäft, dass ein Galerist von einem Künstler nicht ein einzelnes Werk übernimmt und verkauft, sondern eben ein Set, mehrere Kunstwerke zusammen. Ich habe darum gebeten, dass man diese Regelung auch darauf anwendet.

Mit diesem Vorstoß einer Ausweitung der Anwendung hat sich Nordrhein-Westfalen nicht etwa verweigert. Vielmehr war das ein Vorstoß Nordrhein-Westfalens und auch Baden-Württembergs, der von der Ländergesamtheit und von den Fachebenen der Ministerien nicht akzeptiert worden ist.

Was haben wir gemacht? In diesem Bereich haben wir überhaupt keine Möglichkeit. Wir haben dann den Bund gebeten, uns erst einmal eine klare Verwaltungsanweisung zu geben, wie das überhaupt zu interpretieren ist. Diese Interpretation ist auf Grundlage der engen Auslegung formuliert worden, die uns bindet. An die muss sich Nordrhein-Westfalen halten.

Wir haben den Bund aufgefordert, die Europäische Kommission um Überprüfung der weiten Auslegung zu bitten, die in Frankreich praktiziert wird. Er soll prüfen lassen, ob das mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU in Einklang steht. Wenn das so wäre, dann würden wir darum bitten, dass auch Deutschland dieselbe Regelung anwenden kann wie Frankreich. Bislang ist allerdings nach meiner Kenntnis diese Anfrage an die Europäische Union überhaupt noch nicht gestellt worden. Wenn die gestellt worden ist und wenn es dazu eine Antwort gibt, kann ich auch sagen, was ich da weiterhin unternehmen werde.

Bislang erschöpfen sich meine Möglichkeiten darin, zu sagen – erster Vorstoß gegenüber den Ländern und dem Bund –: Lasst uns den Anwendungsbereich dieser Pauschale vergrößern. – Das ist abgelehnt worden. Zweiter Ansatzpunkt: Lieber Bund, wende dich an die Europäische Union und frage nach, ob die Grundlagen für die Besteuerung, wie Frankreich sie praktiziert, auch auf uns übertragbar sind.

Allerdings muss man sagen: Darin liegt auch ein Risiko. Wenn die Europäische Kommission nämlich zu dem Ergebnis kommt, dass die französische Regelung dieser europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht entspricht, dann ist auch die Begünstigung, wie wir sie jetzt haben, hinfällig. Dann gilt: 19 % auf alles. Dann wäre auch die Regelung, wie wir sie jetzt in Frankreich und bei uns haben, nicht mehr anwendbar. Das wollen wir natürlich auch nicht. Aber wir müssen Klarheit haben.

Es gibt überhaupt keinen Anlass, davon auszugehen – wie im Text der Frage unterstellt –, als hätte der nordrhein-westfälische Finanzminister eine besondere Härte bei dieser Auslegung ins Spiel gebracht. Das Gegenteil ist der Fall.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans. – Nun hat Herr Witzel eine Frage dazu. Bitte schön, Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zu einer Nachfrage. – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, Kollegen von Ihnen in anderen Bundesländern und auch Vertreter der Bundesregierung interpretieren das anders.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zum Beispiel, der zugleich auch Ihr Parteivorsitzender ist, hat Sie Anfang Dezember letzten Jahres ins Gebet genommen und zu einem Anwendungserlass gedrängt, der eine sachgerechte Umsetzung der bundesgesetzlichen Regelungsabsichten vorsieht. Entsprechend groß ist auch dessen artikulierte Enttäuschung über das Ergebnis. – Das „Handelsblatt“ dokumentiert Ende 2014 Ihre Unterredung.

Ich frage Sie: Aus welchen einzelnen Gründen sind Sie bei Ihrem rigorosen Vorgehen nicht der eindringlichen Aufforderung Ihres Parteivorsitzenden und Bundeswirtschaftsministers Gabriel gefolgt?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, Sie haben das Wort.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Bei aller Wortakrobatik, lieber Herr Witzel: Sigmar Gabriel hat mich nicht ins Gebet genommen. Der Bundeswirtschaftsminister hat den Länderfinanzministern einen Brief geschrieben und als Bundeswirtschaftsminister die Interessen der Galeristen weitergetragen, deren Sorgen geteilt.

Da müssen wir auch gar nicht bis auf die Bundesebene gehen: Diese Gespräche gibt es auch zwischen dem Landeswirtschaftsminister, an den die Sorgen der Galeristen ebenfalls herangetragen werden, und dem Landesfinanzminister. Und selbst das brauche ich nicht; denn ich selbst habe mich mit Galeristen schon genau über diese Fragestellung unterhalten. Die, die sich mit mir unterhalten haben, wissen auch, dass ich nicht derjenige bin, der deren Geschäft erschweren will.

Ich sage Ihnen eines – das habe ich auch den Galeristen gesagt –: Es ist eine Grundlinie der FDP, immer wieder den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für ganz bestimmte Branchen hervorzuholen und anders anwenden zu wollen als eigentlich gedacht, nämlich dafür, die Mehrwertsteuerbelastung für die Einkommensschwächeren zu senken. Das haben Sie schon bei den Hotels gemacht, jetzt suchen Sie sich eine neue Klientel.

Hier ist der Fall allerdings insofern ein anderer, als schon vorher ein ermäßigter Satz galt. Ich selbst habe auch Künstlern immer gesagt: Ich finde, dass hier eine Gleichbehandlung notwendig ist. Um die geht es mir. Ich bin also nicht der Vertreter, der mit aller Gewalt sagt: Es liegt am Ende am Unterschied des Mehrwertsteuersatzes, ob jemand überleben kann oder nicht. Die Frage ist: Wie ist der Wettbewerb aufgestellt? Wenn es im Wettbewerbsumfeld andere gibt, die andere Belastungen haben, dann wird das eben ein Problem. Und damit haben wir uns auch beschäftigt.

Rechtsstaatliches Verfahren, Herr Witzel – das muss ich Ihnen nicht erzählen –, läuft nicht so, dass ein Parteivorsitzender einem seiner Partei angehörenden Finanzminister schreibt, der solle bitte mal die Anwendung anders organisieren, als sie bisher erfolgt. Sondern der schreibt in seinem Amt als Wirtschaftsminister einen Brief und sagt: Ich teile die Sorgen der Galeristen. Guckt euch das doch bitte mal an.

Das habe ich getan. Ich habe auch Vorschläge gemacht. Ich sage es noch einmal: Wettbewerbsgleichheit kann man dadurch herbeiführen, dass man fragt, ob die Franzosen das so machen dürfen; denn andere Länder haben diese Pauschalmarge und diesen ermäßigten Steuersatz nicht. Also: Kann man nicht auch auf dem Niveau, das die Mehrwertsteuersystemrichtlinie eigentlich erfordert, die Besteuerung gleichschalten?

Wenn das nicht geht oder wenn umgekehrt die Europäische Union sagt, die Besteuerung wie in Frankreich sei möglich, dann werden wir das unterstützen, dann wollen wir das auch. Innerhalb der Auslegung, die in Deutschland möglich ist, wollen wir, wenn sie denn eng sein muss, wenigstens weitere Tatbestände einbeziehen, die bei den Galeristen viel häufiger vorkommen als die, die im Moment anerkannt werden.

Also: Es geht weder darum, dass ich ins Gebet genommen worden bin, noch darum, dass ich mich Wünschen verweigert habe. Aber diese Entscheidung fällt anders als in diesem Text beschrieben, wo es heißt: Die Absicht des Bundesgesetzgebers wird auf Landesebene konterkariert. – Nein! Sie ist so von Bund und Ländern ausgelegt und hat auch für uns zu gelten. Wir haben aber den Vorstoß mit unternommen, das auszuweiten.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass wir die eigentliche Fragestunde bereits um 45 Sekunden überzogen haben. Mir liegen jetzt noch fünf Wortmeldungen vor, die wir auch abarbeiten werden. Weitere Wortmeldungen würden wir vom Präsidium aus mit Blick auf die Zeit aber nicht mehr aufnehmen.

Ich rufe als Nächsten Herrn Nückel auf, der eine Frage für die FDP-Fraktion stellen möchte. Sie haben das Wort, Herr Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, bei unbekannten Künstlern und ihren Werken beziehen sich Verkaufsfördermaßnahmen ja selten nur auf ein einziges Kunstobjekt. Sie sind in der Regel Teil eines Sortiments, eines Katalogs oder einer Ausstellungskollektion, die eine Einzelkostenzurechnung für die Vermarktung geradezu unmöglich macht.

Deswegen meine Frage: Warum erkennen Sie trotz dieses Umstandes in Ihren Ausführungsbestimmungen weiterhin umfassende Verkaufsmaßnahmen nicht als Grund für die Nichtermittelbarkeit von Einzelkosten an, was ja ansonsten die erhoffte Pauschalbesteuerung ermöglichen würde?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Nückel, Sie sprechen genau das an, was wir zusätzlich einbringen wollten. Es geht genau um diesen Punkt.

Bisher wird unterstellt – das ist sozusagen die Folge der neuen bundesgesetzlichen Regelung –: Was ein Galerist macht, ist mit 19 % umsatzsteuerpflichtig. Jetzt kommen die Ausnahmen. Eine Ausnahme ist, wenn ich einen Nachlass übernehme. Dann kann ich sagen: Ich weiß nicht, was das einzelne Bild, der einzelne Kunstgegenstand wert ist. – Problem: Das kommt nicht so häufig vor. Gerade bei kleineren Galeristen ist das nicht der große Teil des Geschäfts. Deswegen würden sie darunter leiden, wenn nur das rausgeht.

Zweiter Punkt. Es geht um Sammlungen. Da gilt dasselbe. Da kann man auch nicht bei jedem einzelnen Kunstgegenstand sagen, was er wert ist.

Diese Fälle sind seltener. Häufiger kommt genau das vor, was Sie beschreiben, dass man nämlich Kommissionen übernimmt und dass damit der Übernehmer, der Galerist, sofort auch die Verkaufsförderung macht. Das ist genau unser Argument gewesen, zu sagen: Nehmt das doch mit hinein. Das trifft dann viel mehr. Das erleichtert insgesamt. – Damit sind wir bisher nicht durchgedrungen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Frau Schneider hat eine Frage.

Susanne Schneider (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Die massive Steuererhöhung zulasten von Kunst und Kultur trifft nicht nur die Verkäufer von Exponaten, sondern auch deren Wertermittlung bei einer Vermietung. Vermietungen sind aber gerade ein wichtiger Weg für Kunsthändler, auch jungen und unbekannten Künstlern Bekanntheit zu verschaffen und Vertriebswege zu erschließen. Warum findet Ihre massive Steuererhöhung neben den Verkäufen auch bei der für die Nachwuchsförderung wichtigen Vermietung Anwendung?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, Sie haben das Wort.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Frau Schneider, Sie können immer wieder den Versuch unternehmen und mir persönlich unterstellen, ich behinderte die Galeristen und ich machte eine massive Steuererhöhung.

Wir sind ein Land unter 16 Ländern. In diesem Fall sind es wirklich einzelne Länder, auch wenn wir das größte Land sind, plus Bund. Das steht im Gesetz. Im Gesetz steht auch, dass die Vermietung da einzubeziehen ist. Insofern ist die Frage beantwortet, ohne dass Sie mir persönlich daraus irgendeinen Vorwurf machen können. Sie werden es trotzdem tun; ich kann mich nicht dagegen wehren.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Lürbke hat eine Frage.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, der Bundesgesetzgeber hat in seiner Begründung des neu geschaffenen § 25a Umsatzsteuergesetz ausdrücklich formuliert – ich zitiere daraus –:

„Die Änderung soll ... Nachteile ausgleichen, die dem gewerblichen Kunsthandel durch den Wegfall des ermäßigten Umsatzsteuersatzes ... entstehen. Eine Schwächung des Kunststandorts … soll hierdurch vermieden werden.“

Daher die Frage: Wie möchten Sie als Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen dem berechtigten Anspruch dieser Gesetzesvorschrift mit der Vorgehensweise Ihrer Finanzverwaltung in der Praxis gerecht werden?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ganz einfach, noch einmal: Ich kann mit meiner Finanzverwaltung nichts anderes machen als die Finanzverwaltungen der Ländern insgesamt in Absprache mit dem Bund. Die bisherige Umsetzung erfolgt, wie ich es beschrieben habe.

Wir möchten Folgendes ändern: Wenn die Europäische Kommission uns auf Anfrage des Bundes bestätigt, dass das französische Modell funktioniert, werden wir dafür sein, das französische Modell anzuwenden. Das ist die breiteste Auslegung. Solange das nicht geschehen ist, sind wir auch der Auffassung, dass wir das, was eben von Herrn Nückel angesprochen worden ist, tun sollten, nämlich die Kommission einbeziehen.

Was der Bundesgesetzgeber wollte, was er aber mit den Vorgaben aus dem Abteilungsleiterschreiben selbst einschränkt und interpretiert – wir wollten sie ausweiten –, ist mit dem, was uns vorliegt, nicht weiter anwendbar.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner hat Herr Brockes eine Frage. Bitte schön.

Dietmar Brockes (FDP): Herr Minister, interessant ist, wie Sie eben den einen hier Klientelpolitik unterstellt haben und bei den anderen sagen, sie verträten und teilten nur die Sorgen der Betroffenen. Aber das ist nicht meine Frage.

Die weit überwiegende Zahl der kleinen Kunsthändler und Galeristen wird durch Ihre Bestimmungen von einer massiven Steuererhöhung getroffen. Umgekehrt gewähren Sie einen ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % beim Direktverkauf von Werken durch den Künstler selbst. Meine Frage lautet deshalb: Welche sachlichen Differenzierungskriterien rechtfertigen im Einzelnen die Abweichungen zwischen einer nur 7%igen Besteuerung beim Atelierverkauf und einer vollen 19%igen Belastung beim Galerieverkauf?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Weil das die Rechtslage ist, weil in der Anlage zum Umsatzsteuergesetz der Verkauf von Kunstwerken mit 7 % belegt ist. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt: Wenn Sie jetzt wieder sagen „durch Ihre Bestimmungen“, frage ich mich: Meinen Sie das in Einzahl oder in Mehrzahl? Denn es sind nicht meine, sondern es sind die Bestimmungen von Bund und Ländern. Es ist die Auslegung, die mir vorgegeben ist. Ich habe ja gesagt: Ich muss sie anwenden. Ich kann meinen Einfluss geltend machen, sie zu ändern. Das habe ich getan. Aber wir sind eines von 16 Ländern. Die Mehrheit auf der Ebene von Bund und Ländern hat es enger gesehen, solange nicht klar ist, dass der französische Weg von der Europäischen Kommission als möglich bewertet wird.

Das heißt, ich kann nur sagen: Die 7-%-Belastung des einzelnen Künstler ist ein Teil gewollter Kunst- und Kulturförderung. Es gibt auch Möglichkeiten, Betriebe zu fördern. Es gibt auch Fördermöglichkeiten jenseits der Steuerentlastung. Aber wir wollen es ja, wenn es möglich ist. Doch bislang sagt uns die vorhandene Auslegungsvorschrift, dass für Galeristen die Pauschalmarge nur in Einzelfällen gilt. Und die Erweiterung, die wir wollten, ist nicht zugestanden worden.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage kommt von Frau Kollegin Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Minister, abgesehen von einigen prominenten Galeristen gibt es in der weit überwiegenden Mehrzahl kleinere Kunsthändler, die bei der fast drei Mal so hohen Besteuerung weder höhere Preise am Markt durchsetzen noch ihre eigene Marge reduzieren können. Etliche Händler sind gezwungen, die noch unbekannten Künstler bei ihren Verkaufspreisen zu drücken.

Wie bewerten Sie die Auswirkungen Ihrer aktuellen Ausführbestimmungen speziell für die Vielzahl noch nicht etablierter junger Künstler und die damit einhergehende Verschlechterung der Nachwuchsförderung?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich mache keinen Hehl aus meiner Grundeinstellung, dass ich allen, die mir immer wieder erzählen, das Steuersystem sei zu kompliziert, entgegenhalte, dass der immer wiederkehrende Wunsch, Förderung über das Steuersystem zu machen, in Bezug auf ihre Wünsche nicht gerade zielgerichtet ist. Ich meine, dass man das – egal welche Förderung – nicht immer unbedingt dadurch lösen muss, dass dafür Sonderregelungen im Mehrwertsteuergesetz oder sonstwo herhalten müssen. Darum geht es aber gar nicht. Es ist nun einmal so.

Deswegen habe ich eben gesagt: Gerade die jungen Künstler und die kleineren und jüngeren Galeristen sind stärker betroffen. Es ist nicht meine Steuererhöhung, sondern es ist die von der Europäischen Union vorgegebene, vom Bundesgesetzgeber umgesetzte und von Bund und Ländern gemeinschaftlich ausgelegte Gesetzgebung.

Ich sage noch einmal: Wenn es nach mir geht, möchte ich wissen, wie weit man die französische Regelung anwenden kann.

Zweitens: Warum schaffen wir nicht ein paar zusätzliche Tatbestände, die im Rahmen der Vorgaben der Europäischen Kommission liegen und die wir umsetzen können? – Dazu gehört beispielsweise der Kommissionskauf. Denn bei Galeristen ist es nicht üblich, nur ein einzelnes Werk zu kaufen, bzw. der Fall der Kommission kommt häufiger vor, sodass insgesamt die Mehrwertsteuerbelastung gesenkt würde.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage kommt vom Herrn Kollegen Wedel.

Dirk Wedel (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, Ende letzten Jahres und damit vor Ihrer Entscheidung hat der EU-Finanzkommissar in einer Stellungnahme die Zulässigkeit von steuerlichen Kompensationen für Kunstgegenstände in den EU-Mitgliedstaaten ausdrücklich bestätigt.

Aus welchen Gründen oder anderen Erkenntnissen heraus lehnen Sie die Anwendung der vom Gesetzgeber gewollten Pauschalmargenbesteuerung mit der Begründung ab, es gebe hierfür EU-rechtliche Unsicherheiten?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Weil es bereits 2012 ein Schreiben des Bundesfinanzministers gegeben hat, in dem er Fragen mit der Bitte um Klarstellung gestellt hat, und es damals eine Antwort der EU-Kommission gab, in der nicht pauschal gesagt worden ist: Das kann man so machen. Vielmehr könne die Anwendung nur erfolgen – so hieß es damals –, wenn die nicht konkret benannten Voraussetzungen im Einzelfall durch Fakten gestützt würden.

Dann hat die Kommission Beispiele genannt und gesagt, Beispiel könnte der Erwerb eines ganzen Hausstandes sein, bei dem der Versuch, für jedes einzelne Stück einen Preis zu ermitteln, nicht sinnvoll erscheine oder der Einkaufspreis ihrer Meinung nach nicht zu ermitteln sei.

Das heißt, genau diese Komplikation hat die Kommission in der Antwort sogar noch einmal unterstrichen. Damit ist es nicht möglich, pauschal zu sagen – so jedenfalls sehen es Bund und Länder –, dass das gilt. Deswegen halten wir die französische Auslegung für ziemlich wackelig. Aber wenn sie denn von der Kommission als eine statthafte bezeichnet würde, dann, finde ich, muss man aus Wettbewerbsgründen dafür eintreten, dass es nicht nur in Frankreich so ist.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Die nächste Frage kommt vom Herrn Kollegen Uhlenberg.

Eckhard Uhlenberg (CDU): Herr Minister, der Kulturausschuss des Landtags hat sich mit dieser Problematik schon mehrmals beschäftigt. Meine Frage an Sie: Sind Ihre Position und Ihre Vorgehensweise in dieser Frage mit der Kultusministerin abgestimmt, und gibt es da eine nahtlose Übereinstimmung?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Wir haben natürlich bislang darüber informiert und haben gesagt, wie diese Einschätzung ist. Aber ich sage es noch einmal: Das ist kein Thema, das die Kulturministerin des Landes Nordrhein-Westfalen und der Finanzminister klären. Vielmehr nehmen die Umsatzsteuerreferenten von Bund und Ländern hier eine Auslegung vor, die dann von den Finanzministern – ich formuliere es jetzt mal so lasch – abgesegnet wird.

In dieser Runde hat es Diskussionen gegeben, und dort haben wir die Position vertreten, dass man, zumindest wenn es rechtsfest nur eine enge Auslegung gibt, wenigstens so weit wie möglich diese enge Auslegung vorsieht. Wir haben da auch keinen Konflikt. Es geht einfach darum, dass wir in Nordrhein-Westfalen kein eigenes Steuerrecht im Bereich der Umsatzsteuer für Galeristen machen können.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Die letzte Frage der heutigen Fragestunde stellt Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zu einer letzten Nachfrage. – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, Ihnen ist ein Problem großer Ernsthaftigkeit für die Betroffenen bekannt, nämlich für die Galeristen aufgrund der Rückwirkung. Viele Kunsthändler sind derzeit mit ihrem Jahresabschluss für 2014 befasst. Sie sind stark beunruhigt, da sie ab 01.01.2014 auf Basis der unverändert geltenden Bundesgesetze eine Pauschalmargenbesteuerung vorgenommen haben und erst rückwirkend am Jahresende 2014, nämlich im Dezember, von Ihnen erfahren haben, dass Sie diese gar nicht so anerkennen.

Deshalb frage ich Sie, Herr Finanzminister, zu dieser für viele Betroffene ganz aktuellen Fragestellung: Welche teils immensen Steuernachzahlungen oder rechtlichen Probleme erwachsen den betroffenen Kunsthändlern aus ihrer rückwirkenden Belastung, die sich aus rechtsstaatlichen Gründen eigentlich verbietet, im Dezember Verengungen vorzunehmen, nachdem Leute aufgrund der Bundesgesetzgebung bereits ein Jahr lang anders gehandelt haben?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Witzel, von Ihnen wird unterstellt, dass es nur eine Bundesgesetzgebung gab, die den Eindruck erweckt hat, die Pauschalmarge gelte jetzt für alles, dass es keine Diskussionen gegeben hat und dass einem Internen, sozusagen einem Insider in der Galeristenszene nicht bekannt war, dass diese Diskussion bestanden hat.

Ich habe eben gesagt, die Anfrage des Bundesfinanzministeriums an die Kommission stammt bereits aus dem Jahr 2012. Es gab eine Antwort, und es gab Diskussionen. Somit war klar, dass nur eine enge Auslegung zulässig zu sein scheint, und deswegen kann sich niemand darauf berufen, dass er erst Ende 2014 erfahren habe, dass etwas anders sei. Demjenigen muss man sagen, dass er ein Stück weit gespielt hat und gesagt hat: Ich gehe einmal davon aus, und wenn es dann anders kommt, dann muss ich eben sagen, dass ihr mich alle überrascht habt. – Diesen Vorwurf kann ich niemandem ersparen.

Sollte es dazu führen, dass jemand in seiner Existenz belastet wird, wissen Sie wie ich, dass es Möglichkeiten gibt, die Zahlung zu strecken. Aber jetzt kann keiner sagen: Es war vorher völlig rechtssicher anders dargestellt. Es gab kein Risiko.

Sie fragen mich doch jedes Mal, ob nicht bei Dingen, die möglich sind, auch die richtigen Rückstellungen bzw. Rücklagen gebildet worden sind. Dazu kann ich nur sagen: Jemand, der sich ein Jahr lang vor dem Hintergrund dieser Diskussion darauf verlässt, dass es eine Pauschale gibt wie in Frankreich, von der klar war, dass deren Anwendung in Deutschland schwierig sein wird, der hat einen Fehler gemacht.

Ich sage es trotzdem noch einmal: Für all das, was wir versucht haben zu bewegen, haben wir keine Mehrheit gefunden. Wir werden in dieser Richtung aber auch weiter unterwegs sein. Es geht vor allen Dingen darum, dass die Europäische Kommission uns rechtssicher sagt, ob wir die französische Regelung anwenden können oder nicht.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Anfragen liegen mir nicht vor. Damit ist die Fragestunde des heutigen Tages erledigt.

Ich rufe auf:

11       Zweites Gesetz zur Änderung des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Vorschriften (Ökologisches Jagdgesetz)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/7383

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8544

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8545

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Drucksache 16/8465

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8561

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8562

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Entwurf einer Verordnung über die Jagd-zeiten (Landesjagdzeitenverordnung – LJZeitVO)

Antrag
des Ministeriums für Klimaschutz,
Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
Vorlage 16/2500

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8546

Beschlussempfehlung und Bericht
des
Ausschusses
für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Drucksache 16/8466

Wir kommen zur Aussprache, die ich eröffne. Als erstem Redner erteile ich für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Meesters das Wort.

Norbert Meesters (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne! Meine Rede zur Einbringung des Jagdgesetzes im letzten Dezember endete mit den Worten: Ich gehe davon aus, es wird weitere Änderungen im nun begonnenen Gesetzgebungsverfahren geben. Ich stelle hier und heute fest: Wir haben unser Versprechen gehalten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt diese Änderungen,

(Zurufe von der CDU und der FDP)

und das ist kein Kleinkram, das ist nicht geringfügig. Das sind durchaus wesentliche und wichtige Änderungen. Dass Sie, die Opposition, dies leugnen, das wundert uns nicht. Das ist Ihr politisches Geschäft, wobei ich schon ein wenig erstaunt darüber bin, wie Sie es schaffen, die Vielfalt der Meinungen im öffentlichen Raum, auch im ländlichen Raum zu diesem Gesetzentwurf völlig zu ignorieren. Sie zeigen lediglich reflexartiges Verhalten – so kennen wir das. Besonders Herr Busen hat da besonders starke Reflexe. Das werden wir gleich wahrscheinlich wieder hören.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dass aber der Landesjagdverband mit seiner Spitze jede dieser von Ihnen geforderten Änderungen zwar zur Kenntnis nimmt, aber mit unveränderter Kampfeslust alle erreichten Anpassungen und Änderungen kleinredet, das finde ich sehr schade. Er redet damit den eigenen Erfolg klein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe letztens einen schönen Satz gelesen: Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere recht haben könnte. Das gilt immer für beide Gesprächspartner. Wer also einen Dialog eingeht, sollte auch Kompromisse akzeptieren. In unserer Demokratie ist das tägliches Geschäft. Deshalb wollen wir als SPD den begonnenen Dialog in jeglichen jagdlichen Fragen auf Landesebene und auch vor Ort intensiv fortsetzen. Denn wir wollen das Gesetz beobachten, evaluieren, und dazu ist uns die Meinung und die Kompetenz der Jägerschaft wichtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz reagiert auf Veränderungen in der Gesellschaft. In vielen Mails, die ich seit Wochen bekomme, heißt es: Schafft die Jagd ab! Das ist eine sehr extreme Forderung,

(Karlheinz Busen [FDP]: Macht das doch!)

aber diese Mails machen deutlich, dass viele Menschen heute eine große Distanz zum Jagdwesen entwickelt haben. Und diese Menschen leben nicht nur im urbanen, sondern auch im ländlichen Raum. Ich habe meinen Wahlkreis im ländlichen Raum, und ich weiß, wovon ich da rede. Land und Leute stellen sich eben viel differenzierter dar, als Sie es hier darstellen. Und dieser gesellschaftlichen Entwicklung müssen sich Politik und Jäger gleichermaßen stellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen gute Argumente haben, um deutlich zu machen: Ja, wir brauchen die Jagd, wenn wir die Artenvielfalt in unserer Kulturlandschaft mit Flora und Fauna erhalten und verbessern wollen. Hier erfüllen Jägerinnen und Jäger wichtige Aufgaben. Diese Leistungen erkennen wir auch ausdrücklich an.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber 2015 macht man das anders als 1985 oder 1955. Deshalb müssen wir hier modernisieren. Herr Busen, Sie als FDP-Mitglied wissen doch am besten, was passiert, wenn man eine solche Modernisierung verpasst.

(Zurufe von der FDP: Aah!)

Wir haben beim 15-Punkte-Katalog des Landesjagdverbandes – ja, das hören Sie nicht gerne, es ist aber so; darauf hat Herr Lindner heute Morgen noch hingewiesen –

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

in den öffentlichen Veranstaltungen immer offen und ehrlich gesagt, wo wir noch Klärungs- oder Nachbesserungsbedarf haben.

(Zurufe von der FDP)

Genau da haben wir – da können Sie noch so laut rufen – auch Änderungen herbeigeführt. Wir haben erstens den Katalog der jagdbaren Arten erweitert und im Gesetz geregelt. Wir haben zweitens die Jagdsteuer nicht wieder eingeführt. Wir haben drittens die Aushöhlung des Reviersystems durch das Befriedungsrecht juristischer Personen herausgenommen.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben Sikawildverbreitungsgebiete. Sie gibt es wieder in Beverungen und im Arnsberger Wald. Wir haben wieder die Fütterung in Notzeiten für Schwarzwild. Wir haben das Aufnahmerecht von Federwild für jedermann gestrichen. Wir haben die Landesvereinigung für Jäger so geregelt, dass wir dort stärkere Maßstäbe anlegen. Beim Verbot der Baujagd gibt es vereinfachte Ausnahmeregelungen für bestimmte Gebietskulissen in Kunstbauten. Neuntens haben wir die Ausbildung an einer lebenden Flugente mit 30 Monaten Monitoring versehen. Für neun von 15 Punkten haben wir Lösungen gefunden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Da, wo wir nichts geändert haben, sahen wir auch keinen Änderungsbedarf, weil wir Ihre Kritik nicht teilen, zum Beispiel bei den Schutzgebieten oder weil sie schon Bestandteil eines vorangegangenen Kompromisses waren wie bei der Fangjagd oder der Kirrung, die beide auch nicht abgeschafft werden.

Ich bin davon überzeugt, dass wir ein modernes, praktikables Jagdgesetz für den ländlichen Raum in seiner Vielfalt der Menschen und Meinungen hiermit vorlegen.

Es ist ein wichtiger Schritt für mehr Waldschutz, mehr Artenschutz, mehr Tierschutz und mehr Beteiligung und trägt somit zur höheren gesellschaftlichen Akzeptanz der Jagd in Nordrhein-Westfalen bei.

Das haben wir in unserem Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, auch bekräftigt.

Die SPD-Fraktion wird diesem überarbeiteten Gesetzentwurf zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Meesters. Jetzt sind Sie schon den weiten Weg zu Ihrem Platz zurückgegangen, aber ich darf Sie trotzdem bitten, zurückzukommen.

(Der Abgeordnete kommt zurück zum Redepult. – Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

– Sie sind ja auch schon unterwegs. Jetzt sind Sie nach dem Sonderapplaus so freundlich und lauschen der Kurzintervention von Frau Kollegin Schulze Föcking, die für 90 Sekunden das Wort erhält.

Christina Schulze Föcking (CDU): Herr Meesters, dass Sie schnell flüchten wollen, kann ich in diesem Fall sogar verstehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie sagen, die Kompetenz der Jägerschaft sei Ihnen wichtig. Ich glaube Ihnen kein Wort!

(Beifall von der CDU)

Sie haben auch schon andere Dinge behauptet: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. – Das haben wir sowohl von Ihnen als auch vom Minister und anderen Akteuren in den vergangenen Wochen immer wieder gehört. Aber was allein in den letzten sieben Tagen hier im Haus passiert ist, hat weder etwas mit Gründlichkeit geschweige denn mit einem ordentlichen parlamentarischen Verfahren zu tun.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Genau vor einer Woche, letzten Mittwoch im Ausschuss, haben Sie, Herr Meesters, erklärt, Sie könnten uns Ihre Änderungsvorschläge nicht mitteilen, Sie könnten sie nicht mit uns diskutieren, weil Sie diese noch nicht in Ihrer Fraktion verabschiedet haben.

(Norbert Meesters [SPD]: Stimmt!)

Wörtlich haben Sie gesagt: Sie kennen das doch, Frau Schulze Föcking, wie das ist in parlamentarischen Verfahren. Wir sprechen erst einmal in der Fraktion darüber. – Wörtlich!

(Jochen Ott [SPD]: Was ist daran falsch? – Weitere Zurufe von der SPD)

– Herr Ott, Politik wird mit dem Kopf gemacht und nicht mit dem Kehlkopf. Von daher beruhigen Sie sich!

(Beifall von der CDU)

Herr Meesters, nur zwei Tage später, am Freitag, pünktlich für die Wochenendausgabe der Zeitung gehen Sie einträchtig mit den Grünen ohne jegliche Fraktionssitzung vor die Presse

(Zurufe von der CDU: Aha! Hört, hört! Unerhört!)

und erläutern genau das, was Sie uns Parlamentariern vorher versagt haben.

(Zuruf von der FDP: Unverschämt!)

Das heißt, Sie haben uns im Ausschuss schlichtweg belogen. Belogen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Genau das, was Sie der Presse erklärt haben, hätten Sie mit uns im Ausschuss besprechen müssen …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin!

Christina Schulze Föcking (CDU): … und nicht nur mit der Presse. Ich nenne das ganz klar pure Arroganz der Macht und Verweigern des Parlaments!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Jetzt hat Herr Meesters für 90 Sekunden das Wort.

Norbert Meesters (SPD): Liebe Frau Schulze Föcking, ich schätze Sie ja sehr als Diskussionspartnerin. Es ist nur etwas anstrengend, wenn Sie die Dinge so verdrehen, wie Sie es jetzt gerade getan haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen und Zuruf von Christina Schulze Föcking [CDU])

Was meine Wertschätzung der Kompetenz der Jäger und Jägerinnen angeht, brauche ich mir von Ihnen nichts erzählen zu lassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sämtliche Regionalkonferenzen habe ich besucht. Ich bin in vielen Hegeringen, in Kreisjägerschaften gewesen und habe mit den Jägerinnen und Jägern vor Ort diskutiert, um mich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen.

(Christina Schulze Föcking [CDU]: Im Parlament?!)

– Wenn Sie Fragen stellen, müssen Sie auch die Antwort abwarten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christina Schulze Föcking [CDU]: Ich habe keine Frage gestellt!)

Sonst ist es eine reine Showveranstaltung.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Wer schweigt, kann hören.

(Weiterer Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie wissen doch selber ganz genau, wie das ist. Wenn man in der Fraktion einen Änderungsantrag noch nicht diskutiert hat, kann man ihn im Ausschuss nicht beschließen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Man kann sehr wohl öffentlich vorstellen, was man der Fraktion vorschlagen wird.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Aber nicht im Plenum!? Albern! Schämen Sie sich!)

Ich gehe das Risiko ein, dass sie das nicht tut. Man kann das öffentlich, sobald es vorliegt, vorzeigen. Aber man kann es nicht im Ausschuss beraten und beschließen. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall von der SPD – Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU] und Christina Schulze Föcking [CDU])

Dann will ich Ihnen noch einen Punkt sagen, weil Sie ja doch sehr pharisäerhaft argumentieren.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Sie werfen uns ja auch vor, dass wir das vorzeitig hier in das Plenum gebracht hätten. Das ist aber mit Ihrem Einverständnis geschehen. Auch das ist die ganze Wahrheit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist die Tagesordnung doch gemeinsam beschlossen worden. Das machen wir doch nicht alleine.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen.

(Zurufe)

Norbert Meesters (SPD): Es ist ja schwierig. Ich kann mich ja nicht verständlich machen.

Auch habe ich Ihnen im Ausschuss angeboten, Sie können doch eine Sondersitzung beantragen. Das haben Sie verweigert, weil es Ihnen nur auf den Konflikt ankommt und nicht um die Lösung der Probleme geht.

(Langanhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank. – Soweit die Kurzintervention und die Antwort darauf. Wir schreiten fort in der Debatte, indem ich jetzt für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Deppe das Wort erteile. Bitte.

Rainer Deppe (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Meesters, Sie können doch hier reden, wie Sie wollen,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

und die Dinge verdrehen. Aber eines ist doch wohl klar. Das Verfahren, das Sie hier mit diesem Gesetz praktiziert haben, ist kein ordentliches Verfahren,

(Beifall von der CDU und der FDP)

sondern das ist die alte Arroganz der Macht, die die Roten und Grünen hier in diesem Land praktizieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Was ist denn aus den großspurigen Versprechungen der SPD – der Kollege sitzt ja neben Ihnen – vom 18. März geworden? Es werde kein ökologisches Jagdgesetz geben, sondern ein modernes, hat er hier vom Lkw erklärt. Daraus ist nichts, rein gar nichts geworden.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Deppe, würden Sie eine Zwischenfrage vom Herrn Kollegen Herter zulassen?

Rainer Deppe (CDU): Gerne. Bitte, Herr Herter.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte schön.

Marc Herter (SPD): Herr Kollege Deppe, herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Sie jetzt zum wiederholten Mal – so wie auch Frau Schulze Föcking – auf das Verfahren hinweisen, möchte ich Sie gerne fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass die CDU-Fraktion die Behandlung dieses Gesetzentwurfs in zweiter Lesung heute hier im Plenum im Ältestenrat mitgetragen hat. Ist Ihnen das bekannt, oder ist Ihnen das nicht bekannt?

Rainer Deppe (CDU): Lieber Herr Kollege Herter, ich habe fünf Jahre – nicht in dieser Wahlperiode, sondern in der vorletzten Wahlperiode – dem Ältestenrat angehört und weiß noch sehr genau, wie die Verfahrensregeln sind. Dort ist es ganz klar: Die Tagesordnung wird von der Präsidentin aufgestellt, und damit ist die Sache erledigt. – Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall von der CDU – Marc Herter [SPD]: Das ist einfach falsch! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Dann will ich Ihnen noch etwas dazu sagen.

(Marc Herter [SPD]: So geht das doch nicht!)

– Herr Herter, vielleicht hören Sie einmal zu. – Im Ausschuss hat mein Kollege Wirtz Ihnen angeboten, zwischen der Fraktionssitzung der SPD und der heutigen Beratung noch eine Sondersitzung des Ausschusses zu machen. Wir wollten Ihnen eine Brücke bauen. So war die Formulierung. Da meldete sich Ihr Koalitionspartner und sagte: Sie wollen uns eine Brücke bauen? Die werden wir nicht betreten. – Das ist doch die Wahrheit. Da müssen Sie schon früher aufstehen.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt will ich aber etwas zu Ihren dollen Ankündigungen sagen. Von denen ist ja nicht viel geblieben.

(Norbert Meesters [SPD]: Doch, neun Stück! Neun von 15!)

Deutlicher kann man doch nicht machen – das werden sich die Leute in der größten Stadt unseres Landes auch merken, denke ich einmal –, wie wenig die Ankündigungen des SPD-Oberbürger-meisterkandidaten aus Köln wert sind, nämlich gar nichts.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD: Oh! – Hans-Willi Körfges [SPD]: Wie heißt denn der CDU-Kandidat?)

Herr Ott, fragen Sie doch einmal die 15.000 Bauern, die Waldbesitzer, die Jäger, die Naturschützer, die Fischer, die Waidgenossen! Fragen Sie vielleicht einmal Herrn Bürgermeister Jacobi, ob er für diese minimalen Änderungen, die Sie heute hier wortreich beschrieben haben, vor den Landtag gezogen ist und hier demonstriert hat. Mit Sicherheit nicht!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie sagen: Wald vor Wild. Wir sagen: Wald und Wild. Für uns gehört beides zusammen. Vor allem brauchen die Menschen vor Ort keinen Oberschlaumeier aus der Landesregierung, der ihnen erklärt, wie man vor Ort seinen Wald oder sein Wild zu pflegen hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie reden von mehr Tierschutz. – Ehrlich gemeinter Tierschutz braucht ausgebildete Jagdhunde, taugliche Munition und eine flächendeckende Tierseuchenbekämpfung. Mit diesem Gesetz werden Sie aber weniger Tierschutz haben.

Sie reden von Artenvielfalt. – Die Zeche dieses vermurksten Gesetzes, meine Damen und Herren, zahlen Hasen, Fasane, Rebhühner, Feldlerchen, Kiebitze, Sikahirsche und das Muffelwild. Das ist nicht mehr, sondern weniger Artenschutz.

(Beifall von der CDU und der FDP – Norbert Meesters [SPD]: Blödsinn!)

Für die CDU stehen Hege und Waidgerechtigkeit im Vordergrund. Bei uns steht das ganz vorne.

(Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE]: Definieren Sie das doch einmal!)

In Ihrem Gesetz kommen diese Worte gar nicht vor. Sie zeichnen das Zerrbild der schießwütigen Jäger – wider besseres Wissen.

(Norbert Meesters [SPD]: Wo steht das denn?)

Sie verschweigen, dass Jäger sich um alle Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, kümmern, sie hegen, Biotope anlegen und ihren Bestand dokumentieren, auch wenn die Arten keine Jagdzeit haben oder gar ganzjährig geschützt sind. Es gibt keinen besseren Schutz für eine Tierart als die Aufnahme in die Liste der jagdbaren Arten. Deshalb gehören eher mehr Arten in das Jagdrecht als weniger.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen eines: Landwirte, Förster, Jäger, Fischer – alle haben eine Ausbildung. Alle haben Prüfungen abgelegt. Diese Leute kennen die Zusammenhänge in der Natur. Sie wissen, was sie tun haben – im Gegensatz zu Ihnen.

Ich rufe diesen Menschen zu, die unsere Debatte sicher auch im Stream verfolgen: Sie machen das gut! Wir sind froh, dass es Sie gibt – im Gegensatz zu dieser Landesregierung! Es gibt kein anderes Land, in dem die Jagd besser organisiert ist und in dem wir artenreichere Wildbestände haben als hier bei uns in Deutschland.

Die Jäger haben unsere Unterstützung verdient und nicht eine Landesregierung, die in Wirklichkeit nur ein Ziel verfolgt – neue Vorschriften, neue Verbote, mehr Demokratie, nein, mehr Bürokratie,

(Lachen von der SPD – Norbert Meesters [SPD]: Anders war es richtig! – Marc Herter [SPD]: Freud!)

damit die Jäger möglichst bald ihre Flinte ins Korn werfen.

Meine Damen und Herren, das Jagdgesetz ist erst der Anfang. Naturschutzgesetz, Waldgesetz, Wassergesetz – alles ist schon angekündigt. Die Besserwisserei und die ideologische Gängelei gehen weiter. Wir haben es gesehen: Die Menschen im ländlichen Raum von Nordrhein-Westfalen lassen sich das von Ihnen nicht mehr gefallen. Das ist auch gut so.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben 86 Änderungsanträge gestellt. Bei uns zählt nicht Ideologie, sondern naturwissenschaftliche Erkenntnis.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Wir setzen auf den Verstand der Menschen im ländlichen Raum. Das unterscheidet uns von Ihnen. Wenn Sie ein modernes Jagdrecht haben wollen, Herr Ott, dann stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Mit Ihrem sogenannten ökologischen Jagdgesetz betreiben Sie reine Ideologie.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege.

Rainer Deppe (CDU): Sie haben nur ein Ziel: Sie wollen Jäger, Bauern, Waldeigentümer zu Feinden des Natur- und Artenschutzes erklären.

Wir spalten nicht die Gesellschaft, sondern rufen den Menschen zu: Wir brauchen die Jagd; denn jeder ordentliche Jäger ist ein echter Schützer unserer Natur. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Deppe. – Bitte bleiben Sie auch noch hier vorne. Frau Kollegin Beer hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet und erhält dazu das Wort. Bitte, Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kollege Deppe, ich stimme Ihnen in einem Punkt zu. Sie haben gerade davon gesprochen, dass diese Landesregierung und diese regierungstragenden Fraktionen für mehr Demokratie im Land sorgen. Ja, das tun wir.

(Lachen von der CDU)

Das ist der erste Punkt.

Das Zweite. Wir erleben hier heute zum zweiten Mal eine unwürdige Inszenierung. Ich will das einmal auf den Punkt bringen. Sie müssten eigentlich, wenn Sie fünf Jahre im Ältestenrat gesessen haben, sehr genau wissen, wie das Prozedere ist.

Das heißt, die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen setzen sich zusammen, und wir machen einen Tagesordnungsvorschlag. Da hat der geschätzte Kollege Lienenkämper zugestimmt. Im Ältestenrat gab es noch nicht einmal eine Intervention seitens der CDU zu dieser Tagesordnung. So ist es gewesen. Das wissen Sie ganz genau.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Was aus Ihrer Reaktion, aus Ihrer Rede hier insgesamt spricht, ist doch eher der Phantomschmerz, dass Sie nicht vier weitere Wochen diese unwürdige Inszenierung im Land mitmachen können, die Sie in dem langen Zeitraum der Beratung zum ökologischen und modernen Jagdgesetz hier im Land dargeboten haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will noch einmal die Widersprüchlichkeiten aufführen. Wir haben es heute Morgen schon beim RVR-Gesetz erlebt. Da gibt es eine Zustimmung zum gemeinsamen Gesetzentwurf, und gleichzeitig gibt es eine Freigabe nach dem Motto: Ihr im ländlichen Raum könnt dagegen stimmen; macht vor Ort Bambule. So ist die Inszenierung, die wir hier von der CDU erleben.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Das ist unaufrichtig und unwürdig. So geht es nicht. Das müssen wir dann parlamentarisch miteinander besprechen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christof Rasche [FDP]: Völlig neue Spielregeln!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Deppe mit seiner Antwort. Bitte schön.

Rainer Deppe (CDU): Sehr geehrte Frau Beer! Das „liebe“ will ich mir einmal verkneifen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Es geht in diesen Gremien … Ich könnte noch schöne Geschichten von den gesetzlichen Bekenntnisschulen erzählen, wie Sie da mit den Leuten umgegangen sind.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dazu gibt es schöne Reden von Ihnen, und in Wahrheit stehen Sie da und sagen: Soll ich Ihnen mal meine Munition zeigen, welche Möglichkeiten wir haben und welche nicht? – Das ist doch die Realität. Jetzt kommen Sie doch nicht mit solchen Geschichten an.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Dann will ich noch einmal etwas zum Abstimmungsverhalten sagen.

(Zuruf von Marc Herter [SPD] – Zuruf von Minister Johannes Remmel)

Es mag ja bei Ihnen so sein, dass, wenn Herr Römer und Herr Herter oder Sie, Frau Beer, die Hand hochheben, alle ebenfalls die Hand heben. Bei der CDU gibt es selbstbewusste freie Abgeordnete; die sind nach ihrem Mandat den Bürgern verpflichtet.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD – Ministerin Barbara Steffens: Tätä!)

Ich habe übrigens für das RVR-Gesetz und für die Resolution gestimmt, weil es meine Meinung ist. Aber es gibt auch Kollegen, die natürlich eine andere Meinung haben; die dürfen die auch selbstverständlich kundtun. Bei Ihnen geht das offenbar nicht.

(Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Jetzt will ich aber etwas zum Jagdgesetz sagen.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Sie können uns doch nicht allen Ernstes erzählen, dass man ein so ausführliches Gesetz ohne Ausschussberatung hier durchbringt.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Achten Sie bitte auf Ihre Redezeit, Herr Kollege.

Rainer Deppe (CDU): Sie haben gegen jegliche Übung den Termin der Anhörung hier erzwungen, bevor das Gesetz in der ersten Lesung überhaupt beraten wurde. Zeigen Sie mir, wo das ansonsten noch passiert ist.

(Zuruf von Christina Schulze Föcking [CDU])

Dann war die Anhörung. Es kommt die nächste Ausschusssitzung, und da stellen Ihre beiden Fraktionen den Antrag: heute keine Beratung, machen wir später. Dann kommt die Beratung, und Sie sagen: Unsere Änderungen kennen wir, die sagen wir Ihnen aber nicht. – Und das ist ein ordentliches Verfahren?! Heute Morgen waren sie endlich online verfügbar.

Ich glaube, die Menschen in der Öffentlichkeit wissen ganz genau, was Sinn und Zweck der Sache ist. Das Gesetz wird nicht fachlich diskutiert, es wird durchgepeitscht. Sie haben die Konsequenz zu tragen. Der ländliche Raum wird Sie auf jeden Fall nicht mehr wählen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Norbert Meesters [SPD])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Soweit Kurzintervention und die Antwort darauf. – Jetzt erteile ich als nächstem Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Kollegen Rüße das Wort.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann als Allererstes sagen: Ich freue mich, dass wir heute hier im Landtag dieses neue Jagdrecht für Nordrhein-Westfalen verabschieden werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir verabschieden damit ein Jagdrecht, das unser Bundesland auf die Höhe der Zeit bringt.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Eines steht für meine Fraktion fest: Mit dem Gesetz tragen wir den geänderten fachlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen Rechnung.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

An der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte ich eigentlich fast den Beifall der CDU-Fraktion erwartet, denn der letzte Satz war ein Zitat von Frank Kupfer. Das ist der zuständige sächsische CDU-Staatsminister, der in Sachsen 2012 ein Jagdrecht gemacht hat.

Damit wird eines klar: Nordrhein-Westfalen beschreitet keinen Sonderweg, wie Sie uns seit Monaten erzählen wollen, sondern wir befinden uns in guter Gesellschaft mit Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, dem Saarland und eben auch Sachsen.

Meine Damen und Herren, im Kern geht es jetzt darum, dass wir mit diesem Gesetz die Interessen der Jagd mit denen des Waldbaus, des Tierschutzes und des Naturschutzes in Einklang bringen. SPD und Grüne haben in den letzten Wochen noch einmal intensiv darüber beraten, ob und an welchen Stellen wir Anregungen aufnehmen und Punkte verändern. Wir sind – das kann ich sagen – den Jägerinnen und Jägern bei ihrem Hauptkritikpunkt, der Jagdsteuer, ganz weit entgegengekommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben bestimmte Konkretisierungen bei der Baujagd vorgenommen. Wir haben – auch das ist ein Vertrauensvorschuss, den wir geben – das Verbreitungsgebiet Sikawild im Arnsberger Wald jetzt doch wieder ausgewiesen. Das ist ein erheblicher Vertrauensvorschuss, den wir geben.

Wir haben aber auch zwei Konkretisierungen gemacht, die zeigen, dass wir nicht in eine Richtung allein gegangen sind. Wir haben die verpflichtenden Hegeschauen – auch gern Trophäenschauen genannt – abgeschafft – sie sind aus dem Gesetz gestrichen worden –, und wir haben die Aufbewahrungspflicht bei Rotwild nicht nur auf das männliche, sondern auch auf das weibliche Stück ausgedehnt.

Damit haben wir alles in allem noch einmal Änderungen vorgenommen – Sie sehen es in unserem Änderungsantrag –, die gut begründet sind und die das Gesetz präzisieren und nach vorn verbessern.

Die Änderungen – es wird ja gerne vergessen, dass auch der Minister schon Änderungen, Verbesserungen an seiner damaligen Kabinettsvorlage vorgenommen hat –, die wir heute veranlassen, sind ein klarer Nachweis dafür, dass gute Argumente von uns aufgenommen worden sind, dass sie gehört worden sind und in das Gesetz Eingang gefunden haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihre Position als CDU- und als FDP-Fraktion – und das sage ich Ihnen ganz deutlich – war – das habe ich auf jeder Regionalkonferenz, in allen Diskussionen erfahren dürfen – von Anfang an in Stein gemeißelt. Sie haben überhaupt kein Interesse gehabt, mit uns fachlich über dieses Gesetz zu diskutieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde es im Fall der FDP auch akzeptabel, weil Sie in den meisten Bundesländern sowieso schon APO sind. Sie haben doch nichts zu verantworten.

Im Falle der CDU verstehe ich das, ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Ich finde, dass Sie, was Jagdpolitik angeht – wenn ich das aus Sicht der Jäger beurteilen würde –, eigentlich mit uns in einem Glashaus sitzen. Wie diskutieren Sie als CDU insgesamt in einer Bundesarbeitsgemeinschaft noch Jagdpolitik, wenn Sie als CDU in Sachsen in der Lage sind, Dinge zu machen, die ich auch sofort unterschreiben kann? Sie haben dort beim Pachtrecht Einschränkungen vorgenommen. Sie haben als CDU das Vegetationsgutachten, das wir auch vorsehen, dort in ähnlicher Form auch im Jagdrecht verankert. Zu den Totschlagfallen, die Sie hier immer heiß diskutiert haben, für die niemand in der Bevölkerung Verständnis hat, haben Sie gesagt, dass Sie das nicht wollen. Sie haben in Sachsen – hört, hört – ein quasi Abschussverbot für Hunde verabschiedet.

Da frage ich mich: Wenn Sie das in Sachsen alles richtig und gut fanden, warum machen Sie dann hier in Nordrhein-Westfalen bei unseren Änderungen, die ähnlicher Natur sind, eigentlich so einen Max und sagen, das sei alles Teufelszeug?

Meiner Meinung nach ist das am Ende nur der Beweis dafür, dass Sie – und da haben wir die Verknüpfung zur Energiedebatte von heute Morgen – politisch überhaupt keinen Kompass mehr haben. Es geht Ihnen nur darum, dass Sie am Ende populistisch Punkte sammeln wollen. Darum geht es Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben sich einer wirklichen fachlichen Auseinandersetzung verweigert.

(Karlheinz Busen [FDP]: Dazu kommen wir gleich noch!)

Sie haben sich insgesamt zum Sprachrohr des Landesjagdverbandes machen lassen, Sie haben alle Punkte übernommen. Das finde ich enttäuschend.

(Beifall von den GRÜNEN und von Norbert Meesters [SPD])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Ende.

Norwich Rüße (GRÜNE): Sie haben das gemacht, um im ländlichen Raum zu punkten. Ich sage Ihnen, ganz so einfach ist das auch da nicht. Auch im ländlichen Raum leben Tier- und Naturschützer.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Auch Jäger sind Tierschützer!)

Sie haben mit Ihrer starren Haltung viele Minuspunkte gesammelt. Ich hätte bei der Heftigkeit der Debatten, die es zum Teil gab – Worte wie Ermächtigungsgesetz, Ökofaschisten und Ähnliches sind da gefallen –, von Ihnen erwartet, dass Sie mäßigend auf die Jäger einwirken und

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der Regierungsbank)

sagen: So geht es nicht. Wir haben eine politische Debattenkultur in diesem Bundesland, und da gibt es eine Grenze, die nicht zu überschreiten ist. – Sie hätte da eine Menge tun können.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss!

Norwich Rüße (GRÜNE): Ich komme zum Schluss.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Jetzt bitte!

Norwich Rüße (GRÜNE): Wir hatten einen langen Prozess. Ich bin froh, dass wir heute endlich dieses Gesetz verabschieden können.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, ich darf Sie letztmalig bitten, zum Schluss zu kommen.

Norwich Rüße (GRÜNE): Wir haben dann ein Gesetz, durch das Nordrhein-Westfalen an die Spitze der Bundesländer jagdpolitisch kommen wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. Bleiben Sie bitte vorne. Wir haben eine Kurzintervention aus der CDU-Fraktion, und zwar von Herrn Kollegen Ortgies. Er bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort.

Friedhelm Ortgies (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Rüße, zu Beginn möchte ich Ihnen meine Anerkennung aussprechen, wie Sie es geschafft haben, fast alle Forderungen der Grünen gegen Ihren Koalitionspartner, gegen die SPD, durchzusetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe mich schon im Ausschuss bisweilen gewundert, wie Sie so ganz nach Gutdünken Ausschusstermine, Anhörungen verschoben, verkürzt haben. Immer gerade so, wie es Ihnen passte, wurden wir da vorgeführt. Sie haben auch Ihren Koalitionspartner am Nasenring durch den Landtag gezogen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das alles hat mit Billigung der Fraktionsspitze, mit Billigung der Ministerpräsidentin, die ja sogar ein Gespräch mit den Jägern abgelehnt hat, stattgefunden. Manchmal, Herr Meesters, taten Sie mir sogar schon fast leid. Man darf eben keine Versprechungen machen, die man nicht halten kann.

Schon zu Anfang der Debatte um das Jagdgesetz habe ich allen Beteiligten vorausgesagt: Passt auf, die Sozialdemokraten haben im Hause Remmel überhaupt keinen Zutritt. – Und so ist es auch gekommen. Herr Rüße, Sie haben Zugeständnisse verkündet wie die Nichtwiedereinführung der Jagdsteuer, die Beibehaltung des Reviersystems. Und der Höhepunkt des Ganzen ist: Die Waldschnepfe kommt wieder auf die Liste der jagdbaren Arten – und gleichzeitig stellen Sie sie natürlich ganzjährig unter Schutz!

(Lachen von der CDU)

Sie haben das alles hineingeschrieben, damit Sie etwas zum Streichen haben. Ich sage Ihnen: Der Berg kreißte, Herr Rüße, und gebar keine Maus, sondern eine Waldschnepfe.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist keine Realsatire mehr, sondern das ist eine Verhöhnung der Jäger und der Menschen im ländlichen Raum. Sie haben monate- und jahrelang so getan…

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss.

Friedhelm Ortgies (CDU): An einigen Regionalversammlungen habe ich teilgenommen und gehört, was Sie dort alles versprochen haben. Die Menschen im ländlichen Raum werden Ihnen das auch in den nächsten zwei Jahren nicht vergessen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Jetzt hat der Kollege Rüße das Wort. Bitte schön.

Norwich Rüße (GRÜNE): Lieber Herr Ortgies. Ich fange hinten an. Es fällt mir immer schwer, von den Menschen zu sprechen, so wie Sie es tun. Es gibt ganz unterschiedliche Menschen. Es gibt Menschen in ländlichen Räumen, in städtischen Räumen. Ich sage Ihnen nur eins. Ich habe viele Zuschriften von Menschen bekommen, die sehr erleichtert waren, dass wir gerade mit Blick auf den Tierschutz im Jagdrecht einiges verändern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da bin ich an einer Stelle, da will ich auch nicht, dass Sie ständig versuchen, irgendeinen Keil zwischen Stadt und Land zu treiben. Das ist großer Blödsinn. Da können Sie meines Erachtens diese Trennlinie nicht ziehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dann sage ich Ihnen etwas zum Binnenverhältnis zwischen Herrn Meesters und mir. Ich denke, dass es von sehr großer Kollegialität geprägt war, dass wir viele Dinge gemeinsam diskutiert haben. Ich kann nur sagen, was Sie jagdpolitisch in den Veranstaltungen vorgetragen haben, war der Stand des Jahres 1980. Wir haben uns bemüht, das Jagdrecht nach vorne in das Jahr 2015 weiterzuentwickeln. Dann tut es mir für Sie leid, dass da der Konflikt zwischen SPD und Grünen an der Stelle nicht da ist, so wie Sie es gerne hätten.

(Beifall von den GRÜNEN und Norbert Meesters [SPD])

Wir haben gemeinsam ein modernes Jagdrecht entwickelt. Und darauf sind wir auch gemeinsam stolz. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Soweit die Kurzintervention mit der darauf folgenden Entgegnung. – Für die FDP-Fraktion erteile ich jetzt Herrn Kollegen Busen das Wort.

Karlheinz Busen*) (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer! Jetzt wissen wir ja, wie das angeblich neue ökologische Jagdgesetz aussehen soll. Im Umweltausschuss waren der Minister genauso wie SPD und Grüne zu feige, die ohnehin nur minimalen Änderungen zu diskutieren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist eine absolute Unverschämtheit.

(Norbert Meesters [SPD]: Das haben wir schon richtiggestellt!)

Aber das ist auch nachvollziehbar, weil die SPD ihre vollmundigen Versprechungen gegenüber der Jägerschaft, nämlich noch erhebliche Änderungen vorzunehmen, nicht einhalten konnte.

(Norbert Meesters [SPD]: Das habe ich doch schon richtiggestellt!)

Jetzt ist das Gesetz so schlecht, dass es im Schweinsgalopp durch den Landtag gepeitscht werden muss. Es ist schon gesagt worden: Das ist die pure Arroganz der Macht.

Sie sind in die Regierung gestartet mit den Zielen, Betroffene zu Beteiligten machen zu wollen. Jetzt düpieren Sie den gesamten ländlichen Raum unseres Bundeslandes mit einem lediglich ideologisch begründeten Jagdgesetz.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Auf die Bürger, Experten und Praktiker haben Sie nicht gehört.

Meine Damen und Herren, was ist nun wirklich das Ergebnis des zähen Ringens um das neue angeblich ökologische Jagdgesetz? – Das kann ich Ihnen sagen! Auf das Endergebnis kommt es gar nicht mehr an. Dass die Jagdsteuer nun doch nicht kommt, ist schön, hat aber mit Jagd an sich nichts zu tun.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie ist nur ein Feigenblatt, das notdürftig verdecken soll, was in den letzten Monaten geschehen ist: Die rot-grüne Landesregierung hat völlig unabhängig von kleinen Änderungen an dem unsäglichen Gesetzentwurf die jahrzehntelange vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Jägern und Jägerinnen aufgekündigt!

(Beifall von der FDP und der CDU)

SPD und Grüne, namentlich der grüne Umweltminister Remmel, haben mit einer in dieser Form einmaligen Kampagne Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, unbescholtene gesetzestreue Mitbürgerinnen und Mitbürger, Menschen, die zum Teil seit Jahrzehnten täglich ehrenamtlich für den Tier- und Naturschutz unterwegs sind, die zuverlässig staatliche Gesetze und Verordnungen und Abschusspläne erfüllen, öffentlich an den Pranger gestellt.

(Beifall von der FDP und der CDU – Norbert Meesters [SPD]: Das kann man auch andersherum betrachten, Herr Busen!)

Das ist das Ergebnis der Auseinandersetzung der letzten Monate, Herr Meesters. Es geht doch gar nicht um eine Tierart mehr oder weniger im Katalog der jagdbaren Tierarten. Es geht um den Umgang mit den Menschen,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Oh ja!)

den Umgang mit Lebenswirklichkeiten, den Umgang mit dem gesamten ländlichen Raum.

Sie haben die Schmähungen der Jägerinnen und Jäger im Internet, die Anfeindungen durch radikale Tierrechtler, die Kampagne gegen Jäger als angebliche Katzenmörder nicht nur ins Rollen gebracht, sondern noch gefördert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Proteste im Lande waren deshalb so laut und kräftig,

(Norbert Meesters [SPD]: Wissen Sie eigentlich, was Sie da reden?)

weil die rot-grüne Landesregierung Land und Leute verraten und im Stich gelassen hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Noch nie sind 15.000 Menschen auf eigene Faust zu einer Demo vor den Landtag gekommen, um für eine Herzensangelegenheit zu demonstrieren.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Das zeigt, wie groß die Empörung im ländlichen Raum ist.

Meine Damen und Herren, der Landesregierung fehlt der Respekt vor der Leistung der Jägerinnen und Jäger und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Verantwortung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Noch nie wurde eine Gruppe, die sich ehrenamtlich einsetzt, von offizieller Seite so mit Füßen getreten. Das ist typische Politik der Grünen: Bevormundung, Besserwisserei, Verbote!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die schöne Farbe Grün haben Sie von den Grünen nicht verdient. Grün ist die Farbe der Jägerschaft, und die spricht für echten Naturschutz und nicht für eine Ideologie!

Schade, dass es heute soweit kommen muss. Das ist ein trauriger Tag für die Natur, für den Tier- und Artenschutz in unserem Land. Das neue Jagdgesetz widerspricht dem Tierschutz, widerspricht dem Naturschutz, und es wird sich zeigen, dass es erheblich zur Verminderung der Artenvielfalt beitragen wird.

Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere SPD-Abgeordnete an die großen Versprechen, die in den letzten Monaten gemacht wurden. Vielleicht stimmen Sie dann gegen das Gesetz.

(Zurufe von der SPD)

Danach sollten Sie sich, Herr Minister, mit der grünen Fraktion draußen bei den Jägerinnen und Jägern für die Diffamierungen, für die falschen Behauptungen bei der Diskussion über dieses Gesetz entschuldigen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Busen. Ich darf auch Sie bitten, ans Rednerpult zurückzukehren; denn Herr Kollege Priggen hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet und bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident, herzlichen Dank. – Herr Kollege Busen, Sie sind, soweit ich weiß, aktiver Jäger.

(Karlheinz Busen [FDP]: Ja!)

Ich habe die Frage, weil ich das nicht verstehe, warum Sie unbedingt darauf bestehen, bestimmte tierquälerische Praktiken im Gesetz beizubehalten. Warum ist es Ihnen so wichtig, Hauskatzen zu schießen, 10.000 Stück im Jahr? Das ist aus meiner Sicht nicht verständlich. Das Gesetz beendet das jetzt. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Eine zweite Frage:

(Zurufe)

– Ich gebe eine Stellungnahme ab, weil ich Sie nicht verstehe. Sie können antworten, Sie müssen es aber nicht tun, aber ich will es doch klar sagen.

Warum bestehen Sie darauf, weiterhin Schlagfallen einzusetzen, in die Tiere kommen und elendig verrecken? Das verbieten wir zum Glück mit dem Gesetz.

Warum bestehen Sie auf der Baujagd, bei der Sie in einen Bau, wo der Fuchs lebt, einen Hund hineinhetzen? Die verbeißen sich und gehen elendig zugrunde. Warum müssen diese Praktiken sein?

Und warum macht es Ihnen eine solche Freude, auf Enten, denen man die Flügel fesselt, Hunde loszulassen? Das Tier hat Todesangst, und Sie bilden damit die Hunde aus.

Warum müssen diese Praktiken für Sie sein? Warum können Sie nicht akzeptieren, dass das heute gesellschaftlich nicht mehr gewünscht wird und man ein Gesetz entsprechend ändert?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Busen hat jetzt 90 Sekunden Zeit für seine Antwort. Bitte, Herr Kollege.

Karlheinz Busen*) (FDP): Lieber Herr Kollege Priggen, in der Jägerschaft finden keine tierquälerischen Aktionen statt. Die Totschlagfallen sind absolut sicher. Wenn es keine Fallenjagd und keine Bejagung der Prädatoren gäbe, gäbe es keine Bodenbrüter, keine Singvögel, keine Feldlerchen.

(Beifall von der FDP)

Das ist der Grund, warum die Fallenjagd wichtig ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Jagd hat mit Tierquälerei überhaupt nichts zu tun.

Sie spielen auf die Ente an. Es ist wissenschaftlich erwiesen worden, wenn die Ente mit gestutzten Flügeln über das Wasser schwimmt und vom Hund verfolgt wird, erlebt sie nicht mehr Stress, als wenn sie nicht geflügelt worden wäre. Das ist absolut keine Tierquälerei.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Soweit auch hier eine Kurzintervention und die Entgegnung darauf. Vielen Dank. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne! Ich vermute, um diese Tageszeit sind relativ viele Zuschauer im Stream, weil das Thema sehr viele Menschen interessiert.

(Unruhe)

Jetzt endlich liegt dieses neue Landesjagdgesetz mit ökologischem Anspruch in seiner endgültigen Fassung vor. Das war eine schwere Geburt. Die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes hatten wir im Plenum und im Ausschuss schon debattiert. Das will ich hier nicht wiederholen.

Die Partizipationsmöglichkeiten für die Betroffenen, die Naturschutzorganisationen und den Landesjagdverband, hatten wir schon begrüßt. Die Naturschutzorganisationen haben das Gesetz als für sie tragfähigen Kompromiss bezeichnet. Dem Landesjagdverband ist man auf den letzten Metern unter anderem dadurch entgegengekommen, dass man auf die Wiedereinführung der sinnfreien Jagdsteuer verzichtet.

Für uns überwiegen nun klar die positiven Aspekte. Die lange Entwicklung und die letzten Änderungen ganz zum Schluss zeigten, die Regierungsfraktionen waren Argumenten und vielleicht auch öffentlichem Druck zugänglich. Ich schließe mich der Meinung von BUND und NABU an, dass wir am Ende gute Kompromisse finden konnten.

Es ging nie um ein Jagdverbot, sondern um die Anpassung eines antiquierten Jagdrechts an die Anforderungen der heutigen Gesellschaft. Auch die Jagdzeitenverordnung wird mit angepasst.

Der CDU- und der FDP-Antrag laufen im Wesentlichen auf die Beibehaltung der bisherigen Regelung hinaus. Das ist insgesamt nicht zustimmungsfähig. Deshalb behandle ich das hier nicht im Detail.

Unglaublich finde ich die Art und Weise, wie die letzten Änderungsanträge auf den letzten Drücker eingebracht wurden. Vor einer Woche tagte der zuständige Ausschuss. Die Änderungen waren von den Verantwortlichen beschlossen. Sie wurden dem Ausschuss nicht vorgelegt –

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

nicht von sich aus, wie es sich bei fertigen Änderungsanträgen gehört hätte, nicht auf Nachfrage. Man verweigerte dem Ausschuss sogar stichwortartige Hinweise darauf, worum es denn nun gehen solle. Dies geschah nicht nur dem Ausschuss, sondern auch allen anderen Beteiligten und der gesamten Öffentlichkeit gegenüber.

Das ist eine Vorgehensweise, die man sonst nur kennt, wenn irgendwelche Schäbigkeiten durchgeprügelt werden sollen. Hier allerdings ging es um tatsächliche Verbesserungsversuche wie den Verzicht auf die Wiedereinführung der Jagdsteuer, wie wir jetzt erfahren. Es ist also nichts Schäbiges, sondern eine tatsächliche weitere Verbesserung gegenüber den vorherigen Versionen. Umso unverständlicher ist dann aber diese Vorgehensweise, die einem überwiegend gelungenen Gesetz genauso wenig gerecht wird wie der vorher stattgefundenen offenen Diskussion mit allen Beteiligten. Im Sport gäbe es jetzt massive Abzüge in der B-Note.

Sie schulden uns allen – dem Ausschuss, dem Plenum, den Beteiligten und Betroffenen, der gesamten Öffentlichkeit – eine Erklärung. Wie bringen Sie das mit dem von Ihnen immer wieder versprochenen Mehr an Offenheit, Transparenz und Bürgerbeteiligung in Einklang? Sie hatten doch gute Ansätze am Anfang des Gesetzgebungsprozesses gezeigt. Warum musste das zum Schluss zunichte gemacht werden?

Im Ausschuss hatten wir uns noch der Stimme enthalten, weil uns fertige Änderungsanträge vorenthalten wurden. Nun werden wir auch den Änderungen zustimmen, weil sie für uns weitere Verbesserungen bringen. Wir stimmen aber nur den Inhalten zu, nicht der Vorgehensweise,

(Beifall von den PIRATEN)

die zum Schluss noch völlig unnötig einiges Vertrauen in Ihre Fähigkeiten zu einer offenen demokratischen Kultur gekostet hat. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat liegen sehr ereignisreiche Monate hinter uns. In dieser Debatte ist förmlich zu spüren, dass der Pulverdampf noch nicht verraucht ist.

Auf der einen Seite war die Mobilisierung der Jägerinnen und Jäger in Düsseldorf in der Tat respekteinflößend und beeindruckend. Das war sie aber auch in vielen Veranstaltungen und Aktionen vor Ort. Auf der anderen Seite gab es genauso einen enormen Zuspruch von Menschen aus allen Teilen des Landes, aus Städten und ländlichen Regionen, von Waldfreundinnen und -freunden, von Naturfreunden, von Tierschützerinnen und Tierschützern, eigentlich aus allen Bevölkerungsgruppen. Sie sagen: Es ist gut, dass etwas passiert. Wir wollen eigentlich noch etwas mehr.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben eben deutlich gemacht, es geht Ihnen an dieser Stelle um den ländlichen Raum. Aber eines möchte ich zurückweisen. Sie zeichnen ein Bild des ländlichen Raums, den es in Nordrhein-Westfalen längst nicht mehr gibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist ein Bild unserer Heimat, bei dem man sozusagen unter dem in Öl gemalten röhrenden Hirsch im Biedermeierwohnzimmer sitzt.

(Zurufe von der CDU)

Das ist nicht das Bild des ländlichen Raums in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Klaus Kaiser [CDU]: Frechheit! – Weitere Zurufe von der CDU)

Der ländliche Raum in Nordrhein-Westfalen ist vielfältig, modern, bringt zukunftsweisende Traditionen in die Zukunft

(Zuruf von der FDP: Die Frage ist, wer hier die Klischeevorstellungen hat! Das sind doch Sie!)

und ist strukturbildend für das ganze Land.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was der ländliche Raum braucht, sind schnelle Internetverbindungen.

(Zurufe von der CDU und der FDP – Unruhe)

Sie haben es fünf Jahre nicht geschafft, das hinzubekommen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir müssen das in Nordrhein-Westfalen aufholen, was Sie nicht hinbekommen haben. Das sind die eigentlichen Fragen, die diskutiert werden müssen.

(Beifall von den GRÜNEN – Erneut Zurufe von der CDU und der FDP – Unruhe und Glocke)

Es geht um die Fragen, die Sie in den Mittelpunkt stellen, und um die Bilder, die Sie zeichnen. Sie verzerren den ländlichen Raum. Das ist das Thema.

(Beifall von den GRÜNEN – Fortgesetzt Zurufe von der CDU und der FDP)

Es ist in der Sache „ökologisches Jagdgesetz“ sicherlich nicht übertrieben, wenn ich sage, dass das Thema „Jagdrecht“ Meinungen neu gebildet hat, manche Menschen zusammengeführt und andere getrennt hat. Dabei hätte es anders sein können. Wir hatten einen zweijährigen Vorlauf mit allen Beteiligten gehabt, wir haben mit den Jägerinnen und Jägern, den Tierschützern, den Umweltschützern und den Naturschützern intensiv diskutiert. In 80 % der Sachverhalte, die jetzt zur Diskussion und zur Abstimmung stehen, waren wir uns einig.

Dieser Dialog, meine sehr geehrten Damen und Herren, hätte auch in einer Novelle des Jagdrechtes zu einem guten Gesamtbild zusammengeführt werden können, wenn denn daran ein Interesse bestanden hätte. Aber offensichtlich gab es nicht dieses Interesse, ein gemeinsames Jagdrecht zu verabschieden.

Klar ist – das möchte ich an dieser Stelle unterstreichen –: Jägerinnen und Jäger leisten in diesem Land durch ihre Hege Bedeutendes.

(Zuruf von der FDP: Ah!)

Meistens machen sie das ehrenamtlich und sehr engagiert. Jägerinnen und Jäger haben eine gute Ausbildung, wenn es darum geht, einen Jagdschein zu erwerben. Sie lernen dort sehr viel mehr als andere über Naturzusammenhänge.

(Anhaltende Unruhe)

Jägerinnen und Jäger sind eigentlich die natürlichen Partner des Naturschutzes.

(Lachen bei der FDP)

Es hätte so schön sein können, sage ich noch einmal, wenn dieser Dialog, dieses zarte Pflänzlein, das gut gewachsen war, zur Ausprägung hätte kommen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber es ist so, wie es ist: Am Ende entscheidet das Parlament. Ich habe zumindest die Hoffnung, dass, wie in vielen anderen Fällen auch, nach einer solchen Entscheidung der Pulverdampf verraucht und wir zum Tagesgeschäft und zur Ausgestaltung übergehen können. Das ist nämlich notwendig. Ein solches Gesetz muss gelebt werden. In anderen Fällen hat das auch geklappt.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, Entschuldigung, darf ich Sie unterbrechen?

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Wir haben in Nordrhein-Westfalen damit ein modernes ökologisches Jagdrecht. Wir setzen damit ein Signal über unser Bundesland hinaus – mehr Tierschutz, mehr Naturschutz und vor allen Dingen einen Waldschutz in unseren ländlichen Regionen.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Remmel …

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Tierschutz verbessern, Artenschutz stärken, Wald vor Wild sichern, das sind die Hauptantriebsfedern dieser Gesetzesnovelle.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Remmel, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt erfolgreich unterbreche. Herr Kollege Schemmer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Bitte.

Bernhard Schemmer (CDU): Herr Minister, Sie sprachen gerade an, welche Fähigkeiten jemand haben muss, sich erarbeiten muss, um einen Jagdschein zu erlangen. Wenn man sich das neue Jagdgesetz ansieht, stellt sich da nicht die Frage, um zu beurteilen, wie Natur funktioniert, ob es nicht sinnig gewesen wäre, wenn die beiden regierungstragenden Fraktionen erst eine Jagdscheinausbildung gemacht hätten, um das dann auch qualifiziert beurteilen zu können.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: Genau)

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich habe die Diskussion, Herr Schemmer, bei allen Beteiligten, insbesondere auch bei denen aus den Regierungsfraktionen, so wahrgenommen, dass es ein sehr intensives Interesse gab, sich mit der Sache auseinanderzusetzen, und eine hohe Fachlichkeit in der Diskussion. In manchen Fragen gibt es einfach unterschiedliche Meinungen. Da muss man sich entscheiden. Dafür ist das Parlament da. Das müssen Sie heute mit der Entscheidung über diesen Gesetzentwurf auch tun.

Eine Feststellung allerdings möchte ich gerne aus vielen Diskussionen wiedergeben, wenn dann einmal der laute Protest etwas leiser geworden ist. Wenn ich die Jägerinnen und Jäger vor Ort gefragt habe, was das ist, was sie betrifft, wo sie Sorge haben, etwas morgen oder übermorgen nicht mehr anders machen zu können. Meistens kam da gar nichts oder ganz wenig. Offensichtlich ist da viel in Sachen Emotionen und Kampagne organisiert worden.

Der eigentliche Kern reduziert sich dann auf eine Jagdstrecke, die um gut 1 % minimiert wird. Das ist das Ergebnis bei gut 1 Million Tiere, die in Nordrhein-Westfalen jährlich geschossen werden. 1 % der Jagdstrecke ist tatsächlich betroffen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, an der Stelle ist es wohl auch nötig, darauf hinzuweisen, die Kirche im Dorf zu lassen.

Wir haben jetzt ein ökologisches Jagdgesetz mit veränderten Bedingungen bei der Liste der jagdbaren Arten. Wir haben eine stärkere Vermeidung von Wildschäden. Wir haben eine klare Fokussierung auf konkrete Jagdzwecke, weil im Grundgesetz zum Tierschutzrecht vorgegeben ist, dass Tiere nicht ohne Grund getötet werden dürfen. Das muss sich auch in einem Jagdrecht Nordrhein-Westfalens abbilden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an anderer Stelle brauchen wir – ich sage das hier noch einmal – mehr Jagd, wenn es um den hohen Bestand an Schalenwild und Schwarzwild in Nordrhein-Westfalen und der Biodiversität in unseren Wäldern geht. Auch das ist Gegenstand der Debatte und verkennt völlig den Kern, wenn es entsprechend angegriffen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es hat Umfragen gegeben über die Einstellung zur Jagd in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit ist bereits überzogen.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Einerseits ergab sich eine große Verankerung, andererseits aber auch eine überdeutliche Kritik, wenn es um bestimmte Praktiken geht, die es zu verändern gilt. Das wird mit diesem Gesetz zusammengeführt. Ich hoffe, dass es fruchtbare Diskussionen und Entwicklungen aufgrund des neuen Gesetzes gibt. – Herzlichen Dank für die Beratungen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Der Minister hat die Redezeit der Landesregierung um zwei Minuten und 21 Sekunden überzogen. Die Zeit steht natürlich den Fraktionen zur Verfügung. Deshalb frage ich, ob es weitere Wortmeldungen gibt.

(Anhaltende Unruhe)

Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt, und wir kommen zum Abstimmungsprozedere.

Wir haben eine ganze Reihe von Abstimmungen durchzuführen, unter anderem auch eine namentliche Abstimmung.

Es geht um den Gesetzentwurf Drucksache 16/7383. Der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in Drucksache 16/8465, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.

Wir kommen zur ersten Abstimmung. Das ist die Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8544. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Änderungsantrag der Fraktion der CDU abgelehnt.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, ebenfalls über einen Änderungsantrag, den Änderungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/8545. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und ein Teil der Fraktion der Piraten. Wer stimmt dagegen? – CDU-Fraktion und FDP-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Zwei Stimmenthaltungen bei den Piraten. Damit ist der Änderungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen zur dritten Abstimmung, der über den Gesetzentwurf Drucksache 16/7383 unter Berücksichtigung der eben vorgenommenen Änderungen.

Sie wissen alle, dass die Fraktionen von CDU und FDP gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu dem Gesetzentwurf beantragt haben.

Sie wissen weiterhin, dass nach § 44 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten erfolgt. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Wir haben heute Mittag gemeinsam erlebt, dass der Geräuschpegel im Plenum nicht zu hoch werden darf. Ich darf alle, die namentlich aufgerufen werden, bitten, laut und, wenn es geht, sehr deutlich zu sagen, ob sie mit Ja, Nein oder Enthaltung abstimmen. Das erleichtert vor allen Dingen den Schriftführerinnen und Schriftführern die Arbeit.

Frau Korte beginnt nun mit dem Namensaufruf.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage 3])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde gleich die Frage stellen, ob noch Kolleginnen und Kollegen im Raum sind, die noch nicht abgestimmt haben.

Die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne möchte ich vorher bitten, auf der Tribüne Platz zu nehmen, denn weder das Stehen noch das Hineinrufen in den Plenarsaal entsprechen der Hausordnung. Darauf sind Sie, glaube ich, auch vorbereitend hingewiesen worden.

Ich frage also, ob noch Kolleginnen und Kollegen den Raum betreten haben, die ihre Stimme noch nicht haben abgeben können. – Unserer Beobachtung nach ist das nicht der Fall. Dann schließe ich an dieser Stelle die namentliche Abstimmung, und die Schriftführerinnen und Schriftführer zählen aus. Solange warten wir hier.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Anschluss zu diesem Tagesordnungspunkt weitere Abstimmungen durchzuführen. Wenn Sie den Raum verlassen, entfernen Sie nicht ganz so weit, denn es geht gleich weiter.

(Die Auszählung erfolgt.)

Darf ich Sie auf der Zuschauertribüne noch einmal bitten, Platz zu nehmen. Es gibt Regeln im Haus, die nicht nur für die Abgeordneten, sondern auch für die Besucherinnen und Besucher im Plenarsaal gelten.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Abstimmungsergebnis ist festgestellt. Ich gebe Ihnen nun das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Ihre Stimme haben abgegeben: 226 Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt: 137 Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt: 86 Abgeordnete. Drei Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/7383 unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderungen in der zweiten Lesung angenommen und verabschiedet.

Wir stimmen viertens ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/8561. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die FDP-Fraktion, die CDU-Fraktion und eine Stimme bei den Piraten. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD-Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen und viele Stimmen bei den Piraten. Ich frage noch nach den Enthaltungen. – Eine Enthaltung bei den Piraten. Dann ist mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/8561 abgelehnt.

Wir kommen fünftens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/8562. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich der Stimme? – Eine Stimmenthaltung bei den Piraten. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/8562 angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf einer Verordnung über die Jagdzeiten, Landesjagdzeitenverordnung, Vorlage 16/2500. Der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in Drucksache 16/8466, das Einvernehmen zur Verordnung über die Jagdzeiten Vorlage 16/2500 herzustellen.

Wir stimmen sechstens ab über den Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/8546. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und ein Teil der Fraktion der Piraten. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Drei Stimmenthaltungen bei den Piraten. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/8546 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen siebtens zur Abstimmung über die Herstellung des Einvernehmens zu der Verordnung Vorlage 16/2500 unter Berücksichtigung der soeben vorgenommenen Änderung. Wer das Einvernehmen bekunden möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und ein Teil der Fraktion der Piraten. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und eine Neinstimme bei den Piraten. Wer enthält sich der Stimme? – Drei Enthaltungen bei den Piraten. Damit ist das Einvernehmen zur Verordnung Vorlage 16/2500 in der geänderten Fassung mit dem soeben festgestellten Abstimmungsverhalten hergestellt worden.

Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 11, den ich damit schließe.

Ich rufe auf:

12       Photovoltaik ermöglichen – Inanspruchnah-me der Kulturlandschaft vermeiden

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8295

Ich eröffne die Aussprache. Als Redner für die antragstellende Fraktion hat Herr Kollege Fehring das Wort.

(Unruhe)

Wahrscheinlich wird der Plenarsaal gleich etwas leerer sein. Wenn  Sie das Redepult erreicht haben, wird also etwas Ruhe eingekehrt sein.

Hubertus Fehring) (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser emotionalen Debatte geht es jetzt vielleicht wieder etwas ruhiger zu.

Ende 2014 waren in Deutschland PV-Module mit einer Nennleistung von ca. 38,5 GW installiert – verteilt auf circa 1,4 Millionen Anlagen. Das heißt: Über 3 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind Energieerzeuger. An sonnigen Werktagen kann PV-Strom zeitweise bis zu 35 %, an Sonn- und Feiertagen bis zu 50 % unseres momentanen Stromverbrauchs abdecken.

Die beeindruckende Teilnahme vieler Millionen Bürger am Umbau unserer Energieerzeugung hat allerdings dazu geführt, dass der weitere Zubau vom Gesetzgeber eingeschränkt worden ist. Persönlich bedaure ich die von den Großkoalitionären in Berlin getroffene Entscheidung, denn sie beschränkt den Zubau zu einem Zeitpunkt, an dem die Wettbewerbsfähigkeit von PV-Anlagen erreicht wird.

Lassen Sie mich an dieser Stelle einen persönlichen Satz anfügen: Deutsche Forscher, Ingenieure und Maschinenbauer, vor allem aber unsere Stromverbraucher, die mehrheitlich die Energiewendekosten mittragen, leisten einen bedeutenden Beitrag zur weltweiten Implementierung von sauberen Energien. Dank unserer Vorleistungen profitieren nun weltweit die Stromverbraucher und machen sie unabhängiger von den Energiemonopolisten.

(Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN]: Oligopolisten!)

Wir haben hier eine milliardenschwere Entwicklungshilfe geleistet – auch für unsere Nachbarländer in Europa. Das wollte ich einmal loswerden.

Mit dem vorgelegten Antrag möchten wir natürlich nicht den PV-Zuwachs bremsen, zumal, wie dargelegt, die Wirtschaftlichkeit erreicht wird. Sorgen bereitet uns der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers, ab 2016 Ackerflächen in den sogenannten benachteiligten Gebieten für PV-Großanlagen zu genehmigen. Diese Beschränkung auf sogenannte benachteiligte Gebiete suggeriert zwar, dass der Landwirtschaft keine ackerbaulich wertvollen Flächen entzogen werden sollen, ist aber in der Praxis der Einstieg in weiteren Flächenverbrauch, den wir alle ansonsten vermeiden möchten.

Der durch die Biogaserzeugung ausgeweitete Maisanbau wird leider schon von Teilen der Öffentlichkeit kritisch beurteilt und zeigt uns die Sensibilität der Bürger beim Thema „Landschaftsbild“. Wir sollten die Akzeptanz der Stromerzeugung mittels PV-Anlagen nicht durch Großanlagen in der freien Landschaft unnötig gefährden. Die gewünschten Großanlagen können auf Industriebrachen, Konversionsflächen, Deponie- und umgenutzten Bahnflächen errichtet werden.

Aber: Brauchen wir in der Zukunft überhaupt noch solche bodengebundenen Anlagen?

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nein, brauchen wir nicht!)

– Danke schön. – Die Befürworter des Ausschreibungsmodells sind offenbar sehr einfallslos und sollten sich schnellstens sachkundig machen ob der Fülle der technischen Möglichkeiten im Bereich der PV-Installationen.

Unter der Überschrift „Der neue Billigstrom“ hat die „Wirtschaftswoche“ schon im Juni 2013 über die vielfältigen praxistauglichen PV-Anwendungen berichtet. Wer das nachlesen möchte: Das ist Nummer 25 vom 17. Juni 2013.

(Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN]: Die „Wirtschaftswoche“ möchte niemand lesen!)

Solarzellen werden künftig auf Stahl- und Glasfassaden laminiert. Lärmschutzwände liefern Billigstrom, und mittels einer Druckmaschine, Spezialtinte und einer Rolle Papier lassen sich Solarzellen herstellen. Zwei DIN-A-4-Bögen reichen dann für den Betrieb eines Handys. Zugegeben: Die breite Anwendung fehlt zurzeit noch.

Wer die Entwicklung der letzten Jahre aufmerksam verfolgt hat, braucht allerdings keine Zweifel zu hegen und sollte die Weitsicht besitzen, das Ende der herkömmlichen PV-Erzeugungsmodelle zu erkennen. Jetzt noch Anlagen in die freie Landschaft zu setzen, ist keine kluge Entscheidung und sollte unseren gemeinsamen Widerstand herausfordern.

Ich möchte einen weiteren praktischen und wirtschaftlichen Punkt hinzufügen, der gegen die Errichtung von Freiflächenanlagen in benachteiligten Gebieten spricht, nämlich die Entfernung vom Verbraucher.

Gerade die PV-Anlagen sind geeignet, dort Strom zu produzieren und künftig auch zu speichern, wo der unmittelbare Verbrauch stattfindet. Endlich sollten mittels Dach- und Fassadenflächen auch die städtischen Mitbürgerinnen und Mitbürger von der Stromerzeugung wirtschaftlich profitieren, zum Beispiel mittels Eigenanlagen, Energiegenossenschaften oder Stadtwerken.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ich könnte mir gut vorstellen, dass man dieses schöne Landtagsgebäude dann vielleicht auch einmal in Angriff nimmt und die Fassaden entsprechend aufbessert. Auch hier könnten wir Strom in größeren Mengen erzeugen.

(Beifall von der CDU)

Diese Entwicklung gilt es zu unterstützen. Sie vermindert den Druck auf die Netzstabilität, erspart zusätzlichen Leitungsausbau und die Inanspruchnahme der knappen Ressource „Boden“.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Hubertus Fehring (CDU): Bitte unterstützen Sie unseren Antrag und berücksichtigen Sie die künftigen Anwendungsfelder bei Ihren Beratungen.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Fehring. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Krick.

Manfred Krick (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, auch wenn es jetzt schon etwas weniger geworden sind!

Herr Kollege Fehring, erst einmal herzlichen Dank für Ihr Lob auf die Fotovoltaik. Ich glaube, das können wir alle hier im Hause sehr unterstützen. Trotzdem möchte ich etwas Wasser in Ihren Wein gießen. Was Sie gesagt haben, ist zwar alles gut, aber das heißt nicht, dass man nur diesen einen Weg gehen sollte. Deshalb unterstützen wir durchaus auch das Konzept, das vorsieht, Fotovoltaik in kleinerem Umfang auch auf Freianlagen zu realisieren, und zwar unter anderem auf Ackerflächen.

Mit der Freiflächenausschreibungsverordnung, beschlossen durch die Bundesregierung am 6. Februar dieses Jahres und in Kraft getreten am 12. Februar dieses Jahres, ist der Einstieg in eine neue Art der Preisfindung für Strom aus erneuerbarer Energie gemacht worden.

Ich finde es nicht ganz richtig, Herr Fehring – insbesondere nach dem, was wir heute Morgen hier gehört haben –, dass Sie hier, wie auch im Antrag, von einem Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums sprechen. Das kann man noch entschuldigen, wenn man berücksichtigt, wann Sie Ihren Antrag gemacht haben. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschluss über die Verordnung gerade erst anderthalb Monate alt. Mittlerweile ist die Verordnung aber fast drei Monate alt. Heute stehen schon die ersten Ergebnisse der ersten Ausschreibung im Netz, und zwar auf der Seite der Bundesnetzagentur.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass diese Verordnung gemeinsam von der Bundesregierung beschlossen worden ist, auch mit den Stimmen der CDU- und CSU-Minister in der Regierung. Es ist nicht fair, das Bundeswirtschaftsministerium und den Bundeswirtschaftsminister hier als Schuldige skizzieren zu wollen.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Krick, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage; wir vermuten, bei Herrn Deppe.

Manfred Krick (SPD): Bitte, Herr Deppe.

Rainer Deppe (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Krick. – Ich meine, das wird auch nicht besser, wenn das von der gesamten Bundesregierung beschlossen wurde. Wären Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Ausschreibungsergebnis jetzt offenbar höhere Preise erbracht hat, als das bei der garantierten Einspeisevergütung der Fall gewesen wäre?

(Zuruf von Wibke Brems [GRÜNE] – Minister Johannes Remmel: Aber das wollten Sie doch immer!)

Manfred Krick (SPD): Herr Deppe, dazu muss ich Ihnen sagen, dass es keinesfalls die SPD war, die diese Sache in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hat. Da können Sie sich gerne einmal an die eigene Nase fassen.

(Minister Johannes Remmel: Wer hat denn darauf bestanden? Altmaier und die Kanzlerin wollten das doch so!)

– Genau, die waren es.

Lassen Sie uns weitermachen. Es ist richtig, Sie schreiben in dem Antrag: Bis 2018 sollen in diesem Pilotversuch Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von insgesamt 1.200 MW ausgeschrieben werden. Es ist ebenfalls richtig, dass ab dem Jahr 2016 und für das Jahr 2017 auch Anlagen auf Ackerflächen mit in die Bewertung hineingenommen werden. Dies geschieht jedoch mit sehr strengen Rahmenbedingungen, die gewährleisten, dass erstens keine hochwertigen Ackerflächen genutzt werden, und es zweitens auch nicht zu der von Ihnen befürchteten Verspiegelung der Landschaft kommt.

Erstens können diese Anlagen nur in sogenannten landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten realisiert werden. Das sind hier bei uns in Nordrhein-Westfalen die bergigen Gebiete des Sauer- und Siegerlandes sowie die Eifel und größere Teile des Eggegebirges und des Teutoburger Waldes.

Zweitens – und das ist noch wichtiger – dürfen jedes Jahr nur zehn Anlagen – das heißt, in den beiden Jahren insgesamt nur 20 Anlagen – überhaupt vergeben werden. Dann muss man noch bedenken, dass die Gesamtgröße einer Anlage 10 MW nicht übersteigen darf. 20 mal 10 MW machen zusammen 200 MW, und für 200 MW benötigt man eine Fläche von 300 ha.

Dann, meine Damen und Herren von der CDU, machen wir einmal eine Rechnung auf und setzen die 300 ha ins Verhältnis zu den 12 Millionen ha Ackerfläche, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben. Wenn man das ausrechnet, kommt man auf einen Wert von 0,0025 % oder, im Bruch ausgedrückt, .

Vor diesem Hintergrund von einem Einstieg in eine Verspiegelung der Landschaft zu sprechen, ist maßlos übertrieben, und schon allein diese Zahlen sollten Sie eigentlich dazu bewegen, Ihren Antrag zurückzuziehen.

Es gibt aber auch noch weitere Argumente, die dagegen sprechen, Ihren Antrag zu unterstützen. Was spricht denn wirklich dagegen, in hängigem Gebiet einzelne Ackerflächen, die ohnehin keinen großen Ertrag bieten, auch für Fotovoltaikanlagen zu nutzen? Das wäre doch eine Chance insbesondere für den ländlichen Raum, den Sie beim vorherigen Punkt noch so vehement verteidigt haben. Es wäre eine Chance für diesen Raum, Wertschöpfung zu generieren und dort vielleicht neue, zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Chance sollten wir uns in Nordrhein-Westfalen doch nicht künstlich nehmen.

Auch deshalb werden wir Ihren Antrag nicht unterstützen. Unsere Bitte wäre: Folgen Sie unseren Argumenten. Wenn es Ihnen aber nicht um Argumente geht, sondern um Emotionen und um Stimmungen – das könnte man schließlich meinen, wenn hier ein neuer Kampfbegriff wie der der „Verspiegelung der Kulturlandschaft“ eingeführt wird –, …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Manfred Krick (SPD): … wenn das Ihre Intention ist, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie in der SPD einen ganz entschiedenen Gegner haben werden.

Wir freuen uns auf die weitere Diskussion im Ausschuss und werden der Überweisung zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Krick. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fehring hat mit seinem Redebeitrag meine leichte Verärgerung über diesen Antrag etwas heruntergekocht. Herr Deppe hat mit seiner Zwischenfrage wieder genau das Gegenteil bewirkt.

Ich finde es richtig und gut, wenn Sie auch persönlich, Herr Fehring, die einschneidenden und negativen Auswirkungen der Entscheidung der Großen Koalition gegen Fotovoltaik und erneuerbare Energien hier stark kritisiert haben. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich finde es auch gut, Herr Deppe, dass Sie eben mit Ihrer Zwischenfrage klar gesagt haben, dass die Ausschreibungen, die wir von Anfang an kritisiert haben, genau zu dem Ergebnis geführt haben, wie wir es hier schon mehrmals vorhergesagt haben, dass das Ganze nämlich zu höheren Preisen führen wird.

Genau das, was eigentlich erreicht werden sollte, ist nicht erreicht worden. Das ist natürlich stark zu kritisieren. Ich hoffe, dass wir da an anderer Stelle vielleicht noch einmal zusammenkommen.

Ich finde, dass das leider zu dem passt, wie sich im Grunde genommen der gesamte Tagesverlauf zeigt. Heute Morgen haben wir gehört: erneuerbare Energien ja, aber bitte nicht so! Es darf sich auch ansonsten nicht auf unsere Stromversorgungsstruktur auswirken. Erneuerbare Energien ja, es darf aber keinerlei Auswirkungen haben.

Hier hören wir jetzt etwas Ähnliches; Sie knöpfen sich nun die Fotovoltaik vor. Besonders schwierig finde ich, dass Sie hier suggerieren, allein die Fotovoltaik sei für den Verbrauch von landwirtschaftlichen Flächen verantwortlich. Ich finde Ihr Auftreten gegen den angeblichen Flächenverbrauch an dieser Stelle scheinheilig. Denn wenn es wirklich darum geht, einen Flächenverbrauch zu reduzieren – wenn der Natur Fläche für Straßen, für Wohnungsbau, für Industrie und Gewerbe entzogen wird –, dann wollen Sie auf einmal nichts mehr davon wissen, wie wir das beispielsweise bei den Diskussionen zum Landesentwicklungsplan gesehen haben. Ich finde es etwas schwierig, wenn Sie die Argumente nur dann aus dem Hut zaubern, wenn es Ihnen gerade in den Kram passt.

Wir nehmen den Konflikt ernst, den Sie beschrieben haben. Wir finden aber, dass ein Ausgleich zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Naturschutz in Nordrhein-Westfalen möglich und auch gegeben ist.

Der von Ihnen gezogenen Konsequenz – Sie nennen einige unterschiedliche Flächen und fordern, zum Beispiel Industriebrachen, Konversions- und Deponieflächen für Fotovoltaikanlagen nutzbar zu machen – stimme ich zu. Dafür bedarf es aber meiner Meinung nach keines Antrags und keiner Aufforderung an die Landesregierung. Eine Pauschalablehnung von Fotovoltaikanlagen auf Freiflächen ist mit uns nicht zu machen.

Wenn Sie aber, wie Sie eben in Ihren Redebeiträgen angekündigt haben, Fotovoltaik und erneuerbare Energien aus Bürgerhand nach vorne bringen wollen, dann können wir gerne zusammenarbeiten, und auf diese Zusammenarbeit hoffe ich auch. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von Rainer Deppe [CDU])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die FDP-Fraktion spricht Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Der vermutlich teuerste Acker in ganz Deutschland“ – das war der Titel einer Berichterstattung in der Zeitung „Die Welt“ am 22. April 2015. Es ging um die Region im Oldenburger Münsterland, um Cloppenburg und den Kreis Vechta, wo der Richtpreis pro Quadratmeter Ackerland mittlerweile bei 9 € liegt. Laut Zeitungsartikel wären höhere Preise aktuell nur noch in der Schweiz zu realisieren. Die günstigsten Lagen in Niedersachsen, so dieser Artikel weiter, lägen beim Richtpreis bei circa 1,30 €, und – das haben wir auch schön öfter im Ausschuss diskutiert – diesen Preisanstieg gibt es nicht erst seit gestern, sondern den gibt es seit fast einem Jahrzehnt.

Dafür gibt es unterschiedlichste Gründe. Der Artikel in der „Welt“ nennt zwei Gründe. Grund Nummer eins: Flächenfraß durch neue Infrastruktur durch Ausweitung. Grund Nummer zwei: Biogas und der entsprechende Ausbau.

Ich glaube – und füge damit einen dritten Punkt hinzu–, es liegt aber auch ein Stück weit daran, dass wir viel zu oft, wenn es um Ausgleichsflächen geht, bei der Qualität nicht so genau hinschauen, sondern Ausgleichsflächen besonders dann gut finden, wenn wir möglichst viele Hektar darin involvieren können, anstatt zu prüfen, wie wir sie inhaltlich aufwerten können. Es gibt also zahlreiche Bereiche, die auf den Preisanstieg einwirken.

Das Problem, das sich daraus ergibt, besteht darin, dass der Bodenertrag den hohen Preis nicht mehr ausgleicht, nicht mehr gerechtfertigt. Und das wiederum führt dazu, dass der oftmals kritisierte und bedauerte Strukturwandel in der Landwirtschaft weiter nur verschärft wird.

Damit will ich sagen: Die Problembeschreibung zum Flächenverbrauch, zu dem, was auch bei der Preisentwicklung noch hinzukommt, sowie zu den Problemen mit der Landwirtschaft teilen wir, wie von der CDU im Antrag beschrieben, ausdrücklich.

Bevor ich zu den Details im Antrag komme, will ich grundsätzlich noch etwas sagen. Gerade ist schon die Umstellung der EEG-Förderung auf Ausschreibungen angesprochen worden. Ich glaube, dass es an der Stelle eher eine Frage ist, wie das Ganze eigentlich umgesetzt wird; denn ich bin davon überzeugt, dass es dem EEG nicht an zu wenig Detailsteuerung, zu wenig Sonderfällen und zu wenig Einzelfällen mangelt, sondern dem EEG mangelt es an Wettbewerb und an marktwirtschaftlichen Instrumenten.

(Beifall von der FDP)

Zum Antrag selber – das ist gerade schon angeklungen –: Lieber Hubertus Fehring, im Antrag heißt es, was den Flächenanspruch durch Fotovoltaik auf der Freifläche angeht, wortwörtlich: wenn auch nur in begrenztem Umfang. – „Wenn auch nur im begrenzten Umfang“ hat der Kollege Krick gerade schon übersetzt in . So genau umgerechnet haben wir es nicht.

Trotz und alledem ist es so, dass man sich mindestens die Frage stellen muss, ob der Umfang, um den es jetzt geht, wirklich dazu beitragen kann, den Preisanstieg so sehr anzuheizen, dass es spürbare Auswirkungen gibt. Zumindest, glaube ich, müssten wir ein großes Fragezeichen dahinter machen.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, zu überlegen: Was wäre sonst mit diesen Flächen möglich? Müssen wir sie für Fotovoltaik freihalten? Müssen wir sie eigentlich haben, um die Energiewende zum Erfolg zu bringen, oder kann man damit auch andere Dinge machen?

Da bin ich dann wahrscheinlich eher wieder ein bisschen näher beim Kollegen Fehring, wenn man sich zum Beispiel überlegt: Was wäre eigentlich mit diesen Flächen unter schwierigen Bedingungen? Könnte man an der Stelle nicht durch Rand-, durch Blühstreifen, durch Biotope etwas für die Artenvielfalt direkt vor Ort machen, so wie es heute mit ähnlichen Flächen ja auch oftmals der Fall ist?

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie fordern, dass die landwirtschaftliche Nutzung klaren Vorrang – so heißt es bei Ihnen wörtlich im Antrag – vor Fotovoltaik haben muss. Ich weiß, was Sie inhaltlich damit meinen. Aber es steht ja nun mal auch im Beschlussteil. Ich frage mich an dieser Stelle: Mangelt es eigentlich der Energiewende an unbestimmten Rechtsbegriffen? Sollten wir mit dem „klaren Vorrang“ jetzt einen weiteren einbringen? Denn was heißt das eigentlich? Heißt das, dass es ausgeschlossen ist? Heißt das, dass man es landwirtschaftlich nutzen soll, wenn es irgendwie geht, aber es ist nicht wirklich ein Muss? Ich glaube, dass das an der Stelle noch etwas zu ungenau ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Überweisung an den Ausschuss werden wir natürlich zustimmen. Fakt ist, dass der Flächenfraß ein nicht zu unterschätzendes Problem darstellt, aber zahlreiche Ursachen hat. Fotovoltaik wird aber wohl jetzt an dieser Stelle zumindest über diesen Plan unabhängig davon, wie man zum Projekt und zu den Ausschreibungen steht, wohl kaum das Flächenproblem spürbar verschärfen. Unabhängig davon, wie gesagt, freuen wir uns auf die Debatte im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Frau Präsidentin, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nicht mehr ganz so zahlreich hier im Saal sitzen, schon gar nicht bei der antragstellenden Fraktion! Zuschauer sind auch kaum noch da. Ich hoffe, dass am Stream zumindest noch ein paar sind.

Die CDU behauptete vorhin in der Begründung zu ihrem Antrag zur Klimaschutzabgabe für uralte Braunkohlekraftwerke, es handele sich dabei um einen unverhältnismäßigen Eingriff in Eigentumsrechte, der massiv die Investitionssicherheit unseres Energiestandortes angreift. Was man vormittags beklagt, fordert man dann nachmittags ein. Oder wie darf man sich das vorstellen? Heute Vormittag forderten Sie, 17.800 ha zusätzlich im rheinischen Braunkohlerevier zu opfern, und zwar ganz hochwertiges Agrarland, und heute Nachmittag wollen Sie 2.400 ha in benachteiligten Gebieten mit schwierigen natürlichen Bedingungen bundesweit einsparen.

Eine hohe Volatilität gibt es nicht nur bei der erneuerbaren Energieproduktion, sondern auch bei der christdemokratischen Antragsproduktion.

(Beifall von den PIRATEN und Reiner Priggen [GRÜNE])

Schade, dass man den vielen warmen Wind, den die CDU produziert, nicht direkt in nutzbare Energie umwandeln kann! Das wäre dann vielleicht sogar grundlastfähig bei der Penetranz, mit der das passiert.

(Heiterkeit)

Natürlich haben wir ein Flächenproblem. Der Flächenverbrauch ist nach wie vor zu hoch. Besonders geht landwirtschaftliche Nutzfläche verloren. Das spielt aber sonst für die CDU bei Projekten wie newPark zum Beispiel gar keine Rolle, vom rheinischen Braunkohlerevier ganz zu schweigen. Oder sollte zwischen 12 Uhr und Mittag hier ein Umdenken eingesetzt haben?

Natürlich ist es sinnvoll, Flächenrecycling oder Mehrfachnutzung von Flächen zu betreiben und dem auch eine Priorität zu geben. Wir fordern das ja schon lange. Auch unsere Forderung, dass es keine Konkurrenz zwischen Tank und Teller geben darf, lässt sich zwanglos auf Fotovoltaik übertragen, auch wenn es dabei nicht um Biokraftstoffe geht. Nachhaltigkeit muss auch bei der Nutzung Erneuerbarer gelten.

Wie sieht es denn aber nebenbei mit dem Flächenverbrauch für landwirtschaftliche Monokulturen aus, die der Futterproduktion für Intensivtierhaltung dienen? Leider ist Frau Schulze Föcking jetzt nicht anwesend. Die hätte das vielleicht beantworten können.

Nun sollen aber laut Vorschlag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie landwirtschaftliche Flächen in Regionen mit schwierigen natürlichen Bedingungen, den sogenannten benachteiligten Gebieten, genutzt werden können. Da stelle ich mir Gebiete mit ohnehin wenig Ackerfläche vor, sogar Gebiete, die auch jetzt schon nur extensiv genutzt werden können. Dort lässt sich sogar eine Doppelnutzung durchführen, zum Beispiel Solarpaneele auf Stelzen. Solche Projekte gibt es schon. Unter diesen wird dann Weidewirtschaft betrieben. Ich bezweifle, dass großflächig intensiv genutzte Ackerflächen in Solarfarmen umgewandelt werden sollen. Das möchten wir natürlich auch nicht.

Fotovoltaikanlagen können durchaus eine Bereicherung der Landschaft durch eine höhere Biodiversität werden, weil zwischen den einzelnen Reihen Platz benötigt wird, um einer Abschattung einzelner Modulreihen bei niedrigem Sonnenstand entgegenzuwirken. Die Unterkonstruktionen versiegeln dabei weniger als 0,05 % der Fläche. 0,05 % von 2.400 ha bundesweit gegen 17.800 ha total im Rheinland alleine! Das merken Sie selbst, ja?

(Beifall von den PIRATEN)

0,25 ha wären das anteilig geschätzt auf NRW. Herr Höne beklagte ja den Flächenfraß, der nicht zu unterschätzen sei, aber die Fotovoltaik hat hier den kleinsten Anteil, wenn Sie sie mit 0,25 ha in NRW anteilig rechnen können. Das verschlägt nichts.

Bereits 2005, vor zehn Jahren, haben NABU und die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft einen Kriterienkatalog für die naturverträgliche Errichtung von Freiflächenanlagen veröffentlicht. Die hier formulierten ökologischen Kriterien gehen über das gesetzlich geforderte Mindestmaß hinaus. Diese Selbstverpflichtung sollte von Projektierern und Betreibern bei der Standortwahl und dem Betrieb von ebenerdig errichteten solaren Großanlagen berücksichtigt werden. Das kann man sinnvoll in einen solchen Antrag schreiben.

Die Forderung nach „keinen Fotovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen“ können wir in dieser Absolutheit nicht mittragen. Doppelnutzung auf extensiven Flächen sollte ja wohl möglich sein statt eines „unverhältnismäßigen Eingriffs in Eigentumsrechte, der massiv die Investitionssicherheit unseres Energiestandortes angreift“, um Ihren Antrag von heute Vormittag noch einmal zu zitieren.

Insofern stellen sich für mich bei diesem Antrag noch Fragen, die wir hoffentlich im Ausschuss klären können. Wir stimmen der Überweisung natürlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rohwedder. – Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Remmel das Wort.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Fehring und Herr Deppe, obwohl ich Ihnen persönliche Redlichkeit in dieser Frage unterstelle – das ist gar keine Frage, denn ich weiß um Ihr Engagement für Freiflächen und vor allem für ländliche Flächen –, aber wenn es um die Darstellung einer Position einer Fraktion geht, dann muss ich Ihnen so etwas wie Scheinheiligkeit und Doppelbödigkeit vorwerfen. Denn man hat Sie sozusagen bei dem Thema „Fotovoltaik“ das Thema „Flächenverbrauch“ thematisieren lassen.

Aber wenn es um das große Ganze geht, nämlich darum, wie wir im Land insgesamt zu weniger Flächenverbrauch kommen, beispielsweise indem wir eine klare Zielorientierung, wie es das Nachhaltigkeitskonzept der Bundesregierung vorsieht, haben, nämlich auf 5 ha herunterzukommen, dann sind Sie nicht dabei. Dann versteckt man Sie in der hintersten Reihe. Dann dürfen Sie nicht reden. Dafür, dass es anders wird, müssen Sie innerhalb Ihrer Fraktion kämpfen.

Beim Flächenverbrauch geht es in der Tat zu 90 % um landwirtschaftliche Flächen. Da sind in den letzten Jahren sehr viele Flächen und wertvolle Böden verschwunden. Gerade das Verschwinden von landwirtschaftlichen Flächen führt dazu, dass auf den weniger werdenden Flächen, die wir in Nordrhein-Westfalen haben, der Druck umso größer wird. Die Pachtpreise steigen. Für die Landwirte heißt das, aus den Böden bzw. aus den Flächen schon aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten möglichst viel herauszuholen. Auch die Möglichkeit, ökologisch zu wirtschaften, wird dadurch ein Stück weit eingeschränkt; denn ökologisches Wirtschaften erfordert mehr Fläche.

In Ihrer Fraktion da um eine Mehrheit zu ringen, wäre eine Aufgabe, der Sie sich stellen sollten. Ich bin mit dem Bauernverband, den Landwirtschaftskammern und den Landwirtschaftsverbänden auf einer Seite. Wenn es darum geht, bei Stellungnahmen im Zusammenhang mit dem LEP, die in Regionalräten erstellt werden, „Butter bei die Fische“ zu tun, sind Sie aber nicht dabei.

Dann ist es in der Tat ein wenig scheinheilig, sich an dem Thema „Fotovoltaik“ zu vergreifen, weil der Prozentsatz des Flächenverbrauchs durch Fotovoltaik nun einmal sehr gering ist.

Zweite kritische Anmerkung: Sie schmeißen sich hinter den Zug. Das ist längst vorbei. Die Landesregierung hat im Januar dieses Jahres ihre Stellungnahme abgegeben, in der wir genau das, was Sie beantragen, auch im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens reklamiert haben – nämlich, dass die entsprechenden Maßnahmen vorrangig auf Brachflächen oder Konversionsflächen durchzuführen sind. Die Bundesregierung ist leider unserem Anliegen nicht gefolgt. Wir formulieren genauso im derzeitigen Entwurf des Landesentwicklungsplans, dass Fotovoltaikanlagen auf Freiflächen zu vermeiden sind und stattdessen vorzugsweise die Wiedernutzung von bereits anderweitig belasteten Flächen wie Brachflächen oder Konversionsflächen, Deponien oder Halden zu erfolgen hat.

Diese Grundausrichtung finde ich im Kern richtig. Sie darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass wir jetzt über eine gewisse Zeit von zwei oder drei Jahren ein regelrechtes Bashing der Solarenergie erlebt haben. Aus diesem Tal müssen wir wieder herauskommen. Wir brauchen die Solarenergie. Wir brauchen den Ausbau der Solarenergie, und zwar in der Tat vornehmlich auf Brachflächen, auf Konversionsflächen, auf Deponien. Im Übrigen haben wir in Nordrhein-Westfalen gute Beispiele dafür. In Ostwestfalen gibt es auf einer abgeschlossenen Deponie großflächig Fotovoltaik. Das könnte auf vielen der abgeschlossenen Deponieflächen in Nordrhein-Westfalen stattfinden – im Ruhrgebiet, aber auch im ländlichen Raum.

Da gemeinsam zu handeln und für mehr Genossenschaften zu werben – für Klimagenossen und -genossinnen, die sich hier im bürgerschaftlichen Engagement in der Gemeinschaft im Dorf oder in der Stadt engagieren –, wäre ein Projekt, das Nordrhein-Westfalen gut gebrauchen könnte und uns gut zu Gesicht stehen würde.

Ich würde mich freuen, wenn Sie einerseits in Ihrer Fraktion für den Freiflächenschutz insgesamt werben könnten und dann vielleicht auch für Ihre Fraktion dieses Thema im Zusammenhang mit dem LEP hier vortragen dürften und wir andererseits durch gemeinsame Anstrengungen über die Fraktionsgrenzen hinweg zu mehr Solarenergieprojekten auf den Dächern der Häuser, aber auch auf Deponien, Halden und Konversionsflächen in Nordrhein-Westfalen kämen. Das Land könnte es dringend gebrauchen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/8295 an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt diesem Verfahren zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das war auch nicht anzunehmen. Damit ist einstimmig so entschieden.

Tagesordnungspunkt

13       Mammographie für alle Altersschichten: Prävention stärken, Altersdiskriminierung verhindern

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8460

Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, eine Debatte heute nicht durchzuführen.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/8460 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend – sowie an den Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation. Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung im federführenden Ausschuss erfolgen.

Wer ist dafür? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

14       Mehr Chancengleichheit durch verlässliche Gewährung von Nachteilsausgleichen für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8444 – Neudruck

Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 4)

Wir kommen deshalb direkt zur Abstimmung. Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Insofern kommen wir zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/8444 – Neudruck.

Wer stimmt dem Antrag so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das war bei dieser Antragstellung auch nicht zu erwarten. Damit ist der Antrag Drucksache 16/8444 - Neudruck - einstimmig angenommen.

Wir rufen auf den Tagesordnungspunkt

15       Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen (Abschiebungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen – AHaftVollzG NRW)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/7545

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Druck
sache 16/8467

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Nordrhein-Westfalen soll sich der schleswig-holsteinischen Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebungshaft anschließen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8448

Die Beratung des Antrags der Fraktion der Piraten Drucksache 16/8448 war heute als TOP 9 vorgesehen. Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich, wie vorhin bereits mitgeteilt, darauf verständigt, die Aussprache zu diesem Antrag in Verbindung mit diesem TOP 15 durchzuführen. Das soll so sein.

Dann rufe ich für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Stotko mit seinem Redebeitrag auf. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Thomas Stotko (SPD): Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind sicherlich alle dankbar dafür, dass es gelungen ist, die Tagesordnungspunkte 9 und 15 miteinander zu verbinden. Es ist auch eine gute Idee gewesen, einerseits den Gesetzentwurf der regierungstragenden Fraktionen zum Abschiebungshaftvollzug Nordrhein-Westfalen und andererseits den Antrag der Piraten zu einer möglichen Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebungshaft gemeinsam zu beraten.

Unsere Bemerkungen zu dem Antrag der Piraten können wir relativ kurz halten; denn es gibt keine Initiative, der wir beitreten könnten. Zwar gibt es einen Beschluss des Landtags Schleswig-Holstein, der gesagt hat: Wir wollen mal was machen. – Es gibt aber kein Papier. Es gibt nichts, dem man beitreten kann. Es gibt keine Informationen. Insoweit fällt es uns nicht schwer, zu sagen, dass dieser Antrag mangels Papier faktisch erledigt ist. Diesem Antrag können wir also auf keinen Fall zustimmen.

Damit bleibt nur unser eigener Entwurf eines Abschiebungshaftvollzugsgesetzes, den wir in den letzten Wochen sehr umfassend beraten haben. Ich möchte für die SPD-Fraktion noch einmal fünf Punkte betonen.

Erstens. Es ist ein Übergangsgesetz für dieses Jahr, für 2015. Es ist eine kurze Version, eine schnelle Chance, Abschiebungshäftlinge nicht mehr nach Berlin oder wohin auch immer karren zu müssen, sondern die Abschiebungshaft, wenn man sie überhaupt vollziehen will, hier in Nordrhein-Westfalen vollziehen zu können.

Zweitens. Zeitgleich finden bereits jetzt die Beratungen des großen, des umfassenden, des nach meiner Einschätzung sicherlich auch ordentlichen Gesetzes gemeinsam mit den Betroffenen, den NGOs und allen statt, und es wird ab dem 1. Januar 2016 wirksam werden. Das ist für uns noch einmal eine wichtige Zusage an die Betroffenen.

Drittens. Wir danken ausdrücklich dem Ministerium für Inneres und Kommunales. Oft genug kommt so etwas nicht vor, Herr Minister, dass man auch den Dank ordentlich bekommt. Wir wollen sagen, es ist versprochen worden, uns rechtzeitig eine geeignete Verordnung zu liefern. Das ist gelungen, und es ist – wie ich finde – im Übrigen auch eine überzeugende Verordnung, die einen humanitären Ansatz klarmacht, wozu wir der festen Auffassung sind: Dieser Entwurf ist so überzeugend, dass er auch jetzt schon bei der weiteren Beratung des „großen Gesetzes“ ein bisschen Spaß macht.

Viertens. Damit es klar wird: Nach Meinung der SPD ist Abschiebungshaft im Grundsatz unwürdig. Sie kann nur, wie wir es auch im Koalitionsvertrag festgehalten haben, Ultima Ratio sein, solange der Bund nichts an dieser Auffassung und an den Gesetzen ändert.

Fünftens. Nach Meinung der SPD ist die Abschiebungshaft sicherlich nur dann eine Ultima Ratio, wenn sie immerhin durch das Aufenthaltsgesetz ermöglicht wird und ein Richter auf Antrag einer Ausländerbehörde diesen Beschluss auch fasst.

Ich will noch einmal dringend darauf hinweisen, dass wir als Land weder für das Bundesgesetz noch für den Antrag der Ausländerbehörden zuständig sind. Wir müssen aber als Land organisieren, dass Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen so humanitär wie möglich erfolgt. Deshalb kann ich es kurz machen. Aus diesem Grund lehnen wir den Piratenantrag ab und – wer hätte es gedacht? – stimmen unserem eigenen Gesetzentwurf zu. – Besten Dank.

(Beifall von der SPD – Frank Herrmann [PIRATEN]: Da ist die Bedeutung der Flüchtlingspolitik doch drin! – Gegenruf von der SPD: Was, dass sechs Piraten hier sitzen?)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Stotko. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Sieveke.

Daniel Sieveke (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute, verbunden mit dem Antrag der Piratenfraktion, über das Thema „Abschiebungshaft“, und wir wollen uns mit dem Antrag der Piraten doch genauer auseinandersetzen.

Mit dem Abschiebungshaftvollzugsgesetz für Nordrhein-Westfalen geht es nun um die ganz konkrete Umsetzung der Abschiebepraxis in Nordrhein-Westfalen. Uns allen ist dabei bewusst, dass wir gerade in Zeiten enormer Flüchtlingszahlen und damit Schicksalen von Menschen sehr genau und sorgsam die Details miteinander beraten müssen.

Die derzeitige weltpolitische Lage ist äußerst besorgniserregend. Ja, ich muss zugeben, oft bin ich selbst persönlich erschrocken und sprachlos angesichts der grausamen Lage, in der sich derzeit viele Menschen weltweit befinden.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das ist so!)

Folglich darf die Aufnahme von Flüchtlingen für mich als Christ nicht zunächst eine Frage von Gesetzen und bürokratischen Verordnungen sein, sondern es ist vielmehr ein ureigenes Gebot der Menschlichkeit, dass wir Menschen, die aus Krieg, Leid und tiefster Not zu uns kommen, freundlich aufnehmen und ihnen, wenn möglich, das hohe Gut des Asyls gewähren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Doch um diese Menschen geht es in der Gesetzesvorlage nicht.

In dem vorliegenden Antrag der Piratenfraktion sprechen sich die Piraten grundsätzlich gegen das rechtsstaatliche Instrument der Abschiebungshaft aus, sei es, ob wir uns einem Antrag, ob der vorliegt oder nicht, überhaupt anschließen können. In dem Antrag beklagen die Kollegen der Piratenfraktion, dass einem Freiheitsentzug eine Straftat vorausgehen müsse, was aber im Fall der Abschiebungshaft nicht gegeben sei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind hier auf dem Holzweg. Wer keine Straftat begangen hat, wird auch keinem Freiheitsentzug ausgesetzt. Denn es geht hier nicht um Asylberechtigte, sondern es geht um Menschen, die auch illegal eingereist sind, denen nach gründlicher Prüfung kein Bleiberecht zusteht und die sich zudem derart verhalten haben, dass eine Sicherung erforderlich geworden ist.

Die Möglichkeit der Abschiebungshaft stellt für mich ein wichtiges und vor allem notwendiges Mittel dar, um denen effektiv helfen zu können, die unsere Hilfe benötigen. Dabei ist es für mich nicht nachvollziehbar, wenn Sie in Ihrem Antrag auf humanitäre Aspekte eingehen, die vermeintlich gegen die Nutzung der Abschiebehaft sprechen sollen. Sie vergleichen offenkundig die Bedingungen einer deutschen Abschiebungshaftanstalt mit den teilweise menschenunwürdigen Bedingungen von ausländischen Anstalten und weisen darauf hin, dass die erneute Gefängnissituation zu einer Retraumatisierung führen könne.

Das ist einfach unangebracht und ein Schlag ins Gesicht für die Mitarbeiter des Landes und auch der Kommunen, die tagtäglich ihren Dienst an den Menschen leisten und dabei ihr Bestes geben.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Selbstverständlich wäre es mir auch lieber, niemanden festhalten zu müssen. Doch es ist die Aufgabe des Staates, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Bei einer solch dramatisch hohen Zahl an Flüchtlingen, die Krieg, Verfolgung und viel anderes Leid durchstehen müssen, dürfen wir unsere Ressourcen, die schon jetzt an Grenzen stoßen, auch nur für solche Fälle bereithalten.

Die Umwandlung und Nutzung der ehemaligen JVA Büren ist in diesem Prozess ein unabdingbarer Baustein.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Die Rechtsprechung von Europäischem Gerichtshof und Bundesgerichtshof hat dem Land schon vor geraumer Zeit die Notwendigkeit zur Reform auferlegt. Die Wiederinbetriebnahme der Einrichtung in Büren ist dringend erforderlich. Das berichten uns vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunaler Ausländerämter. Darin sind wir uns mit Ausnahme der Piraten und vielleicht auch Teilen der Grünen, wenn ich die Wortmeldung von Frau Beer gerade richtig verstanden habe, parteiübergreifend einig.

Daher wird sich die CDU-Fraktion heute enthalten und nicht gegen das Gesetz und die zugehörigen Änderungsanträge von SPD und Grünen stimmen. Denn wir müssen angeordnete Abschiebungshaft auch umsetzen können und dürfen uns dabei nicht dauerhaft auf andere Bundesländer verlassen.

Aber das Wie ist leider deutlich zu kritisieren. In ihrem Fazit hat die Sachverständige den Gesetzentwurf in der Anhörung des Innenausschusses als verfassungs- und europarechtswidrig bewertet. Auch wenn nur diese eine Sachverständige zu dem Thema vorgetragen hat, die diese Abschiebungshaft grundsätzlich ablehnte, so hat sie doch Zweifel aufkommen lassen, die sich nicht ohne Weiteres beiseiteschieben lassen.

Das ursächliche Trennungsgebot wird nun befolgt, das Abstandsgebot in Form einer vom Strafvollzug deutlich unterscheidbaren Art der Unterbringung jedoch muss weiterhin als ungeklärt betrachtet werden. Wir warten weiterhin auf aussagekräftige Informationen dazu, in welcher Form die Einrichtung in Büren umgebaut werden soll.

Zu den Details der praktischen Abläufe kam nun kurz vor Toresschluss doch noch eine Verordnung vom Innenministerium. Hier freue ich mich allein schon darüber, dass das Innenministerium überhaupt etwas geliefert hat, wo es doch sonst so zögerlich mit diesem Thema umgegangen ist. Grundsätzlich wird über den Inhalt der Verordnung für den Vollzug der Abschiebungshaft noch sorgsam zu beraten sein. Aufgrund der Kurzfristigkeit war das bislang allerdings nicht möglich.

Doch auch auf die Schnelle muss ich leider feststellen, dass die Bedenken der verfehlten Verfassungsmäßigkeit nicht ausgeräumt werden konnten. Vor allem hätten die detaillierten Regelungen zum Vollzug in das Gesetz selbst hinein gehört.

Positiv ist der Änderungsantrag von SPD und Grünen zur Laufbahnregelung der Beschäftigten zu bewerten. Denn wer mit den ehemaligen JVA-Mitarbeitern gesprochen hat, der weiß, dass deren Verunsicherung schon enorm ist. Diese Beschäftigten sind es aber gerade, die mit den menschlichen Schicksalen und einer Menge mehr in der Praxis klarkommen müssen. Daher dürfen wir die Beschäftigten auf keinen Fall dabei vergessen.

Einige Fragen bleiben weiterhin unbeantwortet: Warum delegieren die Fraktionen von SPD und Grünen mit ihrem Gesetzentwurf die zu treffenden Regelungen an das Innenministerium? Abschiebungshaft hat direkt mit der Wahrung von Grundrechten zu tun. Warum konnte nach einer so langen Zeit der Prüfung nicht das endgültige Gesetz vorgelegt werden? Warum gelingt es SPD und Grünen nicht, ein Übergangsgesetz ohne wesentliche verfassungsmäßige Bedenken vorzulegen?

Aus diesen Gründen können wir uns als CDU-Fraktion heute leider nur enthalten. – Vielen Dank.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Sieveke. – Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, dass wir hier die soundsovielte Grundsatzdebatte zur Abschiebehaft eigentlich heute nicht brauchen. Aber, Herr Sieveke, zu Ihren Äußerungen zum Thema Abschiebungshaft noch eins klargestellt werden: Dass Abschiebungshaft ein rechtsstaatliches Instrument ist, ist doch äußerst fragwürdig und stelle ich hier für meine Fraktion auch infrage.

(Beifall von den GRÜNEN)

Abschiebungshaft inhaftiert Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Ich finde es eigentlich eines Rechtsstaates unwürdig. Aber, wie gesagt, die Grundsatzdebatte brauchen wir heute meines Erachtens nicht mehr. Sie haben sich dazu hinreißen lassen, dass die, die in Abschiebungshaft landen, alles irgendwelche Illegalen sind. Das sind auch Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, der abgelehnt worden ist. Die sollten wir hier nicht diskriminieren.

Herr Sieveke, Sie haben die Flüchtlinge in Gut und Böse eingeteilt. Die Guten dürfen hierbleiben, und die Bösen nehmen den anderen den Platz weg. Ich sage Ihnen noch einmal, und das habe ich in diesem Landtag bereits sehr häufig gesagt: Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund und begibt sich auf eine Flucht.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Ihre Einteilung in Flüchtlinge erster und zweiter Klasse finde ich unsäglich. Das heizt nämlich die Stimmung vor Ort an, und das finde ich nicht redlich.

Jetzt zum Antrag: Die Lage ist für die Grundsatzdebatte eigentlich klar. Grüne und SPD haben da unterschiedliche Meinungen, das können wir hier auch noch zehn Mal sagen. Wir haben in unseren Programmen stehen, dass wir Abschiebehaft grundsätzlich auch ablehnen, aber wir haben einen Koalitionsvertrag. So nennt man das, wenn sich zwei Parteien zusammensetzen und darüber verhandeln, wie man gemeinsam regiert. Ich finde, wir haben in unserem Koalitionsvertrag eine gute Formulierung gefunden. Denn dort steht, dass wir Abschiebehaft als Ultima Ratio sehen und auch das Prinzip hier haben. Den Vollzug, wenn er denn angeordnet wird, können wir als Land auch nicht verhindern. Deswegen müssen auch Sie sich diesen Vollzugsfragen stellen, damit dieser Vollzug human ausgestaltet wird und da, wo es möglich ist, Abschiebehaft möglichst vermieden wird.

Ja, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben Landtagsbeschlüsse mit Mehrheit gefasst, dass man sich im Bundesrat dafür einsetzen wird, Abschiebehaft abzuschaffen. Das ist auch das gute Recht. Diese Mehrheit ist in diesem Landtag nicht vorhanden. Sie ist auch im Bundesrat und im Bundestag nicht vorhanden. Deswegen beenden Sie diese Phantomdebatte und lassen Sie uns darüber reden, wie wir die Menschen vor Ort konkret so unterbringen, dass wir humanitäre Gesichtspunkte berücksichtigen, wenn die Abschiebehaft von einem Richter angeordnet wird. Diese richterlichen Anordnungen können auch Sie nicht außer Kraft setzen; das geht in einem Rechtsstaat nicht.

Genau das machen wir mit unserem Gesetzentwurf. Ziel ist es, hier ein zweistufiges Verfahren – das ist mehrfach auch im Ausschuss vorgetragen worden – einzuführen. Derzeit erfolgt die Erarbeitung eines ausführlichen Gesetzentwurfes. Für die Zeit, bis dieser fertig ist und in Kraft treten kann, kann ich Ihnen zusichern, dass in Büren ein humaner Vollzug gewährleistet ist, damit die Menschen, für die wir das ja machen – wir machen das ja nicht hier aus Spaß, sondern für die Menschen – nicht mehr nach Berlin oder Eisenhüttenstadt transportiert werden müssen. Dafür steht diese Regierung, dafür stehen die Koalitionsfraktionen. Das heißt konkret, und das hat ja auch die EU-Rechtsprechung gezeigt: Abschiebehaft kann und darf nicht Strafhaft sein. Das wird sie in Büren auch weiterhin nicht sein. Das ist unser Ziel.

Jetzt kommt gleich Herr Stamp und sagt: Das geht alles nicht schnell genug. – Ja, es könnte schneller gehen. Aber wir haben uns für diesen Weg entschieden, dass wir einen Gesetzentwurf erarbeiten, der wirklich mit einem Neuanfang in Büren gute Standards setzt.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Nullnummer!)

Dafür haben wir ein Konsultationsverfahren verabredet, das die Regierung gerade erarbeitet. Ich bin einmal gespannt, was dabei herauskommt.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Nichts!)

Und dann werden wir im nächsten Jahr über ein ausführlicheres Gesetz diskutieren. Bis zum Jahresende befristet möchten wir mit diesem Gesetz eine Grundlage schaffen, dass die Menschen humanitär und anständig untergebracht werden. Wir stellen uns hier der Verantwortung, um nicht mehr die langen Transportwege in Kauf nehmen zu müssen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Düker – Für die Piratenfraktion spricht Herr Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Welcher Zeitpunkt wäre besser geeignet als jetzt, um über die Abschaffung der Abschiebehaft zu sprechen, wenn wir gleichzeitig ein Abschiebehaftvollzugsgesetz verabschieden wollen, auf dessen Basis dann die Landesregierung eine sehr teure Abschiebehaftanstalt betreiben will? Denn all das bräuchten wir nicht, wenn wir die Abschiebehaft abschafften.

Aber, Kollegin Düker, wir führen jetzt keine Grundsatzdebatte; da muss ich Sie enttäuschen.

Herr Kollege Stotko, wenn Sie den Antrag gelesen hätten, …

(Thomas Stotko [SPD]: Habe ich!)

– Nein, haben Sie nicht. Sie haben den Schluss nicht gelesen.

(Thomas Stotko [SPD]: Doch!)

Dort heißt es: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich der Initiative der Landesregierung von Schleswig-Holstein anzuschließen und die Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebungshaft mit zu erarbeiten und mitzutragen.“

Über all das werden wir im Ausschuss sprechen. Denn wir stimmen heute ja nicht direkt ab, da es sich ja um eine Überweisung handelt. Deswegen komme ich jetzt zum Gesetzentwurf zum Abschiebungshaftvollzug.

Nach wie vor ist das etwas, was wir als völlig untauglich ansehen, um eine Abschiebungshaft, das Wegsperren von Menschen, zu regeln, weil in dem Gesetz eklatant Europarecht verletzt wird, das Abstandsgebot nicht eingehalten und auf das Strafvollzugsgesetz verwiesen wird, das völlig untauglich ist und nach Europarecht die Abschiebungshaft nicht regeln darf.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Landesregierung hat im Dezember den Gesetzentwurf vorgelegt. Aus irgendwelchen Gründen konnten wir erst im Februar eine Anhörung dazu beantragen. Vorher gab es die Möglichkeit im Ausschuss nicht. Keine andere Fraktion hatte ein Interesse daran. Keine andere Fraktion hat einen Sachverständigen für die Anhörung genannt. Alle wollten diesen Ein-Blatt-Gesetzentwurf möglichst schnell durchwinken.

In der Anhörung am 14. April wurde der Gesetzentwurf für völlig unzureichend erklärt. Das Fazit der Sachverständigen war, das Gesetz nicht zu beschließen, da es in mehrfacher Hinsicht verfassungs- und europarechtswidrig ist. Daran hat sich bis jetzt nichts geändert.

Es liegen nun zwei Änderungsanträge vor, mit denen versucht wird, das Gesetz zu flicken, aber sie machen die wenigen Regeln noch schlechter. Dass die Laufbahnregelung für die Beamten vergessen wurde, ist peinlich genug. Dass mit dem zweiten Änderungsantrag sogar das Taschengeld der Gefangenen gekürzt werden soll, ist eine Unverschämtheit, finde ich.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Verfassungsmäßigkeit hatten wir bei der Auswertung der Anhörung thematisiert. Sie haben das infrage gestellt, weil dann andere Landesgesetze in anderen Bundesländern auch verfassungswidrig sein würden. Ich habe eine Studie gefunden, die genau das besagt, und zwar die Halleschen Studien zum Migrationsrecht. Ein Aufsatz von Matthias Haag benennt nämlich nur drei verfassungsgemäße Vollzugsgesetze in Deutschland für den Abschiebungshaftvollzug. Das sind die Gesetze in Bremen, Berlin und Brandenburg. Das finde ich sehr bemerkenswert. Das Problem bei der Feststellung der Verfassungsmäßigkeit ist, dass es dafür einer Klage bedarf. Diese können leider nur die Gefangenen einreichen. Und naturgemäß wird es ihnen sehr schwerfallen, weil sie ganz andere Sorgen haben.

Es ist sehr traurig, dass die regierungstragenden Fraktionen – ich denke: wissentlich – ein verfassungswidriges Gesetz beschließen werden. Übrigens ist es auch sehr traurig, dass ein Gutachten von Prof. Huber, das auf der Innenministerkonferenz vorgestellt wurde, hier überhaupt nicht zum Tragen kam, das auch aussagt, dass die Haft nicht über Richtlinien, über Verordnungen geregelt werden darf, sondern dass die Regelungen im Gesetz vorgesehen werden müssen, was hier nicht der Fall ist. Sehr schade!

Sie haben ein Dreivierteljahr Zeit gehabt, ein ordentliches Gesetz vorzulegen. Büren ist im Juli letzten Jahres geschlossen worden. Sie legen wissentlich ein verfassungswidriges Gesetz vor. Das ist bitter. Wir bleiben bei unserer Ablehnung.

Ein letztes Wort zur Gewahrsamsordnung, die Sie gestern verschickt haben. Sie sagen seit drei Monaten, dass Sie diese vor der zweiten Lesung versenden. Das haben Sie tatsächlich eingehalten – 24 Stunden vorher! Wir werden, glaube ich, im Ausschuss darüber sprechen.

Sie haben eben gesagt, Inhalt wäre, die Abschiebungshaft so human wie möglich zu gestalten. Ihre tatsächliche Handlungsweise aber ist: Nicht die Frage, wie wir es den Menschen so gut wie möglich machen können, stand im Vordergrund, sondern die Frage, wie wir den Gefängnisaufenthalt so wenig rechtswidrig wie möglich gestalten können. Das strahlt diese Gewahrsamsordnung aus. Ich finde es eine Unverschämtheit, dann hier auch noch mit der Aussage aufzuwarten, dass man hier einen humanen Abschiebungshaftvollzug gestaltet. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Herrmann. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Wedel.

Dirk Wedel (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihren Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, kann man mit drei Worten beschreiben: Spät, schlecht, stümperhaft!

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Erstens: Stichwort „spät“. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs lässt den Vollzug von Strafhaft und Abschiebungshaft auf dem Gelände ein und derselben Justizvollzugsanstalt nicht mehr zu, da dies dem Trennungsgebot der Rückführungsrichtlinie nicht genüge. Der in der Justizvollzugsanstalt Büren bis dahin praktizierte Vollzug von Abschiebungshaft musste daher Ende Juli 2014 eingestellt werden.

Nordrhein-Westfalen verfügt seit diesem Zeitpunkt über keine Vollzugseinrichtung für Abschiebungshaft mehr und ist für die Unterbringung von Abschiebungshäftlingen ausnahmslos auf die Amtshilfe anderer Bundesländer angewiesen.

Es hat jetzt ein Dreivierteljahr gedauert, bis Sie eine neue Rechtsgrundlage für den Abschiebungshaftvollzug in Nordrhein-Westfalen verabschieden.

Viel Zeit, in der wir uns gefragt haben, was Sie da eigentlich gemacht haben,

(Beifall von der FDP)

und in der wir immer wieder gefordert haben, etwa die Rechtsgrundlagen anderer Länder gegebenenfalls modifiziert als Übergangslösung zu übernehmen; denn Abschiebungshaft an Abschiebungshäftlingen aus NRW wird ja bereits jetzt in Amtshilfe in Berlin und Brandenburg nach dem dort jeweils geltenden Recht vollzogen, aber eben nicht in Nordrhein-Westfalen.

Viel Zeit, in der hohe Kosten für das Personal externer Sicherheitsfirmen angefallen sind, deren Verträge Sie nicht einfach kündigen konnten.

Viel Zeit, in der das Personal der freigezogenen JVA Büren in der Luft hing und in der zugleich hoher Aufwand und hohe Kosten für das Hin- und Herfahren der Abschiebungshäftlinge anfielen, die für etwaige Gerichtstermine zurückgeführt mussten, in der Kommunen auf die Beantragung von Abschiebungshaftanträgen angesichts der unbefriedigenden Situation verzichteten. Rechtsstaatlich ist das nicht unbedenklich.

Zweitens: Stichwort: „Schlecht“. Inhaltlich haben Sie uns einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in der Hauptsache auf das Strafvollzugsgesetz verweist, allerdings nur, soweit nicht in anderen Rechtsvorschriften etwas anderes bestimmt ist, Zweck und Eigenart der Abschiebungshaft oder die besonderen Verhältnisse der Einrichtung entgegenstehen.

Zweck und Eigenart der Abschiebungshaft oder die besonderen Verhältnisse der Einrichtung stehen einer entsprechenden Anwendung jedoch in einer Vielzahl von Punkten entgegen. Das belegt nicht zuletzt der von Ihnen gestern Nachmittag vorgelegte Entwurf einer Abschiebungshaftvollzugsverordnung. Denn innerhalb der Abschiebungshaftvollzugsanstalt soll man sich in etwa frei bewegen können, sein Zimmer von innen abschließen können, um nur wenige Beispiele herauszugreifen.

Fazit: Die FDP sieht die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage für den Vollzug der Abschiebungshaft und einer Abschiebungshaftvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen, aber der vorgelegte Gesetzentwurf genügt nicht unseren Ansprüchen.

(Beifall von der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann nicht verstehen, dass sich der Antrag der Piraten beispielsweise nicht mit § 62 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes auseinandersetzt. In dieser Regelung ist bereits normiert, dass Abschiebungshaft unzulässig ist, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes Mittel erreicht werden kann. Die Prämissen des Antrags gehen insofern fehl.

Zudem ist zu bedenken, dass die Abschiebungshaft von Richtern angeordnet wird und vielmehr dazu dient, dass Personen in ihre Heimat zurückgeführt werden können, die versuchen, sich der Abschiebung zu entziehen. Nur ein sehr kleiner Teil der ausreisepflichtigen Personen wird tatsächlich in Abschiebehaft genommen. Trotzdem ist es notwendig, dass dieses letzte Mittel zur Verfügung steht, auch und gerade um überhaupt ausreisepflichtige Personen zur Ausreise aus eigenem Antrieb zu bewegen.

Drittens: Stichwort „stümperhaft“. Das Verfahren, um eine so dürftige, vorläufige und bis Jahresende befristete Rechtsgrundlage zu verabschieden, um die ehemalige JVA Büren in eine Abschiebungshafteinrichtung außerhalb des Justizvollzugs im Geschäftsbereich des hierfür originär zuständigen Ministeriums für Inneres und Kommunales zu errichten, ist abenteuerlich.

Zuerst haben Sie sich Zeit gelassen. Dann sollte es im Rahmen eines Artikelgesetzes in letzter Sekunde an das Strafvollzugsgesetz gehängt werden. Dann wieder nicht. Dann kam ein eigener Gesetzentwurf, der zuerst einmal liegen blieb. Wichtige Fragen zum erforderlichen Umbau der JVA Büren, zur Personalplanung und zu Veränderungen in den Haushaltstiteln der Einzelpläne 03 und 04 konnten nicht beantwortet werden. Dann wurde auf den Verzicht einer Anhörung gedrängt. Dann kamen zwei Änderungsanträge mit späten, aber wichtigen Erkenntnissen und Änderungen. Zuletzt musste noch durch einen mündlichen Änderungsantrag im Innenausschuss die Regelung des Inkrafttretens korrigiert werden.

(Beifall von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Das geschah alles in letzter Minute. Den Entwurf der Abschiebungshaftvollzugsverordnung, der die eigentlichen materiellen Regelungen enthält, haben Sie gestern Nachmittag vorgelegt. Er kann also nicht mehr diskutiert werden. Das ist abenteuerlich, nein: dilettantisch.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, zusammenfassend lässt sich somit sagen: Rot-Grün hat ewig gebraucht, um eine dürftige, rechtsstaatlichen Anforderungen nur schwerlich genügende und damit gerade für die Grünen peinliche gesetzliche Übergangsregelung vorzulegen, die eine schlampige Arbeit offenbart und natürlich nicht zustimmungsfähig ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wedel. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der letzten Woche noch einmal ausführlich im Innenausschuss über diesen vorliegenden Gesetzentwurf debattiert und gesprochen. Es ist schade, dass Sie nicht dabei sein konnten, Herr Wedel. Es war eine sehr sachliche Diskussion.

Ich glaube, allen Beteiligten an dieser Diskussion ist klar geworden: Es kann nur eine Zwischenlösung sein. Nachdem es nicht möglich erschien, mit anderen Bundesländern gemeinsam eine größere Einrichtung zu betreiben, geht es jetzt darum, eine eigenständige in Nordrhein-Westfalen und die Rechtsgrundlage hierfür zu schaffen. Es geht letztendlich darum, einen wirklich unhaltbaren Zustand zu beenden.

Herr Wedel, wir sind unterschiedlicher Auffassung darüber, in wessen Verantwortung es liegt, dass wir zurzeit keine Abschiebehaftmöglichkeit in Nordrhein-Westfalen haben. Der unhaltbare Zustand besteht darin, dass die Menschen nach Brandenburg und Berlin gefahren werden müssen. Angehörige, Freunde und Bekannte, die sie besuchen wollen, müssen sich ebenfalls auf diesen Weg machen. Das gilt aber auch für den Rechtsbeistand. Er kann ihn entweder nur aus der Ferne vertreten oder muss diesen langen Weg auf sich nehmen.

Das ist nicht gut. Deshalb wollen wir eine Abschiebehafteinrichtung in Nordrhein-Westfalen, die dem Europarecht gerecht wird und dem Trennungsgebot folgt. Wir wollen sie aber auch in einem möglichst breiten Konsens mit allen Beteiligten errichten, insbesondere mit NGOs, Verbänden und Kirchen.

Herr Wedel, deshalb haben wir den Weg gewählt, ein schmales Gesetz vorzulegen. Deshalb wollen wir einen neuen Gesetzentwurf nach breiter Erörterung und der Suche nach einem Konsens noch in diesem Jahr gemeinsam mit allen erarbeiten, die an Abschiebungshaft beteiligt sind. Das geht nun einmal nicht von heute auf morgen.

Das wollen wir dem Parlament bis Ende dieses Jahres vorlegen, damit das Parlament ganz klar den Korridor und die Rahmenbedingungen für Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen definiert. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Zwei Abstimmungen sind vorgesehen.

Wir stimmen zuerst über den Gesetzentwurf Drucksache 16/7545 ab. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/8467, den Gesetzentwurf in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer stimmt dem zu? – SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Die Piratenfraktion und die FDP-Fraktion. Wer enthält sich? – Es enthält sich die CDU. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/8467 gegen die Stimmen von FDP und Piraten bei Stimmenthaltung der CDU angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/7545 in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir stimmen über die Überweisung des Antrags Drucksache 16/8448 ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt der Überweisung zu? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag einstimmig überwiesen.

Ich rufe meinen Lieblingstitel des heutigen Tages auf:

16       Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe-Anerkennungsge-setz – SobAG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6224

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8547

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Familie, Kinder und Jugend
Drucksache 16/8468

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Hack das Wort.

Ingrid Hack (SPD): Herr Präsident! Ich freue mich sehr, heute angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit kurz zu Ihrem Lieblingstitel sprechen zu dürfen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen und Zuhörerinnen, wo auch immer Sie sein mögen, zur Erinnerung: Die Einbringung des Gesetzentwurfes erfolgte am 10. September 2014 ohne Debatte. Die Zeit war ähnlich fortgeschritten wie am heutigen Tag.

Das geplante Gesetz erfüllt die Aufgabe, den an den Universitäten erfolgten Reformprozess, also die Umstellung auf Bachelor- und Master-Studien-gänge, auch für die Sozialberufe und ihre staatliche Anerkennung nachzuvollziehen. Daneben ist das Gesetz aber auch eine Antwort auf die in den vergangenen Jahren stark veränderte Landschaft der frühen Bildung, auf den großen Ausbau der Angebote, auf die gestiegenen Qualitätsanforderungen an die dort tätigen Fachkräfte und auf erheblich erweiterte Forschungstätigkeit in diesem Bereich und ihre Umsetzung in die Praxis.

Das Gesetz wird landesweit vergleichbare Abschlüsse einerseits sichern und andererseits den Absolventinnen und Absolventen in einem wesentlichen Maße den so wichtigen Arbeitsmarkt erschließen können.

Dieser Prozess dieser Vereinbarung über einheitliche Standards und staatliche Anerkennungen dauert seit 2008 an und kann aus unserer Sicht nun zu einem wirklich guten Abschluss geführt werden.

In der Anhörung nach der ersten Lesung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wurde das Vorhaben einhellig begrüßt. Zusätzlich wurde aber seitens der Sachverständigen die Einbeziehung der Heilpädagoginnen und Heilpädagogen befürwortet. Dies wird nun im Änderungsantrag vorgeschlagen, den meine Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen heute einbringen.

Im Gesetzentwurf konnte dies noch nicht berücksichtigt werden, da seinerzeit noch kein Qualifikationsrahmen für die Studiengänge für die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen vorlag. Dies ist seit November 2014 der Fall, sodass die Ergänzung unproblematisch möglich ist. So viel zu diesem Abschnitt unserer anstehenden Abstimmungen.

Den vorgelegten alternativen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion lehnten wir bereits mit den regierungstragenden Fraktionen im Ausschuss ab. Ich will hier nur kurz erläutern, warum wir das getan haben.

Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, schlagen vor, die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen auch in diesem Gesetz zu regeln. Aus unserer Sicht ist dies jedoch völlig überflüssig, da diese Fragen grundsätzlich im Berufsqualifizierungsfeststellungsgesetz geregelt werden bzw. im Berufeanerkennungsgesetz. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf geht es nun einmal ausschließlich um die staatliche Anerkennung von in NRW erworbenen Abschlüssen.

Mit Ihrem Vorschlag, in § 8 auch die Absolventinnen der staatlich anerkannten Fachschulen für die Sozialberufe zu erwähnen, verkennen Sie außerdem ein weiteres Mal die Aufgabe dieses Gesetzentwurfes. Es geht um Studienabschlüsse.

Sie beabsichtigen – ich zitiere –, die Bedeutung der fachschulischen Ausbildung nicht hinter die hochschulische zurücktreten zu lassen.

Nochmals: Dieses Gesetz zur staatlichen Anerkennung regelt Fragen von Studienabschlüssen und hat keineswegs die Aufgabe, bereits bestehende staatliche Anerkennungen zu bewerten oder – salopp gesagt – für besser oder für schlechter zu erklären. In diesem Sinne werden wir abstimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. – Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Milz das Wort.

Andrea Milz (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Hack hat den Knackpunkt schon angesprochen. Es geht um die Anerkennung der im Ausland erworbenen Hochschulqualifikationen. Wir sehen sehr wohl eine Möglichkeit, die hier bestanden hätte, auch in diesem Gesetz für die Absolventen etwas zu tun.

Uns ist nicht nur in persönlichen Gesprächen – wie ich weiß, sind diese Gespräche in allen Fraktionen geführt worden –, sondern auch in der Anhörung dargelegt worden, dass gerade Absolventen der ausländischen Hochschulen zunehmend von Schwierigkeiten berichten, wenn sie bei uns wegen der Anerkennung ihrer Abschlüsse vorstellig werden. Das heißt, ihnen fehlt irgendwo der Berufszugang hier in Nordrhein-Westfalen.

So werden zum Beispiel Absolventen der Sozialpädagogik von niederländischen Hochschulen durch die Bezirksregierungen Düsseldorf und Münster besondere Auflagen zur staatlichen Anerkennung ihres Bachelordiploms gemacht, die nicht im Sinne der bestehenden bilateralen Vereinbarungen aus dem Jahre 1983 zwischen den Niederlanden und Deutschland im Hochschul- und Bildungswesen sind. Dort wird zum Beispiel eindeutig beschrieben, dass einschlägige Studien auf Antrag angerechnet und die Prüfungen einschließlich der Zwischenprüfungen anerkannt werden.

Die derzeitige Praxis jedoch ist eine andere. Obwohl Studenten in einem akkreditierten Studiengang in den Niederlanden auch Rechtskenntnisse im deutschen Recht erworben haben, sollen sie nachträglich dem gesamten Rechtsmodul der FH Köln folgen und dürfen erst dann erwarten, ohne Prüfung dieser Rechtskenntnisse, die staatliche Anerkennung in NRW zu erhalten.

Diese staatliche gegenseitige Anerkennung ist nach 1983 auch noch einmal 1993 mit Veröffentlichung von 1996 in einer gemeinsamen Erklärung vom damaligen Minister für Wissenschaft und Forschung NRW bzw. Unterricht und Wissenschaft der Niederlande bekräftigt worden. Dennoch erfahren die Absolventen der niederländischen Hochschulen im Bereich soziale Arbeit keine eindeutige Handhabung ihrer Anträge im Verfahren zur Anerkennung. Sie haben vielmehr sogar, wie sie uns auch geschildert haben, den Eindruck, dass sie sich einem gewissen Maß an Willkür ausgesetzt sehen.

Dies alles kann mit Blick auf die europäische Perspektive nicht sein. So bleibt mir nur die Hoffnung, dass die konstruktiven Gespräche der niederländischen Hochschulen mit dem NRW-Ministerium und den Bezirksregierungen doch noch zu zufriedenstellenden Lösungen führen. Denn dem Fachkräftemangel in Deutschland kann abgeholfen werden. Man muss nur bereit sein, im Ausland erworbene Kompetenzen und Qualifikationen zu akzeptieren und anzuerkennen.

(Beifall von der CDU)

Weil dies nicht passiert, werden wir heute den Gesetzentwurf und den Änderungsantrag der Regierungsfraktionen ablehnen.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Milz. – Am Pult ist schon Frau Hanses bereit, für die grüne Fraktion zu sprechen.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können es wirklich kurz machen. Wir verabschieden hoffentlich gleich das Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen. Außerdem nehmen wir mit unserem rot-grünen Änderungsantrag auch die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen mit auf, weil nun auch der Qualifizierungs- und Orientierungsrahmen für diese Berufsgruppe vorliegt.

Bei der Einbringung erschien er uns eher als ein nur technisches Nachvollziehen der Bachelor- und Masterregelungen für diese Berufsgruppen. Und dann kam noch die andere Berufsgruppe hinzu. Der Gesetzentwurf ist in der Anhörung von allen Sachverständigen gelobt worden.

Deshalb, liebe Frau Milz, vermischen Sie da leider einiges. Das, was Sie beschreiben, liegt eben nicht in unserer Zuständigkeit, sondern wird im Berufsanerkennungsgesetz des Bundes geregelt und nicht in unserem Sozialberufe-Anerkennungsgesetz. Das wissen Sie eigentlich auch, und das haben wir auch mehrfach betont. Frau Hack hat alles, was dazu zu sagen ist, vorgetragen. Dem kann ich mich vollumfänglich anschließen. Wir haben damit eine gute gesetzliche Grundlage, damit auch diese Berufsgruppe Bachelor und Master nachvollziehen kann.

Ich danke allen Beteiligten. Auch wenn sich das Verfahren für so ein kleines Gesetz ein bisschen gezogen hat, haben wir gerade für die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen einen guten Erfolg erzielt, die den Prozess von ihrer Seite aus durch die Vorlage eines Referenzrahmens beschleunigt haben. Dieser wurde im Ministerium, im MFKJKS, sorgfältig geprüft. Das war genau zur rechten Zeit, und deshalb haben wir alle mit im Boot. Ich danke allen Beteiligten für die konstruktiven Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Hanses. – Für die FDP?Fraktion spricht Herr Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute debattieren wir über einen Gesetzentwurf, dessen Ursprünge auf den Bologna-Prozess zurückzuführen sind. Es ist schon viel gesagt worden. Wir beschäftigen uns seit über einem Jahr mit dem Thema im Ausschuss.

Wichtig ist, dass wir alle festhalten: Die frühkindliche Bildung ist ein ganz zentraler Punkt des Gesetzentwurfs. Dabei müssen wir natürlich auch in Nordrhein-Westfalen diskutieren: Wie können wir die Qualität in den Kindertageseinrichtungen stärken und verbessern? Insbesondere geht es darum, im Ergebnis den Wissenstransfer zwischen Hochschule und Kitas zu verbessern. Deswegen ist der Gesetzentwurf ein Etappenziel in der gesamten Debatte. Man kann nur von einer Etappe sprechen, weil das Ganze, was heute in Gesetzesform gegossen wird, noch mit Leben gefüllt werden muss.

Beim Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Kindertageseinrichtungen geht es insbesondere darum: Wie kann dieses Gesetz hinterher mit Leben gefüllt werden? Wie erreicht man es, dass die Absolventen den Weg in die Kindertageseinrichtungen finden? Man muss über Folgendes sprechen: Wie steht es mit der Attraktivität dieses Berufs, damit Akademikerinnen und Akademiker auch in die Kitas gehen? Wie sieht die Bezahlung aus? Darüber ist noch verhältnismäßig wenig diskutiert worden. Zum Glück sind in der Sachverständigenanhörung einige Punkte genannt worden. Es wäre Aufgabe der Landesregierung, das Gesetz mit Leben zu füllen.

Weiterhin ist es schade, dass sich der Ausschuss auf keinen gemeinsamen Gesetzestext einigen konnte. Hier hätte meines Erachtens die Landesregierung Größe zeigen und die bessere Struktur, die besseren Formulierungen der Union übernehmen können.

(Beifall von der FDP)

Der Gesetzentwurf der Landesregierung regelt ausschließlich die staatliche Anerkennung von Bachelorabschlüssen in Nordrhein?Westfalen. Ich stimme aber der CDU zu, von einem Sozialberufe?Anerken-nungsgesetz kann man erwarten, dass sich darin alle Regularien zur Anerkennung von Sozialberufen zumindest zusammengefasst finden lassen. In anderen Ländern wurde das genauso gehandhabt.

Im Gesetzentwurf der Koalition findet sich jedoch leider kein Wort zur staatlichen Anerkennung von Sozialberufen bei Fachschulabsolventen. Selbstverständlich schauen auch Hochschulabsolventen aus dem Ausland zunächst in das SobAG, um die staatliche Anerkennung in Nordrhein-Westfalen zu erwerben.

Hier weist allerdings leider auch der CDU-Antrag selbst handwerkliche Mängel auf, beispielsweise wenn fälschlicherweise auf das Anerkennungsgesetz und nicht auf das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz in Nordrhein-Westfalen verwiesen wird.

(Zuruf von Ingrid Hack [SPD])

Die FDP wird sich heute bei der Abstimmung über die Anträge und den Gesetzentwurf enthalten, weil zwar beide Punkte enthalten, die wir begrüßen, aber auch Nuancen dabei sind, die wir nicht so sehen. – Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hafke. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuschauer sind leider Gottes keine mehr da.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD] – Ministerin Svenja Schulze: Die sind im Stream!)

– Ach, die sind im Stream. Ich habe als Pirat vergessen, den Stream zu grüßen. Hallo Stream!

Nach dem kleinen Vorgeplänkel kann ich mich kurz fassen. Ich möchte auf wenige Kernpunkte eingehen. Zunächst möchte ich mich beim Ministerium – Frau Ministerin Schulze in Vertretung – bedanken. Das Beratungsverfahren fand ich persönlich sehr gut. Wir haben im Ausschuss Anregungen geben können und relativ schnell festgestellt, dass die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen in den Gesetzentwurf aufgenommen werden können, weil mittlerweile die Voraussetzungen dafür gegeben waren.

Ich finde es schade – Herr Hafke hat es gerade kurz angeschnitten –, dass wir am Ende nicht zu einem gemeinsamen Änderungsvorschlag gekommen sind. Da gab es die Vorstellung der CDU zu den im Ausland erworbenen Abschlüssen. Allerdings schließen wir – meine Fraktion und ich – uns der rot-grünen Mehrheitsmeinung an, dies nicht in diesem Gesetz, sondern separat zu regeln.

Insofern werden wir dem Änderungsantrag von SPD und Grünen, der heute abzustimmen ist, zustimmen. Wir werden auch unser Abstimmungsverhalten ändern. Wir haben uns im Ausschuss bei der Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf noch enthalten. Wir werden dem Gesetzentwurf heute zustimmen, weil eine wichtige Änderung noch aufgenommen worden ist.

Ganz herzlichen Dank für die Beratung und einen schönen Abend. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Düngel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze in Vertretung für Frau Ministerin Schäfer. Bitte schön, Frau Schulze.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 10. September 2014 hat die Landesregierung den Entwurf des Sozialberufe-Anerkennungsgesetzes in den Landtag eingebracht. Der Gesetzentwurf soll landesrechtlich einheitliche Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung von Sozialberufen mit Bachelorabschluss im Land Nordrhein-Westfalen regeln. Der Regelungskreis des Gesetzes umfasst auch die Bachelorstudiengänge der Sozialen Arbeit und der Kindheitspädagogik.

In den vergangenen Monaten ist der Gesetzentwurf in den Ausschüssen sehr intensiv beraten und diskutiert worden. Gerade die Expertenanhörung Ende November des letzten Jahres hat noch mal sehr deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf von allen Beteiligten sehr positiv gesehen wird. Das zeigt, dass die Landesregierung mit dem Gesetzentwurf eine gute Grundlage geschaffen hat, um landesweit eine vergleichbare Ausbildungsqualität der Studiengänge zu erreichen.

Mit dem Sozialberufe-Anerkennungsgesetz werden künftig einheitliche Mindeststandards für die staatliche Anerkennung gelten. Die staatliche Anerkennung wird auf diese Weise zu einem verbindlichen und auch zuverlässigen Gütesiegel. Wir schaffen damit für die Träger sowie andere Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber genauso wie für die Studierenden eine größere Sicherheit in Bezug auf die zu erwartende Qualität der Ausbildung.

Ich bin übrigens auch froh, dass den Hochschulen im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend nicht noch Regelungen für die Praxisphase der Hochschulen auferlegt worden sind; denn das wäre wirklich ein massiver Eingriff in die Autonomie der Hochschulen gewesen. Das wäre etwas, was in Nordrhein-Westfalen absolut unüblich ist. Wir verteidigen hier die Autonomie der Hochschulen – manchmal auch gegen die CDU.

(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD])

Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich das einmal zum Beispiel an der Hochschule Niederrhein anzusehen. Das ist eine Hochschule, wo man sehr genau sehen kann, wie solch ein Studiengang organisiert ist und wie intensiv die Studierenden auf die Praxisphase vorbereitet werden. Da braucht es keine unüblichen Regelungen. Das kriegen die Hochschulen in ihrer Autonomie sehr gut selber hin.

Zu dem Änderungsantrag ist jetzt schon eine Menge gesagt worden. Die Landesregierung unterstützt das natürlich. Es war vom Ablauf her nicht möglich, das direkt in den Gesetzentwurf hineinzunehmen. Das ist aber eben schon ausführlich erläutert worden. Deswegen sage ich: Es ist ein guter Gesetzentwurf, der jetzt endlich auf den Weg gebracht werden kann. – Vielen Dank für die intensiven Beratungen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend empfiehlt in der Drucksache 16/8468, den Gesetzentwurf Drucksache 16/6224 unverändert anzunehmen.

Wir kommen also zur Abstimmung erstens über den Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Das ist die Drucksache 16/8547. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Antrag angenommen mit Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der Piraten und der Fraktion der FDP bei Neinstimmen der CDU-Fraktion.

Wir kommen zur Abstimmung zweitens über den Gesetzentwurf Drucksache 16/6224 in soeben geänderter Fassung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/6224 … Enthaltungen?

(Zuruf von der FDP)

– Es hat Enthaltungen gegeben. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/6224 mit den soeben vorgenommenen Änderungen mit den Stimmen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Piraten bei keiner Zustimmung der CDU-Fraktion und Enthaltung der Fraktion der FDP in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

17       Kitaschließungen verhindern – Trägervielfalt bewahren!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8451

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Kollegen Tenhumberg das Wort.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 2011 – und seit diesem Zeitpunkt immer mehr – werden Kitagruppen defizitär geführt. Die Ursache ist uns allen bekannt, weil wir hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen mehrere Anhörungen gehabt haben, bei denen uns die Träger deutlich zu verstehen gegeben haben, dass die Auskömmlichkeit der Kindpauschale nicht mehr gegeben ist.

Meine Damen und Herren, obwohl in Anträgen, Anhörungen und Fachgesprächen diese Thematik immer wieder angesprochen worden ist, hat die Mehrheit dieses Hauses nicht darauf reagiert. Es ist unverantwortlich, dass Kitasystem so an die Wand fahren zu lassen. Meine Damen und Herren, es ist notwendig geworden, dass die Ministerpräsidentin sogar von einigen Trägern auf die Problematik aufmerksam gemacht werden musste. Aber auch die Ministerpräsidentin ist nicht in der Lage, hier eine Kehrtwende, die dringend notwendig ist, herbeizuführen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Meine Damen und Herren, es gibt immer noch einige Kollegen, die sich in der Vergangenheit befinden und vergessen, wer hier seit fünf Jahren die Verantwortung in diesem Hause trägt.

(Beifall von der CDU)

Es ist aber die alte Leier. Mich wundert, dass das – von mir aus gesehen – aus der linken Ecke kommt und nicht aus der Mitte; denn diese dummen Sprüche muss ich mir jedes Mal auch von den Grünen anhören.

(Martin Börschel [SPD]: Gut, dass Sie so konstruktive Vorschläge gemacht haben!)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat bewiesen, Herr Kollege, dass sie keinen Mut hat, Prioritäten zu setzen. Das hat sie in der Vergangenheit nicht getan. Der Maßstab ihres Handelns scheint allerdings eine Ideologie zu sein, die Kinder in erheblichem Maße benachteiligt und zurücklässt.

Sie haben zwei Reförmchen in die Wege geleitet. Die Ansätze waren falsch. Die Prioritätensetzung war falsch. Sie haben zusätzliche Belastungen in die Kitas hineingetragen, Sie haben die finanziellen Mittel nicht mit hinübergegeben, und Sie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit zusätzlicher Bürokratie befrachtet. Meine Damen und Herren, das sind keine kindgerechten Lösungen gewesen. Die haben Sie auch außer Betracht gelassen.

Meine Damen und Herren, wir stellen fest: Sie packen die grundsätzlichen Probleme nicht an. Sie lösen sie nicht, sondern Sie vergrößern sie noch. Das ist fahrlässig!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die Kitas bluten aus! Die Rücklagen sind aufgezehrt. Sie haben die Träger gezwungen, ihre Rücklagen systemwidrig für den laufenden Betrieb zu verwenden. Das ist ebenfalls fahrlässig! Rücklagen werden für Investitionen gebraucht. Stehen die nicht zur Verfügung, verkommen unsere Einrichtungen. Sanierungen und Reparaturen sind nicht mehr möglich, weil die Rücklagen vom laufenden Betrieb aufgezehrt worden sind. Das ist systemwidrig, und das mindert die Qualität in den Kitas!

Man will Qualität verbessern, aber man lässt die Gebäude vergammeln, weil die Rücklagen nicht gebildet werden konnten bzw. weil sie zweckentwendet verbraucht werden mussten, weil der Gesetzgeber nicht handelt.

Meine Damen und Herren, jetzt kommen Sie mir nicht damit, dass das Geld nicht vorhanden wäre.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ach!)

Ja, wenn die Ministerin ihre Aufgabe mal ein bisschen ernster nehmen würde, meine Damen und Herren, dann müssten wir das nicht gleich unter Tagesordnungspunkt 25 behandeln. Der Haushaltskontrollausschuss hat nämlich festgestellt, dass Sie 2011 128 Millionen € an den Finanzminister zurücküberwiesen haben, weil Sie nicht in der Lage waren, die Qualität zu verbessern.

Das ist fahrlässig! Das, was die Ministerin sich erlaubt, ist finanztechnisches Unvermögen! Und wenn der Landesrechnungshof dies auch noch feststellt, dann sollten Sie schleunigst dafür sorgen, dass die beantragten und auch genehmigten Mittel im Landeshaushalt zweckentsprechend für unsere Kinder in den Kitas verwendet werden.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir hoffen, dass zumindest die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion endlich zur Einsicht kommen und mit uns Kitaschließungen verhindern und die Trägervielfalt gewährleisten. Deshalb freuen wir uns, dass wir uns im Fachausschuss mit dieser Thematik auseinandersetzen können, und vertrauen darauf, dass Sie endlich zur Sachargumentation zurückfinden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Tenhumberg. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Jörg.

Wolfgang Jörg (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Bernhard Tenhumberg, für eine Fraktion, die seit 2010 keiner einzigen Verbesserung im Elementarbereich zugestimmt hat, die ganz im Gegenteil auch per Antragslage Verschlechterungen organisieren wollte, war das hier gerade ein ganz schönes Affentheater, das will ich mal sagen,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

eine Aufgeregtheit, die nun wirklich völlig am Thema vorbeigeht.

Fakt ist – ich wiederhole das von dieser Stelle aus immer wieder sehr gerne –, dass wir seit 2010 den Etat im Elementarbereich verdoppelt haben.

(Marcel Hafke [FDP]: Es kommt doch nichts an! – Gegenruf von Britta Altenkamp [SPD]: Ich sage Ihnen immer wieder: Das ist ein Scheißgesetz, das Sie gemacht haben!)

Um das noch mal zur Kenntnis zu nehmen: Wir haben den U3-Bereich seit 2010 um 75 % vergrößert. Das sind Zahlen, die sich wirklich sehen lassen können.

Wenn ich – das hat der Kollege Tenhumberg leider verpasst – jetzt mal inhaltlich auf den Antrag eingehen kann: Darin gibt es einige Punkte, die auch inhaltlich völlig falsch sind.

Erstens. Lieber Bernhard Tenhumberg, liebe CDU-Fraktion, es trifft nicht nur die kirchlichen Träger. In dem Antrag wird vor allen Dingen auf die kirchlichen Träger abgehoben. Die Situation ist momentan aber für alle Träger schwierig, also nicht nur für die kirchlichen.

Zweitens haben verschiedene Anhörungen sehr deutlich gemacht: Wir brauchen keine Evaluation des Gesetzes bzw. dieses Parts mehr, weil die Gemengelage, die Problemlage völlig klar ist. Dem widerspricht niemand. Deshalb würde eine zusätzliche Evaluation nur Zeit kosten.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Wolfgang Jörg (SPD): Zwischenfragen sehr gerne, ja.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Das ist eine Zwischenfrage des Kollegen Wegner von der Fraktion der Piraten.

Wolfgang Jörg (SPD): Ach! Okay! Herr Wegner.

Olaf Wegner (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Jörg, dass Sie die Frage zulassen. – Sie hatten gerade gesagt, dass es ja nicht nur die kirchlichen Träger sind. Stimmen Sie denn mit mir darin überein, dass die Sachlage sehr wahrscheinlich noch dramatischer ist,

(Beifall von der CDU)

als sie im Antrag der CDU beschrieben wurde?

Wolfgang Jörg (SPD): Wir machen doch überhaupt keinen Hehl daraus – das haben wir doch auch im Ausschuss schon zusammen diskutiert –, dass die Situation mit dieser 1,5%igen Dynamisierung insgesamt schwierig ist. Herr Wegner, das können Sie nicht wissen: Meine Fraktion hat das von Anfang an gesagt. Von 2007 an, als der Gesetzentwurf vorlag, über die ganzen Jahre haben wir gesagt: Das war ein grundsätzlicher Webfehler in diesem Gesetz. – Wir werden doch hier jetzt nicht unsere eigene Kritik zurücknehmen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Seit wann regieren Sie eigentlich?)

Die Erkenntnislage ist doch auch völlig klar.

Aber, liebe FDP-Fraktion, um auch das noch mal zu sagen: Die Gesetzgebung klärt doch eindeutig, wer an der Finanzierung des KiBiz beteiligt ist. Das sind die Kommunen, das ist das Land, das sind die Träger, und das sind die Eltern.

Wir haben gemeinsam – deshalb ist der Antrag auch nicht aufrichtig – in der Anhörung – da bin ich Bernhard Tenhumberg sehr dankbar – mit Engelszungen – Bernhard Tenhumberg war sogar noch deutlicher – auf die kommunalen Spitzenverbände – ich glaube, Sie, Herr Wegner, waren auch dabei – eingeredet, dass sie endlich von ihrer Blockadehaltung abrücken sollen. Denn die kommunalen Spitzenverbände erklären: Wir geben dafür keinen Cent mehr. Wir wollen diese Dynamisierung nicht. –

Deshalb haben wir gesagt: Wir müssen Gespräche suchen. – Deshalb ist es auch inhaltlich falsch, wenn Sie behaupten, dass die Landesregierung sich das Geschehen tatenlos anguckt. Ganz im Gegenteil: Wir haben einen klaren Problemaufriss, und wir wissen natürlich, dass diese Situation so nicht bleiben kann.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Jörg, der besagte Herr Tenhumberg hat eine Zwischenfrage an Sie.

Wolfgang Jörg (SPD): Ach! Gerne! Lieber Bernhard! Wenn ich helfen kann: Immer!

(Heiterkeit)

Bernhard Tenhumberg (CDU): Lieber Kollege, man soll es auch nicht übertreiben. – Da ich die Hoffnung ausgedrückt habe, dass die SPD endlich zur Sachpolitik zurückkommt, möchte ich Ihnen doch noch mal eine Frage stellen, weil Sie das ja immer wieder bezweifeln.

Laut Bericht des Landesrechnungshofs – Tagesordnungspunkt 25, den wir gleich noch behandeln – und laut Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags sind von den etwa 1,2 Milliarden Mitteln 128 Millionen zurückgeflossen. Sie sind nicht gebraucht worden für Qualifizierung und Ausbau und nicht gebraucht worden für die Kindpauschale. Wie stehen Sie denn dazu, wenn wir auf der anderen Seite feststellen, dass wir defizitäre Einrichtungen haben, und zwar in der Mehrzahl, Herr Jörg? Würden Sie das mal erklären und zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Wolfgang Jörg (SPD): Ja, das kann ich sehr gerne erklären. Wir haben ja einen Etat von über 2 Milliarden €. Bei diesen Etats muss natürlich immer, weil das Kindergartenjahr von Sommer bis Sommer läuft, ein halbes Jahr prognostiziert werden. Die Landesregierung ist so klug, dass sie sagt: Wir geben da so viel Geld hinein, dass wir selbst bei unerwarteten, größt­möglichen Steigerungen genug Geld im Haushalt haben. Wenn das nicht erfüllt wird, dann fließt Geld zurück. – Eine kluge Planung, finde ich!

(Beifall von der SPD – Widerspruch von der FDP)

Das ist eine Sicherheit für jede Kommune, dass die Plätze, die beantragt werden, tatsächlich realisiert werden.

Ich bin ganz verzweifelt, Herr Tenhumberg und lieber Herr Hafke, weil die Zahlen, die Statistiken zu diesem Thema jetzt in ganz vielen Sitzungen diskutiert wurden, ich aber den Eindruck habe, dass Sie es nicht kapieren wollen, weil Sie anschließend die Erfolge nicht mehr infrage stellen können. Das versuchen Sie ja quasi immer mit den Behauptungen, dass die Statistiken nicht stimmen, dass Geld zurückfließt. Das zielt alles darauf ab, dass wir mit unserem Erfolg in dem Bereich nicht zu sehr in der Öffentlichkeit glänzen sollen. Sie versuchen einfach, das zu stören. Das ist sehr plump. Aber leider müssen wir uns damit auseinandersetzen und herumschlagen.

Also: Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen – ich komme wieder auf den Inhalt des Antrags zu sprechen – haben sehr wohl und klar die Problemlage erkannt. Ich glaube sogar, dass die einfache Anhebung der jährlichen Steigerungen, selbst wenn alle mitmachen, allein auch zu kurz gesprungen wäre. Auch da ist der Inhalt des Antrags zu übersichtlich und greift zu kurz.

Ich finde es – ganz offen gestanden, lieber Bernhard Tenhumberg – nicht anständig und auch nicht wahrhaftig, wenn man in der Begründung schreibt: Der durch Schließung kirchlicher Einrichtungen verursachte Wegfall von Betreuungsplätzen stelle die Kommunen usw. – Es gibt diesen Wegfall noch nicht. In einer Begründung so zu tun, als ob es ihn gäbe und dass die Kommunen dadurch in große Schwierigkeiten gerieten, ist nicht aufrichtig. Es gibt dieses Problem nicht.

Daher kann ich nur sagen: Eigentlich wäre dieser ganze Antrag nicht der Rede wert, aber ich musste mich dazu jetzt gezwungenermaßen auslassen, um diese zum Teil falschen Behauptungen und die inhaltlich falschen Ausrichtungen zu korrigieren.

Wir werden der Überweisung des Antrags zustimmen, aber ich hoffe, dass wir ihn im Ausschuss schnell durch Ablehnung wegbekommen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, bitte bleiben Sie noch einen Moment am Rednerpult. Es liegt eine Kurzintervention des Herrn Abgeordneten Tenhumberg vor.

Wolfgang Jörg (SPD): Gerne, ich habe auch noch etwas zu trinken.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Das ist nur Wasser!)

Bernhard Tenhumberg (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Wolfgang Jörg. – Herr Jörg, Sie haben einen grundsätzlichen Fehler in Ihrer Darlegung. Sie sagen, die Haushaltsansätze seien nicht erreicht, weil ein halbes Jahr vorausgerechnet werden sollte. Wolfgang Jörg, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass diese 128 Millionen € laut Haushaltskontrollausschuss dokumentiert nicht für den Bereich Kinder und Jugend bzw. für die Kitas erhalten geblieben, sondern dem Finanzminister zurückgegeben worden sind.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Ja, selbstverständlich!)

Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis. Sie sind auch wie in den Jahren 2012, 2013, 2014 in erheblichem Umfang zurückgeflossen. Und trotzdem sagen Sie auch heute wieder nicht, dass Sie ein Problem mit der defizitären Lage der Kitaträger haben. Sie spielen das herunter.

(Zuruf von der SPD: Ihr habt nie regiert, oder? Unglaublich!)

Sie wissen aus den Anhörungen insbesondere vom katholischen KiTa Zweckverband Essen, dass 83 % der Gruppen defizitär sind. Sie haben heute nichts dazu gesagt, wie Sie das verändern wollen. Wie wollen Sie das beheben? Wenn Sie zumindest das Geld, das Ihnen der Finanzminister bisher gegeben hat, dafür verwenden würden, würde ich sagen: Alle Achtung, Sie haben es verstanden. – Aber Sie geben nach wie vor auch in diesem Jahr Gelder an den Finanzminister zurück, ohne der defizitäre Lage und damit der Gefahr der Kitaschließungen vorzubeugen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, vielen Dank. – Herr Kollege Jörg, Sie haben das Wort.

Wolfgang Jörg (SPD): Das ist der Punkt, an dem ich nicht weiß, ob du das nicht verstehst. Denn großzügigerweise sagt der Finanzminister bei der Planung des Kinder- und Jugendministeriums: Wir werden dieses Geld zur Verfügung stellen. – Dafür sind wir dem Finanzminister sehr dankbar.

Wenn wir das Geld aufgrund der genannten Ursachen aber nicht ausgeben, ist es doch selbstverständlich, dass das zurückfließt. Das ist doch wohl sonnenklar. Das wird in jedem Jahr so sein. Ich glaube übrigens, dass das auch schon bei dem ehemaligen, nicht ganz so guten Minister Laschet so war.

Daher ist das alles ein Popanz, das gegeneinander aufzurechnen. Da wird Geld zurückgegeben, und auf der anderen Seite fehlt es in Einrichtungen. Das kann man vielleicht Menschen erklären, die vom KiBiz und von der Systematik keine Ahnung haben, aber das kann man doch keinem Fachpolitiker erklären. Es ist doch wirklich absurd, das in so einen Zusammenhang zu stellen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Thema, das heute von der CDU noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt wurde, haben wir im letzten Jahr – ich habe es nachgeschaut – fünfmal debattiert.

(Ingrid Hack [SPD]: Ach, nur? Ich dachte: mehr!)

Zum Teil wurde sehr kontrovers plenar debattiert und zum Teil in der letzten Ausschusssitzung, als wir die letzte Anhörung dazu ausgewertet haben, geschah das in einer erfreulich sachlichen und ruhigen Tonlage, die uns als grüne Fraktion – ich glaube, ich kann da auch für die SPD-Fraktion sprechen – Hoffnung gegeben hat, ob wir es einmal schaffen, gemeinsam als diejenigen, die in diesem Hohen Haus die Interessen von Kindern, Jugendlichen und Familien vertreten, in so einer wichtigen Frage gemeinsam vorzugehen. Oder entscheiden sich die Fraktionen von CDU und FDP, das im politischen Streit in sehr scharfer Auseinandersetzung zu debattieren?

Ich hatte nach der letzten Ausschusssitzung Hoffnung, dass wir in dieser Frage gemeinsam vorgehen. Denn es gibt einen Konsens – Herr Hafke, vielleicht hören Sie mir einfach einmal zu; allein das wäre ein Anfang –:

(Christof Rasche [FDP]: Jetzt nicht mehr!)

Wir kennen die Nöte der Einrichtungen. Wir wissen alle, dass es vielen Einrichtungen nicht gutgeht. Wir wissen, dass die tariflichen Anpassungen höher sind als die 1,5%ige Steigerung, die jährlich vorgenommen wird, und dass dadurch eine Finanzierungslücke für die Einrichtungen entsteht. Das wissen wir. Diesen Punkt müssen wir bearbeiten; das ist völlig klar.

Aber eines wissen wir auch. Das hat die letzte Anhörung gezeigt. Lieber Bernd Tenhumberg, ich kann mich gut erinnern – wir saßen im Horion-Haus –, wie du anlässlich der Äußerung von Frau Göppert vom Städtetag ziemlich aus der Haut gefahren bist, als sie klipp und klar erklärt hat, eine Erhöhung dieser jährlichen Zuwachspauschale werde von den kommunalen Spitzenverbänden nicht mitgetragen. Und sobald das die rot-grüne Landesregierung gesetzlich umsetze, gingen die kommunalen Spitzenverbände vor das Landesverfassungsgericht, um das zu beklagen und Konnexität einzufordern. Das ist die klare Aussage. Das ist die Situation. Du hast dich genauso wie wir alle darüber aufgeregt. Aber das muss man doch jetzt einmal wahrnehmen. Da kann man doch hier nicht „Wünsch-dir-Was“ spielen.

Das ist die Situation. Das heißt, wir müssen – und das hat die Ministerin Ute Schäfer immer wieder gesagt, und das haben wir in allen Ausschussanhörungen gesagt – in einen intensiven Dialog mit den Kommunen gehen, um deutlich zu machen, dass es nur gemeinsam geht. Diese Frage des Finanzierungssystems können wir nur gemeinsam mit den Kommunen lösen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb nützt es überhaupt nichts, wenn Sie als CDU-Fraktion und als FDP-Fraktion zum hundertsten Mal fordern, wir müssten jetzt als Landesregierung endlich einmal vorangehen. Nein, wir – und dazu zählt auch die Opposition – müssen gemeinsam sagen: Die Elementarbildung ist die Aufgabe der kommunalen Ebene. Sie ist auch im Sinne der kommunalen Ebene, denn es bedeutet Standortsicherung, wenn dort eine gute Versorgung vorgehalten wird. Es ist im Interesse der Kommunen. Die Kommunen können doch nicht wollen, dass ihnen die Kitas vor die Füße geworfen werden.

Deswegen gehen wir gemeinsam diesen Weg. Wir bitten Sie als Opposition in dieser Frage um Unterstützung, auch im Interesse der Kinder und der Familien, statt uns zu zerreden und sich mit uns zerstreiten zu wollen. Damit kommen wir keinen Deut weiter. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist schon eine abenteuerliche Debatte. Ich kann gar nicht glauben, in welcher Art und Weise SPD und Grüne hier schon wieder die Augen verschließen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Mitarbeiter aus Kindertageseinrichtungen sagen uns in der Anhörung, dass sie zu 80 % defizitär arbeiten. Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sagt, dass es in den letzten Jahren ein Auseinanderdriften um zehn Prozentpunkte gegeben hat, dass die Dynamisierung von 1,5 % nicht ausreichend ist. Ver.di hat einen Großstreik angekündigt. Die Erzieherinnen beklagen sich über die aktuelle Arbeitsbelastung. Und hier wird mit Worten wie „Popanz“ und anderen argumentiert. Da frage ich mich, ob Sie sich wirklich noch in der Realität wiederfinden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn in diesem Land Nordrhein-Westfalen –das muss mittlerweile auch bei den regierungstragenden Fraktionen angekommen sein – mehrere Kindergärten und Verbände vor der Schließung von Kindertagesseinrichtungen stehen, dann ist die Situation brenzlig und ernsthaft. Wenn dann gesagt wird, die Finanzierung der Kindertageseinrichtungen sei nicht auskömmlich – das sagen wir alle in diesem Land –, dann ist es doch an der Landesregierung und an Ihnen beiden, den regierungstragenden Fraktionen, einmal einen Lösungsvorschlag aufzuzeigen.

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Die Abgeordnete Altenkamp hat im letzten Sommer groß in der Presse angekündigt, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das die Konnexität prüfen solle. Wir kennen weder die Fragen noch die Antworten, und von den regierungstragenden Fraktionen wird behauptet, das Ganze sei konnexitätsrelevant.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sie waren doch dabei! Stellen Sie sich doch nicht dümmer an, als Sie sind!)

Frau Asch, auf welcher Grundlage fußt eigentlich Ihre Behauptung, dass eine Erhöhung der Dynamik von 1,5 % konnexitätsrelevant sei?

(Zurufe von der SPD)

Da brauchen Sie auch nicht die Augen zu verdrehen. Das hat keiner von Ihnen geprüft. Die Ministerin hat es nicht geprüft, die Landesregierung hat es nicht geprüft, und Frau Altenkamp hat einfach etwas in der Presse angekündigt, was die SPD nicht umgesetzt hat.

Das ist unseriöse Politik, und das ist eine Politik, die nur nach dem Bauchgefühl geht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deswegen haben wir die Probleme, die die CDU dankenswerterweise in diesem Antrag noch einmal aufgegriffen hat. Deshalb sollten Sie nicht die Augen verdrehen und wegschauen, sondern hier endlich einmal Tatsachen folgen lassen und sich mit diesen Ergebnissen auseinandersetzen.

Sie regieren jetzt seit fünf Jahren. Seit fünf Jahren haben wir als FDP eine Evaluation eingefordert, und der Kollege Wolfgang Jörg sagt: Brauchen wir nicht. – Aber was ist das Ergebnis? – Die Kindertageseinrichtungen haben Finanzprobleme, sie haben Schwierigkeiten, plus die Probleme, die Bernhard Tenhumberg vorhin noch einmal zusätzlich angemerkt hat.

Sie haben mittlerweile zwei Revisionen des Kinderbildungsgesetzes gemacht, sind den entscheidenden Punkt aber nicht angegangen. Sie haben noch nicht einmal für die nächsten zwei Jahre angekündigt, was Sie in dieser Hinsicht machen wollen. Wir hören von der Ministerin im Ausschuss keine Stellungnahme dazu, was mit dem Kinderbildungsgesetz in dieser Legislatur noch passieren wird.

Ich gehe davon aus, dass gar nichts passieren wird, und dann haben wir 2017 eine ganz brenzlige Situation in Nordrhein-Westfalen, die nun wirklich keiner haben möchte. Deswegen sind Sie an dieser Stelle aufgefordert, nun endlich Ihre Verantwortung wahrzunehmen und hier entsprechende Vorschläge vorzulegen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Wegner.

Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen auf der Tribüne und zu Hause am Stream oder wo auch immer! Das rot-grüne Schwarzer-Peter-Spiel geht mir ehrlich gesagt langsam auf die Nerven. Immer wieder wird von Rot-Grün gesagt: Wir haben das damals schon kritisiert, als die Pauschale eingeführt worden ist.

(Gordan Dudas [SPD]: Haben wir auch!)

– Ja, richtig. Ich würde auch sagen, eingebrockt hat das Ganze Schwarz-Gelb. Okay. Jetzt sind Sie aber seit fünf Jahren an der Regierung. Das heißt, Sie haben seit fünf Jahren den Schwarzen Peter. Sie müssen seit fünf Jahren nach Lösungen für ein Problem suchen, das Sie damals auch schon erkannt haben. Das machen Sie aber nicht. Sie warten ab, bis das Ding fast vor die Wand gefahren ist, bis die Kindertageseinrichtungen sagen: Es geht nicht mehr. Wir sind wirklich am Ende.

Dass es nicht funktioniert, dass dieses Defizit immer größer wird, sagen Sie schon seit Jahren. Jetzt ist es aber langsam so weit, dass Kitas angefangen haben, zu schließen. Mir sind auf jeden Fall drei Kitas in Wuppertal bekannt, wo die evangelische Gemeinde nicht mehr in der Lage war, die Kita weiterzuführen. Sie ist dann zwar von der Diakonie übernommen worden – das heißt, die Plätze sind erst einmal nicht weggefallen –, trotzdem ist es doch keine Lösung, dann irgendwelchen Gemeinden zu sagen: Klappt nicht, es gibt kein Geld mehr.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vorhin ist kritisiert worden, dass der Beschlussteil des Antrags relativ kurz und übersichtlich sei. – Ja, das ist er, aber er beinhaltet genau die drei Punkte, die wichtig sind und zu denen wir vonseiten der Regierung bzw. der regierungstragenden Fraktionen langsam einmal eine Antwort haben möchten, wie sie dort vorgehen wollen.

Denn worum geht es? – Es geht darum, dass die Kindpauschalen erhöht werden sollen. Darum kommen wir nicht herum, ob mit oder ohne Kommunen. Dann sagen Sie: Wir sind jetzt darüber in Gesprächen mit den Kommunen. Sie sagen aber auch nur: Ja, wir werden es in Zukunft machen. – Das Problem wurde erkannt, aber Sie kümmern sich nur irgendwann darum. Wie viele Kitas müssen denn kaputtgehen, bis Sie sich darum kümmern?

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Ein bisschen stört mich, ehrlich gesagt, die Beschreibung. Das liegt aber auch daran, dass natürlich ein großer Teil der Kindertageseinrichtungen von den kirchlichen Trägern und Gemeinden, der Caritas oder von der Diakonie betrieben werden.

Aber diese Probleme – das hat Herr Jörg vorhin schon ganz klar erkannt – betreffen alle Kindertageseinrichtungen.

Da muss ich sagen: Den Beschlussteil könnte ich sofort so unterschreiben. Die Problembeschreibung jedoch würde ich doch noch etwas drastischer fassen; denn es sind nicht nur die kirchlichen Kitas, es sind alle Kitas, die damit ganz massive Probleme haben. Die Einzigen, die davon nicht so direkt betroffen sind, sind die Kitas der Gemeinden, weil sie wiederum über die Gemeinde mitfinanziert werden. Dann ist es auch wieder egal. Dann könnten Sie eigentlich auch die Pauschale anheben, wenn hinterher die Kosten sowieso an anderer Stelle übernommen werden.

Also liebe Landesregierung, liebe rot-grüne Fraktionen: Bitte kümmern Sie sich darum! Sagen Sie nicht, nur weil die Diskussion jetzt – in diesem Fall von der CDU – angeheizt wird bzw. das Thema überhaupt auf den Tisch gebracht wird, würde das nicht helfen, Lösungen zu finden! Nichtstun hilft auch nicht.

(Beifall von den PIRATEN, Walter Kern [CDU] und Astrid Birkhahn [CDU])

Nur zu sagen: „Das machen wir irgendwann mal in der Zukunft“, hilft ebenso wenig. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Jörg zulassen?

Olaf Wegner (PIRATEN): Ja, natürlich.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Wolfgang Jörg (SPD): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Herr Kollege Wegner. – Es gibt mehrere Akteure im System der Finanzierung der Kitas, die im Gesetz auch festgelegt sind. Darunter sind Träger, Kommunen und auch das Land. Wissen Sie, welcher dieser Akteure der Einzige ist, der seit 2010 rund 400 Millionen € zusätzlich in das System eingebracht hat?

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sagen Sie es einfach!)

Olaf Wegner (PIRATEN): Ich weiß ja, worauf es hinausläuft. Wenn Sie schon so fragen, wird es das Land gewesen sein. Dummerweise hilft das nicht.

(Zurufe von der SPD)

Solange die Kitas trotzdem pleitegehen, hat es nichts gebracht. Genau da liegt das Problem.

(Beifall von den PIRATEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das ist der Punkt!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Wegner. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze in Vertretung für Frau Ministerin Schäfer.

Svenja Schulze*), Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 2010 hat diese Landesregierung wirklich eindrucksvoll bewiesen, dass wir einen Schwerpunkt auf Bildung setzen. Wir haben das mit einem großen finanziellen Engagement getan, um die quantitativen und qualitativen Rahmenbedingungen der Kindertagesbetreuung in NRW zu verbessern. Der Ansatz hat sich seit 2010 fast verdoppelt. Über 2 Milliarden € werden inzwischen in diesem Bereich ausgegeben.

Herr Tenhumberg, das ist kein „Reförmchen“, das ist eine klare Priorität für den Bereich „Bildung“.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist schon verwunderlich – sonst können wir Ihnen nicht genug sparen, und hier sagen Sie: Eine knappe Verdoppelung reicht nicht aus. Das ist wirklich sehr verwunderlich.

Was wir hier ganz konkret tun, ist eine Entlastung von jungen Familien durch die Elternbeitragsfreiheit im letzten Jahr vor der Einschulung. Außerdem setzen wir hier den Rechtsanspruch für die ein- und zweijährigen Kinder in Nordrhein-Westfalen sehr erfolgreich um. Und diese positive Bilanz setzt sich auch bei den Rahmenbedingungen für die Kindertageseinrichtungen fort; denn hier haben wir wirklich entscheidende Änderungen im KiBiz verankert.

Mit der zusätzlichen U3-Pauschale wird der Personalschlüssel in den Einrichtungen verbessert. Alle Einrichtungen erhalten ab diesem Kindergartenjahr mit der Verfügungspauschale zusätzliche Mittel für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. All diese Maßnahmen waren dringend erforderlich, weil wir 2010 ein Kinderbildungsgesetz vorgefunden haben, das von Anfang an unzureichend ausgestattet war.

Im Vergleich zu gesetzlichen Änderungen in früheren Jahren ist dabei ein Aspekt ganz entscheidend: Im Gegensatz zum Finanzierungssystem bis 2010, an dem Kommunen und Träger immerhin beteiligt waren, werden seit 2010 alle Verbesserungen ausschließlich aus Landesmitteln finanziert.

Die ausschließliche Landesfinanzierung außerhalb des Systems der Kindpauschalen beruht vor allen Dingen auf der altbekannten Tatsache, dass sich die Kommunen im Rahmen der ersten Revisionsstufe unter Berufung auf das Konnexitätsprinzip gegen eine Beteiligung bei der Finanzierung eines verbesserten Personalschlüssels ausgesprochen haben.

Vor diesem Hintergrund haben wir in diesem Revisionsprozess immer wieder gesagt – es ist auch heute schon mehrfach gesagt worden –, dass weitere Verbesserungen notwendig sein werden, und zwar weitere Verbesserungen mit allen Beteiligten. Denn gute frühkindliche Bildung und Erziehung braucht die entsprechenden Rahmenbedingungen, damit die Akteure der öffentlichen Kindertagesbetreuung ihrer großen Verantwortung gerecht werden können.

Bei allen Anstrengungen ist deshalb eines klar: Aufgrund der aktuellen Haushaltslage wird das Land weitere Verbesserungen im Bereich der frühkindlichen Bildung nicht alleine finanzieren können. Vielmehr kann die weitere Verbesserung der Finanzierung nur gemeinsam geklärt werden. Und in diesem Klärungsprozess befinden wir uns derzeit.

Wir arbeiten lösungsorientiert und in guter Kooperation gemeinsam mit den Kommunen, den Kirchen und den Trägern der freien Wohlfahrtspflege an den entscheidenden Fragestellungen. Wir sind also längst mitten im Arbeitsprozess.

Diesen Arbeitsprozess hätten wir uns übrigens sparen können, wenn Sie von der CDU-Fraktion schon 2008 das umgesetzt hätten, was Sie heute fordern; denn die jährliche Steigerung von 1,5 % existiert seit Inkrafttreten des KiBiz am 1. August 2008.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Svenja Schulze*), Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Nein, das lasse ich nicht zu. – Alleine zwischen dem Datum des damaligen Gesetzentwurfes im Mai 2007 und dem Inkrafttreten im August 2008 lagen die Tarifsteigerungen für Erzieherinnen bereits bei über 5 %. In dieser Zeit haben Sie das Gesetz sehenden Auges mit einer Anpassungsklausel von nur 1,5 % verabschiedet.

Im Übrigen: Auch bei einer Änderung dieser Steigerungsrate würde am Ende des Jahres weiterhin das Geld zurückfließen, das vorab vorsorglich für Kindpauschalen veranschlagt wurde. Beides hat in der Systematik nichts miteinander zu tun. Das hat Herr Jörg aber eben schon erläutert.

Meine Damen und Herren, wir werden den eingeschlagenen Weg im Dialog mit allen Beteiligten und unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Entwicklungen weitergehen. Wir freuen uns dabei über eine breite und vor allen Dingen konstruktive Unterstützung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/8451 an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

18       Die Chancen der Digitalisierung im Wissenschaftsbereich nutzen – landesweit koordinierte Lizensierung von digitalen Bibliotheksbeständen eröffnet neue Spielräume

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8454

Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, eine Debatte heute nicht durchzuführen.

Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/8454 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung federführend. Alle fünf Fraktionen haben sich zwischenzeitlich ebenfalls darauf verständigt, den Antrag auch an den Ausschuss für Kultur und Medien zu überweisen. Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

19       Qualitätsanalyse – ein wichtiger Baustein für die Schulqualität

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/6121

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Schule und Weiterbildung
Drucksache 16/8160

Ich möchte noch einen Hinweis geben. Der Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/6121 wurde gemäß § 82 Abs. 2 Ziff. b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung überwiesen mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Schule und Weiterbildung liegen als Drucksache 16/8160 vor.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Feuß das Wort.

Hans Feuß (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen über den BVB gesprochen, aber als Ostwestfale zittere ich mental seit knapp zehn Minuten mit dem DSC.

(Vereinzelt Beifall)

Arminia Bielefeld spielt gegen Wolfsburg. Vielleicht findet ja in Berlin ein westfälisches Pokalfinale statt.

(Vereinzelt Beifall)

Jetzt aber zur Sache, zum Antrag:

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Überschrift des Antrages ist schon richtungsweisend. Qualitätsanalyse ist in der Tat ein wichtiger Baustein für die Schulqualität. Die Qualitätsanalyse ist kein Selbstzweck. Sie dient der Entwicklung und Verbesserung der Qualität der Schulen. Der neue Referenzrahmen „Schulqualität“ gibt eine sehr gute und praktikable Orientierung für schulinterne und schulexterne Evaluationen. Beide Formen der Evaluation sind wichtig. Das betonte besonders Prof. Rolff in der Anhörung im Januar. Ich zitiere ihn:

„Man braucht die interne, um eine Reflexionskultur der Evaluation zu entwickeln. Und man braucht die externe, damit die interne auch läuft, …“

Die interne Evaluation des Unterrichts kann im Klassenraum beginnen. Da sind drei Ps wichtig: Prämissen, Prozesse und Produkte. Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler können gemeinsam auswerten und evaluieren: Unter welchen Rahmenbedingungen fand der Unterricht statt? Wie sind die Prozesse abgelaufen? Wo gab es irgendwelche Konflikte, die es zu klären galt? Schließlich das dritte P: Welche Produkte sind dabei herumgekommen? Was haben die Schülerinnen und Schüler in dieser Stunde oder in dieser Unterrichtseinheit gelernt?

Diese Auswertung braucht Offenheit und Vertrauen auf beiden Seiten. Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler müssen offen darüber reden können und ihre Perspektiven abgleichen, dass die Schüler und Schülerinnen manchmal etwas anderes lernen, als der Lehrer oder die Lehrerin erwartet hat.

Auch bei der externen Evaluation sind das gegenseitige Vertrauen und das Miteinander wichtig. Im sogenannten Erläuterungsgespräch, das nach Zustellung des Qualitätsberichts erfolgt, analysieren dann schulintern der Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer, Elternvertreter, Schülerinnen und Schüler, Schulaufsicht und eventuell Mitglieder des Kompetenzteams den Bericht gemeinsam und planen die weiteren Schritte.

Dabei ist die Transparenz in die schulische Öffentlichkeit wichtig. Denn nur eine offene und ehrliche Bestandsaufnahme lässt es zu, dass sich gemeinsame Maßnahmen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung ableiten lassen. Dabei kann die Qualitäts- und Unterstützungsagentur des Landesinstituts für Schule ein wichtiger Partner sein.

Ich komme noch einmal auf ein P zu sprechen: die Prämissen. Die Voraussetzungen, die einzelne Schulen haben, sind sehr unterschiedlich. Ich zitiere aus der Anhörung Prof. Heinrich von der Uni Bielefeld:

„Wir haben bei den Qualitätsentwicklungs- und Qualitätssicherungssystemen natürlich auch den sogenannten Matthäus-Effekt, also: Wer hat, dem wird gegeben. … Schulen, die sehr entwicklungsintensiv sind, profitieren umso mehr …“

Wir als rot-grüne Koalition wollen optimale Bildungsmöglichkeiten schaffen, um allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen zu ermöglichen. So steht es auch in unserem Koalitionsvertrag. Deshalb brauchen Schulen in besonderen sozialen und regionalen Situationen auch eine besondere Unterstützung.

Das sind nur einige Aspekte. Dieser Antrag ist gut. Wir werden diesem Antrag zustimmen. Ich bitte auch um Ihre Zustimmung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Feuß. Im Hinblick auf Ihre Eingangsbemerkung muss ich leider die Mitteilung machen, dass im Moment Bielefeld hinten liegt, knapp hinter Wolfsburg. Wir wollen alle gemeinsam hoffen, dass sich das Blatt im Laufe des Abends noch wendet. 

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Kaiser. Der hat es mehr mit Dortmund, aber heute Abend hat er es mit der Schule. Klaus Kaiser, bitte schön.

Klaus Kaiser (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Feuß, ich bin natürlich auch bei Ihnen, dass es das westfälische Pokalfinale geben sollte. Ich bin nur für einen anderen Sieger. Das müssen wir dann sehen. Das muss schon westfälisch bleiben. Aber in Dortmund wäre es auch richtig.

(Vereinzelt Beifall)

Zur Sache selber: Der Antrag – deshalb werden wir ihm nicht zustimmen – springt eigentlich nicht weit genug. Wir haben die Qualitätsanalyse – jeder weiß, dass ich immer ein vehementer Verfechter war und bin – und die eigenverantwortliche Schule in einem Zusammenhang zu sehen.

Wir müssen fragen: Wie gelingt es, dass sich die Eigenverantwortung der Schulen weiterentwickelt? Da kann man dieser Landesregierung kein besonderes Lob ausstellen, weil sich im Bereich der Weiterentwicklung der Eigenverantwortung der Schulen wenig tut. Die Implementierung der Inklusion ist gerade kein Beispiel für eine Implementation von unten.

Deshalb muss man, wenn man sich dem Thema „Qualitätsanalyse“ widmet, die Frage stellen: Welche Voraussetzungen sind eigentlich zu erfüllen oder vor welchen Aufgaben steht man, wenn man erreichen will, dass die Qualitätsanalyse im Prinzip hilft, Schulen zu unterstützen? Da geht es nicht nur ums Detail, sondern vor allem auch um einen Grundsatz, der vorhanden ist.

Uns wird berichtet – das ist in der Anhörung auch deutlich geworden –, dass es im Rahmen der Qualitätsanalyse heute Vorführeffekte gibt, nämlich besondere Situationen und Inszenierungen, die stattfinden. Deshalb müssen wir fragen: Misst die Qualitätsanalyse eigentlich das an Qualität, was den einzelnen Schulen hilft?

Der hier vorliegende Antrag von Rot-Grün springt nicht weit genug, weil er auf genau diesen Punkt nicht eingeht. Herr Feuß hat tausend Details genannt und sehr schön beschrieben, was man alles machen kann. Nachdem die Qualitätsanalyse jetzt einige Jahre läuft, müsste aber eigentlich erst einmal die Grundsatzfrage beantwortet und entsprechend evaluiert werden.

Prof. Dr. Krautz hat in seiner Stellungnahme zu unserer Anhörung ausgeführt – ich zitiere –:

„Die postulierte ,Autonomie‘ der Schulen und Lehrkräfte besteht tatsächlich in der Reaktion auf die Vorgaben, die die QA macht. Insofern wirkt die QA verdeckt und massiv normativ: Sie setzt ihr Bild von Schule und Unterricht in der Praxis durch, indem sie das Handeln der Lehrerinnen und Lehrer ohne Diskussion an den neuen Normen ausrichtet.“

Ist es Vielfalt von Schule, wenn bestimmte Rahmenvorgaben nur so verstanden werden? Diese Grundfrage wird in dem Antrag nicht vernünftig beantwortet.

Wir müssen also untersuchen: Findet eine verdeckte Steuerung und Normensetzung statt? Oder wird wirklich erreicht, dass Unterrichtsziele und Erziehungsziele faktisch gemessen werden? Das ist die offene Frage.

Wenn man als Forderungskatalog in diesem Antrag formuliert, man wolle im Prinzip die Zusammenarbeit aller Träger – nämlich Schulaufsicht, Qualitätsteams, Kompetenzteams der Dezernate und die jeweilige Schule – zu einem gemeinsamen Aktionsbündnis zusammenfassen, ist das reichlich unkonkret. Wenn man sagt, man solle sich zusammensetzen und über die Leistungsentwicklung der einzelnen Schulen sprechen, ist das zwar probat, aber auch politisch reichlich unkonkret.

Damit ist dieser Antrag, in dessen Überschrift es schon heißt: „Qualitätsanalyse – ein wichtiger Baustein für die Schulqualität“, eher beschreibend und nicht politisch perspektivisch ausgerichtet. Mit wenig perspektivisch ausgerichteten Anträgen können wir als CDU wenig anfangen. Deshalb lehnen wir ihn ab. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön, Kollege Kaiser. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schmitt-Promny.

Karin Schmitt-Promny (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sehen mich hier heute als Neuling in diesem Hause. Das Thema „Schulqualität“ dagegen ist nicht neu. Alle Lernenden können lernen. Sie sollen ihre Bildungschancen unabhängig von Geschlecht, Kultur und Stellung im sozialen System wahrnehmen können. Kinder und Jugendliche darin zu begleiten und zu fördern, das ist die Aufgabe von Schule.

Um diese Aufgabe mit ihren heutigen Anforderungen wahrnehmen zu können, brauchen Schulen, brauchen Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung. Dem Grunde nach wird dies von Ihnen allen befürwortet. Darüber bin ich sehr froh; denn das war nicht immer so.

Ein Element im Kanon verschiedener Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Qualitätsanalyse. Sie dient der Auseinandersetzung über Unterricht, Schulprogramm und Schulkultur. Qualitätsanalyse darf jedoch kein Selbstzweck sein. Wenn sie nicht in den Prozess der jeweiligen Schulentwicklung eingebunden ist, wird sie zum bürokratischen Hindernis.

Genau darin liegt die Kritik an der Form der Qualitätsanalyse, wie sie unter Schwarz-Gelb eingeführt wurde.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das Verfahren war sehr bürokratisch und machte den Schulen viel Arbeit. Der Nutzen dagegen war zweifelhaft. Lehrer und Lehrerinnen fühlten sich durch einen Schulkommissar beurteilt, zum Teil verurteilt. Das ist die Qualitätsanalyse, Herr Kaiser, von der Sie eben gesprochen haben. Diese Qualitätsanalyse beschrieb lediglich einen Status quo, ohne weiteren Entwicklungsschritten Rechnung zu tragen.

Da wir aber davon überzeugt sind, dass das Instrument einer Qualitätsanalyse richtig und notwendig ist, wollen wir dieses Instrument nun wesentlich verbessern. Zusammen mit anderen Maßnahmen hat Rot-Grün einen Paradigmenwechsel eingeleitet, der auch in diesem Antrag zum Ausdruck kommt.

Der grundlegende Unterschied liegt darin, dass die Qualitätsanalyse nun die Schulen einbezieht. Sie soll die Schulen partnerschaftlich in ihrer Entwicklung begleiten, bei deren Reflexion der eigenen Praxis. Herr Kaiser, damit springt sie weiter, als Sie meinen. Sie reiht sich ein in die Schritte, die jede Schule für ihr eigenes Fortkommen unternimmt, und erkennt die bisherigen und zukünftigen Anstrengungen der Schulen an.

Wir erwarten von Schulen hohe Selbststeuerung und starke Selbstverantwortung; denn dies ist eine wesentliche Voraussetzung für gute, motivierte Arbeit und für gute Arbeitsergebnisse. Wir bieten allen Beteiligten auch Unterstützung an, um diese Erwartung erfüllen zu können. Das ist mehr als Messen, Herr Kaiser.

(Beifall von den GRÜNEN)

Um dies leisten zu können, dafür ist das QUA-LiS NRW da, die „Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule NRW“. Im Rahmen der Arbeit von QUA-LiS wurden im Referenzrahmen Schulqualität Nordrhein-Westfalen Qualitätsmerkmale benannt, um allen an Schulen Beteiligten transparent zu machen, was unter Schulqualität zu verstehen ist. Dieser Referenzrahmen Schulqualität Nordrhein-Westfalen ist in einem partizipativen Prozess entstanden.

Schulqualität wurde nicht von Einzelnen festgelegt, sondern von allen an Schule Beteiligten, von Lehrenden und Lernenden, von Eltern, von der Wissenschaft und von einer breiten Öffentlichkeit. Insgesamt haben sich fast 6.000 Menschen daran beteiligt. Das nenne ich vorbildlich.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zum Schluss bleibt die Frage, was mit den Ergebnissen der verbesserten Qualitätsanalyse geschehen soll. Wir Grüne lehnen die generelle Veröffentlichung der Ergebnisse durch das Land ab. Wir wollen Schulen nicht vorführen, wir wollen keine Schaumaßnahmen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir wollen keine Schaumaßnahmen seitens der Schulen für einen guten Platz im Ranking. Schulen sollen selbst entscheiden können, ob sie ihre Ergebnisse veröffentlichen wollen.

Abschließend: Wir wollen Schulen helfen, im Prozess besser zu werden, und wir wollen anerkennen, welche Wege Schulen und Lehrende bereits gegangen sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitt-Promny für Ihre Rede. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede in unserem nordrhein-westfälischen Landesparlament.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Gebauer.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Positive einmal vorweg: Es finden sich durchaus unterstützenswerte Aussagen in diesem Antrag.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Hört, hört!)

– Ja, wir können das im Gegensatz zu den Grünen. Wir können in Bezug auf andere Fraktionen auch gute Dinge von uns geben.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das können wir auch!)

Herr Kaiser hat schon die zwei Seiten einer Medaille angesprochen, nämlich auf der einen Seite die externe Qualitätskontrolle und auf der anderen Seite die schulische Verantwortung. Es ist in diesem Zusammenhang richtig, dass das oftmals überbordende bürokratische Verfahren für die Schulen in der Zwischenzeit verschlankt worden ist.

Bei der Qualitätsanalyse muss jedoch ein viel stärkerer Schwerpunkt auf dem konstruktiven Umgang mit den Ergebnissen liegen. Es bringt wenig, wenn die Defizite benannt werden, die anschließende verbindliche Unterstützung beim Abbau dieser Defizite jedoch fehlt. In diesem Zusammenhang werden wir Sie beim Wort nehmen und genau beobachten, ob den wohlklingenden Ankündigungen tatsächlich umfangreicher Support, wie er überall eingefordert worden ist, folgt.

Die Anhörung hat auch andere wichtige Punkte deutlich gemacht, nämlich dass mehr auf die Qualität des Unterrichts geachtet werden muss. Ob es für Pädagogen ausreicht, bei Qualitätsmerkmalen von „trifft zu“ oder von „trifft nicht zu“ zu sprechen, kann man zumindest infrage stellen. Es ist auch nicht die Aufgabe der Qualitätsanalyse, Pädagogen eine bestimmte Methode aufzuzwingen.

Frau Vogt hatte dies in der Anhörung bereits angesprochen. Wenn eine Schule nachweislich – übrigens auch mit einem Anteil an Frontalunterricht – hoch erfolgreich bei der Wissens- und Kompetenzvermittlung arbeitet, dann hat es schon ein wenig absurde Züge, wenn dieses Arbeiten undifferenziert infrage gestellt wird. Es muss um einen Methodenmix der Pädagogen gehen. Wie bereits gesagt, ist es fragwürdig, wenn erfolgreich arbeitende Pädagogen undifferenziert zu möglichst weitgehenden selbst gesteuerten Lernarbeitsformen aufgefordert werden.

Ich komme jetzt auf meine Vorrednerin zurück. Es ist schon erstaunlich, welches Verständnis von Transparenz Sie, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, haben. Wir als FDP-Fraktion haben versucht, Transparenz in Bezug auf die Ergebnisse und auf die Weiterentwicklung einzufordern, und wir sind von Ihnen dafür mit Naming und Shaming bedacht worden, was ich schon sehr bedenklich finde. Wir haben als FDP-Fraktion immer betont, dass es für uns keine Frage des Rankings ist. Das habe ich in jeder Rede, ob Sie es hören wollten oder nicht, immer wieder betont. Sie bringen es heute schon wieder ein. Da fehlt mir doch jedes Verständnis, dass Sie nicht einsehen wollen, warum wir diese Transparenz einfordern wollen.

Es ist nicht nur allein die FDP-Fraktion, die diese Transparenz einfordert. Wenn Sie der Anhörung aufmerksam gelauscht haben, dann haben Sie dort erfahren dürfen, dass zum Beispiel die Schulinspektorin aus Hamburg, die sich sehr ausgiebig zu dem Thema eingelassen hat, zu einem proaktiven Umgang mit Transparenzerwartungen der Öffentlichkeit geradezu geraten hat. Das ist es, was wir als FDP eingefordert haben. Sie mahnte diese Transparenz zeitgleich an, wie es in mehreren Bundesländern, aber auch in anderen Ländern Europas passiert.

Das immer wieder vorgebrachte Argument von befürchteter Medienschelte und Datenschutz, das in diesem Zusammenhang immer gebracht wurde –ist nicht eingetreten. Die Daten sind im Netz veröffentlicht, sie sind einsehbar und die Eltern nutzen sie.

Dieses haben wir mit unserem FDP-Antrag gefordert, und nicht nur wir; im Grunde war es ein Antrag mit Bezug auf die Elternwünsche. Diese Elternwünsche aber ignorieren Sie mit Ihrem Antrag. Dieses Verhalten ist ein bisschen an das Thema „Unterrichtsausfall“ angelehnt. Auch hier stehen Sie für Intransparenz und zum Teil für eine Verschleierung der Daten. Für beide Verhaltensweisen steht die FDP nicht. Deshalb werden wir diesen Antrag auch ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und Klaus Kaiser [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade gehört: die Qualitätsanalyse springt. Wohin springt sie denn? „Nicht weit genug“, sagt die CDU, „weit genug“, sagt Rot-Grün. Ich denke, die Qualitätsanalyse dümpelt irgendwo so vor sich hin.

Zunächst einmal finde ich es prima, dass die Qualitätsanalyse verschlankt wurde, denn ich glaube, das ist tatsächlich eine große Erleichterung für die Schulen. An unserer prinzipiellen Kritik an der Qualitätsanalyse ändert das jedoch nichts.

Gerade ist schon erwähnt worden: Was ist denn eigentlich Qualität? Wer legt fest, was Qualität ist? Ich glaube, dass wir alle ganz unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was Qualität bedeutet.

Frau Gebauer sagte gerade, das seien Schulen, die sehr erfolgreich sind. Was ist denn erfolgreich? Ist erfolgreich, wenn die Schüler dort einen guten Notendurchschnitt haben? Ist das eine erfolgreiche Schule? Ist eine Schule erfolgreich, wenn die Schüler nachmittags zufrieden nach Hause gehen und ihre Persönlichkeit entfalten können? – Mir ist das nicht klar. Ich finde, wir haben immer noch Diskussionsbedarf, um festzustellen, was Qualität in Schule bedeutet und was eine erfolgreiche Schule ist.

Wir haben weitere Kritikpunkte. Zum einen sind wir nicht sicher, dass die Qualitätsanalyse zuversichtlich den gewünschten Beitrag zur Schulentwicklung wirklich leisten kann. Zum anderen ist es aus unserer Sicht fragwürdig, ob die Qualitätsanalyse in der gewählten Form im hinreichenden Maße tatsächlich Qualität evaluiert.

Um wirksam zu werden, braucht es an der Schule nicht nur schöne Berichte über die Ergebnisse der QA, sondern es müssen sich in den Schulen auch Prozesse etablieren, die zu einer Weiterentwicklung führen. Und da, meine Damen und Herren, nutzt es nichts, Fortbildungen anzubieten. Wir kommen wieder zu dem Grundsatzthema: Wir brauchen Ressourcen, wir brauchen Schulbegleiter, wir müssen sehen, dass diese Schulen, vor allem die, die im sozialen Brennpunkt liegen, mehr Personal bekommen. Uns nutzt es nichts, einfach nur den Stand der Dinge festzustellen. Wir sind dann auch in der Pflicht, die notwendige Unterstützung zu leisten.

Daneben hat Herr Rolff in der Anhörung betont, dass gegenseitige Hospitationen der Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Schule zur Verbesserung des Unterrichts stärker beitragen als eine zentrale externe Evaluation.

Ich war in den letzten 14 Tagen zwei Mal bei Veranstaltungen von der Gruppe „Blick über den Zaun“. Ich finde, das ist eine super Sache. Da besuchen sich die Schulen gegenseitig, auch schulformübergreifend, in regelmäßigen Abständen. Da wird miteinander diskutiert. Ich kann Ihnen versichern: Lehrer gehen sehr ehrlich miteinander um, wenn sie sich gegenseitig besuchen und sich die Qualität an einer anderen Schule ansehen.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– Ich wollte es kurz machen.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Nein, Entschuldigung! Das müssen Sie nicht!)

– Ich bemühe mich trotzdem.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Sie meint nicht dich, Monika! – Britta Altenkamp [SPD]: Sie hat mich gemeint!)

Ich möchte darauf hinweisen, dass es von mehreren Sachverständigen als hinderlich angesehen wurde, dass die Qualitätsanalyse durch die Bezirksregierung durchgeführt wird. Das haben wir auch gesagt, und das ist auch meine Erfahrung. Wenn der Dienstherr kontrolliert, wird man das nicht als freundschaftliche Unterstützung betrachten. Never!

(Beifall von den PIRATEN)

Eine kollegiale Unterstützung ist etwas völlig anderes, als wenn die Dienstaufsicht kommt und sagt: Ich möchte euch so gerne helfen. – Wer soll das glauben? Ich finde die Idee, das beim QUA-LiS anzusiedeln, sicherlich besser. Da schauen wir einmal, was dabei herauskommt.

Ein letzter Punkt: Die Qualitätsanalyse ist in dem Teil, der Unterricht betrachtet, sehr methodenzentriert. Dabei werden bestimmte Methoden bevorzugt. Das schränkt meiner Ansicht nach die notwendige pädagogische Freiheit der Lehrerinnen und Lehrer ein. Natürlich weiß man, was ein Qualitätsanalyseteam sehen will. Natürlich stellt man sich darauf ein und versucht, dass man an diesem Tag eine Stunde präsentiert, wie man das auch im Referendariat tut.

Wir sind für die Unterstützung unserer Schulen bei ihren Bemühungen um eine gute Schulentwicklung. Wir erkennen auch an, dass prinzipiell externe Evaluation dazu einen Beitrag leisten könnte. Doch die Gestaltung und Verankerung der Qualitätsanalyse in Nordrhein-Westfalen so, wie sie jetzt ausschaut, überzeugt uns nicht. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und Klaus Kaiser [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Löhrmann das Wort.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt diesen Antrag und sieht in der Qualitätsanalyse einen wichtigen Baustein der Schulqualität in Nordrhein-Westfalen. Ich möchte noch einmal herausstellen, dass sich das in ein Konzept, in einen Dreiklang einbettet, der wie folgt aussieht: Wir haben einen Referenzrahmen Schulqualität NRW entwickelt, in dem das sehr ausführlich beschrieben wird, damit klar ist, woran gemessen wird, wenn die Qualitätsteams kommen. Das ist der erste Baustein, umfassend entwickelt und breit getragen. Frau Schmitt-Promny hat darauf hingewiesen.

Dann haben wir die weiterentwickelte Qualitätsanalyse, die ein neues Design hat, einerseits Bürokratieabbau, andererseits aber die Stärkung der eigenständigen Vorgehensweise der Schule und eine Verzahnung mit den Selbstevaluationsprozessen vorsieht. Das war ein ganz wichtiges Manko der vorherigen Situation, nämlich zu sagen: Da kommt plötzlich dieses Team über uns, und wir wissen gar nicht so richtig, was da passiert und wie wir damit umgehen sollen.

Das dritte Element ist dann die möglichst passgenaue Verständigung darüber, was denn die nächsten Ziele sind und welche Unterstützung die Schule, bei ihrem individuellen Weg, besser zu werden, bekommen soll, Stichwort: Fortbildung. Das ist der neue Dreiklang, den wir entwickelt haben, und der vom Grundsatz her breit getragen ist.

Das schulbezogenere Profil der neuen QA mit der Neuausrichtung der intensiveren Kooperation der Schulen mit den Prüferinnen und Prüfern soll gerade vertrauensbildend sein und die Akzeptanz der Qualitätsanalyse steigern. Das ist ganz, ganz wichtig und eine qualitative Veränderung zu dem Status quo, den wir vorgefunden hatten.

Frau Gebauer, das ist ja eine alte Diskussion. Sie haben gesagt, Sie wollen kein Ranking. Das haben wir positiv zur Kenntnis genommen. Ihr Fraktionsvorsitzender hat meines Erachtens bei seiner Jahresauftakt-PK gesagt, er möchte Rankings. Da müssen Sie sich entscheiden. Denn wir möchten Transparenz für die Schule selbst, aber wir möchten nicht, dass Schulen sozusagen vorgeführt werden, da dieses Vorgeführtwerden für die Schulen nicht dazu beiträgt, dass sie sich selber weiterentwickeln wollen und auf den Weg machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ebenfalls zutreffend ist, dass eigenverantwortliche Schulen zur qualitätsvollen Schul- und Unterrichtsentwicklung der Unterstützung bedürfen. Das ist bei Schulentwicklung so oft vernachlässigt worden, und es ist wichtiger denn je, wenn wir bedenken, in welch umfassendem Veränderungsprozess sich unsere Schulen befinden.

Das angebotene Erläuterungsgespräch nach der Qualitätsanalyse bietet nun die Chance, die Ergebnisse noch wirkungsvoller in den Schulen zu besprechen. Gemeinsam mit der Schulaufsicht können daraus konkrete Schlüsse für die Qualitätssicherung und Entwicklung gezogen werden.

Also: Systematisierung und Nachhaltigkeit sind wichtige Kriterien, die in Nordrhein-Westfalen in unserer Schulpolitik auch hier zum Zuge kommen.

Die Anregung einzelner Sachverständiger, den Blick auf Schulen in benachteiligten sozialräumlichen Umgebungen zu richten und neue Forschungsansätze zu nutzen, nehmen wir selbstverständlich für die Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse auf. Auf Grundlage des Antrags und auch der Erkenntnisse der Anhörung lässt sich aus Sicht des Hauses und auch von QUA-LiS – das ist angesprochen worden – hervorragend arbeiten, um die Schulen individuell zu begleiten, nicht nach Schema F. Damit sind wir weit vorangekommen.

Ich erlaube mir eine kleine Anmerkung an dieser Stelle: Wir haben uns ja bei der Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse beraten lassen. Ich finde, wir haben da einen hochkompetenten „Paten“ gehabt. An der Stelle geht mal eben der Blick nach Berlin. Zur jetzigen Stunde wird in Berlin von der Robert Bosch Stiftung eine Deutsche Schulakademie gegründet. Herr Prof. Pant, der langjährige Mit-Leiter des Instituts für Qualitätsentwicklung für Bildung, ist der neue Leiter dieser Schulakademie, die auch den Schulpreis vergibt. Herzlichen Glückwunsch! Und wenn der sagt, das sei ein ganz guter Schritt, den Nordrhein-Westfalen hier gegangen sei, dann haben wir, denke ich, einen ganz guten „Paten“, und ich bin zuversichtlich, dass wir hier einen vernünftigen Weg im Sinne innovativer Schulentwicklung gehen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung empfiehlt in Drucksache 16/8160, den Antrag Drucksache 16/6121 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung – nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Antrag in Drucksache 16/6121 selbst. Wer ist für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/6121 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU, FDP und Piratenfraktion angenommen ist.

Ich rufe auf:

20       Bildungsqualität fördern
Teil 1: Gymnasien in ihrem pädagogischen Auftrag stärken

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6858

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Schule und Weiterbildung
Drucksache 16/8469

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6957

Ich darf Ihnen den Hinweis geben, dass der Antrag der CDU-Fraktion gemäß § 82 Abs. 2 Ziffer b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung überwiesen wurde mit der Maßgabe, dass Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Voigt-Küppers das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Eva Voigt-Küppers (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Wir werden weder dem FDP- noch dem CDU-Antrag folgen. Beide Anträge haben eine Grundmelodie, die nicht unsere Zustimmung findet. Zum wiederholten Mal beraten wir hier die Behauptung, das Gymnasium sei benachteiligt.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: So ist es!)

– Ich kann verstehen, dass Sie das sagen. Sie müssen natürlich Ihre Wählerinnen und Wähler bedienen. Nichtsdestotrotz haben wir an vielen Stellen darüber diskutiert, dass Sie Behauptungen in die Welt setzen, die jenseits jeder Wahrheit sind.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Seit dem Schulkonsens gibt es Gott sei Dank weder eine Bevorzugung noch eine Benachteiligung der einen oder anderen Schulform. Grundsätzlich haben wir uns darauf geeinigt, dass Eltern entscheiden, welche Schule für ihr Kind gut ist. Wir haben die Möglichkeiten geschaffen, dass die Schulträger gemeinsam mit den Eltern vor Ort das Angebot bestimmen, sodass überall in unserem Land alle Bildungsabschlüsse angeboten werden können. Es geht – auch hier sage ich: zum Glück – nicht mehr um ideologische Diskussionen, sondern darum, die Schulstruktur den Erfordernissen vor Ort und den Bedürfnissen der Kinder in unserem Land anzupassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was mir bei beiden Anträgen sauer aufstößt, ist, dass so oft von Leistung die Rede ist. Da muss ich Frau Pieper recht geben. In all Ihren Anträgen finden wir ständig Termini wie Leistung, Qualität, Erfolg, ohne dass Sie auch nur einmal den Versuch unternehmen, genau diese Begriffe zu bestimmen.

Die Definition des Leistungsbegriffs in diesem Antrag ist für mich unglaublich. Leistung ist danach für Sie die Leistung, die Schüler abzuliefern haben, und die Leistung, die Sie, meine Damen und Herren Antragsteller, nur in Schulnoten messen. Doch folgen wir diesem Gedanken ein Stück weiter: Am Gymnasium sind ohnehin die leistungsfähigen Schülerinnen und Schüler. Die durchschnittliche Klassengröße liegt sogar geringfügig unter der an Gesamtschulen. Und wie wir alle wissen, erfreut sich das Gymnasium zunehmender Beliebtheit.

Schier unglaublich aber finde ich Ihre Aussage, wie man mehr Leistungsfähigkeit bei Schülerinnen und Schüler erzeugen kann. Wie ich Ihrem Antrag entnehme, glauben Sie, dass Sitzenbleiben die Leistungsfähigkeit erhöht – und das vor dem Hintergrund vieler Gespräche, die wir in letzter Zeit geführt und in denen wir darüber diskutiert haben, dass Kinder und Jugendliche ständig darüber klagen, dass sie unter Stress sind. Unter diesen Bedingungen wollen wir Kindern und Jugendlichen auch noch den Stress des Versagens zufügen? Das ist nicht mein Verständnis von Förderung von Kindern und Jugendlichen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie selbst haben 2005 im Schulgesetz die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern verankert. Ausnahmsweise sagen Sie in Ihrem Antrag einmal richtig, dass das schulische Angebot sowohl die leistungsstarken als auch die leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler fördern sollte. Das bedeutet, wir brauchen individuelle Förderungen, die die Schüler in ihren Fähigkeiten und in ihrem Selbstwertgefühl bestärken.

Völlig fraglich ist für mich aber, warum gerade das Gymnasium in seinem Auftrag, wissenschaftspropädeutisch zu bilden, ein Alleinstellungsmerkmal haben sollte. Längst gibt es in Nordrhein-Westfalen viele Bildungsgänge in Gesamtschulen und Berufskollegs, die die Befähigung zum Hochschulstudium gleichwertig erteilen. Wir bestärken jede Schule darin, ihr eigenes Profil zu entwickeln.

Insofern kann ich Ihnen zustimmen, dass Kooperationen mit Universitäten und Hochschulen sinnvoll sind. Aber diese Kooperation muss für alle Schulen angeboten werden, die eine Hochschulzugangsberechtigung erteilen. Das ist im Übrigen auch heute schon möglich. Unser Auftrag ist es nicht, das Gymnasium alleine zu stärken, sondern wir müssen alle Schulformen stärken. Schulformen haben die Aufgabe, sich an die ändernden Forderungen der Gesellschaft anzupassen.

Abschließend sei mir noch ein kleiner Hinweis gestattet. Ich verstehe nicht, wie Sie in einem Atemzug sagen können, wir müssten die Qualität am Gymnasium stärken, und dann, wenn wir darüber diskutieren, wie wir die Qualität an unseren Schulen verbessern können, gleichzeitig sagen, Sie würden den Weg nicht mitgehen, weil er Ihnen nicht weitreichend genug ist.

Ich hoffe, dass wir diese Diskussion in der Form nicht noch häufiger führen müssen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Birkhahn das Wort.

Astrid Birkhahn (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Endlich nehmen wir uns einmal die Zeit, über Qualität nachzudenken. Das ist eine Diskussion, die wir uns eigentlich viel zu selten leisten. Wir können heute nach Abschluss der Beratungen im Ausschuss deutlich machen, dass wir hinschauen möchten, was eigentlich die notwendigen Bedingungen für Qualität in Bildung und pädagogischer Arbeit sind. Diese Frage ist nämlich der Kern unseres Antrags. Ich möchte holzschnittartig drei Thesen herausstellen, die wir für unabdingbar halten, damit Qualität in Bildung und pädagogischer Arbeit entstehen kann.

Die erste Bedingung lautet: Bildungsqualität braucht Vielfalt. Wir haben festgestellt, individuelle Förderung für jeden Schüler und für jede Schülerin berücksichtigt deren Interessen, Fähigkeiten und Leistungsmöglichkeiten. Deswegen brauchen Schulen Raum für individuelle Profilbildung. Das allein ist die Begründung dafür, dass wir eine vielfältige Schullandschaft benötigen.

(Beifall von Klaus Kaiser [CDU])

Wenn ich unterschiedliche Angebote mit unterschiedlichen Ansprüchen für unterschiedliche junge Menschen herausstellen möchte, dann wird deutlich, dass es nicht gerecht sein kann, alle Kinder über einen Kamm zu scheren. Prof. Peter Brenner sagt: Die Bereitstellung eines ausdifferenzierten Schulangebots für viele unterschiedliche Bedürfnisse, das ist Bildungsgerechtigkeit.

Erste These: Bildungsqualität braucht Vielfalt, aber nicht nur in der Schullandschaft, sondern auch in den Vermittlungs- und Aneignungswegen. Zur Lehrerrolle gehört die Fähigkeit, über eine Bandbreite des Handelns zu verfügen. Dazu gehört die Fähigkeit, vom adressatenbezogenen Instrukteur bis zur Lernbegleitung, die sich zurückhält und Prozesse ermöglicht, zu wechseln. Aber ich muss alle diese Facetten beherrschen, um meine Schülerinnen und Schüler bestmöglich fördern zu können.

Die entscheidende Kompetenz in diesem Zusammenhang ist, dass die Lehrerpersönlichkeit in der Lage sein muss, begründet auszuwählen, und zwar in Abhängigkeit von der Funktion der Phase im Lernprozess. Dort muss sie das Handwerkszeug bewusst einsetzen und flexibel reagieren können.

Wenn ich an die Lehrerpersönlichkeit denke, ist noch ein letzter Punkt zu nennen. Sie muss ein engagiertes Interesse am Fortkommen ihrer Schülerinnen und Schüler haben. Das ist das Feld, auf dem sich Bildungsqualität entfalten kann.

Zweite Bedingung: Bildungsqualität braucht Herausforderung, Frau Voigt-Küppers. Das ist nicht etwas, was wir uns als CDU ausgedacht haben. Ich kann zwei Zeugen aufrufen, die das aus ganz unterschiedlichen Perspektiven bewerten. Ich habe eben schon Prof. Brenner zitiert. Er sagt: Bildung wird nur zugänglich, wenn sie durch eigene Anstrengung erworben wird. Und der Bildungstheoretiker Klafki, der nun wirklich nicht dem konservativen Lager zuzurechnen ist, sagt: Wer Kindern nichts abfordert, betrügt sie um den Erfolg.

(Beifall von der CDU)

Wie geht Schule mit Leistungsorientierung und mit Anspruch um? Wie stärkt Schule die Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler? Das sind Kernkompetenzen, die auch für die Lebensbewältigung von enormer Bedeutung sind.

Lehrkräfte fordern im erfolgreichen Unterricht Denk- und Durchdringungsleistungen. Sie bewirken Ansporn und Motivation zur Anstrengung. Sie steigern die Chancen ihrer Schülerinnen und Schüler. Dann muss man aber auch deutlich machen, dass das Absenken des Anspruchsniveaus Chancenminderungen bewirkt.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das hat niemand gesagt!)

Die dritte Bedingung, die wir für unabdingbar für Bildungsqualität halten, ist die klare Zielorientierung. Nordrhein-Westfalen benötigt zur Fortentwicklung seiner Wirtschaft und seiner Zukunft alle Talente und Fähigkeiten. Verschiedene Aufgabenbereiche und verschiedene Berufe verlangen Unterstützung, Herausbildung und Förderung aller Begabungen im Erziehungsprozess. Das bedeutet sowohl Vorbereitung auf eine Ausbildung im dualen System als auch Vorbereitung auf berufsqualifizierende Bildungsgänge als auch Vorbereitung auf das Gelingen des Studiums durch die Vermittlung von Studierfähigkeit.

Die Sicherung des Wissenschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen ist nur durch erklärte Hochschulorientierung der Gymnasien möglich. Im Sinne der Vielfalt ist das der Schwerpunkt, gegen den es nichts einzuwenden gibt.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Wir haben Zen-tralabitur!)

Letztlich entsteht pädagogische Qualität aus der Verantwortung der Experten vor Ort, die sich auf Ziele in Bildung und Erziehung verpflichtet haben. Die drei genannten Bedingungen gehören dazu. Wir hoffen, dass wir auf dieser Basis die Diskussion um Bildungsqualität weiterführen können. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich jetzt nicht an dem FDP-Entschließungsantrag abarbeiten, weil wir in ihm wie immer nur die tibetanische Gebetsmühle haben. Die Benachteiligung des Gymnasiums existiert in Nordrhein-Westfalen nicht. So ist das.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Alle Gymnasien, die Ganztagsschulen werden wollen, werden Ganztagsschulen. Wir haben den Übergang von G9 zu G8 im ersten Jahr mit 1.000 Stellen abgefedert und obendrauf im zweiten Jahr noch mit 500 Stellen. Die Gymnasien partizipieren von den Vereinbarungen im Schulkonsens. Lassen Sie es einfach. Es kommt nicht an. Es ist immer wieder nur das Gleiche. Es ist vergebene Liebesmüh.

Viel wichtiger ist, dass ich mich gern noch einmal mit dem Antrag der CDU auseinandersetzen möchte, dem wir heute leider nicht zustimmen können. Ich will Ihnen aber auch Hinweise geben, warum nicht. Vielleicht kommen wir an anderer Stelle dann doch noch zusammen.  

Die Frage von Leistung im Schulsystem finde ich ganz zentral. Aber das ist nicht nur die Aufgabe der Gymnasien, sondern es geht um eine positive Leistungsentwicklung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das gilt für alle Schulformen und auf allen Schulstufen. Das muss ganz wichtig sein. Das ist kein exklusives Merkmal.

Zu den unterschiedlichen Wegen: Auch die Oberstufen an den Gesamtschulen, auch die beruflichen Gymnasien bereiten wissenschaftspropädeutisch vor.

Sie beginnen Ihren Exkurs mit dem Hinweis auf die Verankerung der individuellen Förderung im schwarz-gelben Schulgesetz. Ja, das war richtig. Nur leider haben Sie nichts dafür getan, dass das in den Schulen implementiert wurde. Was haben Sie getan? Sie haben das Landesinstitut aufgelöst und eine Fortbildungsbrache angerichtet. Das war die eine Seite. Auf dem Papier individuelle Förderung ins Schulgesetz zu schreiben, das hat leider nicht gereicht. Jetzt versuchen wir, das wieder systematisch aufzubauen. Wir versuchen das nicht nur, wir tun es auch.

Es ist wichtig, die Frage der Fortbildung wirklich systematisch anzusetzen. Das gilt in diesem positiven Sinne auch für dem Umgang mit Verschiedenheit. Das Landesinstitut als Unterstützungsagentur für die Schulen gibt es wieder. Es wird in Nordrhein-Westfalen auch dringend benötigt. Das merken wir. Die Anfragen und die positive Inanspruchnahme sind vorhanden.

Dazu gibt es dann in Ihrem Antrag auch ein bisschen schlichte Argumentation. Es tut dem Antrag wirklich nicht gut, wenn Sie das Schlagwort vom längeren gemeinsamen Lernen als politische Parole mit auf den Plan zu rufen versuchen und meinen, das hätte mit Gleichheit und Gerechtigkeit nichts zu tun, und wieder den alten Schlenker in diese ideologische Debatte über Gleichmacherei vollziehen. Gemeinsames Lernen heißt nicht Gleichmacherei, sondern gemeinsames Lernen und Bildungsgerechtigkeit heißt, dass jedes Kind seine Chancen wirklich ausformen kann, dass alle Talente gefördert werden. Das ist Bildungsgerechtigkeit.

Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass die Gesamtschulen eine Studie vorgelegt haben, wonach über 70 % – an einigen Standorten sogar über 75 % – der Schülerinnen und Schüler, die dort Abitur im Zentralabitur machen, keine Gymnasialempfehlung hatten. Das sagt alles darüber aus, wie Potenziale in diesem Land nicht genutzt werden und dass wir viel mehr Chancen ermöglichen wollen. Deswegen bitte keine Verengung des Diskurses, wie Sie ihn hier angelegt haben!

Ich will auch noch einmal darauf rekurrieren, dass wir das Thema Notengebung hier viel zu kurz miteinander diskutieren. Wir müssen in der Tat einmal über Leistungsbewertung in der Schule reden. Was ist denn eine positive Rückmeldung?

Es geht nicht um den horizontalen Vergleich. Wir wissen doch, wie wenig aussagekräftig Ziffernnoten an manchen Stellen sind. Das sehen wir schon beim Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen, wenn nämlich die Kinder aus den unterschiedlichen Grundschulen mit bestimmten Notenbildern aufeinandertreffen, die sich hinterher in den Lerngruppen im Unterricht ganz anders darstellen. Man weiß, dass eine Zwei und eine Drei aus unterschiedlichen Schulen überhaupt nicht vergleichbar sind.

Es geht doch um die individuelle Lernerweiterung, um den individuellen Lernweg. Dazu muss es doch eine Rückmeldung geben, die dann auch nach vorne bringt und die nicht nur eine unzutreffende Momentaufnahme sein kann.

Ich will Sie aber auch an einer Stelle loben. Vielleicht können wir da anschließen bei der gemeinsamen Weiterentwicklung. Sie sagen eindeutig, ja, es ist auch Aufgabe der Gymnasien, im inklusiven Prozess zu arbeiten, sowohl zielgleich wie auch zieldifferent. Sie mahnen die Unterstützung an. Aber da springt der Antrag wieder zu kurz. Die Unterstützung gibt es nämlich. Wir sollten Wert darauf legen, dass wir mehr Gymnasien ermutigen, positive Leistungsentwicklung auch im zieldifferenten Unterricht in Nordrhein-Westfalen Wirklichkeit werden zu lassen.

Heute können wir leider nicht zustimmen. Aber vielleicht gehen wir gemeinsam in einen Prozess, und wir bekommen einen gemeinsamen Antrag hin. Das würde mich sehr freuen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Gebauer.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Einwurf vorhin hat dann doch etwas gebracht. Frau Beer, Sie können ja doch loben, wie Sie gerade zum Besten gegeben haben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Es ist nicht das erste Mal! Sie müssen zuhören!)

– Ja, aber es kommt recht selten vor. Ich habe das aber mit Freude zur Kenntnis genommen.

Weniger mit Freude zur Kenntnis genommen habe ich die Ausführungen von Ihnen, Frau Voigt-Küppers. Sie haben mich im Gegenteil betroffen gemacht. Wenn es Ihnen bei dem Begriff „Leistung“ sauer aufstößt, dann habe ich wirklich …

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Leistung in Noten!)

– Nein, ich weiß genau, was ich gehört habe.

(Beifall von der FDP)

Der Begriff „Leistung“ stößt Ihnen sauer auf. Dann ist es um die rot-grüne Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen tatsächlich schlecht bestellt, wenn man dies hier derart zum Besten gibt.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Sie sollten besser zuhören, Frau Gebauer!)

Frau Beer, in einer Sache muss ich Sie korrigieren.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigung. Die von Ihnen gerade angesprochene Frau Beer möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Yvonne Gebauer (FDP): Ja, aber natürlich.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte, Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Frau Kollegin Gebauer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben aber doch, wenn Sie so aufmerksam zuhören, auch gehört, dass ich sehr wohl von der positiven Leistungsentwicklung gesprochen habe, die Aufgabe aller Schulformen und aller Schulen ist.

Das ist das gemeinsame Anliegen. Die Kollegin hat genauso agiert und genauso angesetzt; da sind wir uns sehr einig. Darauf hat sie mit großer Zustimmung reagiert. Das haben Sie nicht mitgenommen und offensichtlich nicht wahrgenommen.

Yvonne Gebauer (FDP): Frau Beer, ich habe vieles mitgenommen. Ich habe mitgenommen, dass Sie nach dem Loben direkt wieder in die Kritik gefallen sind. Aber ich habe genau gehört, was Frau Voigt?Küppers gesagt hat.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das haben Sie nicht!)

Es erschreckt mich aber umso mehr, dass Sie jetzt noch sagen, Sie sehen das genauso.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Denn dann muss ich davon ausgehen, dass Sie das Thema „Leistung“ ebenfalls wie Frau Voigt-Küppers einschätzen.

Zurück zu meiner Rede: Sie sind auf unseren FDP-Antrag nicht eingegangen. Damit kann ich gut leben.

Sie haben aber gesagt, unser Antrag kommt nicht gut an. Da muss ich Ihnen widersprechen, Frau Beer. Er kommt gut an. Denn wir haben genau die Kritikpunkte, die uns von den Betroffenen zugetragen worden sind, in den Antrag aufgenommen, den Sie heute nicht ins Spiel gebracht haben. Hier stimme ich nicht mit Ihnen überein. Wir sind genau auf der Linie der Beteiligten bzw. Betroffenen.

Ich gehe noch mal auf die Benachteiligungen ein, die letztendlich in verschiedenster Form stattfinden können. Ich werfe den Blick über Nordrhein?Westfalen hinaus nach Niedersachsen und gehe zu Ihrer Kollegin, der grünen Fraktionsvorsitzenden in Niedersachsen. Man muss sich mal anhören, was Frau Piel zum Thema „Gymnasium“ gesagt hat. Da kann man nicht nur von „Scheu“, sondern da muss man vielleicht sogar schon von „Abscheu“ sprechen. Besagte Kollegin, Frau Piel, hat erklärt – ich darf zitieren –, dass sich an „Gymnasien Unternehmerkinder zusammenrotten“.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Über den Inhalt will ich gar nicht weiter diskutieren. Frau Ministerin Löhrmann, da gebe ich Ihnen recht: völlig absurd. Aber die Sprachwahl ist schon bezeichnend. Wenn ich sie an dieser Stelle einmal aufnehmen darf, möchte ich gar nicht wissen und erfahren wollen, wie viele grüne Funktionärskinder sich hier in Nordrhein-Westfalen an Gymnasien „tummeln“. Ich nehme mal den Begriff tummeln. Wenn wir so anfangen, über Schulformen zu sprechen, dann gute Nacht, Marie!

(Beifall von der FDP)

Ich komme zu einer weiteren Geschichte, die mich in diesem Zusammenhang erschreckt hat. Ich nehme es mal vorweg, Herr Hecke: Ich hoffe, dass Sie an diesem Tag einen schlechten Tag hatten. Sie sind von jungen Philologen nach dem Alleinstellungsmerkmal des Gymnasiums gefragt worden. Ihre Antwort war – ich zitiere –: Am Gymnasium haben wir G8, an der Gesamtschule G9. – Weitere Unterscheidungsmerkmale, so die jungen Philologen, fielen dem Staatssekretär nicht ein. – Wie bereits gesagt, gehe zu Ihren Gunsten davon aus, dass Sie einen schlechten Tag hatten. Aber auch das ist eine indirekte Form der Benachteiligung.

Frau Birkhahn hat vorhin schon von der schleichenden und gefährlichen Entwertung der Abschlüsse an allen Schulformen – nicht nur an der Schulform des Gymnasiums – gesprochen. Da stimmen wir sicherlich mit Ihnen allen überein, wenn wir sagen: Durch entsprechende individuelle Förderung wollen wir die Talente der Kinder bestmöglich entfaltet wissen, damit sie zu bestmöglichen Abschlüssen geführt werden können. Aber das darf nicht dadurch passieren, dass wir die Abschlüsse verschenken und das Niveau immer weiter nach unten schrauben.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Leistung ist in diesem Zusammenhang nach wie vor ein wichtiges Kriterium.

Zum Abschluss möchte ich noch Herrn Prof. di Fuccia zitieren, der das Handeln einer Politik, wie Sie sie in Nordrhein-Westfalen betreiben, treffend beschrieben hat. Ich darf zitieren:

„Der wirkliche Mechanismus des sozialen Aufstiegs war und ist der Aufstieg durch Bildung, nicht aber der Aufstieg durch Abschluss.“

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, ich sage Ihnen: Handeln Sie nach diesen Ausführungen und sorgen Sie für eine faire Behandlung aller Schulformen und somit auch für eine faire Behandlung des Gymnasiums! Sorgen Sie für den Abbau der Benachteiligung dieser Schulform! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Für die Piratenfraktion erteile ich Frau Kollegin Pieper das Wort.

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – An dieser Stelle halte ich mich wirklich kurz, Frau Ministerin Löhrmann. Das Interessanteste an dieser ganzen Auseinandersetzung vom letzten Thema zu diesem scheint der Aspekt „Leistung“ zu sein, wie ich das gerade erwähnt habe. Der propagierte Leistungsverfall ist ein weites Feld.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Leistung muss sich wieder lohnen!)

Wir müssen aufgreifen, was wir unter Leistung verstehen. Ich habe das Gefühl, da tun sich hier Gräben auf. Es scheint ganz unterschiedliche Definitionen zu geben.

Zunächst mal müssen wir zu dem Antrag festhalten, dass das Gymnasium die beliebteste Schulform in NRW ist. Das ist unstrittig. Die meisten Eltern wählen diese Schulform für ihre Kinder, und dafür werden sie ganz bestimmt gute Gründe haben. Einer dieser guten Gründe ist sicherlich, dass die Gymnasien in NRW eine sehr gute, engagierte Arbeit machen und unsere Schülerinnen und Schüler sehr erfolgreich auf das Berufsleben und/oder das Studium vorbereiten.

Zu den Anträgen von CDU und FDP kann ich mich daher den Ausführungen von Frau Keens, der Leiterin eines Duisburger Gymnasiums, nur anschließen. Die Anträge gehen von einer Sorge aus, dass an Gymnasien nicht genug Leistung erbracht wird, die Gymnasien strukturell benachteiligt werden und diese Strukturen einer Weiterentwicklung des Gymnasiums im Wege stehen.

Diese Sorge teile ich nicht. Offensichtlich tun das auch die Eltern in diesem Land nicht. Sonst würden sie die Kinder nicht dahin schicken.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Jawohl!)

Schauen wir uns mal den Beschlussteil des CDU-Antrags an! Dort wird gefordert, dass sich die Gymnasien ihre Schüler entsprechend dem Profil der Schule aussuchen können. Diese Forderung führt meines Erachtens zu einem mehr als intransparenten Auswahlverfahren, weil nicht mehr nachvollziehbar ist, warum bestimmte Schüler genommen werden, andere aber nicht. Ich finde es sehr gewagt, nach der vierten Klasse schon zu sagen, welche Talente eine Schülerin, ein Schüler entwickelt.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich hoffe doch, dass man Kindern in dem Alter noch Zeit lässt zu schauen, wohin es geht.

Daneben sehe ich es ein bisschen anders als die Kollegin Beer, die sich darüber freut, dass das Gymnasium für Inklusion offen ist. Ich kann diesen Absatz, in dem steht, dass Gymnasien, die auch zieldifferenzierte Inklusion machen möchten, Unterstützung brauchen, so nicht lesen.

Mich stört dieses Wort „möchten“! Das hört sich für mich so ein bisschen an, …

(Zuruf)

Deshalb noch einmal die Frage an die CDU: Ist das so ein bisschen der versteckte Versuch, sich hier in Bezug auf das Gymnasium als einzige Schulform aus der Verantwortung zu ziehen? – Das habe ich nicht richtig verstanden.

Zuletzt fordern Sie dann …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Beer zulassen?

Monika Pieper (PIRATEN): Ja, selbstverständlich.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön. – Frau Kollegin Pieper, ich möchte einen Punkt im Antrag der CDU ausdrücklich loben. Dabei geht es um die Debatte, dass am Gymnasium nicht zieldifferent unterrichtet werden kann und unterrichtet werden soll. Das kommt ausdrücklich nicht in dem Antrag vor. Des Weiteren steht ganz deutlich – das wird nicht abgewiesen – etwas von zieldifferentem Lernen darin. Wir haben ja schon andere Debattenlagen gehabt.

Monika Pieper (PIRATEN): Ja, das ist richtig. Das sehe ich genauso. Für mich liest sich das so ein bisschen, als ob das in der Freiwilligkeit des Gymnasiums liegt. Damit habe ich so ein bisschen Schwierigkeiten. Darüber kann man diskutieren.

Noch kurz zum Antrag der FDP, der ja schon in der Überschrift die Benachteiligung des Gymnasiums unterstellt. Diese Meinung teile ich einfach nicht. Ich sehe die strukturelle Benachteiligung nicht. Eine Schule, wie zum Beispiel eine Gesamtschule oder Sekundarschule, die von einem Förderschulabschluss über einen Hauptschulabschluss, über einen Fachoberschulabschluss bzw. über ein Abitur alle Abschlüsse anbietet, hat sicherlich andere Schwierigkeiten und Bedürfnisse als ein Gymnasium, das für sich beansprucht – das fordern Sie ja auch ganz konkret –, nur aufs Abitur vorzubereiten.

Sie, Herr Kaiser, haben das in Ihrem Antrag auch ausgeführt. Sie schreiben: „Ungleiches muss ungleich behandelt werden“. Ja, das sehe ich auch so. Insofern haben die Gesamtschulen und die Sekundarschulen durchaus recht, dass sie eine etwas andere Schüler/Lehrer-Relation haben wollen. Insofern habe ich damit kein Problem.

Ich habe schon im Ausschuss gesagt: Wir haben wirklich verzweifelt nach Argumenten gesucht, uns zu diesen beiden Anträgen zumindest enthalten zu können. Wir haben sie nicht gefunden, und deshalb lehnen wir die Anträge ab. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Frau Pieper. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Löhrmann das Wort.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte den Eindruck, Frau Gebauer, dass Sie Frau Voigt-Küppers bewusst missverstanden haben.

(Beifall von der SPD)

Sie haben dann im Rahmen Ihrer Unterstellung – als Frau Beer versuchte, es zu erklären –, etwas zusätzlich missverstanden, weil Sie unbedingt einen Widerspruch aufbauen wollen. Das finde ich gerade in den Bildungsdebatten nicht förderlich.

Unsere Gymnasien sind leistungsstarke Schulen, die bei hoher Bildungsqualität eine zunehmend heterogene Schülerschaft fordern und fördern. Sie haben ihren festen Platz in unserer nordrhein-westfälischen Schullandschaft. Diesen positiven Eindruck, den ich hier abstrakt formuliert habe, bekomme ich auch bei meinen vielen Schulbesuchen. Er wird auch von Professor Baumert den Gymnasien in Deutschland insgesamt attestiert. Der Befund von Professor Baumert – er ist, glaube ich, unverdächtig – lautet wie folgt: Bei gleichem Qualitätsanspruch und dem Halten eines Qualitätsniveaus gelingt es den Gymnasien, mehr Schülerinnen und Schüler zu diesen Ergebnissen zu führen. Und das ist Ausweis von Qualität. – Darüber sollten wir uns alle gemeinsam freuen, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Einschätzung hat sich aus meiner Sicht auch in der Anhörung im Wesentlichen bestätigt. Natürlich haben die Expertinnen und Experten unterschiedliche Akzente gesetzt. Sie waren sich aber einig, dass die Gymnasien die vielfältigen Herausforderungen mit großem Engagement meistern. Da nehme ich die Inklusion ausdrücklich mit hinzu. Auch die Förderung der Lern- und Leistungsbereitschaft sowie der Leistungsfähigkeit ist von zentraler Wichtigkeit, um die individuellen Potenziale der Schülerinnen und Schüler mit Blick auf das anspruchsvolle Ziel der allgemeinen Hochschulreife zu entwickeln.

Ich verstehe unter Leistungsentwicklung, dass man hohe Ansprüche setzt und dass es darauf ankommt, die Leistungspotenziale der Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu entwickeln und sie individuell zu fördern. Dieser Anspruch gilt aber ausdrücklich für alle Schulformen. Da sollten wir keinen Unterschied machen, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist schon – da bin ich Frau Pieper, aber auch Frau Birkhahn dankbar – dazu Stellung genommen worden. Frau Birkhahn hat nämlich im Ausschuss ausdrücklich betont, dass es der CDU jetzt nicht darum ginge, zu behaupten – das hätte sie auch nicht getan –, dass durch diese Landesregierung die Gymnasien in irgendeiner Weise systematisch benachteiligt worden wären. Ich bin der CDU ausdrücklich dafür dankbar, dass Sie das hier gesagt haben.

Natürlich fordern die Expertinnen und Experten sowie die Sachverständigen mehr Ressourcen. Das fordern sie für die Gymnasien, das fordern aber auch Vertreter anderer Schulformen für ihre Schulen, wenn Sie sie danach fragen. Das ist doch ganz normal.

In der Expertenanhörung sind der Unterricht und die Kompetenz der Lehrkräfte als die eigentlich entscheidenden Faktoren benannt worden. Dem kann ich nur nachdrücklich zustimmen und auch da wieder eine Gemeinsamkeit in Bezug auf das, Frau Birkhahn, was Sie hier formuliert haben, feststellen. Auch das, was die Lehrkräfte können sollen, ist klar. Das gilt auch dafür, dass sie Methodenvielfalt anwenden sollen. Frau Birkhahn, Sie kommen aus der Lehrerbildung. Auch das gilt, glaube ich, für alle Kolleginnen und Kollegen an allen Schulformen.

Ich stimme auch der Einschätzung zu, dass der Unterricht an Gymnasien vor der besonderen Herausforderung steht, einerseits die Leistungsspitze zu fördern und zu verbreitern und andererseits die Kultur des Behaltens weiter auszubauen. Dies wurde in einem bereits diskutierten Gesetzentwurf, dem Schulkonsens und der Bildungskonferenz folgend, heute Morgen vereinbart und gemeinsam von den Schulkonsensfraktionen auf den Weg gebracht.

Ich verstehe auch, dass die Experten beinahe ausnahmslos in Zusammenhang mit der Bildungsqualität auch das Thema G8 angesprochen haben. Die Ergebnisse des runden Tisches wurden im Landtag im Dezember bekräftigt. Ich finde, wir hatten letzte Woche im Schulausschuss dazu eine sehr konstruktive Diskussion. Alles ist sozusagen in Arbeit, und wir sind kurz davor, das auch noch einmal im Schulausschuss insgesamt zur Zustimmung vorzulegen.

Ich möchte aber deutlich zurückweisen, wenn behauptet wird, dass es aus meiner Sicht im Interesse der Gymnasien ist, jetzt krampfhaft nach bestimmten Unterscheidungspunkten zu suchen, zum Beispiel nach bestimmten Profilen zu fragen. Die Schulen profilieren sich, und das ist gut so; aber sie sind grundsätzlich offen für die Schülerinnen und Schüler. Man würde den Gymnasien aus meiner Sicht einen Bärendienst mit der Zielsetzung erweisen, dass es an ihnen andere Unterrichtsformen als an anderen Schulformen gibt. Damit baut man Mauern um das Gymnasium. Das wollen wir genauso wenig, wie wir andere Mauern bauen wollen.

Meine Damen und Herren, unser Weg ist der des engen Dialogs mit allen Vertreterinnen und Vertretern des Gymnasiums. Wir begleiten und unterstützen sie auf einem Weg zu einer offenen, partizipativen und qualitätsvollen Schulentwicklung. Ich erinnere zum Beispiel an das Projekt „Individuelle Förderung am Gymnasium“, das es exklusiv für die Gymnasien gibt, um sie bei dieser hohen Anforderung einer heterogenen Schülerschaft zu unterstützen. Diesen Weg wollen wir gemeinsam zielgerichtet weitergehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar erstens über den Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/6858. Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung empfiehlt in Drucksache 16/8469, den Antrag abzulehnen. Wir kommen zur Abstimmung nicht über die Beschlussempfehlung – Sie kennen das Verfahren –, sondern über den Antrag selbst.

Wer möchte diesem Antrag der CDU-Fraktion zustimmen? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/6858 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenfraktion gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der FDP abgelehnt.

Wir stimmen zweitens ab über den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/6957. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit stelle ich fest, dass der Entschließungsantrag Drucksache 16/6957 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Piratenfraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der CDU-Fraktion ebenfalls abgelehnt worden ist.

Ich schließe die Beratung zu Tagesordnungspunkt 20 und rufe auf:

21       Gesetz zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/8293

erste Lesung

Zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Jäger das Wort – der mir soeben zuruft, dass er seine Rede gerne zu Protokoll geben möchte. (Siehe Anlage 5)

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Wie nicht anders zu erwarten war, ist er sich für diesen Vorschlag der Unterstützung des Hohen Hauses gewiss.

Eine weitere Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/8293 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer möchte dem zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

22       Gesetz zur Beschleunigung der Aufstellung kommunaler Gesamtabschlüsse

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/8385

erste Lesung

Zur Begründung des Gesetzentwurfs würde ich jetzt für die Landesregierung Herrn Minister Jäger das Wort erteilen – wenn er nicht bereit wäre, seine Rede zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 6)

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/8385 an den Ausschuss für Kommunalpolitik – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer ist für diese Überweisung? – Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

23       Gesetz über die Bestimmung des 31. Oktober 2017 als 500. Jahrestag der Reformation zum Feiertag in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/8386

erste Lesung

Die Begründung des Gesetzentwurfs für die Landesregierung obläge dem Innenminister –

(Minister Ralf Jäger: Ich gebe zu Protokoll! – Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

wenn er nicht auch hier seine Rede zu Protokoll geben würde. Vielen Dank, Herr Minister Jäger. (Siehe Anlage 7)

Eine weitere Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/8386 an den Hauptausschuss. Wer ist dafür? – Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist erkennbar nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

24       Vereinbarung zur Ausführung des Artikels 11 Abs. 2 des Abkommens über das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt-Finanzierungsvereinbarung)

Antrag
der Landesregierung
auf Zustimmung zu einem
Staatsvertrag
gemäß Artikel 66 Satz 2
der Landesverfassung
Drucksache 16/8154

Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/8154 an den Hauptausschuss. Wer ist dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung angenommen.

Ich rufe auf:

25       Haushaltsrechnung des Landes Nordrhein-Westfalen für das Rechnungsjahr 2011

Unterrichtung
durch die Präsidentin
des Landtags
auf Erteilung der Entlastung
nach § 114 LHO
Drucksache
16/2060

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Haushaltskontrolle
Drucksache 16/8471

In Verbindung mit:

Jahresbericht 2013 des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen über das Ergebnis der Prüfungen im Geschäftsjahr 2012

Unterrichtung
durch den Landesrechnungshof
Drucksache
16/3510

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit, meine Kolleginnen und Kollegen, direkt zur Abstimmung, und zwar in zwei Schritten.

Erstens lasse ich abstimmen über die Empfehlung des Ausschusses für Haushaltskontrolle in Ziffer 1 der Drucksache 16/8471, die vom Ausschuss für Haushaltskontrolle festgestellten Sachverhalte, die Beschlüsse über einzuleitende Maßnahmen und die dafür gesetzten Termine sowie die ausgesprochenen Missbilligungen gemäß § 114 der Landeshaushaltsordnung zu bestätigen.

Wer dieser Bestätigung folgen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Empfehlung Ziffer 1 der Drucksache 16/8471 einstimmig vom Landtag Nordrhein-Westfalen angenommen und entsprechend bestätigt.

Wir stimmen zweitens über die Empfehlung des Ausschuss für Haushaltskontrolle in Ziffer 2 der Drucksache ab, der Landesregierung für die Landeshaushaltsrechnung 2011 Drucksache im Zusammenhang mit dem Jahresbericht 2013 des Landesrechnungshofs über das Ergebnis der Prüfung im Geschäftsjahr 2012 Drucksache gemäß § 114 der Landeshaushaltsordnung in Verbindung mit Artikel 86 der Landesverfassung Entlastung zu erteilen.

Wer dieser Empfehlung seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist die Empfehlung in Ziffer 2 der Drucksache mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und den Piraten gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen. Der Landesregierung ist gemäß § 114 der Landeshaushaltsordnung in Verbindung mit Artikel 86 der Landesverfassung Entlastung erteilt.

Ich rufe auf:

26       Jahresbericht 2014 gemäß § 28 VSG NRW

Unterrichtung
durch das Kontrollgremium gemäß § 23
des Verfassungsschutzgesetzes NRW
Drucksache 16/8296

Eine Debatte ist nicht vorgesehen. Das Gremium kommt der jährlichen Berichtspflicht an das Plenum durch die Unterrichtung in Drucksache nach. Das, meine Kolleginnen und Kollegen, stelle ich hiermit fest.

Ich rufe auf:

27       Nachwahl eines Schriftführers des Landtags Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8542 – Neudruck

Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die Tagesordnung entsprechend zu ergänzen.

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache – Neudruck. Wer ist dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Jeweils nicht der Fall. Damit ist der Wahlvorschlag Drucksache Neudruck – einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

28       Wahl der Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses I

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 16/8473

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag. Wer ist dafür? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen?

(Michele Marsching [PIRATEN]: Dagegen!)

– Gegenstimmen? – Enthaltungen?

(Zuruf von der SPD: Was machen die denn da?)

Dann stelle ich fest, dass der Wahlvorschlag Drucksache mit den Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen einiger Abgeordneter der Piratenfraktion bei Enthaltung einiger weiterer Abgeordneter der Piratenfraktion mit großer Mehrheit angenommen worden ist.

Ich rufe auf:

29       Wahl des Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 16/8474

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dem Wahlvorschlag der SPD-Fraktion zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann stelle ich fest, dass der Wahlvorschlag Drucksache 16/8474 mit den Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP-Fraktion sowie vom größeren Teil der Piratenfraktion gegen die Stimme eines Kollegen der Piratenfraktion bei Enthaltung eines weiteren Kollegen der Piratenfraktion mit großer Mehrheit angenommen wurde.

Ich rufe auf:

30       Nachwahl von stellvertretenden Mitgliedern des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses I

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8475

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag. Wer dafür ist, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Damit stelle ich fest, dass der Wahlvorschlag Drucksache einstimmig angenommen wurde.

31       Wahl eines ordentlichen und eines stellvertretenden Mitglieds des Kontrollgremiums nach § 23 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8297

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag der FDP. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist der Wahlvorschlag Drucksache einstimmig angenommen.

Wir treten ein in die Beratung von:

32       Verfassungsbeschwerden zu der Frage, ob verschiedene Vorschriften in mehreren Landesgesetzen zur Neuregelung des Rechts der Spielhallen, insbesondere das sogenannte Verbundverbot, das Abstandsgebot und die Übergangsregelungen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind

1 BvR 1314/12
1 BvR 1630/12
1 BvR 1694/13
1 BvR 1874/13
Vorlage 16/2794

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/8476

Eine Debatte ist nicht vorgesehen, sodass ich über die Empfehlung des Rechtsausschusses abstimmen lasse, in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht keine Stellung abzugeben. Wer dieser Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses folgen möchte, den darf ich um das Handzei-


chen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Empfehlung in Drucksache 16/8476 einstimmig vom Landtag Nordrhein-Westfalen angenommen.

Tagesordnungspunkt

33       Mitteilung nach § 6 Absatz 3 und 4 des Abgeordnetengesetzes NRW

Unterrichtung
durch die Präsidentin
des Landtags
Drucksache 16/8431

Die Präsidentin hat die Daten zur Ermittlung eines Anpassungsbedarfs der Mitarbeiterpauschale mit der Unterrichtung durch die Drucksache veröffentlicht. Die Daten sind damit dem Landtag zugeleitet worden. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Ich stelle fest: Der Landtag hat sich mit der Unterrichtung Drucksache befasst.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

34       In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 29
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 16/8477

Die Übersicht 29 enthält fünf Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist wie üblich aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse abstimmen über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen entsprechend dieser Übersicht. Wer möchte dieser Vorlage seine Unterstützung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit sind die in Drucksache enthaltenen Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse bestätigt.

Ich rufe auf:

35       Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/31

Mit der Übersicht, meine Damen und Herren, liegen Ihnen Beschlüsse zu Petitionen vor. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Offensichtlich ist das nicht der Fall. Ist jemand mit den Beschlüssen nicht einverstanden? – Auch das kann ich nicht erkennen. Da das nicht der Fall ist, stelle ich gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass die in der Übersicht 16/31 enthaltenen Beschlüsse des Petitionsausschusses bestätigt sind.

Damit, meine Damen und Herren, sind wir tatsächlich schon am Ende unserer heutigen Sitzung angekommen. Ich berufe das Plenum für morgen, Donnerstag, 30. April 2015, 10 Uhr, wieder ein.

Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Abend.

Die Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen ist geschlossen.

Schluss: 22:00 Uhr

_____________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage 1

Namentliche Abstimmung über den Antrag der PIRATEN Drucksache 16/8450TOP 5 (Nordrhein-Westfalen leistet „digitalen Widerstand“: Keine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung!)

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Herr Abel

GRÜNE

 

X

 

2

 Herr Abruszat

FDP

X

 

 

3

 Herr Dr. Adelmann

SPD

 

X

 

4

 Herr Alda

FDP

X

 

 

5

 Frau Altenkamp

SPD

 

X

 

6

 Frau Andres

SPD

 

X

 

7

 Frau Asch

GRÜNE

 

X

 

8

 Herr Bas

GRÜNE

 

X

 

9

 Herr Bayer

PIRATEN

entschuldigt

10

 Herr Becker, Andreas

SPD

 

X

 

11

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

 

X

 

12

 Frau Beer

GRÜNE

 

X

 

13

 Frau Dr. Beisheim

GRÜNE

 

X

 

14

 Herr Bell

SPD

 

X

 

15

 Frau Benninghaus

SPD

 

X

 

16

 Herr van den Berg

SPD

 

X

 

17

 Herr Dr. Berger

CDU

 

X

 

18

 Herr Berghahn

SPD

 

X

 

19

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

X

 

20

 Herr Beu

GRÜNE

 

X

 

21

 Herr Bialas

SPD

 

X

 

22

 Herr Biesenbach

CDU

 

X

 

23

 Frau Birkhahn

CDU

 

X

 

24

 Herr Bischoff

SPD

 

X

 

25

 Frau Blask

SPD

 

X

 

26

 Herr Börner

SPD

 

X

 

27

 Herr Börschel

SPD

 

X

 

28

 Freifrau von Boeselager

CDU

 

X

 

29

 Herr Bolte

GRÜNE

 

X

 

30

 Herr Bombis

FDP

X

 

 

31

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

 

X

 

32

 Frau Brand

PIRATEN

X

 

 

33

 Frau Brems

GRÜNE

 

X

 

34

 Herr Breuer

SPD

 

X

 

35

 Herr Brockes

FDP

abwesend

36

 Frau Dr. Bunse

CDU

 

X

 

37

 Herr Burkert

CDU

 

X

 

38

 Herr Busen

FDP

X

 

 

39

 Herr Dahm

SPD

 

X

 

40

 Herr Deppe

CDU

 

x

 

41

 Frau van Dinther

CDU

 

X

 

42

 Frau Dmoch-Schweren

SPD

 

X

 

43

 Frau Doppmeier

CDU

 

X

 

44

 Herr Dr. Droste

CDU

 

X

 

45

 Herr Dudas

SPD

 

X

 

46

 Frau Düker

GRÜNE

 

X

 

47

 Herr Düngel

PIRATEN

X

 

 

48

 Herr Eiskirch

SPD

 

X

 

49

 Herr Ellerbrock

FDP

entschuldigt

50

 Herr Engstfeld

GRÜNE

 

X

 

51

 Frau Fasse

CDU

 

X

 

52

 Herr Fehring

CDU

 

X

 

53

 Herr Feuß

SPD

 

X

 

54

 Herr Fortmeier

SPD

 

X

 

55

 Frau Freimuth

FDP

X

 

 

56

 Herr Fricke

PIRATEN

X

 

 

57

 Herr Ganzke

SPD

 

X

 

58

 Herr Garbrecht

SPD

 

X

 

59

 Herr Gatter

SPD

abwesend

60

 Frau Gebauer

FDP

X

 

 

61

 Frau Gebhard

SPD

 

X

 

62

 Herr Geyer

SPD

 

X

 

63

 Frau Gödecke

SPD

 

X

 

64

 Herr Goldmann

GRÜNE

 

X

 

65

 Herr Golland

CDU

 

X

 

66

 Frau Grochowiak-Schmieding

GRÜNE

 

X

 

67

 Herr Große Brömer

SPD

 

X

 

68

 Herr von Grünberg

SPD

 

X

 

69

 Herr Grunendahl

CDU

 

X

 

70

 Frau Güler

CDU

 

X

 

71

 Herr Haardt

CDU

 

X

 

72

 Herr Dr. Hachen

CDU

 

X

 

73

 Frau Hack

SPD

 

X

 

74

 Herr Hafke

FDP

X

 

 

75

 Herr Hahnen

SPD

 

X

 

76

 Frau Hammelrath, Gabriele

SPD

 

X

 

77

 Frau Hammelrath, Helene

SPD

 

X

 

78

 Frau Hanses

GRÜNE

 

X

 

79

 Herr Hausmann

CDU

 

X

 

80

 Herr Hegemann

CDU

 

X

 

81

 Herr Heinrichs

SPD

 

X

 

82

 Frau Hendricks

SPD

 

X

 

83

 Herr Hendriks

CDU

 

X

 

84

 Herr Herrmann

PIRATEN

X

 

 

85

 Herr Herter

SPD

 

X

 

86

 Herr Hilser

SPD

 

X

 

87

 Herr Höne

FDP

X

 

 

88

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

X

 

89

 Frau Howe

SPD

 

X

 

90

 Herr Hübner

SPD

 

X

 

91

 Herr Jäger

SPD

 

X

 

92

 Herr Jahl

SPD

 

X

 

93

 Frau Jansen

SPD

 

X

 

94

 Herr Jörg

SPD

 

X

 

95

 Herr Jostmeier

CDU

 

X

 

96

 Herr Kämmerling

SPD

 

X

 

97

 Herr Kaiser

CDU

 

X

 

98

 Herr Kamieth

CDU

 

X

 

99

 Herr Dr. Kerbein

FDP

X

 

 

100

 Herr Kerkhoff

CDU

 

X

 

101

 Herr Kern, Nicolaus

PIRATEN

X

 

 

102

 Herr Kern, Walter

CDU

 

X

 

103

 Herr Keymis

GRÜNE

 

X

 

104

 Frau Kieninger

SPD

 

X

 

105

 Herr Klocke

GRÜNE

 

X

 

106

 Frau Klöpper

CDU

 

X

 

107

 Herr Körfges

SPD

 

X

 

108

 Frau Kopp-Herr

SPD

 

X

 

109

 Frau Korte

CDU

entschuldigt

110

 Herr Kossiski

SPD

 

X

 

111

 Frau Kraft

SPD

 

X

 

112

 Herr Kramer

SPD

 

X

 

113

 Herr Krick

SPD

 

X

 

114

 Herr Krückel

CDU

 

X

 

115

 Herr Krüger

GRÜNE

 

X

 

116

 Herr Kruse

CDU

entschuldigt

117

 Herr Kufen

CDU

 

X

 

118

 Herr Kuper

CDU

 

X

 

119

 Herr Kutschaty

SPD

 

X

 

120

 Herr Lamla

PIRATEN

X

 

 

121

 Herr Laschet

CDU

 

X

 

122

 Herr Lienenkämper

CDU

 

X

 

123

 Herr Lindner

FDP

X

 

 

124

 Herr Löcker

SPD

 

X

 

125

 Herr Lohn

CDU

entschuldigt

126

 Frau Lück

SPD

 

X

 

127

 Frau Lüders

SPD

 

X

 

128

 Herr Lürbke

FDP

X

 

 

129

 Frau Lux

SPD

 

X

 

130

 Frau Maaßen

GRÜNE

 

X

 

131

 Herr Dr. Maelzer

SPD

 

X

 

132

 Herr Markert

GRÜNE

 

X

 

133

 Herr Marquardt

SPD

 

X

 

134

 Herr Marsching

PIRATEN

X

 

 

135

 Herr Meesters

SPD

 

X

 

136

 Frau Middendorf

CDU

 

X

 

137

 Frau Milz

CDU

 

X

 

138

 Herr Möbius

CDU

 

X

 

139

 Herr Moritz

CDU

abwesend

140

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

 

X

 

141

 Herr Müller, Hans-Peter

SPD

 

X

 

142

 Herr Müller, Holger

CDU

 

X

 

143

 Frau Müller-Witt

SPD

 

X

 

144

 Herr Münchow

SPD

 

X

 

145

 Herr Münstermann

SPD

 

X

 

146

 Herr Nettekoven

CDU

 

X

 

147

 Herr Nettelstroth

CDU

 

X

 

148

 Herr Neumann

SPD

 

X

 

149

 Herr Nückel

FDP

X

 

 

150

 Herr Olejak

PIRATEN

X

 

 

151

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

X

 

152

 Herr Ortgies

CDU

 

X

 

153

 Herr Ott

SPD

 

X

 

154

 Herr Dr. Papke

FDP

X

 

 

155

 Herr Dr. Paul, Joachim

PIRATEN

X

 

 

156

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

 

X

 

157

 Frau Philipp

SPD

 

X

 

158

 Frau Pieper

PIRATEN

X

 

 

159

 Herr Post

CDU

entschuldigt

160

 Herr Preuß

CDU

 

X

 

161

 Frau Preuß-Buchholz

SPD

 

X

 

162

 Herr Priggen

GRÜNE

 

X

 

163

 Herr Rahe

SPD

 

X

 

164

 Herr Rasche

FDP

X

 

 

165

 Herr Rehbaum

CDU

 

X

 

166

 Herr Römer

SPD

 

X

 

167

 Herr Rohwedder

PIRATEN

X

 

 

168

 Herr Rüße

GRÜNE

 

X

 

169

 Frau Ruhkemper

SPD

 

X

 

170

 Frau Rydlewski

PIRATEN

X

 

 

171

 Frau Schäfer, Ute

SPD

entschuldigt

172

 Frau Schäffer, Verena

GRÜNE

 

X

 

173

 Frau Scharrenbach

CDU

 

X

 

174

 Herr Schatz

PIRATEN

X

 

 

175

 Herr Scheffler

SPD

 

X

 

176

 Herr Schemmer

CDU

 

X

 

177

 Herr Schick

CDU

 

X

 

178

 Herr Schittges

CDU

 

X

 

179

 Herr Schlömer

SPD

 

X

 

180

 Herr Schmalenbach

PIRATEN

entschuldigt

181

 Herr Schmeltzer

SPD

 

X

 

182

 Frau Schmitt-Promny

GRÜNE

 

X

 

183

 Herr Schmitz, Hendrik

CDU

 

X

 

184

 Frau Schmitz, Ingola Stefanie

FDP

X

 

 

185

 Herr Schneider, Guntram

SPD

 

X

 

186

 Herr Schneider, René

SPD

 

X

 

187

 Frau Schneider, Susanne

FDP

X

 

 

188

 Herr Schultheis

SPD

 

X

 

189

 Herr Schulz

PIRATEN

X

 

 

190

 Frau Schulze

SPD

 

X

 

191

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

X

 

192

 Herr Schwerd

PIRATEN

X

 

 

193

 Herr Seel

CDU

 

X

 

194

 Frau Dr. Seidl

GRÜNE

 

X

 

195

 Herr Sieveke

CDU

 

X

 

196

 Herr Sommer

PIRATEN

entschuldigt

197

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

 

X

 

198

 Herr Spiecker

CDU

 

X

 

199

 Herr Dr. Stamp

FDP

X

 

 

200

 Herr Stein

CDU

 

X

 

201

 Frau Steininger-Bludau

SPD

 

X

 

202

 Frau Steinmann

SPD

 

X

 

203

 Herr Prof. Dr.Dr. Sternberg

CDU

 

X

 

204

 Herr Stotko

SPD

 

X

 

205

 Frau Stotz

SPD

 

X

 

206

 Herr Sundermann

SPD

 

X

 

207

 Herr Tenhumberg

CDU

 

X

 

208

 Herr Thiel

SPD

 

X

 

209

 Frau Thönnissen

CDU

 

X

 

210

 Herr Töns

SPD

entschuldigt

211

 Herr Tüttenberg

SPD

 

X

 

212

 Herr Ünal

GRÜNE

 

X

 

213

 Herr Uhlenberg

CDU

 

X

 

214

 Frau Velte

GRÜNE

 

X

 

215

 Herr Vogt, Alexander

SPD

 

X

 

216

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

X

 

217

 Frau Voigt-Küppers

SPD

 

X

 

218

 Frau Voßeler

CDU

 

X

 

219

 Herr Voussem

CDU

 

X

 

220

 Frau Wagener

SPD

 

X

 

221

 Frau Warden

SPD

 

X

 

222

 Frau Watermann-Krass

SPD

 

X

 

223

 Herr Weckmann

SPD

 

X

 

224

 Herr Wedel

FDP

X

 

 

225

 Herr Wegner

PIRATEN

X

 

 

226

 Herr Weiß

SPD

 

X

 

227

 Herr Weske

SPD

 

X

 

228

 Herr Wirtz, Axel

CDU

 

X

 

229

 Herr Wirtz, Josef

CDU

 

X

 

230

 Herr Witzel

FDP

X

 

 

231

 Herr Dr. Wolf, Ingo

FDP

abwesend

232

 Herr Wolf, Sven

SPD

 

X

 

233

 Herr Wüst

CDU

abwesend

234

 Herr Yetim

SPD

 

X

 

235

 Herr Yüksel

SPD

 

X

 

236

 Frau Zentis

GRÜNE

 

X

 

237

 Herr Zimkeit

SPD

 

X

 

 

Ergebnis

 

35

187

 


Anlage 2

Zu TOP 6 – Gesetz zur Stärkung des Regionalverbands Ruhr (Drucksache 16/6866) – von Werner Jostmeier (CDU) nach § 47 Abs. 2 GeschO zu Protokoll gegebene schriftliche Erklärung zur Abstimmung

Zum Punkt sechs der Tagesordnung der Plenarsitzung vom 29. April 2015 „Gesetz zur Stärkung des Regionalverbands Ruhr“ teile ich mit, dass ich, wie weitere Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion, dem Gesetzentwurf der Landesregierung (Drucksache 16/6866) sowie der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik (Drucksache 16/8464) nicht zustimmen werde.

Begründung:

Zunächst stelle ich fest, dass ich jede Maßnahme unterstütze, die dazu beiträgt, das Ruhrgebiet mit seinen Strukturproblemen zu stützen, es wirtschaftlich zu stärken, Innovationen voranzutreiben und es somit insgesamt zukunftsfest zu machen.

Dieses heute zur Abstimmung stehende RVR-Gesetz ist meines Erachtens nicht geeignet, die Kommunen des RVR-Gebietes wirtschaftlich, verwaltungsmäßig, politisch, kulturell oder in Bezug auf ihre Identität zu stärken.

Mit dem vorliegenden RVR-Gesetz, insbesondere mit der vorgesehenen Direktwahl des „Ruhrparlamentes“ werden für eine Region in NRW Sonderregeln, -strukturen, -rechte und -verfahren geschaffen. Das ist meines Erachtens nicht hilfreich für das Land Nordrhein-Westfalen als Ganzes. Dadurch, dass gleiche Rechte und Möglichkeiten den übrigen Landesteilen auch zugestanden werden, kann ein „Rutschbahneffekt“ entstehen mit der Folge einer Dezentralisierung und der Gefahr der Teilung des Landes und einer Schwächung des Landtages.

Das ist nicht gut für das Land Nordrhein-Westfalen, das schwächt Nordrhein-Westfalen in der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland und ist nicht hilfreich im Verhältnis zur Europäischen Union.

Insbesondere fehlt bei diesen weitreichenden politischen und verwaltungsmäßigen Konsequenzen jegliche Kostenfolgenabschätzung.

Ich bitte Sie, diese Erklärung nach § 47 Abs. 2 der GeschO des Landtages NRW in das Plenarprotokoll aufzunehmen.

gez. Werner Jostmeier


Anlage 3

Namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/7383TOP 11 (Zweites Gesetz zur Änderung des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Vorschriften [Ökologisches Jagdgesetz])

 

 

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Herr Abel

GRÜNE

X

 

 

2

 Herr Abruszat

FDP

 

X

 

3

 Herr Dr. Adelmann

SPD

X

 

 

4

 Herr Alda

FDP

 

X

 

5

 Frau Altenkamp

SPD

X

 

 

6

 Frau Andres

SPD

X

 

 

7

 Frau Asch

GRÜNE

X

 

 

8

 Herr Bas

GRÜNE

X

 

 

9

 Herr Bayer

PIRATEN

entschuldigt

10

 Herr Becker, Andreas

SPD

X

 

 

11

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

X

 

 

12

 Frau Beer

GRÜNE

X

 

 

13

 Frau Dr. Beisheim

GRÜNE

X

 

 

14

 Herr Bell

SPD

X

 

 

15

 Frau Benninghaus

SPD

X

 

 

16

 Herr van den Berg

SPD

X

 

 

17

 Herr Dr. Berger

CDU

 

X

 

18

 Herr Berghahn

SPD

X

 

 

19

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

X

 

20

 Herr Beu

GRÜNE

X

 

 

21

 Herr Bialas

SPD

X

 

 

22

 Herr Biesenbach

CDU

 

X

 

23

 Frau Birkhahn

CDU

 

X

 

24

 Herr Bischoff

SPD

X

 

 

25

 Frau Blask

SPD

X

 

 

26

 Herr Börner

SPD

X

 

 

27

 Herr Börschel

SPD

X

 

 

28

 Freifrau von Boeselager

CDU

 

X

 

29

 Herr Bolte

GRÜNE

X

 

 

30

 Herr Bombis

FDP

 

X

 

31

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

X

 

 

32

 Frau Brand

PIRATEN

X

 

 

33

 Frau Brems

GRÜNE

X

 

 

34

 Herr Breuer

SPD

X

 

 

35

 Herr Brockes

FDP

 

X

 

36

 Frau Dr. Bunse

CDU

 

X

 

37

 Herr Burkert

CDU

 

X

 

38

 Herr Busen

FDP

 

X

 

39

 Herr Dahm

SPD

X

 

 

40

 Herr Deppe

CDU

 

X

 

41

 Frau van Dinther

CDU

 

X

 

42

 Frau Dmoch-Schweren

SPD

entschuldigt

43

 Frau Doppmeier

CDU

 

X

 

44

 Herr Dr. Droste

CDU

 

X

 

45

 Herr Dudas

SPD

X

 

 

46

 Frau Düker

GRÜNE

X

 

 

47

 Herr Düngel

PIRATEN

X

 

 

48

 Herr Eiskirch

SPD

X

 

 

49

 Herr Ellerbrock

FDP

entschuldigt

50

 Herr Engstfeld

GRÜNE

X

 

 

51

 Frau Fasse

CDU

 

X

 

52

 Herr Fehring

CDU

 

X

 

53

 Herr Feuß

SPD

X

 

 

54

 Herr Fortmeier

SPD

X

 

 

55

 Frau Freimuth

FDP

 

X

 

56

 Herr Fricke

PIRATEN

X

 

 

57

 Herr Ganzke

SPD

X

 

 

58

 Herr Garbrecht

SPD

X

 

 

59

 Herr Gatter

SPD

X

 

 

60

 Frau Gebauer

FDP

 

X

 

61

 Frau Gebhard

SPD

X

 

 

62

 Herr Geyer

SPD

X

 

 

63

 Frau Gödecke

SPD

X

 

 

64

 Herr Goldmann

GRÜNE

X

 

 

65

 Herr Golland

CDU

 

X

 

66

 Frau Grochowiak-Schmieding

GRÜNE

X

 

 

67

 Herr Große Brömer

SPD

X

 

 

68

 Herr von Grünberg

SPD

X

 

 

69

 Herr Grunendahl

CDU

 

X

 

70

 Frau Güler

CDU

 

X

 

71

 Herr Haardt

CDU

 

X

 

72

 Herr Dr. Hachen

CDU

 

X

 

73

 Frau Hack

SPD

X

 

 

74

 Herr Hafke

FDP

 

X

 

75

 Herr Hahnen

SPD

X

 

 

76

 Frau Hammelrath, Gabriele

SPD

X

 

 

77

 Frau Hammelrath, Helene

SPD

X

 

 

78

 Frau Hanses

GRÜNE

X

 

 

79

 Herr Hausmann

CDU

 

X

 

80

 Herr Hegemann

CDU

 

X

 

81

 Herr Heinrichs

SPD

X

 

 

82

 Frau Hendricks

SPD

X

 

 

83

 Herr Hendriks

CDU

 

X

 

84

 Herr Herrmann

PIRATEN

X

 

 

85

 Herr Herter

SPD

X

 

 

86

 Herr Hilser

SPD

X

 

 

87

 Herr Höne

FDP

 

X

 

88

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

X

 

89

 Frau Howe

SPD

X

 

 

90

 Herr Hübner

SPD

X

 

 

91

 Herr Jäger

SPD

X

 

 

92

 Herr Jahl

SPD

X

 

 

93

 Frau Jansen

SPD

X

 

 

94

 Herr Jörg

SPD

X

 

 

95

 Herr Jostmeier

CDU

 

X

 

96

 Herr Kämmerling

SPD

X

 

 

97

 Herr Kaiser

CDU

 

X

 

98

 Herr Kamieth

CDU

 

X

 

99

 Herr Dr. Kerbein

FDP

 

X

 

100

 Herr Kerkhoff

CDU

 

X

 

101

 Herr Kern, Nicolaus

PIRATEN

X

 

 

102

 Herr Kern, Walter

CDU

 

X

 

103

 Herr Keymis

GRÜNE

X

 

 

104

 Frau Kieninger

SPD

X

 

 

105

 Herr Klocke

GRÜNE

X

 

 

106

 Frau Klöpper

CDU

 

X

 

107

 Herr Körfges

SPD

X

 

 

108

 Frau Kopp-Herr

SPD

X

 

 

109

 Frau Korte

CDU

 

X

 

110

 Herr Kossiski

SPD

X

 

 

111

 Frau Kraft

SPD

X

 

 

112

 Herr Kramer

SPD

X

 

 

113

 Herr Krick

SPD

X

 

 

114

 Herr Krückel

CDU

 

X

 

115

 Herr Krüger

GRÜNE

X

 

 

116

 Herr Kruse

CDU

entschuldigt

117

 Herr Kufen

CDU

 

X

 

118

 Herr Kuper

CDU

 

X

 

119

 Herr Kutschaty

SPD

X

 

 

120

 Herr Lamla

PIRATEN

 

X

 

121

 Herr Laschet

CDU

 

X

 

122

 Herr Lienenkämper

CDU

 

X

 

123

 Herr Lindner

FDP

 

X

 

124

 Herr Löcker

SPD

X

 

 

125

 Herr Lohn

CDU

entschuldigt

126

 Frau Lück

SPD

X

 

 

127

 Frau Lüders

SPD

X

 

 

128

 Herr Lürbke

FDP

 

X

 

129

 Frau Lux

SPD

X

 

 

130

 Frau Maaßen

GRÜNE

X

 

 

131

 Herr Dr. Maelzer

SPD

X

 

 

132

 Herr Markert

GRÜNE

X

 

 

133

 Herr Marquardt

SPD

X

 

 

134

 Herr Marsching

PIRATEN

 

 

X

135

 Herr Meesters

SPD

X

 

 

136

 Frau Middendorf

CDU

 

X

 

137

 Frau Milz

CDU

 

X

 

138

 Herr Möbius

CDU

 

X

 

139

 Herr Moritz

CDU

 

X

 

140

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

X

 

 

141

 Herr Müller, Hans-Peter

SPD

X

 

 

142

 Herr Müller, Holger

CDU

 

X

 

143

 Frau Müller-Witt

SPD

X

 

 

144

 Herr Münchow

SPD

X

 

 

145

 Herr Münstermann

SPD

X

 

 

146

 Herr Nettekoven

CDU

 

X

 

147

 Herr Nettelstroth

CDU

 

X

 

148

 Herr Neumann

SPD

X

 

 

149

 Herr Nückel

FDP

 

X

 

150

 Herr Olejak

PIRATEN

X

 

 

151

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

X

 

152

 Herr Ortgies

CDU

 

X

 

153

 Herr Ott

SPD

X

 

 

154

 Herr Dr. Papke

FDP

 

X

 

155

 Herr Dr. Paul, Joachim

PIRATEN

X

 

 

156

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

X

 

 

157

 Frau Philipp

SPD

X

 

 

158

 Frau Pieper

PIRATEN

X

 

 

159

 Herr Post

CDU

entschuldigt

160

 Herr Preuß

CDU

 

X

 

161

 Frau Preuß-Buchholz

SPD

X

 

 

162

 Herr Priggen

GRÜNE

X

 

 

163

 Herr Rahe

SPD

X

 

 

164

 Herr Rasche

FDP

 

X

 

165

 Herr Rehbaum

CDU

 

X

 

166

 Herr Römer

SPD

X

 

 

167

 Herr Rohwedder

PIRATEN

X

 

 

168

 Herr Rüße

GRÜNE

X

 

 

169

 Frau Ruhkemper

SPD

X

 

 

170

 Frau Rydlewski

PIRATEN

X

 

 

171

 Frau Schäfer, Ute

SPD

entschuldigt

172

 Frau Schäffer, Verena

GRÜNE

X

 

 

173

 Frau Scharrenbach

CDU

entschuldigt

174

 Herr Schatz

PIRATEN

X

 

 

175

 Herr Scheffler

SPD

X

 

 

176

 Herr Schemmer

CDU

 

X

 

177

 Herr Schick

CDU

 

X

 

178

 Herr Schittges

CDU

 

X

 

179

 Herr Schlömer

SPD

X

 

 

180

 Herr Schmalenbach

PIRATEN

entschuldigt

181

 Herr Schmeltzer

SPD

X

 

 

182

 Frau Schmitt-Promny

GRÜNE

X

 

 

183

 Herr Schmitz, Hendrik

CDU

 

X

 

184

 Frau Schmitz, Ingola Stefanie

FDP

 

X

 

185

 Herr Schneider, Guntram

SPD

X

 

 

186

 Herr Schneider, René

SPD

X

 

 

187

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

X

 

188

 Herr Schultheis

SPD

X

 

 

189

 Herr Schulz

PIRATEN

 

 

X

190

 Frau Schulze

SPD

X

 

 

191

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

X

 

192

 Herr Schwerd

PIRATEN

X

 

 

193

 Herr Seel

CDU

 

X

 

194

 Frau Dr. Seidl

GRÜNE

X

 

 

195

 Herr Sieveke

CDU

 

X

 

196

 Herr Sommer

PIRATEN

entschuldigt

197

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

X

 

 

198

 Herr Spiecker

CDU

 

X

 

199

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

X

 

200

 Herr Stein

CDU

 

X

 

201

 Frau Steininger-Bludau

SPD

X

 

 

202

 Frau Steinmann

SPD

X

 

 

203

 Herr Prof. Dr.Dr. Sternberg

CDU

 

X

 

204

 Herr Stotko

SPD

X

 

 

205

 Frau Stotz

SPD

X

 

 

206

 Herr Sundermann

SPD

X

 

 

207

 Herr Tenhumberg

CDU

 

X

 

208

 Herr Thiel

SPD

X

 

 

209

 Frau Thönnissen

CDU

 

X

 

210

 Herr Töns

SPD

entschuldigt

211

 Herr Tüttenberg

SPD

X

 

 

212

 Herr Ünal

GRÜNE

X

 

 

213

 Herr Uhlenberg

CDU

 

X

 

214

 Frau Velte

GRÜNE

X

 

 

215

 Herr Vogt, Alexander

SPD

X

 

 

216

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

X

 

217

 Frau Voigt-Küppers

SPD

X

 

 

218

 Frau Voßeler

CDU

 

X

 

219

 Herr Voussem

CDU

 

X

 

220

 Frau Wagener

SPD

X

 

 

221

 Frau Warden

SPD

X

 

 

222

 Frau Watermann-Krass

SPD

X

 

 

223

 Herr Weckmann

SPD

X

 

 

224

 Herr Wedel

FDP

 

X

 

225

 Herr Wegner

PIRATEN

 

 

X

226

 Herr Weiß

SPD

X

 

 

227

 Herr Weske

SPD

X

 

 

228

 Herr Wirtz, Axel

CDU

 

X

 

229

 Herr Wirtz, Josef

CDU

 

X

 

230

 Herr Witzel

FDP

 

X

 

231

 Herr Dr. Wolf, Ingo

FDP

 

X

 

232

 Herr Wolf, Sven

SPD

X

 

 

233

 Herr Wüst

CDU

 

X

 

234

 Herr Yetim

SPD

X

 

 

235

 Herr Yüksel

SPD

X

 

 

236

 Frau Zentis

GRÜNE

X

 

 

237

 Herr Zimkeit

SPD

X

 

 

 

Ergebnis:

 

137

86

3

 


Anlage 4

Zu TOP 14 – Mehr Chancengleichheit durch verlässliche Gewährung von Nachteilsausgleichen für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen – zu Protokoll gegebene Reden

Ina Spanier-Oppermann (SPD):

Kein Kind zurücklassen und einem jeden die besten Bildungschancen ermöglichen, so begann meine Rede im November des vergangenen Jahres und so beginnt sie auch heute.

Denn unser Thema ist erneut die Gewährung von Nachteilsausgleichen bei Schülerinnen und Schülern mit Teilleistungsschwächen. Da möchte ich gern Schulministerin Löhrmann zitieren, die bei unserer damaligen Plenardiskussion zum Nachteilsausgleich mit den Worten schloss, das Thema sei es allemal wert, ausführlich und konstruktiv besprochen zu werden.

Wie wahr.

Bringt das Ringen um Anerkennung eines Nachteilsausgleichs doch so manche Familie aus der Balance. Eine Familie, der das widerfahren ist und die ich mehrere Monate begleiten durfte, ist heute Abend auch gekommen, um unserer Plenardebatte zuzuhören. Sie begrüße ich besonders herzlich.

Es freut mich außerordentlich, dass unserer heutigen Diskussion ein parteiübergreifender Antrag zugrunde liegt. Damals schon konnte man bei allen Wortbeiträgen viele inhaltliche Übereinstimmungen feststellen, und so ist der gemeinsame Antrag nur folgerichtig.

Zur Kernaussage des Antrags:

Zukünftig wollen wir über die bereits geregelte LRS hinaus auch Kindern mit anderen Teilleistungsschwächen einen Nachteilsausgleich zukommen lassen. Dies betrifft insbesondere Kinder und Jugendliche mit Lernbeeinträchtigungen aufgrund chronischer Krankheiten, ADHS oder Schülerinnen und Schüler mit einer Rechenschwäche.

Damit dies gut und verlässlich in NRW umgesetzt werden kann, bedarf es noch einiger Arbeit. Beispielhaft greife ich folgende Punkte heraus:

Hinsichtlich der Bereitstellung von Informationen für Schulleitungen, Eltern und Lehrer gibt es noch Raum für Verbesserungen. Wir müssen dafür sorgen, dass verstärkt Informationen über Verfahrensform und Gewährung von Nachteilsausgleichen gegeben werden. Nur so gibt es Sicherheit und Verlässlichkeit in der Anwendung und Umsetzung. Dabei muss die Arbeitshilfe für Schulleitungen breiter gestreut werden und auch den anderen Akteuren zur Kenntnis gebracht werden.

Darüber hinaus sollen die schulrechtlichen Regelungen zu dem Thema auf den Prüfstand gestellt werden, sodass wir auch unter diesem Aspekt Auseinandersetzungen in diesem Thema auf ein Minimum reduzieren.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich unsere grundsätzliche Haltung zu diesem Thema: Nachteilsausgleich ist kein Privileg und keine Vorteilsnahme, um sich vor schlechten Leistungen zu schützen. Nachteilsausgleiche beziehen sich auf zielgleiche Abschlüsse und müssen die Leistungsanforderungen beibehalten. In diesem Sinne danke ich den Kolleginnen und Kollegen für den gemeinsamen Antrag.

Nun gilt es, das Thema weiter zu begleiten und voranzubringen. Vielen Dank.

Sigrid Beer (GRÜNE):

Der Diskurs in der Pädagogik und Didaktik wird seit Jahren immer stärker dadurch bestimmt, dass der junge Mensch im Mittelpunkt steht. Im Schulgesetz ist seit nunmehr fast zehn Jahren direkt zu Anfang des Gesetzes das Recht eines jeden jungen Menschen auf Bildung und individuelle Förderung verankert. Zu Recht.

Die Debatte um die Schaffung eines inklusiven Bildungssystems im Zuge der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verstärkt den Anspruch, jedem Menschen mit seinen Talenten und Schwächen gerecht zu werden.

Dazu gehört selbstverständlich auch, Schwächen, die vielleicht auf den ersten Blick weder Eltern noch Lehrkräften bewusst sind, zu erkennen und entsprechend im schulischen Handeln zu berücksichtigen.

Das Wohl der Kinder und Jugendlichen erfordert es, genauer hinzuscheuen, Ursachen für Schwächen der Schülerin oder des Schülers beim Lesen, Schreiben oder Rechnen festzustellen. Wo diese Teilleistungsschwächen erkannt und festgestellt wurden, sollen die Kinder Nachteile, die sich daraus ergeben, ausgleichen können.

Im Falle der Lese-Rechtschreibschwäche ist dies in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der entsprechenden Schulstufen geregelt. Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass diese Rechtsgrundlage für die Gewährung von Nachteilsausgleichen nicht ausreichend bekannt ist. Eltern und Lehrkräfte sind oftmals unsicher in der Anwendung. Deshalb ist es richtig, die Landesregierung aufzufordern, für eine bessere Information der Schulleitungen, Kollegien, Eltern und Schülerinnen und Schülern Sorge zu tragen.

Bei der Rechenschwäche ist auch in anderen Bundesländern die Diskussion im Fluss. Mit dem vorliegenden Antrag bitten wir die Landesregierung, aktuelle Forschungsstände und rechtliche Regelungen der Bundesländer sowie den Diskussionsstand innerhalb der KMK zusammenzutragen und dem Landtag zu berichten. Die Anhörung hatte gezeigt, dass das Feld breiter ist, als es in der knappen Zeit der Anhörung ausgebreitet werden konnte.

Es darf bei der Frage des Nachteilsausgleiches natürlich nicht um eine Absenkung der Leistungsanforderungen des nordrhein-westfälischen Schulsystems gehen. Nicht jeder, der sich mit Mathe schwertut, soll sich davon befreien lassen dürfen.

Nein, es geht auch nicht um eine Bevorzugung, sondern um die Herstellung von Chancengleichheit eben durch Nachteilsausgleich.

Darauf haben Schülerinnen und Schüler mit festgestellter Teilleistungsschwäche einen Anspruch. Das darf nicht davon abhängig sein, auf welche Lehrkraft Schülerinnen und Schüler treffen.

Deshalb brauchen wir klare Regelungen. Wir brauchen Rechtssicherheit für Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler. Das bringt ein Mehr an Bildungsgerechtigkeit und erhöht zugleich die Leistungsfähigkeit des Schulsystems.

Ich bin sehr froh, dass die Debatte in der Anhörung und im Ausschuss sehr sachlich verlaufen ist und alle Fraktionen gemeinsam dieses Ziel teilen und heute auch zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen.

Ich bin gespannt auf den Bericht der Landesregierung und die anschließende Beratung, sodass wir hoffentlich auch einvernehmlich zu den Veränderungen kommen, die dann als notwendig erachtet werden.

Yvonne Gebauer (FDP):

Auch als FDP-Fraktion begrüßen wir es, dass es gelungen ist, hier einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu erreichen.

Bereits in vergangenen Legislaturperioden hat die Frage der Gewährung von Nachteilsausgleichen bei Teilleistungsschwächen meine Fraktion, aber auch das gesamte Parlament immer wieder beschäftigt.

Oftmals bestehen an den Schulen Unsicherheiten bei der Vergabe von Nachteilsausgleichen, die dort bisweilen auch zu Konflikten führen können.

Es muss daher sichergestellt sein, dass denjenigen Schülerinnen und Schülern, die ein Anrecht auf einen Nachteilsausgleich haben, dieser auch in einem transparenten Verfahren gewährt wird. Betroffenen Schülerinnen und Schülern wird so ermöglicht, die Kompetenzerwartungen erfüllen zu können.

Bei solchen Nachteilsausgleichen, wie zum Beispiel zusätzlicher Bearbeitungszeit oder einer Modifikation von Aufgaben, ist aber wichtig zu betonen, dass inhaltliche Leistungsanforderungen dabei vom Grundsatz nicht verändert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund der immer wieder auftauchenden Rückmeldungen zu Unsicherheiten an Schulen ist es unerlässlich, die Informationen zur bestehenden Rechtslage sowohl für die Schulen, aber auch für die Eltern und die Schülerschaft zu intensivieren. Darüber hinaus hat auch die Anhörung verdeutlicht, dass wir an dieser Stelle in einen weitergehenden Prozess eintreten müssen.

Daher ist es bei der Frage der Nachteilsausgleiche notwendig, dass die bestehende Rechtslage auf gegebenenfalls bestehenden Änderungsbedarf hin einer Prüfung unterzogen wird.

Auch ist es aus Sicht der FDP-Fraktion wichtig, dass die Landesregierung dem Parlament den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und aktuelle schulrechtliche Regelungen zu Nachteilsausgleichen im Bundesländervergleich unterbreitet. Es ist schon etwas irritierend, wenn bei einigen Teilleistungsschwächen und in unterschiedlichen Altersstufen in den Bundesländern bisweilen höchst unterschiedlich vorgegangen wird. Daher ist es wichtig und richtig, dass der Diskussionstand in der KMK miteinbezogen wird und die Landesregierung dort auf ein einheitliches Verfahren zur Vergabe von Nachteilsausgleichen hinwirken wird.

Last, but not least: Wir dürfen insbesondere Schulleitungen und Lehrkräfte bei diesen Fragen nicht alleine lassen. Daher ist der FDP gerade auch die stärkere Berücksichtigung von Teilleistungsschwächen und Nachteilsausgleichen in Lehramtsaus- und -fortbildung sowie der Schulleitungsqualifikation ein zentrales Anliegen.

Ich hoffe, dass auch im weiteren Verfahren eine sachorientierte Zusammenarbeit im Interesse aller Beteiligten gelingen wird. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Monika Pieper (PIRATEN):

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Besucher! Ich freue mich aus drei Gründen darüber, dass wir heute diesen Antrag gemeinsam einbringen und abstimmen.

Erstens freue ich mich darüber, dass wir, so hoffe ich, mit diesem Antrag vielen Schülerinnen, Schülern und Eltern eine gewisse Sicherheit im Anspruch auf die Gewährung von Nachteilsausgleichen geben und den Betroffenen damit helfen.

Auch eine bessere Information der Kolleginnen und Kollegen über die Möglichkeiten zur Gewährung von Nachteilsausgleichen wird sicherlich eine Hilfestellung sein, diese Ansprüche an den Schulen sinnvoll umzusetzen.

Zweites freue ich mich darüber, dass dieses doch etwas sperrige Thema von allen Fraktionen als wichtig beurteilt wurde und der Handlungsbedarf nirgendwo infrage stand. Dadurch ist es uns gelungen, über Fraktionsgrenzen hinweg sachlich und konstruktiv zu einem gemeinsamen Weg zu kommen, der nun in diesem Antrag vorliegt. Dafür herzlichen Dank.

Drittens, und darüber freue ich mich mindestens genauso, ist es uns an dieser Stelle gelungen, zu zeigen, dass politisches Engagement sich lohnt, dass es sich lohnt, Politikerinnen anzusprechen und sich einzumischen. Dieser Antrag beruht auf der Anfrage einer betroffenen Mutter, die sich mit der Problematik an die Piratenfraktion gewandt hat und um Unterstützung gebeten hat. Diese junge Frau darf jetzt zu Recht stolz darauf sein, dass es ihre Initiative war, durch die ein wichtiges Thema aufgegriffen und bearbeitet wurde und jetzt zu einer Verbesserung für viele Schüler in NRW führen kann. Auch dafür ein herzlicher Dank.

Von diesen Initiativen wünsche ich mir noch viel mehr, und wir Parlamentarier müssen noch viel mehr Werbung für das Einmischen und Engagement der Menschen in die Politik in NRW machen.

Astrid Birkhahn (CDU):

Im Februar 2014 hat sich der Landtag erstmals mit den Problemen bei der Gewährung von Nachteilsausgleichen befasst; angestoßen hatte dies die Fraktion der Piraten, die in ihrem Antrag 16/5028 auf die weitgehend unklaren Grundlagen und Verfahren für solch eine Gewährung hinwies und auch eine Ausweitung des Berechtigtenkreises ansprach.

In den Reden aller Fraktionen wurde deutlich, dass die fachliche Auseinandersetzung im Ausschuss in der Absicht und mit dem Ziel geführt werden soll, etwas Gutes für die Betroffenen zu erreichen und mehr Gerechtigkeit zu schaffen.

Die Entwicklung ist in der Zwischenzeit anders verlaufen; doch heute liegt nun ein gemeinsamer Antrag vor, und das ist zunächst einmal ein Grund zur Freude!

Herauszustellen sind zuallererst die eindeutigen Pluspunkte:

1. Es ist gelungen, den Kreis der Berechtigten auszuweiten durch ausdrückliches Einbeziehen der Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen.

2. Das Thema bleibt im Fokus!

3. Die Informationsbasis wird verbreitert!

4. Das Hinwirken auf ein bundesweit einheitliches Verfahren ist ein Schritt in die richtige Richtung!

Insgesamt sind die Dinge soweit gut auf den Weg gebracht!

Aber: Wir als CDU-Fraktion können mit der Lösung der Aufgabe nicht voll zufrieden sein!

Wie steht es mit der angekündigten verlässlichen Gewährung? Nur die derzeitige Rechtsgrundlage heranzuziehen ist wirklich nicht hinreichend!

Sehen wir auf die bisherigen Regelungen:

Bei LRS haben wir eine gute Regelungsgrundlage für den Berechtigtenkreis und die Entlastungsmaßnahmen durch eine klare Erlasslage!

Aber bei Dyskalkulie? Bei Teilleistungsschwäche? Bei ADHS?

Hier muss im Einzelfall immer noch eine Maßnahme beantragt/erbeten werden, hier entscheidet immer noch allein die Schulleitung, die Entscheidungsspielräume nutzen kann.

Spielräume schaffen Möglichkeiten, aber keine sichere Vergleichbarkeit!

Auf der anderen Seite ist zu beobachten: Eloquente Eltern sind bessere Anwälte ihrer Kinder und erreichen mehr! Das werden Schulleitungen bestätigen!

Kann auf diese Weise Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit gelingen? Schaffen wir so Chancen- gerechtigkeit?

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich hoffe, auch Ihnen ist deutlich geworden, dass noch weiterer Handlungsbedarf besteht!

Forschungsergebnisse müssen rasch in die Überlegungen einbezogen werden.

Es müssen klare Voraussetzungen und Verfahrensabläufe durch Erlasse geregelt werden!

Lassen Sie uns nicht nachlassen in der Bemühung um Chancengerechtigkeit!

Lassen Sie uns dafür sorgen, dass die versprochene Verlässlichkeit wachsen kann!

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung:

Ich freue mich über die Einbringung eines gemeinsamen Antrags aller Fraktionen bei diesem Thema. Denn das Herstellen von Chancengleichheit und die stetige Entwicklung der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler sind zentrale Grundlagen der Bildungspolitik der Landesregierung.

Das gilt selbstverständlich auch für diejenigen jungen Menschen, denen trotz vieler Bemühungen, aber aufgrund von besonderen Beeinträchtigungen beim Lernen der schulische Erfolg nicht so leicht gelingt.

Das Thema lässt sich nicht einfach bewältigen; das haben wir in unseren vielen Gesprächen und Diskussionen in den letzten Monaten immer wieder erlebt. Es gibt zahlreiche Implikationen; gerade Aspekte, die sich mit Leistungsbewertung und Berechtigungen befassen, sind komplex. Auf einen Kernsatz aus den KMK-Empfehlungen möchte ich in diesem Zusammenhang verweisen:

Nachteilsausgleiche sind keine Vorteilsnahme. Das gilt für alle Seiten: für diejenigen, die berechtigterweise Nachteilsausgleiche erhalten, und genauso für diejenigen, die keine Nachteilsausgleiche erhalten.

Es gibt natürlich einen geltenden rechtlichen Regelungsrahmen in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen. Aber es ist immer sinnvoll, die bestehende Rechtsgrundlage im Licht aktuellerer Forschungsstände zu überprüfen, gegebenenfalls anzupassen und dabei den Schulen insbesondere im Kontext der individuellen Förderung – ohne Verzicht auf eine Vergleichbarkeit der Leistungsanforderungen – möglicherweise weitere Spielräume einzuräumen.

Die Anhörung vom 29. Oktober 2014 hat uns noch einmal gezeigt, dass es nicht ausschließlich um rechtliche Fragen gehen kann, sondern dass im Kern die Förderung – die individuelle Förderung, wie sie unser Schulgesetz ja vorsieht – geleistet und gelebt werden muss.

Aber diese mit Leben zu füllen, gelebten Schul- und Prüfungsalltag für alle Beteiligten zu realisieren, ist uns noch nicht so gelungen, wie es sein sollte. Es herrscht immer noch Unsicherheit in den Schulen. Dies führt immer wieder zu Konflikten zwischen Eltern, Lehrkräften und Schulaufsicht. Über die Möglichkeiten der Nutzung von Nachteilsausgleichen fühlen sich die Betroffenen, Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer häufig unzureichend informiert.

Mit dem nun vorliegenden Antrag ist ein kleines Meisterstück gelungen: ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen dieses Parlaments! Dazu haben alle handelnden Personen in den letzten sieben Monaten seit der Anhörung ein großes Stück Arbeit geleistet.

Die in diesem gemeinsamen Antrag formulierten Prüfaufträge sollen helfen, eine Verbesserung zu schaffen, sodass nicht nur Unsicherheiten bei Eltern und Lehrkräften abgebaut werden, sondern auch alle jungen Menschen die verantwortliche, unterstützende und somit bestmögliche Förderung erhalten. Daran mit allen Beteiligten zu arbeiten ist auch das Ziel meines Hauses. Die im Antrag formulierten Prüfaufträge nehme ich in diesem Sinne an. Naturgemäß bleibt heute offen, welche Schlussfolgerungen aus den Prüfaufträgen im Einzelnen gezogen werden können.

Dass es sinnvoll ist, bundesweit möglichst einheitlich zu verfahren, möchte ich abschließend ausdrücklich unterstreichen.

Ich bin gespannt auf die weiteren Beratungen zu dieser komplexen Materie.


Anlage 5

Zu TOP 21 – Gesetz zur Neuregelung des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Wir verfügen in Nordrhein-Westfalen über einen leistungsstarken Feuer- und Katastrophenschutz.

Die rechtliche Grundlage dazu bildet das FSHG, ein Gesetz, das 1998 in Kraft getreten ist und sich seitdem kaum verändert hat.

Mit dem nun vorliegenden BHKG lösen wir das FSHG ab und ersetzen es durch ein neues, modernes und zukunftsfähiges Regelwerk.

Dabei setzen wir in drei Bereichen neue Schwerpunkte:

Wir stärken die zentrale Rolle des Ehrenamtes in der Feuerwehr. Wir werten den Katastrophenschutz auf und passen die Regelungen zum Brandschutz an.

Die fünf Minuten, die mir zur Einbringung dieses Gesetzes zur Verfügung stehen, reichen dabei nicht aus, um alle Änderungen hier ausführlich darzustellen. Ich will deshalb nur auf ein paar Bereiche hinweisen:

Der Katastrophenschutz hat in den letzten Jahren – und erst Recht seit Inkrafttreten des FSHG – zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Das war bisher im Gesetz so nicht erkennbar. Teilweise wurde sogar die Ansicht vertreten, dass es in NRW überhaupt kein Katastrophenschutzgesetz geben würde.

Dem hohen Stellenwert des Katastrophenschutzes wird das neue BHKG gerecht. Er ist jetzt, neben dem Brandschutz und der Hilfeleistung, ausdrücklich als gleichrangiger Aufgabenbereich verankert.

Was den Brandschutz betrifft, so passen wir insbesondere die Regelungen zur Organisation der Feuerwehren an.

Hierdurch wollen wir ein gleichberechtigtes Zusammenwirken von ehren- und hauptamtlichen Kräften der Feuerwehr fördern.

Mit den weiteren Änderungen wollen wir das bestehende Potenzial zur Hilfeleistung weiter optimieren, beispielsweise durch die Aufnahme einer Option für den hauptamtlichen Kreisbrandmeister, die Wiedereinführung der Betriebsfeuerwehren oder durch die Einführung der Kinderfeuerwehr.

Gerade dieser Punkt liegt mir persönlich sehr am Herzen, denn er ermöglicht es unseren Kommunen künftig, Jungen und Mädchen spielerisch schon früh für die Feuerwehr zu begeistern.

Ich denke, ich muss keinem hier mehr erklären, wie elementar wichtig das Ehrenamt im Brand- und Katastrophenschutz ist.

Dieses Engagement wollen wir mit dem BHKG weiter fördern, indem wir die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt im Brandschutz, der Hilfeleistung und dem Katastrophenschutz verbessern.

Dieser Gesetzentwurf ist auch das Ergebnis einer breiten Beteiligung, im Rahmen derer Erfahrungen aus der Praxis sowie sinnvolle Ergänzungen eingeflossen sind. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle ausdrücklich.

Die kommunalen Spitzenverbände, die Feuerwehrverbände, die Hilfsorganisationen, die Verbände aus dem Bereich des Gesundheitswesens und die Gewerkschaften haben die vorgesehenen Anpassungen und Neuerungen sowie die strukturelle Neuausrichtung des Gesetzes bestätigt.

Das ist ein guter Ausgangspunkt für die Beratungen im Ausschuss, auf die ich mich sehr freue.


Anlage 6

Zu TOP 22 – Gesetz zur Beschleunigung der Aufstellung kommunaler Gesamtabschlüsse – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Umfragen meines Hauses innerhalb der kommunalen Familie haben gezeigt, dass viele Kommunen in NRW ihre Gesamtabschlüsse für vergangene Jahre noch nicht abgeschlossen haben.

Die Folge dessen ist, dass es in diesen Kommunen keine aktuellen Istdaten über die Haushaltswirtschaft gibt – und zwar über die gesamte Haushaltswirtschaft. Dieser Umstand ist insbesondere für die Räte vor Ort ein Problem, denn sie sind für ihre Beratungen auf aktuelle Haushaltsdaten dringend angewiesen.

Das heißt:

Eine zeitnahe Aufstellung des Gesamtabschlusses ist unerlässlich.

Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir es den betroffenen Kommunen ermöglichen, diese Aufstellung zu beschleunigen.

Für den Gesamtabschluss des Haushaltsjahres 2015 soll es daher ausreichen, die wirtschaftliche Gesamtlage jeweils für die Haushaltsjahre 2011 bis 2014 von der Gemeinde ordnungsgemäß ermitteln, dokumentieren sowie vom Bürgermeister bestätigen zu lassen. Eine eigenständige Prüfung und Bestätigung dieser Gesamtabschlüsse wäre damit verzichtbar.

Von dieser Vereinfachung ausgenommen bleibt der erste Gesamtabschluss der Gemeinde 2010, denn er stellt – wie die Eröffnungsbilanz zu Beginn des NKF für die folgenden Jahresabschlüsse – die Ausgangsbasis für die „Gesamtwirtschaft“ der Gemeinde dar.

Ob die Kommunen von diesem Recht, das Verfahren zu verkürzen, Gebrauch machen, bleibt ihnen selbstverständlich selbst überlassen.

Diese neue gesetzliche Möglichkeit ist ein ausdrücklicher Wunsch aller kommunalen Spitzenverbände – sie wird von ihnen daher auch mitgetragen.


Anlage 7

Zu TOP 23 – Gesetz über die Bestimmung des 31. Oktober 2017 als 500. Jahrestag der Reformation zum Feiertag in Nordrhein-Westfalen – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Der vorliegende Gesetzentwurf bestimmt den 31. Oktober 2017 zum Feiertag in NRW. Dieser Tag unterliegt damit den gesetzlichen Vorschriften zum Feiertagsschutz, wie zum Beispiel dem allgemeinen Arbeitsverbot und dem Verbot bestimmter Veranstaltungen.

Damit entfällt in NRW in 2017 ein Arbeitstag.

Die Einführung dieses einmaligen Feiertages geht zurück auf eine Einigung der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder.

Der 31. Oktober 2017 wird als 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers begangen. Er gilt gemeinhin als Ausgangspunkt der weltweiten Kirchenreformation.

Die Bestimmung dieses Tages zum Feiertag trägt der besonderen Bedeutung der Reformation Rechnung.

Die Erkenntnisse der Reformation haben das kirchliche und gesellschaftliche Leben, die Kultur und die Politik in Deutschland und weiten Teilen von Europa und damit auch in Nordrhein-Westfalen beeinflusst und sind nach wie vor aktuell.

Das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 ist damit nicht nur für das protestantische Christentum, sondern für die gesamte Gesellschaft ein historischer Tag.

Wegen der einmaligen Einführung des Feiertages tritt das Gesetz am 1. November 2017 wieder außer Kraft.