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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/70

16. Wahlperiode

05.11.2014

70. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 5. November 2014

Mitteilungen der Präsidentin. 7001

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 7001

1   Wahl von Mitgliedern des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7178. 7001

Ergebnis. 7001

2   Warum spiegelten sich die Kenntnisse des Verfassungsschutzes zur erwarteten Größe der rechten Demo in Köln nicht in einer angemessenen Gefahrenanalyse und einem entsprechenden Einsatzkonzept der Polizei wider?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7211

In Verbindung mit:

Innenminister Jäger verwickelt sich in Widersprüche: Neue Erkenntnisse zum Gewaltexzess von Köln

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7212

Und:

Gefährlicher Entwicklung neuer Allianz von Hooligans und rechter Szene gegen Salafisten und Polizei entschlossen entgegentreten

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7168

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7234. 7002

Daniel Düngel (PIRATEN) 7002

Armin Laschet (CDU) 7003

Dr. Robert Orth (FDP) 7005

Ibrahim Yetim (SPD) 7006

Verena Schäffer (GRÜNE) 7008

Minister Ralf Jäger 7010

Werner Lohn (CDU) 7011

Andreas Kossiski (SPD) 7013

Marc Lürbke (FDP) 7015

Verena Schäffer (GRÜNE) 7016

Dirk Schatz (PIRATEN) 7017

Minister Ralf Jäger 7018

Theo Kruse (CDU) 7020

Hans-Willi Körfges (SPD) 7021

Ergebnis. 7022

3   Willkommenskultur ausbauen und Kommunen unterstützen – NRW braucht ein breites Bündnis für Flüchtlinge

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/7145

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7235

In Verbindung mit:

Flüchtlinge in NRW brauchen einen Flüchtlingsbeauftragten und verbindliche Standards

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7152 – Neudruck

Und:

Der humanitären Verantwortung gerecht werden – NRW braucht eine neue Flüchtlingspolitik

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7165. 7022

Hans-Willi Körfges (SPD) 7022

Monika Düker (GRÜNE) 7024

Frank Herrmann (PIRATEN) 7026

Dr. Joachim Stamp (FDP) 7027

André Kuper (CDU) 7028

Minister Ralf Jäger 7030

Jens Kamieth (CDU) 7033

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 7036

Dr. Joachim Stamp (FDP) 7039

Norbert Römer (SPD) 7040

Armin Laschet (CDU) 7042

Monika Düker (GRÜNE) 7042

Simone Brand (PIRATEN) 7043

Dr. Joachim Stamp (FDP) 7044

Frank Herrmann (PIRATEN) 7044

Ergebnis. 7045

Siehe auch Nachtrag zu dieser
Abstimmung nach TOP 7

4   Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014 (Nachtragshaushaltsgesetz 2014)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6700

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/7180

zweite Lesung. 7045

Uli Hahnen (SPD) 7045

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 7046

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 7047

Ralf Witzel (FDP) 7048

Dietmar Schulz (PIRATEN) 7049

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 7050

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 7053

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 7054

Ralf Witzel (FDP) 7054

Ergebnis. 7054

Mitteilungen der Präsidentin. 7055

5   Gesetz zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6688

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/7179

zweite Lesung. 7055

Heike Gebhard (SPD) 7055

Werner Lohn (CDU) 7057

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 7059

Ralf Witzel (FDP) 7061

Dietmar Schulz (PIRATEN) 7062

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 7064

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 7068

Ergebnis. 7069

6   Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/7147

erste Lesung

In Verbindung mit:

Keine weitere Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu Lasten junger Familien

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7170. 7069

Norbert Römer (SPD) 7069

Reiner Priggen (GRÜNE) 7071

Christian Lindner (FDP) 7072

Christian Möbius (CDU) 7074

Dietmar Schulz (PIRATEN) 7075

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 7076

Dr. Wilhelm Droste (CDU) 7078

Marc Herter (SPD) 7081

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 7083

Ergebnis. 7084

7   Stopp der Veräußerung von Kunstwerken zur Haushaltssanierung!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7063

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7241

In Verbindung mit:

Kunstwerke in öffentlichem Eigentum vor Ausverkauf schützen – Transparenz durch ein Kunstregister sicherstellen und Kulturgüter den Bürgerinnen und Bürgern zugänglich machen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7169. 7085

Lukas Lamla (PIRATEN) 7085

Ingola Schmitz (FDP) 7086

Markus Herbert Weske (SPD) 7087

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 7088

Oliver Keymis (GRÜNE) 7090

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 7091

Ergebnis. 7093

Nachtrag zur Abstimmung zu TOP 3. 7093

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7233

Ergebnis. 7093

8   Fragestunde

Drucksache 16/7181. 7093

Mündliche Anfrage 52

der Abgeordneten
Ingola Schmitz (FDP)

Umgang mit Kunstsammlungen und Kulturgütern im Eigentum von Landesbetrieben – Welche Ziele verfolgt der Finanzminister in seiner Eigentümerverantwortung für diverse werthaltige Kunstobjekte bei den Rechtsnachfolgern der WestLB und allen anderen Unternehmensbeteiligungen des Landes?  7093

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 7094

Mündliche Anfrage 53

des Abgeordneten
Ralph Bombis (FDP)

Nordrhein-westfälische Reisebranche fürchtet Pleitewelle infolge einer realitätsfernen Auslegung des Steuerrechts – Welche Rechtssicherheit und Problemlösung will der Finanzminister den Reiseveranstaltern im Hinblick auf die sogar nachträgliche Gewerbesteuerhinzurechnung der Kosten für den sogenannten Hoteleinkauf anbieten?  7100

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 7101

Mündliche Anfrage 54

des Abgeordneten
Christian Möbius (CDU)

(Beantwortung in der nächsten Fragestunde)

9   Inklusion im Sport voranbringen – Gemeinsamen Sport von Menschen mit und ohne Behinderung fördern

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7144. 7107

Rainer Bischoff (SPD) 7107

Andrea Milz (CDU) 7108

Josefine Paul (GRÜNE) 7108

Marc Lürbke (FDP) 7110

Lukas Lamla (PIRATEN) 7110

Ministerin Svenja Schulze. 7111

Ergebnis. 7112

10 Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-West-falen zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7148 – Neudruck. 7112

Andreas Kossiski (SPD) 7112

Peter Biesenbach (CDU) 7113

Verena Schäffer (GRÜNE) 7114

Dr. Joachim Stamp (FDP) 7115

Birgit Rydlewski (PIRATEN) 7115

Ergebnis. 7116

11 Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III und Wahl der Vorsitzenden

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7182. 7116

Ergebnis. 7116

Siehe auch unter ‚Nachtrag zur Abstimmung über die TOP 11, 16 und 17 der 70. Plenarsitzung‘ im Plenarprotokoll der 71. Sitzung

12 Gesetz zur Änderung des Markscheidergesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/7089

erste Lesung. 7116

Minister Garrelt Duin
zu Protokoll
(siehe Anlage 1)

Ergebnis. 7116

13 Drittes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/7090

erste Lesung. 7116

Ministerin Sylvia Löhrmann
zu Protokoll
(siehe Anlage 2)

Ergebnis. 7117

14 Gesetz zur Zustimmung zum Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/7091 – Neudruck

erste Lesung. 7117

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren
zu Protokoll
(siehe Anlage 3)

Ergebnis. 7117

15 Direkte Demokratie auf kommunaler Ebene verantwortungsvoll ausgestalten – Kostendeckungsgebot und freiwillige Vorprüfung der Zulässigkeit von Bürgerbegehren normieren

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7157. 7117

Ergebnis. 7117

16 Zustimmung des Landtags gemäß § 64 Absatz 2 LHO zur Veräußerung von Liegenschaften des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) – unbebautes Grundstück in Duisburg

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß § 64 Absatz 2 LHO
Vorlage 16/2312

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/7183. 7117

Ergebnis. 7117

Siehe auch unter ‚Nachtrag zur Abstimmung über die TOP 11, 16 und 17 der 70. Plenarsitzung‘ im Plenarprotokoll der 71. Sitzung

17 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 1. und 2. Quartal des Haushaltsjahres 2014

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2 LV
Vorlagen 16/2079 und 16/2265

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 16/6878, 16/7184, 16/7185. 7117

Ergebnis. 7117

Siehe auch unter ‚Nachtrag zur Abstimmung über die TOP 11, 16 und 17 der 70. Plenarsitzung‘ im Plenarprotokoll der 71. Sitzung

18 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 24
gemäß § 82 Abs. 2 GeschO
(§ 79 Abs. 2 GeschO a.F.)
Drucksache 16/7186. 7118

Ergebnis. 7118

19 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/26. 7118

Ergebnis. 7118

Anlage 1. 7119

Zu TOP 12 – „Gesetz zur Änderung des Markscheidergesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Garrelt Duin. 7119

Anlage 2. 7121

Zu TOP 13 – „Drittes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Sylvia Löhrmann. 7121

Anlage 3. 7123

Zu TOP 14 – „Gesetz zur Zustimmung zum Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 7123

Entschuldigt waren:

Minister Michael Groschek       
(ab 17:30 Uhr)

Minister Thomas Kutschaty      
(ab 15:30 Uhr)

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren

Renate Hendricks (SPD)

Markus Töns (SPD)

Astrid Birkhahn (CDU)

Dr. Anette Bunse (CDU)           
(ab 12 Uhr)

Hubertus Fehring (CDU)

Stefan Engstfeld (GRÜNE)

Arndt Klocke (GRÜNE)

Gudrun Elisabeth Zentis (GRÜNE)

Henning Höne (FDP)    
(ab 15 Uhr)

 


Beginn: 10:05 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen zu unserer heutigen, 70. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sieben Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir in das Protokoll aufnehmen.

Wir haben auch heute die große Freude, einer Kollegin zu ihrem Geburtstag zu gratulieren. Frau Tanja Wagener von der Fraktion der SPD feiert ihren Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Frau Kollegin: Alles Gute! Alle guten Wünsche sollen Sie durch den Tag begleiten – nicht nur durch den Tag, sondern auch durch das kommende Lebensjahr.

Die Stichworte „Tag“ und „Woche“ geben mir eine gute Überleitung zum nächsten Punkt. Bevor ich mit Ihnen gemeinsam in die Bearbeitung der heutigen Tagesordnung einsteige, will ich Sie gerne über Folgendes informieren:

Die Parlamentarische Geschäftsführerin und Parlamentarischen Geschäftsführer – und damit auch die Fraktionen hier im Hause – sind im Moment aufgrund der angekündigten Streiks bei der Deutschen Bahn und der schwierigen Verhältnisse, die wir unter Umständen zu erwarten haben, miteinander darüber im Gespräch, die für Freitag vorgesehenen Tagesordnungspunkte auf den heutigen und morgigen Tag umzuverteilen, da die Sitzungsdauer am Freitag relativ kurz ist, damit Abgeordnete, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Gäste das Parlament immer rechtzeitig erreichen können.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das bedeutet nicht, um das auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer klarzustellen, dass wir Tagesordnungspunkte unter den Tisch fallen lassen, sondern dass wir die Dauer der beiden Plenartage – heute und morgen – entsprechend verlängern würden.

Normalerweise müssten wir laut unserer Geschäftsordnung diese Vorgehensweise vor Eintritt in die Tagesordnung miteinander geklärt haben oder wir müssten darüber abstimmen.

Da sich die Situation aber über Nacht ergeben hat und die Gespräche noch nicht abgeschlossen sind, wollte ich Sie über den Sachstand informieren und ankündigen, dass wir sie, sofern es eine Verständigung gibt, sofort und unmittelbar hier im Plenum bekannt geben und die Kolleginnen und Kollegen informieren werden.

Ich wäre der Parlamentarischen Geschäftsführerin und den Parlamentarischen Geschäftsführern dankbar, wenn sie ihrerseits sicherstellen könnten, dass die Fraktionen in toto informiert sind.

Dasselbe gilt für die Landesregierung. Wenn wir umverteilen und den Freitag freiziehen, geraten natürlich auch die Planungen der Landesregierung ein wenig durcheinander. Von daher bitte ich die Parlamentarische Geschäftsführerin und die Parlamentarischen Geschäftsführer, auch den Chef der Staatskanzlei mit in die Gespräche einzubinden, damit wir zur Zufriedenheit aller einen reibungslosen Ablauf sicherstellen können.

Sollte es keine Verständigungsmöglichkeit geben, bleibt alles beim Alten.

Damit steigen wir in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1   Wahl von Mitgliedern des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache
16/7178

Eine Debatte ist hierzu nicht vorgesehen.

Damit kommen wir direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 16/7178. Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung geben möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten, die SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU, die FDP. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Wahlvorschlag Drucksache 16/7178 angenommen.

Ich begrüße Herrn Leitenden Ministerialrat Dr. Lascho und Herrn Ministerialrat Jorasch, die beide anwesend sind, herzlich. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen viel Glück in Ihrer veränderten Aufgabe. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt:

2   Warum spiegelten sich die Kenntnisse des Verfassungsschutzes zur erwarteten Größe der rechten Demo in Köln nicht in einer angemessenen Gefahrenanalyse und einem entsprechenden Einsatzkonzept der Polizei wider?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7211

In Verbindung mit:

Innenminister Jäger verwickelt sich in Widersprüche: Neue Erkenntnisse zum Gewaltexzess von Köln

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7212

Und:

Gefährlicher Entwicklung neuer Allianz von Hooligans und rechter Szene gegen Salafisten und Polizei entschlossen entgegentreten

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7168

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7234

Die Fraktion der Piraten und die Fraktion der CDU haben jeweils mit Schreiben vom 3. November dieses Jahres gem. § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der Piraten Herrn Kollegen Düngel das Wort.

Daniel Düngel (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Wortbeitrag damit beginnen, den Einsatzkräften zu danken, die am vorletzten Sonntag vor Ort in Köln waren. Besonders danke ich den vielen verletzten Einsatzkräften, die vor Ort waren. Ich wünsche Ihnen alles Gute und vollständige Genesung.

(Allgemeiner Beifall)

Bedanken möchte ich mich aber auch bei den vielen Antifaschistinnen und Antifaschisten, die am vorletzten Sonntag in Köln gegen die Nazidemo auf der Straße standen, die jeden Tag draußen unterwegs sind und versuchen, den braunen Mob aus der Öffentlichkeit zu verdrängen.

(Beifall von den PIRATEN)

Am vorletzten Sonntag gelang dies allerdings nicht, weil sich dort ein rassistisches, gewaltbereites Bündnis gefunden hat, welches von Polizei und Verfassungsschutz massiv unterschätzt wurde. Ich selber war auf der Gegendemonstration in Köln und habe viele Eindrücke mitnehmen können. Ich versuche nun, diese Ihnen ein wenig zu schildern.

Ich bin gegen 12:30 Uhr von Oberhausen aus mit dem Zug nach Köln angereist.

(Zuruf von der CDU: Dienstreise!)

– Ja, das war eine Dienstreise, genau. Das werden Sie als CDU-Fraktion vermutlich nicht verstehen.

Ich gehe seit 1987 zum Fußball und behaupte, mich ziemlich gut in der Fußballszene auszukennen. Als ich um 12:30 Uhr am Oberhausener Hauptbahnhof eintraf, war ich relativ schockiert, weil dort schon zu diesem frühen Zeitpunkt eine Gruppe von 30, 40, vielleicht 50 Hooligans versammelt war und sich ebenfalls auf den Weg nach Köln machte.

Ich habe mir gedacht: Okay, gucken wir mal, was der weitere Tag so bringt. Ich saß dann im Regionalexpress und bin über Duisburg, Düsseldorf und Leverkusen nach Köln gefahren. Nirgendwo – weder am Hauptbahnhof in Oberhausen noch im Zug noch in Duisburg, wo weitere 100, 150 Nazis in den Zug einstiegen, noch in Düsseldorf, wo weitere 60, 70, 80 Nazis in den Zug einstiegen –, an keinem Standort war Polizei zu sehen.

Ich war im vordersten Waggon dieses Zuges.

(Zuruf von der FDP)

– Es war übrigens die zweite Klasse. – Es waren glücklicherweise relativ wenige Nazis in diesem Waggon, vielleicht zehn bis 20. Ich habe dennoch gesehen, dass sehr viele Passanten, sehr viele Mitfahrer über die Rufe, die schon am frühen Morgen skandiert wurden, und darüber, was dort gesprochen wurde, geschockt waren. Das ging letzten Endes bis Köln so weiter.

In Köln angekommen, waren schon ungefähr 1.000 auf dem Versammlungsplatz. Mit den 400, 500, 600, die nachher aus dem Zug ausgestiegen sind, waren schon gut anderthalb Stunden vor Beginn der angemeldeten Demonstration ca. 1.500 Nazis in Köln versammelt. Nach wie vor wenig Polizeipräsenz! Am Bahngleis waren zwei Gruppen Polizisten mit ungefähr jeweils zehn Beamten, die diesen Ansturm zu bewältigen hatten.

Ich habe mir den Versammlungsort angeschaut, der mit Flatterband gekennzeichnet und eingezäunt war. So ein Flatterband – das wissen wir alle – hält „natürlich“ bei einer zu erwartenden gewaltbereiten Demonstrationsmasse einiges zurück.

Ich kenne auch andere Demonstrationen. Gerade dann, wenn Antifaschisten aktiv sind, stehen dort direkt Hamburger Gitter. Es wird alles aufgefahren, was irgendwie möglich ist, am besten direkt sichtbar Wasserwerfer, damit die Stärke der Polizei auch von Anfang an zu sehen ist.

Es gab auf der friedlichen Gegendemonstration keinerlei Versuche, zur Nazidemo zu gelangen. Versuche andersherum gab es allein vier Stück, die ich verfolgen konnte, wo Nazis immer wieder ungehindert an die Gegendemonstration herangekommen sind, und zwar nicht in kleinen Gruppen mit fünf oder zehn Leuten, sondern in großen Gruppen, teilweise bis zu 100 Leute, die ungehindert durch den Kölner Hauptbahnhof ziehen konnten.

Jetzt haben wir diese Demonstration in Köln gehabt. Da treffen sich Hooligans. Von Hooligans ist eher weniger bekannt, dass sie zu einer Demonstration mit Glitter und Konfetti auftauchen und eine schöne, bunte Party machen. Hooligans sind gewaltbereit. Es war davon auszugehen, dass zu dieser Veranstaltung nicht nur 1.500 Menschen anreisen werden, sondern weitaus mehr. Informationen gab es zur Genüge.

Es gab genügend Vorwarnungen. Ich frage Sie, Herr Innenminister Jäger: Warum wurde auf diese Vorwarnungen nicht gehört? Es gab schon vor Monaten Vorwarnungen von der Bundeszentrale für politische Bildung. Es gab Vorwarnungen aus der gesamten Fußballszene, aus den Ultraszenen, aus den links aufgestellten Ultraszenen. Wir können über Aachen reden, wo es schon vor über einem Jahr viele rechtsextreme Vorfälle gegeben hat. Wir können über Braunschweig reden, wo linke Ultragruppen des Stadions verwiesen wurden und den Rechten viel Platz gemacht wurde.

Basis der Polizeieinschätzung sind offenbar die ZIS-Zahlen. Wir haben uns auch hier im Landtag schon über die ZIS unterhalten. Wir wissen – spätestens seit dem vorletzten Sonntag sollten auch Sie, Herr Minister Jäger, das wissen –: Diese Zahlen sind absoluter Murks. Die Experten haben uns schon seinerzeit recht gegeben. In der Datei „Gewalttäter Sport“ wird von ca. 90 rechtsmotivierten Hooligans der Kategorie C gesprochen. Das ist völliger Unsinn. Ich habe am Sonntag viereinhalbtausend in Köln gesehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Darüber hinaus frage ich Sie, Herr Minister Jäger: Warum waren offenbar die meisten szenekundigen Beamten nicht im Einsatz bzw. wurden nicht angefordert? Warum wurde mit denen nicht gesprochen? Wieso darf eine solche Veranstaltung mitten in Köln, am Kölner Hauptbahnhof, stattfinden? Wieso nicht irgendwo weit außerhalb, wenn sie denn schon stattfindet? Mit wie vielen Demonstranten – klären Sie das bitte umfänglich – wurde im Vorfeld wirklich gerechnet? Die Zahlen weichen ab. Der Lagebericht der Polizei wenige Tage zuvor spricht von 700 Demonstranten, die zu erwarten waren. Laut Pressekonferenz waren 4.000 zu erwarten. Ich frage Sie: Wie schätzt der Verfassungsschutz die Lage ein? Wie bewertet die Landesregierung die Lage …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Daniel Düngel (PIRATEN): Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

… sowohl im Vorfeld als auch jetzt in der Nachbetrachtung? Wofür brauchen wir einen Verfassungsschutz, wenn dieser seinen eigentlichen Aufgaben am Ende tatsächlich nicht nachkommt?

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Minister Jäger, es gibt viele Ansätze. Es gibt viele Programme wie zum Beispiel PFiFF von der Deutschen Fußball Liga, was initiiert wurde. Beteiligen wir uns als Land an solchen Maßnahmen. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gegen Rechtsextremismus gehen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Daniel Düngel (PIRATEN): Wir werden morgen einen weiteren Antrag von uns zu diesem Thema behandeln. Ich darf Sie jetzt schon bitten, dem Antrag morgen zuzustimmen. Ich darf Sie, Frau Ministerpräsidentin, bitten, sich dieser Sache persönlich anzunehmen. Es geht gegen Nazis, gegen den Rechtsextremismus. Das sollte uns alle, alle 237 Abgeordnete und das komplette Kabinett, etwas angehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Laschet.

Armin Laschet (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Düngel hat gerade beschrieben, was an diesem Sonntag vor zwei Wochen geschehen ist: Die größte gewalttätige Demonstration von Rechtsradikalen in Deutschland seit vielen Jahren verletzte und verunsicherte Polizisten, Zweifel an der Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaates bei vielen Bürgern und erneut ein nachhaltiger Schaden für Nordrhein-Westfalen und das Bild unseres Landes.

(Beifall von der CDU)

Die Frage, die wir uns bei der heutigen Debatte stellen müssen, ist: Wie konnte es dazu kommen? Hätte man das verhindern können? Diese Fragen sollte sich ein Innenminister stellen, in dessen Zuständigkeitsbereich so etwas passiert. Und diese Frage sollte sich, wenn sie das Land Nordrhein-Westfalen repräsentiert, auch eine Ministerpräsidentin stellen.

Wir erleben in diesen Wochen wieder einmal etwas, was jedem, der sich in diesem Landtag engagiert, wehtun muss. Überall in Deutschland scheint es zu gelingen, solche Demonstrationen zu verhindern. Hamburg hat von vornherein gesagt: Wir tun alles, damit das bei uns nicht stattfindet. Die Demonstration wurde abgesagt. Der Berliner Innensenator hat das Gleiche gesagt. Hannover hat angekündigt: Die Landesregierung wird alle Rechtsmittel ausschöpfen, damit nicht solche Bilder wie in Köln entstehen. Nur wir produzieren diese Bilder durch Untätigkeit im Vorfeld. Und das ist unsere Kritik.

(Beifall von der CDU)

Es war von Anfang an klar, dass dies keine politische Demonstration ist. Ich habe einmal für Sie bei Wikipedia nachgelesen – das hätten auch Sie im Vorfeld tun können –, was genau ein Hooligan ist. Es wird aus dem Duden zitiert, der das Wort 1991 aufgenommen hat. Dort steht, ein Hooligan sei ein „meist im Gruppenverband auftretender Jugendlicher, dessen Verhalten von Randale und gewalttätigen Übergriffen bei öffentlichen Veranstaltungen … gekennzeichnet ist.“ – Das ist die Aussage.

Der Antragsteller ist ein PRO-NRW-Funktionär. In den Netzwerken von Rechtsradikalen wird dafür geworben, bei dieser Demonstration der Hooligans, die nichts anderes im Kopf haben, als Gewalt auszuüben, mit dabei zu sein. In einem solchen Moment kommt niemand auf die Idee, zumindest zu versuchen, das zu verbieten. Natürlich ist es nicht einfach, dies vor Verwaltungsgerichten oder dem Bundesverfassungsgericht durchzusetzen. Dennoch versuchen die Städte mit allen Mitteln, jede NPD-Demonstration, die irgendwo stattfinden soll, zu verhindern. Sie wussten das alles vorher. Trotzdem lässt man 4.000 gewaltbereite Hooligans mitten in der Kölner Innenstadt demonstrieren und rechtsradikale Aufrufe tätigen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Deshalb frage ich Sie, Frau Ministerpräsidentin: Haben Sie Ihren Innenminister im Vorfeld einmal danach gefragt? Schließlich waren Sie am Freitag in Köln – allerdings aus einem anderen Anlass – und haben Ihrer Sorge darüber Ausdruck verliehen, was dort passieren wird. Haben Sie ihn einmal gefragt: Könnt ihr das nicht verbieten? Muss das am Sonntag in Köln stattfinden?

Während Menschen in anderen Bundesländern einen wehrhaften Rechtsstaat erleben, erleben wir einen Innenminister, der mehr mit der Selbstverteidigung beschäftigt ist als mit dem Rechtsstaat in diesem Land. Das ist ein Zustand, den wir nicht weiter akzeptieren können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das waren die Vorgänge im Vorfeld. Jetzt ist das Ding passiert, und wir sehen die Bilder am Sonntagabend im Fernsehen. Die Frage ist: Was macht man dann als Minister? – Jeder Innenminister würde zunächst in sein Ministerium fahren, aufklären, aufbereiten, abstimmen, die Fachleute zusammenrufen, dann vor die Presse treten und erklären, wie die Lage war. Herr Jäger macht das anders. Er geht direkt ins Frühstücksfernsehen, bevor ihm irgendein Fachmann etwas sagen kann, und verkündet: „Das Polizeikonzept hat funktioniert.“

(Widerspruch von der SPD)

„Die Lageeinschätzung war ziemlich präzise. Wir wussten ganz exakt, wie viele Teilnehmer kommen werden. Wir haben alles richtig gemacht.“

Im Laufe des Tages merkt man jedoch, dass das nicht der Fall ist. Die Menschen haben die Bilder von rechtsradikalen Gewalttätern, die frei durch Köln laufen, von umgestürzten Polizeiwagen und von 50 verletzten Polizisten vor Augen, und Herr Jäger erklärt: Es hat alles funktioniert. Wir haben alles im Griff. Es ist alles gut gegangen.

Unsere Kritik ist, dass Sie diese Art bei jeder Gelegenheit, bei ähnlichen Situationen immer wieder an den Tag legen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir diskutieren nachher über Burbach. Dort war es das Gleiche:

(Minister Ralf Jäger: Nein!)

Sie hatten alles im Griff, haben alles gewusst und konnten es doch nicht verhindern.

Frau Ministerpräsidentin, in diesen Tagen hat mir ein Polizist geschrieben, und ich würde gerne aus diesem Brief zitieren, weil so etwas ganz selten vorkommt. In den letzten Tagen haben wir hingegen relativ viele Briefe von Polizisten erhalten. Einer von ihnen schreibt:

„Ein gewaltsames Vordringen in die Innenstadt hätten wir – bei entsprechender Entschlossenheit des Gegenübers – nicht verhindern können. Wären aktionsorientierte Gruppen mit Migrationshintergrund (Salafisten/Türken) in Sichtweite gewesen, hätte es offene Konfrontationen unter Inkaufnahme von Schwerstverletzten und Toten gegeben. Das ist keine Übertreibung,“

– so schreibt der Polizist –

„sondern meine persönliche Einschätzung der Aggressivität und der Dynamik am gestrigen Tag.“

Deshalb gibt es eine Menge Fragen: War der Kräfteeinsatz angemessen? Warum wurden keine Festnahmen und Identitätsfeststellungen realisiert? Warum wurde keine Bereitschaftspolizei aus anderen Ländern angefordert? Warum wurden keine Spezialeinheiten alarmiert? All das sind Fragen, die bis heute nicht beantwortet sind.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN – Hans-Willi Körfges [SPD]: Welche Spezialeinheiten? GSG 9?)

Deshalb möchte ich zum Ende einen, wie ich finde, sehr nachdenklichen Kommentar des Chefredakteurs des „Kölner Stadt-Anzeigers“ am heutigen Tage zitieren. Herr Pauls schreibt:

„Vorletzten Sonntag konnte man mit der Bahn zum Randalieren fahren, Fahrräder werfen, Naziparolen rufen, Polizeibeamte verletzen, einen Backshop am Bahnhof überfallen und wieder per Bahn abreisen und unterwegs Reisende belästigen. Weitgehend ungestraft. Wenn das ein gelungener Einsatz der Polizei war – wie um Himmels willen mag dann erst Fehlschlag aussehen?“

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Armin Laschet (CDU): Derselbe Chefredakteur sagt weiter:

„Jeder kann irren. Aber wer der Öffentlichkeit Sand in die Augen streut, riskiert ihr Vertrauen.“

Frau Ministerpräsidentin, Sie sagen: Das ist der beste Innenminister, den ich habe, und ich halte an ihm fest.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Sie hat doch nur einen!)

Damit sind Sie in der Verantwortung, uns zu erklären, wie Sie in Zukunft die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen sicherstellen wollen. Wir erwarten, dass Sie vor den Landtag treten und zu dieser wichtigen Frage eine Regierungserklärung abgeben und sich nicht weiter wegducken und diesen Innenminister in dieser Form decken.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Laschet. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Orth das Wort.

Dr. Robert Orth (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit „Immer wieder Jäger“ könnte man diesen Tagesordnungspunkt auch überschreiben. Immer wieder ist es der Verantwortungsbereich des Innenministers, der uns Anlass gibt, sich damit zu beschäftigen.

Deutschland und die Welt schauen auf Nordrhein-Westfalen, aber die Bilder sind leider keine Werbebotschaften, Herr Minister. Ich war mit einer deutsch-chinesischen Delegation in China. Ich kam in dem Moment zurück, als noch aufgeräumt wurde. Ich war in der Nacht, als es passiert ist, im Flugzeug. Als ich am Kölner Hauptbahnhof umgestiegen bin, wusste ich eigentlich von nichts. Es hat aber keine drei Minuten gedauert, da war ich im Bilde, was passiert war. Die schlimmen Ereignisse waren das Gesprächsthema am Bahnhof und im Bahnhof. Die Menschen waren noch am nächsten Morgen verunsichert,

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

und das in einem Land, meine Damen und Herren, in dem vier Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben, in dem wir alle die NSU-Morde leider beklagen mussten und nicht verhindern konnten, in dem wir Übergriffe durch Sicherheitsmitarbeiter in Asylbewerberheimen feststellen mussten. Und dann stellen Sie sich hierhin, Herr Minister, und sagen, das polizeiliche Konzept habe funktioniert. Meine Damen und Herren, das ist eigentlich nur erbärmlich.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Setzen Sie sich doch mit der Realität auseinander! Sie vertonen öffentlich, Neonazis auf die Springerstiefel treten zu wollen. In Köln, meine Damen und Herren, wurden Polizeibeamte, Reisende, Anwohner, Mitarbeiter der Unternehmen und Journalisten getreten. Das ist die Realität in Nordrhein-West-falen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es haben nicht irgendwelche Fußballfans – insofern wird die Bezeichnung „Hooligan“ missbraucht – demonstriert. Vielmehr waren es Leute wie SS-Siggi aus Dortmund, Heimatschutz-Mitglieder, Rocker und ähnliche. Aber auch zu Rockern pflegen Sie ja die Nähe, Herr Minister. Letztens wurden Sie mit Rockern in Duisburg fotografiert; das konnten wir in der „Bild“-Zeitung sehen. Ich glaube, Sie wissen nicht immer, wo Sie die richtigen Freunde und Feinde haben.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Schlechte Rede!)

Man muss sich auch einmal vor Augen halten, was in der Woche vor der Veranstaltung in Köln passiert ist. Es gab eine Innenausschusssitzung, in der das Ganze thematisiert wurde. Es wurde darüber gesprochen, was am Wochenende in Köln passiert. Und was war? Es hieß: Wir haben alles im Griff.

Sie haben dann auch am Montagmorgen nach den Geschehnissen – das wurde hier schon erwähnt – gesagt: Wir hatten alles im Griff. – Tatsächlich sind Sie aber von 700 Teilnehmern ausgegangen. Es waren aber 4.000. Herr Minister, warum wussten Sie nicht, dass viel mehr kommen würden? Bitte erklären Sie uns die Diskrepanz zwischen dem, was wir alle bei „Westpol“ sehen konnten – Sie sind von 700 Teilnehmern ausgegangen –, und den tatsächlich erschienenen 4.000 Demonstranten oder besser gesagt Schlägerinnen und Schlägern, meine Damen und Herren.

Ich glaube, Sie haben die Realität nicht wirklich ernstgenommen. Sie betreiben Schönfärberei in all Ihren Politikbereichen. Sie relativieren die Einbruchsserien. Sei relativieren einfach alles. Und auch hier relativieren Sie einmal mehr die Lage. Leider holt Sie die Wirklichkeit ein. Ihre Schönfärberei lassen wir Ihnen auch nicht mehr durchgehen. Selbst Ihre eigenen, Ihnen doch nahe stehenden Herren von der GdP – beispielsweise Herr Plickert – sagen: So ein Einsatz mit so vielen Beamten kann doch nicht erfolgreich verlaufen sein!

Was sagen Sie denn Herrn Plickert? Wie wollen Sie ihm weismachen, dass das alles toll war? Oder was sagen Sie dem Kölner Oberbürgermeister, ebenfalls Ihr Parteifreund? Was sagen Sie dem grünen Landesvorsitzenden Sven Lehmann? Was sagen Sie der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Stadtrat? – Alle sagen: Dass kann doch nicht sein, was hier alles passiert ist.

Meine Damen und Herren, das war einer der schwärzesten Tage für die Innenpolitik in Nordrhein-Westfalen. Es war eine große Ansammlung von rechtem Gesindel. Ich würde mir wünschen, dass der Innenminister hier deutlich kleinmütiger vor die Kameras tritt, dass er Lösungen anbietet, dass er sagt, wie so etwas in Zukunft verhindert wird. Ansonsten ist das Ganze ein Offenbarungseid für den Rechtsstaat.

Herr Minister, wenn die Verantwortung so schwer auf Ihren Schultern lastet, sollten Sie auch einmal darüber nachdenken, ob Sie sich nicht selbst von dieser Verantwortung erlösen. Das können Sie in einer Demokratie jeden Tag. Es gibt keine Mindestverweildauer im Ministerium, wenn es Ihnen einfach zu viel wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn wir hier ins Detail gehen wollten, dann könnten wir noch darüber sprechen, warum die Reiterstaffel nicht eingesetzt wurde, warum nicht Hunde eingesetzt wurden, warum nicht die Personalien festgestellt wurden, warum viel weniger Polizistinnen und Polizisten als bei einem ganz normalen Fußballspiel im Einsatz waren. All diese Fragen sollten Sie sich stellen. Aber am besten wäre es, Herr Minister, wenn Sie zunächst einmal auf den ersten Punkt eingingen: Wenn die Verantwortung für Sie zu schwer ist, dann befreien Sie sich doch von ihr! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Dr. Orth. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Yetim.

Ibrahim Yetim (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich den Polizeibeamtinnen und -beamten herzlich danken, die in Köln bei ihrem Einsatz für Nordrhein-Westfalen von den Gewalttätern verletzt wurden.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ich will ihnen ganz herzlich dafür danken, dass sie sich diesem Mob entgegengestellt haben und Schlimmeres verhindert haben. Ich sage „Schlimmeres“, weil wir alle – und ich glaube, davon nehme ich keinen aus – von diesen Gewaltexzessen überrascht wurden. Der eine oder andere weiß es zwar besser, aber ich glaube, die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger wurde von dem, was dort passiert ist, überrascht: eine Zusammenrottung von Hooligans, Nazis und anderen, die ihre Fremdenfeindlichkeit, ihre Islamfeindlichkeit und ihren Hass auf unsere Gesellschaft ausleben wollten.

Sie sind zusammengekommen, um ihre rechte Gesinnung gegen Migrantinnen und Migranten, gegen den Islam, gegen eine angebliche Überfremdung auszudrücken – und das durch Gewalt. Oder sie sind einfach nur gekommen, um zu prügeln; aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus Nachbarstaaten sind Menschen gekommen, um sich zu prügeln.

Anstatt über diese neue Dimension von Gewalt, von Hass auf unsere Gesellschaft zu sprechen, diskutieren wir hier Anträge der Opposition, die so etwas von durchsichtig sind, dass ich es an der Stelle mittlerweile wirklich leid bin.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Oh! Unglaublich!)

Sie versuchen, die Regierung anzugreifen. Sie versuchen, den Innenminister anzugreifen. Das spiegelt sich in diesen Anträgen ziemlich deutlich wider, Herr Kollege Laschet.

(Widerspruch von der CDU)

Anstatt einmal darüber zu reden, warum sich junge Menschen diesem Hass und dieser Gewalt anschließen, diskutieren wir über Anträge, die es nicht wert sind.

(Zurufe von der CDU: Wie bitte? Unglaublich! Das bestimmen nicht Sie!)

Die Frage ist doch: Wie schaffen wir es, diesen Nazis und Hooligans den Boden zu entziehen?

(Zurufe)

Darüber sollten wir uns unterhalten

(Armin Laschet [CDU]: Macht es doch!)

und nicht versuchen, hier so durchsichtige Anträge zu diskutieren.

Ich will auf die Anträge noch näher eingehen. Die Piraten sprechen in ihrem Antrag von einem gescheiterten Einsatz, weil es keine Manndeckung gab.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Weil der großartig war, Herr Kollege Yetim!)

Hätten wir vielleicht 4.000 Polizistinnen und Polizisten einsetzen sollen? Ich glaube, wenn wir geahnt hätten, was da auf uns zukommt,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben doch alles gewusst!)

wäre das wahrscheinlich auch ganz anders aufgezogen worden.

(Lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP)

Aber mit dem, liebe Kolleginnen und Kollegen, was dort passiert ist, hat, glaube ich, keiner von uns ernsthaft gerechnet.

Die CDU spricht von einer Fehleinschätzung und fehlenden Auflagen.

Die FDP tut so, als wenn begangene Straftaten nicht geahndet würden. Dr. Orth hat es ja gerade noch einmal gezeigt. Sie will eine Nulltoleranz auch gegen fremdenfeindliche Gesänge. Bei der Nulltoleranz stimme ich Ihnen zu. Das muss ganz hart bestraft werden. Da, wo Straftäter identifiziert werden – und sie wurden zum Teil auch identifiziert –, da sind die Behörden dran. Das ist auch gut so. Ich hoffe, dass die auch die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Darum muss es gehen bei diesen Leuten, die identifiziert worden sind.

Zur CDU und den Piraten – damit das klar ist –: Der Polizeiführer ist mehrere Tage vorher von 4.000 Teilnehmern ausgegangen. Diese Zahl war auch die Grundlage seiner weiteren Besprechungen mit den Abschnittsführern. Die CDU zitiert, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kölner Polizei mit dem Satz:

„Auf der Grundlage welcher Information die vom Fernsehsender Phoenix zitierte Einschätzung des Ministers begründet war, ist hier nicht ersichtlich.“

Daraus konstruieren Sie einen Widerspruch zwischen Polizei und Innenminister. Das finde ich einfach nur dumm. Die Behörde hat klargemacht, dass sie nicht wisse, woher der Innenminister seine Informationen hat. Ja, genau, darum ging es.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Super Kommunikation! Ganz toll!)

Das zitieren Sie. Das ist dann ein Angriff auf den Innenminister zu Fehleinschätzung und Versagen der Polizei. Ihr CDU-Bundesinnenminister sagt, die Polizei war nicht schlecht vorbereitet.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Die GdP Köln und auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt – immerhin einer von Ihnen, Kollege Laschet –, machen klar, dass die Polizei nicht überrascht war und der Einsatz gut gelaufen ist. Also auch Ihr Mann!

(Zuruf von den PIRATEN: Super gelaufen!)

Auch die üblichen Abfragen bei den Landesbehörden und beim Bund haben keine Hinweise darauf ergeben, dass es zu diesen Gewaltexzessen kommen kann.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Das ist doch unfassbar! – Armin Laschet [CDU]: Unglaublich! Wissen Sie nicht, was ein Hooligan ist?)

– Kollege Laschet, die Polizei – Sie haben es gerade selber zitiert – hat verhindert, dass es zu einem Aufeinanderprallen mit der zeitgleich stattfindenden Gegendemonstration gekommen ist. Sie hat verhindert – Sie haben es gerade zitiert aus dem Brief des Kollegen –, dass diese Gewalttäter in die Stadtteile gegangen sind und dass es zu einem Aufeinandertreffen mit Migranten gerade in Köln,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben nicht zugehört!)

die sowieso schon Sorgen haben durch die NSU-Attentate, gekommen ist. Das hat die Polizei in Köln verhindert. Dafür sollten wir eigentlich dankbar sein.

(Armin Laschet [CDU]: Tosender Beifall!)

Machen Sie sich mal bewusst, was das eigentlich bedeutet hätte, wenn es da zu einem Aufeinanderprallen zwischen den Gewalttätern und den Migrantinnen und Migranten aus Köln gekommen wäre!

(Armin Laschet [CDU]: Unfassbar!)

– Wenn Sie das gewusst hätten, Kollege Laschet – da komme ich darauf zurück, dass der Innenminister am nächsten Morgen dazu ein Statement abgegeben hat –, hätten Sie wahrscheinlich zwölf Stunden nach diesen Gewaltexzessen der Polizei nicht ein Organisationsversagen vorgeworfen

(Armin Laschet [CDU]: Dem Innenminister!)

mit dem Spruch: Es war abzusehen, welche Gruppierungen mit welchen Botschaften durch die Kölner Innenstadt ziehen würden. – Kollege Laschet, Sie wussten das!?

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Er hat doch alles gewusst! – Armin Laschet [CDU]: Ich weiß, was ein Hooligan ist!)

– Ja, natürlich, wir wissen alle, was Hooligans sind. Natürlich wissen wir das.

(Armin Laschet [CDU]: Er weiß das nicht!)

Das, was Sie da getan haben, Kollege Laschet, war ein Tritt gegen die Beamtinnen und Beamten, die verletzt worden sind,

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

die sich dort hingestellt haben, Kollege Laschet, und für uns unsere Gesellschaftsform verteidigt haben. Darum ging es dabei. Und Sie treten die zwölf Stunden nachher aus Ihrem warmen Sessel!

(Zurufe von der CDU – Serap Güler [CDU]: Unterirdisch!)

Jetzt noch ein Wort zu den Piraten: Ich bin es wirklich leid – Ihre ständige Unterstützung der Hooligans, die kommt immer wieder zum Vorschein.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Was ist das denn für ein Unsinn? Sie haben doch keine Ahnung!)

– Lesen Sie sich Ihren Antrag durch! Ob bei Fußballspielen oder in Köln, immer ist die Polizei schuld, wenn etwas passiert ist. In Ihrem Antrag sprechen Sie von „44 verletzten Polizisten bei Auseinandersetzungen mit den gewalttätigen Rechten“. Nicht ein Wort zu den Hooligans! Nicht ein Wort dazu!

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Sie wissen, dass Sie mit dieser Äußerung nicht der Immunität unterliegen! Unfassbar, was hier abläuft!)

Vielleicht sollten Sie an der Stelle einfach mal Ihr Verhältnis dazu überdenken! Worüber reden wir eigentlich?

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Ibrahim Yetim (SPD): Wir reden nicht nur über die Nazis, die da waren,

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das wird Folgen haben!)

sondern auch über die Hooligans. Das ist eine komplett neue Form von Gewalt.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Ibrahim Yetim (SPD): Kolleginnen und Kollegen, wenn der Vorwurf wäre, dass die Dimension dieser Gewaltbereitschaft unterschätzt worden ist, würde ich sagen: Ja, da haben Sie völlig recht. Wir haben das komplett unterschätzt. Ich bin aber sehr sicher, dass der Innenminister, dass die Polizei und auch wir jetzt daraus gelernt haben, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen das verstanden haben …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Ibrahim Yetim (SPD): … und dass wir diese neue Form der organisierten Gewalt bekämpfen müssen. Darum muss es gehen und nicht um diese durchsichtigen Anträge. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Yetim. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 26. Oktober haben wir in Köln eine der bundesweit größten rechtsgerichteten und muslimfeindlichen Versammlungen seit Langem erleben müssen. Herr Laschet, ich finde, das ist das eigentliche Problem, über das wir diskutieren sollten: Das ist das Thema „Rechtsextremismus“ und wie wir mit menschenfeindlichen Einstellungen in dieser Gesellschaft umgehen. Ich finde es außerordentlich schade und auch peinlich für dieses Parlament, dass das nicht diskutiert wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich müssen wir auch über den Polizeieinsatz diskutieren.

Aber unser eigentliches Anliegen muss doch sein, dass so etwas, wie wir es da am 26. Oktober gesehen haben, nicht noch einmal vorkommt.

(Armin Laschet [CDU]: Dann verbietet es doch!)

Wir müssen über islamfeindliche Einstellungen in der Gesellschaft diskutieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das vermisse ich bei Ihnen. Sie müssen bei Wikipedia nachgucken, was Hooligans sind. Das ist doch peinlich. Das kann doch nicht wahr sein!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Drei Tage vor der Versammlung hatten wir eine Innenausschusssitzung, in der unter anderem der Punkt „Salafismus“ auf der Tagesordnung stand. Ich habe dort die Frage gestellt: Wie schätzt denn der Verfassungsschutz diese Versammlung am Sonntag ein? Bei der CDU gab es nur Kopfschütteln: Die Schäffer wieder mit ihren Nazithemen! Da haben Sie sich überhaupt nicht mit dem Thema auseinandergesetzt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Drei Tage später sind Sie plötzlich die Experten dafür. Das ist doch peinlich. Das ist doch beschämend für Sie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich war an diesem Sonntag auch in Köln. Ich habe mir das auch angeguckt, weil ich häufig Demobegleitung mache und mir häufig Nazidemos angucke, um zu sehen, wie dort die Entwicklungen sind.

Ja, ich war auch schockiert über die Bilder. Bei der Auftaktkundgebung am Breslauer Platz war die Stimmung schon extrem aufgeschaukelt – durch Sprechgesänge, Chorgesänge. Das können die auch alles aus dem Stadion. Auch die rechtsextreme Band „Kategorie C“ hat dort gespielt.

Ich war am Eigelstein dabei, als Neonazis und Hooligans versucht haben, durch die Polizeiabsperrungen durchzubrechen. Als massiv Flaschen geworfen wurden, dachte ich schon: Wenn das so weitergeht, werden wir heute Abend hier viele Verletzte sehen. So massiv war die Gewalt, die dort vonstattengegangen ist. Ich war auch am Ebertplatz dabei, als direkt neben mir ein Übergriff stattgefunden hat und eine Schlägerei losging.

Ja, für mich war das schockierend. Auch für die anwesenden Bürgerinnen und Bürger, für die Anwohnerinnen und Anwohner waren das schockierende Bilder, die wir am 26. Oktober in Köln erleben mussten.

Hier ist den Polizeikräften schon mehrfach gedankt worden. Ich will mich diesem Dank anschließen, weil ich glaube, dass diese Situation vor Ort für die eingesetzten Polizeikräfte alles andere als einfach war. Sie waren einer hohen psychischen, aber auch physischen Belastung ausgesetzt. Ich habe hohen Respekt vor dem, was sie geleistet haben, und ich glaube, dass sie Schlimmeres noch verhindern konnten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will Ihnen auch sagen, warum ich hier meine Eindrücke aus Köln schildere. Wie ich gerade schon gesagt habe, bin ich häufig bei Neonazidemos und habe auch schon häufig Polizeieinsätze begleitet. Eine solche aufgeheizte Stimmung, eine solche Gewaltbereitschaft und eine solche Brutalität, wie ich sie da gesehen habe, habe ich bei rechtsextremen Aufmärschen in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen nicht erlebt. Ich glaube, dass ich nicht die Einzige war, die darüber schockiert war, die erschrocken war, die aber auch überrascht war.

Daher gehört zur Wahrheit auch dazu, dass die NRW-Sicherheitsbehörden vor der Versammlung eine Abfrage bei den Sicherheitsbehörden der anderen Länder und des Bundes durchgeführt haben und Polizei und Verfassungsschutz gefragt haben: Wie schätzt ihr das ein? Habt ihr Erkenntnisse? Die haben zurückgemeldet: Ja, punktuell kann etwas passieren. – Dass von dieser gesamten Gruppe dermaßen viel Gewalt ausgehen würde, hat aber vorher keiner eingeschätzt.

Insofern dürfen Sie die Kritik nicht nur an die NRW-Behörden richten. Vielmehr müssen wir diesen Einsatz meines Erachtens auch bundesweit nachbereiten, was die Einschätzungen angeht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

– Das gehört zur Wahrheit dazu, Herr Sieveke, auch wenn Ihnen das nicht passen mag.

(Widerspruch von der CDU)

Das mag Ihnen nicht ins politische Konzept passen. Es gehört aber dazu, wenn Sie differenziert darüber diskutieren wollen, was vor Ort passiert ist und wie die Einschätzung vorher war.

(Zurufe von der CDU)

Die Polizei ist von 4.000 Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmern ausgegangen – und auch davon, dass es Gewalt durch Einzelne geben würde. Sonst hätte die Polizei nicht mit vier Wasserwerfern da gestanden. Ich war schon auf vielen Demos. Dass Wasserwerfer in Nordrhein-Westfalen eingesetzt werden, passiert extrem selten. Hier sind sie zum Einsatz gekommen. Die Polizei hatte sie vor Ort vorrätig.

Man muss eben sagen: Die Polizei hat zwar mit Gewalt gerechnet, aber eben nicht mit dieser massiven Gewaltanwendung, nicht mit dieser Qualität von Gewalt. Ja, es stimmt; sowohl bei Hooligans als auch bei Rechtsextremen wissen wir, dass Gewaltbereitschaft ein zentrales Element in diesen Phänomenen ist. Das ist bekannt. Aber diese breite Mobilisierung von rechten Hooligans, von gewaltbereiten Neonazis gegen Musliminnen und Muslime in diesem Land und diese massive Gewaltanwendung haben offensichtlich auch die Behörden überrascht.

Die Frage, warum das nicht vorher gesehen wurde, gehört jetzt mit in die Nachbereitung.

Ich will aber auch noch etwas zum Komplex „Neonazis und Hooligans“ sagen, weil ich das wichtig finde und weil es mir hier in der Auseinandersetzung gerade mit der CDU fehlt. Sie müssen auf die Inhalte gucken. Sie müssen auf die Phänomene gucken, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

(Zurufe von der CDU)

Dass sich Althooligans reorganisieren, ist bekannt. Das wissen wir schon länger. Zum Beispiel in Aachen haben wir das gesehen. Dort wurden die Aachener Ultras, die antirassistisch orientiert sind, aus dem Stadion gedrängt – auch durch die Althooligans, beispielsweise durch die Supporters. Das haben wir dort in den letzten Jahren erlebt.

Meines Erachtens hat man viel zu lange davon gesprochen, dass der Sport vermeintlich unpolitisch sei. Er ist nicht unpolitisch. Fangruppierungen sind nicht unpolitisch. Die Hooligans haben schon lange immer wieder auch rechte Symbolik genutzt und sind damit aufgetreten. Gerade die Ho.Ge.Sa-Bewegung macht doch deutlich, was für rassistische, muslimfeindliche Personen hier zusammenkommen. Von Anfang an waren Neonazis mit dabei – Siegfried Borchardt wurde hier schon genannt, aber auch andere.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu betonen, dass das verbindende Element ja nicht nur die Gewalt ist. Das verbindende ideologische Element ist das Thema „antimuslimischer Rassismus“. Darüber wird mobilisiert. Und darüber müssen wir sprechen; denn der Aufruf gegen den Salafismus ist eigentlich nur ein Deckmantel dafür.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Eigentlich geht es um Rassismus. Es geht um Islamfeindlichkeit. Es geht auch um Hetze gegen hier lebende Musliminnen und Muslime. Das müssen wir aufdecken. Diese Mischung von Hooligans und Rechtsextremen müssen wir entlarven; denn sie versuchen, an gesellschaftliche Einstellungen anzuknüpfen. Hier müssen wir klar und deutlich machen: Sie sind islamfeindlich, sie sind rassistisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was den konkreten Polizeieinsatz angeht, brauchen wir natürlich eine kritische Nachbereitung. Das machen wir bei solchen großen Demonstrationen immer. Das machen wir auch am 20. November 2014 ausführlich im Innenausschuss. Dazu werden wir ja noch einen Bericht vom Innenministerium bekommen. Dann müssen wir das diskutieren, weil wir – das finde ich wichtig – daraus auch lernen müssen.

Insofern ist es auch für die Polizei wichtig, Nachbereitung zu betreiben. Das schwächt die Polizei nicht, sondern stärkt sie, weil wir damit hoffentlich verhindern können, dass so etwas noch einmal passiert, und weil wir dabei eventuell auch Anhaltspunkte finden werden, mit denen wir in Zukunft solche Demonstrationen, solche Versammlungen verbieten können. Diese Anhaltspunkte brauchen wir.

Insofern müssen wir in die Auseinandersetzung über die Inhalte gehen. Das ist die gemeinsame Aufgabe, der wir uns hier zu stellen haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Jäger das Wort.

(Zurufe von der CDU: Jetzt kommt Jägerlatein!)

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Danke sehr. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorfälle in Köln waren schrecklich, waren alarmierend. Aus meiner Sicht machen sie aber vor allem eines deutlich: Wir stehen in Deutschland einer neuen Gefahr gegenüber, einer Gefahr für unsere gesamte Gesellschaft. Hooligans und Rechtsextremisten entwickeln ein gemeinsames Feindbild. Sie demonstrieren in der Öffentlichkeit gezielt Stärke, und sie wenden dabei Gewalt an.

Neu ist dabei nicht, meine Damen und Herren, dass sich unterschiedliche Hooligangruppen miteinander vernetzen. Neu ist auch nicht, dass sich die organisierten Rechtsextremisten dabei offen gegenüberstehen. Diese Schnittmengen sind uns schon seit Langem bekannt. Hooligans und Rechtsextremisten eint der diffuse antimuslimische Rassismus, die Gewaltaffinität, ein übersteigerter Nationalstolz und eine aggressive Männlichkeit.

Meine Damen und Herren, neu ist aber das Feindbild der Hooligans. Das hat nichts mit Fußball zu tun. Und neu ist, dass sie im öffentlichen Raum fernab von Fußballstadien agieren, um möglichst viel mediale Resonanz zu erhalten. Genau diese beiden Aspekte machen es für Rechtsextremisten attraktiv, sich an den Aktivitäten der Gruppierung „Hooligans gegen Salafisten“ zu beteiligen. Sie wollen dieses Phänomen für ihre eigenen Zwecke nutzen. Aus diesem Zusammenwirken von gewaltbereiten Hooligans und rassistischen Rechtsextremisten ergibt sich diese neue Gefahr für unsere Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, die Lage, die unsere Polizei am 26. Oktober in Köln bewältigen musste, war ohne Zweifel schwierig. Die verletzten Beamtinnen und Beamten, die erschreckenden Bilder dieser Krawalle – das war für uns kein Erfolg. Insofern habe ich vollstes Verständnis für die Reaktionen unserer Bürgerinnen und Bürger und schließe mich dem auch an: Entsetzen und Empörung sind hier klar angezeigt.

Der Polizeiführer hat versichert, dass er bereits Tage zuvor von der Teilnahme von bis zu 4.000 Hooligans ausgegangen ist. Diese Zahl 4.000 war die Grundlage seiner weiteren Besprechungen und Planungen mit den relevanten Abschnittsführern der Bereitschaftspolizei. Sie war auch Grundlage seiner Einsatzplanung und seiner Kräfteanforderung in der Größenordnung von 1.300 Vollzugsbeamten. Ich gehe davon aus, dass der Polizeiführer eine verlässliche Planung vorgenommen hat und dass er in seiner Planung auch von Gewalt und möglicher Eskalation ausgegangen ist, weswegen auch vier Wasserwerfer bereitgestellt wurden.

Eine Nachfrage bei allen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder wurde im Vorfeld durchgeführt. Aus dieser Abfrage haben sich keinerlei Hinweise für einen unfriedlichen Verlauf ergeben.

(Widerspruch von der CDU)

Das heißt, meine Damen und Herren: Keine Sicherheitsbehörde der Länder oder des Bundes hatte Hinweise auf den überraschenden Gewaltausbruch, den wir in Köln erleben mussten.

(Zuruf von Serap Güler [CDU] – Weiterer Zuruf)

Die Intensität dieser Gewalt ging aber eindeutig über das bis dahin bekannte Maß hinaus. Heute im Rückblick wissen wir das. Mit dieser massiven Gewalt haben die Sicherheitsbehörden bundesweit und hat auch das Polizeipräsidium Köln nicht gerechnet.

(Zuruf: Doch!)

Wir werden dem Parlament selbstverständlich die Gelegenheit geben, sich selbst ein genaues, ein detailliertes Bild von dem Einsatzablauf zu machen. Kollegin Schäffer hat schon darauf hingewiesen: Dieser Bericht wird am 22. November dem Innenausschuss vorgelegt und kann dort auch kritisch besprochen werden.

Eines steht aus meiner Sicht aber jetzt unzweifelhaft fest: Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten haben Schlimmeres verhindert. Sie haben verhindert, dass Hooligans unkontrolliert durch Stadtteile zogen, durch Stadtteile, wo viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Was wäre passiert, wenn sie auf Gruppen von friedlichen Gegendemonstranten gestoßen wären? Das galt es zu verhindern, und dies ist auch von der Polizei in Köln verhindert worden. Das war das Ziel der Polizei. Dass es dazu nicht gekommen ist, meine Damen und Herren – dafür bin ich allen eingesetzten Kräften außerordentlich dankbar.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Frage, die sich jetzt stellt, lautet: Wie gehen wir mit den Erfahrungen aus diesem Einsatz um? – Wir müssen an drei Stellen ansetzen:

Die erste betrifft die Hooliganszene selbst. Diese müssen wir bundesweit stärker in den Blick nehmen. Das betrifft zum einen das gemeinsame Vorgehen rivalisierender Hooligangruppen. Das betrifft zum anderen auch das Zusammenwirken dieser Gruppen mit Rechtsextremisten. Bisher liegen uns keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Aktivitäten der Hooligans durch rechtsextremistische Personen und Gruppierungen gesteuert werden.

In Köln waren ca. 10 % der Teilnehmer organisierte bzw. vom Verfassungsschutz beobachtete Rechtsextremisten. Unseren bisherigen Schablonen – auf der einen Seite unpolitische Hooligans, auf der anderen Seite rechtsextremistische Hooligans – helfen uns in Zukunft nicht mehr weiter. Das zeigt uns der Vorfall in Köln.

Meine Damen und Herren, diese neue Formation aus Hooligans und Rechten wird durch eine andere, noch größere Klammer zusammengehalten. Das ist zum einen Islamfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und zum andern vor allem Gewaltbereitschaft. Wir müssen diese Szene bundesweit analysieren. Wir müssen den soziologischen Hintergrund intensiver erforschen, mehr als wir bisher in allen Ländern dazu getan haben, und dabei die Frage beantworten: Was ist ihre Motivation? Was ist ihr Hintergrund? Was ist Ihr Background? Was sind das für Menschen? Und wir müssen uns fragen: Was hat sich in der Szene verändert? Was hat das Einsickern von Rechten in die Hooliganszene bewirkt?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die zweite Frage, die wir in diesem Zusammenhang beantworten müssen, betrifft die zukünftigen Verbote. Es gab aus keiner Behörde eines Landes oder des Bundes gesicherte Hinweise oder Beweise, die ein Verbot einer solchen Veranstaltung gerechtfertigt hätten. Es war keiner Sicherheitsbehörde bekannt. Ich bin mit meinem Amtskollegen Pistorius einer Meinung und werde ihn dabei mit Kräften unterstützen, dass die von Hooligans und Rechten angemeldete Demonstration am 15. November in Hannover mit den Erkenntnissen aus Köln möglicherweise und hoffentlich gerichtlich untersagt werden kann.

Die dritte Frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen – das hat schon Frau Schäffer angesprochen –: Wir dürfen nicht Gewalttätern die Straße überlassen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Gewalttäter vermeintlich eine Antwort auf gewaltbereite salafistische Propaganda haben. Die Antwort auf extremistische Propaganda darf nicht extremistische Propaganda und Gewalt durch Hooligans und Rechtsextremisten sein.

Ein Rechtsstaat wird diese rechte Propaganda nicht hinnehmen, meine Damen und Herren. Und er wird mit voller Härte gegen Hooligans und Rechtsextremisten vorgehen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Lohn.

Werner Lohn (CDU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon viel gehört über die schlimmen Vorfälle in Köln, darum will ich die ganzen Beschreibungen nicht wiederholen.

Einen Satz jedoch zu den Äußerungen von Frau Schäffer und Herrn Yetim: Das war der peinliche Versuch, einen miserablen Innenminister irgendwie zu rechtfertigen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Jäger, Sie sprechen hier von einer „völlig neuen Gefahr“. Im nächsten Satz sagen Sie: Das war seit Langem bekannt. Dann sagen Sie: Die Lage war schwierig.

Dann kommt die erste wahrheitsgemäße Äußerung. Sie sagen: Der Einsatz war kein Erfolg. – Also, lernfähig sind Sie schon. Es war nämlich kein Erfolg, da 49 verletzte Polizisten zu beklagen sind. Da sind Sie jetzt auf dem richtigen Weg.

Weiter sagen Sie: Entsetzen und Empörung sind angesagt. – Richtig, Entsetzen und Empörung sind zur Genüge vorhanden: Das ganze Land ist entsetzt und empört über den Scherbenhaufen, den Sie hinterlassen haben. Die Polizisten schämen sich für Sie!

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf: Das ist eine Frechheit!)

Dann sagen Sie: Wir haben im Bund und in den Ländern eine Abfrage gemacht, aber wir haben keine Hinweise bekommen. – Wie wollen Sie aus München derartige Hinweise bekommen? Dort passiert so etwas nicht. Der Brennpunkt solcher Gewaltexzesse liegt in Nordrhein-Westfalen. Bei uns liegen diese Erkenntnisse vor. Sie müssen die Möglichkeiten im eigenen Haus nutzen!

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der Regierungsbank)

Da über die Rolle der Opfer – der Geschäftsleute, der Reisenden und der Passanten – schon viel Zutreffendes gesagt wurde,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Zur Sache kommen! Das wäre nicht schlecht, Herr Kollege!)

möchte ich nun einmal Ihren Blick auf die Betroffenheit der Polizistinnen und Polizisten lenken. Stellen Sie sich einmal vor, was ein Polizist, der am 26. Oktober 2014 in vorderster Reihe an der Front eingesetzt war, heute über das Geschehene und das Berichtete denkt.

Die Polizisten wurden bespuckt und geschlagen. Steine, Fahrräder und andere Gegenstände wurden nach ihnen geworfen. Ihr Streifenwagen wurde umgekippt. Und dann mussten sie auch noch feststellen, dass sie hoffnungslos in der Unterzahl waren. Es gab viele Verletzte, und letztendlich mussten die Gewalttäter ohne Identifizierung – geschweige denn Festnahmen – ziehen gelassen werden. Das ist ein Zustand, den wir nur brandmarken können, und deswegen sind wir heute hier.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Verehrte Kollegen, was bei den jungen Polizistinnen und Polizisten neben möglichen Verletzungen aber dauerhaft hängen bleiben wird, ist die Enttäuschung und die Fassungslosigkeit darüber, dass Politik und Polizeiführung sie ohne Vorwarnung und ohne jegliche Chance, den Kampf zu gewinnen, in diese Schlacht mit den Hooligans und Rechtsradikalen geschickt haben.

(Beifall von der CDU)

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Dann müssen sie noch hören, wie ihr oberster Chef, Innenminister Jäger, zunächst versucht, alles schönzureden und den Einsatz als Erfolg zu verkaufen. Danach gibt er als Entschuldigung für das offenkundige Versagen an, es habe sich um eine völlig neue Zusammenstellung von Tätern und um eine neue Dimension der Gewalt gehandelt. Kurze Zeit später behauptet er wiederum das Gegenteil, nämlich dass eben doch bekannt war, dass 4.000 Gewalttäter erwartet wurden, aber letztlich der Polizeiführer in Köln für das Versagen verantwortlich sei. – Herr Minister, das ist so erbärmlich, dass selbst Ihre Polizistinnen und Polizisten berechtigte Zweifel am Funktionieren des Rechtsstaates haben.

(Beifall von der CDU)

Solch ein „Tag der Schande“, wie es eine große Kölner Boulevardzeitung betitelt hat, war der bisherige Gipfel an rechtextremer Massengewalt gegen Polizisten, Reisende, Geschäftsinhaber und Passanten.

Den Polizisten will ich an dieser Stelle für ihre vielen regelmäßigen und sehr oft auch gefährlichen Einsätze und die unzähligen Überstunden ausdrücklich danken und ihnen Respekt und Anerkennung aussprechen.

(Beifall von der CDU)

Für die Hilflosigkeit der Polizei, die ohne Spezialkräfte, ohne Reiterstaffel und ohne Diensthunde auskommen musste, gegenüber einer dreimal so starken Übermacht von kriminellen Gewalttätern gibt es allerdings keine Entschuldigung, Herr Minister. Das war die Kapitulation des Rechtsstaates vor der Gewalt und eine Schande für unser Land als Dienstherr und Arbeitgeber. Die Verantwortung trägt Minister Jäger, und kein anderer.

(Beifall von der CDU)

Herr Minister Jäger, Sie haben die Möglichkeiten Ihres Hauses und Ihres Zuständigkeitsbereiches nicht genutzt; denn hätten Sie dies getan, wären Sie zu einer richtigen und sachgerechten Lageeinschätzung gelangt.

(Zuruf von der CDU: Der war doch gar nicht da!)

Richtigerweise wären dann nämlich nicht nur 1.300 Polizisten eingesetzt worden, sondern mindestens 2.000 Polizisten plus Unterstützung durch Spezialkräfte aus den Sondereinsatzkommandos usw.

Herr Minister, ob diese Einsatzkräfte der Spezialeinheiten und die Hundertschaften aus Köln, aus Nordrhein-Westfalen oder aus anderen Bundesländern kommen, das ist völlig egal. Sie hatten die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie vor Ort waren, und da haben Sie versagt.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die Erkenntnisse, dass es eine kriminelle Allianz von gewaltsüchtigen Hooligans und Rechtsradikalen gibt, sind nicht neu – genau das Gegenteil ist der Fall. Hier an dieser Stelle haben wir am 29. Januar dieses Jahres über Vorfälle gesprochen, die sich ebenfalls in Köln zugetragen haben. Dabei hatten sich Kölner Hooligans mit Rechtsradikalen aus Dortmund verbrüdert, um gemeinsam auf Schalker Fans einzutreten. Die Folge: eine lebensgefährliche Verletzung.

Ich hatte Ihnen damals in meiner Plenarrede empfohlen, diese Entwicklung, diese kriminelle Allianz zu beobachten und in künftige Einsatzkonzepte einfließen zu lassen. – Sie aber gehen immer nach der Devise vor: nichts hören, nichts sehen, nichts riechen – alles ist gut. Nichts haben Sie getan!

(Beifall von der CDU)

Ich warte auf Ihre Antwort, warum Sie untätig geblieben sind.

Dann gibt es in Nordrhein-Westfalen einen Verfassungsschutz. Das ist auch gut so. Der Verfassungsschutz beobachtet natürlich auch Rechtsradikale. Ich bin mir sicher, dass dem Verfassungsschutz, der auch dem Zuständigkeitsbereich des Innenministers untersteht, jede Menge Erkenntnisse über die Gefährlichkeit vorlagen, die von dieser unheiligen Allianz ausgeht.

Aber Sie haben dem Verfassungsschutz – wenn er denn wirklich nichts gewusst haben sollte – die Flügel gestutzt. Sie strebten damals einmal ein Verbot der Partei Die Rechte an und haben daraufhin angeordnet, sämtliche V-Männer aus dem Bereich der rechten Szene abzuziehen.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Wenn ich die rechte Szene nicht kenne, kann ich auch nicht beurteilen, worum es geht.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist wirklich ignorant, was Sie da sagen!)

Aber ich glaube, Sie wussten schon, worum es geht.

Die Verfassungsschützer werden von Ihnen gerne als Sozialarbeiter missbraucht. Ihr Pilotprojekt „Wegweiser“ in Bochum ist bei Ihnen Aufgabe des Verfassungsschutzes. Ich sage Ihnen: Verfassungsschützer sind keine Sozialarbeiter. Die sollen Informationen beschaffen, damit Polizisten geschützt werden und die Bürgerinnen und Bürger in Sicherheit leben können. Sie sehen das völlig falsch.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Dann kam es am Kölner Hauptbahnhof – es wurde eben schon angedeutet – zum ersten Mal seit Jahren wieder zum Einsatz von Wasserwerfern in Nordrhein-Westfalen. Die Tatsache, dass die Polizeiführung in Köln Wasserwerfer eingesetzt hat, ist der Beweis dafür, dass man wusste: Es wird knallen. Es wird eskalieren. Wir kriegen die Lage wahrscheinlich nicht in den Griff. – Denn mit Wasserwerfern kann ich keine Demo befrieden, ich kann nur einen Platz, eine Straße freiräumen. Aber wenn ich zu der Beurteilung komme und Wasserwerfer einsetze, dann muss ich auch den nächsten Schritt gehen. Dann muss ich ausreichend Polizisten bereitstellen. Das haben Sie nicht getan, und das ist ein schwerer Vorwurf.

(Beifall von der CDU und der FDP – Britta Altenkamp [SPD]: Das ist eine der wirrsten Reden, die ich in diesem Hause gehört habe!)

Warum sind nicht Polizisten in ausreichender Zahl vorgehalten worden? – Jeder Polizeiführer, jeder Polizeipräsident weiß: Minister Jäger möchte Polizeiüberstunden, Polizeikräfte sparen. – Ich glaube, hier ist es im Rahmen des vorauseilenden Gehorsams dazu gekommen, dass letztendlich zu wenige da waren – mit fatalen Folgen.

(Zuruf von Jens Geyer [SPD])

Heute bestehen berechtigte Zweifel, ob unser Land seiner Kernaufgabe, für innere Sicherheit zu sorgen, unter diesem Innenminister überhaupt noch gerecht werden kann.

(Beifall von der CDU)

Der Ruf der weltoffenen Stadt Köln, unseres Landes und der ganzen Bundesrepublik ist durch Ihr Versagen und durch den Erfolg der Radikalen gefährdet worden.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Viel schlimmer ist, dass die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in die staatliche Gewalt verlieren. Sie fühlen sich von Ihnen in unserem Land nicht mehr wirklich geschützt. – Deswegen, Herr Jäger, erwarten wir Antworten. Sie könnten sich zumindest dafür entschuldigen, dass Sie die Polizisten und die Bürger in diese dramatische Situation gebracht haben. Davon habe ich nichts gehört.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Lohn, Sie kommen bitte zum Ende.

Werner Lohn (CDU): Letztendlich liegt unsere Hoffnung jetzt auf Frau Ministerpräsidentin Kraft, die Ihnen deutlich zeigt, wo Ihre Grenzen sind; denn Sie sind reichlich überfordert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Lohn. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Kossiski.

(Zuruf von der SPD: Zeig ihm mal, wie das geht!)

Andreas Kossiski (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorneweg: Auch ich war am 26. Oktober am Ort der Geschehnisse, in Köln; darauf werde ich gleich zu sprechen kommen.

Gestatten Sie mir vorher bitte einige Anmerkungen zu den hier aufgerufenen Drucksachen, in denen es von Vermutungen, Unterstellungen und teilweise hanebüchenen Pressezitaten wimmelt. – Den Beweis, Herr Lohn, haben Sie gerade abgeliefert. Sie haben behauptet, es seien keine Diensthunde eingesetzt worden. – Es sind 15 Diensthunde eingesetzt worden.

(Marc Lürbke [FDP]: Zu wenig!)

– Ob es zu wenige oder zu viel waren, werden wir in der Sitzung des Innenausschusses sicherlich miteinander diskutieren, Herr Lürbke.

Mit etwas Sachverstand müsste man erkennen, dass viele der Vermutungen, der Pressezitate durcheinandergebracht worden sind, dass es dort Missverständnisse gab. Es tauchen Angaben von sogenannten Polizeiführern auf, als wäre Ihnen nicht bekannt, dass es bei einem solchen Einsatz nur einen verantwortlichen Polizeiführer gibt. Dieser hat sich klar und deutlich geäußert. Der Minister hat gerade noch einmal festgestellt, dass der Polizeiführer auf mehrere Nachfragen 4.000 Teilnehmer als Wert angegeben und das seinen Polizeikräften auch entsprechend vermittelt hat.

Die Piraten mutmaßen, die Polizei hätte die Lage – Zitat – „möglicherweise auf Basis der durch die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) vorgelegten Zahlen“ vorgenommen. – Völlig hanebüchen.

Bei der FDP lesen wir, dass es der Polizei nur noch um „Lagebereinigung“ gegangen sei und Randalierer freien Abzug erhalten hätten.

Ich will diese Texte der Opposition nicht weiter vertiefen, aber so viel steht fest: Es geht der Opposition – das ist aus den Wortbeiträgen heute klar geworden – nicht um eine sachliche Auseinandersetzung und Klärung zum eigentlichen Thema, den Gewaltexzessen von Rechtsextremen und Hooligans. Stattdessen geht es wieder einmal – allerdings mit untauglichen Mitteln – gegen den Innenminister. Ich sage Ihnen: Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall von der SPD)

Wie eingangs gesagt war ich am 26. Oktober in Köln und konnte mir einen eigenen, persönlichen Eindruck verschaffen. Zunächst spreche ich über den sogenannten Ho.Ge.Sa-Aufzug: Ich habe – angefangen am Breslauer Platz, also nördlich des Kölner Hauptbahnhofs – ein gespenstisches Szenario erlebt, das ich mir vorher so nicht habe vorstellen können. In fast 40 Jahren aktiven Polizeidienstes habe ich viele gewalttätige Demonstrationen erlebt, aber noch nie einen Block von über 4.000 Menschen so offen rechtsextreme und ausländerfeindliche Parolen skandieren hören.

Für mich hat sich Ho.Ge.Sa in diesem Moment, am 26. Oktober in Köln, demaskiert und das wahre Gesicht gezeigt. Das gesamte Auftreten dieser Gruppierung hat mich in der Situation sehr erschreckt. Ich kann alle Menschen verstehen, die bei dem Anblick und den folgenden Geschehnissen Angst verspürt haben. Die blanke Gewalt und die Angriffe auf die eingesetzten Polizeibeamtinnen und ?beamten taten ein Übriges zur Verstärkung dieses Eindrucks.

Deshalb gebührt auch mein ausdrücklicher Dank allen eingesetzten Kräften, insbesondere den bei dem Einsatz verletzten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im Nachhinein ist es wohlfeil, Prophet zu sein und zu behaupten, das alles hätte die Polizei im Vorfeld eines Einsatzes wissen müssen. Im Nachhinein ist es einfach, zu behaupten, die Einsatzleitung hätte alles besser planen können. Ich finde es unsäglich, dass mitunter der Eindruck vermittelt wird, die Polizei Köln habe sich nicht intensiv genug auf den Einsatz vorbereitet. Was, bitte, soll dieser Vorwurf? Glaubt jemand in den Reihen der Opposition wirklich, eine solche Einsatzplanung wird mal so nebenbei oder nur oberflächlich gemacht? Die eingesetzten Kollegen, die verantwortlichen Polizeiführer, die verantwortlichen Vorgesetzten haben sich sehr intensiv und sehr gewissenhaft darauf vorbereitet. Sie werden garantiert nicht in Kauf nehmen, sondern sie wollen verhindern, dass Kolleginnen und Kollegen verletzt werden oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Köln gefährdet wird.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nutzen Sie doch bitte Ihre Kontakte und informieren sich bei den richtigen Fachleuten vor Ort. Wenn Sie die Presse, Gewerkschafter und Polizisten zitieren, dann zitieren Sie bitte auch die Presserklärung der Polizeigewerkschaft, der GdP in Köln, die ganz klar eine positive Stellungnahme zu dem Einsatzverhalten der Führungskräfte vor Ort abgegeben hat, bevor Sie in der Öffentlichkeit ein Bild von einer ahnungslosen und schlecht vorbereiteten Polizei zeichnen.

Lassen Sie mich bitte zum Schluss noch auf eine zweite Demonstration an diesem Tag zu sprechen kommen, die ich ebenfalls verfolgt habe, die hoffentlich nicht nur mir Mut macht. Die Gegendemonstration auf dem südlich gelegenen Bahnhofsvorplatz war absolut friedlich und von demokratischen Inhalten getragen. Die Ablehnung von Extremisten jeglicher Ausprägung wurde mehr als deutlich und hat sich am vergangenen Sonntag auf einer weiteren Demonstration mit ca. 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern fortgesetzt. Sie haben nach dem 26. Oktober klare Signale gegen Gewalt gesetzt, was wir in diesem Haus bitte weiterführen müssen. Dafür spreche ich den Menschen meinen ausdrücklichen Dank aus.

Denn eins ist für mich klar: Bei aller notwendigen Arbeit der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechtsextremismus und gegen rechtsextreme Ausschreitungen muss dem rechten Gedankengut auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus entgegengetreten werden. Je mehr Menschen sich dafür engagieren, desto besser für unser Land und für unsere Demokratie. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Kossiski. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Lürbke das Wort.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschehnisse in Köln, im Herzen Nordrhein-Westfalens, sind erschreckend. Wir müssen gemeinsam alles tun, damit sich diese Bilder nicht wiederholen.

Auch ich möchte für meine Fraktion den Dank an die Einsatzkräfte richten, an die Einsatzkräfte, die ihren Kopf für uns, für unseren Rechtsstaat in Köln hingehalten haben.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Nur ein Innenminister, der sich hinstellt – auch heute – und wieder alle Schuld von sich weist und sagt, die Verantwortung für die falsche Lagebeurteilung läge allein vor Ort,

(Ibrahim Yetim [SPD]: Hat er doch gar nicht!)

der wird diesem Anspruch nicht gerecht.

(Beifall von der FDP)

Es ist richtig, Herr Minister, der Behördenleiter trägt mit seinem Einsatzführer die Verantwortung. Er entscheidet über den Polizeikräfteeinsatz, für den das LZPD dann Kräfte besorgen muss. Aber spätestens durch Ihren Umgang mit den Ereignissen tragen Sie als Minister nun die volle Verantwortung für den Einsatz.

(Beifall von der FDP)

Ja, das war ein Angriff auf unser Wertesystem und unseren Rechtsstaat. Wir haben mehrere Wirkungstreffer erhalten. Aus Sicht der Rechtsextremen, der Chaoten, war die Demo ein Erfolgserlebnis. Mehrere Wirkungstreffer gab es: mediale Aufmerksamkeit – mehr geht kaum –, Titelseiten im In- und Ausland, Teilnehmer, die sich mit den Schlagzeilen, die sie geschafft haben, brüsken. Die Szene fühlt sich im Aufwind.

Man hat den gewünschten Schlagabtausch provoziert, das Gewaltpotenzial wurde einmal demonstriert. Man hat ganz offen seine Gesinnung gezeigt. Man gab sich nur wenig Mühe, so zu tun, als habe man demokratische Anliegen. Stattdessen rechte Lieder, Hitlergrüße, Beleidigungen. Allein das Lied der Band „Kategorie C“ wurde in der Nacht noch 40.000 Mal im Internet angeklickt. Und dann wurde durch die zahlenmäßige Übermacht der Menge auch noch freies Geleit für die Straftäter erzwungen.

Was im Grunde am Schlimmsten ist: Man hat Mobilisierungsstärke gezeigt. Der rechte Mob von 4.800 gewaltbereiten Subjekten konnte sich zu einer neuen Dimension zusammenrotten, ungehindert auf der Straße wüten. Und nach draußen, ins Internet, in die Welt geht das Signal des rechten Mobs nach dem Motto „das ist unser Land, uns kann keiner was“ – mit fatalen Folgen, die vielleicht noch gar nicht abzusehen sind.

Deswegen, Herr Innenminister: Wenn Sie sich nach einem solchen Ereignis hinstellen und sagen, Ihr Konzept, das Einsatzkonzept habe funktioniert, dann ist das schon ein Armutszeugnis.

Das ist vor allem auch ein Schlag in das Gesicht der Beamtinnen und Beamten, die vor Ort den Kopf hingehalten haben. Die Polizeibeamten, vor die Sie sich stellen, fühlen sich durch Ihre Einlassung eher verhöhnt. Sie haben der Polizei damit einen Bärendienst erwiesen. Man sieht es doch. Da werden den Zeitungen interne Dokumente zugespielt. Ihre Polizeibeamten offenbaren sich der Presse, weil sie sich Ihnen nicht mehr offenbaren wollen, weil sie das Vertrauen in Sie verlieren.

Das kommt am Ende dabei heraus, wenn man sich hierhin stellt, Sachen schönredet und nichts verändert. Und am Allerschlimmsten ist, dass Sie am Ende dafür nicht einmal die Verantwortung übernehmen möchten.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Wie oft wollen Sie das eigentlich noch machen, Herr Minister, sich hierhin stellen und sagen, damit hätten Sie gar nichts zu tun? Solange bis wirklich der letzte Beamte den letzten Funken Vertrauen verloren hat? – Das finde ich beschämend.

Zum Einsatzkonzept, das Sie verteidigen, zu dem Sie gesagt haben, hinterher sei man schlauer. – Ja, das stimmt. Hinterher ist man immer schlauer.

Herr Kossiski, ich habe mir die Freiheit genommen, mit Fachkräften, mit erfahrenen Einsatzbeamten zu sprechen. Die haben mir gesagt: Hier gibt es so eine Fülle von Schwachstellen, von Fehlern, die es aufzuarbeiten gilt. – Heute haben wir dazu vom Innenminister kein einziges Wort gehört. Es ist der Hinweis auf den Bericht im Innenausschuss erfolgt. Wir sind gespannt, Herr Minister, wir warten auf Antworten.

Was hätte man bei dem Einsatz in Köln besser machen können? – Auch wenn ein Verbot der Veranstaltung wohl nicht infrage kam, hätte man aber wenigstens Auflagen verhängen und durchsetzen müssen.

(Minister Ralf Jäger: Auf welcher Rechtsgrundlage?)

– Das ist die Frage. Auf welcher Rechtsgrundlage? Denn wir haben hier einen Widerspruch. Ich bitte Sie auch, den aufzulösen. Auf der einen Seite haben wir Berichte, unter anderem den Bericht von „Westpol“, in dem es heißt, man habe mit 700 gewaltbereiten Teilnehmern gerechnet. Dann sagen Sie, man sei sehr präzise unterwegs gewesen und habe die Zahl auf 4.000 bis 4.800 gewaltbereite Teilnehmer schätzen können, wobei man bei dieser Klientel davon ausgehen würde, dass es zu Problemen kommen könnte.

Da frage ich Sie: Warum hat man dann nicht an dem Versammlungsort gearbeitet? Warum hat man die Demonstration nicht beispielsweise auf die Messe verlegt? Warum hat man keine Auflagen gesetzt? Selbst wenn man die Demonstration auf die Messe verlegt hätte, wäre der Polizeikräfteeinsatz immer noch knapp bemessen gewesen.

(Beifall von der FDP)

Warum wurden x-fach erprobte Elemente der polizeilichen Arbeit nicht eingesetzt? Das wurde hier bereits mehrfach erwähnt. Warum war keine Reiterstaffel vor Ort? Warum waren erfahrene Kölner Beamte, die die Hooliganszene bestens kennen, nicht an der Planung beteiligt oder im Einsatz? Warum gab es keine Maßnahmen, zu vermeiden, dass bestimmte Personen überhaupt anreisen? Warum fehlten Vorkontrollen? Warum wurden aus der Datei „Gewalttäter Sport“ mit Namen und Adresse bekannte Gewalttäter nicht im Wege von Gefährderansprache aufgesucht?

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss.

Marc Lürbke (FDP): Ich komme gleich zum Schluss.

Vizepräsident Oliver Keymis: Ich bitte darum.

Marc Lürbke (FDP): Warum fehlten Raumschutzzonen wie zum Beispiel bei der Demo im Jahr 2008, womit sich bereits viel Gefahrenpotenzial ausschließen lässt? Warum gab es keine Greiftrupps des SEK, um die Rädelsführer herauszuholen? Gab es überhaupt eine Gefangenensammelstelle? Warum hat man nicht die Altglascontainer, die auf dem Weg standen, beseitigt oder geleert? Diese boten ein ganzes Arsenal an Wurfgeschossen, an Munition. Die Fahrradständer am Bahnhof hat man nicht abgebaut. Überall war noch die Bestuhlung an der Außengastronomie. – Sie waren nicht vorbereitet!

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Wir haben im Innenausschuss gefragt, wie denn die Vorbereitung aussieht. Und es zeigte sich: Sie waren nicht vorbereitet!

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist schon lange überzogen. Sie kommen jetzt bitte zum Schluss!

Marc Lürbke (FDP): Im Ergebnis: 17 freiheitsentziehende Maßnahmen, Randalierer werfen vor den Augen der Polizei einen Polizeibus um und können sich danach ungestört wieder in die festgesetzte Masse begeben. Das ist ein Offenbarungseid des Rechtsstaats!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und genauso hat es auch die Szene aufgenommen. Und das bei einem Innenminister, der offenbar jeden Anspruch …

(Dem Redner wird das Mikrofon abgeschaltet.)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege. Das war ein sehr guter Redebeitrag bis hierhin.

(Beifall von der FDP)

Die Redezeit ist lange überzogen. Und ich finde es, ehrlich gesagt, dem Hohen Haus nicht angemessen, auf diese Weise auf eine Einlassung des Präsidenten zu reagieren. Vielen Dank, Herr Lürbke. – Als nächste Rednerin spricht für die grüne Fraktion Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Punkt der Nachbereitung des Polizeieinsatzs bin ich aufgrund der Zeit gerade nicht mehr gekommen. Die Nachbereitung eines Polizeieinsatzes ist richtig und wichtig. Das tun wir bei größeren Polizeieinsätzen in der Regel immer im Innenausschuss. Leider beteiligen sich in der Regel weder die CDU noch die FDP an diesen Diskussionen. Das vermisse ich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin gespannt auf die Diskussion im Innenausschuss und darauf, ob Sie die Fragen und Vorwürfe, die Sie hier formulieren, dort mit uns ausdiskutieren werden.

Ja, es stimmt, es gibt Fragen. Ich finde es legitim, dass Bürgerinnen und Bürger zum Versammlungsort, zu den Auflagen etc. Fragen haben und diese auch stellen.

Es hat übrigens Auflagen gegeben. Zu behaupten, es gäbe keine Auflagen, ist schlicht falsch. Natürlich hat es Auflagen gegeben. Sie standen vorher im Internet. Sie hätten sich darüber informieren können. Die gab es.

Dass es Fragen zum Polizeieinsatz gibt, finde ich legitim. Dass wir diese nachbereiten und beantworten müssen, finde ich richtig. Es geht auch darum, das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in die Polizei zu stärken. Dazu gehört auch die Nachbereitung eines Polizeieinsatzes.

Ich will noch etwas zum Thema „Verbote“ sagen – Herr Laschet hat zu Beginn angeführt, man hätte im Vorfeld verbieten müssen –: Natürlich ist es für Demokratinnen und Demokraten nur schwer auszuhalten, solche Demonstrationen erleben zu müssen. Das betrifft nicht nur die Demonstration in Köln, sondern auch Demonstrationen in vielen anderen Orten in Nordrhein-Westfalen. In Dortmund haben wir häufig diese Aufmärsche. Es ist schwer zu ertragen, wenn solche Gestalten, solche Rechtsextremisten durch unsere Innenstädte laufen. Ich denke, darüber sind wir uns einig.

Aber ich finde diese Forderung nach Verboten immer etwas zu einfach. Es gibt eine hohe rechtliche Hürde für das Verbot von Versammlungen. Die Versammlungsfreiheit hat Verfassungsrang in unserem Lande. Das ist auch gut so. Versammlungen können nur verboten werden, wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt. Wir dürfen unsere eigenen Grundrechte auch nicht aufgrund solcher Gruppierungen einschränken. Ganz im Gegenteil: Wir müssen unsere Grundrechte verteidigen.

Aber ich habe gerade schon gesagt, wenn uns denn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer zukünftige Versammlungen dieser Gruppierungen verboten werden können, dann müssen wir diese konsequent nutzen, damit wir solche Bilder nicht noch einmal erleben müssen.

Herr Lohn, Sie hatten mehrere Vorwürfe angesprochen, auf die ich gerne eingehen möchte.

Ich finde es ziemlich billig, zu sagen, das SEK oder die Reiterstaffel hätten kommen müssen, dann wäre das so nicht passiert. Das SEK gehört fachlich nicht auf eine Demonstration. Das SEK wird bei polizeilichen Sonderlagen wie Geisellagen, bei Entführungen und Erpressungen eingesetzt, aber doch nicht bei Demonstrationen.

Herr Lürbke, zum Thema Eingreiftrupps: Ja, in Bayern und in anderen Ländern gibt es so etwas. Da gibt es die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten. So etwas haben wir aus gutem Grund, wie ich finde, in Nordrhein-Westfalen nicht. In Nordrhein-Westfalen setzen wir auf eine deeskalierende Lage und setzen solche Gruppen nicht ein. Unsere Hundertschaften sind für Demonstrationslagen aus- und fortgebildet. Deshalb sind sie die richtigen Ansprechpartner.

Herr Lohn, ich komme zum Thema „Verfassungsschutz und V-Leute“. Wir hätten seit Inkrafttreten unseres neuen Verfassungsschutzgesetzes keine V-Leute mehr in der rechtsextremen Szene, sagen Sie. – Entschuldigung, aber es ist wirklich ziemlicher Humbug, den Sie hier verbreiten. Aufgrund des NPD-Verbotsverfahrens gibt es keine V-Leute mehr in den NPD-Führungsetagen. Sie sind dort abgeschaltet worden, damit wir das Verbot durchbekommen. Aber das gilt doch nicht für die gesamte rechtsextreme Szene.

Zur Erläuterung muss man zum Verfassungsschutz vielleicht noch einmal sagen: Der Verfassungsschutz darf zu Recht nicht jeden Gewaltbereiten in diesem Land beobachten. Das darf er nur dann, wenn tatsächlich Anhaltspunkte für die Gefährdung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorliegen, wenn eine verfassungsfeindliche Bestrebung vorliegt, aber nicht, wenn Menschen einfach „nur“ gewaltbereit sind. Das ist auch richtig so. Das hat sich durch unser neues Verfassungsschutzgesetz überhaupt nicht geändert. Insofern sind Sie da auf der völlig falschen Spur, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir diskutieren auch über den FDP-Antrag. Ich habe leider wieder zu wenig Zeit. Aber ich will dazu sagen: Es werden zwei unterschiedliche Sachen miteinander vermengt. Sie führen in Ihrem Antrag aus, auf der einen Seite müssen wir gegen Salafismus vorgehen, auf der anderen Seite gegen die Ho.Ge.Sa. Mit beidem haben Sie recht. Aber Sie können nicht beides miteinander vermengen. Beides sind unterschiedliche Phänomene.

Sie können diese Ausschreitungen von Hooligans und diesen Rechtsextremen gegen Salafismus nicht damit rechtfertigen, dass es den Salafismus gibt. Sie müssen beides voneinander trennen. Das gebietet eigentlich auch die fachliche Auseinandersetzung, dass wir beides entsprechend beurteilen.

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

– Und Sie reden kein Wort über das eigentliche Problem, was wir in diesem Land haben. Das finde ich beschämend, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schäffer. – Für die Fraktion der Piraten ist Herr Schatz als nächster Redner gemeldet. Bitte schön.

Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, Herr Minister Jäger, es ist kein großes Geheimnis, dass ich Sie gern und häufig kritisiere und aus rein fachlicher Sicht nicht gerade Ihr größter Fan bin. Trotz allem müssen Sie zugeben, dass ich dabei im Großen und Ganzen eigentlich ziemlich fair agiere. Ich bin aus der Opposition so ziemlich der Einzige, der Sie im Innenausschuss oder auch hier verteidigt, wenn es aus meiner Sicht sachlich und fachlich richtig ist, und der nicht einfach nur draufhaut, weil sich gerade irgendeine Gelegenheit bietet.

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

Letzte Woche gab es erst wieder ein sehr gutes Beispiel. Als es um das Konzept zur Reduzierung der Einsatzbelastung bei der Polizei im Fußball ging, haben CDU und FDP geradezu auf Sie eingedroschen. Ich habe nicht in diesen Chor eingestimmt, sondern mich vor Sie gestellt und Ihr Konzept verteidigt, weil es im Grundsatz richtig ist, auch wenn in der Umsetzung hier und da Fehler passiert sind. Machen wir uns nichts vor: Wo Menschen agieren, werden Fehler gemacht. Das ist so sicher wie der Tod und die Steuern.

Die einzige wichtige Frage dabei ist, wie wir damit umgehen. Was lernen wir daraus? Welche Konsequenzen ziehen wir daraus, um die Fehlerquote zumindest in der Zukunft so gering wie möglich zu halten? Deshalb gehört es für meine Fraktion, aber auch für mich persönlich zu meinem Selbstverständnis, Kritik nicht immer und überall völlig undifferenziert in der Hoffnung zu äußern, dadurch vielleicht irgendwann einmal Erwähnung in der Presse zu finden.

Ich habe auch die Hoffnung, dass durch dieses Vorgehen bei Kritik von meiner Seite vielleicht einmal hingehört und nicht nur gesagt wird: Der ist von der Opposition, die kritisieren ohnehin immer alles, was ich mache. Die kritisieren einfach jeden und da brauche ich gar nicht mehr hinzuhören.

Aber Sie, Herr Jäger, Sie machen es mir echt schwer, diesem Prinzip treu zu bleiben.

(Beifall von den PIRATEN)

Egal was passiert und egal, wie viele Fehler begangen werden, Sie stellen sich mit den Cojones eines Elefanten hierhin oder am liebsten vor die Kameras und sagen sinngemäß immer den gleichen Satz: Das Innenministerium hat alles richtig gemacht und wenn etwas falsch gelaufen ist, dann war es nicht unsere Schuld.

Wir müssen uns alle einmal klarmachen, worüber wir reden. Wir reden über 4.000 bis 5.000 Personen, bei denen einem schon der gesunde Menschenverstand sagen muss, dass der Großteil hochgradig gewaltbereit ist. Das sind Menschen, die die Gewalt nicht nur suchen, nein, sie haben sogar Spaß daran. Und die Polizei ist in deren Augen sowieso der Gegner.

Frau Schäffer, bei diesen Menschen hilft auch keine Deeskalationsstrategie mehr, wie es bei normalen Einsätzen der Fall ist. Wenn die Polizei nicht eskaliert, machen die das für die. In so einer Situation kommt die Polizei mit 1.300 Beamten und ist mit einem Verhältnis von vier zu eins hoffnungslos unterlegen.

Liebe Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen und vor allem Herr Minister Jäger, wenn das so geplant war, kann ich den ca. 50 verletzten Beamten nur anraten, eine Klage gegen den Dienstherrn wegen Verletzung der Fürsorgepflicht anzustreben.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Dass wir hier und heute nicht von mehr als 50 verletzten Beamten sprechen, ist zu einem großen Teil nichts weiter als pures Glück. Und da, wo es kein Glück war, ist es an der Zeit, den eingesetzten Beamten, und zwar denen, die in voller Montur mittendrin standen, einfach mal für ihren Einsatz

(Beifall von den PIRATEN)

und dafür zu danken, dass sie wenigstens versucht haben, das Versagen der Führungsebene – ich spreche insbesondere das MIK an – so gut es ging zu kompensieren.

Trotz all dieser Bemühungen lief der Einsatz im Großen und Ganzen einfach richtig schlecht, weil Sie sich auf Zahlen der ZIS verlassen haben, einer Datei, die, wie Sie jetzt eindrucksvoll selbst erleben durften, völlig zu Recht seit Jahren in der Kritik steht. Dieses Chaos in Köln – es war nichts anderes als ein Chaos – ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Minister, wenn man Sie so reden hört, könnte man meinen, der Innenminister ist quasi qua Amt fehlerbefreit und die Polizei natürlich auch. Aber wissen Sie, die Polizei selber hat es wenigstens zum Teil eingesehen. Zumindest die unteren Ebenen haben Fehler eingeräumt. Man bemerkte einen gewissen Lernprozess – bei Ihnen allerdings nicht.

(Lachen von den PIRATEN)

Genau das fördert nicht gerade das Vertrauen in Ihr Amt, das fördert nicht das Vertrauen in Ihre Person, und es fördert nicht das Vertrauen in Ihr Handeln.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie müssen sich über eines bewusst sein: Ich kann es völlig nachvollziehen, wenn Sie der Opposition irgendwann nicht mehr zuhören, weil Sie sagen: Die Kritik ist nicht glaubwürdig, die kritisieren sowieso alles, was ich mache. – Aber genauso sind Sie nicht glaubwürdig, wenn Sie ständig sagen, Sie hätten immer alles richtig gemacht. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schatz. – Für die Landesregierung meldet sich Herr Minister Jäger zu Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die polizeifachliche Beurteilung der Einsatzplanung und der Einsatzdurchführung reicht es eben nicht, Herr Laschet, nach dem Begriff „Hooligan“ im Internet zu googeln, sondern es ist schon etwas komplexer.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet, der Polizeiführer Rüschenschmidt in Köln war lange Zeit im Innenministerium tätig,

(Zuruf von der CDU: Auch das noch!)

ist polizeilich und fachlich außerordentlich gut; ich schätze ihn sehr. Seine Planung, die er über Tage mit den Abschnittsführern der Bereitschaftspolizei durchgeführt hat, einfach, Herr Lohn, mit der in den Raum gestellten Behauptung, da müssten Lohnkosten gespart werden, vom Tisch zu wischen, wird der Arbeit dieser Fachleute schlichtweg nicht gerecht, Herr Lohn. Das sollten Sie unterlassen.

(Beifall von der SPD und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir werden uns ganz sicher in der Innenausschusssitzung mit der Frage beschäftigen, ob SKBs, szenekundige Beamte, da waren. Sie waren aus ganz Deutschland da. Wir werden uns mit der Frage beschäftigen, warum keine Hunde da waren oder ob sie doch da waren. Wir werden darlegen, wo die Reiterstaffeln im Einsatz waren. Wir werden sicherlich darüber diskutieren, ob es wirklich ein sinnvoller Vorschlag ist, bei Demonstrationen Spezialeinsatzkräfte zu nutzen. All das werden wir tun und einsatzfachlich diskutieren.

Es ist mir aber in dieser Debatte noch wichtig, ein paar Dinge richtigzustellen. Die Zahl der Ingewahrsamnahmen sagt nichts darüber aus, ob ein Polizeieinsatz gut oder schlecht war, weil die Polizei, gerade wenn eine solche Gewalteskalation stattfindet, immer das vorrangige Ziel der Gefahrenabwehr vor der Strafverfolgung hat. Ich finde, dass es gelungen ist, dass dieser Mob die Polizeiketten nicht durchbrechen konnte und nicht marodierend durch Kölner Stadtteile zog, ist einer sehr guten Planung und vor allem einer sehr guten Durchführung des Einsatzes von Polizeibeamten an dieser Stelle, Am Eigelstein, zu verdanken, die sich da reingestellt und das Kreuz breitgemacht haben. Dafür muss man sich auch mal ein Stück weit bedanken, Herr Laschet.

(Beifall von der SPD und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Was in dieser Diskussion völlig unterzugehen droht, ist die Gleichmacherei: Das waren Hooligans. Es ist ja klar, dass die gewalttätig sind. – Das ist leider nicht gegeben.

Ohne zu viel aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auszuplaudern, haben wir zurzeit folgende Situation – ich glaube, am Ende werden wir eine dreistellige Strafverfahrenszahl haben –: Wir haben 45 Tatverdächtige. Von den 45 Tatverdächtigen sind vier als „Gewalttäter Sport“ bekannt und wegen solcher Taten verurteilt. Drei sind als „Straftäter rechts“ bekannt und rechtskräftig verurteilt. Aber jetzt kommt es: Es sind elf Strafverfahren eingeleitet gegen Personen, die als Gewalttäter ohne jeden Sportbezug und ohne jeden Extremismusbezug in der Vergangenheit auffällig und verurteilt wurden.

Das ist ein Hinweis darauf, dass das, was sich vor zwei Wochen in Köln versammelt hat, mit den klassischen Erklärungsmustern – Rechtsextremismus, Extremisten und Hooligans – nicht mehr beschrieben werden kann. Da ist etwas anderes entstanden. Da hat sich eine Gruppierung, ein Mob aus Gewalttätern Sport, Rechtsextremismus und allgemeinen Straftätern zusammengetan, die ein Thema, dass die Mitte unserer Gesellschaft, nämlich den Salafismus, berührt, an den extremistischen Rand geholt haben unter dem Motto: Wenn wir uns jetzt um das Thema kümmern, dann sind wir auch die Guten.

Wenn es den organisierten und von den Verfassungsschützern des Bundes und der Länder beobachteten Rechtsextremisten, die ungefähr zehn Prozent der Demonstranten ausgemacht haben, gelingen sollte, eine solche Bewegung für sich zu nutzen, haben wir in Deutschland ein ernsthaftes sicherheitspolitisches Problem.

Deshalb wird das ein Thema auf der Innenministerkonferenz in vier Wochen sein. Ich bin mit meinen Kollegen durchweg einer Meinung, dass sich so etwas neu formiert, sehr gewaltbereit, sehr gut organisiert, sehr gut mobilisierbar über soziale Medien. Was sich da entwickelt, müssen wir sehr genau im Auge behalten.

Das ist nicht nur durch Sicherheitsbehörden lösbar. Da müssen die Ursachen soziologisch analysiert werden. Das haben wir in Auftrag gegeben, und das werden wir auch tun, weil wir ernsthaft die Besorgnis haben, dass sich hier etwas verfestigen könnte, was sich die rechtsextremistische Szene in Deutschland zunutze machen und sie damit deutlich stärker machen könnte als in der Vergangenheit. Das bitte ich in dieser Diskussion zu beachten.

Als Letztes richte ich mich an Sie, Herr Lohn. Sie haben festgestellt, wir hätten keine V-Leute im Bereich Rechtsextremismus mehr, weil ich sie abgezogen hätte. Herr Lohn, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass eine solche Aussage schlichtweg falsch ist. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Kruse.

Theo Kruse*) (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde nicht müde, zu wiederholen, dass für die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Deutschland die Polizei zuständig ist. Diese Aufgabe ist Ländersache. Seit mehr als viereinhalb Jahren wird die rot-grüne Landesregierung mit dem federführenden Innenminister Ralf Jäger dieser Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Rot-Grün hat den Hals tief in der Schlinge: finanzpolitisch, kommunalpolitisch und nicht zuletzt sicherheits- und ordnungspolitisch. Dafür trägt dieser Innenminister in besonderer Weise die Verantwortung.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte aus einem Interview des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichts aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 29. Oktober 2014 zitieren. Der ehemalige Richter Bertrams – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – führte darin aus:

„Minister Jäger hat nun schon mehrfach erleben müssen, wie seine minimalistische Strategie – Deeskalation durch verlängerte Polizeipräsenz – scheitert. Gewaltbereitschaft und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nehmen dramatisch zu. Gleichzeitig nimmt sich der Staat bei der Durchsetzung seines Gewaltmonopols zurück und schwächt die eigene Wehrhaftigkeit. Das kann nicht gutgehen.“

(Beifall von der CDU)

Es gab in den letzten Wochen – wir haben es alle in Erinnerung – folgende Schlagzeilen: „Wohlfühlzone für Salafisten in Nordrhein-Westfalen“, „Scharia-Polizei in Wuppertal“, „Ca. 50.000 Einbrüche bei 1,5 Millionen registrierten Straftaten in Nordrhein-Westfalen“, „Bürgerstreife in Aachen und anderswo“ und „Ca. 5.000 Gewaltbereite in Köln“. – Diese Überschriften, verehrte Kolleginnen und Kollegen, haben in den letzten Wochen leider zugenommen. Unter Ihrer Regie und Verantwortung, Herr Minister Jäger, in rot-grüner Verantwortung, findet aus unserer Sicht ein Ausverkauf der inneren Sicherheit statt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie sorgen nicht nur dafür, dass das Gewaltmonopol des Staates – das ist schon schlimm genug – lächerlich gemacht wird, sondern auch – und das ist aus meiner Sicht außerordentlich bedrückend – dafür, dass die Bürger zunehmend das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates verlieren. Dies führt zu einer Staatsverdrossenheit. Auch dafür tragen Sie eine gehörige Mitverantwortung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Minister Jäger, ich möchte Sie fragen: Was sind eigentlich Ihre Maßstäbe für ein erfolgreiches Polizeikonzept? Es waren zu wenige Polizisten eingesetzt. In ihrer Unterlegenheit waren sie einerseits mitleiderregend hilflos, andererseits mussten sie Wasserwerfer, Schlagstöcke und Tränengas – die schärfsten Mittel, die es überhaupt gibt – einsetzen. Wenn solch exzessives Vorgehen nötig ist, ist das ein Scheitern des Konzepts auf der ganzen Linie.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich wiederhole meine Frage an Sie: Was sind Ihre Maßstäbe für erfolgreiche Polizeikonzepte? Weiter frage ich: Was sind Ihre Maßstäbe für das erfolgreiche Agieren eines Innenministers bei uns im Land Nordrhein-Westfalen? Ich möchte Ihnen empfehlen, dass Sie doch einmal Ihre Vorgänger, gestandene Innenminister, fragen. Ich nenne Franz-Josef Kniola und Dr. Fritz Behrens. Setzen Sie sich zumindest einmal mit denen in einer Runde zusammen und fragen nach, ob Ihr Populismus und Ihr Aktionismus tatsächlich den Herausforderungen unserer Zeitabläufe gerecht werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Minister Jäger, wann kommen Sie endlich – auch das wiederhole ich an dieser Stelle noch einmal – zur Einsicht, dass wir eine polizeiliche Gesamtstrategie in Nordrhein-Westfalen benötigen, die tatsächlich den Herausforderungen und Ansprüchen an polizeilicher Arbeit im Lande gerecht wird? Wann beenden Sie Populismus und Aktionismus?

(Lachen von Hans-Willi Körfges [SPD])

– Herr Körfges, nennen Sie mir doch mal, wenn Sie nach mir das Wort ergreifen, aus den letzten vier Jahren eine einzige Initiative der rot-grünen Koalition zur Verbesserung der polizeilichen Arbeit.

(Zuruf von Matthi Bolte [GRÜNE])

Nennen Sie mir einen Antrag bzw. eine Gesetzesinitiative, die Sie auf den Weg gebracht haben.

Dieser Innenminister Jäger schadet nicht nur dem Ansehen der öffentlichen Sicherheit in Nordrhein-Westfalen, sondern er ist das Sicherheitsrisiko Nummer eins in Nordrhein-Westfalen geworden.

(Beifall von der CDU)

Deswegen muss auch die Ministerpräsidentin in die Verantwortung mit einbezogen werden. Ich denke, Frau Ministerpräsidentin Kraft, es ist hohe Zeit, dass Sie sich im Kabinett über die Ausrichtung bzw. die politische Arbeit dieses Innenministers einmal intensiver unterhalten, als es vielleicht in der Vergangenheit erfolgt ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kruse. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kruse, bei Ihren Rundumschlägen müssen Sie gut aufpassen, dass Sie sich nicht selber treffen. Das ist Ihnen in Ihrem Wortbeitrag gerade mehrfach gelungen.

(Beifall von der SPD)

Ich will an der Stelle – bezogen auf die kleine Aufzählung, die Sie gemacht haben – lobend zur Kenntnis nehmen, dass Sie den letzten schwarz-gelben Innenminister nicht mit aufgezählt haben. Das wird wohl Gründe haben. Ich denke, es ist richtig, sich bei sozialdemokratischen Innenministern dafür zu bedanken, dass sie an ihrem Einsatz gegen Rechtsextremismus keine Zweifel gelassen haben bzw. lassen. Da beziehe ich Herrn Jäger ausdrücklich mit ein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Denn bei all dem, was wir hier gehört haben, macht es schon betroffen – ich nehme den Kollegen Schatz, den Kollegen Lürbke und andere aus –, dass es da ein Leitmotiv gegeben hat, was mit den eigentlichen Ereignissen nichts zu tun hat – schlimmer noch, Herr Kollege Laschet: Forsch vorgetragen ist nicht immer die ganze Wahrheit, ist noch nicht einmal die halbe Wahrheit. Das ist und bleibt zum Teil falsch. Das gilt für Ihre Einlassungen zum Demonstrationsrecht. Das gilt für das, was in sachfremder Art und Weise der Herr Kollege Lohn – er müsste es als Mitglied des PKG eigentlich besser wissen – zum Verfassungsschutz gesagt hat. Und das gilt auch bezogen auf die Äußerungen zur Gefährderansprache.

Meine Damen und Herren, das ist billiger und platter Populismus gewesen und lässt den vollkommen falschen Eindruck aufkommen, dass nicht die notwendige Diskussion mit dem rechtsextremen Mob hier im Vordergrund steht, sondern kleinteiliger parteipolitischer Geländegewinn.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Wir sollten, statt sich hier in Ritualen abzuarbeiten, alle Kräfte stärken, die mit uns gemeinsam nicht hinnehmen wollen, dass Horden von Neonazis das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit missbrauchen. Und diese Erkenntnis ist Gott sei Dank im Bereich der Fußballfans, der Fankultur wesentlich weiter verbreitet als ganz offensichtlich bei Ihnen. Ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei den Bundesliga-Vereinen, die mittlerweile verbieten, dass in den Stadien diese Ho.Ge.Sa-Symbolik stattfindet.

Ich bedanke mich bei den Fans, die sich ganz bewusst von dem abgrenzen, was als Hooligans daherkommt und in Aktionseinheit mit der NPD, der Rechten und PRO NRW, der German Defence League und anderen den Rechtsstaat infrage stellt.

Nur, Herr Kollege Laschet, es würde Ihrer Glaubwürdigkeit in diesen Fragen sicherlich nicht schaden, auch in den eigenen Reihen einmal für Ordnung zu sorgen. Nach wie vor gibt es gemeinsame Abstimmungen zwischen PRO NRW, der AfD und der CDU in Stadtbezirken in Köln. Äußern Sie sich doch dazu mal!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Armin Laschet [CDU]: So ein Unsinn! Das stimmt doch gar nicht!)

– Sie können sich sicherlich bei Ihren Kölner Kollegen einmal erkundigen.

(Zuruf von der CDU: Ablenkungsmanöver!)

An der Stelle ist es auch unsäglich, über die Möglichkeiten eines Verbotes der Veranstaltung zu fabulieren. Das zeigt, dass Sie sich offensichtlich mit dem Demonstrationsrecht bis jetzt noch nie beschäftigt haben und stattdessen hier nur populistische Wolken schlagen wollen, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Armin Laschet [CDU]: Was sagt denn der Roters zu dem Unsinn?)

– Sie können bei Gelegenheit versuchen, sich zu informieren. Am besten sind Sie jetzt still. Sie haben schon genug Unsinn zu dem Thema hier verbreitet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn es künftig gilt, ähnliche Vorgänge zu verhindern, werden wir handeln. Aber, Herr Laschet, wer sich im Nachhinein mit hoher gespielter Empörung hier dahingehend einlässt, das mögliche Ausmaß der Gewaltbereitschaft sei vorhersehbar gewesen:

(Armin Laschet [CDU]: Wenn Hooligans kommen, ist das absehbar!)

Lieber Herr Kollege Laschet, das ist nicht sachgerecht. Das ist selbstgerecht. Und darin sind Sie ein großer Meister.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt an Herrn Stamp und die Kolleginnen und Kollegen der FDP: Wissen Sie, was derjenige, der in einem Antrag einen Zusammenhang zwischen dem Salafismus und den Ausschreitungen in Köln herstellt, macht? – Der ist genau diesem braunen Mob auf den Leim gegangen, die doch nur einen Anlass gesucht haben und inhaltlich überhaupt nicht motiviert waren.

(Beifall von der SPD)

Es ist das Recht und die Pflicht der Opposition, Vorgänge kritisch zu hinterfragen. Ja, wir haben im Innenausschuss noch eine Menge Gelegenheit, uns mit den zugrunde liegenden Phänomenen zu beschäftigen. Sozialdemokraten in unserem Land haben in ihrer Entschlossenheit in dieser Frage in ihrer 150-jährigen Geschichte niemals einen Zweifel aufkommen lassen.

Lieber Herr Laschet, ja, der Reichskanzler Joseph Wirth vom Zentrum hatte recht: Der Feind steht rechts. Das muss aber hier und heute auch gelten. Von daher sollten wir die notwendigen Diskussionen innerhalb des demokratischen Spektrums, die notwendige Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen nicht überlagern lassen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir beenden die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/7168. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt diesem Antrag der FDP-Fraktion zu? – CDU und FDP sowie Herr Stein (fraktionslos). Wer stimmt dagegen? – Die Fraktion der Piraten, die SPD-Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag Drucksache 16/7168 mit Mehrheit abgelehnt.

Zweitens stimmen wir über den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/7234 ab. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und Herr Stein (fraktionslos). Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD und Grüne stimmen gegen diesen Antrag. Wer enthält sich? – Es enthält sich die Fraktion der Piraten. Gleichwohl ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/7234 mit Mehrheit abgelehnt.

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

3   Willkommenskultur ausbauen und Kommunen unterstützen – NRW braucht ein breites Bündnis für Flüchtlinge

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/7145

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7235

In Verbindung mit:

Flüchtlinge in NRW brauchen einen Flüchtlingsbeauftragten und verbindliche Standards

Antrag
der Fraktion der
PIRATEN
Drucksache 16/7152 – Neudruck

Und:

Der humanitären Verantwortung gerecht werden – NRW braucht eine neue Flüchtlingspolitik

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7165

Ich eröffne die Aussprache und erteile der SPD-Fraktion und damit Herrn Kollegen Körfges das Wort.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag wollen SPD und Bündnis 90/Die Grünen dazu beitragen, dass die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels zügig umgesetzt werden und das Parlament regelmäßig über die jeweiligen Umsetzungsschritte unterrichtet wird.

Daneben wollen wir den Bund auffordern, die Möglichkeiten für Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, sich auf dem Arbeitsmarkt und in der Ausbildung zu integrieren, zu verbessern.

Damit ziehen wir sicher auch einen Teil der notwendigen Konsequenzen aus den schrecklichen Vorfällen in Burbach, Bad Berleburg und Essen, die in großem Einvernehmen beim Flüchtlingsgipfel verabredet wurden.

Wir brauchen in unserem Land ein breites Bündnis für Flüchtlinge. Ich denke, das ist trotz der formal unterschiedlichen, aber inhaltlich sehr ähnlichen Anträge im heutigen Plenum schon im Vorhinein ersichtlich.

Darüber hinaus müssen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verantwortungsgemeinschaft aller öffentlichen Ebenen, also des Bundes, der Länder und der Kommunen, im Interesse der Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, stärken.

Tausende von Menschen fliehen vor Krieg, Folter und Verfolgung aus ihrer Heimat und kommen zu uns nach Nordrhein-Westfalen, um Schutz zu suchen. Wir sind aufgefordert und dazu verpflichtet, die Menschen, die Not und Lebensgefahr zu uns bringen, aufzunehmen und ihnen dauerhaft eine neue Heimat zu geben. Die Entwicklung in einigen Herkunftsländern – ich glaube, dieser Erkenntnis müssen wir uns alle öffnen –, insbesondere im Nahen Osten, zeigt, dass viele der betroffenen Menschen und Familien nicht in ihre Ursprungsheimat werden zurückkehren können.

Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels dringend erforderlich, um die Integration auch kurzfristig einleiten zu können. Dabei ist eine neue Flüchtlingspolitik nicht nur Aufgabe des Landes, sie betrifft vielmehr alle politischen Ebenen und ist auch keine Frage der parteipolitischen Unterschiede oder des Ausspielens der einzelnen Verantwortungsebenen gegeneinander.

Ich habe mich deshalb sehr über den Schnellbrief des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen gefreut, der konstatiert, dass die Atmosphäre des Flüchtlingsgipfels dem Ernst des Themas entsprechend sachlich und konstruktiv war.

Nach allem, was ich im Nachhinein gehört, gesehen und auch an Diskussionen erlebt habe, kann ich das für mich ebenfalls feststellen. Bei aller Unterschiedlichkeit, und zwar auch des Zugangs zum Thema, sollten wir versuchen, dieser Linie zumindest auch im Diskussionsstil treu zu bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Auch wenn es unterschiedliche Anträge gibt – das habe ich bereits erwähnt –, ähnelt sich doch vieles. Zudem handelt es sich auch nicht um Resolutionspolitik, wie ich in der Presseerklärung vonseiten Herrn Laschets und der CDU gelesen habe. Was wir wollen, ist der konkrete erste Schritt in die Umsetzung der Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels.

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Sie als Oppositionsfraktionen mit der Regierung nicht in allen Punkten einer Meinung sind. Ich habe mir den Entschließungsantrag der CDU einmal angeschaut und muss sagen, dass dieser – vorsichtig ausgedrückt – inhaltlich sehr stark dem ähnelt, was wir Ihnen zur gemeinsamen Antragfassung vorgelegt haben. Insoweit hätte ich mir gewünscht, dass Sie in diesem Zusammenhang über Ihren parteipolitischen Schatten springen, was uns in der Sache näher zusammengebracht hätte.

In diesem Zusammenhang möchte ich einen Unterschied ansprechen. Die Frage ist: Wie gehen wir mit Beschwerden von Menschen um? Was bieten wir Menschen an, die in den Einrichtungen jemanden suchen, an den sie sich wenden können?

Zum einen gibt es das sehr symbolhafte Einrichten von Beauftragung und von Ombudsleuten. Das ist in der Öffentlichkeit sicherlich leicht zu vermitteln. Mir bzw. uns geht es jedoch vielmehr darum, dass die Menschen, die sich vor Ort in einer Einrichtung beschwert fühlen, kurzfristig und unmittelbar eine richtige Tür bzw. einen dezentralen Ansprechpartner in der jeweiligen Einrichtung finden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das macht den Unterschied aus, und ich finde, das sollte man nicht künstlich überhöhen.

Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie anmahnen, dass wir schnell zusätzliche Plätze zur Verfügung stellen müssen. Ja, wir wollen das tun. Ich denke, wir haben uns mit 1.800 zusätzlichen Plätzen kurzfristig ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Auf mittlere Sicht sollen außerdem 10.000 dauerhafte Plätze in Nordrhein-Westfalen geschaffen werden. Ich glaube, in dieser Hinsicht sind wir alle einer Meinung. Insoweit sollten wir uns nun mit der Umsetzung befassen.

Das soll aber auch nicht einfach auf Basis des bisher Diskutierten geschehen. Vielmehr wollen wir im Dialog mit Flüchtlingsorganisationen und Verbänden gleichzeitig konzeptionell die Erstaufnahme neu strukturieren. Der Prozess der flächendeckenden Kontrollen in den Einrichtungen sowie der Überprüfung von Qualitätsstandards – unabhängig davon, ob man es jetzt Qualitäts-TÜV nennt oder nicht – muss natürlich fortgesetzt und verstetigt werden. Insoweit haben wir auch in diesem Punkt eine Gemeinsamkeit.

Darüber hinaus glaube ich, dass wir die Kommunen gemeinsam intensiver unterstützen sollten. Ich habe an einer Anhörung des Innenausschusses zu diesem Thema teilgenommen. Dabei habe ich dankbar zur Kenntnis genommen, dass die Kommunen die Schritte des Landes akzeptieren, dass sie sagen: Es ist richtig. – Man muss nur bedenken, dass wir als Land nicht alle Verpflichtungen allein tragen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das gilt insbesondere für die Gesundheitskosten, bei denen wir den Kommunen bereits ein weites Stück entgegenkommen.

An der Stelle erneuere ich meine Bitte: Die übergroße Mehrheit in diesem Haus ist dabei, sich sehr kritisch mit dem Asylbewerberleistungsgesetz auseinanderzusetzen. Vielleicht schaffen wir das auch einmal über alle Fraktionen hinweg, liebe Kolleginnen und Kollegen, um für die Kommunen, vor allen Dingen aber für die Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, wirklich eine langfristige Verbesserung der Situation zu erreichen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn dieser große Schritt kurzfristig nicht möglich ist, muss es wenigstens gelingen, zumindest eine Einbeziehung in die Krankenversicherung, die sozialen Sicherungssysteme zu ermöglichen. Denn das hat auch etwas mit Menschenwürde zu tun. Ich glaube, auch in dieser Hinsicht sind wir alle in ein und dieselbe Richtung unterwegs.

Insoweit bitte ich darum, dass wir bei aller vernünftigen und gebotenen parteipolitischen Auseinandersetzung insbesondere dem Bund gegenüber nah beieinander bleiben. Denn der Bund dürfte einem Signal, das mit großem Einvernehmen und großer Mehrheit aus Nordrhein-Westfalen gesendet wird, eine höhere Bedeutung beimessen, als wenn es hier im normalen Gegeneinander von Regierung und Opposition geschieht.

Daher würde ich mir wünschen, dass wir auch weiterhin gemeinsam an einem Strang ziehen. Dabei denke ich an bedarfsgerechtere, psychosoziale Beratung für traumatisierte Flüchtlinge, und zwar nicht nur in Landeseinrichtungen, sondern vor Ort.

Lassen Sie mich zu der Frage von Standards insgesamt noch eine Ausführung am Rande machen. Da auch ich ein Freund der dezentralen Unterbringung im Interesse der Menschen, aber auch im Interesse der finanziellen Entlastung bin, kann ich verstehen, dass die Forderung nach allgemeingültigen Standards bei vielen eine Rolle spielt. Ich habe allerdings zur Kenntnis genommen, dass unsere Kommunen genau an diesem Punkt sagen: Ihr müsst uns die Möglichkeit geben, auch die vielfältigen unterschiedlichen Lebensbedingungen im Land entsprechend zur Grundlage unserer Arbeit zu machen.

Da stellt sich die Frage, wie man Menschen angemessen unterbringt. Das ist in ländlich strukturierten Räumen womöglich anders als in Ballungsräumen. Dass es darüber hinaus allerdings einen Konsens über die verbindliche Verpflichtung, menschenwürdige Standards einzuhalten, geben muss, zieht auch in der kommunalen Familie niemand in Zweifel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abseits aller von uns zu schaffenden Voraussetzungen will ich zum Abschluss noch die wichtigste Voraussetzung für eine gelingende Integration benennen: Das ist die ehrenamtliche Arbeit vor Ort. Es gibt zwei, drei schöne Beispiele aus meinem Wahlkreis; Sie alle kennen solche Beispiele. Ich meine das ehrenamtliche Engagement und den ehrenamtlichen Einsatz von Menschen im Bereich der Willkommenskultur, im Bereich der Integration. Wir sollten uns nach Kräften darum bemühen, dieses Engagement gemeinsam zu unterstützen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Auch wenn wir gleich unter Umständen sehr differenziert mit den Anträgen umgehen, hoffe ich doch, dass die versachlichte Diskussion, die wir nach dem Flüchtlingsgipfel erlebt haben, Maßstab unseres Handelns in der Flüchtlingspolitik bleibt. Denn hier geht es nicht darum, parteipolitische Gegensätze aufzuzeigen, sondern Menschen in schwierigen und in Notsituationen zu helfen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es bei diesem Antrag grundsätzlich? Bei diesem Antrag geht es uns darum – ich glaube, hierin liegen auch einige Missverständnisse bei der Opposition begründet –, die Umsetzung der Vereinbarung des Flüchtlingsgipfels vom Parlament bestätigen zu lassen, nicht mehr und nicht weniger. – Sie schütteln mit dem Kopf, Herr Stamp, aber dies ist aus unserer Sicht der Anfang und nicht das Ende eines Prozesses.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE] und Hans-Willi Körfges [SPD])

Das, was wir in drei Stunden in Essen vereinbart haben, kann sich sehen lassen. Dabei ist sehr viel Gutes und Konkretes herausgekommen, aber das muss jetzt umgesetzt und mit Leben gefüllt werden. Deswegen bedauere ich es außerordentlich, dass die Opposition diesen gemeinsamen Weg, den wir ihr angeboten haben, nicht mitgehen will. Ich halte dies nicht für nachvollziehbar.

Ich komme zunächst zu den Argumenten der FDP. Herr Stamp, Sie fordern weitere Aufarbeitung. Ja, machen Sie es. Wir hatten in den Herbstferien eine Sondersitzung des Innenausschusses. Wir hatten zusätzliche Beratungen im Innenausschuss, im Integrationsausschuss und hier im Plenum; ich weiß nicht, wie viele Stunden dabei zusammengekommen sind. Wenn Fragen offen geblieben sind – diese erwähnen Sie in Ihrem Antrag allerdings nicht –, dann stellen Sie sie doch. Stellen Sie diese Fragen doch in den Ausschüssen!

Ich habe das Ministerium so erlebt, dass es alle Fragen in den Aufarbeitungsdebatten sehr offen und schonungslos beantwortet hat. Sie haben keinen Punkt für die nächste Innenausschusssitzung angemeldet. Insofern sehe ich keine Probleme, parallel zu dem, was wir hier beschlossen haben, weiter an der Aufarbeitung zu arbeiten, wenn Fragen offen geblieben sind. Machen Sie es!

Zweitens: Notfallkonzept. Das ist auch nicht kontrovers. Natürlich brauchen wir ein Notfallkonzept. Das gehört in die Neukonzeption hinein; auch das wurde immer wieder gesagt. Und natürlich ist diese Neukonzeption nicht mit drei Stunden Flüchtlingsgipfel erledigt.

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Vielmehr wird an der Neukonzeptionierung der Flüchtlingsaufnahme gearbeitet, und die Integration eines Notfallkonzeptes gehört dazu. Hierüber besteht kein Dissens.

Darüber hinaus fordern Sie, die grundsätzliche Trennung von EAEs und ZUEs jetzt in der Konzeptionierung zu überwinden. Die Frage ist durchaus berechtigt: Machen wir das zusammen oder zwei-schrittig?

Auch das haben wir im Innenausschuss diskutiert. Ich halte es für verfrüht, Herr Stamp, das jetzt für alles festzulegen. Reden Sie einmal mit den Städten, in denen es Zentrale Ausländerbehörden gibt. Dortmund und Bielefeld haben auch Argumente vorzutragen, warum sie das nicht gut finden. Ich finde, im Ergebnis ist es eine relevante Frage, die wir nicht hier und heute pauschal beantworten sollten, sondern im Rahmen der Neukonzeptionierung diskutieren sollten.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Deswegen geben wir es auch in die Fachberatung!)

Zu den Piraten. Sie wollen einen Flüchtlingsbeauftragten mit Sanktionskompetenzen analog des Datenschutzbeauftragten, lassen aber völlig offen, wie diese Sanktionskompetenzen aussehen sollen. Wollen Sie Bußgelder erheben? Und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? – Diesbezüglich scheint mir einiges nicht durchdacht zu sein.

Des Weiteren – hier haben wir Dissens; das muss man klar sagen – fordern Sie wiederholt Standards für Land und Kommunen. Auf Landesebene haben wir sie. Was die Kommunen angeht, haben wir das Problem der Konnexität. An der Stelle – darüber haben wir lange geredet – werden wir nicht zusammenkommen. Denn das wären mehrere Hundert Millionen Euro in der Folgefinanzierung. Das wissen Sie. Das ist aus unserer Sicht derzeit nicht darstellbar, und wir wollen auch die Idee, dass es eine Gemeinschaftsaufgabe von Land und Kommunen ist, nicht aufgeben.

Sie fordern den „Heim-TÜV“ analog Sachsen. In Sachsen werden nicht nur die Landeseinrichtungen überprüft, sondern alle Gemeinschaftsunterkünfte in allen Kommunen. Sie wollen das aber nur für die Landeseinrichtungen. An der Stelle sagen wir: Ja, das machen wir. Wir haben festgehalten, dass die Kontrollen flächendeckend fortgesetzt werden. Das ist ein „Heim-TÜV“.

Nun zur CDU. Das verstehe ich am allerwenigsten: Herr Laschet, Sie stellen in Ihrer Presseerklärung fest, dass in zentralen Fragen keine Einigung erzielt wurde. Was sind das denn für zentrale Fragen? Am 20. Oktober haben Sie doch noch ganz anders geklungen. Sie führen für diese zentrale Frage die Ombudsstelle in der Staatskanzlei an. Worum geht es denn bei einer Ombudsstelle?

Es geht doch darum – das haben wir beim Flüchtlingsgipfel diskutiert, und da sind wir doch einer Meinung –, dass wir ein dezentrales Beschwerdemanagement brauchen; das wurde auch von den Flüchtlingsorganisationen betont. Wir brauchen eine Stelle in den Einrichtungen, wo sich jeder und jede beschweren kann. Selbstverständlich müssen die Beschwerden hier in Düsseldorf zentral zusammenfließen und auch Auswirkungen haben.

Nun stellt sich die Frage, wo diese Rückläufe ankommen. Steht auf dem Schild „Ombudsstelle“? Soll diese Stelle bei Hannelore Kraft oder bei Ralf Jäger angesiedelt sein? Darum geht es doch. Insofern können Sie doch nicht sagen, dass es eine zentrale Frage ist, über die keine Einigkeit erzielt worden sei. In der Sache sind wir uns doch einig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zum „Heim-TÜV“, den Sie als zentrale Kontroverse anfügen. Wir haben ganz klar vereinbart, dass wir die unabhängigen Kontrollen fortsetzen wollen. Was ist das denn anderes als ein „Heim-TÜV“?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist doch genau dasselbe. Sie kleben eine andere Plakette darauf. Hier heißt es Beschwerdestelle, dort Ombudsstelle, dort „Heim-TÜV“, hier „Taskforce Kontrolle“. Und Sie sehen darin eine Differenz?

Mein Fazit ist, dass ich es eigentlich nur noch einmal bedauern kann, dass wir heute nicht zu einer gemeinsamen Linie im Umgang mit Flüchtlingen gekommen sind. Es wäre möglich gewesen, denn die Schnittmengen sind tragfähig.

Noch einmal, Herr Stamp: Wir sind am Anfang eines Prozesses, nicht am Ende. Sie haben eine andere taktische Entscheidung getroffen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sie haben eine Entscheidung getroffen!)

Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber ich darf das hier bedauern. Denn es geht um ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema. Es sind ja nicht nur die Herausforderungen für uns als Politik enorm, sondern auch für die Zivilgesellschaft, die in den Städten und Gemeinden überwiegend – das muss man sagen – Flüchtlingen mit Hilfsbereitschaft und Willkommen begegnet, aber eben auch mit Ängsten und Abwehr.

Hierfür, genau für diese schwierige Lage, wäre ein gemeinsames Signal aus dem Landtag von großer Bedeutung gewesen, dass wir gemeinsam, Politik und Gesellschaft, uns den Herausforderungen stellen wollen.

Zweitens wäre ein gemeinsames Signal eine wirklich bessere Alternative gewesen als hier ein parteitaktischer Streit,

(Zuruf von der FDP: Das stimmt!)

nämlich nach Berlin. Am 11. Dezember sitzen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin zusammen. Aus NRW sollte – wir haben es doch schon einmal gemacht im Hinblick auf die Kommunen – ein gemeinsames Signal kommen. Das wäre doch wirklich mal was. Das bedaure ich, dass wir das offenbar nicht hinbekommen, dass wir uns – wie damals bei den sozialen Kosten – ganz klar hinter unsere Kommunen stellen, hinter die Flüchtlinge stellen und sagen, dass wir auf mehr Unterstützung aus Berlin angewiesen sind. Denn wir können bestimmte Probleme nicht auf Landesebene lösen.

Das Hauptproblem zum Beispiel bei der Gesundheitsversorgung ist: Wir brauchen einen gesetzlichen Anspruch für eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das können wir nicht leisten. Deswegen wäre dieses gemeinsame Signal so wichtig gewesen, Hannelore Kraft mit der Rückendeckung des Landtags nach Berlin zu schicken.

Ich weiß nicht, was Sie diesen Kindern sagen, die – ich nenne ein ganz konkretes Beispiel aus meinem Wahlkreis – zum Zahnarzt kommen. Der Zahnarzt sagt dann: Es ist ein Loch im Zahn, aber das können wir nicht plombieren. Wir können hier nur eine Notversorgung leisten. Komm bitte wieder, wenn du Zahnschmerzen hast! – Das ist doch kein menschenwürdiger Umgang mit den Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen.

Gerade weil wir bei der Krankenversorgung so dringenden Handlungsbedarf haben, finde ich es schade, dass das, Herr Stamp, besonders in Ihrem Antrag überhaupt keine Erwähnung findet und wir da zu keiner gemeinsamen Entschließung kommen konnten. Es tut mir leid. Wir werden weiter versuchen, Sie davon zu überzeugen, hier einen gemeinsamen Weg zu gehen. Heute ist es leider nicht gelungen. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Düker, ich bin schon ein bisschen platt. Sie reden jetzt von einem Anfang. Allein wir sind jetzt schon zwei Jahre dabei, hier Antrag über Antrag zu stellen und Sie aufmerksam zu machen auf die Not der Flüchtlinge, auf die Probleme in der Unterbringung. Jetzt von einem Anfang zu reden, ist schon ein starkes Stück, finde ich.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Konsequentes Wegschauen, was in der Welt vor sich geht, konsequentes Ignorieren der vielen Hinweise und Warnungen der Hilfsorganisationen und Verbände, dass nicht genügend Vorbereitungen getroffen wurden, keine Kapazitäten geschaffen wurden, und das seit Jahren, das ist der Skandal. Das kann man nicht oft genug sagen.

Das Land hat sich einfach nicht vorbereitet, hat die Hände in den Schoß gelegt und sich Aufwand und Verantwortung gespart. Das hat zu den Problemen geführt mit viel zu wenig Vorsorge und einem fahrlässig erzeugten Notstand.

Das hätte man in Ihrem Antrag eingestehen müssen

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

und auf dem Gipfel auch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen. So wären Sie aus dem Skandal vielleicht noch halbwegs anständig herausgekommen. Aber wie so oft mangelt es auch hier an der Fehlerkultur, insbesondere bei diesem Innenminister.

Um einen aktuellen Eindruck zu bekommen, ob sich seit Burbach oder seit der Sondersitzung des Innenausschusses vor Ort etwas geändert hat, habe ich gestern noch einmal selbst bei zwei Unterbringungseinrichtungen nachgefragt. Dort ist Ihre Taskforce auch vier Wochen nach Ihrer großen Ankündigung noch nicht gewesen.

(Armin Laschet [CDU]: Natürlich nicht!)

Noch nicht mal angerufen haben sie, um einen Termin zu vereinbaren.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Bei kommunalen Einrichtungen oder wo?)

– Nein, bei Landeseinrichtungen.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Bei Landeseinrichtungen!)

Es war niemand da, vier Wochen lang. Ich glaube, wir haben im Moment 20 Landeseinrichtungen. Zehn Menschen der Taskforce sind unterwegs.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Da ist noch nichts passiert. Aber Probleme gibt es da vor Ort.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Konkret! – Zuruf von den PIRATEN: Wo waren die denn? – Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Damit wir das nachverfolgen können!)

– Ich war in Hemer.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Körfges zulassen?

Frank Herrmann (PIRATEN): Ja, bitte schön.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Kollege Herrmann, Sie waren ja gerade dabei, das auszuführen. Ich hatte mich schon vorher eingedrückt. Sind Sie denn dazu bereit, jetzt zu sagen, wo Sie konkret waren und was Ihnen da vor Ort gesagt worden ist?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege.

Frank Herrmann (PIRATEN): Ja, ich habe es gerade gesagt: Hemer. Da gibt es im Moment diese Situation.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Zwei!)

– Detmold ist die Nummer zwei. – Die Menschen kriegen dort eine Nummer, im Moment eine Karte. Sie werden weitertransportiert irgendwo dahin, wo Platz ist. Sie sind überhaupt nicht registriert. Sie haben keine Ausweispapiere, und das teilweise seit Monaten. Mehrere Hundert Flüchtlinge sind so im Land unterwegs. Keiner weiß, wo sie sind. Konkret bedeutet das auch, dass ihre Asylverfahren noch überhaupt nicht begonnen werden können. Das heißt, es sind Plätze belegt. Die Menschen wissen nicht, was los ist.

Vor allen Dingen weiß der Regierungspräsident gar nicht, wer wo ist. Ich möchte keine Dinge hier in den Raum stellen, wer da eventuell dabei ist. Ich denke, grundsätzlich ist das ein massives Organisationsversagen. Da helfen auch die zusätzlichen Plätze, die Sie in Ihrem Antrag in Aussicht gestellt haben, überhaupt nicht weiter.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Yetim zulassen?

Frank Herrmann (PIRATEN): Ich möchte jetzt gerne fortfahren und noch einmal betonen,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Sehr unpiratig!)

dass Ihr Antrag wieder einmal ein Show-Antrag ist, dem es insgesamt an Verbindlichkeit fehlt.

(Beifall von Serap Güler [CDU])

Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag transparente und nachvollziehbare Verfahren auf allen Ebenen und für die Umsetzung der Maßnahmen einen verbindlichen Zeitplan. Darüber steht bei Ihnen nämlich nichts.

Wichtig ist uns vor allen Dingen, dass sich die vielfach auch in den Kommunen prekäre Lage der Flüchtlinge umgehend ändert.

Daher fordern wir, dass die zusätzlich den Kommunen zur Verfügung gestellten 40 Millionen € ausschließlich für konkrete Projekte zur Verbesserung der Situation der Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Kommunen sollen durch einfachen Antrag Mittel erhalten können, um zum Beispiel mit einem Auszugsmanagement die Unterbringung in Wohnungen zu fördern oder soziale Betreuung vor Ort zu gewährleisten. Das wäre dann Hilfe, die tatsächlich auch bei den Flüchtlingen ankommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, so sehr ich Ihren Entschließungsantrag schätze: An dieser Stelle gehen wir auseinander. Für die Entlastung der Kommunen sehe ich im Moment einfach keinen Raum. Die 40 Millionen € müssen direkt bei den Flüchtlingen ankommen. Das ist im Moment absolut notwendig. Die Entlastung der Kommunen muss an anderer Stelle geregelt werden.

Da ich noch Redezeit für meine Kollegin übrig lassen möchte, fasse ich zusammen: Der Antrag von SPD und Grünen ist zu spät, zu langsam und enthält zu wenig. Dies ist die Bilanz rot-grüner Flüchtlingspolitik. Setzen Sie endlich die Vorschläge um, die Ihnen von allen Seiten gemacht werden, damit wir uns nicht länger für das Angebot schämen müssen, das unser Land den Menschen macht, die bei uns Schutz und Hilfe suchen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Düker, wir haben bereits vor Bekanntwerden der Übergriffe in Burbach hier Initiativen zu Veränderungen in der Flüchtlingspolitik – gerade auch im Hinblick auf die auskömmliche Finanzierung gegenüber den Kommunen – parlamentarisch eingebracht. Das ist von Ihnen nicht goutiert worden. Wir haben nach Bekanntwerden der Übergriffe nicht nur die politische Verantwortung gefordert, sondern auch konkrete Maßnahmen für einen Neuanfang verlangt.

Frau Ministerpräsidentin, wir sind dann Ihrer Einladung zum Flüchtlingsgipfel gefolgt und haben von vornherein zu dem sogenannten Flüchtlingsgipfel erklärt: Wir wollen dort nicht nur Kulisse für heile Welt sein, sondern wir wollen, dass konkrete Maßnahmen beschlossen werden. Wie gesagt, haben wir auch unsere Forderungen artikuliert, so wie es andere Fraktionen ebenfalls getan haben.

Ein wesentlicher Teil unserer Vorschläge ist dort auch beschlossen worden. Das gilt insbesondere für die Entlastung der Kommunen und zumindest für die Ankündigung einer Neukonzeption der Unterbringung.

Wir haben auch über den Flüchtlingsbeauftragten gesprochen. Sie haben stattdessen ein dezentrales Beschwerdemanagement vorgeschlagen. Darüber könnte man aus unserer Sicht durchaus diskutieren.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Deswegen sagen wir als FDP: Wir bekennen uns zu den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels.

Aber, Frau Ministerpräsidentin, Sie haben auf dem Flüchtlingsgipfel meine Frage, wie das denn umgesetzt werden soll, mit den Worten beantwortet: Dafür bedarf es intensiver Gespräche mit den Fraktionen. – Diese Gespräche sind bis heute ausgeblieben. Stattdessen haben wir von Ihnen bzw. von den Sie tragenden Fraktionen einen Antrag mit einem bestimmten Duktus bekommen. Sie inszenieren sich darin quasi als Erfinder einer neuen Flüchtlingspolitik. Diesen Antrag haben Sie uns auch noch mit dem Hinweis vorgelegt, wir mögen uns bitte innerhalb von 48 Stunden entscheiden, ob wir ihm beitreten. Das parteipolitische Klein-Klein liegt also bei Ihnen, Frau Ministerpräsidentin.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Die Behauptung, Sie seien die Erfinderin der neuen Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen, ist doch nach der Performance von Herrn Jäger nun wirklich ein schlechter Witz.

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

Statt Gesprächen hat es ein Ultimatum gegeben. Frau Ministerpräsidentin, das ist ein klarer Wortbruch, der diesen gemeinsamen Neuanfang zur Farce macht.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Wir haben kein einziges Gespräch über offengebliebene Punkte geführt. Ich habe das gerade angesprochen. Wir hätten uns doch wunderbar auseinandersetzen können.

Ich bin nicht wie Kollege Laschet der Meinung, dass der Ombudsmann in der Staatskanzlei angesiedelt werden muss. Man kann über ein dezentrales Beschwerdemanagement diskutieren. Man kann aber auch darüber diskutieren, einen Flüchtlingsbeauftragten, wie es die Grünen vorgeschlagen haben, wie wir es vorgeschlagen haben, wie es die Piraten vorgeschlagen haben, hier bei uns, beim Parlament, anzusiedeln. Das wäre die richtige Position.

Vor allem beantworten Sie mit Ihrem Antrag auch nicht die Frage der Finanzierung. Es gibt nicht einen einzigen Vorschlag zur Finanzierung. Frau Ministerpräsidentin, damit entsteht ein bisschen das Geschmäckle eines Ablasshandels. Wir sagen auf der einen Seite Geld zu; dafür ist unser Innenminister aus dem Schneider. Bei einem solchen Ablasshandel – und dann noch auf Kosten Dritter – machen wir nicht mit.

(Beifall von der FDP)

Frau Ministerpräsidentin, Sie sollten sich auch fragen, ob sich diese Rettungsaktionen für diesen Minister lohnen. Er hat die Salafisten nicht im Griff, die Hooligans nicht im Griff – wir haben es eben besprochen –, die Einbrecher nicht im Griff, und er kümmert sich auch nicht ausreichend um die Flüchtlinge.

(Zuruf von der SPD: Geht es noch dicker?)

In der Konsequenz – der Kollege von den Piraten, Herr Herrmann, hat es ja eben schon angedeutet – hat sich auch weiterhin nichts getan. Wir haben es jetzt wieder von Bürgermeistern gehört, die gesagt haben – Zitat –: „Die Kommunikation zwischen Kommunen und Land, insbesondere im Blick auf die Bezirksregierung, muss deutlich verbessert werden.“

Bei uns in Bonn erleben wir es gerade, dass am 1. November eine neue Notunterkunft für die Erstaufnahme eröffnet werden sollte, die noch nicht fertig ist. Das ist eine Baustelle. Wenn ich bei der Bezirksregierung anfrage, ob ich diese Einrichtung denn wenigstens einmal besichtigen kann – Herr Innenminister, Sie haben uns ja empfohlen, wir sollten uns vor Ort alles anschauen –, bekomme ich gesagt: Nein, das ist eine Baustelle; da können Sie nicht hin. – So sieht das aus, wenn ich mir die Einrichtung bei mir vor Ort ansehen will. Es heißt dann, man werde irgendwann auf mich zukommen. Am 1. November sollte es diese Einrichtung geben. So ist es kommuniziert worden. Wir haben seitdem nichts anderes mehr von Ihnen gehört. Das Chaos geht weiter.

Meine Damen und Herren, in diesem Land brauchen die Menschen, aber auch die Flüchtlinge keinen Poster-Boy, der auf Hochglanzfotos gut aussieht, sondern einen Innenminister, der die tatsächliche Kärrnerarbeit macht. Und das ist etwas, was Sie hier verweigern, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Wir haben immer gesagt: Wir wollen kein parteipolitisches Klein-Klein. Deswegen sind wir nach wie vor daran interessiert, zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen.

Ich finde es auch bemerkenswert, dass Sie, wenn wir im Gegensatz zu Ihnen, die hier „Friss oder stirb!“ fordern, einen Antrag vorlegen mit dem Ziel, ihn in den Fachgremien hier im Hause zu beraten, das als parteipolitisches Klein-Klein bezeichnen. Eine solche Haltung gegenüber dem Parlamentarismus finde ich schwer enttäuschend. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Kuper.

André Kuper (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Gerade wir Deutschen wissen, welches menschliche Leid hinter jedem einzelnen Flüchtlingsschicksal steckt; denn wir als Nation haben es selbst erfahren. Daraus erwächst unsere besondere historische und humanitäre Verantwortung gegenüber Flüchtlingen.

(Beifall von der CDU)

Im Jahre 2013 haben 127.000 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Das sind übrigens fast 30 % aller in der EU gestellten Anträge. Für 2014 rechnen wir mit rund 200.000 Flüchtlingen. Davon werden NRW bis zu 40.000 Menschen zugewiesen.

Die Hilfsbereitschaft in Deutschland ist auch angesichts dieser hohen Zahlen weiterhin ungebrochen. Der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen, unsere Kommunen, die Flüchtlingsorganisationen, die Verbände und auch die Kirchen und Glaubensgemeinschaften sowie insbesondere viele, viele Ehrenamtler leisten einen wichtigen humanitären Beitrag sowohl bei der Aufnahme der Flüchtlinge und Vertriebenen als auch bei der Hilfe vor Ort.

Angesichts der unvorstellbaren Dimension der weltweiten Flüchtlingsproblematik und der dramatischen Lage der betroffenen Menschen sind die Bilder, die wir alle aus der Landeseinrichtung in Burbach seit gut einem Monat kennen, ein verheerendes Signal. Den Flüchtlingen wurde Schlimmes angetan.

(Beifall von der CDU)

Deshalb hat das Ansehen unseres Landes enorm gelitten.

NRW versagt bei Zahlen von rund 37.000 Flüchtlingen. In der Türkei gelingt es bei 1,6 Millionen Flüchtlingen, eine gute humanitäre wie medizinische Hilfe mit sozialer und pädagogischer Betreuung nebst Sprachkursen zu leisten. Unser Fraktionsmitglied Thomas Kufen konnte sich jüngst persönlich vor Ort davon überzeugen.

Aber gerade aus der besonderen Geschichte Deutschlands erwächst uns eine besondere Verantwortung. Es ist die Pflicht aller handelnden Akteure, jederzeit menschenwürdige Verhältnisse sicherzustellen. Die Misshandlungsvorwürfe und teilweise unhaltbaren Zustände in Flüchtlingsunterunterkünften stehen weiter im Raum.

Sehr geehrter Herr Innenminister Jäger, Sie waren sich dieser besonderen Pflicht wohl nicht bewusst. Sie haben Ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt. Sie tragen die Verantwortung und haben für dieses Organisationsverschulden einzustehen.

Und, sehr geehrter Herr Innenminister, wir trauen Ihnen auch nicht zu, dass Sie diese Missstände und Organisationsmängel beseitigen; denn ohne die Berichterstattung über die Vorfälle in Burbach wären diese Zustände weiter im Dunkeln geblieben. Denn nicht Ihr Haus oder die Bezirksregierung haben diese Missstände aufgedeckt. Erst durch die mediale Wahrnehmung wurde überhaupt das Problembewusstsein geschaffen. Ohne diese Berichterstattung würde doch alles weiterlaufen wie bislang. Sie haben sich unser Misstrauen durch Ihr Verhalten erarbeitet.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Wir glauben nicht, dass Sie, Herr Minister, zukünftig die Probleme in den Flüchtlingsunterkünften erkennen und beseitigen werden.

Dieses Misstrauen, die Probleme in den Flüchtlingsunterkünften zu lösen, ist ein wesentlicher Grund dafür, warum es keine gemeinsame Resolution zu Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels aus unserer Sicht geben kann. Der Flüchtlingsgipfel war notwendig, um die Breite der aktuellen Probleme endlich in den Blick zu nehmen. Die dort getroffenen grundsätzlichen Vereinbarungen, die mit den Kirchen, den Verbänden, den Kommunen gefunden wurden, werden auch weiterhin von uns mitgetragen. Aber diese Ergebnisse können nur ein erster Schritt sein; es müssen weitere Schritte folgen.

Auch Ihre heutige Resolution, sehr geehrte Damen und Herren der Regierung sowie der Fraktionen von SPD und Grünen, ersetzt kein Handeln. Der Worte sind genug gewechselt. Lassen Sie nun Taten folgen!

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, die CDU übernimmt Verantwortung in der Flüchtlingspolitik. Wir haben unsere Vorstellungen und Forderungen, was jetzt zu tun ist, vor dem Flüchtlingsgipfel erklärt und damit den Gipfel auch inhaltlich bestimmt. Unsere weitergehenden Forderungen haben auch weiterhin Bestand.

Wir betonen ganz deutlich, dass wir die Vereinbarungen des Gipfels begrüßen, aber als ersten Schritt. Sie sind zu kurz gesprungen. Wir kündigen den Konsens nicht auf, wir erwarten nur endlich verantwortliches Handeln. Es wurde genug gesprochen. Die Probleme der Flüchtlinge, der Unterkünfte und der Kommunen lassen sich nicht durch Landtagsresolutionen lösen, sondern durch konkrete Taten, Gesetzesänderungen, die noch nötig sind, und Umsetzung der Beschlüsse. Da gibt es bislang nichts Konkretes.

Hier tragen Sie, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, mit Ihrem Kabinett jetzt die Verantwortung. Ihnen obliegt die konkrete und finanzielle Umsetzung. Wir wollen keinen Streit über Resolutionen oder Anträge auf dem Rücken der Flüchtlinge, wir fordern echte Verbesserungen der Situation. Dafür sind strukturelle Änderungen der Organisation und Kontrolle notwendig.

Ein Minister, der die Zustände in den Landeseinrichtungen nicht wahrnehmen wollte oder mit der Situation überfordert ist, kann nicht die Instanz sein, die zukünftig die Kontrolle und Aufarbeitung der Vorfälle durchführt. Um es klar zu sagen: Wir halten den derzeitigen Minister für den falschen, um den Schutz und die Sicherheit der Flüchtlinge in den Einrichtungen des Landes zu gewährleisten.

(Beifall von der CDU)

Herr Jäger, die Schonzeit für Sie ist abgelaufen. Für uns als CDU ist eine effektive Aufsicht erforderlich, ein „Heim-TÜV“, die Ombudsstelle. Auch bei der Unterstützung der Hilfen für Kommunen sind handfeste Lösungen und Finanzierungsvorschläge notwendig. Hier haben wir Ihnen mit unserem Antrag eine Menge an Details vorgelegt.

Die Dringlichkeit, dass endlich die Umsetzung der Beschlüsse des Gipfels erfolgt und diese zur Verbesserung auch Realität werden, zeigt der aktuelle Brandbrief der acht Bürgermeister aus den Städten mit Flüchtlingsheimen: Bad Berleburg, Burbach usw. Diese stellen sich ihrer Herausforderung, rund 5.000 Flüchtlinge aufzunehmen.

Aber die Kommunen haben auch heute noch keinesfalls das Gefühl, bei der Bewältigung dieser Aufgabe vom Minister unterstützt zu werden – im Gegenteil.

(Zuruf: So ist das!)

Trotz der bekannten Vorkommnisse von Burbach fehlt es nach wie vor an einer Kommunikation zwischen Land und Kommunen. Die Städte wissen häufig nicht, wann Flüchtlinge kommen und wie viele es sein werden; sie wissen nicht, wie lange diese in den Unterkünften bleiben. Sehr viel wird dort spontan erledigt.

Wie kann angesichts einer solchen Informationslage und Organisation die Versorgung überhaupt noch gewährleistet werden? Die Kommunen geben ihr Bestes, werden aber vom Land an dieser Stelle im Stich gelassen. Hier ist es – trotz der Beteuerung des Ministers – in der Praxis nicht besser geworden. Das hat nichts mit aufwendigen Änderungen oder fehlenden finanziellen Mitteln zu tun. Hier fehlt bislang anscheinend der Wille zu einer besser organisierten Flüchtlingspolitik.

Herr Minister Jäger, es reicht nicht aus, Ihr Bestes zu geben. Diese Landesregierung muss endlich davon wegkommen, die Flüchtlingsaufnahme lediglich als Pflichtaufgabe zu begreifen.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Der auf dem Flüchtlingsgipfel erzielte Konsens kann ein erster Schritt sein. Wir messen Sie an konkreten Ergebnissen, nicht an Aussagen, Resolutionen oder Presseerklärungen. Wir werden Sie, Frau Ministerpräsidentin, und Sie, Herr Innenminister, an Ihren Worten und Taten messen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kuper. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Stamp, der Fairness halber hätte zur Vollständigkeit Ihres Vortrags auch die Mitteilung an das Parlament gehört, dass Sie die Einrichtung in Bonn bereits einmal besucht haben.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Ich habe diese Einrichtung nicht besucht!)

Der Fairness halber wäre auch die Mitteilung richtig gewesen, dass Herr Steitz, der Regierungsvize, Ihr Büro darüber unterrichtet hat, dass Sie selbstverständlich unaufgefordert eine Einladung in diese Einrichtung erhalten werden, sobald die Baustelle begehbar ist. Das wäre der Fairness halber und zur Vollständigkeit noch zu sagen gewesen.

(Zuruf: Soll er Sie erst noch um Erlaubnis fragen?)

Hier liegen drei Anträge von vier Fraktionen vor – man könnte den Eindruck gewinnen, dass sich die Flüchtlingsfrage zu einem politischen Zankapfel entwickelt. Das ist glücklicherweise nicht der Fall. Wenn man nämlich den gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen, aber auch die Anträge der FDP und der Piraten genau liest, dann erkennt man schnell: In der Sache, in der Zielrichtung sind wir uns einig. – Das ist schon mal gut.

Wir brauchen einen neuen Weg in der Flüchtlingspolitik. Wir brauchen diesen neuen Weg in Nordrhein-Westfalen, wir brauchen ihn im Bund, und wir brauchen ihn europaweit.

(Armin Laschet [CDU]: Nein! Wir brauchen nicht die Welt zu retten! Nordrhein-Westfalen reicht!)

Wenn ich von „uns“ und von „wir“ rede, Herr Laschet, dann beziehe ich Sie da gedanklich ausdrücklich mit ein. Denn auf dem Flüchtlingsgipfel, den die Frau Ministerpräsidentin initiiert hat, haben Sie dessen Ausgang mit gelobt; das haben jedenfalls viele Teilnehmer so empfunden. Sie haben die Sache in den Vordergrund gestellt, und Sie haben bei der Pressekonferenz sogar gesagt, dass wir uns eigentlich nur in Kleinigkeiten unterscheiden.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Leider haben wir dann lesen müssen: Herr Laschet kündigt den Konsens zur Flüchtlingspolitik auf. – Das ging so durch die Medien.

Man kann der Opposition sicherlich nur schwerlich vorwerfen, dass sie gegen die Pläne der Regierung sei; das ist sicherlich ihre Aufgabe, und das will ich Ihnen auch gar nicht vorwerfen. Nur: Das Tempo und die Vehemenz Ihrer Wende haben mich schon beeindruckt.

Trotzdem sage ich: Wir sollten bei dem konstruktiven Dialog bleiben und bei den Ergebnissen, die wir auf dem Flüchtlingsgipfel überwiegend gemeinsam positiv bewertet haben. Dies sollten wir nun auch umsetzen.

(Armin Laschet [CDU]: Dann macht doch mal!)

– Herr Laschet, wenn Sie mir jetzt die Gelegenheit geben, dann will ich Ihnen gerne den Stand der Dinge mitteilen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Gegenrufe von der CDU)

Ich glaube, dieser Flüchtlingsgipfel war ein Erfolg, schon deshalb, weil wir einen klaren, eindeutigen Paradigmenwechsel vollzogen haben. Wir nehmen jetzt und in Zukunft die Situation verstärkt aus dem Blickwinkel der Flüchtlinge wahr. Wir unterstützen ein Mehr an menschlicher Zuwendung, wir fördern die individuelle Betreuung und Qualifizierung.

Wir stellen fest, dass wir es mit anderen Flüchtlingen zu tun haben als früher. Viele von ihnen sind auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Viele von ihnen werden lange bleiben, manche sogar für immer.

Das heißt, wir müssen die Konsequenzen daraus ziehen: das System der Erstaufnahme völlig neu denken, es an diese veränderte Situation bei den Flüchtlingen anpassen und dafür sorgen, dass es auf Dauer funktioniert.

Es geht letztlich darum, mit allen Entscheidungsträgern, mit einem breiten Bündnis aus Politik – fraktionsübergreifend, hoffe ich – und Zivilgesellschaft dieses neue System zu entwickeln und es mit Leben zu erfüllen.

(Zuruf von den PIRATEN: Das sagen Sie seit zwei Jahren!)

Alle Vertreter der Kirchen und der Verbände waren sich bei diesem Gipfel einig: Der gemeinsame Weg ist der richtige Weg.

Ich finde, es ist ein sehr gutes Zeichen für die Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen, dass uns dieser Schulterschluss gelungen ist. Das unterstreicht unser Selbstverständnis, das wir in der Flüchtlingspolitik haben.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das ist doch alles viel zu spät!)

Dieses Land schließt niemanden aus. Das ist die Willkommenskultur in Nordrhein-Westfalen.

Die grundlegenden Rahmenbedingungen will ich kurz vortragen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis Ende dieses Jahres weitere 1.800 Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen und perspektivisch die Zahl auf insgesamt 10.000 zu erhöhen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Brauchen wir seit Anfang dieses Jahres!)

Daneben verstärken wir das Personal vor allem bei der Bezirksregierung Arnsberg deutlich. Wir werden neben den bereits vorgesehenen 23 Stellen noch einmal zusätzlich 21 Stellen einrichten.

Weitere wichtige Maßnahmen, die wir auf dem Flüchtlingsgipfel vereinbart haben, dienen insbesondere der Entlastung der Kommunen. Als Landesregierung sind wir uns einig, dass wir unsere Kommunen bei der Aufnahme und bei der Betreuung von Flüchtlingen nicht alleine lassen dürfen. Deshalb ist die Erhöhung unserer Landespauschale um 40 Millionen € ein entscheidender Schritt hin zu dieser Entlastung. Diese hohe zusätzliche Summe bedeutet eine große Hilfe für unsere Kommunen, um vor Ort menschenwürdige Aufnahmestrukturen vorzuhalten.

Zusätzlich richten wir einen Härtefallfonds in Höhe von 3 Millionen € ein. Damit unterstützen wir genau diejenigen Kommunen, Städte und Gemeinden, die im Einzelfall besonders hohe Krankheits- oder Pflegekosten leisten müssen.

Weiterhin werden wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Asylbewerber in die Systeme des SGB II bzw. des SGB XII sowie die Krankenversicherungspflicht einbezogen werden. Ich hoffe, dass wir darüber im Bundesrat gemeinsam fraktionsübergreifend diskutieren werden. Auch das würde zu einer deutlichen Entlastung unserer Kommunen führen.

Ich habe es eingangs schon einmal gesagt: Neben der Gewährung von Schutz und menschenwürdigen Unterkünften müssen wir noch mehr geben, nämlich Menschlichkeit und Zuwendung. Ein Dach über dem Kopf ist die Grundvoraussetzung. Unsere Flüchtlingspolitik darf an diesem Punkt aber nicht aufhören. Wir brauchen mehr individuelle Betreuung und weniger kollektives Verwalten.

Deshalb ist es uns so wichtig, in dem Bereich anzusetzen, indem wir die soziale Beratung für Flüchtlinge deutlich ausbauen. Bisher haben wir dazu eine Summe von 3,5 Milliarden im Landeshaushalt zur Verfügung gestellt.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Millionen!)

Diese Summe wird verdoppelt.

Die soziale Beratung ist immens wichtig. Kirchen und Verbände leisten heute schon wertvolle Arbeit und treten in den direkten Dialog mit den Flüchtlingen ein. Um es deutlich zu sagen: Die Arbeit der Verbände und kirchlichen Organisationen können wir nicht hoch genug anrechnen.

Zur sozialen Beratung zählt auch ein neues strukturiertes und dezentrales Beschwerdemanagement. Mit diesem Instrument sowie mithilfe der eingesetzten Taskforce stellen wir sicher, dass wir zukünftig schneller und vor allem umfassender über mögliche Missstände informiert werden. Denn nur so können wir mögliche Missstände beheben.

Meine Damen und Herren, neben diesen Maßnahmen setzen wir einen weiteren Schwerpunkt im Bereich Integration. Wie ich bereits sagte: Tendenziell werden die Menschen länger bleiben. Viele von ihnen werden für immer bleiben. Das heißt, wir müssen eine Integration in unsere Gesellschaft ermöglichen. Wir müssen sie fördern. Wir müssen die Integration erleichtern.

Der Schlüssel dazu ist Bildung. Das gilt vor allem im schulischen Bereich. Als erste schulische Maßnahme setzen wir ganz auf den Erwerb der deutschen Sprache. Nur das kann die Basis sein; denn ein erfolgreicher Schulbesuch setzt Sprachkenntnisse voraus. Wir setzen uns aktiv dafür ein, Kinder von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern auch in den schulischen Ganztag aufzunehmen und zu integrieren.

Daneben müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass ein Übergang von der Schule in den Beruf gelingt. Das heißt, wir fördern, wir fördern, und – nochmals – wir fördern.

Was den Zugang zum Arbeitsmarkt angeht, sehe ich die Entwicklung auf Bundesebene, die Diskussionen, die da geführt werden, als positiven Ansatz. Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf soll einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen, insbesondere für qualifizierte Kräfte unter den Asylbewerbern und Flüchtlingen. Wir werden das Gesetzgebungsverfahren im Bund interessiert verfolgen und, wenn nötig – darauf können Sie sich verlassen –, auch kritisch begleiten.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Diese Maßnahmen wurden von allen Seiten – von den Kirchen, von den Verbänden und auch von den Fraktionen – ausdrücklich begrüßt. – Herr Stamp, die Ministerpräsidentin und ich haben auch gesagt: Der Flüchtlingsgipfel war nur der Auftakt. Weitere Maßnahmen müssen folgen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das ist keine Verbesserung!)

Sie schreiben in Ihrem Antrag selbst – das finde ich auch richtig –: Die Ergebnisse können nur ein erster wichtiger Schritt sein. – Jetzt geht es darum, den nächsten Schritt zu wagen, nämlich Taten folgen zu lassen. Vor der tatsächlichen Umsetzung steht dabei – darin sind wir uns einig – der fachliche Dialog mit den Kirchen und mit den beteiligten Verbänden. Diesen Dialog wollen wir sachlich und konstruktiv führen. Vor allem aber müssen wir ein neues Konzept mit Sorgfalt und nicht mit der heißen Nadel stricken.

(Lachen von den PIRATEN)

Ich habe es eingangs betont: Die Anträge von FDP und Piraten zeigen, dass wir in der Zielrichtung nahe beieinander sind. Es gibt nur wenige Bereiche, in denen wir unterschiedlicher Meinung sind. Das ist schon mal ein guter Anfang.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Die Geschwindigkeit zählt!)

Auch wenn die Anträge von FDP und Piraten in dem kommenden Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt werden, möchte ich trotzdem noch ein paar Worte zu Ihren Vorschlägen sagen:

Herr Stamp, Sie fordern ein Notfallkonzept. – Das erarbeiten wir, und zwar in enger Abstimmung mit den betroffenen Akteuren. Innerhalb der Landesregierung haben wir inzwischen ein Impfkonzept abgestimmt und uns darüber verständigt, dass alle Einrichtungen eindeutig verpflichtet sind, ein solches Impfangebot vorzuhalten. Ich gehe davon aus, dass dieses Konzept dazu beitragen wird, vor allem vorübergehende Schließungen von Landeseinrichtungen zu vermeiden. Die Krankheitsausbrüche vor sechs Wochen haben viele unserer Einrichtungen schlichtweg blockiert, und es ist dadurch zu weiteren Engpässen gekommen.

Herr Herrmann, wenn ich es richtig sehe, ist ein Antrag von Ihnen bereits in der parlamentarischen Beratung, nämlich hinsichtlich Ihrer Forderung nach dezentraler Unterbringung.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Korrekt!)

Ich will gern erneut darauf hinweisen: Da sind wir in der Tat etwas unterschiedlicher Meinung. Wir wollen den 396 Städten und Gemeinden nicht vorschreiben, wie ihre Unterbringungskonzeptionen auszusehen haben.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Nein, es soll gefördert werden, nicht vorgeschrieben!)

Damit würden wir die kommunale Selbstverwaltung aushebeln. Wir würden vor allem die örtlichen Gegebenheiten, die in vielen Regionen von Kommune zu Kommune völlig unterschiedlich sind, nicht berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich einen Bereich ansprechen, der bisher nur am Rande erwähnt wurde, nämlich die Unterstützung durch den Bund. Ich denke, dass wir uns hier einig sind: Auch der Bund muss seiner Verantwortung gerecht werden, damit eine moderne Flüchtlingspolitik überhaupt gelingen kann.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das spart dem Land Geld!)

Im Rahmen der Sonderinnenministerkonferenz Ende Oktober haben wir uns mit dem Bundesinnenminister bereits auf zwei wesentliche Punkte geeinigt:

Zum einen erarbeitet der Bund eine gesetzliche Lösung, um Verfahren zu straffen, insbesondere für Flüchtlinge aus den Ländern wie Nordirak, wie Syrien, wo eine Anerkennungsquote von nahezu 100 % gegeben ist. Es macht keinen Sinn, diese Menschen sieben, acht Monate lang in einem Asylverfahren zu belassen.

Zum anderen wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge personell verstärkt. Wir gehen von noch einmal 350 zusätzlichen Stellen aus, um genau den Missstand, der auch hier in der Plenardebatte beschrieben wurde, zu beseitigen, nämlich: In unseren Landeseinrichtungen müssen viele darauf warten, eine Registrierung durch das BAMF zu erhalten, damit das Asylverfahren überhaupt erst eingeleitet werden kann.

Beide Maßnahmen, die wir auf der Sonder-IMK besprochen haben, sind wichtige erste Schritte, aber es müssen weitere folgen. Zusätzlich brauchen sowohl die Länder – damit meine ich nicht nur Nordrhein-Westfalen – als auch die Kommunen bei der Unterbringung und der Versorgung der Flüchtlinge finanzielle Unterstützung. Es reicht nicht aus, dass nur wir die Kommunen unterstützen. Auch der Bund muss bis an seine Schmerzgrenze gehen, um Länder und Kommunen finanziell zu unterstützen.

Auf Bundesebene setzen wir uns für die vollständige Integration der Asylbewerber in die sozialen Sicherungssysteme ein, das heißt SGB II und SGB XII. – Herr Laschet, bei dieser Diskussion setze ich auf eine fraktionsübergreifende Unterstützung im Bundesrat; denn das würde unsere Kommunen finanziell erheblich entlasten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Abschließend meine ich zu erkennen, dass über alle Fraktionen hinweg unser gemeinsames Ziel ist, eine humanitäre und menschwürdige Betreuung und Versorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten, dass wir alle hier in Nordrhein-Westfalen dafür stehen und dass das ganze Land Nordrhein-Westfalen das auch umsetzen wird. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bleiben Sie bitte noch einen Moment hier. Es liegt eine Kurzintervention des Abgeordneten Dr. Stamp vor.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Herr Minister, Sie haben mich persönlich angesprochen.

Deswegen möchte ich das gegenüber dem Haus in aller Deutlichkeit klarstellen: Erstens habe ich nicht, wie von Ihnen behauptet, diese Einrichtung in Bonn bereits besucht.

Zweitens haben Sie ausgeführt, es sei eine unbegehbare Baustelle und das sei auch meinem Büro mitgeteilt worden.

Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass nach Planung der Bezirksregierung diese unbegehbare Baustelle am vergangenen Wochenende von Flüchtlingen bezogen werden sollte und das Ganze nur auf Intervention des Deutschen Roten Kreuzes verschoben worden ist. Denn es gibt dort Löcher im Boden, die insbesondere für Kinder gefährlich sind, weil die Gefahr besteht, ein Stockwerk herunterzufallen.

Wie kann das sein? – Sie sagen, für mich sei das dort unbegehbar, für die Flüchtlinge solle es umgekehrt beziehbar sein. Sie kennen die Einrichtungen immer nur aus den Zuflüsterungen Ihres Hauses. Ich möchte Ihnen empfehlen, sich von den Einrichtungen in dieser Situation selbst ein Bild zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Dr. Stamp, das, was Sie gerade schildern, beweist ja umso mehr, dass erhebliche Umbauten in dieser Einrichtung erforderlich sind. Es ist überhaupt keine Absicht der Landesregierung – in dem Falle der zuständigen Bezirksregierung Köln –, Sie diese Einrichtung nicht besichtigen zu lassen. Im Gegenteil, Herr Steitz hat in Ihrem Büro die Mitteilung hinterlassen – so ist es mir mitgeteilt worden –, dass Sie, sobald diese Baustelle begehbar ist, selbstverständlich in diese Einrichtung eingeladen werden.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Und die Flüchtlinge sollten da schon hinein?)

– Nein, Herr Dr. Stamp. Die Flüchtlinge sind deshalb noch nicht dort eingezogen, weil es dort in der Tat erhebliche bauliche Mängel gibt, die erst zu beseitigen sind. Deshalb ist es heute eine Baustelle. Und sobald die Arbeiten abgeschlossen sind, Herr Dr. Stamp, werden Sie sich von den Fortschritten in dieser Einrichtung selbst überzeugen können.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion spricht der Herr Kollege Kamieth.

Jens Kamieth (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns alle darüber einig, dass die Aufnahme von Flüchtlingen, von Menschen, die politisch verfolgt sind, unsere oberste Pflicht ist.

Kollege Körfges hat es sehr richtig gesagt, er hat die Gemeinsamkeiten betont. Frau Düker, wenn Sie ausführen, wir hätten den Weg verlassen, Sie könnten uns nicht mehr sehen, ist für mich die einzige Erklärung dafür, dass Sie auf dem Weg dahin so weit zurückgefallen sind.

(Beifall von der CDU)

Wir sind seit Wochen unterwegs. Die Vorfälle in Burbach sind über fünf Wochen her, heute debattieren wir darüber hier im Landtag. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Wir haben das, was diese Menschen brauchen: Wir haben ein Dach über dem Kopf, wir haben Verpflegung.

Diese Menschen brauchen Ruhe, wenn sie nach einer langen Flucht, wenn sie nach Vertreibung hier bei uns ankommen. Und diese Ruhe müssen wir ihnen geben. Wir müssen ihnen eine angemessene Unterkunft bieten, eine gute Verpflegung. Das hat bisher nicht funktioniert.

Herr Minister Jäger, ich möchte Ihnen den Rat geben, die Menschen in den Mittelpunkt Ihres Handelns zu stellen. Ich meine damit tatsächlich, Sie sollen andere Menschen in den Mittelpunkt rücken und nicht sich selbst, wie Sie das in vielen Tagesordnungspunkten auch heute Morgen gemacht haben.

(Beifall von der CDU)

Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage eines jungen Familienvaters, der nach Flucht und Vertreibung aus Kriegszuständen dankbar ist, hier sein zu dürfen, der froh ist, seine Familie in Sicherheit zu wissen, der fürsorgend auch hier seine Vaterrolle – oder, als Pendant, in die Lage einer Mutter, die ihre Mutterrolle – übernehmen will. Sie wollen wissen, wie es weitergeht.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Beer zulassen?

Jens Kamieth (CDU): So früh? – Gerne.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Kollege Kamieth. – Ich finde es richtig, dass Sie das Thema sehr empathisch angehen und von Fürsorge sprechen, die wir gemeinsam wahrnehmen sollen. Der Flüchtlingsgipfel hat gemeinsam mit der CDU stattgefunden, und es bestand Einvernehmen mit den Maßnahmen, die wir heute diskutieren.

Sie haben eben darauf hingewiesen, die Menschen sollen im Mittelpunkt stehen. Meine Frage ist: Warum haben wir heute hier zwei Anträge und können nicht gemeinsam beraten?

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Herr Laschet, ich möchte gerne meine Frage zu Ende führen. Kollege Laschet, wenn es uns wirklich um die Menschen ginge, dann hätte doch die CDU den Hörer in die Hand nehmen können und sagen: Lasst und gemeinsam einen Antrag beraten. Wir hätten gerne …

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Herr Kollege Laschet, Nebenbemerkungen …

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Ich komme nicht zum Ende.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Sprechen Sie einfach weiter, Frau Kollegin.

(Jens Kamieth [CDU]: Fühlen Sie sich eingeladen!)

Sigrid Beer (GRÜNE): Das ist sehr nett. Das ist auch dem Thema angemessen. Wir gehen auch noch gemeinsam in Haushaltsberatungen. Da wird es dann noch unterfüttert.

Es geht heute hier um ein gemeinsames Signal. Warum haben Sie, wenn es dafür noch Zeit gebraucht hätte, nicht den Telefonhörer in die Hand genommen, damit das, was Sie hier an gemeinsamer Empathie vortragen, auch Wirklichkeit bei der Debatte im Plenum wird?

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Herr Kollege Kamieth.

Jens Kamieth (CDU): Liebe Frau Beer, wir haben doch eben schon gehört, wie das tatsächlich aussieht, was Sie hier an Gemeinsamkeit für sich beanspruchen. Sonntagmittag, wenn ich es richtig mitbekommen habe, kommt eine E-Mail mit dem Inhalt: Das und das ist unser Antrag. – Und wir sollen bis zum nächsten Tag zustimmen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Einfach anrufen!)

Das ist nicht die Art von Politik, die hier vereinbart ist. Und auf das Niveau wollen wir uns nicht herablassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich komme zurück zu dem Familienvater, den ich in Burbach selbst gesehen habe, der natürlich Verantwortung für seine Kinder, für seine Frau hat und deren Fragen gerne beantworten möchte. Wie geht es weiter? Warum sind wir hier? Wie lange? Kann ich die Sprache irgendwann sprechen? Wie werde ich versorgt? – Bisher ist es immer noch so, Herr Minister Jäger, dass die Kommunikation, die Meldewege verbessert werden müssen.

Gestern Abend hat in Burbach der Gemeinderat eine Resolution verabschiedet, die insbesondere diesen Punkt brandmarkt. Es findet keine ausreichende Kommunikation statt. Die Kommunalvertreter, die Verwaltung vor Ort wissen nicht, was los ist. Hinter dem Rücken der Gemeinde Burbach wird im Moment darüber verhandelt, welchen Charakter, welchen Status diese Einrichtung in der Zukunft haben wird. Es tut sich nichts.

Ich kann Ihnen sagen – vielleicht wissen Sie es noch gar nicht –, dass nächste Woche Freitag ein Gespräch mit den Kommunen stattfinden soll. Es ist das erste Gespräch, das mit den betroffenen Kommunen aus dem ländlichen Raum hierüber im Detail geführt wird. Das ist viel zu spät. Sie müssen handeln, damit vor Ort die Informationen ankommen, damit auch der Familienvater seiner Familie sagen kann, wie es weitergeht.

(Beifall von der CDU)

Versetzen Sie sich in die Rolle der Kinder und Jugendlichen, die in eine völlig fremde Welt mit anderen Gebäuden, einem anderen optischen Eindruck, einer anderen Sprache kommen. Diese Kinder brauchen Spielräume. Sie brauchen Räume, in die sie sich zurückziehen können. Das alles gibt es nicht, weil die Einrichtungen hoffnungslos überbelegt sind.

Herr Minister, Sie werden die Begriffe kennen. Man sprach vorher von einer Regelbelegung. Es gab auch eine Maximalbelegung. Mittlerweile redet die Bezirksregierung Arnsberg nur noch von einer Regelmaximalbelegung. Durch eine neue Wortfindung wird offensichtlich versucht, einen Zustand zu kaschieren, den wir nicht länger hinnehmen dürfen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Düker, die auf dem Platz von Herrn Priggen sitzt.

Jens Kamieth (CDU): Die Grünen mögen mich heute. – Bitte sehr.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Immer! Nicht nur heute, Herr Kamieth!)

Monika Düker (GRÜNE): Es ist das Bemühen, vielleicht doch noch eine Gemeinsamkeit herzustellen. Sie sprechen davon, wir sollten keine Resolution verabschieden, sondern handeln, und beklagen, man hätte das alles unter Zeitdruck machen müssen.

Stimmen Sie mir zu, dass der Hauptteil der beim Flüchtlingsgipfel vereinbarten Maßnahmen finanzielle Auswirkungen hat? Stimmen Sie mir zu, dass diese finanziellen Auswirkungen erstens im Flüchtlingsaufnahmegesetz verankert werden müssen, wofür wir eine gesetzliche Grundlage brauchen – Stichwort Härtefonds – und zweitens im Haushaltsverfahren Einfluss haben müssen? Deswegen gibt es diesen Zeitdruck. Das sind die Handlungen, die wir vornehmen wollen.

Ich frage Sie deswegen: Können Sie vor dem Hintergrund, dass wir es schnell umsetzen und in die Gesetzgebungsverfahren implementieren wollen, verstehen, dass wir diesen Zeitdruck hatten und Ihnen nicht drei Monate oder drei Wochen Zeit zum Diskutieren lassen wollten? – Im November müssen wir im Innenausschuss die Beschlussempfehlung für das Flüchtlingsaufnahmegesetz herbeiführen. Deshalb ist dieser Zeitdruck da. Können Sie verstehen, dass es aus dieser Motivation heraus etwas eiliger war?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Jens Kamieth (CDU): Ich habe drei Fragen gezählt.

(Zuruf von der FDP: Und eine Co-Rede!)

– Und eine Co-Rede gehört.

Frau Düker, ich würde Folgendes sagen: Natürlich muss das alles in ein Gesetzgebungsverfahren und zumindest in die Haushaltsgesetzgebung eingebunden werden. Aber davon sehe ich heute nichts. Wir sprechen heute über eine Resolution.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, meine Damen und Herren.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter, es gibt eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Optendrenk.

Jens Kamieth (CDU): Nein, jetzt ist es einmal gut. Danke schön. Das machen wir später einmal.

Herr Minister, denken Sie auch einmal an die heimische Bevölkerung. Wir haben immer wieder gehört, wie sehr die karitativen Verbände, wie sehr Privatleute dabei unterstützen, die Zustände in den Flüchtlingsheimen zu verbessern. Dann kommen diese Menschen in die Flüchtlingsheime, wollen Gestricktes abgeben, wollen Spielsachen abgeben und müssen sehen, dass insbesondere die kinderreichen Familien zum Teil wie Hühner eingepfercht leben müssen. Das ist keine menschenwürdige Unterbringung, wie wir sie immer proklamieren.

Entgegen dem, was der Regierungspräsident immer sagt, geht es nicht nur darum, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben. Sie müssen menschenwürdig untergebracht werden. Ich bin da gerne bei Ludger Jutkeit, dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Da müssen Sie handeln, Herr Minister.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Ich halte es vor allen Dingen für dringend geboten, dass man bei den Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern, die etwa ein Drittel der Flüchtlinge bei uns ausmachen, schnelle Regelungen findet. Aufgrund des lobens- und segensreichen Abstimmungsverhaltens von Herrn Kretschmann haben wir eine ordentliche Lösung gefunden.

Ich möchte zu einem letzten Punkt kommen, Herr Minister. Sorgen Sie für eine rechtsstaatliche Möglichkeit, diejenigen Asylbewerber, deren Antrag keinerlei Aussicht auf Erfolg hat, schnellstmöglich aus den Flüchtlingsheimen herauszunehmen, damit diejenigen, die berechtigt dort sind, ordentlich betreut und versorgt werden können. Sie brauchen einen guten Start in Deutschland. Was sie jetzt von uns bekommen werden, werden sie uns vielfach zurückzahlen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kamieth. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerpräsidentin Kraft.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat mich dazu gebracht, in diese Diskussion einzusteigen. Ich befürchte, wir landen gerade in parteipolitischen Klein-klein-Auseinandersetzungen, die wir eigentlich beim Flüchtlingsgipfel überwunden hatten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sollten zu einer anderen Situation zurückkehren.

Vielleicht hat es Irritationen über die – wie haben Sie es genannt? – Datumssetzung gegeben. Ich habe das zur Kenntnis genommen. Sie sagten, wir hätten Ihnen eine Frist gesetzt. Ich habe mir den Brief noch einmal zeigen lassen und möchte etwas zu den Abläufen sagen.

Sie sagen mit einer Berechtigung, die ich voll akzeptiere, es muss schnell etwas passieren. Wir haben uns beim Gipfel auf ein Maßnahmenpaket verständigt, welches wir der Presse gemeinsam vorgestellt haben. Dieses Maßnahmenpaket bedeutet: Wir müssen nicht nur auf dem Flüchtlingsgipfel diskutieren, sondern auch hier. Hier ins Parlament gehört es.

Also war klar, dass, nachdem wir am 20. zusammengesessen haben, für diese Sitzung ein gemeinsamer Antrag formuliert werden musste. Dazu haben die regierungstragenden Fraktionen einen Vorschlag erarbeitet und Ihnen am 24. Oktober zugesandt. Dies geschah nicht mit irgendwie unflätigen Worten, sondern – ich zitiere:

Wie am Rande der Gesprächsrunde in Essen am 20. Oktober erörtert, senden wir Ihnen anliegend den Entwurf eines fraktionsübergreifenden Antrags, mit dem alle im Landtag vertretenden Fraktionen ihre Unterstützung für ein breites Bündnis für Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen bekräftigen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns bis möglichst Sonntag, 26., mitteilen, ob Sie einem solchen Antrag beitreten können.

Sie hätten auch Veränderungen vorschlagen können. Das wäre nachvollziehbar. Ich glaube, es hat Offenheit geherrscht. Vielleicht war zu wenig Kommunikation – wo doch an vielen Stellen mehr Kommunikation angemahnt worden ist.

Wenn ich mir den Antrag anschaue, den SPD und Bündnis 90/Die Grünen formuliert haben, ist es keine Herausstellung der besonderen Fähigkeiten der Ministerpräsidentin oder der Regierung, wie Sie es vorhin dargestellt haben.

Vielmehr wird sachlich festgestellt, wie die Situation ist, dass der Landtag die einzeln aufgeführten Maßnahmen des Flüchtlingsgipfels begrüßt und auch begrüßt, dass die Landesregierung in den laufenden Verhandlungen mit der Bundesregierung darauf drängt, die Länder durch finanzielle Mittel zur Aufnahme, Unterbringung und Versorgung zu entlasten.

Der Landtag fordert die Landesregierung in diesem Antrag auf, erstens das auf dem Flüchtlingsgipfel vereinbarte Maßnahmenpaket zügig umzusetzen, zweitens in regelmäßigen Abständen über den jeweiligen Umsetzungsstand zu berichten und drittens die Bundesregierung entsprechend aufzufordern, wie das aufgeführt ist.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerpräsidentin, würden Sie eine Zwischenfrage …

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Nein, ich würde das gerne ausführen. – Ich würde nur gerne wissen: Sind wir noch beieinander oder nicht? Wollen wir jetzt die dort gemeinsam verabredeten Maßnahmen gemeinsam vortragen oder nicht? Oder geht es hier um parteipolitischen Geländegewinn, wie das der Kollege vorhin formuliert hat?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zum zweiten Teil der Fragen, die ich heute hier gehört habe: Wie geht es jetzt mit der Umsetzung? Sie haben gesagt, Herr Stamp, das geht alles nicht schnell genug. Ich kann Ihnen sagen, das ist die To-Do-Liste. Wir haben als Landesregierung alle Maßnahmen zusammengefasst, mit Untermaßnahmen versehen. Wir haben eine sehr umfangreiche To-Do-Liste – mit Zeitplan. Vertrauen Sie mir bitte – ich habe mal Projektmanagement gemacht –, dass die Einhaltung dieser Maßnahmen auch überprüft wird.

Jetzt sage ich Ihnen, was seit dem 20. geschehen ist. 21 neue Stellen bei der Bezirksregierung werden durch Antrag der Regierungsfraktionen im Haushalt beraten. Da wäre es doch schön, wenn wir beieinanderblieben und wir vielleicht von Ihnen Unterstützung bekämen. Gleiches gilt für die Aufstockung Härtefallfonds, für die Aufstockung Impfhilfe, für die Erhöhung der Pauschalen um 40 Millionen, 3,5 Millionen zusätzlich für soziale Beratung. Wo soll das denn stattfinden, werter Herr Kamieth, wenn nicht in den Haushaltsberatungen? Dort wird die Umsetzung erfolgen. Das ist doch die Vorgehensweise, die wir sonst immer miteinander verabreden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Mehrausgaben für Schule und Kinderbetreuung werden derzeit berechnet und dann ebenfalls noch ins Haushaltsverfahren eingebracht. Die Mehrausgaben – das sage ich Ihnen zu – in den genannten Bereichen in 2014, die erforderlich sind, sind mit dem Finanzminister geklärt und werden überplanmäßige Ausgaben sein, die im erforderlichen Rahmen genehmigt werden, um schnell Hilfestellung zu leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Am Mittwoch nächster Woche findet ein runder Tisch auf Arbeitsebene im MIK statt, bei dem die Maßnahmen besprochen werden, um die es Ihnen geht, Herr Laschet. Wir wollen doch, dass die Flüchtlinge Ansprechpartner haben; das war doch die gemeinsame Position. Wir haben darüber diskutiert: Soll die Stelle in der Staatskanzlei angesiedelt sein? Muten wir den Flüchtlingen zu, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und in einer fremden Sprache ihre Bedürfnisse dort abzuladen? Oder sagen wir – darauf haben wir uns bei dem Flüchtlingsgipfel verständigt –: „Es muss eine Tür geben, hinter der einer sitzt, der jederzeit ansprechbar sein muss“?

Das setzen wir um. Da findet der runde Tisch statt – Mittwoch kommender Woche, schneller geht es nicht, weil alle, die beteiligt sind, ihre Vorgespräche führen wollen. Es geht um die Aufnahme der drei NGO-Vertreter in die Taskforce, wie besprochen, weil es, Herr Kuper, nicht um Misstrauen geht, sondern darum, eine Transparenz herzustellen. Deshalb haben wir die Maßnahme gemeinsam verabredet. Es geht um Kriterien und den Aufbau des dezentralen Beschwerdemanagements, um die Frage: Wer sitzt hinter der Tür? Wie wird das organisiert?

Herr Kamieth, Sie haben es erwähnt, nachdem Sie die Sorgen der Kommunen dargestellt haben: Am 14. November gibt es ein Treffen mit den Bürgermeistern der 24 Kommunen mit Unterbringungseinrichtungen. – Ich kann Ihnen nur sagen: Wir sind in der Abarbeitung der Maßnahmen, die dort beschlossen wurden. Was im Augenblick fehlt und was verloren zu gehen scheint, das macht mir Sorgen. Denn ich möchte gerne dieses Thema aus Sicht der Flüchtlinge voranbringen. Lassen wir den parteipolitischen Kleinkrieg bei diesem Thema beiseite!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. Ich darf Sie bitten, am Rednerpult zu bleiben. Herr Kollege Laschet hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet

(Zuruf: Mein Gott!)

und danach für die Piratenfraktion Herr Kollege Herrmann. Zunächst Herr Kollege Laschet für bis zu 90 Sekunden, und dann antwortet die Ministerpräsidentin. – Bitte, Herr Kollege.

Armin Laschet (CDU): Herr Präsident! Frau Ministerpräsidentin, Sie haben gefragt, ob wir noch die Ergebnisse des Gipfels teilen. – Ja, die teilen wir noch. Aber wir trauen Ihnen nicht zu, das alles so umzusetzen. Das haben wir in dem Brief an die Fraktionen deutlich gemacht. Ein Beschwerdemanagement, das bei Herrn Jäger endet, wird nicht zur Verbesserung der Lage der Flüchtlinge führen. Das ist der Grund.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Wir haben mit der Flüchtlingspolitik nicht mit diesem Gipfel begonnen. Andere Länder arbeiten seit Jahren gut bei Flüchtlingen. Durch die Vorgänge in Burbach musste dieser Gipfel überhaupt erst stattfinden, weil Organisationsversagen in Ihrer Verantwortung stattgefunden hat.

(Beifall von der CDU)

Wir sind zum Gipfel gekommen. Wir haben Ihnen 15 Vorschläge gemacht – das war eine sachliche Atmosphäre –, viele sind aufgegriffen worden. Wir haben das Thema „Jäger“ nicht thematisiert. Aber in diesem Landtag gibt es fundamentale Unterschiede, wie man eine Regierung führt, wie man beispielsweise Haushaltszahlen vorlegt, wenn man 42 Millionen ausgibt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Da haben wir einen fundamentalen Gegensatz. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag heute enthalten, weil die Maßnahmen richtig sind, aber das, was wir vorschlagen, wäre besser für das Land, wäre besser für die Flüchtlinge, wäre besser für die Kommunen als Ihr Antrag, der nicht weit genug geht. So einfach ist die Sache.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Ministerpräsidentin, Sie haben das Wort.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Herr Laschet, ich habe das gestern in einem Pressegespräch deutlich gemacht: Ich verstehe die Veränderung der Tonlage nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben im Anschluss an den Flüchtlingsgipfel gesagt – Zitat –: Wir waren in einer Kleinigkeit – das kann man so oder so sehen – im Dissens, nämlich in der Frage der Ombudsstelle Ja oder Nein. Eine Kleinigkeit.

(Armin Laschet [CDU]: In der Frage „Jäger“ sind wir schon lange im Dissens!)

– Herr Laschet, ich würde gerne antworten. – Jetzt leiten Sie daraus ab, die Kleinigkeit hat jetzt offensichtlich eine übergeordnete Bedeutung, weil Sie uns – ich zitiere Sie von gerade – in der Umsetzung nicht trauen, wenn die Beschwerdekette beim Minister endet.

(Armin Laschet [CDU]: Das haben wir ausgespart!)

– Darf ich das bitte noch ausführen?

(Zurufe von der SPD)

Ich frage Sie: Wie kommen Sie zu diesem Misstrauen? Ich habe Ihnen gerade dargestellt, dass das eine gesamte Kabinettaufgabe ist, mit der wir eine To-do-Liste abarbeiten.

(Armin Laschet [CDU]: Dann machen Sie es doch!)

– Lassen Sie mich doch ausreden. Seien Sie doch nicht so aufgeregt und lassen Sie uns mal in Ruhe darüber reden. Wir haben doch Zeit hier. – Wir waren beim Flüchtlingsgipfel der Meinung und haben auch deutlich gesagt, dass die Beschwerdekette nicht dort endet, sondern dass die Beschwerden, die in dieser Taskforce auflaufen, an den zuständigen Menschen, der die Beschwerden aufnehmen soll, durchgegeben werden.

(Armin Laschet [CDU] redet mit Monika Düker [GRÜNE].)

– Herr Laschet, es wäre schön, wenn Sie mir bei der Beantwortung zuhören würden.

(Armin Laschet [CDU]: Ich höre zu!)

Diese Beschwerdekette führt zu dem runden Tisch Flüchtlinge, an dem nicht nur der Minister sitzt, sondern alle beteiligten Organisationen. Das war auch der Wunsch der Organisationen. Sie waren doch in dieser Runde dabei. Stehen Sie auch zu dem, was da diskutiert worden ist, und erwecken Sie keinen falschen Eindruck!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Ministerin Barbara Steffens)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. Die Kurzintervention ist damit beantwortet.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Da kam keine zweite Frage?

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Doch, die kommt jetzt. Jetzt hat der Herr Kollege Herrmann wiederum bis zu 90 Sekunden Zeit. Danach haben Sie wieder das Wort. – Herr Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Frau Ministerpräsidentin, Sie haben in Bezug auf den Antragsentwurf den Ablauf geschildert und gesagt, Sie hätten ihn am Freitag eingereicht und bis Sonntag um Rückmeldung gebeten.

Ich habe mich nur gemeldet, weil ich für uns festgehalten haben möchte: Wir haben uns gemeldet, Anregungen und Erweiterungen vorgeschlagen. Daraufhin haben wir jedoch keine Rückmeldung bekommen, was sehr schade ist.

Der Antrag, der heute hier vorgelegt wurde, enthält weniger als das, was beim Flüchtlingsgipfel vorgestellt wurde. Sie haben 3,5 Millionen € – das ist eine Verdoppelung – für die soziale Beratung vorgesehen. Da haben Sie jetzt noch das Beschwerdemanagement mit dazu gepackt. Das war auf dem Flüchtlingsgipfel anders verabredet worden. Uns war das insgesamt viel zu wenig zielführend und konkret. Das sind und bleiben unsere Kritikpunkte.

Ich möchte, wie gesagt, nur feststellen: Wir haben uns gemeldet und hätten Erweiterungen vorgeschlagen. Von Ihnen sind aber keine Zugeständnisse gekommen, und es gab kein Zugehen auf uns, was ich sehr schade finde.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Lieber Herr Herrmann, ich kann jetzt zu der weiteren Umgehensweise nichts sagen. Das ist Sache der regierungstragenden Fraktionen, nicht der Regierung. Dafür bitte ich um Verständnis. Ich glaube aber, das kann man klären. Wenn es so gelaufen wäre, hielte ich es für nicht gut, aber ich kann es nicht beurteilen. Da bitte ich, mich einfach rausziehen zu dürfen.

Herr Herrmann, ich möchte noch einmal sagen: Ihr Fraktionsvorsitzender war beim Flüchtlingsgipfel dabei. Ich habe die Zahlen und die Erhöhungen, die damit verbunden sind, hinterher im Beisein auch der Fraktionsvorsitzenden der Presse zur Kenntnis gegeben. Es ist auch deutlich gemacht worden, für welche Zwecke welche Gelder eingesetzt werden sollen. Insofern gibt es da keinen Unterschied zwischen dem, was da verabredet worden ist, und dem, was jetzt in diesem Antrag stehen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Den gibt es wohl!)

Ich möchte gerne noch mit Bezug auf Herrn Laschet sagen: Wir haben in der Flüchtlingspolitik mitnichten bei null begonnen. Wenn ich daran denke, was wir alleine im Rahmen der Kommunalen Integrationszentren in diesem Land auf den Weg gebracht haben, kann ich sagen, dass Flüchtlingspolitik für uns – anders als für andere – kein Neuland ist. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Soweit die beiden Kurzinterventionen und die Antworten der Ministerpräsidentin.

Wir schreiten fort. Als nächster Redner hat jetzt für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Stamp das Wort.

Während er nach vorne kommt, darf ich darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit bisher um 5 Minuten und 35 Sekunden überzogen hat. Diese Zeit steht im Prinzip natürlich auch allen Fraktionen zur Verfügung, so sie denn ihre Redezeit nicht auch bereits erheblich überzogen haben, was teilweise der Fall war.

Jetzt hat Herr Kollege Stamp das Wort. – Bitte.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht uns – ganz genauso wie Ihnen, Frau Ministerpräsidentin – darum, eine Politik aus der Sicht der Flüchtlinge zu machen. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie hier der Opposition etwas anderes unterstellen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben gesagt, wir würden hier parteipolitisches Klein-Klein machen. – Wir haben nicht parteipolitisches Klein-Klein gemacht, sondern auf dem Flüchtlingsgipfel auf eine Debatte über Herrn Jäger, die nun wirklich angemessen gewesen wäre, verzichtet. Denn wir haben gesagt: Wir wollen über die Zukunft und darüber sprechen, wie wir hier einen gemeinsamen Neuanfang für die Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen hinbekommen.

Dann haben Sie gesagt: Wir wollen uns gemeinsam verabreden, wie wir das, was wir dort besprochen haben, konkret umsetzen können. Das ist nicht passiert. Stattdessen haben wir einen Entwurf mit der Aufforderung zugesandt bekommen, beizutreten. Machen wir uns doch nichts vor: Wie hätten Frau Beer, Herr Priggen oder Herr Römer reagiert, wenn umgekehrt wir Ihnen so etwas geschickt hätten? Das wissen Sie ganz genau. Deswegen ist es einfach nicht in Ordnung, hier zu behaupten, wir würden parteipolitisches Klein-Klein betreiben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Dann haben Sie die Möglichkeit, das gleich richtigzustellen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigung, Herr Kollege Dr. Stamp, es gibt den Wunsch von Frau Düker, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. Würden Sie die zulassen?

Dr. Joachim Stamp (FDP): Gerne.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Stamp, ich verstehe wirklich nicht, was Ihrer Meinung nach in dem Antrag – das ist mehr oder weniger ein Protokoll der Vereinbarung des Gipfels – jetzt anderes drinsteht – worüber Sie noch drei oder vier Tage hätten diskutieren wollen – als das, was auf dem Gipfel vereinbart wurde. Wo ist da die Differenz? Das verstehe ich nicht. Zu dem, was auf dem Gipfel vereinbart wurde, haben Sie genickt und Ja gesagt. Genau das steht in dem Antrag. Die Differenz müssen Sie uns noch einmal erläutern; denn das Ja zu der Vereinbarung beim Gipfel und das Nein zu dem, was jetzt auf dem Papier steht, haben Sie bislang nicht erläutern können.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Frau Kollegin Düker, erstens sagen wir nicht Nein, sondern wir werden uns hier enthalten. Wenn Sie unseren Antrag aufmerksam gelesen hätten, hätten Sie gesehen, dass sich dort alle Ergebnisse des Gipfels wiederfinden. Wir haben aber auch gesagt: Das ist ein erster Aufschlag, und wir wollen weitersprechen. Auch haben wir gesagt: Wir wollen – das habe ich explizit auf der Veranstaltung gesagt – wissen, wie das umgesetzt werden soll. Damit hängen natürlich auch Finanzen zusammen. Das sind Sie uns bis heute schuldig geblieben. Ich sage es noch einmal: Wir machen hier keinen Ablasshandel nach dem Motto „Geld geben, um damit den Minister aus der Kritik zu nehmen“.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie sagen: Herr Laschet macht immer hin und her. Das mag bei der Maut, hier und da auch bei G8/G9 der Fall sein. An der Stelle aber können Sie ihm das wirklich nicht vorwerfen. Wenn Herr Laschet hier sagt, er habe kein Vertrauen mehr zu Ihnen, dann hat das auch einen Grund. Wir haben es doch eben hier in der Debatte gesehen: Der Minister ist doch fachlich gar nicht in der Tiefe im Stoff, wie es eigentlich bei einem so sensiblen Thema – bei all dem, was hier vorgefallen ist – notwendig wäre.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn Sie mir hier erzählen, Sie hätten eine To-do-Liste und es gäbe ein Projektmanagement – Sie sagen ja, Sie seien eine geübte Projektmanagerin; das Projektmanagement zu „Kein Kind zurücklassen“ geht aber auch laufend schief –, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Wenn Sie das mit uns gemeinsam erarbeiten wollen, dann kommen Sie doch auf uns zu. Dann setzen Sie sich doch mit uns zusammen. Dann besprechen wir die To-do-Liste gemeinsam. Das haben wir Ihnen als Opposition – die Piraten, die CDU und wir als Freie Demokraten – doch beim Flüchtlingsgipfel angeboten. Sie gehen nicht darauf ein, und das ist der Wortbruch. Deswegen können wir hier heute nicht zustimmen. – Danke schön.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ach!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Stamp, ich wollte Sie bei Ihren letzten drei Sätzen nicht unterbrechen. Würden Sie eine Frage des Kollegen Optendrenk zulassen?

Dr. Joachim Stamp (FDP): Ja, klar.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Vielen herzlichen Dank, dass Sie die Frage noch zulassen. – Es stellt sich für mich – Sie hatten das Thema „Finanzierungskonzept“ angesprochen – folgende Frage: Wäre es nicht klüger – die Ministerpräsidentin hat hier angekündigt, dass demnächst sowieso überplanmäßige Ausgaben ins Haus stehen –, wenigstens die dritte Lesung des Nachtragshaushaltes 2014, der noch hier im Parlament liegt, offenzuhalten, bis wir das Finanzierungskonzept gemeinsam als Parlament verabschieden können?

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Kleinliche Bedenken!)

Dr. Joachim Stamp (FDP): Die Frage sollten Sie direkt an die Ministerpräsidentin stellen. Ich möchte jedenfalls sagen, dass wir so nicht einverstanden sind. Das habe ich hier eben entsprechend ausgeführt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sich aus der Verantwortung stehlen!)

Wir haben uns hier mehr versprochen. Wir haben uns mehr Konkretes versprochen. Wir haben uns aber vor allem versprochen, dass wir, nachdem Sie die Suppe eingebrockt haben und wir bereit sind, sie gemeinsam auszulöffeln, gemeinsam überlegen, wie wir das machen, und das vertrauensvoll besprechen. Das ist nicht passiert. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. – Für die SPD-Fraktion hat sich deren Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Römer, zu Wort gemeldet. Er erhält es jetzt.

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Weil jetzt im Nachhinein versucht wird – so habe ich das zumindest empfunden –, wortreiche Erklärungen dafür abzugeben, dass sich alle drei Oppositionsfraktionen nicht mehr zu dem Verhalten bekennen wollen, was wir gemeinsam auf dem Flüchtlingsgipfel verabredet haben, zu dem die Ministerpräsidentin eingeladen hatte,

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

auf dem in einer, wie ich es empfunden habe, sehr konstruktiven Atmosphäre darüber gesprochen und dann auch entschieden worden ist, was denn schnell-, mittel- und langfristig zu tun ist, um den Menschen zu helfen, die aus bedrängten und schwierigen Situationen in unser Land kommen, will ich noch einmal Einiges herausstellen.

Wir haben auf dem Flüchtlingsgipfel nicht nur diese gemeinsamen Verabredungen getroffen. Wir haben auch, aus unterschiedlicher Ausgangslage kommend – Kollege Laschet hat darauf hingewiesen –, Maßnahmen eingeleitet, die noch der konkreten Umsetzung, wie die Ministerpräsidentin das gerade am Beispiel des Beschwerdemanagements dargestellt hat, bedürfen. Und wir haben miteinander verabredet, dass wir auch beisammenbleiben wollen, soweit das in der jeweiligen Verantwortung nur eben geht, bei dem, was dann parlamentarisch umzusetzen ist.

Deshalb haben Reiner Priggen, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und ich diese einvernehmlichen Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels in einen Antrag geschrieben und diesen allen drei Oppositionsfraktionen zugeleitet. Da gab es weder ein zeitliches noch ein inhaltliches Ultimatum. Denn wie in einem solchen Verfahren üblich, sind selbstverständlich alle Wünsche, wenn sie denn geäußert werden würden, dann auch miteinander zu besprechen und zu einem Ergebnis zu bringen. Von allen drei Fraktionen haben wir schriftlich ablehnende Haltungen mitgeteilt bekommen, keinen Hinweis darauf, dass Gespräche über die Inhalte geführt werden sollen, keinen Hinweis darauf, was denn konkret verändert werden sollte, keinen Hinweis darauf, was denn ergänzt werden sollte.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, wird das, was finanziell an Auswirkungen dann auch sehr konkret zu fassen ist, im jeweiligen Haushaltsverfahren – eines läuft gerade – dann auch mit sehr konkreten Anträgen zu behandeln sein.

Herr Kollege Laschet, ich habe es als wohltuend empfunden, dass alle drei, die beiden Fraktionsvorsitzenden Laschet und Paul, und der Vertreter der FDP, der Kollege Stamp, anschließend mit der Ministerpräsidentin und der Vizeministerpräsidentin vor die Presse getreten sind und über diese Ergebnisse und auch über die Arbeitsatmosphäre wohltuend berichtet haben. Ich habe das auch gelobt.

Ich war der festen Überzeugung, dass dann, wenn wir Ihnen die Ergebnisse in eine Antragsform gekleidet mitteilen, Sie darauf konstruktiv reagieren würden, wie auf dem Gipfel. Dann musste ich feststellen – so ist Ihr Brief an uns zu lesen; wir können ihn auch vorlesen, damit es alle wissen; Sie haben ihn ja auch in die Öffentlichkeit gebracht –: Sie wollen nach dem Gipfel wieder über etwas anderes reden – über Organisationsversagen.

(Armin Laschet [CDU]: Ja, natürlich. Das ist wichtig für Flüchtlinge! Das ist das Hauptproblem!)

Sie trauen der Landesregierung die Umsetzung und anderes mehr nicht zu. Herr Kollege Laschet, da wird doch ganz deutlich: Sie wollen sich aus der Verantwortung, in die Sie hineingekommen wären, wenn Sie sich zu dem bekennen würden, was wir gemeinsam als Ergebnis des Flüchtlingsgipfels auch umsetzen müssen, stehlen. Das ist das Einzige, was Sie machen wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei der Umsetzung, Herr Kollege Laschet, wird es doch ganz konkret. Wenn wir den gesamtgesellschaftlichen Konsens, eine Willkommenskultur in unserem Land beibehalten wollen, bewahren wollen, wenn wir diesen gesamtgesellschaftlichen Konsens vor Ort, da wo es konkret wird, bei der Umsetzung, für die Akzeptanz der Bevölkerung, die hier ist, für die Hilfe für diejenigen, die zu uns kommen, mit Leben füllen wollen, dann bedeutet das doch auch, auf die jeweiligen eigenen Verantwortungsträger in der kommunalen Politik zuzugehen, mit denen darüber zu reden.

(Armin Laschet [CDU]: Das machen wir doch!)

– Nein, das höre ich von Ihnen nicht. Da höre ich nur Kritik,

(Erneut Zuruf von Armin Laschet [CDU])

da höre ich überhaupt nichts von dem, was wir in einer vernünftigen Atmosphäre gemacht haben.

Ich sage Ihnen dazu: Sie sind genauso wie ich in der Lage – auch in der Vergangenheit, wenn es wichtig war –, zum Telefonhörer zu greifen. Das habe ich von Ihnen nicht erfahren. Reiner Priggen und ich wären die Letzten gewesen, die nicht bereit gewesen wären, mit Ihnen auch über aus Ihrer Sicht notwendige Veränderungen beim Antrag zu reden. Sie haben jedoch die Gelegenheit genutzt, sich vom Acker zu machen.

(Armin Laschet [CDU]: Alle!)

Und das, Herr Kollege Laschet, lassen wir nicht durchgehen. Das muss offen ausgesprochen werden. Das ist Ihre Verantwortung. Wir bleiben bei unserer Verantwortung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Römer. - Herr Kollege Dr. Paul hatte sich schon vor einiger Zeit mit der Bitte an uns gewandt, Ihnen eine Frage stellen zu dürfen. Wie ich Sie kenne, werden Sie die zulassen, oder?

Norbert Römer (SPD): Selbstverständlich.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Herr Kollege Römer, bei allem Respekt, eines kann ich hier nicht im Raum stehen lassen: Niemand von den Oppositionsfraktionen will sich vor der Verantwortung drücken.

Im Gegenteil: Wir suchen weiterhin das Gespräch. Wir haben diesen runden Tisch, der durchaus positiv war – das haben Sie gerade noch einmal dargestellt –, als ersten Aufschlag verstanden. Dass man anschließend mit den Fachleuten in der eigenen Fraktion gewisse Dinge noch einmal gegencheckt und Verbesserungsvorschläge macht, ist nach meinem parlamentarischen Verständnis normal und selbstverständlich. Niemand will sich hier aus der Verantwortung stehlen. Ich frage mich wirklich, wie Sie darauf kommen.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP – Armin Laschet [CDU]: Eine Frechheit ist das!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Auch wenn Herr Kollege Dr. Paul sich selbst gefragt hat, leiten wir diese Frage an Herrn Römer weiter.

(Heiterkeit)

Norbert Römer (SPD): Herr Kollege Paul, ich war vorhin präzise und bin auch jetzt präzise. Ich habe den Kollegen Laschet persönlich angesprochen und gesagt: „Sie wollen sich der Verantwortung entziehen“ und „Sie machen sich vom Acker“. Damit habe ich nicht alle drei Oppositionsfraktionen gemeint.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das haben Sie doch in Ihrem letzten Beitrag gesagt! Das ist doch lächerlich! – Klaus Kaiser [CDU]: Es wird nicht besser!)

– Nein. – Herr Kollege Paul, obwohl von Ihrer Seite vorhin darauf hingewiesen worden ist, dass Sie selbstverständlich bereit gewesen wären – das hat auch der Kollege gemacht –,

(Michele Marsching [PIRATEN]: Sind! Nicht „wären“!)

auch inhaltlich über den Ihnen vorgelegten Antrag zu reden, habe ich keinen Hinweis von Ihnen bekommen. Ich darf aus einem Schreiben an Herrn Priggen und an mich zitieren:

„Aufgrund des Mangels der angekündigten intensiven Gespräche zwischen den Fraktionen sehen wir uns außerstande, uns Ihrem Antrag anzuschließen.“

Weiterhin schreiben Sie: „Wir als Piratenfraktion hätten uns gewünscht …“ Sie geben aber keinen Hinweis darauf, was in dem Antrag verändert oder ergänzt werden sollte. Das haben wir vermisst. Dazu wären wir bereit gewesen. Diese Bereitschaft war bei uns vorhanden, und der haben wir uns somit überhaupt nicht entzogen, Herr Dr. Paul. Sie hätten Gelegenheit gehabt, davon Gebrauch zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Als nächster Redner spricht der CDU-Fraktionsvorsitzende Laschet.

(Zurufe: Oh!)

Armin Laschet (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie ziehen es vor, die eigentlich wichtige Flüchtlingsdebatte in diese Formalien zu bringen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wer hat denn damit angefangen?)

Ich frage mich nur, wie viel Redezeit wir schon verloren haben und was Ihnen wirklich wichtig ist. Aber in der Sache werde ich Ihnen jetzt darauf antworten.

(Marc Herter [SPD]: Ja, genau! Zur Sache!)

Wir haben uns im letzten Plenum – das ist nur eine kurze Erinnerung; es ist noch nicht allzu lange her – mit diesem Thema beschäftigen müssen, weil wir festgestellt haben, dass wir im Gegensatz zu allen anderen deutschen Ländern über keinerlei Standards oder Kontrollen verfügen, wodurch es zu einem Organisationsversagen kam.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Das ist der Ausgangspunkt. Was wir jetzt beschlossen haben, machen die anderen Länder längst. Auf dem Höhepunkt dieser Krise, die Nordrhein-Westfalen mit den Bildern bundesweit diskreditiert hat, hat die Ministerpräsidentin zu einem Gipfel eingeladen. Wir, die Piraten und die FDP haben dort gesagt: Wir vergessen dieses Organisationsversagen. Wir reden nicht über Herrn Jäger, wir reden nicht über die Bezirksregierung – Herr Dr. Paul war dabei, Herr Lindner war dabei, Herr Stamp war dabei –, sondern wir überlegen uns, was wir in der Zukunft besser machen können. – Wir haben im Gegensatz zur Regierung 15 Punkte vorgelegt.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wir!)

Die Regierung hat einige gute Ideen mündlich aufgegriffen. Unser Konzept dazu, wie man es besser machen kann, lag auf dem Tisch. Davon ist vieles allen Beteiligten schriftlich zur Vorbereitung auf einen solchen Gipfel zugesandt worden, obwohl dies eigentlich die Regierung im Vorfeld hätte verschicken müssen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Ich hätte das alles nicht vortragen müssen, aber ich möchte einmal auf den Punkt bringen, wie ein solcher Gipfel in Baden-Württemberg oder anderswo vorbereitet wird und worin der Unterschied zu Nordrhein-Westfalen besteht.

An dem Tag haben wir nicht über parteipolitische Differenzen gesprochen, sondern über die Themen, die wir jetzt zusammengefasst haben. Dazu werden wir uns heute enthalten. Wir hätten uns mehr gewünscht.

Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Herr Römer, wenn man im Parlament etwas entwickeln möchte, wie beispielweise die „Integrationsoffensive Nordrhein-Westfalen“ aus 2001, dann ruft man sich an, setzt sich zusammen, formuliert Texte. Aber man schickt nicht am Freitagnachmittag mit der Fristsetzung Sonntag Briefe an die Fraktionsvorsitzenden. Das ist Ihr Stil, aber das ist nicht unser Stil.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN – Michele Marsching [PIRATEN]: Wie immer!)

Wir können gerne eine Neuauflage der Integrationsoffensive in Angriff nehmen. Das können wir gerne machen. Das haben wir in unserer Regierungszeit auch fünf Jahre lang aufrechterhalten. Dann müssen sich jedoch Abgeordnete zusammensetzen und nicht vollziehen, was Regierungen quasi in die Postfächer legen.

Darüber hinaus hat mir die Frau Ministerpräsidentin gesagt – Sie haben das im Übrigen auch gesagt –: Sie entziehen sich der Verantwortung. – Meine Antwort darauf lautet: Wenn ich Verantwortung in diesem Lande hätte,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Es kommt aber nicht dazu!)

würde ich das System von der Spitze bis in die letzte Unterkunft völlig anders organisieren und im Interesse der Flüchtlinge als Erstes diesen Innenminister auswechseln. Dazu habe ich nicht die Chance, und deshalb bekommen Sie keinen Blankoscheck von uns.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Düker das Wort.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Laschet, Ihr letzter Redebeitrag hat mich noch einmal dazu gebracht, mich zu melden. Bislang habe ich gedacht, wir seien auf einer Ebene, auf der wir versuchen, die Differenzen, die wir in dieser Sache an der einen oder anderen Stelle haben, zu überwinden, um hier die Gelegenheit zu nutzen, diese noch einmal zu erörtern und – so jedenfalls habe ich meinen Redebeitrag am Anfang sowie den der Ministerpräsidentin verstanden – Fragen zu stellen, wo es hapert und wo man vielleicht noch zusammenkommen könnte.

Aber das, was Sie hier gerade zum Besten gegeben haben, zeigt, dass wir in Bezug auf das Selbstverständnis, das Sie von Ihrer Rolle als Opposition haben, und dem, was unserer Meinung nach die Opposition haben sollte, offenbar grundlegend unterschiedlicher Auffassung sind.

(Lebhafter Widerspruch von der CDU)

– Nein, nein, ich will Sie nicht aus der Verantwortung entlassen.

Noch einmal zu diesem Brief: Sie bekommen nach diesem Flüchtlingsgipfel einen Brief von Rot-Grün. Sie sind völlig überrascht und meinen, jetzt erst einmal einen Diskussionsprozess lostreten zu müssen. Wir haben nach dem Flüchtlingsgipfel – ich habe Sie persönlich angesprochen – gesagt, dass wir noch etwas aufschreiben, was aber noch ins Parlament muss.

(Armin Laschet [CDU]: Wen haben Sie angeschrieben?)

– Das habe ich Ihnen am Rande des Gipfels gesagt. Wir haben gesagt: Wir müssen diese Dinge doch ins Parlament bringen. Wir schreiben etwas dazu auf. Dann kommt eine Art Protokoll – ich nenne es bewusst so – dessen, was auf dem Gipfel Ihre Zustimmung gefunden hat.

(Armin Laschet [CDU]: Aber wir wollen mehr und besser!)

Nun tun Sie so, als ob Sie davon unglaublich überrascht worden wären und als ob das für Sie nicht zustimmungsfähig sei. – Dann sagen Sie:

„Die Übereinstimmung bei vielen Ergebnissen des Gipfels darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in zentralen Fragen keine Einigkeit erzielt worden ist.“

Und was kommt dann? – Die Ombudsstelle, die Ihrer Ansicht nach in der Staatskanzlei angesiedelt werden sollte, weil Sie meinen, dass es der Innenminister nicht kann. Wo hängen wir das Türschild also auf? Es kann doch nicht wahr sein, dass Sie das mit dieser Begründung als zentrale Frage darstellen.

Wenn Sie sich ein bisschen damit auseinandergesetzt hätten, welche Strukturen wir haben, wüssten Sie es besser. Der runde Tisch, der beim Staatssekretär Nebe eingerichtet wurde und seit einem Jahr tagt, wird von allen Beteiligten als hilfreich angesehen und gelobt. Die NGOs, die regelmäßig bei ihm zusammenkommen, sagen: Wir finden es richtig, dass wir hier gehört werden und unsere Interessen und Rückmeldungen äußern können.

Das heißt, wir haben eine Struktur, an der wir anknüpfen wollen. Genau dort ist diese Ombudsfunktion gegeben. Insofern tun wir genau das, was Sie im Prinzip wollen. Es ist mir also völlig unverständlich, warum Sie sich so verhalten.

Jetzt zu Ihrem Selbstverständnis, das Herr Römer angesprochen hat. Sie sagen in Ihrem Antwortbrief: „Kontrolle, Kritik, Konzepte – das sind unsere Aufgaben als Opposition.“ Weiter schreiben Sie:

„Die Organisation, Finanzierung und Umsetzung der in Essen beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Flüchtlinge in NRW

– und jetzt kommt es –

„liegt in der Verantwortung der Landesregierung und der sie tragenden Regierungsfraktionen.“

Nein, es liegt auch in der Verantwortung der Opposition, sich den Problemen, die wir hier in diesem Land haben, zu stellen und an der Lösung der Probleme mitzuarbeiten.

(Beifall von der SPD – Widerspruch von der CDU – Lutz Lienenkämper [CDU]: Die Hauptpunkte kamen doch von uns!)

Sie haben diese Mitarbeit auf dem Flüchtlingsgipfel angekündigt, und wir haben gesagt, dass wir das begrüßen. Aber wenn Sie sich hier aus der Verantwortung stehlen, dann werden Sie diesen Menschen in diesem Land nicht gerecht. Genau das ist es, was Herr Römer gemeint hat: dass Sie sich aus der Verantwortung stehlen. – Und dieser Analyse schließe ich mich ausdrücklich an.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Lutz Lienenkämper [CDU]: Falsch!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Frau Kollegin Düker. – Für die Piratenfraktion erteile ich Frau Kollegin Brand das Wort.

Simone Brand (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Ich finde es sehr schade, dass es bei diesem Thema gerade zum Teil sehr laut geworden ist. Dass man brüllen muss, finde ich nicht schön.

Die Dinge, die passiert sind, dürfen nie wieder passieren. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Aber wie mein Kollege gerade erläuterte, reichen die Beschlüsse vom runden Tisch nicht aus. Ein reines Mehr desselben kann nicht die Lösung sein. Was wir brauchen, ist eine komplette Neukonzeption der Flüchtlingsunterbringung in diesem Land.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Antrag mit diesem Titel hat heute übrigens Geburtstag. Er wird genau ein Jahr alt.

Wir müssen insgesamt weg von einem System der Überwachung und hin zu einem Betreuungssystem, das der Perspektive der Flüchtlinge den absoluten Vorrang einräumt. Nur so kann verloren gegangenes Vertrauen wiederhergestellt werden: auf der einen Seite Vertrauen bei den Flüchtlingen, bei den Menschen, die häufig traumatisiert zu uns kommen und hier wieder beängstigende Situationen durchleben mussten, auf der anderen Seite Vertrauen bei der Bevölkerung hier im Land, die verunsichert auf überfüllte Massenunterkünfte in der Nachbarschaft reagiert.

Bereits am 8. November 2012, also vor zwei Jahren, sagte ich hier in diesem Plenum – ich zitiere –:

„Da es aus weltpolitischer Sicht immer wieder zu einem Anstieg von Flüchtlingsströmen kommen wird, müssen wir die Kommunen in ihrem Bestreben, menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen, stärker unterstützen. Wie ich gerade erwähnt habe, ist Integration eine Sache der Wahrnehmung. Glauben Sie mir, die Bevölkerung nimmt deutlich wahr, wenn Flüchtlingsheime aus allen Nähten platzen …“

Es geht also um Vertrauen in Ihre Flüchtlingspolitik. Unser Antrag fordert zwecks Vertrauensgewinnung daher zuallererst die Einführung eines unabhängigen Flüchtlingsbeauftragten. Er soll Ansprechpartner für Flüchtlinge, aber auch für Mitarbeiter der sozialen Beratungsstellen, Flüchtlingsinitiativen und die Bevölkerung vor Ort sein.

Die SPD in Schleswig-Holstein hält ihren Flüchtlingsbeauftragten übrigens für unverzichtbar. Ich denke, Sie, liebe Landesregierung, haben bewiesen, dass es genau so ist.

Meine Damen und Herren, wir brauchen Mindeststandards. Wir brauchen klare Vorgaben, wie Menschen unterzubringen sind. Wir hatten letzte Woche eine Anhörung zum Thema „minderjährige Flüchtlinge“. Ich will nicht viel dazu sagen. Vielleicht nur eines: Wir stehen ganz am Anfang. Es wurde deutlich, dass wir zum Beispiel Busverbindungen zu Flüchtlingsunterkünften brauchen, dass wir ein angemessenes Maß an Privatheit in den Unterkünften und hinreichend qualifiziertes Personal benötigen. Wir brauchen diese festgelegten Standards aber nicht um der Standards willen, sondern damit die Aufsichtsbehörden klare Vorgaben haben, was sie eigentlich überprüfen sollen.

Wir, die Piratenfraktion, fordern das nicht erst seit Burbach. Wir fordern das seit zweieinhalb Jahren. Es ist natürlich äußerst bedauerlich, dass so ein Vorfall erst öffentlich werden muss, damit sich eine politische Mehrheit für die Verbesserung der Situation in Flüchtlingsheimen findet.

Lernen Sie daraus, handeln Sie jetzt, und leiten Sie den Systemwechsel ein! Tun Sie nicht nur das Selbstverständliche, sondern denken Sie auch über unsere Forderungen nach! Der gemeinsame Wille zur Veränderung ist hier bei Ihnen allen vorhanden. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal Herr Kollege Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann das kurz machen.

(Beifall)

Frau Düker, eines geht nicht, nämlich montags abends gemeinsam Flüchtlingsgipfel, unter der Woche Closed Shop einen Antrag schreiben, uns den Freitag mit 48-Stunden-Frist geben und dann erzählen, wir hätten uns nicht beteiligt. Das ist wirklich ein Witz!

(Lebhafter Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. – Jetzt habe ich noch eine weitere Wortmeldung von Herrn Kollegen Herrmann von der Piratenfraktion.

Frank Herrmann (PIRATEN): Herr Römer hat ja eben mit viel Empathie die großen Gemeinsamkeiten beim Gipfel hervorgehoben. Das ist ja prinzipiell auch richtig. Wenn Sie unseren Entschließungsantrag genau gelesen haben, haben Sie gesehen, dass wir die Maßnahmen, die auf dem Gipfel verabredet worden sind, als Minimalkonsens unterstützen. Wir wollen mehr. Das steht auch im Entschließungsantrag.

Ich möchte Ihnen aber jetzt noch sagen: Wir stimmen ja nicht über den Gipfel ab, sondern wir stimmen jetzt über Ihren Antrag ab, den Sie eingereicht haben.

(Armin Laschet [CDU]: So ist es!)

Da möchte ich Ihnen kurz sagen, warum ich meiner Fraktion empfehle, den abzulehnen.

Erster Punkt: In der Präambel nehmen Sie ausdrücklich das Bekanntwerden der schrecklichen Ereignisse als Begründung an, eine intensive Debatte über die aktuelle Lage der Flüchtlingsaufnahme zu führen. Ich finde, das ist eine Verhöhnung der Opfer der Misshandlungen und ein Eingeständnis der Geringschätzung der eigentlich zu erfüllenden Aufgaben des Landes.

(Beifall von den PIRATEN)

Ein zweiter Punkt, der mir auch wichtig ist, auch wenn es vielleicht wie eine Kleinigkeit erscheint: Auf dem Gipfel wurde klar verabredet, die Zuweisungen für soziale Beratungen der Flüchtlinge um 3,5 Millionen € zu erhöhen, das heißt, zu verdoppeln. Das wurde auch groß herausgestellt. Das ist Gegenstand des Antragsvorschlags für den gemeinsamen Antrag.

Heute steht hier in der Beschlussfassung, die uns vorliegt, in diesem Passus mit den 3,5 Millionen:

„Darüber hinaus soll mit diesen Mitteln ein dezentrales Beschwerdemanagement in den Landeseinrichtungen geschaffen sowie das ehrenamtliche Engagement aktiviert bzw. koordiniert werden.“

Das heißt ganz klar: Da bleibt dann fast nichts mehr übrig.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: So ist das besprochen worden!)

– So steht es nicht in dem gemeinsamen Antragsvorschlag, Frau Kraft. Das kann jeder nachlesen. Wie gesagt, aus den Gründen empfehle ich uns, den Antrag abzulehnen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nun nicht mehr vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Ich rufe die Abstimmung auf. Wir stimmen erstens ab über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/7145. Die antragstellenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt dieses Antrags Drucksache 16/7145. Wer möchte dem seine Zustimmung geben? Den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das ist die Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Damit ist der Antrag Drucksache 16/7145 angenommen.

Ich lasse zweitens abstimmen über den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/7235. Wer möchte diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben? Den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer stimmt gegen diesen Entschließungsantrag? – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich der Stimme? – Die Piratenfraktion enthält sich der Stimme. Damit ist dieser Entschließungsantrag Drucksache 16/7235 abgelehnt.

Ich lasse drittens abstimmen über die Überweisung des Antrags der Piratenfraktion Drucksache 16/7152 – Neudruck. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Integrationsausschuss – federführend – sowie an den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist damit einverstanden? – Ist jemand dagegen – oder enthält sich der Stimme? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich lasse viertens abstimmen über die Überweisung des Antrags der FDP-Fraktion Drucksache 16/7165. Der Ältestenrat empfiehlt auch hier die Überweisung des Antrags an den Integrationsausschuss – federführend –, an den Innenausschuss sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung folgen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich schließe die Beratung zu Tagesordnungspunkt 3 und rufe auf den Tagesordnungspunkt

4   Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014 (Nachtragshaushaltsgesetz 2014)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6700

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/7180

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Hahnen das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Uli Hahnen (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, dass der Nachtragshaushalt 2014 dem veränderten Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz für die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen geschuldet ist, aber auch den geringeren Steuereinnahmen, die wir leider zu beklagen haben – insbesondere in den Regionen, in denen die Energiewirtschaft stark vertreten ist. In den übrigen Regionen des Landes scheint es Gott sei Dank sehr zufriedenstellend zu sein.

Nun wird gleich nach mir wahrscheinlich jeder Redner der Opposition bemängeln, dass die Steuerschätzungen sowieso viel zu hoch waren und deshalb gar nicht erreicht werden konnten. Ich verweise darauf, dass das dann ein Running Gag über viele Jahre gewesen wäre. Die bisherigen Steuerschätzungen des Finanzministers waren auch sehr zutreffend. Insofern werden wir sicherlich nicht unsere Zustimmung dazu geben – Herr Dr. Optendrenk, Sie haben das eben in einer Zwischenfrage an Herrn Dr. Stamp schon einmal eingeworfen –, die dritte Lesung zu verschieben, um jetzt weitere Punkte einzubeziehen.

Wir haben eine Nettokreditaufnahme von 3,2 Milliarden €. Das sind immerhin noch 150 Millionen € weniger, als für das Jahr 2013 geplant waren. Wir sind weiterhin auf dem Kurs der Haushaltskonsolidierung. Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass wir zu diesem Zeitpunkt natürlich schon etwas weiter sein wollten. Wir haben aber den Weg ganz klar im Auge. Im Hinblick auf die Zeitspanne zwischen 2010 und 2020 haben wir immerhin schon zwei Drittel des Weges zurückgelegt. Eine solche Erfolgsbilanz konnte die Vorgängerregierung bei Weitem nicht vorlegen.

Lassen Sie uns noch einmal auf die Zahlen zurückgehen, die die Vorgängerregierung prognostiziert hatte. Sie hatten für das Jahr 2013 in der mittelfristigen Finanzplanung 6,5 Milliarden € neue Schulden prognostiziert. Wir haben jetzt im aktuellen Nachtrag weniger als die Hälfte. Damals hatte die schwarz-gelbe Landesregierung sehr wohl auch schon die positiven Aspekte der Zukunft nach der Wirtschaftskrise mit einkalkuliert, meine Damen und Herren.

Ich stelle fest: Der jetzige Finanzminister und die Fraktionen von SPD und Grünen haben ganz offensichtlich den Landeshaushalt und die Sicherheit der Finanzen etwas stärker im Griff, als das unter Schwarz-Gelb der Fall war.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lutz Lienenkämper [CDU]: Das ist doch ohne Ende realitätsfern! Man kann zwar viel zur Finanzpolitik der Landesregierung sagen, aber das nicht!)

Wieder einmal beweist sich, dass die Reden, Schwarz-Gelb könne gut mit dem Geld umgehen, zwar vielleicht abgedruckt gehören, allerdings höchstens in irgendeinem Märchenbuch, dass sie aber nicht der Wahrheit entsprechen.

Ich weise darauf hin, dass der Finanzminister – nachzulesen in seiner Einbringungsrede zur ersten Lesung – schon deutlich gemacht hat, dass Nordrhein-Westfalen pro Einwohner 318 € weniger ausgibt als die westdeutschen Länder und gar 883 € weniger als unter Einbeziehung der ostdeutschen Länder und dass wir mit 3.375 € die niedrigsten Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung haben. Vielleicht sollten Sie dies noch einmal nachverfolgen und dann bei Ihren nächsten Wortmeldungen – nicht nur zum Nachtragshaushalt, sondern auch zum Haushalt 2015 – ein klein wenig vorsichtiger sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schuldenbremse ist Verfassungsgebot. Deshalb will ich hier gar nicht über die Sinnhaftigkeit einer Schuldenbremse philosophieren; denn an die Verfassung werden wir uns halten.

(Ralf Witzel [FDP]: Das stimmt aber auch nicht!)

Ich möchte allerdings Folgendes deutlich machen: Eine schwarze Null hört sich sicherlich sehr gut an. Mit Nullen alleine ist aber weder soziale Gerechtigkeit zu bewahren noch die Zukunft vernünftig zu gestalten.

An die Adresse des Bundesministers der Finanzen gerichtet, füge ich hinzu: Wenn diese schwarze Null nur zulasten der Kommunen, zulasten der Sozialversicherungen und unter Plünderung der Bundesbank erreicht wird, ist das auch nicht unbedingt der richtige Weg.

(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD])

Wir haben den richtigen Weg aufgezeigt. Wir werden diesen richtigen Weg weitergehen. Einsparen, investieren in Kinder und investieren in Bildung – das ist der Dreiklang. Deshalb kann auch die Opposition dem Nachtragshaushalt eigentlich nur zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Hahnen. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Optendrenk das Wort.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den einsam auf seinem Platz sitzenden Herrn Kollegen Hahnen anschaut und seinen Redebeitrag noch einmal Revue passieren lässt, hat man schon das Gefühl, dass die Internationale mit ihrem Satz „Auf zum letzten Gefecht!“ doch eine ganz neue Bedeutung gewonnen hat.

(Beifall von der CDU und der FDP – Lachen von Uli Hahnen [SPD])

Wir haben von Ihnen eben wieder Ihre Worthülsen der letzten vier Jahre gehört. Sie nehmen fortgesetzt nicht zur Kenntnis, was die Wirklichkeit ist. Sie verwenden permanent irgendwelche Zahlen, die Ihnen in den Kram passen, die aber mit der Wirklichkeit nur mit Mühe in Einklang zu bringen sind.

Weil die bei der mittelfristigen Finanzplanung zum Haushalt 2010 zugrunde gelegten Einnahmen in diesem Jahr allein in Nordrhein-Westfalen um 7 Milliarden € übertroffen werden, können Sie nicht ernsthaft sagen: Die haben damals mit den gleichen Annahmen kalkuliert wie wir. Daher ist es ein toller Erfolg des Ministers, wenn er nur 3,2 Milliarden € Nettoneuverschuldung hat. Die hätten ja 6,5 Milliarden € gehabt. – Die Grundrechenarten sind relativ einfach, glaube ich: 6,5 minus 7 sind bei Ihnen wahrscheinlich 3,2.

(Heiterkeit von Lutz Lienenkämper [CDU])

An diesen Stellen können Sie genau sehen, dass das das Ablenkungsmanöver für den Minister ist, der dann immer eine andere Parole ausgibt. Normalerweise heißt die nämlich: Die anderen sind schuld. Die anderen sind nicht solidarisch genug. Wir können nichts dafür. Wir haben immer Solidarität geleistet. Und jetzt sind wir eben mal dabei, weil das anders ist. Dann müssen wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass mehr umverteilt wird – zwischen den Ländern, vom Bund zu den Ländern usw.

Das Problem ist aber ein anderes. Herr Minister, bei aller Solidarität, die wir hier im Plenarsaal bei der Verfolgung originärer Landesinteressen weiterhin leisten werden, und obwohl wir beim Thema „Regionalisierungsmittel“ berechtigterweise mehr Geld aus dem Gesamttopf haben wollen, weil es zur Fairness gegenüber den Menschen in Nordrhein-Westfalen gehört, dass wir dabei angemessen berücksichtigt werden, müssen wir uns im Einzelfall anschauen, ob das richtig ist, was Sie uns hier immer noch dazu erzählen.

Das Strukturproblem dieses Landes besteht unter anderem darin, dass wir in den letzten 30 Jahren kein Jahr gehabt haben, in dem mit dem Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen mehr für Investitionen als für Zinsen ausgegeben wurde – außer in den Jahren der Niedrigstzinsphase der letzten fünf Jahre; dafür können Sie aber nichts. Ansonsten haben wir immer den gleichen Sachverhalt gehabt.

Wir haben – wir haben das einmal aufgearbeitet – seit 1973 einen Gesamtschuldenstand, der jetzt knapp 140 Milliarden € beträgt, und wir haben als Land Nordrhein-Westfalen 131 Milliarden € Zinsen ohne Tilgung zur Bank gebracht. Das heißt, das Land hat aus all den Schulden, die für die Zukunftsinvestitionen aufgenommen werden sollten, netto 9 Milliarden gehabt, um in Zukunft zu investieren.

Wer soll Ihnen oder wahlweise Herrn Hahnen denn glauben, dass, wenn Sie weitere Schulden machen würden, Sie in die Zukunftsfähigkeit oder in die soziale Gerechtigkeit dieses Landes investieren würden? Sie würden weiter in Konsum und in das Sedieren von bestimmten Wählerklientelen investieren, wie es Johannes Rau schon in den 80er-Jahren gemacht hat.

(Zustimmung von Bernd Krückel [CDU])

Wir haben noch ein ganz anderes Problem. Herr Hahnen, das Problem der Steuereinnahmen ist in der Tat ein Problem. Wenn man sich die Einnahmen so hoch kalkuliert, dass man sie gar nicht erreichen kann, dann ist man weder vorsichtig noch seriös. Wenn man das anschließend korrigieren und die Nettoneuverschuldung anheben muss, hat das auch nichts mit Seriosität zu tun, sondern dann ist man einfach durch die Wirklichkeit eingeholt oder überholt worden. Das ist weder seriös noch ein großer Erfolg des Finanzministers.

Es ist an der Stelle relativ klar zu analysieren: Entgegen dem, was Herr Hahnen eben vorgetragen hat, ist der Hauptgrund des Nachtragshaushaltes nicht das Besoldungsgesetz, das nachher noch zur Debatte steht, sondern es war ein mutwilliger Verfassungsbruch, den Sie hier gemacht haben, und es war mutwillig, keine Rücklagen in den Haushalt einzustellen, um die absehbare Niederlage beim Verfassungsgericht schon im Personalhaushalt dieses Landes in 2014 abzubilden.

(Beifall von der CDU)

Wer mutwillig etwas falsch macht, muss auch den Mut haben zu sagen: Das war Mist, das war Murks; ich mache es jetzt besser. – Stattdessen betätigen Sie sich hier alle kollektiv als Schönredner. Das hilft in Nordrhein-Westfalen weder den Bürgerinnen und Bürgern, noch hilft es der Wirtschaftsstruktur, noch hilft es der Innovationsfähigkeit.

Und dass Sie jetzt so vereinzelt im Plenarsaal sitzen, mag ich nicht als Symbol für die Unterstützung aus Ihrer Fraktion ansehen. Sie haben in der Fraktion nämlich die Ernsthaftigkeit dieses Themas und der Sorgen um dieses Landes offensichtlich nicht erkannt. Sonst würden mehr Leute als Frau Gebhard Sie jetzt unterstützen. Dann könnten wir gemeinsam darüber reden, wie es besser werden muss. Es ist eigentlich beschämend, dass Sie an diesem Plenartag beim Nachtragshaushalt mit so wenigen Personen sitzen und sagen: Es ist halt so; das kostet eben 800 Millionen € mehr.

Das geht nicht. Es tut mir leid. Wir werden dem Haushalt natürlich nicht zustimmen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Uli Hahnen [SPD]: Och! )

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt aufmerksam dem Kollegen Dr. Optendrenk zugehört. Ich habe nicht ein einziges Argument gehört.

Sie haben nur gesagt: Der Finanzminister hat sich verrechnet, und deswegen können wir dem Haushalt nicht zustimmen. – Ansonsten haben Sie vorgetragen, dass man, wenn man mehr Schulden hat, mehr Schulden hat. Das ist nichts anderes als die eine Binsenweisheit an die andere Binsenweisheit geknüpft.

Ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Wir haben hier nicht fünf Jahre lang Worthülsen vorgetragen. Vielmehr haben wir wirklich ein anderes Konzept als Sie. Wir sind der Auffassung, dass wir in Bildung und Ausbildung investieren müssen. Wir sind tatsächlich der Auffassung, dass es besser ist, die Gebühren für Studierende abzuschaffen, als Wachstumsbeschleunigungsgesetze auf den Tisch zu legen, mit denen Hoteliers entlastet werden. Das unterscheidet uns konzeptionell.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christof Rasche [FDP]: Peinlich, peinlich!)

Wir sind tatsächlich der Auffassung, dass das, was in diesem Landeshaushalt an Investitionen steht, richtig ist. Das ist nicht zufällig passiert. Wir unterstützen diesen Landeshaushalt. Wir sind auch der Auffassung, dass es nicht richtig ist, bei Lehrerinnen und Lehrern Stellen zu kürzen.

Wir sind auch nicht der Auffassung, dass es richtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen – wie das in Ihrer Fraktion in der Fachpolitik immer geschieht –, einerseits einen Schulkonsens auszuhandeln, der einen Aufwuchs von Stellen erfordert, der Zwergschulen absichert und verschiedene andere Punkte, oder einen Flüchtlingsgipfel durchzuführen, dort diesen Maßnahmen zuzustimmen, sich dann aber hier hinzustellen – mir ist eben fast schlecht geworden – und zu sagen: Wir tragen das nicht mit, weil es uns wichtiger ist, den Innenminister Jäger zu beschädigen, als den Flüchtlingen zu helfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist auch nicht richtig, auf der einen Seite den Kommunalsoli, wie die CDU und FDP es machen, zu bekämpfen, also für eine weitere Entlastung der Kommunen einzutreten in einer Größenordnung von 90 Millionen €, um dann die Schulden zu beklagen, die auf der anderen Seite entstehen, wenn man das tun würde. Sie sind komplett unglaubwürdig, was die Haushaltspolitik anbetrifft.

Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, sich mit diesem Nachtragshaushalt intensiver auseinanderzusetzen. Und wir werden noch sehr viel Gelegenheit haben, über Haushaltspolitik zu sprechen: bei der zweiten Lesung zum Haushalt 2015, bei der dritten Lesung zum Haushalt 2015 und morgen bei der weiteren Lesung zum Nachtragshaushalt 2014, was mich, ehrlich gesagt, überrascht. Noch mehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, überrascht es mich nach dem Wortbeitrag von Dr. Optendrenk, dass Sie noch einmal fünf Minuten brauchen werden, um nichts vorzutragen. Das hätten wir möglicherweise in einem Durchgang machen können.

Ich schreibe es Ihnen sehr klar ins Stammbuch: Wir werden gleich noch einmal eine Debatte zu den Erlösen in Höhe von 100 Millionen € aus dem Verkauf der Warhol-Bilder haben. Wer es einerseits – da ist der Fraktionsvorsitzende der CDU wieder mit am Ball – richtig findet, dass man in Aachen in ein Casino investiert, nicht um da Glücksspiel zu fördern, sondern um ganz im Gegenteil seinem Auftrag aus dem Staatsvertrag nachzukommen, und andererseits die Investitionsmittel dafür wieder ablehnt, der ist nicht glaubwürdig, sondern der ist eierig und hat mit einer soliden Haushaltspolitik nichts zu tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Nachtragshaushalt ist einerseits aufgrund verschlechterter Steuereinnahmen notwendig geworden. Das finden wir in der Tat alles andere als erfreulich. Auch der Basiseffekt, der sich 2015 fortsetzt, erfordert zusätzliche Arbeit, um da voranzukommen. Der Nachtragshaushalt ist andererseits aufgrund der Umsetzung des Besoldungsgesetzes erforderlich geworden. Da wir gleich über das Thema „Besoldungsgesetz“ noch inhaltlich reden werden, erspare ich mir an dieser Stelle Ausführungen dazu.

Unsere Fraktion wird diesem Nachtragshaushalt zustimmen. Er ist notwendig und richtig, und er setzt die Politik fort, die beim Stammhaushalt angesetzt worden ist. Deswegen bitte ich um Zustimmung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist einmal mehr ein Nachtragshaushalt, der bei dieser Landesregierung notwendig wird, da sich die ursprünglichen Annahmen zur Absenkung der Neuverschuldung leider nicht bewahrheiten. Schöner wären Nachtragshaushalte, die mal aufgrund einer besseren Haushaltslage notwendig würden, als sie ursprünglich angenommen wurde.

Der bereits gigantische Schuldenberg des Landes steigt hiermit noch stärker an, als bislang vom Finanzminister kommuniziert. Eine wesentliche Ursache liegt in der Notwendigkeit für die Landesregierung, ihr verfassungswidriges Besoldungsgesetz zu korrigieren.

Die Landesregierung ist der kapitalen Fehleinschätzung unterlegen, man könne zum Zwecke der Einhaltung des Verfassungsgebots der Schuldenbremse das Gebot der amtsangemessenen Alimentation verletzen. Das hat sich als Trugschluss erwiesen. Der Finanzminister muss im Rahmen seiner Haushaltsplanung nämlich beides sicherstellen.

Die Beamtenbezüge sind aber nicht der einzige Grund des Mangelzustands. Nach jahrelangen Rekordsteuereinnahmen gibt es Einbrüche; der Finanzminister hat diesen Automatismus zu optimistisch eingeschätzt.

Mit dem Nachtrag hat die Landesregierung erneut die Chance vertan, mit mutigen Sparbeschlüssen eine Trendwende in der Haushaltspolitik einzuleiten. Stattdessen erhöht sie einmal mehr schematisch die Kreditaufnahme zulasten der jungen Generation.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Die rot-grüne Haushaltsplanung ist nur auf Sand und Schuldenbergen aufgebaut. Die direkt doppelt beabsichtigte Erhöhung der Neuverschuldung für 2014 und 2015 ist eine finanzpolitische Bankrotterklärung.

Wenn sich die Steuereinnahmen nicht mehr so rekordverdächtig entwickeln, wie wir das seit Jahren zu verzeichnen haben, ist die Verfassungskonformität des Haushalts spätestens im Zusammenhang mit der Schuldenbremse 2020 erneut in akuter Gefahr. Durch die spekulative Finanzpolitik setzt Rot-Grün die zukünftige Handlungsfähigkeit Nordrhein-Westfalens aufs Spiel.

Das erneute Schuldenwachstum zeigt deutlich: Nordrhein-Westfalen braucht eine wirksame Schuldenbremse, und zwar eine mit Sanktionen, eine mit Zähnen, eine, die auch tatsächlich greift. Wer heute bei der Beamtenbesoldung nicht davor zurückschreckt – darüber haben wir hier viele Monate miteinander diskutiert und gerungen –, sehenden Auges die Landesverfassung zu brechen, nachdem er von nahezu allen Experten anders beraten worden ist, dem trauen wir natürlich auch zu, dass er später den Bruch des Grundgesetzes beim Inkrafttreten des Neuverschuldungsverbotes ab 2020 nicht fürchtet.

Deshalb muss es bei einem Verstoß gegen die Schuldenbremse klare Strafen geben, damit nachhaltige Finanzpolitik nicht länger eine Leerformel bleibt.

(Beifall von der FDP)

Wir behalten ferner recht mit unserer Warnung, in der Haushaltsplanung stets einen Reservepuffer einzufügen. Wie schon Analysen der Bundesbank gezeigt haben, darf die mittelfristige Finanzplanung nicht nur Normalszenarien berücksichtigen, wenn es auch Indikatoren für konjunkturelle Eintrübungen gibt.

Mit diesem Nachtrag ist die mittelfristige Finanzplanung, die dem laufenden Haushaltsverfahren für das Jahr 2015 zugrunde liegt, an mehreren Stellen längst überholt. Die Neuverschuldung wäre noch stärker erhöht worden, wenn mit einer Haushaltssperre nicht zumindest Einschnitte von rund 100 Millionen € erzielt worden wären.

Die pauschale Haushaltssperre hat an vielen Stellen die Planungssicherheit für Empfänger reduziert und naturgemäß viele ungewollte Sperrwirkungen mit sich gebracht. Das ist so bei pauschalen Instrumenten.

Genau das ist das Problem dieser Haushaltssperre und der unsoliden Finanzpolitik dieser Landesregierung. Was wir stattdessen brauchen, sind durchdachte, bewusst vorgenommene strukturelle Reformen, die eine dauerhafte Entlastung für den Haushalt bringen, und die nicht nur einen temporär angelegten Aktionismus bedeuten.

Bereits über vier Jahre hat es die Landesregierung in ihrer Amtszeit sträflich versäumt, wirksame Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen, und sich lieber über rein zufällige, singulär positive Effekte gefreut. Diese Unterlassung wird sich in Kürze rächen. Das Neuverschuldungsverbot des Jahres 2020 ist seit 2009 bekannt und kommt daher für Sie auch alles andere als überraschend.

Leider geht der Finanzminister auch nach diesem Nachtragshaushalt mit seiner neuen mittelfristigen Finanzplanung noch davon aus, das Zieldatum 2020 nicht schuldenfrei erreichen zu können, wenn nicht weitere Maßnahmen ergriffen werden. Das zeigen all Ihre Berichte und Analysen. Sie sollten dann dem Parlament aber bitte auch sagen, an welche Maßnahmen Sie denken und wie Sie sich den Pfad vorstellen.

Das sind wichtige Zukunftsherausforderungen, die Sie gerne auf die Zeit nach 2017 verlagern. Uns fehlt aber ein Millionenbetrag in einer mindestens großen dreistelligen Größenordnung. Deshalb sind Sie dem Land diese Antwort über den weiteren Konsolidierungspfad schuldig. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Herrn Mostofizadeh gefällt die dritte Lesung nicht, die morgen stattfindet. Sie steht nun einmal so im Gesetz, und man muss sicher nicht überrascht sein, wenn morgen möglicherweise keine neuen Erkenntnisse vonseiten der Opposition kommen.

Aber es besteht immerhin die Möglichkeit, bis morgen vonseiten der Landesregierung oder regierungstragenden Fraktionen das – ich sage mal – Ei des Kolumbus hier vorne zu präsentieren. Das wird aber wahrscheinlich ebenso wenig geschehen.

Von daher bleibt es dabei, dass nicht nur der Haushalt 2014, sondern auch der Entwurf 2015 relativ kraftlos und zudem nicht geeignet sind, NRW als zukunftsfähig zu ertüchtigen. Vielmehr ist es nach wie vor so, dass der Nachtragshaushalt, über den wir beraten, im Prinzip ein bestes Beispiel dafür ist, wie man an Symptomen herumdoktert.

Der Landeshaushalt bröckelt weiter, und das wird durch den Nachtragshaushalt auch eindeutig dokumentiert. Ich möchte einige Fakten herausnehmen.

Natürlich sind Mehrausgaben zu tätigen, die sich im Laufe des Jahres 2014 ergeben haben. Zu erwähnen wären hier die Personalausgaben, ebenso der Hilfsfonds im Zusammenhang mit dem Orkan „Ela“.

Auch im Zusammenhang mit der Ersatzschulfinanzierung müssen Mehrausgaben getätigt werden, was allerdings wiederum mit der Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2014 zu tun hat.

Es gibt auch Mehrausgaben bei Kofinanzierungsmitteln für die Städtebauförderung. All das ist richtig.

Nur: Bedarf es tatsächlich einer Erhöhung der Nettoneuverschuldung um 800 Millionen € auf 3,2 Milliarden €, über die wir jetzt beraten, bevor wir über die Veränderung der Beamtenbesoldung sprechen? Ich finde es nicht in Ordnung – vielleicht ist das ein Opfer der Regulierung der Tagesordnung –, dass die Beamtenbesoldung, die ein wesentlicher Kostenfaktor im Nachtragshaushalt ist, erst nach der Beratung über den Nachtragshaushalt zur Sprache kommt. Möglicherweise ist da aber irgendwie …

(Christof Rasche [FDP]: Im Einvernehmen mit den Piraten!)

– Ich bin davon überzeugt, dass das im Einvernehmen erfolgte, Herr Rasche.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist Ihnen aber egal!)

Aber es ändert nichts daran: Ich persönlich hätte es besser gefunden, wenn die Faktoren, die zum Nachtragshaushalt führen, vorher beraten worden wären. Sei es drum!

Sowohl dem Nachtragshaushalt als auch dem Haushalt fehlen intelligente Ansätze zur Konsolidierung der Landesfinanzen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die kommen jetzt!)

– Wenn die kommen, ist das super.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ne, von Ihnen!)

Der Nachtragshaushalt hilft da nicht ab. Er ist und bleibt ein Notnagel, der die verfehlte Haushaltspolitik des Landes erst recht als eine Politik von Versuch und Irrtum zeitigt. Das Ergebnis war eine Haushaltssperre infolge des Urteils des Verfassungsgerichtshofs in Münster, welches ebenfalls nicht hätte sein müssen, wenn die Landesregierung und auch die sie tragenden Fraktionen im Rahmen der Anhörung am 18. Juni 2013 auf die 20 Sachverständigen gehört hätten.

600 Millionen € zusätzlicher Konsolidierungsbedarf ab 2015 wird durch die erhöhte Nettoneuverschuldung ausgewiesen, um am Ende dem verfassungsmäßigen Petitum der Schuldenbremse gerecht werden zu können. Hier wird ja immer nach vorne getragen, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen würden das erreichen. Nach allen Berechnungen wird das nicht möglich sein.

Herr Finanzminister, 2014 wollten Sie 700 Millionen € einsparen, und zwar bei den Beamten. Das ist schiefgegangen. Dann muss man wirklich einmal sagen: Wäre Finanzpolitik in NRW – da beziehe ich die Steuerschätzung durchaus ein, die natürlich nicht immer valide sein kann, sondern durchaus variabel ist, aber man muss sich den Nachtragshaushalt in Verbindung mit dem Haushalt 2014 ansehen – spekulationssteuerpflichtig, könnten wir uns den Nachtragshaushalt möglicherweise ersparen. Dann würden wir auch weitere Sparbemühungen in den nächsten Jahren möglicherweise nicht auf Kosten der notwendigen und wichtigen Investitionen im Lande Nordrhein-Westfalen bewerkstelligen. Im Moment sehe ich da jedenfalls schwarz.

Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände habe ich meiner Fraktion jedenfalls empfohlen, den Nachtragshaushalt abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht der Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Besonders auch meine Damen und Herren auf der Zuschauertribüne,

(Minister Michael Groschek: Und im Stream!)

die Sie zumindest die Hälfte des Auditoriums hier ausmachen! An Sie hat sich wahrscheinlich auch das Meiste gerichtet, was bisher vonseiten der Opposition gesagt worden ist. Das hört sich immer sehr schön an. Die Opposition argumentiert gerne mit der schwäbischen Hausfrau, die ja nicht mehr ausgibt, als sie einnimmt. Dass die schwäbische Hausfrau mehr als alle anderen Hausfrauen in einer Familie lebt, die ein Eigenheim hat, dieses Eigenheim im Regelfall aber über den Kredit einer Bausparkasse bezahlt wird, die eine schwäbische Erfindung ist, das alles wird schön unter den Tisch gekehrt.

(Beifall von Marc Herter [SPD])

Natürlich gibt es die Verschuldung, gibt es die Kredite, die aufgenommen werden, damit etwas mehrere Jahre genutzt werden kann. Aber sie müssen – das ist richtig – auch getilgt werden. Da liegt der Hase im Pfeffer und nicht bei dem, was hier ständig vorgegaukelt wird.

Herr Optendrenk von der CDU-Fraktion erzählt hier etwas von der Interpretation von Zahlen, wie sie einem gerade gefallen. – Ich bin dem Kollegen Mostofizadeh dankbar, dass er schon mal festgestellt hat, dass das keinen Inhalt hatte. Ich muss ehrlich sagen: Es war ein absurder Inhalt. Das ist das Schlimme daran. Es war nicht nur nichts. Wenn es nichts gewesen wäre, wäre es schon gut gewesen.

(Zuruf von der CDU. Dann kommt der Finanzminister!)

Herr Optendrenk, Sie erklären, dass in der mittelfristigen Finanzplanung der Regierung, unter der Sie noch Büroleiter des Finanzministers waren, 6,5 Milliarden € standen, dass die Steuern seither um 7 Milliarden € zugenommen haben und dass 6,5 minus 7 nicht drei sein kann. Mit anderen Worten: Sie wollen unterstellen, Sie hätten die Schulden abgebaut. – Würden Sie dann auch zugestehen, dass nach Ihrer Annahme die Besoldungsanpassung über alle Jahre bei null hätte liegen müssen,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

dass alle zusätzlich entstandenen Kosten nicht hätten eintreten dürfen oder dass Sie dafür entsprechend Stellen hätten abbauen müssen? Ist seit 2010 nichts passiert, was die Ausgabenseite angeht? Haben Sie nicht auch mit 4 Milliarden € mehr Steuereinnahmen bis 2013 gerechnet? Was ist denn das für eine Rechnung, die Sie den Leuten hier – auch auf der Tribüne – vorzugaukeln versuchen? Das ist Irreführung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann erzählt uns Herr Witzel einen von den Sanktionen, die verhängt werden müssen. Ich finde es schön, dass Sie das im Einklang mit dem sächsischen Finanzminister tun; darüber haben wir schon oft genug gesprochen.

Nordrhein-Westfalen – auch das wird den meisten Menschen, die Zeitung lesen oder sich das hier anhören, vorenthalten, jedenfalls von der Opposition – liegt mit seinem Ausgabenniveau unter dem der 15 anderen Länder. Wenn wir nicht 5,6 Milliarden € weniger, sondern mehr ausgeben würden als bisher, dann hätten wir gerade mal den Durchschnitt der anderen westdeutschen Flächenländer erreicht. Wenn wir 15 Milliarden € mehr ausgeben würden – wir reden im Moment über einen Haushalt von ungefähr 63 Milliarden € – dann wären das 78 Milliarden €. Wir lägen dann gerade mal bei den durchschnittlichen Ausgaben der ostdeutschen Flächenländer. So viel mehr geben alle anderen aus, und sie sind, was die Steuereinnahmen angeht, schwächer als Nordrhein-Westfalen.

Dann muss man sich doch fragen: Wie kann es sein, dass jemand, der die niedrigsten Ausgaben und passable, mindestens durchschnittliche Einnahmen hat, Kredite aufnehmen muss, während die anderen einen ausgeglichenen Haushalt haben?

Sie haben die Mehrausgaben ausgeglichen, weil die anderen Länder für sie mitbezahlen, unter anderem Nordrhein-Westfalen, und weil der Bund diese Länder zusätzlich auch noch alimentiert.

Da erwarte ich von der Opposition, dass sie mit uns gemeinsam vorgeht und sagt: So kann das nicht bleiben!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es wird versucht, alles, was wir hier auszumachen und zu beschließen haben, zu vermischen und auf eine Ebene zu heben. Da wird von Sanktionen gesprochen. Oder Herr Witzel sagt: Es kann nicht vom Normalfall ausgegangen werden. – Doch! Die Schuldenbremse hat im Grundgesetz genau den Normalfall als Nullverschuldung. Wenn es nämlich kein Normallfall ist, dann hat sie auch eine Abweichungsmöglichkeit, die dann allerdings auch wieder aufgearbeitet werden muss. Sie geht eben nicht davon aus, dass Sie eigentlich tilgen müssen, damit Sie im schlimmsten Fall bei null auskommen.

Die Null an sich – es tut mir leid, auch die schwarzen Nullen sind da nicht besser – ist nicht die Lösung des Problems. Dieses Land muss in der Lage sein, auch Ausgaben zu tätigen, zu investieren.

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Wir – Mike Groschek, Garrelt Duin und ich – haben in der vergangenen Woche mit Vorständen aus Unternehmen zusammengesessen. Die haben gefragt: Wie kann es sein, dass man die Prioritätenliste so auf den Kopf stellt und von Nullen redet, die man erreichen will, und dabei vergisst, dass die Infrastruktur, dass die Bildung Geld kosten und dass dafür investiert werden muss, wenn man nicht die zukünftigen Generationen belasten will?

Wer sich dem entzieht, der versündigt sich doch mindestens so an der zukünftigen Generation wie der, der mit der Null hantiert und seine Spielchen betreibt. Das ist nicht einmal die Voraussetzung der im Grundgesetz festgeschriebenen Schuldenbremse.

Wir nehmen mit diesem Haushalt eine Korrektur aufgrund einer veränderten Steuereinnahmesituation vor. Ich sage Ihnen. Das ist auf einer seriösen Grundlage geschehen. Das werden wir auch mit dem Abschluss dieses Haushalts zeigen.

Auf dieser Grundlage sind wir weiter dabei, die Neuverschuldung abzubauen. Wir werden sie im Jahr 2015 – selbst mit dem angehobenen Betrag – auf eine Ebene bringen, die gemessen in Prozenten am Haushaltsvolumen die niedrigste ist, die wir jedenfalls seit 1975 haben.

Das ist der Haushalt, den wir vorlegen und für den wir um Zustimmung bitten. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Finanzminister. Bitte bleiben Sie gleich hier, weil es zwei Mal den Wunsch nach einer Kurzintervention gegeben hat, der natürlich auch erfüllt wird. Die erste Kurzintervention hält Herr Witzel und die zweite Herr Dr. Optendrenk.

Ralf Witzel (FDP): Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, Sie fordern hier eine faire Bewertung ein. Wir sind unterschiedlicher Auffassung, ob das Land heute schon so effektiv wirtschaftet oder nicht.

Genau deshalb möchte ich Sie auf zwei Aspekte ansprechen, die Sie in der Debatte nämlich gerne vergessen. Das sind einerseits der Kommunalisierungsgrad, was die Aufgabenwahrnehmung angeht, und zum anderen der Länderfinanzausgleich. Selbstverständlich haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen – das ist politisch von allen gewollt – sehr viel mehr Aufgaben als in anderen Bundesländern. Dadurch sind natürlich die beim Land verbleibenden Verwaltungsausgaben pro Kopf insbesondere auch bei dem Größeneffekt, mit dem wir es hier zu tun haben, geringer als in kleineren Bundesländern mit einem geringeren Kommunalisierungsgrad.

Dasselbe stellen Sie auch bei dem Länderfinanzausgleich fest. Sie tragen gerne vor, dass NRW nach Steuerkraft auf Platz 5 steht und auf Platz 16 abrutscht. Das RWI hat ja gerade in seinen Berechnungen dargestellt, dass es in Wahrheit Platz 7 oder 8 ist, wenn man die kommunale Finanzausstattung einbezieht.

Genauso wie Sie sich darauf verlassen können – das haben wir Ihnen auch immer zugesichert –, dass wir, wenn Nordrhein-Westfalen benachteiligt wird, als Opposition Landesinteressen mit wahrnehmen, müssen Sie sich schon dieser Debatte stellen.

Wie sehen Ihre Argumente aus, wenn hier auch die Kommunalfinanzen einbezogen werden?

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herr Finanzminister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Lieber Herr Witzel, wenn Sie das ernst meinen, dann müssen Sie die Diskussion darüber führen, ob wir an der falschen Stelle sparen. Denn es ändert sich nichts. Die Ausgaben des Landeshaushalts pro Kopf der Bevölkerung sind die niedrigsten unter allen 16 Ländern. Von daher müssten Sie sagen: Das liegt daran, dass du an der falschen Stelle sparst, du sparst ja bei den Kommunen.

Dann entgegne ich Ihnen zunächst: Was haben Sie denn gemacht und was haben wir seither für die Kommunen getan? – Punkt eins.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Punkt zwei: Weil die Kommunen so viele Aufgaben haben – was wir alle, wie Sie selbst einräumen, gemeinsam richtig finden –, gehen über 20 Milliarden € aus diesen Ausgaben des Landes an die Kommunen. Das heißt, in den Ausgaben pro Kopf sind auch Ausgaben der Kommunen für die Aufgaben, die sie übernehmen, enthalten.

Drittens. Die ostdeutschen Länder haben kaum Pensionslasten. Warum? – Das ist keine Leistung, die sie erbracht haben. Warum nicht? Es gab bei ihnen vor 1990 keine Beamten. Das sind bei uns 6,5 Milliarden €, ein Zehntel des gesamten Haushalts. Dann müssen Sie das auch berücksichtigen.

Viertens. Die neuen Bundesländer haben auch einen niedrigeren Zinsaufwand. Warum? – Weil sie mit unseren Mitteln dafür sorgen können, dass sie unter anderem keine Kredite aufnehmen müssen.

Wenn wir das alles zusammenzählen, können wir uns dieser Debatte gerne stellen.

Im Übrigen: Wir haben gar nichts dagegen, wenn Sie die Kommunen mit in die Berechnung nehmen. Wir haben nichts dagegen, auch nicht bei der Berechnung des Länderfinanzausgleichs. Das wird bei uns nicht zu großen Unterschieden führen. Es sind gerade die ostdeutschen Länder, die dann sagen: …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Zeit!

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: … Das wollen wir, weil wir arme Kommunen haben. Und die reichen Länder im Süden sagen: Das wollen wir nicht. – Wir können damit leben.

Auch eine andere Zahl ist vielleicht noch ganz interessant. Wie ich gerade sagte, haben wir die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben aller Länder. Wir haben den zweitniedrigsten Stellenbestand aller Länder pro Kopf, im Übrigen mit und ohne Kommunen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Wenn Sie dann argumentieren, das würde nicht reichen, wir hätten ein Ausgabenproblem, wir gäben an bestimmten Stellen zu wenig aus, nämlich offenbar für die Kommunen: Wo geben wir dann zu viel aus? Das hätte ich gerne gewusst. Ich kann nur sagen: Jeder, der da oben auf der Tribüne sitzt, weiß, wenn man die niedrigsten Ausgaben hat …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Zeit!

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: … und das ein Ausgabenproblem ist, dann müssen 16 Länder insgesamt ein Riesenausgabenproblem haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herr Kollege Dr. Optendrenk, ich kann Ihnen jetzt das Mikrofon freischalten.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herzlichen Dank. – Ich wollte Sie, Herr Minister, direkt an diesem Punkt noch einmal ansprechen, weil Sie an der Stelle immer die Solidarität der Opposition einfordern. Da bitte ich aber auch, dass wir uns über die Datenbasis einmal konkreter verständigen.

Tatsache ist, dass wir im Jahr 2013, wenn man Ihrer Berechnung folgt, netto 1,3 Milliarden € in alle Ausgleichssysteme eingezahlt haben, davon gut 2,3 Milliarden € an Umsatzsteuervorwegabzug – so wie Sie das immer darstellen. Damit bin ich im Grundsatz zunächst einverstanden.

Allerdings lassen Sie bei der Frage, wer denn welche Lasten trägt, immer schön weg, dass wir 1995 bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs bei der Einbeziehung der neuen Länder sieben Umsatzsteuerpunkte vom Bund bekommen haben. Das sind alleine 2,6 Milliarden € für das Jahr 2013, die Nordrhein-Westfalen mehr bekommt als vor 1995. Wenn Sie da wieder rechnen – auch das wird nicht so ganz schwerfallen – …

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sie machen das Spiel der Bundesregierung! – Weitere Zurufe)

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Optendrenk hat das Wort. Sie können ihm nicht die Zeit der Kurzintervention dadurch einschränken, dass Sie quer durch den Raum reden. Herr Dr. Optendrenk, Sie bekommen die Redezeit natürlich zusätzlich. – Bitte schön.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es kommt schon darauf an, dass wir auf einer fairen Datenbasis arbeiten. Um 2,6 Milliarden € sind wir 2013 wegen der Einbeziehung der neuen Länder durch den Bund entlastet worden. Wenn wir sagen, wir sind gefühlt immer noch Geberland, sollten wir uns darauf verständigen, dass das eine schwierige Rechnung ist.

Ich habe Ihnen eben schon einmal gesagt, bei anderen konkreten Punkten wie zum Beispiel den Regionalisierungsmitteln ist es völlig eindeutig.

Aber Sie betreiben genau das Spielchen, das Sie anderen vorwerfen. Dass wir mitziehen, können Sie von uns nur erwarten, wenn Sie alle Daten einbeziehen, die das Verhältnis zwischen den Ländern und das Verhältnis zwischen Bund und Ländern betreffen. Ansonsten werden wir alle miteinander von außen ausgezählt. Daran haben wir kein Interesse.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Herr Finanzminister, bevor ich Ihnen für die Antwort das Wort erteile, will ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie Ihren ersten regulären Redebeitrag und die Antwort auf die erste Kurzintervention jeweils um eine Minute überzogen haben. Ich möchte, dass Sie das wissen. Diese Redezeit stelle ich den Fraktionen gleich auch noch einmal zur Verfügung, weil wir in der Haushaltsplanberatung sind. – Bitte schön.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Dr. Optendrenk, die Aussage zu den sieben Umsatzsteuerpunkten ist ein Déjà-vu für mich. Diese Runde machen wir jedes Mal, wenn wir mit Wolfgang Schäuble an einem Tisch sitzen. Das Schöne ist, er verkauft sie mindestens zwei Mal.

Die sieben Umsatzsteuerpunkte werden als erstes als Begründung dafür herangezogen, dass der Bund den Soli behalten darf. Das haben Sie damit schon einmal ausgeschlossen; denn man kann sieben Punkte nicht einmal so und einmal so verteilen. Als Zweites erklärt er, die sieben Umsatzsteuerpunkte dienten dazu, die anderen aus der Umsatzsteuer fördern zu können. Diese doppelte Argumentation habe ich ihm letztens genauso vorgehalten.

Dann allerdings sollten wir es rückgängig machen. Denn wenn es diesen Zusammenhang gäbe und wir, wie Sie sagen, 2,6 Milliarden € bekommen und 2,4 Milliarden € bezahlen müssen, wird uns ungefähr das, was uns gegeben worden ist, voll entzogen, um es den anderen Ländern zuzuleiten. Ich möchte die anderen Länder einmal sehen, wenn der Bund die sieben Punkte zurücknähme, wir bei plus/minus null auskämen und der ganze Rest bei den ostdeutschen Ländern und den finanzschwachen Ländern fehlen würde. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist wirklich genau das, was schiefläuft und wo ich die Solidarität erwarte. Es wird so getan, als wäre uns etwas gegeben worden, was einigen Ländern vollständig wieder abgeknüpft und anderen gegeben wird. Von denen sagen Sie: Seht einmal, das sind diejenigen, die den Haushalt ausgleichen. – Ich bin für eine gemeinsame Zahlenbasis, aber nicht für diese Rechenkunststücke, die Sie die ganze Zeit anzuwenden versuchen.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Finanzminister. Es ist diesmal fast eine Punktlandung. – Alle Fraktionen bekommen 1:30 Minuten Redezeit zusätzlich, wenn sie möchten. – Ich habe eine Wortmeldung von Herrn Kollegen Mostofizadeh von Bündnis 90/Die Grünen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ziemlich erzürnt über das, was Herr Dr. Optendrenk eben getan hat. Herr Dr. Optendrenk hat – das hat der Finanzminister richtig dargestellt – das Geschäft des Bundesfinanzministers gemacht und die Position der Länder im Landtag noch einmal verschlechtert.

Ich könnte Ihnen noch einige Modellrechnungen bringen. Sie kennen die mindestens genauso gut wie ich. Wir streiten uns im Moment darüber, dass uns der Bund um 5 Milliarden € bei der Eingliederungshilfe und um diese sieben Umsatzsteuerpunkte über den Tisch ziehen will und dass er auch noch die Länder untereinander bei der Frage der Übertragung der KdU und der Eingliederungshilfe ausspielen will. Das Sie sich dann auf die Seite des Bundesfinanzministers stellen, ist unabhängig von der Frage, welches Trikot wir hier im Landtag anhaben, ungeheuerlich, lieber Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin in dieser Frage bestimmt kein Kind von Traurigkeit. Normalerweise hätte ich es beim Zwischenruf belassen. Aber das geht so nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn Sie dieses Land ernsthaft nach vorne bringen wollen, dann müssen Sie für die Interessen der Länder kämpfen und nicht die Politik des Bundesfinanzministers im Landtag zulasten unseres Landes vortragen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Es gibt eine weitere Wortmeldung für die CDU-Fraktion. Herr Dr. Optendrenk!

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon wenn man versucht, sich einen vollständigen Überblick über die Zahlen zu verschaffen und die Zahlen zu befragen, bekommt man den Vorwurf, man mache das Geschäft anderer. Ich finde das schon erstaunlich.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Weitere Zurufe)

Wenn es richtig ist, was der Kollege Mostofizadeh eben gesagt hat, dann fühlt er sich offensichtlich ertappt. Wenn er sich nicht dabei ertappt fühlte, dass die Zahlen, die die Regierung dem Parlament bisher vorgelegt hat, nicht vollständig sind, dann würde er sich hier nicht permanent so aufführen.

(Unruhe)

Herr Minister, wir haben Ihnen das hier im Plenum gesagt. Wir haben es im Ausschuss gesagt. Ich wiederhole es noch einmal:

(Unruhe)

Wir wollen auf der Basis klarer vollständiger Zahlen gerne an allen Stellen, wo es redlicherweise im Interesse des Landes ist, gemeinsam mit Ihnen für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen daran mitarbeiten und dafür kämpfen. Aber wir sind nicht die Erfüllungsgehilfen von Zahlentricksern und Kommunikationstheoretikern.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Das geht nicht.

(Zuruf)

Herr Mostofizadeh, deshalb bitte ich Sie herzlich, noch einmal zu überlegen, ob Sie solche Vorwürfe wirklich in den Raum stellen.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Witzel noch einmal gemeldet.

Ralf Witzel (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gerade viel über interessengeleitete Politik gesprochen worden. Ich stehe nicht im Verdacht, alles zu verteidigen, was Herr Schäuble macht. Aber ein Mechanismus ist auffällig.

Wenn wir uns über unterschiedliche Philosophien zwischen den Fraktionen im Umgang mit dem Haushalt unterhalten, gibt es welche, die man auf der rot-grünen Seite findet und die in dem Ruf gipfeln: Der Bund muss mehr bezahlen. Immer, wenn es gute Argumente dafür gibt, auch einmal Belastungen für die Bürger auf Bundesebene abzubauen, zum Beispiel bei der kalten Progression oder im Zusammenhang mit dem Soli, rufen Sie: Das Geld können wir gebrauchen, gebt es doch uns! Wir als Länder stecken es uns ein!

Denn das ist die gleiche Philosophie, die Sie auch praktizieren. Sie haben ja gerade die Verdoppelung der Grunderwerbsteuer vor, zu der wir gleich noch kommen. Das ist immer Ihre Haltung: Wenn etwas, was befristet war – irgendwann gab es für irgendeine Steuer oder Abgabe einen Sachgrund –, ausläuft, wollen Sie es sich nachher zum Vorteil der Länderfinanzen einstecken. Das führt zur Mehrbelastung von Unternehmen und Bürgern, und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Witzel. – Weitere Wortmeldungen sind nicht angezeigt. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der zweiten von drei Lesungen. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Einzelabstimmung am Ende der zweiten Lesung und noch nicht um die Schlussabstimmung.

Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/7180, den Gesetzentwurf Drucksache 16/6700 unverändert anzunehmen. Da kein Antrag auf Einzelabstimmung gestellt wurde, kann die Abstimmung über alle Einzelbestimmungen einschließlich Einleitung und Überschrift gemeinsam erfolgen. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs gemäß der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU-Fraktion, FDP-Fraktion und die Piratenfraktion. Der fraktionslose Abgeordnete Stein ist nicht anwesend. Wer möchte sich enthalten? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/6700 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis in zweiter Lesung unverändert angenommen.

Die dritte Lesung ist für morgen, Donnerstag, 6. November, als Tagesordnungspunkt 14 vorgesehen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt 5 aufrufe, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Sie darüber informieren, dass sich die Parlamentarische Geschäftsführerin und Parlamentarischen Geschäftsführer zwischenzeitlich darauf verständigt haben, dass der Freitag als Plenartag ausfällt und die Tagesordnungspunkte von Freitag entweder auf das Dezember-Plenum – ein anderes Beratungsverfahren ist verabredet worden – oder auf den morgigen Tag verlagert werden. Ich werde gleich im Detail etwas dazu sagen.

Das heißt, der heutige Tag läuft so ab, wie er Ihnen bekannt ist und in der aktuellen Tagesordnung vorliegt – ohne Änderung.

Im Netz befindet sich bereits die geänderte Tagesordnung für morgen. Sie wird auch gleich verteilt oder ist schon verteilt.

Das heißt, wir haben die ursprünglichen Tagesordnungspunkte 2, 3 und 6 von Freitag – TOP 2 „Bedarfsgerechte Finanzierung des SPNV sicherstellen“, TOP 3 „Stichwort: Eikonal“ und TOP 6 „NRW dankt den Kirchen“ – auf Dezember verschoben.

Neu in die Tagesordnung aufgenommen wird am morgigen Tag ein Tagesordnungspunkt 17 „Verfassungsrechtliche Prüfung“. Hierzu erwarten wir noch eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, der morgen vor dem Plenum in einer Sondersitzung tagt. Das ist dem Ausschuss und der Parlamentarischen Geschäftsführerin und den Parlamentarischen Geschäftsführern bekannt.

Die Tagesordnung für den morgigen Donnerstag ändert sich insofern, als die Tagesordnungspunkte untereinander ein wenig verschoben worden sind:

Auf jeden Fall werden wir vor Eintritt in die Tagesordnung meine Erklärung aus Anlass des Mauerfalls in Berlin am 9. November hören, die ursprünglich für Freitag vorgesehen war.

Unter TOP 3 wird der Antrag der Fraktion der CDU „25 Jahre nach dem Fall der Mauer“ debattiert.

TOP 16 „Novellierung statt Evaluierung“, Antrag der Fraktion der CDU, TOP 18 „Den Rohstoff Braunkohle auch über das Jahr 2030 hinaus anerkennen“, Antrag der Fraktion der CDU, und TOP 19 „Gut lesbare Handschrift der Kinder am Ende der Grundschulzeit sicherstellen“ werden in die Tagesordnung aufgenommen. Die beiden letzten Punkte werden ohne Debatte im Plenum behandelt, damit sie zur abschließenden Beratung ins Plenum zurückkommen können.

Diese Änderungen sind, wie gesagt, bereits im Netz nachlesbar und werden verteilt. Ich frage formal, ob jemand dieser Änderung der Tagesordnung für den morgigen Tag während der laufenden Sitzung widersprechen möchte. – Das ist erkennbar nicht der Fall. Dann haben wir das formal korrekt gehandhabt.

Ich rufe auf:

5   Gesetz zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6688

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/7179

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Gebhard das Wort.

Heike Gebhard (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es gilt heute, die Anpassung der Besoldung für Beamtinnen und Beamten der Kommunen und des Landes Nordrhein-Westfalens für die Jahre 2013 und 2014 abschließend zu beraten. Dabei ist die Ausgangslage im Vergleich zum Sommer 2013 eine völlig andere.

Erinnern wir uns: Seinerzeit argumentierten Kritiker des Besoldungsanpassungsgesetzes, dieses Gesetz sei bereits deshalb verfassungswidrig, weil unzureichend begründet.

Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 2014 hat diesbezüglich für einige Klarstellungen gesorgt. Das Verfassungsgericht hat sehr wohl unterschieden zwischen der Begründung der Landesregierung einerseits und der des Gesetzgebers, also des Parlaments, andererseits. Da wir eine Änderung der Begründung bei nichtmateriellen Änderungen des Gesetzes selbst nicht vornehmen können, haben wir seinerzeit unsere Begründung im Entschließungsantrag Drucksache 16/3518 niedergelegt. Die darin enthaltenen Erkenntnisse, die wir bei unseren intensiven Beratungen, Frau Güler, gewonnen haben, will ich ausdrücklich mit einbeziehen.

Das betrifft insbesondere die gebotene prozedurale Überprüfung im Rahmen der Besoldungsanpassung, die Herleitung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie die Begründung für eine soziale Staffelung.

Das Verfassungsgericht hat – das ist im Hinblick auf die letztjährige Diskussion von großer Bedeutung – insbesondere klargestellt, dass erstens eine Eins-zu-Eins-Anpassung nicht zwingend geboten ist, zweitens eine Staffelung zulässig ist und drittens auch das zweite Verfassungsgebot – nämlich die Einhaltung der Schuldenbremse – ein zu berücksichtigendes Gut ist. Letzteres kann natürlich nicht bedeuten, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – insbesondere die Beamtinnen und Beamten – diejenigen sind, die alleine für die Einhaltung der Schuldenbremse Sorge zu tragen haben. Gleichwohl kann man bei den notwendigen Sparanstrengungen an einem Ausgabenblock des Landes von fast 43 % des Gesamthaushaltes nicht vollends vorbeigehen.

In unserem Entschließungsantrag vom Juli 2013 sind wir insbesondere auf die Sparanstrengungen außerhalb des Personalbereichs eingegangen. Wie Sie wissen, haben wir uns vorgenommen, bis 2017 1 Milliarde € strukturell einzusparen – wohl gemerkt vom Ausgangspunkt 2012 aus. Insofern bedeutet jede Besoldungsanpassung und Tariferhöhung, die vorgenommen wird, dass sich das Einsparvolumen um eben diesen Betrag erhöht. Die Regelung, die nun getroffen worden ist, bedeutet also, dass nicht 1,7 Milliarden € einzusparen sind, sondern „nur“ – ich setze das in Anführungszeichen – 1,4 Milliarden €. Weil dies so ist, sind wir dankbar, dass die Gewerkschaften und Berufsverbände bereit waren, dazu beizutragen, eben diesen Anstieg durch Besoldungsanpassung und Tariferhöhung nicht zu hoch ausfallen zu lassen.

Darüber hinaus hat das Verfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Sprünge – ich will absichtlich nicht allzu juristisch-technisch formulieren – zwischen den einzelnen Besoldungsstufen nicht zu groß ausfallen dürfen. Es war seinerzeit eine bewusste politische Entscheidung, den Beamtinnen und Beamten in den unteren Besoldungsstufen bis A10 eine Eins-zu-Eins-Anpassung zu gewähren. In der breiten Öffentlichkeit wird diese Gruppe der Beamtenschaft – wie beispielsweise Justizvollzugsbeamte – in der Regel wenig wahrgenommen; aber an einer Eins-zu-Eins-Anpassung für diesen Personenkreis halten wir nach wie vor fest.

Im Lichte der dargestellten Entscheidung des Landesverfassungsgerichts haben sich Landesregierung, Gewerkschaften und Berufsverbände zusammengesetzt. Ich möchte mich bei diesen ausdrücklich für die offenbar konstruktiven Gespräche bedanken, die zu dem uns heute vorliegenden Ergebnis geführt haben.

Einigkeit bestand auch dahingehend, dass Beamtinnen und Beamte auf kommunaler wie auf Landesebene am Ende gleichviel im Portemonnaie haben sollten. Deshalb sieht der Gesetzentwurf für alle Beamtinnen und Beamten ab A11 neben den Festbeträgen ein Plus von 1,3 % vor, wobei in der Begründung des Gesetzes dargestellt wird, dass für die Altersvorsorge der Landesbeamtinnen und -beamten dem Versorgungsfonds zusätzlich 0,2 % zugeführt werden.

Der Einwurf der kommunalen Spitzenverbände, ihre davon abweichende Rechtslage bezüglich der Absicherung der Altersversorgung explizit in die Begründung aufzunehmen, kann als obsolet betrachtet werden, da in der Gesetzesbegründung insbesondere auf den § 14 a Abs. 2 Satz 1 des übergeleiteten Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen verwiesen wird, womit sich der vermutete rechtstechnische Mangel auflöst.

Dass Gewerkschaften und Berufsverbände in Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder natürlich lieber eine Eins-zu-Eins-Anpassung gehabt hätten, ist nicht nur legitim, sondern dies erwarte ich als Gewerkschaftsmitglied auch selbst. Dass sie – im Kontext der Vereinbarungen für die Jahre 2013 und 2014 – darüber hinaus auch keine Vorfestlegungen für die Zukunft treffen wollten, ist – da wir alle nicht wissen, wie die Tarifverhandlungen für die Tarifbeschäftigen 2015 laufen werden – ebenfalls verständlich. Umso wichtiger ist die Zusage, dass sie Klagen ihrer Mitglieder gegen das nun vorliegende Gesetz nicht unterstützen werden. Dieses enthebt uns als Gesetzgeber aber nicht, gleichwohl zu prüfen, ob das Abstandsgebot gewahrt ist.

Schauen wir uns das also im Einzelnen an: Wenn man die Besoldungsabstände zwischen den einzelnen Besoldungsstufen von A11 bis A15 vergleicht – damit also die größte Gruppe der Beamtinnen und Beamten im Lande erfasst –, ist festzustellen, dass der Abstand zwischen den einzelnen Gruppen fast unverändert bleibt. Bewegte er sich im Jahre 2012 zwischen 2.655 € und 4.315 €, so werden es nun nach der Besoldungsanpassung zwischen 2.673 € und 4.390 € sein. Dabei verringert sich der Vorsprung der Beamtinnen und Beamten auf die vergleichbar Tarifbeschäftigten leicht.

Vergleicht man die Jahresnettobezüge inklusive Weihnachtsgeld zwischen Beamten und Tarifbeschäftigten – auch das ist ein Petitum, was unbedingt vorzunehmen ist; in diesem Fall nehme ich die Gruppe der Verheirateten mit zwei Kindern –, so liegt der Beamte in A11 auch nach der Besoldungsanpassung um 605 € über dem Tarifbeschäftigten in E11. Bis zur Besoldungsgruppe A15 wächst der Abstand zwischen den Beamten und Tarifbeschäftigten auf 6.716 € auf.

Es bleibt also festzustellen, dass das Abstandsgebot zwischen den einzelnen Besoldungsstufen gewahrt bleibt und dass das heute zu verabschiedende Änderungsgesetz einen kleinen – ich betone: einen kleinen – Beitrag zur Schließung der Gerechtigkeitslücke zwischen Beamtinnen und Beamten sowie Tarifbeschäftigten leistet.

Dem Kompromiss nicht beigetreten sind die Verbände der Richterinnen und Richter. Sie gehen davon aus, dass bereits seit dem Jahre 2003 eine Unteralimentation vorliegt. Eine Zustimmung wäre ihnen nur möglich, wenn es einen Zuschlag von ca. 20 % gäbe. Dieses leiten sie aus der bundesweiten wirtschaftlichen Entwicklung seit 1983 ab. Hintergrund sei, dass der Gesetzgeber – das heißt der Bund bis 2006 – danach das Land – in den letzten 30 Jahren in den allermeisten Fällen bei der Besoldungsanpassung hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeblieben sei.

Jemand, der sich die Zahlen seit 1983 einmal exakt im Detail anschaut, kann unschwer feststellen, dass in der Tat 16-mal – in 16 von 30 Jahren – die Gehälter über der Besoldung lagen; aber 14-mal lag die Besoldung über der Anpassung der Gehälter. Von einer Schlechterstellung in den allermeisten Jahren kann also nicht die Rede sein.

Bemerkenswert ist auch, dass die Richterinnen und Richter nicht NRW, nicht einmal Westdeutschland inklusive Berlin zum Maßstab der wirtschaftlichen Entwicklung nehmen, sondern die gesamte Bundesrepublik Deutschland.

Wie wir alle wissen – wenn wir den Zeitraum seit 1983 betrachten –, gab es 1989 ein historisch bedeutsames Ereignis, nämlich die Wiedervereinigung. Niemand wird bestreiten, dass es im Zuge des Zusammenwachsens Deutschlands sinnvoll war, die Gehälter in den ostdeutschen Bundesländern in größeren Sprüngen an die Gehälter in den westdeutschen Bundesländern anzupassen. Diese Sprünge aber zum Maßstab für die Gehaltsentwicklung im Westen zu machen, ist schlicht unanständig.

Methodisch falsch ist es darüber hinaus, wenn man – nur so erklären sich die Forderungen nach fast 20 % oder mehr – nicht die Gehaltsentwicklung eines einzelnen Beamten zugrunde legt, sondern die Steigerung der Summe aller Gehälter, unabhängig von der Beschäftigungszahl, unabhängig von der Arbeitslosenquote. Betrachtet man nämlich die westdeutsche Gehaltssteigerung, also inklusive Berlin-West, so ist festzustellen, dass sich 1.000 € im Jahr 1983 im Jahr 2013 zu 1.823,75 € entwickelt haben.

Vergleichen wir diese Gesamtentwicklung im Westen mit der speziell in Nordrhein-Westfalen, so ist festzustellen, dass bezogen auf die Besoldungsstufe A10 in der Stufe 4 aus 1.000 € im Jahr 1983 1.809 € im Jahr 2013 geworden sind. NRW liegt damit gerade mal um 0,8 % hinter der allgemeinen Entwicklung.

Bezogen auf die Besoldungsstufe A13 – Endstufe – wurden aus 1.000 € im Jahr 1983 1.791 € im Jahr 2013. NRW liegt damit in der Tat hinter der Entwicklung, aber auch nur um 1,8 %.

Und bei der Besoldungsstufe R1 – Eingangsstufe 4 –, die Besoldungsstufe für die Richter, liegt eine Entwicklung von 1.000 € im Jahr 1983 auf 1.765 € im Jahr 2013 vor.

NRW bleibt also entsprechend, um das ganz transparent zu machen, um 3,2 % hinter der allgemeinen Entwicklung zurück und ist somit weit entfernt von einer Abkopplung in zweistelligen Größenordnungen.

Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass bis 2006 der Bund zuständig war und erst danach die Länder im Rahmen der Föderalismusreform I wieder die Hoheit über die Besoldungserhöhungen haben, um sie in ihrer Organisation- und Personalhoheit zu stärken – so damals der Bundesgesetzgeber. Daher hat der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass zukünftig Abweichungen in der Besoldung zwischen den Ländern strukturimmanent sind.

Ich stelle abschließend fest, dass ich für meine Fraktion in Anspruch nehme, dass wir uns auch bei diesem Gesetzentwurf sehr genau angeschaut haben, anknüpfend an die Beratungen im letzten Sommer, dass die althergebrachten Grundsätze des Beamtentums beachtet werden, insbesondere die gesamtwirtschaftliche Entwicklung berücksichtigt und das Abstandsgebot gewahrt wird. Wir werden daher diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Gebhard. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Lohn.

Werner Lohn (CDU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich für die CDU-Fraktion feststellen, dass wir es ausdrücklich begrüßen, dass dieses Gesetz heute dazu führt, dass die Beamten eine halbwegs passable Gehaltserhöhung bekommen. Es ist auch nicht verwunderlich, denn schließlich haben wir daran zu einem großen Teil mitgewirkt. Denn möglich wurde diese Gehaltserhöhung eigentlich nur, weil CDU-, FDP-Abgeordnete und auch einige Piraten bzw. Ex-Piraten erfolgreich vor dem Verfassungsgericht gegen Ihr verkorkstes Ursprungsgesetz geklagt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Gebhard, ich habe die ganze Zeit versucht, Ihnen zuzuhören, obwohl es mir schwergefallen ist. Sie versuchen wortreich davon abzulenken, dass dieses Urteil am 1. Juli natürlich einiges klargestellt hat, aber in erster Linie hat das Gericht klargestellt, dass es so, wie Ihre Regierung, wie Ihre Ministerpräsidentin und auch Ihr Finanzminister mit den Beamtinnen und Beamten umgegangen ist, nicht geht. Das war schlicht und einfach verfassungswidrig. Das war eine richtige Klatsche für Sie.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit keinem einzigen Wort, Frau Gebhard, sind Sie auf den Wortbruch des Finanzministers und der Ministerpräsidentin eingegangen, der der ganzen Geschichte zugrunde liegt.

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Letztendlich war es so, dass beide, die Ministerpräsidentin als auch der Finanzminister, mehrfach schriftlich, mündlich und auch sonst wie versprochen haben, dass es keine weiteren Sonderopfer für die Beamten geben soll. Dann kam es Mitte März 2013 zu einem Nacht- und Nebelkabinettsbeschluss. Da wurde bastamäßig beschlossen, das Tarifergebnis eben nicht, wie versprochen, eins zu eins auf die Beamten umzusetzen. Von diesem Zeitpunkt an waren alle Wahlversprechen von Frau Kraft gebrochen und über Bord geworfen.

Das war auch eine Trendwende in der Wahrnehmung von Frau Kraft. Denn seit dem Frühjahr 2013 sind eklatanter Wortbruch, verfassungswidrige Haushalte, hoffnungsloses Schuldenmachen zum Markenzeichen der Ministerpräsidentin geworden.

Die Abgeordneten der SPD und Grünen wurden übrigens auch mit keinem einzigen Wort an diesem Kabinettsbeschluss beteiligt. Sie waren genauso überrascht und überrumpelt, wie wir und die Beamten das waren.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, fehlende Gespräche, der fehlende Wille, die damals allesamt ablehnenden Expertenmeinungen ernst zu nehmen, führten zu einem völlig verkorksten und verfassungswidrigen Beamtenbesoldungsgesetz.

Die Ministerpräsidentin hat seitdem bei den ca. 280.000 Beamtinnen und Beamten viel Vertrauen verspielt, ebenso bei deren Familien und auch bei den Bürgerinnen und Bürgern im Land. Denn letztendlich fragt sich jeder: Wann werde ich Opfer von dieser willkürlichen Politik? Der Lack der sympathischen Landesmutter ist seit Anfang 2013 erheblich angekratzt.

Nach ihrem Wort- und Verfassungsbruch wird die Landesregierung nur noch von der selbstgemachten Schuldenkrise, verfassungswidrigen Haushalten in Serie und immer neuen Skandalen um den Noch-Innenminister Jäger getrieben. An Frau Kraft, die leider nicht da ist: Wenn Sie nicht endlich beherzt gegensteuern, sich vom Schuldenmachen, unhaltbaren Ministern trennen, dann werden Sie selbst als Ministerpräsidentin und auch der Finanzminister zu einer Belastung für unser Land.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben ein schönes Land Nordrhein-Westfalen. Wir können allerdings die Herausforderungen und Belastungen der Zukunft nur mit einem leistungsfähigen und motivierten öffentlichen Dienst meistern.

Die Beamtinnen und Beamten – das kann ich Ihnen versichern – sind dazu bereit. Es gibt aber eine Bedingung: Man muss sie anständig behandeln, verfassungskonform bezahlen und mit ihnen freiwillig auf Augenhöhe sprechen. Das alles haben Sie sträflich vernachlässigt.

(Beifall von der CDU)

Es kam dann zu den erzwungenen Gesprächen und der Einigung vom 22. August. Deren Inhalte diskutieren wir heute in Form des vorgelegten Änderungsgesetzes. Mit diesem Änderungsgesetz hätte ein erster Schritt in die richtige Richtung, nämlich in Richtung Zukunftsfähigkeit unseres öffentlichen Dienstes, gemacht werden können und auch gemacht werden müssen. Leider wird dieses Gesetz dem Anspruch in keiner Weise gerecht.

Ich möchte nur einige wesentliche Kritikpunkte nennen, die sich aus der Expertenanhörung vom 21. Oktober ergeben. – Weder der Gesetzestext noch die Begründung enthalten ein grundsätzliches Wort oder eine Begründung zur Höhe der Mindestalimentation für Beamte. Angesichts des bevorstehenden Verfassungsgerichtsurteils – die mündliche Verhandlung ist für den 3. Dezember angesetzt – hätte man das nicht nur erwarten dürfen, sondern auch verlangen müssen. Sie laufen somit Gefahr, dass dieses Gesetz schon in kurzer Zeit wieder als verfassungswidrig eingestuft werden muss.

In der Expertenanhörung wurde weiterhin deutlich, dass die Landesregierung die Beamten in den Gesprächen, aber auch durch Regierungshandeln weiterhin in erster Linie als Kostenfaktor ansieht. Aus unserer Sicht sind die Beamtinnen und Beamten in erster Linie Leistungsträger für einen funktionierenden Staat, die man auch vernünftig bezahlen muss. Der Ehrlichkeit halber sei hinzugefügt: Auch unter einer CDU-Regierung würde das nicht zwingend heißen, dass alle Tarifabschlüsse immer eins zu eins umgesetzt würden.

Damit sind wir beim Thema „Geld“. Das Änderungsgesetz wäre eine gute Gelegenheit für die Landesregierung gewesen, endlich ihre finanziellen Versprechungen einzuhalten, auf die die Beamten nun schon seit vier Jahren, also seit 2010, warten. Die von SPD und Grünen wiederholt versprochene Ruhegehaltsfähigkeit der Polizei- und Feuerwehrzulage kommt immer noch nicht. Ebenso wenig erfolgt die Einarbeitung der Sonderzahlung, also des ehemaligen bis auf 30 % gekürzten Weihnachtsgeldes, in die Gehaltstabelle.

Selbst wenn es nicht um Geld geht, hat die Landesregierung nach vier Jahren nichts Konkretes vorzuweisen. Im Wettbewerb um die besten Köpfe kann unser Land nur bestehen, wenn Wertschätzung, Anerkennung, Leistungsanreize, flexibler Wechsel in den und aus dem öffentlichen Dienst, Durchlässigkeit von Laufbahnen und gerechte Besoldung auch im Ländervergleich das Regierungshandeln bestimmen. Leider komplett Fehlanzeige!

Die seit vier Jahren angekündigte große Dienstrechtsreform wird von SPD und Grünen immer wieder verschoben. Ich bin gespannt, ob sie 2016 wirklich kommt. Die Zweifel daran sind berechtigt. Denn der heute schon oft zitierte Innenminister Jäger hat in der letzten Innenausschusssitzung einen deutlichen Rückzieher gemacht. Er behauptete tatsächlich, er habe noch nie von einer großen Dienstrechtsreform gesprochen. Das lässt nichts Gutes erahnen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Gesprächsklima zwischen Frau Kraft und den Gewerkschaften war von Anfang an belastet. Der Wortbruch ist natürlich bis heute nicht vergessen, und die von Frau Kraft geäußerten massiven Drohungen, Versorgungsempfänger auszunehmen, die Beihilfe zu kürzen oder Arbeitszeiten zu verlängern, gingen einher mit der Forderung, den Gewerkschaften bis zur Landtagswahl 2017 einen Maulkorb zu verpassen.

Frau Gebhard hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Gewerkschaften das nicht mit sich machen lassen können. Frau Kraft hat es dennoch versucht. Frau Kraft, welches Verständnis von Gewerkschaftsarbeit haben Sie eigentlich?

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Diese Geringschätzung der Ministerpräsidentin führt unter anderem dazu, dass der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Herr Lehmann, die Situation, wie sie sich heute darstellt, ziemlich zutreffend beschreibt. Ich zitiere:

„In der Anhörung der Sachverständigen am 21.10.2014 wurde die anhaltende Unzufriedenheit der Beamtinnen und Beamten des Landes deutlich. Die Richterverbände legten dar, dass auch die Neufassung verfassungswidrig sei.“

Nachdem er den Kompromiss im weiteren Verlauf doch noch als tragfähig bezeichnet hat, führte er anschließend aus – und das halte ich für ganz besonders fatal; Zitat –, „dass junge Menschen im Rahmen ihrer Berufswahl einen Bogen um den öffentlichen Dienst“ – ich ergänze: in NRW – „machen werden, wenn Ansehen des Berufs und die Bezahlung nicht deutlich steigen“.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist auch nach dem Urteil bzw. nach der Vorlage des Änderungsgesetzes vernichtende Kritik in Sachen Zukunftsfähigkeit Ihrer Politik.

Herr Kollege Optendrenk wird gleich auf zwei Punkte hinweisen, die die Kommunalbeamten betreffen, sowie auf die geplanten Kürzungen von jeweils 160 Millionen € pro Jahr eingehen.

Ich kann Ihnen sagen: Zustimmung können Sie nicht erwarten. Wir werden uns enthalten, weil wir der Gehaltsanpassung für die Beamtinnen und Beamten nicht widersprechen wollen. Denn wir haben stark darauf hingearbeitet und dafür gekämpft, und das war, glaube ich, auch gut so. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lohn. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Lohn hat jetzt gut zehn Minuten Herummäkelei an dem Gesetzentwurf betrieben, um am Ende zu sagen, dass sich die CDU enthalten wird, weil sie für diesen Gesetzentwurf gekämpft hat. Das ist schon eine ganz spezielle Logik des Kollegen.

(Zuruf von der CDU)

Ich möchte ein paar Punkte klarstellen.

Erstens. Die Kollegin Gebhard hat eine intensive und sorgfältige Abwägung des Gesetzentwurfes betrieben. Das hat sie nicht aus Spaß gemacht, sondern weil es notwendig ist. Ich möchte an dieser Stelle auch deutlich sagen, dass die grüne Fraktion diesen Abwägungsprozess teilt. Wir machen uns den notwendigen Abwägungsprozess im Gesetzentwurf ausdrücklich zu eigen, um auch deutlich zu machen, dass wir uns sehr wohl intensiv mit der Frage auseinandergesetzt haben, die auch in der Anhörung eine Rolle spielt.

Erstens geht es darum, ob das Abstandsgebot gewahrt ist.

Zweitens geht es darum, ob die prozeduralen Abwägungsprozesse eingehalten worden sind. Herr Hartmann und Herr Droege stimmen dem ausdrücklich zu. Sie sagen, die Stufen seien verfassungskonform ausgelegt. Es seien nicht mehr die Sprünge des ursprünglichen Gesetzentwurfes vorhanden.

Ich möchte jetzt zum Wesentlichen kommen, weil Herr Kollege Lohn so sehr auf den Umgang abgestellt hat.

Präsidentin Carina Gödecke: Bevor Sie zum Wesentlichen kommen, darf ich Sie kurz unterbrechen. Herr Kollege Lohn würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte.

Werner Lohn (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Sie haben gerade die Sachverständigen Prof. Hartmann und Prof. Droege genannt. Gehe ich recht in der Annahme, dass beide Professoren schon entweder im Auftrag der Landesregierung oder im Auftrag der SPD-Fraktion gearbeitet haben und dass es deshalb nicht verwunderlich ist, dass sie Ihren Gesetzentwurf gut finden?

(Beifall von der CDU)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Mir ist nicht bekannt, welcher der beiden Sachverständigen schon einmal für die SPD gearbeitet hat. Das mögen Ihnen die Kolleginnen und Kollegen von der SPD beantworten.

Mir ist sehr wohl bekannt, dass Herr Prof. Hartmann den Landtag bei der Klage vor dem Verfassungsgericht und Herr Prof. Droege die Landesregierung vor dem Verfassungsgericht vertreten hat. Das ist zutreffend. Wenn Sie daraus ableiten wollen, dass sie für immer und ewig inhaltlich mit der Landesregierung oder dem Landtag verbunden sind, mag das Ihre Art und Weise der Auslegung sein.

Ich möchte nur Folgendes hinzufügen: Herr Prof. Oebbecke – er war mehrfach für Sie tätig – hat zum Beispiel in der Anhörung im Hauptausschuss zu den Transparenzregeln ausgeführt, dass das Schulministerium in Nordrhein-Westfalen zwischen 2005 und 2010 quasi unbesetzt war. Wenn Sie also davon ausgehen, dass Herr Prof. Oebbecke immer Ihre Meinung vertritt, weil er einmal für Sie gearbeitet hat, dann mag das so sein. Ich glaube, in dem Fall hat das etwas anders geklungen. Und wenn Sie meinen, dass Herr Prof. Hartmann und Herr Prof. Droege – das wollten Sie schließlich mit Ihrer Zwischenbemerkung insinuieren – nicht unabhängig sind, sondern nur nach der Pfeife der Landesregierung tanzen, dann mögen Sie bitte die beiden Kollegen anrufen und ihnen dies mitteilen. Ich gehe nicht davon aus, dass die beiden Herren gekauft wurden, um es einmal deutlich zu sagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist auch ungefähr der Stil, den ich von Herrn Lohn gewohnt bin.

(Werner Lohn [CDU]: Na, na, na!)

Sie haben auch den Angriff gegen Frau Kraft kraftvoll vom Blatt abgelesen. Sie bereiten sich immer nur rudimentär auf die Sitzungen vor und stellen Fragen, die in den Vorlagen bereits beantwortet sind.

(Zurufe von der CDU)

Deswegen komme ich zurück zu meinem Lob an die Gewerkschaften und die Landesregierung. Vor einem Jahr haben Sie den Umgang zwischen Landesregierung und Gewerkschaften bemängelt. Dies – das räume ich ein – taten Sie möglicherweise zu Recht. Nur, jetzt müssen Sie sich vor Augen führen, dass alle Gewerkschaftsvertreter auch in der Anhörung eindeutig das Ergebnis vom 22. August nicht nur vom Inhalt her, sondern insbesondere auch vom Umgang her gelobt haben. Unter anderem – ich könnte jetzt mehrere Zitate bringen – hat Herr Plickert von der Gewerkschaft der Polizei, der nicht gerade zurückhaltend ist, was die Bewertung der Landesregierung anbetrifft, gesagt, dass es Gespräche auf Augenhöhe gewesen seien. Er hat wörtlich gesagt:

„… dass diese Gespräche wieder auf Augenhöhe stattgefunden haben. Die Atmosphäre war so, dass beide Seiten deutlich zu verstehen gegeben haben, dass wir zu einem Ergebnis kommen wollen.“

Dass Gewerkschafter wie auch die Landesregierung in Verhandlungen möglichst gute Ergebnisse erzielen wollen, ist nicht verwunderlich. Und dass sie hart um den Kompromiss gerungen haben, ist auch Fakt.

Ich kann für meine Fraktion sagen, dass wir diesen Gesetzentwurf ausdrücklich loben. Er ist ausgewogen und beinhaltet abgesehen von den zeitlichen Verschiebungen eine strukturelle Einsparung von 220 Millionen €; das ist im Gesetzentwurf auch dargelegt worden.

Herr Kollege Lohn – das braucht uns Herr Optendrenk gar nicht vorzurechnen; denn das ist Teil des Gesetzentwurfs für 2015 –, dass im Einzelplan 20 von den notwendigen 483 Millionen € bereits 160 Millionen € weniger zur Verfügung gestellt worden sind, kann ein Kind durch schlichten Dreisatz ausrechnen. Das hat der Finanzminister auch nicht versteckt, sondern ganz offen und transparent in den Ausschussbesprechungen und in seiner Einbringungsrede zum Haushalt 2015 angesprochen. Dafür brauchen wir keine Scheindetektive aus der CDU-Fraktion.

Es ist auch relativ offensichtlich, was Sie hier machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Bei jedem Wortbeitrag geht es jetzt darum, erstens die Haushaltspolitik des Landes zu bekämpfen und zweitens Herrn Innenmister Jäger zum Thema zu machen. Was Herr Innenminister Jäger ganz originär mit diesem Gesetzentwurf verbrochen hat, mögen Sie mir vielleicht einmal vortragen. Aber diese billige Taktik, die schon beim Thema „Flüchtlinge“ dazu geführt hat, dass Sie nicht bereit waren, ein eins zu eins übertragenes Ergebnis, das Ihr Fraktionsvorsitzender auf dem Flüchtlingsgipfel gefordert hat, umzusetzen, macht deutlich, dass Sie nicht an den Interessen des Landes interessiert sind, sondern aus rein parteipolitischer Taktik vorgehen.

(Zurufe von der CDU)

Ich komme zügig zum Ende. Die meiste Arbeit wird in den nächsten Tagen das Landesamt für Besoldung und Versorgung haben, weil es – das ist uns so vorgetragen worden – mehrere Hunderttausend Bescheide wird ausstellen und auch zustellen müssen. Wir danken ausdrücklich – ich bitte den Finanzminister, den Dank an die Kolleginnen und Kollegen weiterzuleiten – dafür, dass dies so geschehen kann und dass die Beschäftigten des Landes noch in diesem Jahr die erhöhten Bezüge bekommen werden.

Ich bitte um Zustimmung zu diesem ausgewogenen Gesetzentwurf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Besoldungspolitik dieser Landesregierung gilt das Motto „Hochmut kommt vor dem Fall“.

(Lachen von Reiner Priggen [GRÜNE])

Sprichwörtlich ist auch das Auftreten der Ministerpräsidentin und des Finanzministers gegenüber den Landesbeamten, das den Pirouetten einer Elefantenhorde in einem großen Porzellanlager gleicht. Die Regierung Kraft hat mit ihrem völlig unglaubwürdigen Verhalten viel Vertrauen bei den Landesbediensteten verspielt, da Taten und Worte doch so weit auseinanderfallen. In Sonntagsreden spielen Sie sich gerne als das soziale Gewissen dieser Republik auf, aber in der praktischen Politik bleiben Sie gegenüber den Beamten jeden Beweis für diese These schuldig.

Große Laufbahn- und Besoldungsgruppen gleich für mehrere Jahre von jeder Bezügeanpassung pauschal auszuschließen, verletzt das Alimentationsprinzip in verfassungswidriger Weise. Das haben auf unsere Klage hin die Münsteraner Verfassungshüter auch völlig zu Recht klargestellt.

Angesichts der dramatischen Haushaltslage kann keine Regierung in unserem Land pauschal für ewig und alle Zeiten die Eins-zu-eins-Umsetzung eines jeden Tarifabschlusses garantieren. Daher hat schon die schwarz-gelbe Vorgängerlandesregierung nach Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise und wegbrechenden Steuereinnahmen in der Folge eine Tariferhöhung oberhalb der Inflationsrate vorgenommen und dabei für zwei Monate einen Einmalbetrag von 40 € einbehalten.

Erinnern wir uns: Wir groß war damals die Empörung der Oppositionspolitikerin Hannelore Kraft? Was hat sie dazu gesagt? – Wortbruch stoppen! Tarifabschluss muss uneingeschränkt für den öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen übernommen werden! – Das hat sie alles hier im Plenum vorgetragen. Das ist in Landtagsdrucksachen und in Wortprotokollen des Plenums nachlesbar.

Wer nach dieser Inszenierung von Hannelore Kraft aus dem Jahre 2009 dann im letzten Jahr 2013 bei immer neuen Steuereinnahmerekorden, also einer völlig anderen Kulisse als der, die damals Schwarz-Gelb betraf, diese Nullrunden in Serie verhängt, der hat seine eigene Bewertungsskala so weit verschoben, dass er nicht mehr klar durchblicken kann.

Die krachende Bruchlandung der Regierung Kraft ist bekannt. Die Verfassungswidrigkeit ihrer Besoldungspolitik wird daher heute korrigiert. Das, was die Landesregierung jetzt als Erhöhungsvolumen vorlegt, dürfte den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügen.

Als konstruktive Opposition hat auch die FDP-Landtagsfraktion nie eine Eins-zu-eins-Umsetzung versprochen, aber aus Leistungsgesichtspunkten eben schon mehr als mehrere Jahre von Nullrunden hintereinander verlangt.

Was SPD und Grüne heute nach erneut verlorenem Verfassungsgerichtsverfahren beschließen und finanzieren müssen, hat sofort den Haushalt gesprengt. Da Sie in sträflicher Gleichgültigkeit seit über vier Jahren die notwendige strukturelle Sanierung des Haushalts unterlassen, ist dieser heute so knapp auf Kante genäht, dass der Münsteraner Richterspruch das blanke Chaos ausgelöst und einen bundesweiten Imageschaden bewirkt hat.

Wie hat Rot-Grün nämlich auf diese Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof reagiert? Sie haben reagiert mit pauschalen Haushaltssperren und daher auch nur noch Leitungswasser für die Gäste der Staatskanzlei. Sie haben den Ausverkauf von Kunstbeständen gestartet. Bald wird auch der zweite Schritt zur Verdoppelung der Grunderwerbsteuer kommen, der gerade Arbeitnehmern und jungen Familien die Vermögensbildung in unserem Land erschwert.

Das alles sind Panikreaktionen von Rot-Grün. Den Anspruch einer verantwortungsvollen politischen Gestaltung haben Sie damit längst aufgegeben. Vor allem aber haben Sie die Kernherausforderung für den öffentlichen Dienst nicht gelöst. Sie müssen nach einer gründlichen Aufgabenkritik umfassend Bürokratie abbauen, um Stellen einsparen zu können.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Gegenruf von Christian Lindner [FDP]: Schaffen Sie den Landtag doch ab!)

Wenn es weniger staatliche Regulierung gibt, kommt man problemlos mit weniger Stellen aus und kann ohne eine Arbeitsverdichtung die verbleibenden Staatsdiener auch leistungsgerecht und motivierend bezahlen. Die hohen Altersabgänge der nächsten Jahre ermöglichen diesen Prozess absolut sozialverträglich, und sie erfordern es auch, da Sie heute schon nicht mehr genügend Fachkräftenachwuchs ausbilden, um alle Aufgaben in allen Bereichen der Landesverwaltung weiter qualifiziert wahrzunehmen.

Entscheidend ist aber, dass eine Landesverwaltung 2.0 das Ergebnis planvoller Überlegungen ist und nicht bald das Zufallsprodukt aus Bewerbermangel und innerer Kündigung.

Wer sich wie Rot-Grün weigert, diese Kernherausforderung für den öffentlichen Dienst, nämlich die einer staatlichen Aufgabenkonzentration, zu bewältigen, wird bald schon wieder über neue Einschnitte zulasten der Beamten nachdenken müssen. Die nordrhein-westfälischen Beamten sind bereits wachsam, welche neuen Hiobsbotschaften sie in wenigen Monaten bei der nächsten Besoldungsrunde wohl alle erreichen mögen. Es gibt dort großes Unverständnis über die Ankündigung der Landesregierung, quasi die Korrektur dieses verfassungswidrigen Gesetzes direkt mit den 160 Millionen Einsparerwartungen zu verbinden.

Genau das, Herr Finanzminister, sollten Sie hier darlegen. Sie sollten die Gelegenheit nutzen, Ihre Absichten auch für die Besoldungspolitik öffentlich zu machen. Wenn Sie nichts zu verheimlichen haben, wenn Sie von Ihrer Politik überzeugt sind, wenn Sie zu Ihren Maßnahmen stehen, dann gehört das nicht in irgendwelche Geheimzimmer, sondern dann gehört das hierhin in die Öffentlichkeit und in das Parlament.

(Beifall von der FDP)

Die Probleme von Rot-Grün sind groß. Das Bundesverfassungsgericht wird in Kürze über mehrere Verfahren zur Angemessenheit der Gesamtalimentation der Beamten entscheiden. Wenn die Kläger sich auch nur mit einem Teil ihrer Forderungen durchsetzen, hat Rot-Grün ein Problem, das die aktuelle Debatte erkennbar in den Schatten stellt.

Gerade deshalb ist es so wichtig, eine dauerhaft tragfähige Dienstrechtsreform auf den Weg zu bringen, die den Namen auch verdient, und parallel die bürokratischen Apparate zu verschlanken. Mehr Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung sind die wünschenswerten Folgen, wenn Sie die Betriebe unseres Landes von immer mehr Kontrollen, Auflagen und Überstandards befreien. Mit den Bürokratiemonstern Tariftreue- und Vergabegesetz, Ihrem Klimaschutzplan, totalen Rauchverboten für die Gastronomie, der Umweltzonenbremse für Markt, Händler und Handwerker bleibt Rot-Grün aber leider weiter der Geisterfahrer bundesweit.

(Lachen von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Die Bevormundungspolitik wirft uns nicht nur ökonomisch zurück und kostet uns damit auch Steuereinnahmen, sondern sie sorgt auch bei den Menschen in unserem Land jeden Tag für einen Verlust an Freiheit und Eigeninitiative. Das Ergebnis der strukturellen Reformverweigerung von Rot-Grün führt bald zur nächsten konfliktären Tarifrunde. Um das vorherzusehen, dafür bedarf es wenig Fantasie.

Dann werden wir auch wieder als konstruktive Opposition in diesem Land darauf achten, wie Sie dann mit den Grundsätzen der Verfassungskonformität umgehen und welche Motivations- oder Demotivationswirkungen das für die Betroffenen hat.

Wir empfehlen Ihnen: Lernen Sie aus Ihrer Bauchlandung, aus Ihrer Bruchlandung! Werden Sie endlich Ihrer Verantwortung für unser Land gerecht! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Sehr geehrter Herr Kollege Witzel, ich greife das gleich mal auf. Sie sprachen die anstehenden Urteile an. Ja, in der Tat, da sind wir vor allen Dingen auf juristischer Seite, aber auch als Haushälter und Finanzleute sicherlich sehr gespannt, was dabei herauskommen wird.

Es wurde ja auch im Rahmen der heutigen Debatte schon mehrfach das Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Münster vom 1. Juli angesprochen. Frau Kollegin Gebhard, Sie haben – dafür danke ich Ihnen übrigens – zum wiederholten Male, wie auch schon letzte Woche im Ausschuss, akribisch genaue oder besonders pointierte Ausführungen zur Bewertung des Urteils aufseiten der regierungstragenden Fraktionen, aber letztendlich auch der Landesregierung gemacht.

Allerdings ist mir aufgefallen, Frau Kollegin Gebhard, dass Sie zur Einhaltung des Abstandsgebots etwas ganz Besonderes gesagt haben. Sie haben nämlich das Abstandsgebot – das wird man im Protokoll noch einmal nachlesen können – auf den Vergleich zwischen der Vergütung im öffentlichen Dienst und der Beamtenbesoldung bezogen. Sie haben also eine Tarifstufe im öffentlichen Dienst mit einer Besoldungsstufe bei den Beamten verglichen. Das meint das Abstandsgebot aber gerade nicht, sondern das Abstandsgebot muss natürlich innerhalb der jeweiligen Besoldungsstufen gewahrt sein.

(Heike Gebhard [SPD]: Das habe ich aber auch gemeint!)

– Gut. Vielleicht war das ein Missverständnis. Das kann natürlich sein.

(Heike Gebhard [SPD]: Ich habe beides gemeint!)

Aber wenn wir an Strukturpolitik denken und auf der einen Seite an eine ausreichende Alimentation der Beamtinnen und Beamten denken, müssen wir auf der anderen Seite natürlich auch an eine ausreichende Vergütung derjenigen denken, die im öffentlichen Dienst als Angestellte ähnliche Tätigkeiten ausüben.

Vielleicht muss der Finanzminister künftig noch ein bisschen mehr in die Tasche greifen, um genau diesen Abstand zwischen den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und den Beamtinnen und Beamten wenigstens weiter anzunähern. Ich spreche da insbesondere den Bereich der Lehrerschaft an;

(Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

denn wir haben im öffentlichen Dienst die Situation, dass ein angestellter Deutschlehrer, der denselben Unterricht wie sein beamteter Kollege gibt, weniger verdient. Darüber sollte man in Zukunft auch einmal nachdenken. Man sollte sich weniger mit der Frage beschäftigen, wie viel weniger die Beamten bekommen können, um strukturelle Haushaltsdefizite auszugleichen, sondern dafür sorgen, dass das, was hier immer so gerne als gerecht apostrophiert wird, im Lande Nordrhein-Westfalen auch tatsächlich stattfindet.

(Beifall von den PIRATEN)

Hinzu kommt noch folgender Umstand: Wie gerade die Anhörung zu dem hier beratenen Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz ergeben hat, hinkt NRW im Vergleich zu nahezu allen Bundesländern in der Bundesrepublik Deutschland bei der Besoldung absolut hinterher. In diesem Zusammenhang geht es in der Tat um die Jagd nach den Köpfen. Die guten Leute überlegen sich natürlich zehn Mal, ob sie sich in NRW bewerben. Sie bewerben sich möglicherweise in Bayern oder in Rheinland-Pfalz oder woanders, aber gerade nicht in Nordrhein-Westfalen. Die guten Leute werden nicht mehr in Nordrhein-Westfalen bleiben wollen.

Das Gleiche gilt für neue gute Leute, nämlich den Nachwuchs. Das hat der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Landesverband NRW, Herr Lehmann, in dieser Anhörung, aber auch an anderer Stelle mehr als deutlich gemacht. Den guten Nachwuchs wird man selbstverständlich nur über die Alimentation ködern und bekommen können. Das stellt der hier vorliegende Gesetzentwurf, den wir jetzt beraten, definitiv nicht sicher.

Es mag zwar sein, dass dieser Gesetzentwurf so, wie er uns vorliegt, etwas verfassungsgemäßer ist als das Gesetz, das der Verfassungsgerichtshof kassiert hat. Er ist aber immer noch nicht verfassungsgemäß. Das haben der Vertreter der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes NRW und der Vertreter des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW in der Anhörung mehr als eindeutig konstatiert – und die wissen ja, wovon sie reden. Schließlich waren sie auch diejenigen, die in dem vorigen Beratungsverfahren immer wieder massiv betont haben, wie verfassungswidrig das alles ist, was hier im Landtag beraten wird und am Ende auch verabschiedet worden ist. Sie sagen, der neue Entwurf sei etwas verfassungsgemäßer, aber eben immer noch nicht verfassungsgemäß.

Es mag sein, dass die Größe oder die Anzahl der oppositionellen Kräfte hier im Landtag vielleicht nicht ausreichen wird, um gegebenenfalls auch den neuen Gesetzentwurf noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Die Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben jedoch in der Anhörung deutlich erkennen lassen, dass sie weiterhin an der Prüfung des demnächst verabschiedeten Gesetzes festhalten werden. Dann wird man sehen, was am Ende dabei herauskommt. Es gibt also immer noch Klagen von Richterinnen und Richtern.

Die Anhörung hat noch einen weiteren besonderen Punkt ergeben. Hier wird es so dargestellt, als sei am 22. August 2014 ein großer Konsens zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, der Landesregierung und der Beamtenschaft erzielt worden. Das ist gar nicht der Fall. Die Anhörung hat eindeutig ergeben: Nicht einmal alle Vertreter oder Organisationen oder Verbände der Beamtenschaft sind überhaupt eingeladen gewesen – geschweige denn, dass sie da waren.

Sie haben im Übrigen auch in der Anhörung bekundet, dass sie ihren Mitgliedern nicht empfohlen hätten, diesen Konsens zu unterschreiben, wenn es sich um einen Tarifabschluss gehandelt hätte, den es im Beamtenrecht nun einmal nicht gibt. Das ist von mehreren Vertretern der Beamten – unter anderem vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, unter anderem von der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter, unter anderem vom Bund der Richter und Staatsanwälte – gesagt worden. Auch Herr Lehmann von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft hat sich nicht besonders positiv geäußert, was diesen Gesetzentwurf angeht. Es gibt auch noch einige andere – ich kann sie jetzt gar nicht alle aufzählen –, die mehr als enttäuscht darüber sind, in welcher Art und Weise man mit ihnen verfährt.

Wir haben im vorigen Beratungsverfahren zum dann gekippten Gesetz an dieser Stelle gesagt: Es ist erforderlich, dass die Landesregierung sich mit allen Beamtinnen und Beamten an den Tisch setzt. – Das ist genau nicht erfolgt.

Wir sehen in diesem Gesetzentwurf, wenn überhaupt, lediglich eine notwendige teilweise Umsetzung eines Richterspruchs, aber eben keine Politik der Landesregierung. Hier wird einfach einer Entscheidung hinterhergerannt, wie es so oft der Fall ist – siehe auch die Haushaltssperre, die dann als notwendige Folge des Richterspruchs von Münster über das Land Nordrhein-Westfalen verhängt worden ist. Man eilt mit allen möglichen Maßnahmen immer wieder neuen Erkenntnissen hinterher. Das ist keine Gestaltung, sondern Reparatur. Reparatur steht nun einmal einer Gestaltung definitiv entgegen. Hier geht nichts nach vorne – insbesondere nicht im Bereich der Alimentation der Beamtenschaft.

Entgegen der Haltung der regierungstragenden Fraktionen hier im Plenum und auch entgegen der Haltung der CDU als der größten Oppositionsfraktion empfehle ich jedenfalls meiner Fraktion, diesem Gesetzentwurf nicht beizutreten, sich dazu nicht einmal zu enthalten, sondern ihn schlicht und ergreifend abzulehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schulz. – Nun spricht für die Landesregierung der Finanzminister, Herr Dr. Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal Frau Gebhard sehr dankbar dafür, dass sie in detaillierter und profunder Form dargestellt hat, was denn die Rahmenbedingungen waren, unter denen dieser neue Gesetzentwurf entstanden ist, und warum unter diesen Rahmenbedingungen dieser Gesetzentwurf eine – davon bin ich überzeugt – gelungene Vereinbarung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufträge der Verfassung ist. Darüber ist heute schon mehrfach gesprochen worden.

Ich habe den Eindruck, einige haben ohnehin zu den Bereichen Nachtragshaushalt, Beamtenbesoldung, Grunderwerbsteuer und teilweise mit Ausläufern zur Flüchtlingsthematik die Zettel ein bisschen durcheinandergebracht. Diese Themen tauchen immer wieder auf. Deswegen sage ich noch einmal: Ja, es stimmt, wir haben zwei Verfassungsgrundsätze zu beachten, zum einen den der angemessenen Beamtenalimentation. Wir haben zum anderen den Verfassungsgrundsatz der Schuldenbremse zu beachten.

Aber – das muss man sich dann eben auch einmal auf der Zunge zergehen lassen – wir haben auch Dinge zu beachten, die gar nicht von der Verfassung auf diese Weise festgelegt sind, dass wir nämlich als Land für eine anständige Infrastruktur, für gute Bildung, für innere Sicherheit, für sozialen Zusammenhalt zu sorgen haben. Ein Land, das nur einzelne Punkte in der Verfassung berücksichtigen würde, hat am Ende seine Aufgaben auch nicht gemacht. Wir haben, glaube ich, den ganzen Strauß von Aufgaben, der da insgesamt zusammenkommt, sehr gut zusammengeführt.

Ich finde, Herr Schulz, jeder hat noch einmal versucht, ein Haar in der Suppe zu finden. Ich finde es auf jeden Fall schon einmal gut, dass CDU und FDP sagen: Das ist eine Grundlage, auf der man die Anpassung jetzt erfolgen lassen kann.

Ich muss dazu sagen: Ich habe eine andere Sicht. Das ist die, dass wir auch durch das Urteil zu diesem Ergebnis gekommen sind. Denn das, was wir jetzt erreicht haben, haben viele vorher nicht für machbar und einige auch nicht für wünschenswert gehalten. Diejenigen, die sich von vornherein gegen den Entwurf oder gegen das Gesetz mit teilweiser Nullanpassung, das der Landtag verabschiedet hatte, gewendet haben, haben sich auch gegen das gewendet, was jetzt in diesem Gesetz steht.

Dass dabei 220 Millionen € an Einsparungen gegenüber einer Eins-zu-eins-Anpassung herausgekommen sind, haben viele nicht für möglich gehalten. Ich sage ganz eindeutig an die Adresse der Gewerkschaften: Ich bin ihnen dankbar dafür, dass wir diese Gespräche auf einer solchen Grundlage haben führen können, dass es nicht ein Diktat von einer Seite war, sondern dass wir uns zusammengesetzt haben und geschaut haben, was in dem Verfassungsurteil drinsteht. Dann haben wir sehr nüchtern analysiert, dass darin nicht das steht, was wir gerne nach der Verabschiedung des vorherigen Gesetzes gehabt hätten. Aber wir haben genauso nüchtern gemeinsam festgestellt, dass da auch nicht das drinsteht, was diejenigen, die dagegen waren, immer wieder behauptet haben. Es steht nämlich eindeutig darin, dass eine Eins-zu-eins-Anpassung nicht notwendigerweise erfolgen muss. Es steht darin, dass eine soziale Staffelung der Anpassung möglich ist.

(Zuruf: Eins zu eins hat niemand gefordert!)

– Auch dazu gibt es unterschiedliche Interviewbeiträge aus den Reihen der Opposition, in denen einer sagt und sich auch immer bei der richtigen Gelegenheit zeigt: Guck mal, ich habe auch eins zu eins gefordert! – Beim nächsten Mal sagt er dann der anderen Zielgruppe gegenüber: Eins zu eins haben wir nie gefordert! Es gibt beispielsweise Interviews, in denen Herr Laumann die Eins-zu-eins-Forderung ganz lautstark erhoben hat. Jetzt können Sie sagen: Herr Laumann ist nicht mehr da, und deswegen hat es keiner hier im Saal gefordert. – Aber es war schon ziemlich klar, wie Sie da agiert haben.

Genau das ist das System der gespaltenen Zunge: nämlich zu gucken, bei wem ich eigentlich was sagen muss. Jetzt stellen Sie sich hier als Hüter der Gewerkschaftsinteressen, als Hüter der Beamteninteressen hin. Wenn man sich einmal anschaut, was mir Beamtenverbände schon alles über die Vorgängerregierung unter dem „Arbeiterführer“ Rüttgers erzählt haben, dann sind das schon Dinge, bei denen Sie irgendwann einmal anfangen müssen, selber zu sortieren, wo Sie eigentlich stehen.

Noch einmal: Es sind Rahmenbedingungen für Gespräche gesetzt worden, die wir geführt haben. Ich lege noch einmal Wert darauf zu sagen: Verhandlungen waren es nicht, weil der Landtag zu entscheiden hat, wie am Ende das Gesetz auszusehen hat. Aber klar war: Wir haben auch miteinander darüber geredet, welche Perspektiven für die Zukunft sich aus diesem Urteil ergeben, und zwar in Richtung auf eine gerechtere Besoldung. Daraufhin haben wir insgesamt gesagt: Wir können uns jetzt konstruktiv auch der Vergangenheit der Jahre 2013 und 2014 widmen, um gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen, die auch das berücksichtigen, was ansonsten in den Jahren 2015 folgende notwendig wäre.

Auch da dürfen Sie nicht von einer Seite zur anderen hüpfen, je nachdem, bei welchem Tagesordnungspunkt wir heute sind. Hier reden Sie wieder von Mehrausgaben und darüber, es würde an der falschen Stelle gespart. Wir haben immer gesagt: Wenn 43 % eines Landeshaushaltes aus Gehältern, aus Besoldung, aus Versorgung, aus Beihilfe, aus Pensionen bestehen, dann kann man die Anforderungen, die Sie selber mit formulieren, nämlich den Haushalt langfristig auszugleichen, nicht nur mit der anderen Hälfte der Ausgaben – für Förderprogramme, für Unterstützung, für Infrastruktur, für Investitionen – machen. Das wollen Sie doch auch nicht. Das kritisieren Sie doch auch.

(Ralf Witzel [FDP]: Richtig!)

Dann seien Sie doch so ehrlich und sagen, dass wir ausgewogen auf beiden Seiten etwas machen müssen!

Das haben wir getan. Deswegen haben wir auch gesagt, dass diese 220 Millionen €, um die wir jetzt in diesem Gesetz unter der Eins-zu-eins-Anpassung geblieben sind, am Ende nicht der gesamte Sparbeitrag sein können, der aus dem Personalhaushalt für die Konsolidierung zu erbringen ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Bürokratieabbau!)

– Ja, dann kommt der Personal- und Bürokratieabbau. Ich habe heute schon einmal bei einem anderen Tagesordnungspunkt gesagt: Nordrhein-Westfalen hat den geringsten Stellenbestand aller Länder. Jetzt kommen Sie mir nicht mit dem Hinweis, das sei bei einem großen Land einfach. Tatsache ist, es stimmt, wir brauchen keine 16 Ministerpräsidentinnen, die wir hätten, wenn wir das Saarland mal 16 nähmen. Das ist in der Tat ein Sparbeitrag. Aber mit dem konsolidieren Sie nicht den Haushalt.

Wir brauchen pro tausend Einwohner in Nordrhein-Westfalen mit Sicherheit genauso viele Polizisten, mit Sicherheit genauso viele Lehrer, mit Sicherheit genauso viele Justizangestellte, wie das in kleinen Ländern, in Flächenländern der Fall ist. Hier so zu tun, als sei das alles von selbst gelöst, nur weil Nordrhein-Westfalen groß ist, ist Unsinn.

Sich hinzustellen und darauf hinzuweisen, dass jetzt doch die Altersabgänge kommen und wir dann ganz einfach sozialverträglich abbauen könnten, unterstellt doch, dass all diejenigen, die jetzt noch nicht pensioniert sind, eigentlich überflüssig sind und nur auf ihren Plätzen sitzen und dass wir eigentlich nur darauf warten müssen, dass sie die Altersgrenze erreichen, weil wir die Stellen dann abbauen können. Was ist das eigentlich für eine Vorstellung von den Beamten, für die Sie sich hier einzusetzen vorgeben?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Gleichzeitig bekommen wir von der CDU einen Antrag, dass wir doch bei der Finanzverwaltung viel mehr aufbauen müssten, weil die Altersabgänge anstehen.

Da müssen Sie sich doch irgendwann mal ein paar Gedanken dazu machen, wie konsistent das noch ist und ob Sie das Ganze der Öffentlichkeit und den Zuhörerinnen und Zuhörern hier auf der Tribüne als Gesamtpaket überhaupt noch darstellen können. Das geht doch nicht!

Herr Lohn, Sie haben wieder den Spagat versucht – von Ralf Jäger bis zum Thema „Beamte als Kostenfaktor“; Sie haben auch das Weihnachtsgeld angesprochen. Ich sage mal: Dieses Sammelsurium führt dazu, dass für mich das Wort „‘Lohn‘-Verzicht“ eine gänzlich neue Bedeutung erhält.

(Heiterkeit von der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich muss ehrlich sagen: Darauf kann man verzichten.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Welchen Stammtisch Sie bevorzugen, sieht man doch schon an Ihren Zwischenbemerkungen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben doch damit angefangen!)

– Ist doch wunderbar. Sie können ja gerne eine Zwischenfrage stellen; dann melden Sie sich doch. Ansonsten würde ich Sie einfach bitten, mich ausreden zu lassen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wenn Sie so anfangen! Verballhornungen können wir gerne woanders machen!)

– Können wir jetzt hier mal irgendwie weitermachen?

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Ein bisschen Ruhe wäre vielleicht ganz schön. – Dieser Herr Lohn, den ich gerade angesprochen habe, der hat hier vorhin doch unterstellt, dass da jemand – ein Rechtsgelehrter, der einmal von einer bestimmten Seite einen Auftrag bekommen hat – seine Danke-schön-Spenden in Richtung dessen macht, der ihn bezahlt hat.

Ich habe Herrn Wedel gefragt, ob er eigentlich noch still auf seinem Platz sitzen bleiben kann. Das sind, so finde ich, doch alles Unterstellungen, im Übrigen auch gegen Landesbeamte. Das sollten Sie ruhig auch einmal laut sagen und sich nicht anschließend hier hinstellen und so tun, als wären Sie der Interessenvertreter der Beamtenschaft.

Vizepräsident Oliver Keymis: Jetzt, Herr Minister, gibt es eine Zwischenfrage. Wollen Sie die zulassen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Wenn die ungefähr von der Qualität ist wie die Zwischenrufe, dann nicht. Aber ich habe ja immer noch Hoffnung.

(Zuruf von der CDU: Wenn das die Qualität Ihrer Rede ist!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Das entscheiden alles Sie. – Bitte schön, Herr Kollege Lohn, Ihre Frage.

(Unruhe – Glocke)

Werner Lohn (CDU): Vielen Dank, Herr Minister. Trotz Ihrer Bemerkungen von vorhin habe ich eine konkrete Frage. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich eben lediglich gefragt habe, ob die beiden Herren Professoren Droege und Hartmann irgendwann einmal für die SPD bzw. die Landesregierung gearbeitet haben? Ich habe nichts unterstellt, sondern eine reine Sachfrage gestellt.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN – Anhaltende Unruhe – Glocke)

Aber zu einer sachlichen Diskussion sind Sie wohl nicht in der Lage.

Vizepräsident Oliver Keymis: Kolleginnen und Kollegen, der Herr Minister ist gefragt worden. Dann soll auch der Herr Minister antworten. Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Lohn, als Erstes bitte ich um Nachsicht dafür, dass auch bei mir schon einmal die Pferde durchgehen und mir einige schöne Vergleiche und Wortspiele einfallen. Damit will ich Ihnen jetzt aber nicht zu nahetreten.

Ich gestehe Ihnen gerne zu: Sie haben genau diese Frage gestellt. Ob ein Schelm ist, der Böses dabei denkt, das soll dann jeder für sich selber entscheiden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das stand natürlich gar nicht dahinter. Es war ja eine reine Wissensfrage.

Das ist so ähnlich wie die Kleinen Anfragen, die ich in den letzten Jahren in einer großen Vielzahl erhalte. Die gehen alle nur in Richtung Informationsbeschaffung; das merkt man schon an den polemischen Überschriften, die bereits in einer Zeitung stehen, bevor die Anfrage überhaupt bei uns ankommt. Das ist ganz sicher alles nur Informationsbeschaffung, und ich bin auch gerne bereit, dem nachzukommen. Das wird beantwortet; das ist ja auch ihr Recht.

Ich will nur noch einen Satz sagen zu dem gemeinsamen Interesse, das wir haben müssen, wenn es nämlich darum geht, gute Leute zu bekommen. Dass diese Notwendigkeit besteht, weiß ich. Ich bin mir als jemand, der für die Finanzverwaltung zuständig und verantwortlich ist, sehr wohl dessen bewusst, wie gut unsere Finanzwirte ausgebildet sind und über welch gut ausgebildete Sachbearbeiter wir in der Finanzverwaltung verfügen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich weiß, wie sich Unternehmen mit ihren Steuerabteilungen die Finger danach lecken; ich weiß, wie die Steuerberater in Nordkirchen vor der Tür stehen und sich die Leute holen wollen. Das ist ein Berufsfeld, bei dem wir in einem echten Wettbewerb mit besser bezahlten Jobs in der freien Wirtschaft stehen. Das kennen wir genauso bei den Ingenieuren und bei den Medizinern. Dabei gibt es aber auch Unterschiede; einige Bereiche haben mehr Möglichkeiten im Wettbewerb mit der Wirtschaft, andere haben weniger.

Dann müssen Sie aber auch so konsequent sein und sagen: Hier müssen wir uns auf solch eine unterschiedliche Einstufung einlassen. Ansonsten werden Sie, wenn Sie die Einstufung und das Gehalt nur nach den größten Herausforderungen bemessen, das Ganze nie bezahlen können. Das würde jedoch mit Ihren Forderungen ganz sicher nicht in Übereinstimmung stehen.

Auf der anderen Seite finde ich es auch nicht richtig, immer wieder den Eindruck zu vermitteln, als sei jedermann nur daran interessiert, aus Nordrhein-Westfalen wegzukommen. Der öffentliche Dienst in Nordrhein-Westfalen ist für junge Menschen nach wie vor hochattraktiv. Wir sollten es vermeiden, durch die Darstellung des Beamtentums, so wie Sie das ewig machen, dazu beizutragen, dass jenseits der Entlohnungsfrage der Ruf und das Ansehen der Beamten beschädigt werden.

Das will ich nicht. Ich setze mich vielmehr dafür ein, dass die Beamten, die einen guten Job machen, entsprechend wertgeschätzt werden. Im Übrigen hat Deutschland diese Stellung in der Welt – auch mit seiner Verwaltung – nicht trotz seiner Beamten, sondern gerade auch wegen seiner Beamten.

(Zuruf von der CDU: Das liegt nicht an Ihnen!)

Das hätten viele andere Länder gerne ebenso.

(Beifall von der SPD)

Deswegen kommt es nur darauf an, dass wir es hinbekommen, die amtsangemessene Alimentation – ein Begriff, der nicht gerade neueren Datums ist – mit einer langfristigen Sicherheit und Finanzierbarkeit des öffentlichen Dienstes zu kombinieren.

Wenn wir das nämlich nicht gewährleisten können, dann entfallen andere Aspekte jenseits des reinen Brutto- bzw. Nettoeinkommens. Diese Aspekte bilden für viele Menschen eben auch eine wichtige Größe: Wenn ich Beamter bin, wenn ich über eine Lebenszeitanstellung verfüge, habe ich dann nicht wesentlich bessere Planungsmöglichkeiten, gerade was Familienplanung, den Bau des Häuschens oder den Kauf der Wohnung angeht? – Das sind doch alles Dinge, die ebenfalls eine Rolle spielen. Und dessen sind sich die jungen Menschen, die sich für das Beamtentum entscheiden, sehr bewusst.

Aber wir müssen dann auch sehen, dass es einen Unterschied zwischen Tarifbeschäftigten und Beamten gibt. Und wenn wir denn einen Beitrag aus dem Bereich des Beamtentums bzw. der Personalkosten leisten müssen, dann können wir nicht so tun, als würden wir das alles außen vor lassen. Dann müssen wir das auf eine gerechte Art und Weise analysieren.

Genau das haben wir getan, und das haben wir auch mit dem vorherigen Gesetz getan. Es hat vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand gehabt. Das Verfassungsgericht hat nun auf dieser Grundlage Hinweise gegeben. Diese haben wir nun berücksichtigt. Ich bin mir sicher, dass nunmehr ein gutes Gesetz vorliegt.

Ich kann Ihnen ebenso sagen: Man kann nie sicher sein, ob alles Bestand haben wird, solange man nicht eine Anpassung eins zu eins und ohne Zeitverzögerung vornimmt. Das müssen Sie eben in Kauf nehmen. Es ist immer eine Gratwanderung. Der muss man sich stellen. Eine Landesregierung oder ein Landtag, die sich in Verantwortung nicht auch Risiken stellen würden, hätten ihren Job nicht gemacht. Ich glaube, das ist ein guter Vorschlag. Wir bitten um Ihre Zustimmung. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. Bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Schulz. – Herr Schulz, aktivieren Sie mal bitte Ihr Mikrofon. – Danke schön. Dann kann ich es hier öffnen, und Sie haben 1:30 Minute für Ihre Intervention. Bitte schön.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, Sie haben jetzt einen sehr weiten Bogen um die Beamtenbesoldung herum gespannt und insbesondere davon gesprochen, dass wir nun eine Situation vorfinden, die vor dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs nicht machbar oder von einigen Seiten auch nicht wünschenswert gewesen sei.

Das heißt – wenn ich Sie richtig interpretiere –, Sie brauchten, auch nachdem 20 Sachverständige erklärt hatten, der gekippte Gesetzentwurf sei verfassungswidrig, erst ein Urteil, um auf den Weg zu kommen, überhaupt mit den Beamten zu sprechen. Denn quer durch die Reihen der Beamtenschaft zog sich ja immer der Kritikpunkt, dass niemand mit ihnen gesprochen hätte.

Sie sagen, alles sei gut gewesen, wenn nur nicht die Oppositionsparteien bzw. ?politiker dagegen geklagt hätten. Dann wäre die große Klatsche, die das Land Nordrhein-Westfalen und auch die Landesregierung durch das Urteil erfahren haben, in der Tat vielleicht erst in drei oder vier Jahren gekommen und Sie möglicherweise nicht mehr Finanzminister; das ist zumindest denkbar.

Auf der anderen Seite ist es, ehrlich gesagt, für die Bürgerinnen und Bürger schlecht nachvollziehbar, dass die Landesregierung erst ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs braucht, um ordnungsgemäße Gesetze zu machen.

Wenn Sie auf der anderen Seite …

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Schulz. Die 1:30 sind rum.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ich finde es großartig, dass Sie mich den Satz nicht mehr beenden lassen, Herr Präsident. Wir werden das vielleicht mal zu gegebener Zeit untereinander klären.

Vizepräsident Oliver Keymis: Jetzt der Herr Minister mit der Antwort und seinen 1:30. Und bitte auch nicht mehr, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Schulz, wie es ist, wenn man als Finanzminister eine Klatsche bekommt, die vom Vorgänger verursacht worden ist, kann ich Ihnen beschreiben.

(Lachen von der CDU)

Das ist mehrfach passiert. Daran erinnert sich die CDU-Opposition nicht mehr.

(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es gibt mehrere dreistellige Millionenbeträge, die deshalb in den Haushalt gekommen sind, weil mir ein Verfassungsgerichtshofurteil mitgeteilt worden ist, das aus einer Klage gegen Schwarz-Gelb in den Jahren 2005 bis 2010 resultiert. Kinderförderungsgesetz, Einheitslastenabrechnungsgesetz – wir könnten so weitermachen.

Zweiter Punkt: Ja, es stimmt. Die jetzige Ausgestaltung war aufgrund von vielen Hinweisen möglich und hat zu der gemeinsamen Überzeugung geführt, zu der wir jetzt mit den Gewerkschaften gekommen sind, die wir vorher so einvernehmlich mit Sicherheit nicht hinbekommen hätten. Das heißt nicht, dass wir dafür erst ein Gerichtsurteil einer anderen Qualität brauchen. Aber wir befinden uns hier immer – das habe ich eben auch zu dem neuen Gesetz gesagt – ein Stück weit im Ungewissen.

Die Frage, ob wir erst danach auf die Idee gekommen sind, miteinander zu reden, kann ich Ihnen so beantworten: Erstens haben wir vorher auch miteinander geredet. Ich lasse mir nicht einreden, dass es keine Gespräche gegeben hat. Zweitens hätte es mehr Gespräche geben können und müssen. Das haben wir eingestanden, überhaupt keine Frage. Wir haben gesagt: Eine bessere Kommunikation im Vorfeld wäre besser gewesen. Das gilt auch für die nächsten Jahre. Das werden wir machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, vielen Dank. 1:30 sind rum. – Es gibt noch eine Wortmeldung. Herr Dr. Optendrenk hat sich gemeldet. – Sie sind jetzt fertig, Herr Minister.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Keine Kurzintervention! Jetzt wird es ernster!)

Sie können sich jetzt auf den Ministerstuhl setzen. – Kollege Dr. Optendrenk hat noch einmal das Wort.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Präsident, herzlichen Dank. – Ich möchte einige Hinweise aus der Debatte aufnehmen und dazu aus Sicht der CDU-Fraktion noch ein paar Bemerkungen machen.

Herr Minister, Sie versuchen schon sehr lange das, was das Verfassungsgericht in Münster erklärt hat, als so etwas wie einen Schiedsspruch hinzustellen. – Das war kein Schiedsverfahren. Dafür könnten Sie sich beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag bewerben. Es handelt sich nicht um einen Schiedsspruch, sondern im Verfassungsgerichtsverfahren geht es um die Frage, ob eine Norm mit der Verfassung vereinbar ist oder nicht.

Wenn der Maßstab beim Gesetzgeber Landtag Nordrhein-Westfalen in Bezug auf die Festlegung einer zulässigen Beamtenbesoldung schon mit einem weiten Ermessensspielraum, der folgerichtig nicht überprüft wird, verknüpft ist und das Gericht dann sagt – selbst bei einer Evidenzkontrolle, also wenn es grob und offensichtlich für jedermann erkennbar ist –: „Lieber Herr Finanzminister, liebe Frau Ministerpräsidentin, liebe Parlamentsmehrheit, ihr habt euch nicht an den Wortlaut und den Sinn der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen gehalten“, ist es schon ein besonderer Stil, das als Hinweis abzutun.

(Beifall von der CDU)

Die Folge ist unter anderem – daran kann man moderne Technik üben –, dass SAP dank Ihrer großartigen Leistungen in den nächsten Wochen die weltweit größte Berechnungsoperation für Besoldung und Versorgung von Mitarbeitern für 19 Monate rückwärts machen und das LBV Überstunden schieben darf. Das ist Ihr Dank an die Mitarbeiter des LBV. Ich möchte es als ehrlichen Dank sehen. Wenn das Parlament jetzt entscheidet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LBV die entsprechenden Bezüge noch in diesem Jahr überweisen sollen, dann ist das eine großartige Leistung der Behörde. Aber es ist keine großartige Leistung der Landesregierung.

(Beifall von der CDU und Holger Ellerbrock [FDP])

Wenn Sie die Frage stellen, ob Sie Hinweise bekommen haben, und das dann in minutenlange Abwägungsausführungen von Frau Gebhard mündet, wir hätten vielleicht nicht ausreichend begründet, weil wir nicht lange genug geredet haben, dann möchte ich Sie daran erinnern, dass es schon in dem Urteil vom 12. März 2013 zu einem Haushalt des Landes heißt – es ist offensichtlich nicht gelesen oder nicht verstanden worden –: Es kommt nicht auf den Umfang, sprich: auf die Zahl der Wörter an, sondern darauf, dass die Ausführungen Substanz haben. Das heißt, mit noch so vielen Wörtern und Worten können Sie das nicht verfassungskonform machen.

Ihr Gesetzeswerk wird wahrscheinlich – wenn ich die Anhörung richtig interpretiere – durch Einzelanträge beim Verfassungsgericht doch wieder überprüft werden. Wir werden keine Anträge stellen. Es wird aber eine Reihe von Einzelanträgen geben, durch die die verfassungsrechtliche Klärung erfolgt. Aber nicht mit vielen Wörtern, sondern hoffentlich mit Substanz.

Dann noch eine Bemerkung zu dem, was in der Anhörung passiert ist. In der Anhörung hat einer der beiden sachverständigen Juraprofessoren erklärt, es sei ja auch ganz schwierig, Schuldenbremse und Beamtenalimentation – also grundrechtsgleiche Fragen – unter einen Hut zu bringen. Dann müsse man im Wege des schonenden Interessenausgleichs irgendwie zu einer verfassungskonformen Lösung gelangen. Diese sogenannte praktische Konkordanz bestimmt sich nicht im Verhältnis zwischen Staatsstrukturanforderungen und Grundrechten. Es gibt ausschließlich dann praktische Konkordanz, wenn zwei Rechtsgüter nicht in gleicher Weise durch den Staat bedient – sprich abgewogen – werden können.

Wenn zum Beispiel das Grundrecht einer Mutter auf Erziehung ihrer Kinder in einem Konflikt steht zu dem Schutzbedürfnis der Kinder, dann muss zwischen diesen Grundrechten abgewogen werden. Es kann aber nicht abgewogen werden zwischen einem Staatsorganisationsprinzip und dem Alimentationsprinzip.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Insofern widersprachen diese Ausführungen so grob der Rechtslage, dass ich im Einverständnis mit dem Vorsitzenden des Unterausschusses Personal weiterhin dabei bleiben darf, dass diese Rechtsauffassung nicht vertretbar ist.

(Beifall von der CDU)

Um einen Strich darunter zu ziehen: Sie hätten sich und uns sowie vielen Sachverständigen viel Arbeit ersparen können. Sie hätten den Beamtinnen und Beamten früher das geben können, was ihnen zusteht. Den Schaden verantworten Sie jetzt als rot-grüne Mehrheit mit dieser Landesregierung. Ich hoffe, dass dieser Schaden begrenzt bleibt im Sinne der Beamtinnen und Beamten und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Damit sind wir am Ende der Beratung und der Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung. – Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/7179, den Gesetzentwurf Drucksache 16/6688 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Gesetzentwurf Drucksache 16/6688 selbst. Wer stimmt diesem Gesetzentwurf zu? – Das sind SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Piratenfraktion und die FDP. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der CDU ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/6688 mit großer Mehrheit angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

6   Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/7147

erste Lesung

In Verbindung mit:

Keine weitere Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu Lasten junger Familien

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7170

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD dem Fraktionsvorsitzenden Herrn Römer das Wort.

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich zu Beginn in aller Klarheit: Meine Damen und Herren, nicht nur auf der Ausgabenseite, sondern auch auf der Einnahmenseite scheuen wir keine mutigen Entscheidungen.

(Lachen von der CDU)

Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist uns nicht leicht gefallen. Sie ist eine der wenigen Einnahmequellen, die das Land alleine steuern kann. Sie ist aber ein notwendiger Schritt und gerade deshalb vertretbar, weil sie die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nur sehr maßlos belasten wird.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Sehr maßlos!)

Sie wird, davon bin ich überzeugt, kaum jemanden davon abhalten, ein Haus zu bauen oder eine Eigentumswohnung zu erwerben.

Meine Damen und Herren, Sie haben ja gerade entsprechend reagiert. Das waren nicht meine Worte. Diese Sätze stammen aus der Regierungserklärung von Volker Bouffier, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und Ministerpräsident des Landes Hessen. Die CDU-geführte Regierung in Hessen hat in den letzten zwei Jahren die Grunderwerbsteuer zwei Mal erhöht. Einmal einvernehmlich mit der FDP von 3,5 auf 5 % im Jahre 2012 und dann im Jahre 2014 mit der regierungstragenden Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von 5 auf 6 %.

Selbstverständlich hat der Ministerpräsident von Hessen recht. Die maßvolle Anhebung der Grunderwerbsteuer um 1,5 Prozentpunkte hier in Nordrhein-Westfalen wird die über 25 Jahre angesetzte Finanzierung eines Eigenheims zum Preis von 300.000 € um 15 € pro Monat verteuern.

(Christian Möbius [CDU]: So kann man das doch nicht rechnen!)

Und daran, meine Damen und Herren, scheitert weder der Kauf eines Hauses noch ein Neubau. Auch die indirekten Auswirkungen auf Mieten und auf den sozialen Wohnungsbau sind allenfalls minimal.

(Zuruf von der CDU)

– Sie sollten das lernen, hören Sie zu, dann wissen Sie das auch und können den Menschen vernünftige Antworten geben. Sie bewegen sich im unteren einstelligen Centbereich pro Quadratmeter im Monat.

(Zuruf von der CDU: Armutszeugnis! – Kai Abruszat [FDP]: Erklären Sie das einmal den jungen Familien!)

Wer also allen Ernstes behauptet, die Auswirkungen der Anhebung seien nicht maßvoll und moderat, der hat den Bezug zur Realität in diesem Land verloren, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sieveke?

Norbert Römer (SPD): Ich will im Zusammenhang vortragen.

Als wir vor drei Jahren – ich möchte Sie daran erinnern – hier die erste maßvolle Anhebung der Grunderwerbsteuer diskutiert haben, da überboten sich die Oppositionsparteien auf der rechten Seite dieses Hauses mit ihren Untergangsszenarien. Der Immobilienmarkt in Nordrhein-Westfalen würde zusammenbrechen und der Erwerb von Eigenheimen unmöglich gemacht.

Nichts von dem, was Sie damals als Schreckensgemälde an die Wand gemalt haben, hat sich als wahr erwiesen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nichts von dem. Im Gegenteil. Die Realität ist, mehr Menschen denn je konnten sich in den vergangenen drei Jahren den Erwerb eines Eigenheimes leisten.

(Dr. Wilhelm Droste [CDU]: Weil die Zinsen so niedrig sind!)

Die Realität hat Sie damals widerlegt. Sie wird Sie abermals widerlegen. Meine Damen und Herren von der CDU, Herr Laschet ist nicht da. Ich würde ihn gerne direkt ansprechen, damit er sich das von seinen Parteifreunden in Hessen, in Berlin oder im Saarland sagen lassen kann. Lassen Sie es sich von denen erklären. Die CDU hat in all diesen Ländern aus den gleichen Erwägungen und mit den gleichen Argumenten eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer durchgesetzt wie unsere Regierungsmehrheit in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, der Unterschied zwischen Ihnen und Ihren Parteifreunden in den genannten Ländern ist, dass Sie weder Regierungsverantwortung tragen noch den geringsten Ehrgeiz haben, Ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die traurige Wahrheit ist doch, an das, was Sie hier als Argumente vortragen, glauben Sie selbst nicht. Sie jagen ein rhetorisches Gespenst nach dem anderen durch den Saal, in der Hoffnung, irgendwer würde sich davon schon erschrecken lassen.

Das gilt im Übrigen nicht nur für die jetzt zur Debatte stehende Anhebung der Grunderwerbsteuer. Sie versuchen den Menschen in Nordrhein-Westfalen einzureden, unser Land sei ein wirtschaftliches Katastrophengebiet und das Hochschulzukunftsgesetz sei das Ende der Forschungsfreiheit.

(Zuruf von der CDU: Zum Thema!)

Sie reden ihnen ein, die finanziellen Herausforderungen des Landes seien von griechischem Ausmaß. Sie verwandeln jede Plenardebatte in eine politische Halloweenparty und sind dabei so maßlos, dass Sie niemand mehr ernst nehmen kann.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Ich will Ihnen sagen, maßlos sind auch die Gebührenerhöhungsorgien, die CDU und FDP den Menschen in unserem Land androhen. Sie wollen den Studierenden Studiengebühren aufzwingen und junge Familien mit Kitagebühren überziehen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Was hat das jetzt mit Grunderwerbsteuer zu tun?)

Das ist Ihre Alternative.

Die Opposition auf der rechten Seite dieses Hauses diffamiert die gezielte Entlastung von unvernünftigen und unsozialen Gebühren als Wahlgeschenke und als Verschwendung, während sie Steuerkürzungen zum Symbol finanzpolitischer Vernunft stilisiert. Ihr Mantra ist, Belastungen durch Gebühren seien angemessen, aber Belastungen durch Steuern frevelhaft. Das ist doch Ausdruck einer ideologischen Schizophrenie, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Klar ist, Schwarz-Gelb ist ein Bündnis der Belastung. Die rot-grüne Koalition ist hingegen ein Bündnis der Entlastung für Familien, Kinder und Studierende, meine Damen und Herren.

(Zurufe von Christian Möbius [CDU] – Weitere Zurufe von der CDU)

– Ja.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will Ihnen das noch einmal sagen, damit Sie das endlich lernen können.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Wir haben die Studiengebühren und mit ihnen Belastungen in Höhe von 4.000 € abgeschafft, die für die Regelzeit eines Bachelorstudiums mit anschließendem Master anfallen würden; dann anfallen würden, wenn Schwarz-Gelb nicht abgewählt worden wäre.

Wir haben junge Eltern von den Gebühren des letzten Kitajahres befreit. Hohe Kitagebühren verhindern, dass junge Eltern ihre beruflichen Ziele erreichen oder – insbesondere bei alleinerziehenden Müttern – überhaupt erwerbstätig werden können.

(Zuruf von der CDU)

– Ja, ich sage Ihnen das einmal.

Eine alleinerziehende junge Akademikerin mit einem Jahreseinkommen von 51.000 € müsste in Dortmund 1.750 € an Kitagebühren aufbringen. In Arnsberg wären es sogar 2.650 €. Eine junge Familie – der Vater Vermessungstechniker und die Mutter Krankenschwester – mit einem Haushaltseinkommen von 76.000 € hätte in Duisburg 2.844 € und in Bonn mehr als 3.000 € zu zahlen – dann, wenn Sie in der Verantwortung geblieben wären. Sie sind aber zum Glück für die Menschen auf den Oppositionsbänken gelandet. Da gehören Sie auch hin, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie wissen doch, Ihre Politik ist bildungsfeindlich und familienfeindlich. Sie richtet sich gegen junge Erwachsene genauso wie gegen Kinder und ihre Eltern. Das ist genau der Grund, warum Sie in der Opposition sind und wir Regierungsverantwortung haben. Ich will Ihnen das noch einmal sagen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Wir werden den Haushalt so konsolidieren, dass wir das Verfassungsgebot eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2020 einhalten können, ohne auf die notwendigen Zukunftsinvestitionen verzichten zu müssen. Das unterscheidet uns elementar.

Wir bauen unsere vorbeugende Sozial- und Bildungspolitik aus. Wir vernetzen Wirtschaft und Wissenschaft. Wir helfen unseren Kommunen finanziell. Nur durch diese Investitionen wird Nordrhein-Westfalen langfristig stark genug für gesunde Landesfinanzen sein. Deshalb bringen wir den Gesetzentwurf zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer heute ein. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Römer. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Fraktionsvorsitzende Herr Priggen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Fraktionen von SPD und Grünen beantragen mit dem Gesetzentwurf die Erhöhung der Grunderwerbsteuer zum 1. Januar 2015 um 1,5 % Prozentpunkte auf 6,5 %. Das ist nicht schön, aber das muss sein.

Die Entscheidung über fast alle Steuern liegt bei der Bundesregierung und nicht beim Land. Das Land muss aber die notwendigen Mittel aufbringen, um die Aufgaben erfüllen zu können, die zum Teil der Bund vorgibt. Die Grunderwerbsteuer ist die einzige Steuer, die erhebliche Beiträge bringt. Es gibt kleine Verbrauchssteuern wie die Sektsteuer, die Biersteuer oder anderes.

Aber nur die Grunderwerbsteuer bringt erhebliche Erträge und liegt in der Zuständigkeit der Länder. Wir erwarten für 2015 Mehreinnahmen von 400 Millionen €.

In der Verfassung der Bundesrepublik steht seit 2009 die Schuldenbremse. Die gilt auch für Nordrhein-Westfalen. Sie schreibt vor, dass für uns ab 2020 das Verbot der Aufnahme von neuen Schulden existiert.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Deswegen müssen wir die Möglichkeit zur Steigerung der Einnahmen nutzen. Das haben wir auch gesagt, und das machen wir an dieser Stelle.

Es gibt Kritik aus zwei Gründen: zwei Erhöhungen in vier Jahren und ausgerechnet von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen.

Das ist eine billige Kritik; Kollege Römer hat es eben schon angesprochen. Aber wenn man die Länder durchgeht, muss man einfach konstatieren, dass die Länder – egal, wer die Landesregierung stellt – die Grunderwerbsteuererhöhung nutzen müssen, weil sie alle den gleichen Haushaltsmechanismen unterliegen.

(Zuruf von der CDU: Bayern!)

– Ja, ich sage Ihnen etwas zu Bayern. Ich komme aber zur CDU und zur FDP, damit Sie sich nicht immer wieder den gleichen schlanken Fuß machen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In Berlin ist die Grunderwerbsteuer zum 1. April 2012 auf 5 % und von der Großen Koalition zum 1. Januar 2014 auf 6,0 % erhöht worden. Da waren die Kollegen von der CDU beteiligt.

In Hessen ist sie am 1. Januar 2013 von Schwarz-Gelb auf 5,0 % und am 1. August 2014 von Schwarz-Grün auf 6,0 % erhöht worden. Dann kam die bemerkenswerte Volte der FDP, die bei der nächsten Erhöhung den Antrag gestellt hat, den Steuersatz wieder abzusenken und ihre eigene Erhöhung zurückzunehmen, man habe sich geirrt. So viel zur Seriosität der FDP: je nachdem, wie es passt und wo man steht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Marc Herter [SPD]: Es kommt darauf an, ob man gerade in der Regierung oder in der Opposition ist! – Christian Lindner [FDP]: Man muss Kompromisse machen!)

– Ja, wunderbar. Wenn man in der Regierung ist, sagt Herr Lindner, muss man Kompromisse machen. Insofern wüssten wir auch, wie die FDP hier reagieren würde, wenn sie in der Regierung wäre.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So ist das!)

Kommen wir zum Kollegen Kubicki, wenn wir schon bei der FDP sind. 1. Januar 2012 Schleswig-Holstein Schwarz-Gelb: Erhöhung um 1,5 Prozentpunkte auf 5,0.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP] – Gegenruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Ich würde das gerne mitkriegen. Das ist immer spannend, wenn Herr Lindner Zwischenrufe macht.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– Ach so. WE: Anmeldung einer Kundgebung, 40 Personen werden erwartet, keine Störungen, Demonstration der FDP gegen die Grunderwerbsteuer hier vor der Tür. Das Foto ist aber im Kasten. Insofern wird die Medienarbeit klappen. Das ist Ihr professioneller Job; das sei Ihnen zugestanden.

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD)

Also: Schleswig-Holstein, Kollege Kubicki, Erhöhung auf 5,0 % am 1. Januar 2012 und am 1. Januar 2014 6,5 % Rot-Grün.

Sie sehen, auf 6,0 % oder 6,5 % hat eine ganze Reihe von Ländern die Grunderwerbsteuer erhöht. Und auch wir müssen diese Möglichkeit nutzen. Anders kriegen wir keine fallende Linie in der Neuverschuldung hin, um die vielen Aufgaben, die notwendig und nicht Luxus sind, zu erledigen. Wenn der Bund, was wir anerkennen, im Bereich Hochschulen zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt und wir die Mittel wegen der großen Jahrgänge in den Hochschulen brauchen, müssen wir sie mit 50 % kofinanzieren. Das müssen wir organisieren. Es gibt viele Aufgaben in der Art.

(Zurufe von der CDU)

Insofern ist eine zweite Erhöhung um 1,5 Prozentpunkte in vier Jahren, wie gesagt, nicht schön, aber notwendig.

Ein kleiner Blick über die Nachbargrenzen, weil mich das im Rahmen dieser Debatte interessiert hat. Ich lebe in Aachen. Die Belgier haben eine Grunderwerbsteuer von 10,0 bis 12,5 % – je nachdem, ob man Flandern oder Wallonien betrachtet. Die Niederlande haben 6 % und Luxemburg 7 %, das ganz unten im Süden fast ein Nachbarland für uns ist, und in Luxemburg-Stadt 10 %. Das heißt, unsere Marke ist nicht so exorbitant hoch, dass sie außergewöhnlich wäre.

(Zurufe von der CDU)

Ich habe in den letzten 30 Jahren selber mehrfach Eigentum für die Familie erworben. Es ärgert einen manchmal – das will ich nicht bestreiten –, das bezahlen zu müssen, so wie einen Maklergebühren und Notarkosten ärgern. Objektiv müssen Sie es aber einkalkulieren. Die Zinssituation ist sehr günstig, sodass einen die Erhöhung der Grunderwerbsteuer nicht am Erwerb hindert. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass wir wie die anderen Länder die Möglichkeit nutzen müssen.

Vielleicht eine letzte Anmerkung: Sachsen hat nicht erhöht, sondern hat seine 3,5 % immer gehalten. Aber wenn Sachsen kein Geld mehr von uns und unseren Kommunen aus Nordrhein-Westfalen kriegt, werden sie dieses Instrument auch nutzen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es gibt zwei Dinge, die wir in der Debatte unterscheiden müssen.

(Herr Priggen geht noch einmal ans Rednerpult, weil er seine Notizen vergessen hat.)

– Sie wollen noch Ihre Notizen haben. – Man muss zwei Dinge unterscheiden: zum einen die Erhöhung der Grunderwerbsteuer in der Sache und zum anderen das Verfahren, das Sie gewählt haben, wie Sie die Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes in die politischen Beratungen einbringen.

Ich will noch einmal zurückblenden, weil man durchaus Parallelen erkennen kann. Am 20. Januar 2011 hat die damalige haushaltspolitische Sprecherin meiner Fraktion die Landesregierung gefragt, ob sie die Grunderwerbsteuer erhöhen wolle. Damals hat der Finanzminister dieses Landes gesagt – ich zitiere –: Ich kann Ihnen deutlich sagen, gegenwärtig gibt es keine Pläne, den Grunderwerbsteuersatz zu erhöhen.

Am 19. Mai 2011 haben SPD, Grüne und Linkspartei den Gesetzentwurf zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer eingebracht. Das Wort des Finanzministers hatte damals eine Halbwertzeit von vier Monaten.

Das hat sich jetzt wiederholt. Als wir im Dezember des vergangenen Jahres über den Haushalt dieses Landes gesprochen haben, haben wir Sie, Herr Finanzminister, gefragt, wie Sie die die globale Mehreinnahme von 300 Millionen € erwirtschaften wollen. Das ist auch ein Beitrag zur Haushaltsklarheit, dass man weiß, woher Sie Ihre Einnahmen beziehen.

Ich habe Sie gefragt: Wird das möglicherweise wieder eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer sein? Da haben Sie mit den Schultern gezuckt, und Kollege Martin Börschel hat sich hier ans Pult gestellt und gesagt: Sie, Herr Lindner, immer mit der Grunderwerbsteuer. Das ist ja Haarspalterei.

Dann haben wir im Februar einen Antrag meiner Fraktion beraten: keine Erhöhung der Grunderwerbsteuer in Nordrhein-Westfalen.

Dazu hat der Finanzminister gesagt: „Die Landesregierung hat keine Pläne. Das ist eine Entscheidung des Landtags.“ Kollege Hübner von der SPD-Fraktion hat gesagt: „Es steht aktuell nicht auf der Tagesordnung, und das wissen Sie auch.“ Das war vor der Kommunalwahl. Da stand das nicht auf der Tagesordnung. Da war das Haarspalterei.

Jetzt kam in der letzten Woche der Überraschungscoup: Es gibt doch eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer nach der Kommunalwahl und eine Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses, um das auch möglichst schnell mit möglichst wenig öffentlicher Aufmerksamkeit durch den Landtag zu peitschen. Das ist die Art und Weise, wie Sie in der Sache Finanzpolitik machen: tarnen, tricksen, täuschen! Das ist Ihre Art, mit den Bürgerinnen und Bürgern umzugehen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

In der Sache können wir gerne darüber streiten. Dazu sage ich jetzt gleich etwas. So, wie Sie es jetzt zum zweiten Mal machen – die Erhöhung der Grunderwerbsteuer auszuschließen und es doch zu machen –, zeigt, dass Sie keinen Respekt vor Ihrem Souverän, nämlich den Bürgerinnen und Bürgern, haben. Denen müssten Sie reinen Wein einschenken, was Sie wollen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zur Sache: Norbert Römer stellt sich hier hin und sagt, die SPD sei die Partei der Entlastung der Familien. Es ist die gleiche Sozialdemokratie, die in Regierungsverantwortung im Bund in diesem Jahr verhindert hat, dass das Kindergeld erhöht wird und der Rentenversicherungsbeitrag sinkt. Das ist nicht eine Partei, die Familien entlastet. Es ist eine Partei der Umverteilung und Belastung! Das ist die SPD, die wir kennen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Römer, wie abgehoben haben Sie hier über Familien gesprochen, die vielleicht zum ersten Mal Eigentum erwerben wollen. Sie haben gesagt: Na ja, wenn sich jemand für 300.000 € eine Wohnung oder ein Haus kauft, dann beträgt die Grunderwerbsteuer über die Dauer der Finanzierung 15 € im Monat. Die eigentliche Zahl ist: Bei 300.000 € macht Ihre Erhöhung 4.500 € für die Familie aus. Das sind locker zwei oder drei komplette Monatsgehälter, die eine Familie an den Finanzminister überweisen soll. Das ist eben keine Petitesse!

(Beifall von der FDP, der CDU und Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Jetzt wollen Sie zeitgleich den Erwerb sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer ausnehmen. Es gibt Planungen für eine Bundesratsinitiative, das zu machen. Wird dann der Satz für die privaten Eigentümer – nicht für den sozialen Wohnungsbau – von 6,5 % auf 8 % oder 10 % erhöht, wie es auch diskutiert wird? Denn es sind ja nur 15 € im Monat. Nach dieser Logik könnten es auch 22 oder 25 € im Monat sein. Herr Römer, merken Sie, welche Politik Sie da betreiben?

Sonntags sagt Hannelore Kraft in jeder Rede: Die Schere zwischen den Vermögen in Deutschland geht auseinander. – Heute, an diesem Mittwoch, machen Sie sich daran, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen und damit den Leuten Knüppel zwischen die Beine zu werfen, die sich nach Jahrzehnten harter Arbeit und Sparsamkeit einen bescheidenen Wohlstand aufbauen wollen. Einerseits Verteilungsprobleme beklagen und andererseits diese hervorrufen, das nenne ich soziale Heuchelei!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich erlaube mir, zwei weitere Argumente vorzutragen. Ich komme zum ersten.

Viele sind nur Mieter und sagen: Na ja, dann geht mich das gar nichts an. – Verehrte Damen und Herren auf der Tribüne, Sie geht es ebenfalls etwas an, auch wenn Sie nur Mieter sind; denn dadurch, dass die Möglichkeit, eine Eigentumswohnung zu erwerben, erschwert wird, wird natürlich der Druck auf die Mietwohnungsmärkte höher werden. Da bleibt die Knappheit erhalten. Die Baunebenkosten, die Nebenkosten für den Erwerb, werden mittelfristig immer an die Mieter weitergegeben. Das braucht eine gewisse Zeit.

Sie tun hier so, als würden Sie nur diejenigen belasten, die sich eine Eigentumswohnung oder ein Haus kaufen wollen. In Wahrheit sind Sie die Preistreiber auch am Wohnungsmarkt. Wir brauchen deshalb keine Mietpreisbremse, sondern eine Bremse für die Preistreiber, nämlich für Sie!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Mein zweites Argument gehört zur Vollständigkeit dazu, weil es auch etwas darüber enthüllt, wie Sie Haushalts- und Finanzpolitik machen. SPD und Grüne gerieren sich als die kommunalfreundliche Koalition hier im Land. Bei der zweiten Stufe des Stärkungspaktes war geplant, dass die Kommunen bei der Abundanzumlage um 80 Millionen € entlastet werden.

(Marc Herter [SPD]: Ja!)

– Da sagt Herr Herter: Ja, die werden entlastet. – Wie erklären Sie dann, dass jetzt geplant ist, die Mehreinnahmen für die Kommunen aus der Grunderwerbsteuer genau damit – nämlich mit der zweiten Stufe des Stärkungspaktes – zu verrechnen? Erst sagt Herr Jäger den Kommunen zu, ihnen entgegenzukommen, und jetzt kommt das Revanchefoul an die Kommunalen, weil sie nämlich nicht ihren Anteil an der Grunderwerbsteuer in voller Höhe erhalten.

Das zeigt: Sie sind weder kommunalfreundlich noch machen Sie eine Politik, die dazu führt, dass die Menschen in diesem Land Chancen haben. Das einzige, was wir von Ihnen erleben, ist haushaltspolitische Untätigkeit. Und die laden Sie jetzt auch noch bei den Familien in diesem Lande ab. Das ist schäbig!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Möbius.

Christian Möbius (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir noch einmal die Beiträge der Herren Kollegen Priggen und Römer in Erinnerung rufe, muss ich fast schon feststellen, dass es entschuldigende Beiträge zu einem Gesetzentwurf waren, den die beiden Fraktionen hier im Landtag eingebracht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzentwurf – ich beschränke mich auf den finanzpolitischen Teil; gleich wird noch etwas zum sozialpolitischen Teil zu sagen sein – zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer zeigt in mehrfacher Hinsicht das Scheitern dieser Landesregierung in der Haushalts- und Finanzpolitik. Wer in Zeiten höchster Steuereinnahmen und niedrigster Zinsen die Steuern weiter erhöht, hat jede finanzpolitische Glaubwürdigkeit verloren.

(Beifall von der CDU)

Wer den Bürgern in Zeiten bester Einnahmen erneut mit Steuererhöhungen noch weiter in die Tasche greift, macht deutlich, wie hilf- und planlos er in der Finanzpolitik ist. Eine solide und stabilitätsorientierte, verlässliche Finanzpolitik sieht anders aus. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben bis heute nicht begriffen, dass Haushaltskonsolidierung vor allem auf der Ausgabenseite stattfinden muss. Doch dazu fehlt Rot-Grün schlicht und ergreifend der Mut.

Auch die Verabschiedung dieses Gesetzes wird nicht reichen, um die Schuldenbremse im Jahre 2020 zu erreichen. Es bedarf vielmehr einer nachhaltigen Konsolidierung des Haushaltes. Hektische Aktionen wie eine sofortige Haushaltssperre und plötzlich eingebrachte Steuererhöhungsgesetze fördern nicht das Vertrauen in solide Haushaltspolitik. Umsichtiges und planvolles Handeln sieht anders aus.

Da passt es ins Bild – Kollege Lindner hat es eben erwähnt –, dass SPD und Grüne noch vor den Kommunalwahlen im Mai vehement bestritten haben, dass es zu einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer kommen wird. Noch im August 2014 teilte der Finanzminister in den Drucksachen 16/6530 und 16/6648 mit, dass er für das Haushaltsjahr 2015 von einem Steuersatz von 5 Prozentpunkten bei der Grunderwerbsteuer ausgeht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn zwei Monate später dann doch an der Steuerschraube gedreht wird, zeigt sich hier ein glatter Wortbruch von Rot-Grün. Und das trägt im Übrigen auch zur Politikverdrossenheit in diesem Lande bei.

(Beifall von der CDU)

Im Übrigen ist es alles andere als ein Vertrauensbeweis für den Finanzminister, wenn die regierungstragenden Fraktionen mitten in den Haushaltsberatungen für das Jahr 2015 einen solchen Gesetzentwurf einbringen. Das heißt doch nichts anderes, als dass die Fraktionen von SPD und Grünen dem vom Finanzminister vorgelegten Zahlenwerk schlicht und ergreifend nicht trauen, vielleicht auch zu Recht. Vielleicht ist bei SPD und Grünen die Einsicht gereift, dass die Steuereinnahmen mal wieder zu hoch und die Ausgaben zu niedrig angesetzt sind.

Dennoch ist der Schritt, die Bürger durch Steuererhöhungen zu schröpfen, in mehrfacher Hinsicht falsch. Steuererhöhungen sind Gift für private Investitionen und unternehmerisches Handeln. Das wirft NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern weiter zurück. Es ist einfach ein Standortnachteil, wenn Nordrhein-Westfalen die höchste Grunderwerbsteuer aller Bundesländer hat. Wie wollen Sie denn den Wettbewerb mit allen anderen Bundesländern bestehen? Mit den höchsten Steuern, wie Sie es planen? Mit einem bürokratischen Tariftreue- und Vergabegesetz, mit dem Klimaschutzgesetz oder dem investitionsfeindlichen Landesentwicklungsplan? Das kann doch wohl nicht wahr sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit 2011 hat Rot-Grün die Steuersätze bei der Grunderwerbsteuer fast verdoppelt. Das ist ein Anschlag auf stabile Rahmenbedingungen in unserem Bundesland. Sie betreiben eine wachstumsschädliche Politik und dürfen sich nicht wundern, wenn unser Bundesland im Vergleich zu anderen Bundesländern immer weiter zurückfällt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann braucht man sich auch nicht öffentlichkeitswirksam zu beklagen, wenn Nordrhein-Westfalen seine Position als Bittsteller im Länderfinanzausgleich verfestigt. Die Probleme, die wir haben, sind hausgemacht, und die Verantwortlichkeit liegt in Nordrhein-Westfalen, und zwar bei dieser Landesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon ein Treppenwitz, wenn in Berlin über Steuerentlastungen durch die Abschaffung der kalten Progression diskutiert wird, Rot-Grün in Düsseldorf aber den Menschen das Geld aus der Tasche zieht. Auch internationale Organisationen wie zum Beispiel die EZB oder die OECD fordern von Deutschland eine Entlastung der Arbeitnehmer zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur. Nun macht Rot-Grün in Düsseldorf genau das Gegenteil. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist reine Voodoo-Ökonomie von Rot-Grün.

Wir fordern Sie auf, endlich mit einer soliden Konsolidierung des Haushaltes zu beginnen. Hören Sie auf, die Bürger zu schröpfen, und stoppen Sie Ihre finanzpolitische Geisterfahrt! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Möbius. -Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Wir reden hier über eine 30%ige Steuererhöhung im Bereich der Grunderwerbsteuer, vorgetragen von Rot-Grün.

Jetzt könnte man, Herr Kollege Lindner oder Herr Kollege Möbius, natürlich fragen: Ja, was passiert hier eigentlich? Springen jetzt die regierungstragenden Fraktionen ihrem Finanzminister ins Kreuz oder helfen sie ihm, oder was passiert hier eigentlich vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der Finanzminister dieses Landes im Verlaufe des ganzen Jahres immer wieder betont hat, dass die Bemühungen des Landes zur Konsolidierung des Haushalts auch unabhängig von der Frage der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Münster auf einem guten Weg seien und man auch auf einem guten Weg zur Konsolidierung des Haushalts auch ohne solche Steuererhöhungspläne sei?

Jetzt können Sie natürlich, liebe Fraktionen von SPD und Grünen, schlecht Ihren Minister einen Gesetzentwurf nach vorne tragen lassen, der immer gesagt hat: Nein, solche Pläne gibt es nicht. – Vielleicht hat er ja von den Plänen nichts gewusst, die Sie möglicherweise die ganze Zeit schon in der Schublade hatten.

Fakt ist jedenfalls, dass diese Pläne jetzt hier schwarz auf weiß vorliegen und zu nichts anderem führen als zu der äußerlichen Annahme, dass die Landesregierung und auch die sie tragenden Fraktionen im Hinblick auf die Haushalts- und Finanzpolitik des Landes von permanenter Panik getrieben sind – Panik, die, was die Konsolidierung des Haushaltes angeht, offenbar der Erkenntnis folgt, dass die Haushaltssperre, aus deren Folgen im Moment nicht mehr herausgekommen ist als Wassertrinken in der Staatskanzlei und eine Erhöhung der globalen Minderausgabe um 100 Millionen €, nicht ausreicht, um die Defizite und die Fehlkalkulationen in der Haushaltspolitik auszugleichen.

(Reiner Priggen [GRÜNE] schüttelt den Kopf.)

– Selbstverständlich! Schütteln Sie ruhig mit dem Kopf, Herr Priggen. – Fakt ist jedenfalls, dass der Kollege Römer in der Presseerklärung zur Begründung dieser Grunderwerbsteuerinitiative gesagt hat, dass damit der Haushalt konsolidiert werden soll. Das haben Sie so gesagt.

Mit einer Mehreinnahme von schätzungsweise 400 Millionen € – es können ein paar Euro mehr sein, es können ein paar weniger sein; das hängt davon ab, wie viele Grundstücke, Gebäude, Wohnungen gekauft werden – soll also das Defizit dieses Landes, welches überwiegend struktureller Natur ist, ausgeglichen werden. Etwas, was auch konjunkturell abhängig ist, soll etwas strukturell Defizitäres ausgleichen – und das nicht nur in diesem Jahr,

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

nicht nur im nächsten Jahr, sondern natürlich à la longue, also über die nächsten x Jahre. Jedes Jahr sollen 400 Millionen Mehreinnahmen in den Landeshaushalt fließen. Wenn wir das einmal nachrechnen, zeigt sich, dass damit die Mehrausgaben im Bereich der Beamtenbesoldung annährend ausgeglichen sein können. Mehr ist es nämlich nicht.

Das heißt, diese strukturellen Mehrausgaben – strukturell natürlich dann bei der Grunderwerbsteuer – werden durch die Mehreinnahmen kompensiert, aber eine Konsolidierung des Haushalts und somit ein Abbau des strukturellen Defizits insgesamt wie auch der Nettoneuverschuldung finden dadurch auf keinen Fall statt.

Ich frage mich, wem Sie das vor dem Hintergrund der Behauptung, dass diese Grunderwerbsteuererhöhung eine Konsolidierung des Landeshaushalts bedeuten wird, vorrechnen wollen. Ich bin gespannt, wie das in den Beratungen begründet werden wird. Diese Beratungen beginnen hier und heute. Bereits morgen findet eine Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses statt, in der ganz schnell die Anhörung durchgezogen werden soll, damit das Gesetz …

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] und Marc Herter [SPD]: Nein, beschlossen!)

– Ja, okay, … beschlossen werden soll, damit sie alsbald durchgezogen werden kann.

(Marc Herter [SPD]: Details, Details!)

Somit kann das Gesetz noch in diesem Jahr durchgepeitscht werden, damit es in der Vorweihnachtszeit möglichst unter dem Radar der Bevölkerung durchfliegt. Denn die Bürger müssen zusehen, dass sie die Geschenke noch einigermaßen zusammenbekommen. Denn nächstes Jahr können sie sich diese aufgrund der Rechenbeispiele, die hier genannt werden, möglicherweise nicht mehr leisten. So sieht es nämlich unter dem Strich aus.

Jetzt kommt noch Folgendes hinzu: Ich verstehe es, wenn die regierungstragenden Fraktionen keine anderen Ideen haben, als in genau diesem Bereich die Steuern zu erhöhen. Dann frage ich mich aber, liebe SPD und liebe Grünen: Wo bleibt eigentlich die letztes Jahr von Ihnen so großartig und vollmundig angekündigt Initiative, die Steuerschlupflöcher zu schließen?

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wir?)

– Ja, Sie. Den Antrag haben wir vorliegen. Das wurde hier im Parlament beschlossen. Wo bleiben denn die Bemühungen um das Schließen der Lizenzboxenmöglichkeit? – Bleiben wir einmal themenbezogen:

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wo bleiben denn Ihre Bestrebungen, im Bund oder auf Landesebene Ausnahmen zu schaffen, von mir aus auch sozialgerecht? Wo bleiben bitte schön Ihre Bemühungen auf Bundesebene, nach dem Grunderwerbsteuergesetz entsprechende Schlupflöcher zu schließen, die die Möglichkeiten von RETT-Blocker-Systemen, grunderwerbsteuerneutralen Share Deals etc. verbauen? – Nichts dergleichen ist zu hören. Nirgendwo im Land hört man von der SPD oder von den Grünen irgendwelche Bestrebungen dieser Art.

Solange das so ist, können wir nur sagen: Ob die Grunderwerbsteuer vonseiten der Landesregierung zur Rettung des Abendlandes und des Landes Nordrhein-Westfalen nun um 1 %, 1,5 % oder 2 % angehoben werden soll, mag am heutigen Tag dahingestellt sein. Fakt ist jedenfalls: Eine Einnahmenverbesserung in maßgeblicher Art und Weise findet hierdurch nicht statt. Was hier jedoch sehr wohl stattfindet, ist die Erkenntnis der Bürger, dass diese Landesregierung zu nichts anderem in der Lage ist, als gerade diejenigen, die es sich tatsächlich nur schwerlich leisten können, zusätzlich zu belasten, ohne die Großinvestoren tatsächlich zu belasten. Fangen Sie doch erst einmal an, die großen Investoren auf dem Immobiliensektor so zu besteuern, dass es zu einer Besteuerung in dieser Art und Weise nicht mehr kommen muss.

Fangen Sie an, beim Grunderwerbsteuergesetz auf der Bundesebene initiativ zu werden. Wenn wir dort sind, können wir vielleicht auch über eine allgemeine Grunderwerbsteuererhöhung in Nordrhein-West-falen reden. Denn dann können so viele Ausnahmen zulasten der Investoren, der sogenannten Immobilienhaie etc., geschaffen werden, dass die Diskussion, die in den nächsten Wochen hier stattfinden wird, in dieser Weise nicht stattfinden müsste. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schulz. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Dr. Norbert Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute hat man den Eindruck, dass alles mit allem zusammenhängt.

(Zurufe: Ja!)

Wir hätten alle Punkte in einem zusammenfassen können. Deswegen mache ich auch dort weiter, wo ich vorhin aufgehört habe.

(Zurufe)

Ich möchte Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen …

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

– Ich fände es ganz gut, wenn Sie nicht so weitermachen würden, wenn Sie nicht immer dazwischenrufen würden. Vielleicht kann ich dann einmal im Zusammenhang vortragen.

Ich habe heute schon einmal davon gesprochen, dass Nordrhein-Westfalen mit deutlichem Abstand zum Durchschnitt der westlichen Flächenländer die niedrigsten Ausgaben und den sparsamsten Haushalt hat. 5,6 Milliarden € könnte dieses Land Jahr für Jahr mehr ausgeben, wenn es auf denselben Ausgabendurchschnitt der übrigen westdeutschen Flächenländer kommen wollte.

Das ist nicht einfach nur eine dahingesagte Zahl. Diese Zahl erzeugt eine Vorstellung davon, welche Investitionsmöglichkeiten die anderen Länder in all den Bereichen haben, in denen Sie, sofern Sie einmal konkret werden, einen konkreten Mangel beschreiben. Einsparmöglichkeiten kommen doch von Ihnen immer nur pauschal. Was aber konkret in der Zeitung steht, ist Ihrer Meinung nach ein Mangel. Das ist das, wo Sie mehr verlangen. Sie verlangen mehr für die Beamten, Sie verlangen mehr Personal in den Finanzämtern, Sie wollen mehr Geld für Inklusion, Sie wollen die Polizei stärken, Sie wollen mehr für die Kommunen. In all diesen Bereichen wollen Sie mehr, und das wäre alles gut erklärbar, wenn beispielsweise Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt der Ausgabenstrukturen der westdeutschen Länder läge. Ich rede nicht von den ostdeutschen Ländern, aber ich ergänze es gerne: 15 Milliarden € stünden uns mehr zur Verfügung, wenn wir im durchschnittlichen Ausgabenbereich der ostdeutschen Länder lägen.

Das heißt, man merkt diesen Unterschied. Machen wir uns nichts vor: Das sind doch Punkte, anhand derer allen deutlich werden muss, und zwar auch den Menschen, mit denen Sie sich oft zusammensetzen und die wir genauso gerne und häufig treffen, nämlich die als Unternehmerinnen und Unternehmer tätigen, die uns immer wieder darauf hinweisen, dass ein Landeshaushalt nicht nur aus der Senkung von Ausgaben besteht, sondern auch aus der Erledigung von Aufgaben und aus dem Ausgeben an Stellen, die der Zukunft der Wirtschaft in diesem Land und damit der Menschen insgesamt auch Rechnung tragen.

5,6 Milliarden € sind alles andere als etwas, was nach einer hausgemachten Ausgabenproblematik aussieht. Das ist zwar Ihre Gebetsmühle, aber jeder, der sich diese Zahlen ernsthaft anguckt, weiß, dass das eine vorgeschobene Argumentation ist. Denn es ist die einzige, mit der Sie glauben, noch irgendwo punkten zu können.

Deswegen muss man einmal ganz klar deutlich machen: Man kann auch in einem Haushalt, der die niedrigsten Ausgaben pro Kopf hat, immer noch untersuchen, was man günstiger machen kann. Man kann immer noch untersuchen, worauf man verzichten kann. Man kann das nicht nur, sondern man muss das auch tun. Und das machen wir auch. Aber das ist eine relativ dünne Schicht, die Sie im Vergleich zu anderen Ländern an der Stelle identifizieren können.

Deswegen muss man ganz klar sagen: Ein so aufgestellter Haushalt hat für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben ein Einnahmeproblem. Da können Sie sagen, was Sie wollen, aber das ist ein Einnahmeproblem in diesem Landeshaushalt. Das hätte ich gerne als Erstes noch anders gelöst. Ich hätte es gerne gelöst,

(Ralf Witzel [FDP]: Lohnsteuereinnahmen!)

indem die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ein Stück fairer wiedergeben würden, wie die Situation in Nordrhein-Westfalen und in anderen Ländern ist. Ich hätte mir gewünscht, dass die Strukturwandelfolgen, die das Land in Zeiten ohne „Soli“ mit einer Belastung durch Zinsen und Kredite getragen hat, anders abgewickelt und übernommen werden könnten, als dies im Moment der Fall ist.

Eine kleine Beispielrechnung: Wenn die Umsatzsteuer genauso betrachtet würde wie alle anderen Steuereinnahmen – und zwar pro Kopf in der Bundesrepublik gleich, gar nicht nach unterschiedlicher Kaufkraft gewichtet, die uns gegenüber dem Osten zugutekäme – und in den Topf der gesamten Steuereinnahmen gesteckt würde, dann hätte Nordrhein-Westfalen von heute auf morgen einen Status als Geberland und müsste jedes Jahr 400 Millionen € abgeben, statt 700 Millionen € zu bekommen. Es bekäme keine Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 350 Millionen €; die wir jetzt bekommen,

(Zuruf von der CDU: Hätte, hätte, Fahrradkette!)

und es hätte trotzdem einen Haushalt, der um 860 Millionen € besser dastünde als heute. Das wäre dann ein Schritt, nach dem man darüber nachdenken könnte, jetzt die Aufgaben des Landes zu erfüllen und gleichzeitig dem Verfassungsgebot der Schuldenbremse nachzukommen.

Ich würde mir wünschen, dass es so geht. Aber wir alle wissen, das ist ein langer Prozess, und auch andere Punkte wie Regionalisierungsmittel und Eingliederungshilfe, die teilweise oder zum großen Teil an die Kommunen weitergeleitet werden, brauchen eine Zeit.

Trotzdem habe ich vor dem Hintergrund dieses Wissens, dass es längerfristiger und wohl auch streitiger Diskussionen bedarf, um etwas zu ändern, Haushaltspläne – ich kann nur bestätigen, was zum 2015er-Haushalt gesagt worden ist – ohne eine Grunderwerbsteuererhöhung aufgestellt. In diesem sind Grunderwerbsteuereinnahmen in Höhe von 5 % enthalten. Es ist auch so in der mittelfristigen Finanzplanung.

Und die 300 Millionen €, lieber Herr Lindner, sind nicht jetzt eingestellt worden, sodass Sie hätten vermuten können: Aha, das ist die Grunderwerbsteuer. – Das haben Sie auch schon im Vorjahr gefragt. Wir haben schon seit Jahren 300 Millionen € globale Mehreinnahme eingestellt, und diese globale Mehreinnahme ist auch immer erzielt worden. Ich sage Ihnen: Auch die globale Mehreinnahme, die jetzt im Haushalt steht, ist keine globale Mehreinnahme, die zur Voraussetzung hat, dass die Grunderwerbsteuer erhöht wird. Deswegen ist dieser Zusammenhang, den man gerne herstellt, falsch.

Zweiter Punkt. Sie sagen, die 15 € pro Monat, die Norbert Römer vorgerechnet hat, seien nicht zulässig. Es seien 4.500 €. Diese 4.500 € gehören genauso wie die 300.000 € für das Häuschen oder für die Wohnung in das, was finanziert und über Jahrzehnte abbezahlt wird. Und wer das anders darstellen will und sagt, das seien zwei Monatsgehälter, der muss dann auch sagen, dass es 150 oder 140 Monatsgehälter sind, die die Wohnung kostet, und dann müssten Sie sagen, das sei gar nicht finanzierbar. Natürlich ist das Gegenstand der Gesamtfinanzierung einer Immobilie.

Ich darf auch daran erinnern: Eine Immobilie ist beispielsweise umsatzsteuerfrei. Es gibt viele Dinge für junge Familien, die wichtig sind, die zu den Grundlebensbedürfnissen gehören. Bei diesen sind 7 % Mehrwertsteuer als ermäßigter Satz normal, und das ist sogar das, was bei Ihnen die Zielvorstellung für Hotels war. Immer wieder darüber zu reden, das sei prohibitiv, dann könne sich die junge Familie diese Investition nicht mehr leisten, ist doch an den Haaren herbeigezogen.

Wenn man dann noch kommt und sagt, das sei nicht kommunalfreundlich, dann muss man sich vielleicht vergegenwärtigen, wie diese vier Siebtel entstanden sind. Damals ist die Grunderwerbsteuer, die einst 7 % betrug, auf 2 % gesenkt worden und später ist sie länderweit auf 3,5 % erhöht worden, also von 2 auf 3,5 %. Und damit die 2 %, die in der Verbundmasse für die Kommunen waren, beibehalten werden konnten, hat man gesagt: 2 von diesen 3,5 % bleiben in der Verbundmasse. 2 von 3,5 sind – wer bruchrechnen kann, wird es nachvollziehen können – vier Siebtel.

Dann kam Schwarz-Gelb. Dann hat Schwarz-Gelb gesagt: Was haben wir damit zu tun, dass die 2 % ursprünglich in die Verbundmasse für den kommunalen Anteil geflossen sind? Damit machen wir jetzt das, was wir anschließend als Plakat draußen hinhängen können: Wir haben den Landeshaushalt konsolidiert. – Dann haben Sie ihnen neben den 130 Millionen € noch weitere 170 Millionen € abgenommen. Dann waren es 300 Millionen €, und dann haben Sie gesagt: Guckt mal, wie toll wir das machen mit dem Landeshaushalt. – Das war Ihre Kommunalfreundlichkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was haben wir gemacht? – Als wir von 3,5 % auf 5 % erhöht haben, haben wir nicht gesagt: Jetzt sind 2 von 5 % in der Verbundmasse, sondern: Es sind die vier Siebtel der gesamten 5 %. – Das war schon ein deutliches Mehr. Das Gleiche gilt jetzt wieder. Mit diesem Anteil wird auch ein Teil des Stärkungspaketes, ein Teil der kommunalen Solidarität finanziert. Das als kommunalfeindlich darzustellen, obwohl Sie hingegangen sind und auch noch die 2 % aus der Verbundmasse genommen haben, ist schäbig.

(Beifall von der SPD – Christian Möbius [CDU]: Wie Ihr Auftritt heute!)

Und dann kommt wieder die alte Leier. Herr Möbius, Sie sind heute nicht der Erste gewesen, der mit den sprudelnden Steuern und Rekordsteuereinnahmen kommt. Mittlerweile brauchen Sie nur noch Kabarettsendungen im Fernsehen einzuschalten. Das ist durch, dass in 58 von 60 Jahren die Steuereinnahmen auf Rekordhöhe waren.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Es können auch 52 gewesen sein. Jemand hat es einmal in einer solchen Kabarettsendung schön formuliert und gesagt: Ich erreiche jedes Jahr ein Rekordalter. – Was schließen wir daraus? Genauso machen Sie das mit den Rekordsteuereinnahmen, wenn eine Wirtschaft wächst.

Wenn Sie dann noch sagen: „Wie kann er es trotz der niedrigen Zinsen, die wir jetzt haben, nicht schaffen, den Haushalt zu konsolidieren?“, dann kann ich nur noch einmal wiederholen, was ich heute schon gesagt habe:

Es gibt Länder, die überhaupt keine Zinsen oder kaum Zinsen bezahlen. Warum? – Weil wir dazu beitragen, dass sie keine Schulden aufnehmen müssen. Sie stellen doch immer die acht Länder vor, die einen ausgeglichenen Haushalt haben. Dann gucken Sie sich doch mal sieben von denen genau an! Ihnen scheint offenbar die Frage, warum jemand keine Schulden macht, überhaupt nicht mehr wichtig zu sein. Hauptsache, er macht keine. Das ist sträfliche Vernachlässigung dessen, was Länder an Aufgaben haben und wie sie fair und gerecht die Einnahmekraft, die sie haben, untereinander verteilen.

In diesem Zusammenhang ist der Vorstoß, an dieser Stelle den einzigen wirklichen Hebel, den das Land hat, zu nutzen, verträglich für diejenigen für die Investition, die da vorgenommen wird, und in der Gegenrechnung zu dem, was Norbert Römer gesagt hat, was an Entlastung von Familien bei Kindergärten, bei Studiengebühren genau auf die bezogen, die auch Kinder haben, geleistet wird, nicht nur ein zulässiger, sondern ein hilfreicher und auch ein sinnvoller Beitrag, Konsolidierung zu verbinden mit zusätzlichen Einnahmen, um damit die Aufgaben des Landes auch zu erfüllen.

Herzlichen Dank. Ich bitte darum, diesem Vorstoß zuzustimmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Droste.

Dr. Wilhelm Droste (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme nicht ganz umhin, Herr Römer, mich noch einmal an Sie zu wenden, bezogen auf Ihr Eingangsstatement. Ich gebe zu, es entbehrt nicht einer gewissen Satire und Komik, dass Sie Ihren Redebeitrag damit einleiten, als Schutzpatron Herrn Bouffier aus Hessen anzurufen.

Mein freundlicher Rat an Sie ist: Sie sollten sich mal darum kümmern, was Ihr Fraktionskollege Schäfer-Gümbel dazu gesagt hat! Das gehört ja vielleicht auch zur Wahrheit und zur Geschichte. Ich darf Ihnen das mal vorhalten. Das müssen Sie jetzt aushalten:

Mit der Erhöhung der Grunderwerbsteuer verlässt die schwarz-grüne Regierung den ausgewogenen Pfad der Finanzpolitik. Eine derart hohe Grunderwerbsteuer trifft besonders die kleinen Bürger und Handwerker, die sich an der Schwelle dazu befinden, überhaupt Wohnungseigentum zu erwerben, oder die kleinen Betriebe, die investieren wollen.

So Ihr Fraktionsvorsitzender Schäfer-Gümbel. Ich weiß, dass Sie sich, wenn es Ihnen beliebt, auch von Ihren eigenen Genossen ein wenig entfernen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das gilt für Sie!)

Das nur so weit zu Ihnen.

(Marc Herter [SPD]: Schäfer-Gümbel oder Bouffier? – Weitere Zurufe von der SPD)

Es gehört zu meinen …

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

– Darf ich jetzt weitermachen? Sind Sie fertig? – Es gehört zu meinen Angewohnheiten, mir an jedem Morgen – irgendwie ist meine innere Uhr danach gestellt – um fünf vor sechs die Morgenandacht im WDR anzuhören, fünf Minuten vor den Nachrichten. Vorgestern war das ein Beitrag der Evangelischen Kirche, die Hannelore Kraft und ihre politische Arbeit vorgestellt hat.

(Marc Herter [SPD]: Letzten Montag war das, Herr Droste, und nicht vorgestern!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Droste möchte, dass es im Plenarsaal etwas ruhiger ist. Ich bitte Sie alle, dazu beizutragen. Er fühlt sich durch die Zwischenrufe gestört.

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Droste, Sie haben das Wort.

Dr. Wilhelm Droste (CDU): Hannelore Kraft betonte: Ich bin in die Politik gegangen, damit es in diesem Land sozial gerechter zugeht.

(Zuruf: Das ist ein guter Grund!)

Ich frage Sie: Was gibt es Gerechteres, als Menschen jede Hilfe zu gewähren, Eigenheime zu erwerben? Das bedeutet nicht nur Vermögensbildung, sondern es gibt den Menschen Selbstwertgefühl und auch Stolz: Das ist meins; ich habe etwas Bleibendes geschaffen.

Ich darf Ihnen sagen – auch das wird Sie wahrscheinlich wieder provozieren –: Ich erlebe jeden Tag in meiner beruflichen Praxis, wie Menschen stolz und dankbar sind, wenn es ihnen gelungen ist, eine Finanzierung aufzubauen, ihre Mittel zu überprüfen, um dann einen Kaufvertrag zu unterschreiben und zu sagen: Wir haben etwas geschaffen.

(Zurufe von der SPD)

Herr Walter-Borjans – er ist leider jetzt nicht mehr da; es ist wohl nicht von großem Interesse –, ich kann nur sagen: Es ist fast zynisch, wenn man diesen Leuten das vorrechnet. Ich bekomme das wirklich hautnah mit, wie kalkuliert wird. Zu sagen: „Die paar Euro obendrauf machen es im Ergebnis nicht  – das können nur Leute sagen, die nie so rechnen mussten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Logik Ihres Gesetzesvorhabens ist ganz einfach und billig. Die Logik ist: Sparen wollen wir nicht. Wir erhöhen die Steuern. – Sie gehen davon aus, dass Sie das Geld den Menschen wegnehmen, die ohnehin zu viel haben. Oder wie hat es Ihr ehemaliger Kanzlerkandidat Peer Steinbrück einmal ausgedrückt im Rahmen seiner Kanzlerkandidatur? – Höhere Steuern gibt es nur für einige, nämlich für die Reichen.

Ihre Logik ist ganz einfach: Derjenige, der willens und in der Lage ist, ein Eigenheim zu bauen, muss nach Ihrer Logik reich sein. Genau das ist Ihr Denkfehler. Das ist Ihre sozialpolitische Fehlleistung.

(Beifall von der CDU)

Ich rufe Ihnen zu: Über 60 % aller privaten Wohnungs- und Hauskäufe liegen unter 300.000 €! Über 60 %!

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mostofizadeh zulassen?

Dr. Wilhelm Droste (CDU): Gerne, bitte.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Dr. Droste, es fällt mir schwer, das so hinzunehmen. Aber können Sie bitte belegen, was Sie eben gesagt haben? Welcher Redner von SPD und Grünen hat in diesem Plenum oder möglicherweise auch in einer Pressemitteilung behauptet, dass diejenigen, die sich ein Haus leisten können, reich sind und man ihnen deswegen das Geld abnehmen muss?

Dr. Wilhelm Droste (CDU): Ich habe das aus der Logik Ihres Parteivorderen Peer Steinbrück abgeleitet, der gesagt hat:

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Meines?)

Steuern werden nicht erhöht. – Das hat er im Rahmen seiner Kanzlerkandidatur erklärt. Sie müssen nur zuhören. Wenn Sie nebenbei babbeln, kriegen Sie das nicht mit!

(Beifall von der CDU)

Das ist das Problem. Dafür gebe ich Ihnen aber gleich noch ein besonderes Auditorium.

Ich sage Ihnen nur: Mit dieser Steuer fügen Sie die wirklichen Schmerzen den Leuten zu, für die Sie eigentlich vorgeben, eine Schutzpatronin zu sein, Frau Kraft – nämlich den Leuten, die früher davon geträumt haben, ein Eigenheim zu haben, und es sich nicht leisten konnten, weil wir Baufinanzierungszinsen von 5 %, 7 % oder mehr hatten. Diese Leute sind heute in die Situation gekommen, sich überhaupt ein Eigenheim leisten zu können – sie sind, wenn man das so sagen darf, die kleinen Gewinnler des Konjunktureinbruchs –, weil die Zinsen so weit unten liegen. Nur auf diesem historischen Tiefstand der Zinsen können sie sich das leisten.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, es liegt eine weitere Zwischenfrage vor, und zwar von Frau Kollegin Beer.

Dr. Wilhelm Droste (CDU): Ich möchte jetzt zu Ende ausführen. Das kann sie auch zum Schluss erledigen.

Diese Leute kalkulieren genau. Ich erlebe das tagtäglich. Gerade wurde zynisch von den paar Euro obendrauf gesprochen. Hier wird mit Überstunden, die abgeleistet werden, mit Urlauben, die man ausfallen lässt, und Ähnlichem mehr kalkuliert. Das beschäftigt die Menschen, weil sie ihren großen Traum verwirklichen wollen.

(Beifall von der CDU)

Und Sie sagen hier zynisch: „die paar Euro obendrauf!“ Am besten empfehlen Sie ihnen noch, sie sollten mit dem Rauchen aufhören; dann hätten sie die 15 €.

(Zuruf von Jens Geyer [SPD])

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich kann nur Folgendes sagen: Den Leuten, die so rechnen müssen und die auch die Zinsen einkalkuliert haben, laden Sie jetzt diesen Mühlstein der Steuererhöhung auf – von den wirtschaftlichen und konjunkturellen Schwierigkeiten, die die Bauindustrie dadurch bekommt, ganz zu schweigen.

Ich sage in diesem Zusammenhang noch eines – das sage ich auch im Rückblick auf den letzten Kommunalwahlkampf hier in Düsseldorf –: Wie ich mich noch gut erinnern kann, war eine der ganz wichtigen Aussagen des Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten, der die Wahl im Ergebnis auch gewonnen hat – diese Aussage hat er auf der EXPO REAL in München vor wenigen Tagen auch noch einmal vorgetragen –: Wir werden in Düsseldorf bezahlbaren, günstigen Wohnraum für kleine Leute schaffen.

(Minister Guntram Schneider: Sehr richtig!)

Wenn das heute Ihr Beitrag dazu war: Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von der CDU)

Herr Römer, ich gebe unumwunden zu, dass ich fast Respekt für Ihr heutiges Auftreten empfunden habe. Zum ersten Mal habe ich gesehen, dass Sie sich hierhin gestellt haben und diesen Gesetzentwurf gar nicht erst vorgestellt haben, sondern sich direkt entschuldigt haben, bevor man Sie überhaupt angegriffen hat. Ich sage Ihnen nur: Lassen Sie das sein! Was Sie da machen, ist zutiefst unsozial. Es ist auch nicht gerecht.

Frau Ministerpräsidentin, deswegen möchte ich noch einmal die Worte Ihrer Morgenandacht – „das Land gerechter machen“ – aufnehmen. Glauben Sie es mir: Es ist das höchste Glück von Menschen, ein Eigenheim zu haben.

(Lachen von den GRÜNEN)

– Sie mögen darüber lachen. Sie lachen aber über Ihr eigenes Klientel, das Sie vermeintlich haben. Sie haben es lange nicht mehr. Mich ärgert es einfach, wie zynisch diese Debatte geführt wird.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Glauben Sie es mir: Darüber wird in diesem Land geredet. Sie ahnen nicht, wie sich das auswirkt. Noch einmal: Sie meinen, ein Klientel zu treffen, das möglicherweise mehr im Bereich rechts von Ihnen angesiedelt ist. Ich sage Ihnen nur: Die wirklich Reichen jucken die paar Euro, um es im Sinne von Herrn Walter-Borjans zu formulieren, wirklich nicht. Die juckt das nicht. Aber die Menschen, die rechnen müssen – das sind Sie offenbar nicht –, juckt es aber. Die schmerzt es. Diese Menschen treffen Sie. Das werden Sie auch erleben. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Droste, bitte bleiben Sie noch einen Moment hier. Es liegt eine Kurzintervention der Frau Abgeordneten Beer vor.

Dr. Wilhelm Droste (CDU): Gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Beer, bitte schön.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kollege Droste, ich finde es schon erstaunlich, in welch selektiver Art und Weise Sie Debatten wahrnehmen. Wenn Sie hier von Gerechtigkeitsfragen sprechen, hätten Sie eigentlich das einbeziehen müssen, was diese Landesregierung gerade für Familien mit Kindern leistet. Die Entlastungen bei Kitabeiträgen und die Entlastungen durch das Aufheben der Studiengebühren kommen Familien mit Kindern in diesem Land jeden Monat zugute. Bitte beziehen Sie das dann auch ein, anstatt hier den Weihrauch über Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit zu verbreiten! Ich finde Ihren Beitrag hier vollkommen daneben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Dr. Droste, bitte schön.

Dr. Wilhelm Droste (CDU): Jetzt nenne ich Ihnen nur einmal ein Beispiel. Es wurde mir eben von einem Kollegen zugerufen. Das mag ja alles sein mit dem Weihrauch, den Sie da verstreuen. Das sind ja große politische Vorgaben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Sie haben den Weihrauch verstreut!)

Ich sage Ihnen aber einmal, wozu es führt. Der Apotheker selbst zahlt zwar keine Studiengebühren. Seiner pharmazeutisch-technischen Assistentin haben Sie aber die Mittel für die entsprechenden Schulungen gestrichen. Sie zahlt jetzt dafür, obwohl sie nur einen Bruchteil dessen verdient, was der Apotheker verdient. Das, was Sie machen, ist nicht sozial gerecht; das ist bekloppt!

(Anhaltender lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Droste. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Herter.

Marc Herter (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Priggen hat hier gerade den Gesetzentwurf mit den Worten eingebracht: Das ist nicht schön, aber es ist nötig. – Das ist wohl so. Es ist nötig, weil neben einer strengen Ausgabendisziplin, neben dem Konsolidierungspfad auf der Seite der Ausgaben auch Einnahmeerhöhungen notwendig sind.

Diese Weisheit wird übrigens nicht allein von uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und als Grünen vertreten, sondern – Herr Römer hat das deutlich gemacht – auch in anderen Länderparlamenten mit anderer Farbgebung der Regierung vonseiten der Regierung und der sie tragenden Fraktionen.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber nicht so brutal!)

Und mehr noch, Herr Witzel: Auch die hiesige Opposition vertritt diese Meinung. Alle Haushaltsanträge, die großen Alternativentwürfe von Herrn Optendrenk, enthielten nämlich neben Ausgabebeschränkungen – das waren übrigens pauschale Kürzungen über alle Förderhaushalte; ich will mich hier gar nicht darüber auslassen, wer wohl davon betroffen ist, wenn Sie im Bereich von OGS, Kita usw. kürzen, ob das nicht vielleicht die gleichen Familien sind, deren Hohes Lied Sie hier gerade singen –

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

auch Einnahmeerhöhungen! Sie erzählen uns, Studiengebühren und Kitagebühren für das letzte Kindergartenjahr müssten wieder eingeführt werden. Der staunende Zuhörer erfährt auch, wie viel Sie gedenken, dadurch einzunehmen, um Ihr Konsolidierungsprogramm zu finanzieren: 400 Millionen €.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Hört, hört! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Aha!)

Da sage ich, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Alternativen liegen klar auf dem Tisch. Hier Studiengebühren und Kitabeiträge, da eine maßvolle Erhöhung der Grunderwerbsteuer.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Die Alternativen, Herr Möbius, liegen klar auf dem Tisch.

In der Tat: Die Berechnung auf Monatsgehälter, die hier von Herrn Lindner präsentiert worden ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber wer 4.500 € Studiengebühren pro Kind in der Regelstudienzeit aufwenden muss, der muss das gegebenenfalls auf die gleiche Art und Weise mit bis zu zwei, drei Monatsgehältern bezahlen. Und jetzt kommt der Unterschied zwischen Ihnen und uns an dieser Stelle: Das eine ist eine Annuität auf 25 Jahre, das andere ist die Erbringung von Studiengebühren eben in jenen neun Semestern, in jenen viereinhalb Jahren.

(Christian Lindner [FDP]: Falsch!)

Das ist an dieser Stelle der Unterschied zwischen Ihnen, Herr Lindner, und uns.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Es ist irreführend, was Sie da machen! – Weitere Zurufe)

– Ja, genau! Jetzt kommt Ihr nächster Vorhalt, es handle sich um die zukünftigen Akademiker, selbstverständlich. Die Eltern dieser zukünftigen Akademiker, denen das wehtut, sind nicht die Ärzte und Apotheker, sondern die Facharbeiter und die Krankenschwestern. Das sind die Kinder, die hinterher dadurch belastet werden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Marc Herter (SPD): Wir können das gleich als Kurzintervention am Ende machen, bitte.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Die ist schon angemeldet.

Marc Herter (SPD): Sehen Sie, dann geht das doch.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hovenjürgen.

Marc Herter (SPD): Nein, keine Zwischenfrage. Wir machen das als Kurzintervention am Ende.

Dann ist hier der kommunale Anteil angesprochen worden. Das ist schon eine besondere Dreistigkeit, Herr Lindner. Erst den kommunalen Anteil auf null zu kürzen dann hier die Melodie zu spielen: Aus null mal null mache ich hinterher einen kommunalen Anteil von 200 Millionen €. – Erst die Kommunen zu schröpfen und dann hinterher zu erzählen, dass das andere waren – dazu gehört schon eine besondere Dreistigkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Glaubwürdigkeit ist hier angesprochen worden. Diese Glaubwürdigkeit beweist sich immer dann, wenn man nicht in der Opposition sitzt, sondern wenn man in der Regierung auch entsprechende Dinge zu regeln hat. Ich stelle fest: Immer dann, wenn die FDP bei solchen Operationen in der Regierung war – Herr Lindner hat ja in freundlicher Offenheit darauf hingewiesen, dass das dann im Einzelfall Koalitionsdisziplin oder Koalitionskompromiss gewesen sei –, hat sie entsprechend mitgestimmt.

(Christian Lindner [FDP]: Wir haben hier keine Grunderwerbsteuer erhöht!)

An der Stelle in Hessen ist es ja geradezu augenfällig, dass Ihnen in dem Moment, als Sie aus der Regierung herausgewählt werden, einfällt, solche Reden zu halten, wie Sie sie hier in der Opposition gehalten haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Heuchler!)

Ich sage Ihnen: Das größte Problem, das die FDP hat, ist, dass in den meisten deutschen Bundesländern inzwischen der Prozentsatz der Grunderwerbsteuer über dem Prozentsatz liegt, den die FDP als Partei erreicht.

(Christian Lindner [FDP]: Immer auf die Schwachen, weil Ihnen das wohl Spaß macht! – Weitere Zurufe von der FDP – Christian Lindner [FDP]: Eine Arroganz, die Sie da an den Tag legen!)

Jetzt kommt durchaus der Punkt, an dem wir über Politikverdrossenheit sehr intensiv miteinander reden können. Ich stelle fest: Herr Lindner, Sie gehören nicht zu den Robin Hoods dieser Gesellschaft. Sie gehören, was Familien und Kommunen angeht, zum Sheriff von Nottingham, um ihnen das entsprechende Geld zu ziehen. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Es wurde während Ihrer Rede eine Zwischenfrage von Herrn Sieveke angemeldet. Möchten Sie die zulassen?

Marc Herter (SPD): Nein, wir können das gerne als Kurzintervention machen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Es ist eine Kurzintervention angemeldet. Eine Kurzintervention pro Fraktion ist möglich. Diese ist schon vom Kollegen Schemmer von der CDU-Fraktion angemeldet worden.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh! – Christian Lindner [FDP]: Ich kann nicht für alles Verantwortung übernehmen; Sie ja auch nicht auf der Regierungsbank!)

Und damit hat Herr Kollege Schemmer das Wort.

Bernhard Schemmer (CDU): Grunderwerbsteuer betrifft das Thema „Wohnungsbau“ und insbesondere auch das Thema „Gewerbeimmobilien“. Ob Römer, Walter-Borjans oder Herter zu dem Thema „Wohnungsbau“: Wen trifft das und wem tut das weh? Nicht ein einziger Satz dazu hier!

Ich kann nur sagen: SPD und Grüne für den Wohnungsbau die Verantwortung in Nordrhein-Westfalen zu geben, da kann man auch gleich die Schnecken beauftragen, den Salat im Garten zu schützen. Das ist das Gleiche in grün.

2011: Grunderwerbsteuererhöhung auf 5 %. 2011: Wohnraumförderung für die sozial Schwachen senken auf 800 Millionen €. – Alles Entscheidungen gegen den Wohnungsbau. 2011: Erhöhung der fiktiven Grundsteuerhebesätze für jeden Häuslebauer und für jeden Mieter. Gegen den Wohnungsbau! 2012: Kündigungssperrfristverordnung. 2012: Zweckentfremdungsverordnung. 2012: Änderung der Wohnbaumförderung mit negativen Auswirkungen.

2014: Verordnung zur Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. 2014: Kappungsgrenzenverordnung. Ich erinnere daran, dass Rot-Grün festgestellt hat, dass wir große Wohnungsnot in Bottrop und Euskirchen haben. Das sind schon gewaltige Erkenntnisse! Das Fachpublikum hat darüber gelächelt. 2014: das Wohnungsaufsichtsgesetz. Für ältere Eigentümer von Immobilien wird es schwierig, diese zu veräußern.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Kollege, anderthalb Minuten!

(Marc Herter [SPD]: Er ist noch nicht zu Ende, Herr Präsident!)

Bernhard Schemmer (CDU): Junge können sie nicht erwerben. Der Wohnungsbau dümpelt vor sich her. Bayern und Baden-Württemberg zeigen, dass es besser geht.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ausmachen!)

Dies ist Wohnungsbaupolitik à la GDL, wie diese Bahnpolitik macht.

(Lachen von der SPD – Hans-Willi Körfges [SPD]: Demagoge!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Herr Kollege Herter, bitte schön.

Marc Herter (SPD): Das war eine interessante Auflistung, bei der ich Ihnen durchaus zugestehen möchte, Herr Schemmer, dass Sie sich viel Mühe gemacht haben, das zusammenzutragen. Ich will Ihnen aber an einer Stelle entschieden widersprechen. Die eine Stelle sind die 800 Millionen €, dass wir angeblich eine entsprechende Kürzung beim Wohnungsbau vorgenommen hätten. Die Kürzung, die Sie da adressieren, geht voll auf Ihr Konto.

(Beifall von der SPD)

Sie haben das Wohnungsbauvermögen über Jahre ausgeräumt. Und dann brauchen wir von Ihnen auch keine Belehrung, wie Wohnungsbaupolitik in Nordrhein-Westfalen gemacht werden soll.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Herter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Herrn Droste ist also das Höchste, was ein Mensch auf Erden erreichen kann, der Kauf eines Eigenheims. Das will ich einfach nur einmal so im Raume stehen lassen.

(Dr. Wilhelm Droste [CDU]: Da haben Sie mir nicht zugehört!)

Herr Dr. Droste, ich möchte nur eines klarstellen; da fand ich Sie wirklich frech und dreist: Sie haben der SPD und den Grünen vorgeworfen, dass wir – und da meinten Sie uns wahrscheinlich einzeln und persönlich – keinen Grund hätten, rechnen zu müssen.

Ausgerechnet Sie, Herr Dr. Droste, der an verschiedenen Stellen in diesem Land – und das werden die Transparenzregeln künftig dann ja zeigen – sehr viel Geld, das Ihnen gegönnt sei, damit verdient, Notarverträge zu erstellen und auch aus Vorgängen, die das Land betreffen, Geld verdient, brauchen doch nicht persönlich die Leute hier anzugreifen und ihnen vorzuwerfen, sie könnten nicht rechnen.

(Dr. Wilhelm Droste [CDU]: Was soll das denn jetzt? – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Kollege, ich kann Ihnen nur sagen: Als ich dereinst überlegt habe, ein Haus zu kaufen, habe ich nicht mit großen Beträgen rechnen können – das Haus war auch nicht das größte auf Erden –, sondern das Ganze war eine ganz schlichte Rechnung: Ist es sinnvoller, das jetzt anzugehen, oder sollte das lieber zu einem anderen Zeitpunkt erfolgen?

Mit dieser Moralisierung, die Sie hier betrieben haben, und dieser Beweihräucherung werden Sie der Sache nicht gerecht.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hovenjürgen zulassen?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Nein. Ich möchte jetzt zum Schluss kommen.

(Lachen und Zurufe von der CDU)

Einen Punkt möchte ich nochmals deutlich machen, weil der Kollege Lindner darauf eingegangen ist. Also, das mit der Kommunalfreundlichkeit, das geht mir so gegen den Strich! Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, auf solche Punkte, die Sie hier derart demagogisch einbringen, nicht mehr einzugehen.

(Zurufe von der FDP)

Ihre Partei hat den Innenminister gestellt, der zu verantworten hat, dass in diesem Land nahezu alle Kommunen in die Haushaltssicherung geschlittert sind. Der kommunalpolitische Sprecher Engel hat auf unsere Vorhaltungen hin immer nur gesagt: Gebt denen ein bisschen mehr Geld und ein vernünftiges Konzept; die müssen einfach nur einen Gedankenwandel vornehmen, dann schaffen die das schon.

Diese Partei hat den Kommunen 300 Millionen € gestrichen,

(Christian Lindner [FDP]: Sie haben das doch mitgetragen!)

und wir sorgen jetzt dafür, dass 1 Milliarde € mehr bei den Kommunen ankommt. Diese Partei ist nicht nur unglaubwürdig, sondern sie ist das, was Sie eben in aller Offenheit gesagt haben …

(Christian Lindner [FDP]: Ohne uns hätten Sie den Stärkungspakt nie durch den Landtag bekommen! Wissen Sie das noch? – Gegenruf von der SPD: Von nichts eine Ahnung! Das ist das Problem!)

– Genau. Und deshalb machen Sie sich jetzt vom Acker, wenn es um die Finanzierung geht, ja?

Diese Partei stellt sich auch noch hin und sagt in aller Offenheit: Wenn wir in der Opposition sind, dann sind wir gegen die Grunderwerbsteuer, und sobald wir in der Regierung sind, sind wir in diesem Zusammenhang zu jedem Kompromiss bereit.

(Zurufe von der FDP)

Herr Kollege Lindner, die Wahlen mögen uns und das Land vor Ihnen bewahren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, vielen Dank. Würden Sie bitte einen Moment hierbleiben? Es liegt eine Kurzintervention des Abgeordneten Hovenjürgen vor. – Herr Hovenjürgen, bitte schön, Sie haben das Wort.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Kollege Mostofizadeh, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, bzw. haben Sie eine Vorstellung davon, wie es den Stärkungspaktkommunen geht, nachdem die Hebesätze der Grundsteuer B in Teilen schon jetzt von 800 Punkten bis auf 1.200 Punkte erhöht worden sind? Was glauben Sie, welche Auswirkungen diese zusätzliche Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf die Entscheidung hat, ob Menschen in diese Regionen ziehen, vor allem angesichts dessen, dass bei gleichzeitigem Infrastrukturrückbau das Leben in Brennpunktbereichen am teuersten für diejenigen ist, die gebührenfähig sind?

Ich finde die Rede, die Sie gehalten haben – auch mit Hinweis auf Herrn Droste, der einem ordentlichen Beruf nachgeht –, schäbig.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Hovenjürgen, zunächst einmal Entschuldigung, dass ich die Zwischenfrage nicht zugelassen habe. Ich antworte Ihnen aber sehr gerne auf Ihre Kurzintervention.

Zunächst: Ich finde es alles andere als erstrebenswert, dass die Stärkungspaktkommunen sich in der Situation befinden, in der sie derzeit sind. Wir haben jetzt 4 Milliarden € in die Hand genommen, um für Sanierungen zu sorgen und diesen Stärkungspakt aufzulegen, damit überhaupt eine Trendumkehr bewirkt wird.

Wenn die Bundesregierung auch in Verbindung mit uns für eine echte Entlastung der Kommunen durch die Entlastung bei der Eingliederungshilfe sorgen würde – wofür Sie möglicherweise die besten Drähte nach Berlin haben –, dann würden diese Maßnahmen vielleicht nicht in einem solchen Ausmaß notwendig sein.

Ich halte es für keine gute Entwicklung, wie sie sich zum Beispiel im Kreis Recklinghausen darstellt, in dem Sie ja wohnen. Ich würde es besser finden, wenn wir diese hohen Grundsteuer-B-Sätze in den Kommunen nicht benötigten.

Nur: Wenn Sie ein Sanierungskonzept verlangen – einerseits ausgeglichene Haushalte und anderseits solide Einnahmen –, dann kommen wir um einen harten Konsolidierungskurs nicht herum. Es wäre besser – das will ich betonen –, wenn wir im Bereich der Vermögensbesteuerung – bei der Erbschaftsbesteuerung zum Beispiel – für die Einnahmen sorgen würden, um die Kommunen, um die es konkret geht, nicht nur zu entlasten, sondern dort für Investitionen in die Zukunft zu sorgen.

Das haben Sie als CDU bisher nicht gemacht, und die FDP ist davon immer Lichtjahre entfernt gewesen. Deshalb ist sie auch abgewählt worden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Zunächst lasse ich abstimmen über die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/7147. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/7147 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik, an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, der über die Überweisung des Antrags Drucksache 16/7170. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/7170 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik, an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

7   Stopp der Veräußerung von Kunstwerken zur Haushaltssanierung!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7063

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7241

In Verbindung mit:

Kunstwerke in öffentlichem Eigentum vor Ausverkauf schützen – Transparenz durch ein Kunstregister sicherstellen und Kulturgüter den Bürgerinnen und Bürgern zugänglich machen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7169

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der Piraten dem Herrn Kollegen Lamla das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Frei nach Elvis Presley möchte ich vorab Folgendes sagen:

Wenn die Dinge schlecht laufen, geh nicht mit. – Wir, meine Damen und Herren, wollen nicht mitgehen, wenn es darum geht, kulturelle Werte zu schnellem Geld zu machen. Wir wollen nicht länger mit ansehen, wie in NRW ein Präzedenzfall geschaffen wird, der womöglich die Legitimation für weitere Veräußerungen von Tafelsilber darstellt. Wir werden es nicht durchgehen lassen, dass der Verkauf einfach so ohne Weiteres durchgezogen wird.

Dieser Verkauf muss gestoppt werden. Für die daraus entstandenen Folgen müssen die Personen haftbar gemacht werden, die den Prozess überhaupt angeleiert haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir wollen auch, dass ein solcher Verkauf, wie er jetzt eingeleitet worden ist, in Zukunft nicht mehr möglich ist.

Wenn man die ganzen Presse- und Medienberichte der letzten Tage und Wochen verfolgt, dann stellt man fest, dass von Politikern – häufig der regierungstragenden Fraktionen; aus einem „Westpol“-Bericht fällt mir Herr Priggen ein – zu hören ist, die Bilder lägen schon seit Jahrzehnten im Tresor, niemand interessiere sich dafür. – Nein, das tun sie nicht. Die beiden Warhol-Bilder, um die es heute geht, wurden erst 2009 – nach einer enormen Wertsteigerung – in den Tresor verschlossen. Vorher wurden die Bilder öffentlich gezeigt und sogar für internationale Ausstellungen verliehen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Schon 2009 haben Experten das befürchtet, was jetzt gerade passiert. Die im Wert gestiegenen Bilder werden wegen der finanziellen Situation der Casinos verkauft. Der Casinobetreiber WestSpiel spielt währenddessen wegen des hohen finanziellen Wertes den kulturellen Wert der Bilder herunter und spricht von Käufen für die Raumgestaltung, es seien nur Einrichtungsgegenstände. – Schon klar. Meine Damen und Herren, das ist, mit Verlaub, eine garstige Groteske und einfach unwahr. Hier macht man sich selbst die eigene Wahrheit.

(Beifall von den PIRATEN)

In einem Leserbrief an die „FAZ“ vom 29. Oktober wurde diesbezüglich eine sehr interessante Frage in den Raum gestellt, nämlich ob der „Triple Elvis“ und die „Four Marlons“ deshalb zurück in die USA müssen, weil Warhol kein Rheinländer oder Westfale war. Sind die Bilder vielleicht nur deshalb weniger wert, weil Warhol nicht aus NRW stammt? Was wäre, wenn die Bilder von Richter oder von Beuys wären? Würden sie dann immer noch so bereitwillig versteigert? – Nun, meine Damen und Herren, die Frage können Sie sich selbst beantworten.

Unseren Antrag haben wir bereits Mitte Oktober gestellt. Seitdem gab es fast täglich neue Erkenntnisse, die letztendlich in einen Entschließungsantrag mündeten, der den Veränderungen Rechnung trägt. Mit dem Antrag und vor allem mit dem Entschließungsantrag wollen wir dafür sorgen, dass das Tafelsilber der landeseigenen Betriebe in NRW nicht mehr verkauft werden kann. Es muss ein stärkerer Schutz her, der die kulturellen Werte in NRW vor solchen Veräußerungen auf dem freien Markt schützt. Wir brauchen endlich eine gesetzliche Regelung.

Wie der Zufall es will, sind wir zurzeit in der glückliche Lage, dass über das Kulturfördergesetz beraten wird. Genau hier könnte die gesetzliche Grundlage zum Schutz der Kunst- und Kulturschätze, die im Land bzw. in landeseigenen Betrieben lagern, geschaffen werden. Diese Kulturgüter gehören geschützt und öffentlich zugänglich gemacht. Sie gehören zum Land NRW, welches sich als Kulturland versteht. Ein Kulturland ist aber nur ein solches, wenn es seine kulturellen Werte respektiert und beschützt.

An dieser Stelle frage ich mich, was noch so alles im Besitz der landeseigenen Betriebe schlummert, vor allem außerhalb der Landesgrenzen. Gibt es etwa in Erfurt, wo die NRW.BANK 100 % am dortigen Casino hält, auch Kunstwerke, die bald auf dem Kunstmarkt verscherbelt werden sollen? Was ist mit Bremen, wo die NRW.BANK 51 % am Casino hält? Dort sollen in Zukunft zwei Bilder verkauft werden. Da die Bilder auf dem Kunstmarkt lange nicht so viel Geld bringen wie die Warhols, um die es heute geht, werden sie vermutlich in Bremen bleiben, aber höchstwahrscheinlich den Besitzer wechseln.

Wir sehen hier, meine Damen und Herren: NRW hat viel zu verlieren – das Land, das die Kulturförderung eigentlich gesetzlich festschreiben möchte. Ich bitte Sie darum: Lassen Sie uns diese Entwicklung gemeinsam stoppen. Lassen Sie uns nicht die Büchse der Pandora öffnen, sondern die Kultur und die Schätze, die wir in NRW haben, schützen. Lassen Sie uns Gesetze dafür verabschieden, damit es nicht zu einem Abverkauf der Kultur kommt. Denn ich möchte nicht, dass Warhol …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege.

Lukas Lamla (PIRATEN): … zum Synonym für den Abverkauf der Kunst und Kultur des Landes NRW wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Schmitz das Wort.

Ingola Schmitz*) (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist für die Landesregierung natürlich ein Ärgernis, dass wir heute über die geplanten Verkäufe zweier bedeutender Kunstwerke von Andy Warhol durch den landeseigenen Casinobetreiber WestSpiel sprechen. Gerne hätte die Regierungskoalition die Veräußerungen still und leise an der Öffentlichkeit vorbei vollzogen. Es ist gut, dass dieser kulturpolitische Dammbruch nicht im Verborgenen geblieben ist, wie es SPD und Grüne erhofft haben. Dass es sich dabei um einen Dammbruch handelt, hat nicht zuletzt der Deutsche Kulturrat zutreffend festgestellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass ein landeseigenes Unternehmen Kunstwerke, die letztendlich Bürgerinnen und Bürgern gehören, klammheimlich verkaufen will, ist für sich schon ein starkes Stück.

(Beifall von der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Was war denn zu Ihrer Regierungszeit?)

Dass mit dem Erlös die Verluste der landeseigenen Casinos ausgeglichen und der Bau einer neuen Spielbank finanziert werden sollen, ist eine kultur? und haushaltspolitische Bankrotterklärung.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Dass ein großer Teil der Landesregierung – vom Innenminister über den Finanzminister bis zur Kulturministerin – den geplanten Verkauf betrieben oder abgesegnet hat, wirft darüber hinaus ein besorgniserregendes Licht auf das Kulturverständnis der Landesregierung.

Bemerkenswert ist dabei auch die Diskrepanz zwischen den Aussagen der Ministerpräsidentin und der Realität. Reflexartig hatte die Ministerpräsidentin nach den ersten kritischen Äußerungen mitgeteilt, dass WestSpiel ein eigenständiges Unternehmen sei und sie den Verkauf gar nicht stoppen könne. Erst danach wurde bekannt, dass nicht zuletzt die Gremien der NRW.BANK grünes Licht gegeben hatten.

Dort sind zahlreiche Mitglieder der Landesregierung sowie Spitzenvertreter von CDU- und SPD-Fraktion vertreten. Daher bin ich auf das Statement der CDU gespannt.

Auch die Kulturministerin war in Sachen Ausfuhrgenehmigung mit dem Warhol-Verkauf betraut. Sie erklärte darauf hin, dass der Fall nicht über ihren Schreibtisch gelaufen sei. Das ist abenteuerlich.

Ich fasse an dieser Stelle einmal zusammen: Die Ministerpräsidentin lässt sich nicht informieren oder wird nicht informiert, bevor sie Stellung zum Verkauf der Warhol-Werke nimmt. Die Kulturministerin erteilt Ausfuhrgenehmigungen für bedeutende Kunstwerke nach eigenen Angaben ohne jegliche Kenntnisse dieser Genehmigung.

Der Vorsitzende der grünen Fraktion im Landtag, Reiner Priggen, bekennt, dass der Verkauf von Kunstwerken im öffentlichen Besitz sogar offensiv von der rot-grünen Regierungskoalition betrieben wird.

Das alles zeigt, wie es um das Kulturverständnis der gesamten rot-grünen Landesregierung bestellt ist: Kunst wird dort maximal als finanzielle Rücklage gesehen.

Als ob das mehr als unglückliche Agieren der Landesregierung in der Causa Warhol nicht schon genug wäre, es kommt noch schlimmer.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung. Würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Zimkeit zulassen?

Ingola Schmitz*) (FDP): Danke schön, ich möchte jetzt gerne zu Ende sprechen.

Denn der Ausverkauf von Kulturgütern ist offensichtlich nicht das einzige Problem bei landeseigenen Einrichtungen im Umgang mit Kunst. So wurde im Zuge der Berichterstattung über den Verkauf der beiden Warhols bekannt, dass weitere Kunstwerke im Besitz der WestSpiel fahrlässig oder sogar mutwillig beschädigt oder teilweise zerstört wurden.

Für die FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen ist ein solcher Umgang mit Kunst und Kultur im öffentlichen Besitz inakzeptabel.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Herrn Linssen hat doch mitgemacht!)

Er muss dringend gestoppt werden.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Warum hat das Herr Linssen nicht gestoppt?)

Die Landesregierung muss endlich zu ihrer kulturpolitischen Verantwortung stehen. Auf der einen Seite staatseigene Unternehmen betreiben und in den Aufsichtsgremien sitzen und auf der anderen Seite einen schlanken Fuß machen: Das geht nicht!

Die FDP-Landtagsfraktion will, dass die öffentlichen und kulturellen Interessen in Nordrhein-Westfalen gewahrt bleiben.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Aber erst seitdem sie nicht mehr regiert!)

Veräußerungen von Kunstwerken im Besitz von öffentlichen Einrichtungen bzw. landeseigenen Unternehmen an der Öffentlichkeit und an Kunstexperten vorbei darf es grundsätzlich nicht geben. Außerdem muss die Landesregierung sicherstellen, dass mit Kunst im öffentlichen Besitz sorgsam und angemessen umgegangen wird.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Mit dem von uns vorgelegten Antrag wird genau dies gewährleistet. Deshalb hoffen wir auf Ihre Zustimmung. Das sind wir dem Erhalt der kulturellen Vielfalt und des kulturellen Erbes sowie den Bürgerinnen und Bürgern Nordrhein-Westfalens schuldig. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Weske das Wort.

Markus Herbert Weske (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Zunächst einmal: Hand aufs Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Wahrheit ist doch, dass es bis vor einigen Wochen unter uns 237 Abgeordneten keinen einzigen gab, der die beiden Warhol-Werke „Triple Elvis“ und „Four Marlons“ kannte, geschweige denn wusste, dass sie dem Land gehören bzw. einem landeseigenen Unternehmen.

(Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU]: Falsch!)

– Ich freue mich über die Ausnahme, sie bestätigt die Regel. – Insofern ist die Entrüstung, die hier von den antragstellenden Fraktionen an den Tag gelegt wird, doch ziemlich gekünstelt. Am 12. November beginnt in New York eben nicht der Ausverkauf des Abendlandes.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Aber Nordrhein-Westfalens!)

Die Piraten schreiben in ihrem Antrag von erheblichen Konsequenzen, ohne allerdings zu erläutern, welche das denn sein sollen.

Die Frage muss meines Erachtens außerdem umgekehrt gestellt werden. Was passiert, wenn die beiden Werke nicht veräußert werden? Was nutzt einem ein Kunstwerk, wenn man keine adäquaten Räumlichkeiten hat, um es auszustellen? Um es mit einem Bild Warhols zu verdeutlichen: Was nutzt mir die Dose Tomatensuppe, wenn ich keinen Dosenöffner habe? – Klar, man kann sie fotografieren, aber satt wird man davon nicht.

Doch kommen wir vom Künstlichen zur Kunst. Die ist bekanntermaßen sehr konkret, und daher können wir auch genau nachvollziehen, um was es hier eigentlich geht.

Mit dem Spielbankengesetz und dem Glücksspielstaatsvertrag haben wir in diesem Parlament WestSpiel die ordnungspolitische Aufgabe übertragen, ein verantwortungsvolles, den Zielsetzungen des Glücksspielstaatsvertrages entsprechendes Angebot bereitzustellen und hierbei den Jugend- und Spielerschutz sicherzustellen.

Um diesem Auftrag nachkommen zu können, unter anderem auch durch die Errichtung eines fünften Spielbankstandortes in der Nähe dieser schönen Landeshauptstadt, benötigt WestSpiel Kapital für Investitionen. Vor diesem Hintergrund haben WestSpiel und die NRW.BANK als ihre Gesellschafterin nach reiflicher Überlegung und sorgfältiger Prüfung entschieden, die beiden Warhol-Werke versteigern zu lassen.

Diese Entscheidung ist zwar außergewöhnlich, aber nicht unrechtmäßig. Diese Entscheidung ist sicherlich eine Ausnahme, aber keine Untat. Insofern lehnen wir den Antrag der Piraten, die Veräußerung zu stoppen, ab.

(Zuruf von den PIRATEN: Überraschung!)

Das gleiche Schicksal wird übrigens auch den Antrag der FDP-Fraktion ereilen. Sie wollen aus der Kunstsammlung NRW eine Behörde machen und haben hoppla-hopp ein Verfahren darum gestrickt. Da macht es mehr Sinn, wie von der Kulturministerin bereits angekündigt, zunächst einmal alle Beteiligten an einen Tisch zu holen.

Wenn ich mir anschaue, wer nach Ihrem Modell über den Verkauf eines Kunstwerks demnächst beraten soll, dann steht am Ende – meines Erachtens – nicht die Veräußerung eines Kunstwerks, sondern wahrscheinlich der Zukauf eines weiteren des jeweiligen Künstlers.

Hinzu kommt, und das kann man wirklich nicht durchgehen lassen, dass Sie in Ihrem Antrag die beiden Warhol-Werke zu einem Teil der kulturellen Vielfalt Nordrhein-Westfalens erklären. Mit Verlaub, aber Warhols „Triple Elvis“ und „Four Marlons“ haben mit Nordrhein-Westfalen nun überhaupt nichts zu tun.

(Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU]: Ziemlich falsch!)

Die Factories von Andy Warhol standen in New York und nicht in Neukirchen-Vluyn, Elvis Presley war in Hessen stationiert und nicht auf der Hardthöhe und Marlon Brando fuhr in „A Streetcar Named Desire“ durch New Orleans und nicht mit der Kölner U-Bahn.

Ich fasse zusammen: Ja, der Verkauf eines Kunstwerks darf nur eine absolute Ausnahme sein und muss sorgfältig abgewogen werden. Grundsätzlich muss er aber doch möglich sein.

Nun hat uns vor ein paar Minuten noch der Entschließungsantrag der Piraten erreicht. Insofern können wir sagen, wir werden dreimal Nein sagen – auch zu dem Entschließungsantrag.

Ich persönlich glaube gar nicht, dass das Kulturfördergesetz der richtige Adressat für das ist, was Sie erreichen wollen. Aber selbst wenn man der Meinung ist: Wir sind mitten im Beratungsverfahren, das heißt, man kann einen ordentlichen Änderungsantrag im Rahmen des Gesetzesvorhabens stellen und das selbst regeln. Wir müssen an dieser Stelle nicht die Landesregierung beauftragen, wenn es denn überhaupt Sinn macht.

Insofern: Dreimal Nein von der SPD-Fraktion. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Weske. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Prof. Dr. Sternberg das Wort.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit der Reaktion hatte die Ministerpräsidentin sicher nicht gerechnet. Die Presse ist voll mit Protesten, mit Anfragen und Aufrufen. Man lässt es der Ministerpräsidentin offensichtlich nicht durchgehen, dass sie nichts mit dem Kunstverkauf zu tun hätte.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Herrn Laschet auch nicht!)

Diese Bilder sind schon wichtig. Diese Bilder sind auch bedeutsam für dieses Land. Es geht um eine landeseigene Kunstsammlung, um nichts anderes. Der damalige Leiter der WestLB, Ludwig Poullain, und der damalige Direktor der WestSpiel, Dr. Lammers, haben gemeinsam mit ihrem Architekten Harald Deilmann damals eine große Kunstsammlung aufgebaut. Ich habe mit Ludwig Poullain über diese Sache gesprochen. Sie haben systematisch Kunst gesammelt, und in Aachen feierte man neben den Kunstsammlungen der WestLB eine Novität. Zitat: Ein neues Art-Museum des Landes Nordrhein-Westfalen wird im neuen Casino in Aachen entstehen.

Meine Damen und Herren, nun das: ein Verkauf, zu dem die Ministerpräsidentin nicht steht. – Bei anderen ist die Respektlosigkeit gegenüber der Kunst kaum noch zu überbieten. Man muss Andy Warhols sehr ernsthafte Arbeiten nicht mögen. Aber dazu zu sagen, es sei bloße Deko, ist nichts anderes als Banausentum.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Übrigens: Wenn wir unsere künstlerische Identität in diesem Land nur noch über Heimatkunst definieren wollen, dann Ade mit jedem Anspruch.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Was macht eigentlich unsere Identität in diesem Land aus? – Das ist doch vor allem die Pflege zeitgenössischer Kunst. Das hat unser Land immer bestimmt. Nordrhein-Westfalen ist das Kunstland der Bundesrepublik. Hier leben und lebten bedeutende Künstlerpersönlichkeiten. Hier sind die großen Galerien für Gegenwartskunst. Hans Mayer, der Warhol immer vertreten hat, ist nur ein paar Schritte von uns, am Hafen. Hier gibt es die großen Ausstellungen und mit ihnen die Kuratoren für zeitgenössische Kunst. Kaspar König hat dafür gesorgt, dass Warhols Auftritt bei der documenta 1968 kein Einzelfall blieb.

Wir in Nordrhein-Westfalen haben einen Anspruch und ein Alleinstellungsmerkmal, das wir verlieren. Wir verspielen es. Was bleibt eigentlich, wenn wir nicht mehr mit aktueller Kunst, mit unserem Filmschaffen und als kreativer Standort identifiziert werden? Es bleiben nur noch Überschuldung und Strukturprobleme. Ist das das Einzige, was wir noch bieten können? Was bleibt historisch von einer Zeit? Das ist doch vor allem die Kunst. Aber werden diese Kunstwerke nur noch als Renditeobjekte angesehen? Ist die Ökonomisierung in dieser Regierung bereits soweit gediehen?

Ganz unabhängig von den klaren und auch von Deutschland unterzeichneten Regeln der UNESCO und der ICOM zum Kulturschutz meine ich, dass man Kunstwerke durchaus auch veräußern kann. Aber das sollte doch der allerletzte Notanker sein. Hier geht es aber um die Renovierung des alten Kurhauses in Aachen und den Bau von Spielbanken, deren Manager offensichtlich über Jahrzehnte nicht mitbekommen haben, dass die alten Casinokonzepte nicht mehr funktionieren.

Meine Damen und Herren, es ist im Grunde genommen wie zu Hause. Man kann natürlich Familienschmuck verhökern. Aber das geschieht doch nur zur allerletzten Rettung, wenn gar nichts mehr geht. Das Gemeinwohl verlangt, dass man für kommende Generationen die Schätze erhält und nicht in einem Jahresetat versacken lässt. Steht diese Regierung wirklich schon so vor der Wand? Kunstverkäufe sind meines Erachtens so etwas wie ein Offenbarungseid.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Sternberg, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Börschel zulassen?

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Gerne.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bitte.

Martin Börschel (SPD): Herzlichen Dank für die Ermöglichung der Zwischenfrage, Herr Prof. Dr. Dr. Sternberg. – Ich möchte gerne von Ihnen wissen, wie Sie den Umstand bewerten, dass in diesen konkreten Verkauf dieser beiden Kunstwerke augenscheinlich Ihr Partei- und Fraktionsvorsitzender Laschet und Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Lienenkämper intensiv eingebunden waren und dem auch zustimmten?

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Börschel, ich bin auf diese Frage vorbereitet. Es ist mir klar, dass Sie sie stellen.

(Martin Börschel [SPD]: Die Antwort ist spannend!)

Ich stelle einmal eines fest: Wenn ich mir die Riege ansehe, die diesen Beschluss gefasst hat, dann sind sowohl Herr Laschet als auch Herr Lienenkämper ganz, ganz kleine Lichter in dem gesamten Konzert.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist jetzt keine neue Information! – Weitere Zurufe)

In diese Geschichte ist die halbe nordrhein-westfälische Landesregierung verwickelt, und die Landesregierung bis an die Spitze.

(Martin Börschel [SPD]: Das war aber ein Eigentor!)

Wenn auf Seite 123 der zweiten Ergänzungsvorlage zum Haushaltsetat 2015 die Garantiesumme für den Verkauf von Christie‘s mit 80,65 bereits notiert ist, dann ist das ein Zeichen dafür, dass die Regierung das gewollt hat.

(Martin Börschel [SPD]: Was sagen Sie zu diesen beiden Zustimmungen, Herr Kollege?)

Dass auch CDU-Mitglieder damals dem Verkauf dieser Warhol-Bilder zugestimmt haben, gebe ich zu. Das habe ich eingeräumt. Wir werden diesen Warhol-Verkauf auch nicht wieder rückgängig machen können. Darüber bin ich mir völlig im Klaren.

(Martin Börschel [SPD]: Sie waren dafür!)

Es geht hier um etwas anderes. Sie haben dieser Verkaufsabsicht damals nicht widersprochen. Das ist richtig.

(Martin Börschel [SPD]: Sie waren dafür!)

Die DDR hat in den 80er-Jahren genau dasselbe gemacht. Sie haben auch alles verhökert, was zu kriegen war. Bei Schalck-Golodkowski konnte man alles kaufen.

(Unruhe)

Das waren Torschlussaktionen, die das Ende nicht aufhalten konnten. Man verkauft eben alles, was man hat, um Löcher zu stopfen.

Das Land Nordrhein-Westfalen übernimmt hier im Moment eine Vorreiterrolle im Negativen. Was bedeutet eigentlich der Tabubruch? Andere können sich aufgefordert fühlen, nicht mehr Kunst zu sammeln, sondern dazu, sie um den Tageseffekt zu erzielen zu verhökern. Klamme Nothaushaltskommunen können sich auf die Landesregierung berufen, wenn sie Kunst verkaufen. Das werden sie allerdings nicht mehr in Deutschland tun. In Deutschland sind die Bedingungen für die Galeristen schlecht geworden. Denn dieser Finanzminister verhindert nach wie vor, dass eine europarechtskonforme Regelung für die Galeristen in Deutschland getroffen wird, wie sie der Bund vorgeschlagen hat. Bis heute wurde sie verhindert.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Sternberg, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Zimkeit zu?

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Aber gerne.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte.

Stefan Zimkeit*) (SPD): Sie haben gerade von einem Tabubruch gesprochen. Habe ich Ihre Ausführungen in der Beantwortung der Frage so richtig verstanden, dass Ihr Fraktionsvorsitzender und Ihr Fraktionsgeschäftsführer zu kleine Lichter waren, um sich gegen diesen Tabubruch auszusprechen?

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Wollen Sie darauf wirklich eine Antwort haben?

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ja!)

Finden Sie nicht die Frage unter allem Niveau?

(Beifall von der CDU)

Das ist doch wirklich lächerlich.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Ich habe vorhin gesagt, angesichts der Tatsache, dass die gesamte nordrhein-westfälische Landesregierung in dieses ziemlich miese Geschäft verwickelt war, ist das eine andere Nummer als die Beteiligung des CDU-Fraktionsvorsitzenden, des CDU-Geschäftsführers, die nur ein Mitglied in diesen Gremien waren. Das ist doch Unsinn.

(Beifall von der CDU – Martin Börschel [SPD]: Das wird ja immer doller!)

Aber, wie gesagt, aus Bremen kommen bereits entsprechende Nachrichten. In Bremen will man jetzt Modersohn-Becker-Bilder verkaufen, um das Casino auszubauen.

Meine Damen und Herren, lassen wir das, und blicken wir voraus. Sehen wir auf die Kunst im öffentlichen Eigentum. Wir sollten darauf achten, was mit der WestLB-Sammlung passiert. Wir sollten gemeinsam überlegen, wie man die in die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen überführen kann. Ich bin seit vielen Jahren an diesem Thema. Sichern Sie die Sammlung im Kornelimünster! Inventarisieren wir die Kunstwerke – auch kommunal. Alle Kunstwerke im Landeseigentum müssen erfasst werden.

Wenn der Verkauf der zwei Bilder nicht mehr abzuwenden ist, dann wenigstens keine völlig sachfremde Mittelverwendung. Ich habe einen Vorschlag: In Münster droht gerade, dass aus dem Westfälischen Landesmuseum ein wichtiges Bild als Dauerleihgabe abgezogen wird. Es wird 1 Million gebraucht. Man könnte sie zum Beispiel aus dem Erlös, sofern er überhaupt zu erzielen ist, garantieren.

Meine Damen und Herren, wir brauchen Regeln und Verfahren. Da sind wir ganz bei den Anträgen der Piraten und der FDP. Auch der Kulturrat hat sich so geäußert. Lassen Sie uns mit der Aufgabe beginnen! Die Museumsleiter sind bereit, mitzuwirken. Der Kulturausschuss hat sich bereits darauf verständigt. Der Umgang mit Kunst bedarf völlig neuer Regelungen. Der große öffentliche Protest ist hoffentlich ein Warnschuss und ein Startschuss zugleich. Ich hoffe auf Zusammenarbeit, damit sich das, was da passiert ist, zumindest nicht wiederholt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Sternberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Keymis das Wort.

Oliver Keymis (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst auf das Beispiel Bremen eingehen. Herr Kollege Sternberg hat gerade darauf verwiesen, dass dort zwei Werke von Paula Modersohn-Becker in Rede stehen. Sie haben aber auch – das haben Sie natürlich verschwiegen – gelesen, dass diese Werke innerhalb Bremens verkauft und dem Modersohn-Becker-Museum weiterhin zur Verfügung stehen werden. Insofern ist das kein vergleichbarer Vorgang.

Ich will aber auf ein anderes Beispiel kommen, das ich viel interessanter finde. Mit Erlaubnis unseres Präsidenten zitiere ich:

„Das Neue Museum Weserburg in Bremen gibt bekannt, dass es sich von seiner eigenen Sammlung trennen will. 51 Werke gehen für einen siebenstelligen Betrag an die Kunsthalle der Hansestadt. Zwei weitere werden dagegen ins Auktionshaus Sotheby‘s gegeben – darunter auch das Spitzenstück der Sammlung. Gerhard Richters ‚Matrosen‘ von 1966 soll im November in New York für sechs bis acht Millionen Dollar versteigert werden. Ein Gespräch mit dem Künstler.

WELT ONLINE: Ist es ein Tabubruch, dass ein Museum Kunstwerke verkauft? So wird es allgemein empfunden.

Richter: Ehrlich gesagt, begreife ich die ganze Aufregung nicht ganz. Ich finde es folgerichtig und völlig in Ordnung. Auch Museen entwickeln sich; nichts bleibt wie es ist.“

Ich habe Ihnen aus einem Bericht der „WELT ONLINE“ vom 24. September 2010 vorgelesen. Er macht deutlich, Herr Lamla, dass Ihr Hinweis auf Gerhard Richter völlig danebengeht. Er sieht es genau anders, als Sie ihn eben in die Pflicht nehmen wollten.

(Beifall von den GRÜNEN – Lukas Lamla [PIRATEN]: Herr Richter ist kein Politiker!)

Es macht deutlich, Herr Lamla, dass man die Dinge ganz anders sehen kann, als Sie das im Moment tun.

Ich will das Beispiel nur deshalb erwähnt haben, weil ich sagen will: Genau das, was ich hier vorgelesen habe, passiert in Nordrhein-Westfalen nicht. Es findet kein Verkauf von Kunstwerken aus einem Museum statt, sondern vorgesehen ist der Verkauf von zwei Kunstwerken durch eine Auktion, beschlossen von einem Unternehmen, das als GmbH & Co. KG selbstständig bilanziert und handelt, mit dem Placet der Landesregierung – übrigens nicht der halben Landesregierung, Herr Sternberg, sondern ich nehme an, die gesamte Landesregierung steht hinter dieser Entscheidung.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Und es ist das Veräußern von Eigentum der WestSpiel GmbH & Co. KG in einem Fall, den wir bisher politisch gar nicht entscheidend bewerten können, weil er uns im Landtag überhaupt nicht vorliegt.

Ich will Ihnen damit auch sagen: Wenn Gerhard Richter sagt, das kann man durchaus machen, ist das kein Grund, das immer so zu tun. Ich finde aber umgekehrt – das sage ich auch in aller Deutlichkeit –, die moralische Aufregung, die wir im Moment erleben müssen, das Großspurige der ganzen Diskussion, ist unhaltbar. „Warhol-Verkauf durch NRW: Einfach unanständig“, titelt die Presse. Andere haben sogar geschrieben, was ich auch ganz fürchterlich fand, dass die Schätze des Landes verkauft werden. All das stimmt natürlich nicht, und das wissen Sie auch. Deshalb ist die Höhe der Debatte meiner Ansicht nach nicht an der Höhe des Problems orientiert, sondern ausschließlich an der Höhe der Verkaufssumme.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die allerdings – das gebe ich ganz offen zu: Geld macht sinnlich – macht sinnlich und fördert Emotionen.

Wir als Grüne haben klar gesagt – das sage ich auch von diesem Platz aus –: Wir stimmen dem Verkauf von Kunstwerken aus Landessammlungen, aus Museen nicht zu. Das wird es mit uns nicht geben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb gibt es an der Stelle auch keinen Tabubruch, um das genauso klar zu sagen.

Aber einen Tabubruch haben wir bisher überhaupt noch nicht erwähnt, Herr Sternberg, und das ehrt Sie leider nicht. Wir haben nicht erwähnt, dass 2006 hinter dem Rücken des damaligen Ministerpräsidenten, hinter dem Rücken des damaligen Kulturstaatssekretärs Grosse-Brockhoff Herr Thomas Fischer als Chef der WestLB den Max Beckmann für 13,9 Millionen verkloppt hat, ohne dass die Regierung Bescheid wusste.

Sie nicken, Herr Witzel. Das ist freundlich von Ihnen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Meine Frage an Sie: Wo war damals Ihr Aufklärungsapparat?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wo haben Sie dieses Geschäft damals so nachvollzogen, wie Sie das hier von Anfang an nachvollziehen können? Wo haben Sie gefragt: Wann gibt es eine Liste, aus der man entnehmen kann, was der WestLB noch alles gehört. – Nichts ist da passiert.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Deshalb finde ich das ziemlich krokodilstränenhaft, was Sie hier vortragen; das muss ich Ihnen ehrlich sagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Kulturministerin hat im Kulturausschuss klar gesagt, was sie vorhat, nämlich einen runden Tisch zu machen, um zu erfassen, wie die Lage insgesamt ist. Das ist der Blick nach vorne. Ich hoffe sehr, dass bei Christie‘s am 12. November so viel hereinkommt, wie wir uns das alle wünschen – jetzt, wo der Verkauf feststeht. Denn alles andere – Herr Sternberg, das haben Sie richtig erkannt – gilt nicht mehr. Es gibt auch nichts rückgängig zu machen. Aus dem Grunde richten wir den Blick nach vorne und lehnen die Anträge, die alle rückwärts gerichtet sind, ab. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Walter-Borjans das Wort.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will ein paar Punkte vorwegschicken, weil im Zusammenhang mit der Debatte über die Veräußerung der beiden Warhol-Werke immer der Versuch unternommen worden ist, die Landesregierung bzw. den Finanzminister in Person in die Ecke des Kultur- oder Kunstbanausentums zu stellen. Ich lasse mir nicht nehmen, mich gerne mit Kultur und auch aktiv mit Kunst zu beschäftigen. Zu meinem Bekanntenkreis zählen viele Künstler und Kulturschaffende. Das setzt mich auch ein Stück weit in das Recht, zu sagen: So eine unehrliche Diskussion, in der so hemmungslos von Unwahrheit und Vermischung Gebrauch gemacht wird, ist mir wirklich selten untergekommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage das vor dem Hintergrund, dass mir bewusst ist, welche Bedeutung Kultur in einer Gesellschaft hat, wie wichtig die Kunstschätze in den Museen unserer Kommunen, Städte sind und wie wichtig sie im Eigentum des Landes sind. Das ist Ihnen aber vollkommen egal. Sie setzen plötzlich ein Unternehmen dem Land gleich. Hier wird einfach gesagt: All das, was einem Unternehmen des Landes gehört, welches dem Aktien- oder Gesellschaftsrecht unterliegt, befindet sich im Eigentum der Bürger. Es wird unterstellt: Der Bürger will auch dafür haften, dass dann letztendlich über Steuermittel Ausfälle bezahlt werden müssen, die in diesen Unternehmen entstehen.

Gerade ist Gerhard Richter angesprochen worden. Ich möchte eines einmal darstellen bzw. klarstellen: Es geht hier nicht um eine Protestwelle der Kultur. Wenn man sich einmal mit Künstlern unterhält, sagen die einem: Natürlich ist mein Renommee davon abhängig, dass meine Werke auch gehandelt werden. Wenn die Werke eines Künstlers nicht gehandelt werden, ist er auch nicht bekannt.

Wie ist denn Gerhard Richter zu seinem Namen gekommen? Warum erstellt selbst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, in der sich Herr Rossmann jetzt bis zum Abwinken ereifert, regelmäßig Rankings, wer der höchstbezahlte Künstler der Gegenwart ist? Warum hat die „FAZ“ vor Kurzem noch geschrieben, dass Gerhard Richter jetzt wieder von Jeff Koons überholt worden ist? Wie ist denn das alles zu verstehen, wenn es so etwas von unanständig ist, dass Kunstwerke auf dem Markt verkauft werden?

(Beifall von der SPD)

Auch die Galeristen kritisieren das nicht, denn die leben davon, dass Kunst gekauft und verkauft wird. Sie sind bestenfalls sauer darüber – ich hatte noch vorgestern Gelegenheit, mit einigen zu sprechen –, dass sie es nicht sind, die die Werke verkaufen können. Es geht dabei auch nicht um die Berater, von denen einige unter den Kritikern sind. Man hat von denen gehört, dass sie sogar versucht haben, bei Christie‘s noch mit ins Geschäft zu kommen. Weil sie abblitzten, sind sie zu den größten Kritikern geworden.

Das alles befindet sich auf einer Ebene, die schwer erträglich ist. Ich nehme Ärger, Aufregung und Emotionalität allen Museumsdirektoren ab, die ganz klar sagen: Natürlich hätte ich diese Werke gerne in meinem Museum. – Und würden wir die Entscheidung treffen, würden sie sagen: Dann macht es doch. – Ich hätte gerne einmal gesehen, wie schnell sich die geschlossene Gruppe zerlegt hätte, weil jeder gesagt hätte: Wenn es etwas für 50 Millionen € oder 100 Millionen € gibt, die ich aus keinem Etat bezahlen muss, dann möchte ich es aber bei mir haben. – Wer regt sich am meisten auf? Wer macht den größten Lärm? – Die üblichen Kritiker oder solche, die sich dafür halten. Von denen weiß ich aber nicht, wie viele von ihnen etwas mit aktiver Kunst zu tun haben. Sie haben aber die Interpretationshoheit für sich gepachtet. – Und da erkennt jetzt die Opposition: Da ist etwas zu holen, da hängen wir uns dran. Jetzt kriegen wir das schon hin. – Dann kommen Dinge, die mit Wahrheit nichts mehr zu tun haben. Beispielsweise kommt der Hinweis, Herrn Sternberg, der Finanzminister würde eine europarechtskonforme Umsetzung der Umsatzbesteuerung von Galerien verhindern. Genau das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist Europarecht, dass die 7%ige Besteuerung der Galerien abgeschafft wurde, weil gesagt wurde: Es muss mehr nach dem normalen Satz gehen. Ein Land, Frankreich, hat eine andere Regelung gefunden. Wir haben im Übrigen auch eine gefunden und eine Margenbesteuerung eingeführt. Jetzt wollen die Galeristen eben, dass das für alles gilt. Darüber gibt es Streit.

Wir haben festgestellt: Europa bzw. die Bundesregierung soll, damit es europarechtskonform ist, bitte sagen, dass der französische Weg geprüft wird. Wenn der geltend ist, dann gucken wir uns das an. Dann können wir das auch machen. Wir haben aber Zweifel, dass andere europarechtskonform sind. – Dieser Vorwurf geht völlig ins Leere. Er ist das Gegenteil dessen, was die Finanzminister von Bund und Ländern zusammen machen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Minister, mutmaßlich dazu möchte Ihnen Herr Kollege Sternberg eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ja.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Minister, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Herr Minister, ist es richtig, dass schon der Vorgänger der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien in Berlin, Neumann, einen Entwurf für eine solche europarechtskonforme Besteuerung des Galeriehandels mit Margen hatte, die von Ihnen und einigen weiteren Finanzministern der Länder blockiert wird?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Nein, sie wird nicht blockiert, sondern es gibt eine Regelung der Abteilungsleiter Steuern. Die gilt. Es gibt Klagen. Auf der anderen Seite gibt es die Frage: Was machen wir in Bezug auf das französische Vorgehen? Wir sind in der Diskussion. Ich selbst habe schon Galerien besucht. Noch einmal: Ich habe Kontakte zu dieser Szene. Wir reden darüber und wollen eine anständige Besteuerung; aber wir wollen nicht, dass jede Branche für sich wieder in Anspruch nimmt, eine Sonderregelung zu bekommen. Das ist alles.

Ich komme aber noch einmal zu dieser Frage, über die wir hier eigentlich reden, nämlich zu den Bildern von Warhol. Es geht darum, dass es hier Unternehmen gibt, die Kunst nicht zum Kultursponsoring angeschafft haben. Sie finden immer das Motto „Privat vor Staat“ richtig. Im Augenblick gibt es ein insolventes Privatunternehmen. Dabei geht es um den Kunstberater Achenbach. In dessen Eigentum befinden sich auch Werke von Gerhard Richter. Was würden Sie eigentlich sagen, wenn jemand wie selbstverständlich sagen würde, dass diese Werke von dem Insolvenzverwalter ohne Gegenleistung an Museen vergeben werden sollen? Was glauben Sie eigentlich, was die Gläubiger dieses Unternehmens sagen würden, wenn es so geschähe?

Es gibt das Recht, das Aktienrecht. Das gilt für die Portigon und für die WestSpiel. Deswegen muss das als Erstes als Vermögensposition mit einbezogen werden, damit man sich wirtschaftlich richtig aufstellen kann. Da hat eine Landesregierung überhaupt nichts zu kamellen, sondern da sind es die Aufsichtsgremien. In den Aufsichtsgremien sitze ich, da sitzt Herr Lienenkämper, dem ich für seine Haltung im Übrigen dankbar bin.

(Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Hier geht es nicht darum, dass hier einer über den Tisch gezogen worden ist. Wir gemeinsam haben das mitgetragen, weil es der richtige, rechtlich vernünftige Weg ist und mit Ausverkauf von Kultur in unseren Museen überhaupt nichts zu tun hat.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir treten in die Abstimmung ein. Die antragstellenden Fraktionen der Piraten und der FDP haben jeweils direkte Abstimmung beantragt.

Wir kommen somit zur Abstimmung erstens über den Inhalt des Antrags der Piratenfraktion Drucksache 16/7063. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag Drucksache 16/7063 abgelehnt.

Ich lasse zweitens abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/7241. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Das sind die Fraktionen von CDU und die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die FDP-Fraktion. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/7241 abgelehnt.

Ich lasse drittens abstimmen über den Inhalt des Antrags der FDP-Fraktion Drucksache 16/7169. Wer ist für diesen Antrag? – Die Fraktion der FDP und die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich der Stimme? – Das ist die CDU-Fraktion. Damit ist auch dieser Antrag Drucksache 16/7169 abgelehnt.

Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 7 und rufe noch einmal den Tagesordnungspunkt 3 auf.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir sofort zu einer weiteren Abstimmung kommen. Ich bitte Sie einen Moment um Aufmerksamkeit.

Tagesordnungspunkt 3 hatte den Gegenstand „Willkommenskultur ausbauen und Kommunen unterstützen – NRW braucht ein breites Bündnis für Flüchtlinge“. Dieser Debatte zugrunde lag ein Antrag der SPD-Fraktion zusammen mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/7145.

Zu diesem Antrag, meine Kolleginnen und Kollegen, lag auch ein

 

Entschließungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7233

vor, über den wegen eines bürotechnischen Versehens nicht abgestimmt werden konnte. Ich betone ausdrücklich: Dieses Versehen lag nicht in der Verantwortung der Piratenfraktion. Deshalb holen wir diese Abstimmung an dieser Stelle nach.

Der Antrag der Piratenfraktion liegt Ihnen allen vor. Sie werden ihn sicherlich zur Hand haben. Deshalb können wir direkt darüber abstimmen. Wer für den genannten Antrag der Piratenfraktion ist, den darf ich um das Votum bitten. – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Damit ist der genannte Entschließungsantrag Drucksache 16/7233 abgelehnt.

Vielen Dank für Ihr Verständnis, dass wir die Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 3 zu diesem späteren Zeitpunkt komplettieren konnten.

Ich rufe auf:

8   Fragestunde

Drucksache 16/7181

Mit dieser Drucksache liegen Ihnen die Mündlichen Anfragen 52 bis 54 vor.

Als Erstes rufe ich die

Mündliche Anfrage 52

der Frau Abgeordneten Ingola Schmitz von der FDP-Fraktion auf:

Umgang mit Kunstsammlungen und Kulturgütern im Eigentum von Landesbetrieben – Welche Ziele verfolgt der Finanzminister in seiner Eigentümerverantwortung für diverse werthaltige Kunstobjekte bei den Rechtsnachfolgern der WestLB und allen anderen Unternehmensbeteiligungen des Landes?

In den zurückliegenden Wochen hat es seit der publizierten Verkaufsabsicht für zwei Werke des Künstlers Andy Warhol durch das landeseigene Unternehmen WestSpiel eine intensive Debatte über den zukünftigen Umgang mit Kulturgütern gegeben, die für das Land Nordrhein-Westfalen zu einem bundesweiten Imageschaden geführt hat.

Im Zuge der Diskussion sind bemerkenswerte Umstände zur Geringschätzung der kulturellen Werte durch die Behandlung der Kunstwerke seitens der Landesbetriebe bekannt geworden: Da künstlerische Schöpfungen vielfach bloß als eine temporär nützliche Dekoration betrachtet werden, sind Installationen achtlos beschädigt oder gar der Entsorgung zugeführt worden. Das diesbezügliche Sündenregister wird von Tag zu Tag länger.

Die Landesregierung hat Spekulationen noch durch ihr intransparentes Vorgehen in dieser Angelegenheit befeuert. Auch deshalb ist das öffentliche Interesse an der Fragestellung groß, welche weiteren wertvollen Kunstwerke sich in ihrer Gesamtheit noch im Eigentum sämtlicher Landesbetriebe befinden und wie zukünftig mit diesem Anlagevermögen nach dem Willen der Landesregierung verfahren werden soll.

Veränderungen im Kunstbestand sind nicht nur bei WestSpiel absehbar. Durch die Abwicklung der WestLB dürfte sich in Kürze vor allem auch für die dortigen Rechtsnachfolger der Bedarf ergeben, ein Konzept für die Verwendung der Kunstsammlung zu erarbeiten.

Die Portigon-Kunstsammlung stellt ein wichtiges und sichtbares Zeugnis für den Kunsteinsatz der Bank dar und umfasst die Bereiche Klassische Moderne, abstrakte und konstruktivistische Kunst sowie zeitgenössische Kunst und Fotografie. Der unternehmenseigenen Darstellung der Portigon AG ist dazu wörtlich zu entnehmen:

„Künstler wie Joseph Beuys, Imi Knoebel, Gotthard Graubner, die Zerokünstler Uecker, Piene, Mack und Luther, Isa Genzken, Hans Peter Feldmann und Katharina Grosse sind nur einige Namen, die in unserer Sammlung mit wichtigen Arbeiten vertreten sind.“

Auch die Instrumentensammlung der Portigon AG ist beeindruckend, der beispielsweise die zwei Violinen „Lady Inchiquin“ und „ExCroall” von Antonio Stradivari sowie das Violoncello von Joseph Rocca (mit Zertifikat von William E. Hill & Sons, 1939) zugehörig sind. Kunstexperten schätzen allein deren Marktwert auf mehrere Millionen Euro.

Der Finanzminister sollte nun für Transparenz sorgen und dem Landtag vollständig darlegen, in genau welchen Landesbetrieben es noch Kunstwerke und Sammlungen gibt und über welchen Wert diese jeweils ungefähr verfügen. Bislang schweigen alle Landesinstitutionen zu dieser für die allgemeine Öffentlichkeit wichtigen Fragestellung leider. Die Landesregierung sollte sich dieser Debatte nun endlich stellen.

Welche Ziele verfolgt der Finanzminister in seiner Eigentümerverantwortung für diverse werthaltige Kunstobjekte bei den Rechtsnachfolgern der WestLB und allen anderen Unternehmensbeteiligungen des Landes?

Ich bitte Herrn Minister Dr. Walter-Borjans für die Landesregierung um Beantwortung der Frage. – Bitte, Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Portigon AG, um mit ihr zu beginnen, also der früheren WestLB, handelt es sich im Vergleich zu den anderen Unternehmensbeteiligungen um einen besonderen Fall. Die Portigon AG wird aufgrund des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2011 perspektivisch abgewickelt.

Die Kunstwerke der Portigon AG gehören zum Betriebsvermögen und stehen folglich nicht zur freien Verfügung des Landes NRW. Das schließt an das an, was ich eben gesagt habe. Es geht hier nicht um direktes Eigentum des Landes, sondern um das Eigentum einer Aktiengesellschaft des Landes.

Das Betriebsvermögen der Portigon AG ist nach dem Willen der Landesregierung im Übrigen verpflichtend dafür einzusetzen, die Kosten der Restrukturierung aus eigener Kraft zu tragen. Wir haben hier lange und oft darüber debattiert, mit welchem Kapital die Gesellschaft ausgestattet wird, damit sie diesen Restrukturierungs- und am Ende auch Selbstauflösungsprozess ohne weitere Zuführung von Kapital aus dem Landeshaushalt bewältigen kann.

Dazu gehört, dass die Portigon die zur Verfügung stehenden Mittel für die erfolgreiche Umsetzung nutzen muss und dass sie ausreichen müssen. Die Entscheidung über die Verwertung der Kunstgegenstände obliegt deshalb nach Aktienrecht den Gremien der Portion AG. Ein unmittelbarer Landeszugriff auf die Objekte ist ausgeschlossen, weil es sich bei der Portigon AG um eine gegenüber dem Land eigenständige juristische Person handelt.

Sollten die Kunstwerke aus dem Betriebsvermögen entnommen werden, so ist das nur durch Erwerb zu marktüblichen Konditionen möglich und unabhängig davon, ob es sich um private oder öffentliche Erwerber handelt. So wie jetzt die Möglichkeit besteht, die Warhol-Werke zu erwerben, geht das nicht, dass man einfach den Anspruch erhebt, Werte dieser Größenordnung aus einem Unternehmensvermögen herauszunehmen und zu sagen: Das geht ohne Gegenleistung auf einen anderen Eigentümer über, auch wenn der Eigentümer der Eigentümer der AG ist.

Wie im Übrigen mit Kunstwerken landeseigener Unternehmen mit Ausnahme der aktuell zu veräußernden Werke der WestSpiel-Gruppe umgegangen werden soll, soll sorgfältig mit allen Beteiligten und Betroffenen abgestimmt werden. Meine Kollegin, Frau Ministerin Ute Schäfer, hat zu diesem Punkt in der Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 23. Oktober vorgeschlagen, einen runden Tisch einzurichten. Wir sollten die Ergebnisse eines solchen runden Tisches abwarten. Voreilige Reaktionen, wie sie von der FDP-Fraktion gefordert werden, sind nach meiner Auffassung kein Beitrag zu einer sachlichen Diskussion. Das haben wir heute bereits an mehreren anderen Stellen gemerkt.

Ich muss noch einmal auf Folgendes hinweisen: Wir müssen unterscheiden, ob es sich um ein Unternehmen handelt, zu dessen Vermögen auch Kunstvermögen gehört und das in einer wirtschaftlichen Situation ist, in der es von seinem Vermögen auch Gebrauch machen muss. Dann kann man nicht so tun, als würde dieses Vermögen jedem gehören. Vielmehr muss man wissen, dass am Ende das, was an dieser Stelle entnommen wird, aufgefüllt werden muss, und zwar aus Steuermitteln. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Welle der Empörung, auf die Sie sich immer beziehen, nicht auch bei denen entstehen würde, die dafür in Haftung genommen werden.

Ich bin Mitglied des Aufsichtsrats der Portigon AG und könnte im Übrigen auch in einer wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens wie der Portigon oder anderer landeseigener Unternehmen in einem Gremium nie dem Erwerb eines Kunstwerkes zustimmen, wenn die Veräußerung von vornherein absolut ausgeschlossen wäre. Das würde gesellschaftsrechtlich bedeuten, Sie müssten mit einem Schlag eine Sonderabschreibung auf null vornehmen. Das würden Sie mir genauso zum Vorwurf machen, wie Sie mir jetzt zum Vorwurf machen, dass ich meine Zustimmung dazu gebe, dass auch das Vermögen, das in Kunst investiert ist, zur wirtschaftlichen Verwertung herangezogen werden muss.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die erste Nachfrage kommt von Frau Kollegin Schmitz.

Ingola Schmitz *)(FDP): Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Minister, zunächst einmal vielen Dank für Ihre Ausführungen. Erlauben Sie mir dennoch eine Nachfrage: Welche konkreten Absichten hegen Sie bzw. Ihre Landesbetriebe, um zukünftig noch weitere Kunstobjekte zu verkaufen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich habe eben gesagt, dass meine Kollegin zu der Gesamtsituation einen runden Tisch einberufen wird. Wir haben zudem eine Liste derjenigen Kunstwerke zur Verfügung gestellt, die im Eigentum von Landesunternehmen sind.

Dazu muss ich allerdings noch einmal auf Folgendes hinweisen: Man kann alles dafür tun, dass die Veräußerung von Kunstwerken sozusagen nicht der erste Schritt in der Verwertung des Vermögens ist. Die Portigon ist jedoch ein Unternehmen, das von vornherein so konstruiert ist, dass es das ihm zur Verfügung stehende Kapital verzehrt hat, wenn es aus dem Markt austritt.

Das heißt, Sie können nicht von vornherein bestimmte Vermögensgegenstände definieren, die nicht mehr dazugehören, und am Ende sagen: Die Portigon schmilzt auf eine reine Kunstsammlung zusammen. – Das kann nicht sein. Diese Möglichkeit besteht, allerdings müssen Sie dann auch Farbe bekennen und sagen, Sie wollen diejenigen Mittel in den Landeshaushalt einstellen, die nötig sind, um von diesem Unternehmen diese Kunstwerke zu erwerben, um sie dann in landeseigene Museen zu hängen oder den Kommunen die Mittel zur Verfügung zu stellen, damit diese in der Lage sind, diese Kunstwerke zu erwerben.

Es gibt den berühmten Satz „there ain’t no such thing as a free lunch“. Das heißt, es besteht nicht die Möglichkeit, etwas geschenkt zu bekommen. Es muss von jemandem bezahlt werden, und wir sind in einem Bereich, in dem diese Unternehmensfinanzen dazu aufgebraucht werden. In der Privatwirtschaft – das habe ich eben beschrieben – ist das genauso. Sie könnten bei der Abwicklung einer Kunstberatung wie der von Helge Achenbach nicht von vornherein sagen: Die Kunst darf aber nicht dabei sein.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin Schmitz mit ihrer zweiten Zusatzfrage.

Ingola Schmitz *)(FDP): Herr Minister, bei einer öffentlichen Versteigerung hat der Eigentümer keinen Einfluss mehr auf die Destination des Kunstobjektes, die allein der neue Erwerber trifft. Für den Fall, dass sich aus Sicht der Landesregierung oder der Landesunternehmen auch zukünftig Veräußerungsnotwendigkeiten ergeben, frage ich Sie: Warum wird nicht zumindest zunächst im nordrhein-westfälischen Kunstmarkt geprüft, ob es auch heimische Erwerber für die Kunstwerke gibt?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Zunächst einmal oblag mir als Mitglied des Verwaltungsrats der NRW.BANK nicht das operative Geschäft, was wie und auf welchem Weg wirtschaftlich verwertet wird. Sie können die anderen Mitglieder ebenso fragen. Es ist auch nicht der Finanzminister, der diese Entscheidung zu treffen hat, sondern wir hatten die zu bewerten, und ich halte diese Entscheidung vor dem eben geschilderten Hintergrund für absolut richtig. Deshalb habe ich ihr auch zugestimmt. Wir haben gemeinsam zugestimmt, und es gab auch keine Debatte zwischen unterschiedlichen Positionen ausschließlich aus diesem Blickwinkel der Kultur.

Dazu gehört auch: Wenn das Unternehmen seinem Auftrag gerecht wird, die Vermögenspositionen zu verwerten, dann ist jede Einschränkung, die der Eigentümer gibt, einen Kostenfaktor. Ich habe heute schon einmal die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zitiert, die in Phasen auch sehr stolz darüber berichtet, welche großen Werte für Kunstwerke auf den internationalen Kunstmärkten erreicht werden.

Gestern habe ich mir noch einmal die Mühe gemacht und mir ein paar Artikel aus der „FAZ“ angeguckt. Darunter war zum Beispiel einer, der ganz genau beschrieb, dass praktisch mittlerweile die Preise, die erzielt werden können, in diesem Duopol Sotheby's oder Christie's erzielt werden und sich mittlerweile einige der Berater schon selbstständig machen und wiederum versuchen, mit ihren Kundenkreisen etwas zu bewirken und ihr Geld zu verdienen. Das heißt natürlich, dass sie Folgendes wissen müssen: Wenn sie nicht über diese Dienstleister gehen, sondern auf andere Märkte zurückgreifen, dann wird der Verkaufserlös kleiner. Das muss eine Geschäftsführung anschließend auch begründen können. In anderen wirtschaftlichen Zusammenhängen ist das ein Fall von Beihilfe, wenn Sie zu jemandem gehen, der das nicht in diesem Maß bewerkstelligen kann.

Ich gebe dazu allerdings gerne noch einmal Folgendes zu bedenken: Ich habe eben davon gesprochen, dass ich sowohl mit Galeristen als auch mit Künstlern in diesem Land viel im Gespräch bin. Ich persönlich könnte mir gut vorstellen und hätte alles andere als etwas dagegen, dass sich die Künstler über die Vermarktung von Kunstwerken einen Namen machen können.

Dazu gehört allerdings auch, dass Kunstwerke angekauft und verkauft werden und dass Galeristen, die eine starke Basis in diesem Land haben, ihre Möglichkeiten bekommen.

Aber auch das muss im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Richtlinien geschehen, und es darf nicht durch freihändige Vergabe an irgendjemanden passieren.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Die erste Zusatzfrage von Herrn Kollegen Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit einer ersten Nachfrage. – Herr Finanzminister – ich glaube, das darf ich für die FDP-Landtagsfraktion sagen –, niemand hat Ihnen hier vorgeworfen, Sie seien ein Kulturbanause. Wir wissen auch aus Ihren Darstellungen, dass Sie sich gerne selbst betätigen – sei es als Steinmetz oder mit anderen künstlerischen Aktivitäten. Von uns hat auch niemand gesagt, dass es an sich unanständig wäre, Kunst- und Kulturgüter in dem einen oder anderen Fall zu verkaufen. Das ist schließlich gelegentlich auch im Interesse von Künstlern.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Gerade deshalb ist es wichtig, mehr über die Liste mit den Werken und Unternehmen zu erfahren, die Sie eben erwähnt haben. Daher meine Frage: Welche Erkenntnisse haben Sie über den Gesamtwert der Kunstwerke in Landesbetrieben? Was können Sie uns zu dieser Liste mitteilen? Ich meine den Gesamtwert, die Anzahl der Kunstwerke und die Unternehmen. Oder würden Sie uns als Parlament die Liste zur Verfügung stellen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen, wie viele Werke es im Einzelnen sind. Eines kann ich Ihnen aber sagen: Wenn Sie keinerlei Schnitt bei einem bestimmten Marktwert machen, dann ist das eine Unzahl von kleineren und größeren Gegenständen, die über die Jahrzehnte in das Eigentum der Kreditinstitute oder der Landesgesellschaften gelangt sind. Es hängt also sehr stark davon ab, ob man es ab einem bestimmten Wert aufzählt.

Wir reden bei dem, was jetzt in der Auktion ist, sicherlich von dem ganz großen Brocken. Das andere sind, soweit ich informiert bin, deutlich dahinter zurückfallende Marktwerte. Das ist letztendlich aber auch ein Stück Betriebsgeheimnis der Unternehmen, die mit Sicherheit nicht gezwungen werden können, die Liste weit zu verbreiten. Sie müssen sie erst einmal für sich haben – das ist auch eine Erwartung, die ich habe –, genauso wie es auch für andere Vermögensgegenstände der Fall ist. Diese Liste kann ich nicht zur Verfügung stellen.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Bombis.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister, im Anschluss an die eben von Herrn Kollegen Witzel gestellte Frage möchte ich nachfragen – da Sie das ja vermutlich buchhalterisch erfassen –, wie hoch der ungefähre Wert der früheren WestLB-Kunstsammlung, die sich heute im Eigentum der Portigon AG befindet, ist.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Was ich Ihnen möglicherweise gleich geben kann, ist die … Ich weiß, dass wir eine Übersicht über die Anschaffungswerte haben. Das ist genau das Thema: Auf der eine Seite haben wir Buchwerte, auf der anderen Seite können Sie sich erst dann ein Bild davon machen, wenn Sie es veräußern. Sie wissen, dass die Warhols Anschaffungswerte von ungefähr 200.000 DM hatten und jetzt zu ganz anderen Preisen gehandelt werden.

Zweitens gibt es dazu Versicherungsbeträge. – Also, die Versicherungswerte betragen 28 Millionen €.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Wedel.

Dirk Wedel (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, Sie haben in der Beantwortung der Dringlichen Frage im HFA dargestellt, dass die in dem Vertrag zwischen Christie‘s und WestSpiel vereinbarte Verschwiegenheitspflicht dazu führen würde, dass nicht nachvollzogen werden kann, ob gegebenenfalls der Käufer der Werke – das wäre bei einem deutschen Käufer der Fall – umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht.

Daher die Frage: Wie können Sie, der Sie sich immer als Vorkämpfer für die Steuergerechtigkeit darstellen, einer vertraglichen Konstruktion zustimmen, die es Ihnen nicht erlaubt, nachzuvollziehen, ob ein Umsatzsteuertatbestand angefallen ist und die Steuer gegebenenfalls auch tatsächlich entrichtet wird?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Sie halten hier zwei Dinge nicht auseinander. Was das Thema „Vorkämpfer“ angeht, so bezieht sich das auf Steuerhinterziehung. Steuerhinterziehung ist es in dem Fall garantiert nicht.

Das Zweite ist die Frage von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten, die wir ändern wollen. Bei diesen haben wir natürlich keine Handhabe, solange sie nicht auch gesetzlich geändert sind. Jedenfalls erachte ich es nicht als die Aufgabe eines Aufsichtsgremiums, diesem Landesunternehmen bei jeder Form des operativen Geschäfts die Hand zu führen. Wir hatten über die Veräußerung von zwei Kunstwerken zu entscheiden, um aus immateriellen Vermögensgegenständen sozusagen materielle zu machen. Dieser Veräußerung haben wir zugestimmt.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Minister. – Herr Kollege Brockes stellt Ihnen die nächste Frage.

Dietmar Brockes (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich hätte von Ihnen gerne gewusst, ob auch der Aufsichtsrat mit allen An- und Verkäufen von Kunstwerken durch die Portigon befasst ist und welche Regeln es dort gibt.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich habe das ja eben schon gesagt: Portigon ist im Moment sicher nicht in der Situation, in der sie Kapital dafür einsetzen würde, Kunst zu kaufen. Vor dem Hintergrund, den ich eben beschrieben habe, würde ich Ihnen auch im Falle einer Beteiligung des Aufsichtsrates garantieren, dass ich keine Zustimmung geben würde. Weil dann die Veräußerung ausgeschlossen ist, kann ich im Moment nicht zulassen, dass die Mittel, die bei Portigon sind, dann für etwas eingesetzt werden, das dann sofort abgeschrieben werden müsste.

Sofern es sich um Verkäufe handelt, kann ich Ihnen jetzt die genaue Regelung nicht sagen, ob das für jeden einzelnen Wert gilt. Ich gehe davon aus, dass für größere Werke mit Sicherheit die Geschäftsführung bzw. der Vorstand den Aufsichtsrat informieren würde. Aber in erster Linie ist das erst einmal ganz normal das operative Geschäft.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Frage, Herr Minister, stellt Ihnen Frau Kollegin Schmitz. Das ist dann zugleich ihre dritte und damit letzte Fragemöglichkeit.

Ingola Schmitz*) (FDP): Frau Präsidentin, vielen Dank. – Herr Minister, meine Frage betrifft noch einmal die alte WestLB-Kunstsammlung. Welche Verwendung haben Sie bzw. die zu 100 % im Landeseigentum befindliche Portigon AG für die alte WestLB-Kunstsammlung vorgesehen, wenn die Portigon AG als Rechtsnachfolgerin der WestLB im Jahr 2016 abgewickelt wird?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Die Frage habe ich ja schon beantwortet. Die Portigon muss mit dem Kapital auskommen, das ihr zugewiesen worden ist für die Abwicklung bzw. für das langfristige Austreten aus dem Markt.

Wir haben ja hier zwei Bereiche. Wir haben die PFS, die Portigon Financial Services. Das ist der Teil, der Ende 2016 entweder veräußert werden muss oder am Ende für den Fall, dass eine Veräußerung oder eine andere Konstruktion nicht zum Tragen kommt, abgewickelt werden muss.

Der andere Teil der Portigon AG wird ja langfristig weiter bestehen. Da geht es ja um eine ganze Reihe von Verpflichtungen, Pensionen, Immobilien, um Dinge, die nicht dieser Verkaufsverpflichtung unterliegen, die die Europäische Kommission uns auferlegt hat. Das heißt, da ist nicht kurzfristig notwendig, aus dem Kunstvermögen oder aus anderem Vermögen Geld zu machen.

Allerdings ist das Schritt für Schritt vorgesehen. Das Endergebnis wird sein, dass es Portigon in dieser Form auch nicht mehr geben wird. Dann gibt es auch die darin befindlichen Kunstgegenstände nicht mehr im Eigentum von Portigon. Wenn sie dann herausgelöst werden müssten, dann muss es dafür jemanden geben, der den Gegenwart bezahlt, und sei es der Steuerzahler.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Witzel stellt Ihnen seine zweite Frage. Damit sind auch seine Fragemöglichkeiten erschöpft.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich habe in der Tat noch eine zweite Nachfrage an den Finanzminister. Herr Dr. Walter-Borjans, Sie haben eben ein bisschen versucht – den Eindruck hatte ich auch bei Ihren Darstellungen in den letzten ein, zwei Wochen –, das Thema der Kunstverkäufe alleine in den Bereich der Beteiligungsgesellschaften des Landes zu ziehen. So ist es ja nicht ganz, weil ja – siehe Frage WestSpiel und Verkauf der beiden Warhols – der Landeshaushalt sehr wohl auch angesprochen ist, in unterschiedlicher Weise abhängig von der tatsächlich erzielten Verkaufshöhe.

Deshalb wollte ich da schon noch mal nachfragen, weil Sie eben so getan haben, als ob das Thema das operative Geschäft dieser Gesellschaften betrifft. Warum ist dann, wenn das so ist, der Landeshaushalt angesprochen? Warum wählen Sie dann Lösungen, die ausdrücklich auch über den Landeshaushalt abgewickelt werden, auch in anderen denkbaren zukünftigen Fällen? Soll man da vermuten, dass es zukünftig nicht mehr die Absicht gibt, damit auch Einnahmen für das Land zu erzielen – jenseits der Gesellschaft selbst?

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das ist unzutreffend. Es gibt drei Kategorien.

Es gibt einmal die Kategorie, die Sie jetzt schon sozusagen als abgehandelt betrachtet haben, nämlich Kunst, die im Besitz von Landesgesellschaften ist. Die entscheiden selber, ob sie sie verwerten müssen, weil sie etwa in einer Situation sind, in der sie sich selbst sozusagen zurückbauen müssen. Dann wird nach Aktienrecht entschieden. Dazu gibt es dann Aufsichtsgremien.

Auch da sollte man vielleicht noch einmal einen Hinweis geben. Was glauben Sie eigentlich, wie das gehen würde, wenn Sie Aufsichtsgremien hätten, in denen – wie Sie ja immer wieder fordern – Politik überhaupt nicht vertreten wäre? Es wird ja immer wieder die Forderung gestellt, dass in Aufsichtsgremien von Landesunternehmen keine Politiker sein sollten. Dann hätten Sie diese Diskussion entweder gar nicht oder in weit stärkerem Maße im Nachhinein, als wir das jetzt in diesem Fall machen mit der Beteiligung von Politikern, die sich dann hier auch dafür rechtfertigen, was sie an dieser Stelle gemacht haben – von einer ganzen Reihe von anderen Dingen, bei denen Politik dann im Rahmen des Zulässigen auch Einfluss nimmt, ganz zu schweigen. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt sind Unternehmen wie die WestSpiel, die auch als Unternehmen handeln, bei der auch die Geschäftsführung und deren Aufsichtsgremium zunächst einmal Entscheidungen zu treffen haben. Nur gibt es da Regelungen im Spielbankgesetz, dass Sondergewinne abzuführen sind über die Mutter an den Landeshaushalt. Unabhängig von dem Kapitalbedarf, den das Unternehmen selber hat, besteht die Regelung, dass die Mittel aus dem Verkauf von der WestSpiel über die NRW.BANK in den Landeshaushalt fließen und der Landeshaushalt praktisch wieder der WestSpiel die Mittel zuführen muss, die sie braucht, die ihrem Kapitalbedarf entsprechen.

Dafür haben wir die notwendigen Voraussetzungen im Haushalt geschaffen. Ich gehe davon aus, dass, wenn es da eine Differenz gibt zwischen dem Veräußerungspreis und dem Kapitalbedarf der WestSpiel, das ein Teil der hier schon häufiger diskutierten globalen Mehreinnahme des Landes ist.

Ich finde es auch sehr bedenkens- und bemerkenswert, dass hier jetzt die Grundposition – nicht bei Ihnen persönlich, aber insgesamt – aufgebaut wird nach dem Motto: Der Kunstverkauf ist ein Sakrileg. Wir können ihn jetzt nicht mehr verhindern, aber die Kohle muss bitte schön in die Kultur. Das ist ja die nächste Diskussion, die kommen wird.

(Beifall von Oliver Keymis [GRÜNE])

Das ist ein Punkt, bei dem ich sage: Nein. Dafür gibt es ganz klare Regelungen. Der Rest ist landespolitische Diskussion, landespolitische Entscheidung.

Das gilt dann auch für den dritten Teil, nämlich für den Teil der Kunst, der sich im Eigentum des Landes befindet.

Dann können wir jetzt diskutieren. Da habe ich zwar durchaus auch eine kulturpolitische Meinung. Allerdings ist die vollkommen belanglos; denn da bin ich Teil einer Meinungsbildung, aber nicht derjenige, der das als Ressortpolitik zu vertreten hat. Ich erlaube mir trotzdem zu sagen, dass ich in unseren Diskussionen immer wieder darauf hingewiesen habe, dass zu Museen oder zu Beständen auch eine gewisse Profilschärfung gehören kann. Ich persönlich hätte mir in Bezug auf die Sammlung, die sich in Kornelimünster ergeben hat, vorstellen können, dass man mit jetzt auf hohe Werte gestiegenen Werken derjenigen, die früher als junge Künstler gefördert worden sind, die Möglichkeit schafft, auch wieder junge Künstler zu fördern.

Als Finanzminister sage ich da aber: Wenn man die Entscheidung getroffen hat, den Bestand zu erhalten und die Sammlung immer weiter wachsen zu lassen, ohne dass sie angerührt wird, dann ist das finanzpolitisch oder haushaltspolitisch unter dem Strich dasselbe. Man würde nur ein paar Diskussionen mit mir bekommen, wenn man dann zusätzliche Mittel haben wollte, um junge Künstler zu fördern. Da hätte ich durchaus eine andere Ansicht, über die man dann reden müsste.

Letztendlich handelt es sich dabei aber wirklich um eine kulturpolitische oder kunstpolitische Diskussion innerhalb der Regierung oder auch des Parlaments, bei der ich nicht maßgeblich bin und nicht derjenige bin, der die Ressorthoheit hat. Das ist Ute Schäfer, und das habe ich zu respektieren. Das diskutieren wir kollegial im Kabinett. Da ist die klare Aussage, dass es nicht zur Veräußerung von Kunst aus den Beständen des Landes kommen soll.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Bombis stellt seine zweite Frage.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich würde gerne noch einmal auf den Punkt möglicher zukünftiger Verkäufe zurückkommen. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie zu konkreten Absichten in dieser Form derzeit nichts sagen können. Nichtsdestotrotz möchte ich Sie fragen, ob es denn Kriterien gibt – und welche Kriterien das möglicherweise sind –, die die Landesregierung oder gegebenenfalls auch die Landesbetriebe zugrunde legen, um dann letztendlich zu entscheiden, welche Kunstwerke zukünftig noch verkauft werden, und auch, durch wen und wo. – Vielen Dank.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das Kriterium müsste sein, dass im Haushalt des Landes Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten, um nach bestimmten Kriterien Kunst aus den Unternehmen, die Kunst veräußern, erwerben zu können; denn sonst kann ich – insbesondere im Fall von Portigon – nicht sagen, dass ich jetzt ein Kriterium definiere, nach dem ich das Vermögen aus diesem Unternehmen herausnehme. Es gibt nicht die kostenlose Vermögensübertragung. Jemand muss die Lasten zu tragen bereit sein, wenn er nicht der Meinung ist, dass das zu dem Vermögen gehört, das das Unternehmen nach und nach veräußern muss.

Auch wenn ich mit Sicherheit wieder eines Tabubruchs gescholten werde, sage ich: Das gilt für jeden Vermögensgegenstand. Es ist vollkommen egal, ob es sich um eine Büroausstattung, um IT-Investments, um eine Immobilie oder eben um Kunstgegenstände handelt. Wie wir sehen, sind das ja keine Kleinigkeiten. Es geht hier nicht darum, in einem kaum spürbaren Maße in das Eigentum eines Unternehmens einzugreifen. Vielmehr machen die Kunstgegenstände einen erheblichen Teil der Aktiva dieses Unternehmens aus. Bei der Auflösung oder bei der Abwicklung sind sie zu veräußern.

Dann muss es Entscheidungen darüber geben, wer sie erwirbt, wenn sie nicht das Land verlassen sollen oder wenn sie nicht in andere Hände kommen sollen. Da frage ich mich aber auch wieder, warum das Land an dieser Stelle zwar nicht der bessere Unternehmer, aber der bessere Sammler sein soll; denn es gibt möglicherweise auch eine ganze Reihe von Privatpersonen, die willens und in der Lage wären, ihr Vermögen dafür einzusetzen. Das werden wir wahrscheinlich auch bei der Auktion sehen, die in der nächsten Woche stattfindet.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Wedel, der damit ebenfalls seine Möglichkeiten ausschöpft.

Dirk Wedel (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, ich hatte es gerade so verstanden, dass Sie in Bezug auf die Portigon-Kunstsammlung einen Versicherungswert von 28 Millionen € genannt hatten. Können Sie vielleicht darstellen, ob diese 28 Millionen € näher am Anschaffungswert oder näher am Verkehrswert liegen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Nein, das kann ich nicht. Ich vermute – das ist eine reine Vermutung –, dass sich der Versicherungsbetrag nicht mehr auf den Anschaffungswert bezieht. Das wird man bei allen Prüfkriterien, die an ein Unternehmen angelegt werden, sicher so nicht durchhalten können. Ich vermute ebenso, dass der Versicherungsbetrag nicht unbedingt dem letzten Stand der Preise auf dem Kunstmarkt entspricht, die ja im Moment sehr nach oben gegangen sind.

Das haben wir ja im Haushalts- und Finanzausschuss auch besprochen. Wir sollten uns jetzt doch nicht kulturpolitisch oder kunstpolitisch einen falschen Heiligenschein aneignen. Jeder weiß, dass die Preise, die für Kunstwerke und erst recht zeitgenössische Kunstwerke im Augenblick aufgerufen werden, viel damit zu tun haben, dass es Menschen gibt, die Kapital anlegen wollen und unter spekulativen Gesichtspunkten meinen, dass sie damit möglicherweise einen größeren Wertzuwachs erzielen können als mit anderen Anlageformen, bei denen sie nur Zinsen erwarten können. Das ist der Grund, warum Kunst enorm im Preis nach oben geht.

Dabei muss man sich immer auch fragen: Bleibt das so? Sieht das in zehn Jahren noch genauso aus? – Ich bin gespannt auf die Diskussion, die sich ergibt, wenn man dann vielleicht einem Nachfolger vorwirft, dass er die Hochpreisphase der Kunst nicht genutzt hat, um das Vermögen dieser Gesellschaften für den Steuerzahler richtig einzusetzen.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Brockes stellt Ihnen die nächste Frage. Das ist auch seine zweite Frage.

Dietmar Brockes (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, Sie hatten eben in der Debatte beklagt, dass der damalige Vorstandsvorsitzende der WestLB, Herr Fischer, Kunst veräußert hat, ohne die Aufsichtsgremien zu involvieren. Gerade waren Sie als Aufsichtsratsmitglied nicht in der Lage, mir zu sagen, ab welchem Wert die Geschäftsführung Sie heute seitens der Portigon informieren muss, wenn solche Veräußerungen anstehen. Meine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Sehen Sie, dass Sie an dieser Stelle noch Ihrer Aufsichtspflicht nachkommen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Erstens habe ich das mit Herrn Fischer in der Diskussion nicht gesagt. Das können wir ja nachlesen. Das ist definitiv nicht ein Beitrag von meiner Seite gewesen. Das können wir gerne anhand des Protokolls prüfen.

Zweiter Punkt: Ich komme meiner Aufsichtspflicht nach. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass die häufig bemühte Außendarstellung nicht zutrifft. Zum einen sitzen in einem Aufsichtsrat nicht nur Politiker. Zum anderen gibt es auch Fachleute, die geradezu darauf achten. Die Erwartungen und die Erfordernisse an die Mitgliedschaft in einem Verwaltungsrat oder einem Aufsichtsrat sind heute höher denn je. Das heißt, all diese rechtlichen Pflichten sind genau festgelegt, auch wenn ich Ihnen im Augenblick nicht genau die Grenze sagen kann, ab der zu informieren ist.

Was Sie aber hier wieder machen möchten, ist doch die Einführung einer Ausnahme für Kunst. Die wird sicherlich nicht zu den Pflichten eines Aufsichtsratsmitgliedes gehören. Da geht es am Ende um Aufsichtsrecht über eine unternehmerische Tätigkeit. Da reden wir von Aktiva und Passiva. Und es ist nicht Thema der aufsichtsrechtlichen Begleitung eines Unternehmens zu sagen, dass ein bestimmtes Kunstwerk zu einem Preis null aus dem Vermögen herausgenommen und an jemand anderen überstellt wird. Das ist – das kann ich Ihnen ohne jede Nachfrage sagen – definitiv nicht zulässig.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wünsche nach Nachfragen zur Mündlichen Frage 52 liegen nicht vor. Wenn das so bleibt, ist damit die Mündliche Anfrage 52 beantwortet.

Ich rufe die

Mündliche Anfrage 53

des Herrn Kollegen Ralph Bombis von der Fraktion der FDP auf:

Nordrhein-westfälische Reisebranche fürchtet Pleitewelle infolge einer realitätsfernen Auslegung des Steuerrechts – Welche Rechtssicherheit und Problemlösung will der Finanzminister den Reiseveranstaltern im Hinblick auf die sogar nachträgliche Gewerbesteuerhinzurechnung der Kosten für den sogenannten Hoteleinkauf anbieten?

In den vergangenen Wochen und Monaten sind verschiedentlich die Existenzsorgen von Reiseveranstaltern aufgrund der seitens der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung beabsichtigten gewerbesteuerlichen Hinzurechnung des Hoteleinkaufs bekanntgeworden, da diese für zahlreiche Reiseveranstalter in unserem Land quasi eine Steuererhöhung und somit eine enorme zusätzliche finanzielle Belastung darstellt. Diese Problematik ergibt sich leider für die Betroffenen verschärft, da Sachverhalte selbst rückwirkend ab dem Jahr 2008 einer erhöhten Versteuerung unterliegen sollen, die der Sache nach überhaupt nicht gerechtfertigt ist.

Ursächlich für die Aufregung der Reisebranche ist die Neuauslegung des Gewerbesteuerrechts durch die obersten Finanzbehörden auch in Nordrhein-Westfalen in der Art und Weise, dass der gesamte Reisevorleistungseinkauf bei Hotelleistungen des Reiseveranstalters als Mietverhältnis zu qualifizieren sei.

Diese Beurteilung widerspricht der bisherigen steuerlichen Anwendung in unserem Land.

Die Hinzurechnung zum Betriebsergebnis hat zur Folge, dass die Kosten für den Hoteleinkauf von Reiseveranstaltern für die Zusammenstellung zu einer Pauschalreise nun der Gewerbesteuer unterworfen werden. Die bloße Reservierung eines Zimmerkontingentes ist hiervon zwar noch nicht berührt, betroffen sind aber Anbieter, wenn ein gemischter Vertrag zwischen dem Reiseveranstalter und dem Hotelbetreiber vorliegt. Die der Hotelunterkunft zuzurechnenden Entgelte wie die Unterkunftsüberlassungen, aber auch damit verbundenen Nebenleistungen wie beispielsweise Zimmerreinigung und Rezeption, unterliegen dann der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach dem Gewerbesteuergesetz.

Seit der Unternehmensteuerreform von 2008 werden Aufwendungen für Mieten, Pachten, Leasingraten und Zinsen dem zu versteuernden Gewerbeertrag hinzugerechnet. Dadurch sollen Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb mit eigenem Anlagevermögen betreiben denen gleichgestellt werden, die überwiegend Miet- oder Pachtmodelle nutzen. Diese verständliche Zielsetzung stellt aber eine realitätsferne Auslegung für die Reisebranche dar und verursacht dort unnötigerweise eine Pleitewelle.

Nach Angaben des Deutschen ReiseVerbandes (DRV) ergibt sich für die Zeit seit 2008 bis 2012 durch die Hinzurechnung einmalig eine nachträgliche Steuerschuld von etwa 1,4 Mrd. Euro bundesweit. Für Nordrhein-Westfalen liegen nach bisheriger Auskunft seitens der Landesregierung noch keine belastbaren eigenen Daten vor.

Der wichtige Wirtschaftsfaktor Tourismus erfährt durch diese Vorgehensweise eine massive Schwächung. Es ist davon auszugehen, dass die zusätzliche Besteuerung des fiktiven Anlagevermögens bei vielen Unternehmen zwangsläufig zu einer Existenzgefährdung führt und das Konzept der Pauschalreise ruiniert, für die sich fast die Hälfte der Bevölkerung entscheidet und Reisen für breite Gesellschaftsteile bezahlbar macht.

Die Sorgen bei betroffenen Reiseunternehmern sind immens. Größere Anbieter haben bereits die Verlagerung des Hoteleinkaufs ins Ausland angekündigt, kleine und mittlere Veranstalter haben dazu oft nicht die Möglichkeit. Langjährig andauernde Rechtsstreitigkeiten sind nun zu erwarten, wenn die derzeitige Fehlinterpretation nicht umgehend korrigiert wird.

Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sollte dem Landtag daher dringend darlegen, ob die absehbaren Konsequenzen auch seinerseits beabsichtigt sind und wie er sich die zukünftige Handhabung dieser Problematik vorstellt, die nicht ernsthaft mit der gesetzlichen Neuregelung des Jahres 2008 beabsichtigt gewesen sein kann.

Welche Rechtssicherheit und Problemlösung will der Finanzminister den Reiseveranstaltern im Hinblick auf die sogar nachträgliche Gewerbesteuerhinzurechnung der Kosten für den sog. Hoteleinkauf anbieten?

Herr Finanzminister, Sie sind wiederum mit der Beantwortung dieser Frage beschäftigt.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Bombis! Meine Damen und Herren! Nach § 8 Nr. 1 Buchstabe e des Gewerbesteuergesetzes werden 12,5 % der von einem gewerblichen Unternehmen gezahlten Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens dem Gewerbeertrag hinzugerechnet, soweit die Summe aller Hinzurechnungen 100.000 € übersteigt. Das ist eine Regelung, die mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 mit Zustimmung der damaligen schwarz-gelben Landesregierung eingeführt worden ist. Sie gilt ab dem Erhebungszeitraum 2008.

Die Idee dahinter war, dass Unternehmen, die fremde Räume nutzen, nicht weniger Gewerbesteuer zahlen als Unternehmen, die eigene Räume nutzen. Wir reden hier übrigens von einer kommunalen Steuereinnahme. Es geht hier nicht um den Landeshaushalt. Die Auslagerung in gemietete Räumlichkeiten sollte keinen Unterschied machen. Man sollte es nicht umgehen können.

Durch die Gesetzesänderung wurde eine Verstetigung des Gewerbesteueraufkommens im Interesse der Gemeinden angestrebt. Zeitgleich mit dieser steuerverschärfenden Regelung wurde der Körperschaftsteuersatz auch von 25 auf 15 % und die Steuermaßzahl bei der Gewerbesteuer von 5 auf 3,5 % abgesenkt. Insgesamt sollten die Unternehmen durch das Unternehmenssteuerreformgesetz langfristig um 5 Milliarden € jährlich entlastet werden.

Nach bundesweit abgestimmter Verwaltungsauffassung – das ist nicht eine Haltung des Landes Nordrhein-Westfalen – ist der Hoteleinkauf eines Reiseveranstalters in die Hinzurechnung nach diesem § 8 Nr. 1 Buchstabe e des Gewerbesteuergesetzes einzubeziehen, weil Hotelbelegungsverträge zivilrechtlich betrachtet eben Mietverträge darstellen.

Die Gegenargumente der Reiseverbände und der Reiseunternehmen sind seinerzeit im Rahmen einer Verbandsanhörung geprüft, von den zuständigen Gewerbesteuerfachleuten der obersten Finanzbehörden jedoch nicht als durchgreifend erachtet worden. Die nordrhein-westfälischen Finanzämter sind an die abgestimmte Verwaltungsauffassung gebunden. Beim Finanzgericht Münster ist allerdings ein Musterklageverfahren anhängig.

Ich glaube, Herr Bombis, dass wir in der spontanen Einschätzung dieses Bereichs nicht weit voneinander entfernt sind. Ich habe mich mit Vertretern mehrerer Reiseunternehmen unterhalten. Ich habe persönlich auch immer wieder gesagt: Es ist ein Unterschied, ob jemand in einer gemieteten Halle etwas produziert bzw. in einem gemieteten Büro eine Dienstleistung anbietet oder ob er sozusagen das Gemietete weitervermietet und damit seinen Umsatz erzielt. Das ist ein Unterschied.

Trotzdem war ich auch immer so ehrlich, den Reiseunternehmen gegenüber zu sagen: Ich möchte geprüft haben, ob da ein Ansatzpunkt für eine unterschiedliche Betrachtung ist. Es würde sich mir erschließen. Ich weiß auch, mein Kollege Garrelt Duin und die Wirtschaftsminister sind in diesem Punkt tätig geworden und haben uns geschrieben. Es ist ein Unterschied, wenn ich sozusagen ein Hotelzimmer miete, um es zu vermieten, als wenn ich eine Halle miete, in der ich Autos repariere.

Man muss allerdings dazusagen: Auch im Bereich des Reisegewerbes hat es in der Vergangenheit Steuerkonstruktionen gegeben, die genau mit dieser Frage, welche Ferieneinrichtungen ich kaufe, welche Ferieneinrichtungen ich miete, diesen Umgehungstatbestand herbeiführen wollten. Insofern ist die Antwort nicht so einfach, wie ich sie mir selbst vorgestellt und gewünscht hätte. Man muss das schon darauf aufklopfen, welche Möglichkeiten dann, wenn man es ändert, wieder gegeben wären, sich an einer Gewerbesteuer und damit einer wichtigen Finanzierungsquelle für die Kommunen vorbeizudrücken.

Von einer neuerlichen Positionierung in dieser Frage wird die Landesregierung deshalb den Ausgang des Musterverfahrens in Münster abwarten. Das habe ich allen Beteiligten geschrieben. Das gilt auch für den Umgang mit Gewerbesteuernachzahlungen für zurückliegende Zeiträume. Die Finanzämter gewähren betroffenen Reiseveranstaltern bei anhängigen Einspruchsverfahren auf Antrag Aussetzung der Vollziehung, sodass den Unternehmen gegenwärtig keine unmittelbaren finanziellen Nachteile drohen. Für die wirtschaftlichen Sorgen der Tourismusbranche, die sich einer erheblichen gewerbesteuerlichen Mehrbelastung ausgesetzt sieht, habe ich Verständnis.

Ich sage es noch einmal ganz bewusst, weil wir ja auch wissen, dass mittlerweile andere Anbieter vermittelnd tätig sind – hotel.de, hrs.de –, die genau dieses Thema nicht haben. Sie mieten nicht und vermieten nicht, sondern sie vermitteln und umgehen damit den Tatbestand. Ich bin mir sehr bewusst, dass sich, wenn diese Regelung in der engsten Auslegung bleibt, Reiseunternehmen natürlich überlegen, ob sie nicht diese Konstruktion wählen oder Standorte wählen, an denen sie das anders machen können. Das ist mir schon sehr bewusst.

Aus diesem Grund habe ich intensive Gespräche mit den betroffenen Reiseveranstaltern über Pro und Contra einer Modifikation des geltenden Rechts geführt. Ich stehe auch mit den Kommunen in Kontakt.

Die Regelung, zunächst einmal abzuwarten, was mit der Musterklage passiert – ich sage es nochmals: bei einer sehr offenen Haltung dazu –, finde ich daher richtig. Egal, wie die Klage ausgeht, wird sie Diskussionen nach sich ziehen, weil entweder die Gemeindefinanzen betroffen sind oder die Finanzen der Reiseveranstalter. Es geht also eindeutig nicht um die Finanzen des Landeshaushalts.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Minister. – Herr Kollege Bombis stellt Ihnen seine erste Nachfrage.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich danke Ihnen zunächst einmal für Ihre Ausführungen. Besonders danke ich Ihnen dafür, dass Sie sich in diesen Ausführungen eindeutig positioniert haben, was die Zweifel – wenn ich das richtig verstanden habe – an der bestehenden Auslegung auch durch die nordrhein-westfälischen Finanzbehörden angeht, die ja recht weit vorne in dem Chor unterwegs sind, und auch was die diesbezügliche Auffassung Ihres Ministerkollegen Duin angeht.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen eine Frage stellen. Laut dem Deutschen Reiseverband sind durch diese umstrittene Interpretation der Gewerbesteuervorschriften – die ja von Anfang an in dieser Form nicht gemeint gewesen sein kann – durch die Finanzbehörden rund 25.000 Arbeitsplätze in der Branche gefährdet.

Ist dieses gravierende Arbeitsplatzargument, das insbesondere die deutschen Reiseveranstalter mit dem beliebten Geschäftsmodell der Pauschalreise trifft, nicht ein Grund für Sie, ungeachtet dieses anhängigen Verfahrens – dem durchaus eine gewisse Verfahrensdauer zugestanden werden muss – die fragwürdige Auslegungspraxis der Finanzbehörden zu überdenken und zu korrigieren?

Sollte man nicht zumindest darauf hinwirken, dass eine gewisse Korrektur stattfindet und man lieber direkt an neuen Regelungen arbeitet, die dann auch die Kriterien erfüllen, die Sie hinsichtlich der möglichen Umgehungstatbestände in Ihrer Stellungnahme formuliert haben?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: NRW ist da nicht vorneweg im Chor; vielmehr haben die 16 Länder und das Bundesfinanzministerium gemeinsam diese gesetzliche Regelung bewertet und ausgelegt. Ich glaube, ich habe in meinen Ausführungen deutlich genug gemacht, dass ich mir – ich sage mal – dieser Grenzwertigkeit bewusst bin, was sozusagen das Vermietungs- und Mietverhältnis in diesem konkreten Fall betrifft.

Aber – das werden Ihnen auch die Reiseveranstalter, wenn sie zutreffend aus unseren Gesprächen berichten, bestätigen – wir sind insofern sozusagen ein Stück vorneweg im Chor, weil wir eine Reihe von Reiseveranstaltern haben, nicht wegen der Finanzverwaltung. Dem niedersächsischen Kollegen geht es da ähnlich. Es gibt ein paar Kollegen, die haben mehr Interesse und sind hier aktiver unterwegs als andere.

Als ich diesen Punkt im Kreise der Finanzminister angesprochen habe, war ich in einer Hinsicht allerdings überrascht. Es geht um die Einwände gegen die Praxis, die ich auch beschrieben habe, nämlich sofort wieder über Steuerkonstruktionen der Umgehung nachzudenken, wenn es andere Regelungen in diesem Bereich gäbe, und darum, dass es die auch schon in der Vergangenheit gegeben hat. Da war ich überrascht, dass das auch von anderen Ländern mit Kommunen, die auch von dieser Reisebranche leben, thematisiert worden ist.

Ich bin viel unterwegs, ich rede mit allen Betroffenen. Ich habe auch die sehr differenzierte Haltung, die ich hier vorzutragen versuche, immer wieder deutlich gemacht. Im Augenblick geht aber die Haltung dahin, den Prozess abzuwarten. Das ist die gemeinsame Linie.

Ich kann Ihnen gerne zusagen, dieses Thema weiter auf der Tagesordnung der Finanzminister zu halten. Das ist auch in meinem eigenen Interesse; denn ich möchte hier einen Weg gehen, der die unterschiedlichen Interessen – Sicherung der Arbeitsplätze, Anliegen der Kommunen, faire Besteuerung – so zusammenführt, dass keine Seite dabei Schiffbruch erleidet. Wie gesagt, das ist ein Punkt, bei dem ich gerne zusage, mit allen Beteiligten im Gespräch zu bleiben.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Witzel stellt Ihnen jetzt eine Frage.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie mir die Gelegenheit zu einer ersten Nachfrage geben. – Herr Finanzminister, Sie haben ja schon bei Ihren einleitenden Ausführungen viel Problembewusstsein für den Sachverhalt als solchen gezeigt, jedoch, wie ich glaube, noch nicht ganz so viel für die Zeitachse und die Planungsunsicherheit.

Sie haben rekurriert auf das Verfahren der federführenden Klage vor dem Finanzgericht Münster. Dieses Verfahren ist seitens der Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen als Musterklage anerkannt – das haben Sie deutlich gemacht –, sodass sich auch andere Geschädigte darauf beziehen können.

Ohne ein vorzeitiges Handeln der Politik wird dieses Verfahren bei normaler Laufzeit aber Jahre dauern. Das gilt umso mehr, wenn sich noch ein weiterer Prozess – je nach Ausgang des Münsteraner Verfahrens – vor dem Bundesfinanzhof anschließt. Ihnen ist auch klar, dass die Seite, die dort unterliegt, die Möglichkeit hat, über die Revision ihre Interessen rechtlich nachzuverfolgen. Das Ganze zieht sich dann zeitlich so lange hin, dass für die Unternehmen innerhalb dieses Zeitraums eine immense Planungsunsicherheit besteht.

Deshalb frage ich Sie, Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans: Welchen Verfahrensvorschlag unterbreiten Sie für die Finanzverwaltung und die existenziell betroffenen Betriebe, um allen Beteiligten eine solche mehrjährige Hängepartie mit ungewissem Ausgang zu ersparen, auch angesichts der ungewissen Belastungen, die sich gegebenenfalls erst nach mehreren Jahren niederschlagen können?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Zunächst bin ich natürlich auch selber daran interessiert, dass das nicht ein jahrelanges Verfahren wird. Dieses Interesse kann man gemeinsam kommunizieren. Das ist Punkt eins.

Ein zweiter Punkt ist: Wir reden hier – ich sage es nochmals – über eine kommunale Steuer. Es gibt für besondere Fälle durchaus Handlungsoptionen auf der kommunalen Ebene, angefangen bei der Stundung bis hin zu Möglichkeiten – je nach wirtschaftlicher Lage –, entsprechend zu erlassen.

Ich muss dazu sagen: Ich will jetzt nicht allzu viel aus den wirklich vertrauensvollen Gesprächen berichten, die ich dort geführt habe.

Aber es gibt eine durchaus unterschiedliche Art der Betroffenheit von kleineren und größeren Unternehmen, von Mischkonzernen, von Konzernen mit einer Fokussierung auf den Bereich.

Und es gab Signale, die zweierlei gewährleisten sollten. Das eine Signal geht in die Richtung, zumindest klarzustellen, dass die Handhabung oder Anwendung in den Ländern nicht unterschiedlich ist. Da hatte sich der Eindruck verfestigt, dass manche Steuerbehörden mit ihren Reiseunternehmen anders umgehen. Das habe ich überprüfen lassen. Es hat sich als nicht zutreffend herausgestellt. Es sind wirklich unterschiedliche Zahlen, die ich am Anfang auch genannt habe. In dem einen Fall sind sie berücksichtigt worden, in dem anderen nicht. Es gibt auch bei uns nicht die Vollzurechnung der Miete. Auf jeden Fall ist sicherzustellen, dass es zwischen den Bundesländern keine Unterschiede gibt.

Beim zweiten Signal geht es sehr stark um die Frage der rückwirkenden Zahlungsverpflichtung, die sich auf Zeiten erstreckt, in denen man sich auf einer anderen rechtlichen Grundlage glaubte. Das ist heute anders. Man kann natürlich sagen: Der Prozess ist anhängig, dafür müsst ihr die notwendigen Rückstellungen bilden. – Sie haben immer eine Verhandlungssituation. Wenn Sie solche Gespräche führen, dann sagen manche Gesprächspartner: „Wenn du das jetzt nicht machst, dann gehe ich“, und es gibt diejenigen, die sagen: „Es geht im Wesentlichen um eine Schnittlinie, von der aus man weiterkommen kann.“ – Da haben Sie die unterschiedlichsten Verhandlungspositionen.

Den Punkt werde ich auf der Ebene der Finanzministerkonferenz oder in der Runde der Finanzminister noch einmal ansprechen. Ich weiß, dass die Wirtschaftsminister in dem Punkt tätig sind. Das wird sicher an einer bestimmten Stelle zusammengeführt.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Jetzt Herr Kollege Brockes.

Dietmar Brockes (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, die Reiseveranstalter in Nordrhein-Westfalen haben es ohnehin schwer, was die hohe Lohnsteuer, die Sozialversicherung und die Margensteuer im Vergleich oder im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern angeht. Deshalb denken einige namhafte Unternehmen leider schon über eine Verlagerung ihrer Geschäftsaktivitäten nach.

Daher meine Frage: Wie wollen Sie dem entgegenwirken, dass es nicht zu einer großflächigen Abwanderung der Tourismusbranche aus Nordrhein-Westfalen kommt?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Erst einmal sind die Besteuerungsgrundlagen bis auf die Hebesätze bei der Gewerbesteuer, die die Kommune festlegt, überall gleich. Wir sind zum Glück nicht an einem Punkt, dass auch die Lohn? oder Einkommensteuer nach Ländersteuerautonomie unterschiedlich festgelegt wird.

Der zweite Punkt ist: Gerade im Zusammenhang mit dieser Diskussion erleben wir beispielsweise den Umzug eines größeren Reiseanbieters, mit dem ich auch gesprochen habe, von Duisburg nach Düsseldorf. Es geht nicht um die Frage, Nordrhein-Westfalen zu verlassen, und es geht auch nicht um die Frage, Deutschland zu verlassen. Natürlich gibt es hin und wieder kleinere oder größere Drohgebärden bei Runden, die man miteinander hat, ausdrücklich nicht aus dem Bereich des Unternehmens, das ich gerade angesprochen habe. Es gibt andere Unternehmen – ich erinnere mich an eins mit Sitz in Köln, das Teil eines großen Unternehmenskomplexes ist, zu dem eben nicht nur Reise gehört –, bei dem die Sache wieder anders aussieht.

Ich habe eben schon darüber gesprochen, dass ich mich auch mit dem niedersächsischen Kollegen unterhalten habe. In Hannover ist ein größeres dieser Unternehmen ansässig. Die sind sich schon bewusst, welchen Wert der Markt wiederum hat, in dem sie als Einheimische tätig sind.

Nichtsdestotrotz geht es mir um einen fairen Interessenausgleich, der, wie wir gesehen haben, aus verschiedenen Ecken zu betrachten ist. Wenn Sie einfach nur sagen: „Kein Problem, dann machen wir das nach den Hotels und den Galerien auch bei den Reiseveranstaltern“, dann werden Sie feststellen, dass der Reihe nach jede Branche ihre Gründe findet, warum sie von der Gewerbesteuer befreit werden muss, den ermäßigten Umsatzsteuersatz oder die Pauschalbesteuerung braucht. Das ist keine Lösung, weil das am Ende den Institutionen, die diese Steuern vereinnahmen, den Boden entzieht. Dann müssen Sie andere Steuern erhöhen. Deswegen muss man es austarieren. Die Zusage mache ich, weil ich für die sehr diffizile Argumentation großes Verständnis habe.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Kollegin Schmitz stellt Ihnen jetzt eine Frage.

Ingola Schmitz*) (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, nach bundesweiten Angaben betragen die Mehrbelastungen der Reiseveranstalter aus rückwirkenden Änderungen der Auslegung von Gewerbesteuerrecht rund 1,4 Milliarden €. Ein proportionaler Anteil dürfte auf die in NRW ansässigen Anbieter entfallen.

Nun meine Frage: Unabhängig davon, welche Regelungen die Politik in Zukunft trifft, verstößt nicht das immense Volumen nachträglicher Steuernachforderungen – unabhängig von Stundung – für bis zum Jahr 2008 zurückliegende Zeiträume gegen elementare Grundsätze der Planungssicherheit und des Vertrauensschutzes für steuerpflichtige Unternehmen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich kann die 1,4 Milliarden € als Rückstand für die gesamte Bundesrepublik nicht unmittelbar bestätigen. Es stimmt, wir werden vermutlich wieder mindestens mit unserem Fünftelanteil beteiligt sein.

Aber es geht auch hier um zwei Seiten. Sie reden über einen Betrag, der aus der Sicht der Kommunen ausstehende Steuern in dieser Größenordnung umfasst. Dann können Sie nicht einfach sagen: Na gut, dann lassen wir das, dann haben die Unternehmen die Entlastung. – Sie kennen die Situation der Kommunen nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Die müssen Sie auch einbeziehen. Es geht schon um eine gerechte, nachvollziehbare Besteuerungsgrundlage und darum, dass Steuern auch erhoben werden.

Nur, die Frage ist – ich habe es eben angesprochen –: Welcher Anteil entfällt jetzt auf eine Nachverpflichtung? Wie weit können sich die Unternehmen darauf berufen, zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass das auf sie zukommen könnte, und dafür dann auch nicht die notwendigen Rückstellungen getroffen zu haben?

Das bedeutet wiederum, dass natürlich in wenigen Jahren – wenn es nicht verteilt wird – eine relativ hohe Besteuerung auf sie zukommt. Das muss man sich ansehen. Das wird mit Sicherheit Gegenstand der Beurteilung in diesem Musterprozess sein.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Bombis stellt Ihnen jetzt seine zweite Frage.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank. – Herr Minister, Sie haben eben von Ihren Finanzministerkollegen gesprochen. Ihr Kollege auf der Bundesebene, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, hat sich dem Vernehmen nach unlängst in einer Sitzung des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages ausdrücklich gegen diese relativ neue Praxis der Hinzurechnung des Hoteleinkaufs ausgesprochen, da er – wie Sie das auch formuliert haben – die betrieblichen Auswirkungen vor Augen hat.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie beurteilen Sie die Forderung Ihres Parteivorsitzenden an die Finanzminister der Länder, die daraus abzuleiten ist, hier zeitnah zu einer Neuregelung zu kommen, ohne möglicherweise bestimmte Verfahrensergebnisse abzuwarten?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich habe selbst mit Sigmar Gabriel auch über diesen Punkt gesprochen. Er weiß von mir auch, dass ich unter den Finanzministern sicher einer derjenigen bin, die mit einem sehr großen Verständnis für diese Überlegungen agieren. Das ist definitiv nicht der Normalfall unter den 16. Ich kann Ihnen jetzt nicht genau die Position des Bundesfinanzministers nennen. Soweit ich weiß, besteht da aber überall Klarheit, dass man an dieser Stelle keine voreilige Änderung vor einem Gerichtsbeschluss in die Wege leiten will.

Ich habe nicht nur mit dem Bundeswirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, sondern auch mit dem Kollegen Garrelt Duin proaktiv darüber gesprochen und gesagt, dass sie sich über dieses Thema auch Gedanken machen müssen. Die Kommunalvertreter habe ich natürlich auch informiert, denn die muss man auch mit einbeziehen. Da wird es Minister und Vertreter geben, die sagen: Du kannst uns doch nicht mit einem Federstrich einen erheblichen Teil der Gewerbesteuer entziehen. – Deswegen muss man so ehrlich sein, dass man diese Punkte zusammenführt und sich ansieht.

Ich bin gerne bereit, darüber auch Gespräche zu führen in der Zeit, in der diese Musterklage nicht abgeschlossen ist. Im Moment erkenne ich allerdings wenig Neigung bei den Beteiligten, mehrheitlich zuzugestehen, dass man schon vor dem Gerichtsbeschluss zu einer anderen Regelung kommt.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Frau Kollegin Gebauer möchte Ihnen gerne eine Frage stellen.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Minister Dr. Walter-Borjans, ich bin Ihnen ja dankbar, dass Sie trotz aller Schwierigkeiten, über die Sie hier berichtet haben, doch gesagt haben, dass Sie für diese diffizile Auslegung kein Verständnis haben. Das ist an der Stelle ein klares Statement seitens des Finanzministers hier in Nordrhein-Westfalen.

Ich möchte auf eine ganz andere Sache hinaus, nämlich auf Betriebsprüfungen. Aus den Branchenkreisen ist bekannt, dass diverse Betriebsprüfungen bei Reiseveranstaltern hier aus Nordrhein-Westfalen bereits abgeschlossen sind. Die gravierenden Veränderungen, die jetzt mit der Auslegung bei den Steuerfeststellungen einhergehen, sind dem Finanzministerium bereits durch die Oberfinanzdirektion bekannt.

Meine Frage an Sie: Welche Schlussfolgerung ziehen Sie aus diesen doch beachtlichen Ergebnissen bisheriger Betriebsprüfungen der Anbieter für die nachträglichen Feststellungen hier in Nordrhein-Westfalen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich ziehe erst einmal die Schlussfolgerung, dass die Betriebsprüfer ihre Arbeit gemacht haben, nämlich sich die Rechtgrundlage und die Besteuerungspraxis anzusehen und festzustellen, dass es da Diskrepanzen gibt. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Wir haben veranlasst, dass es deswegen in der Zeit vor einem Richterspruch auch keine Konsequenzen in dem Sinne gibt, dass jetzt finanzielle Belastungen auf die Unternehmen zukommen.

Diesen Punkt des Diffizilen, den Sie angesprochen haben, möchte ich nur so verstanden wissen, dass ich jetzt nicht gesagt habe, ich habe dafür kein Verständnis. Im Gegenteil, ich sagte, ich habe Verständnis, wie diffizil das ist, aber eben auch aus der Sicht der Reiseveranstalter.

Ich will, und das sage ich ganz offen, keinen nordrhein-westfälischen Sonderweg. Ich möchte, dass wir uns mit den Ministern zusammensetzen und eine Lösung finden. Denn das würde ich meinen Kollegen übel nehmen, wenn sie jetzt ihre eigene Anwendung anders handhaben würden. Und das würden die sicher mit mir auch machen, und dafür hätte ich dann auch großes Verständnis.

Noch einmal: Diese besondere Situation der Definition von Miete in dieser Branche ist mir bewusst und ist Gegenstand der Gespräche, die ich führen werde.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Minister. – Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Minister Dr. Walter-Borjans, ich finde, Sie haben eben einen ganz entscheidenden Punkt angesprochen, nämlich die Betroffenheit der Kommunen, die man gerade bei der Konstruktion dieses gewerbesteuerrechtlichen Sachverhalts nicht vergessen darf.

Aus meiner Sicht stellt sich die von Ihnen auch so skizzierte Lage wie folgt dar: Unternehmen, die geprüft werden, wird eine Aussetzung der Vollziehung gewährt. Das heißt, einige Veranstalter sind durch Anzahlung der Kunden auf Reisen momentan liquide und sagen: Bevor uns das später einmal einholt, je nachdem wie so ein Verfahren ausgeht, zahlen wir zur Vermeidung späterer denkbarer Nachbelastungen jetzt unsere Steuern freiwillig, auch wenn uns die Finanzverwaltung nicht zwingen würde, und spekulieren darauf, dass in dem Finanzgerichtsverfahren oder sogar in dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof letztlich diese Besteuerungspraxis zu einem späteren Zeitpunkt gekippt wird. Das halten viele namhafte Steuerexperten als Ergebnis gar nicht für unwahrscheinlich. Das Verfahren kann einige Jahre dauern.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Witzel, das ist aber jetzt keine Kurzintervention.

Ralf Witzel (FDP): – Ja. Und für diesen Zeitraum müssten die Kommunen das zu Unrecht eingezahlte Geld mit 6 % jährlich verzinsen.

Deshalb meine Frage an Sie: Wie bewerten Sie das immense Rückerstattungsrisiko vieler finanzschwacher Kommunen in Nordrhein-Westfalen, wenn nicht zeitnah eine Verständigung für eine frühzeitige Lösung gelingt?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich halte den Fall ehrlich gesagt nicht für sehr realistisch, dass Unternehmen jetzt Steuern zahlen, die sie nicht zahlen müssen. Von den Verbänden oder den Unternehmen ist mir mitgeteilt worden, dass sie durchaus Erfolgsaussichten für ihre Klage sehen. Deswegen ist mir dieser Fall im Augenblick nicht bekannt.

Ansonsten muss ich als jemand, der selbst einmal Verantwortung als Kämmerer getragen hat, sagen, ich muss mir klar darüber sein, dass Beträge von rechtsanhängigen Verfahren anders zu bewerten und anzusetzen sind als die Dinge, die mir sicher sind. Bislang ist mir nicht bekannt, dass das zu einem größeren und schwerwiegenderen Phänomen in diesem Bereich geworden ist.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Minister. – Herr Kollege Bombis, das ist Ihre dritte und letzte Nachfragemöglichkeit.

Ralph Bombis (FDP): Ich danke Ihnen sehr. – Herr Minister, Herr Witzel hat auf ein Problem aufmerksam gemacht, auch wenn Sie sich das Problem nicht vorstellen können. Wenn nämlich die Liquidität besteht, kann der Reiseveranstalter sagen, ich muss zahlen, wenn ich das Verfahren verliere. Oder aber ich muss nicht zahlen, wenn ich das Verfahren gewinne, und dann kann ich mein Geld derzeit gar nicht besser anlegen.

Vor diesem und auch vor dem Hintergrund bereits angekündigter, verschobener notwendiger Investitionen oder angekündigter Personalkürzungen gibt es eine weitere Zuspitzung, die zumindest befürchtet werden muss.

Deswegen frage ich Sie noch einmal ganz konkret. Sie haben gesagt, keinen Sonderweg gehen zu wollen. Ich bin schon froh, dass Sie das Thema unter den Finanzministern weiterhin thematisieren wollen. Welches konkrete Zieldatum haben Sie sich gesetzt, um eine rechtssichere Bewertung dieser offensichtlich vom Bundesgesetzgeber ungewollten Situation zu erzielen und damit endlich Planungssicherheit für die wirtschaftlich Betroffenen, aber letztendlich – vor dem Hintergrund der eben gestellten Frage – auch für die möglicherweise betroffenen Kommunen zu schaffen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich kann dem Gericht keine Frist setzen. Die Finanzverwaltungen von Bund und Ländern haben gemeinsam den Beschluss gefasst, dieses Musterklageverfahren zu führen und daraus Schlüsse zu ziehen. Wenn Sie so wollen, ist das der Zeitrahmen.

Ich habe trotzdem gesagt, über dieses Thema werde ich mit den Kollegen auch in der Zwischenzeit reden, damit wir uns die Hinderungsgründe dafür angucken, die Miete in diesem Bereich anders einzuschätzen, als es bislang der Fall ist. Aber diese Rechtsgrundlage haben wir. Daran ist nicht zu rütteln. Man müsste es rechtlich ändern. Da ist die Frage, was das im Positiven wie im Negativen verändert.

Ich nehme auch zur Kenntnis, dass auch Kollegen sagen … Ich meine nicht die Kollegen, die gar nicht betroffen sind. Die sind ohnehin nicht so involviert.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, die Stenografin kann Sie kaum noch verstehen.

(Zuruf: Wir auch nicht!)

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: – Entschuldigung. Ich wollte einfach den Fragesteller angucken.

Der zeitliche Rahmen ist die Entscheidung des Gerichts über das Musterklageverfahren. Trotzdem werden wir uns in der Zwischenzeit mit dieser Definition noch einmal weiter beschäftigen. Das mache ich gerne auch in Kombination zwischen den Finanzministern und den Wirtschaftsministern, aber auch unter Berücksichtigung der kommunalen Interessen.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Frau Kollegin Schmitz stellt ihre zweite Frage.

Ingola Schmitz*) (FDP): Frau Präsidentin, vielen Dank. -Herr Minister, es ehrt Sie, dass Sie den Blickkontakt zu Ihrem Gesprächspartner halten möchten.

Ich möchte Ihren Blick aber jetzt auf den Verbraucherschutz lenken. Das Problem der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung des Hoteleinkaufs besteht nicht, wenn dem Endverbraucher nur Einzelkomponenten verkauft werden. Dann besteht aber kein Verbraucherschutz für das Gesamtpaket einer Pauschalreise mehr. Halten Sie die faktischen Auswirkungen der bisherigen Auslegungspraxis der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung unter Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes für sinnvoll und vertretbar?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das ist mir sehr bewusst. Darüber haben wir auch mit mehreren Reiseveranstaltern geredet, mit denen wir in meinem Büro zusammen gesessen haben. Das ist das, was ich eben beschrieben habe. Es gibt eine Konkurrenz, die neu über das Internet entstanden ist und sich anders verhält. Sie vermittelt nur. Wenn ich – um ein Unternehmen zu nennen – bei HRS ein Zimmer buche, dann mietet nicht HRS das Zimmer an und vermietet es mit den dann damit verbundenen Haftungen und dem Verbraucherschutz an mich weiter. Es sagt mir nur, du mietest jetzt auf meiner Plattform bei dem Hotel ein Zimmer. Das stimmt. Das ist ein Unterschied.

Eher als früherer Wirtschaftsförderer denn als Finanzminister habe ich nicht die Befürchtung, dass Unternehmen sagen, wir werden den Teil auslagern und in andere Länder gehen. Denn die Verbindung zu ihren Kunden und an den Standort ist denen schon wichtig. Möglicherweise könnte es aber veränderte Konstruktionen in der Frage geben, wie man diese Vermietung vornimmt. Das sehe ich auch. Das steht dann in Verbindung mit Haftungsfragen. Deswegen nehme ich das natürlich in die Betrachtung und in die Gespräche auf. Aber am Ende brauche ich dazu auch eine Zustimmung der Gesamtheit. In diesem Punkt bin ich dann auch Finanzminister und muss die Position dann im Zusammenspiel mit Wirtschaftsministern von Bund und Ländern, der Branche und den Kommunen führen.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Weitere Fragen zur Mündlichen Anfrage 53 liegen nicht vor. Damit erkläre ich die Mündliche Anfrage 53 für beantwortet.

Da die Fragestunde bereits 69 Minuten andauert, besteht keine Möglichkeit mehr, die

Mündliche Anfrage 54

des Kollegen Möbius von der Fraktion der CDU in der Fragestunde aufzurufen. Herr Kollege Möbius, wünschen Sie eine schriftliche Beantwortung oder sollen wir Ihre Frage in die nächste Fragestunde geben?

(Christian Möbius [CDU]: Mündlich!)

- Nächste Fragestunde? – Alles klar. Dann verfahren wir so. Damit ist die Fragestunde beendet.

Ich rufe auf:

9   Inklusion im Sport voranbringen – Gemeinsamen Sport von Menschen mit und ohne Behinderung fördern

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7144

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellenden Fraktionen als Erstes Herrn Kollegen Bischoff das Wort.

Rainer Bischoff (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den teilweise strittigen Diskussionen des heutigen Tages stehe ich nicht ohne Freude hier, vielleicht sogar mit einem gewissen Stolz, als erster Redner den gemeinsamen Antrag aller fünf Fraktionen zur Inklusion im Sport einzubringen. Der gemeinsame Antrag ist von dem Gedanken aller Fraktionen genährt, dass Inklusion im Sport eine Entwicklung ist, die wichtig ist und begleitet werden muss, und dass die im Sport anstehenden Veränderungen große Veränderungen sein werden. Das betrifft den Breiten- und den Spitzensport.

Mit einem aktuellen Beispiel aus dem Spitzensport kann man das gut darstellen. Wir haben einen Weitspringer, Markus Rehm, der mit einer Prothese und 8,24 m Deutscher Meister geworden ist. Er ist als Deutscher Meister geehrt worden. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat ihn aber nicht zur Europameisterschaft gesandt – mit dem Hinweis, wir wissen gar nicht, ob diese Prothese ein Vor- oder ein Nachteil ist. Er durfte bei der Europameisterschaft nicht starten.

Vor zwei Tagen ist seitens des DLV nach mehreren Prüfungen erklärt worden, der Deutsche-Meister-Titel wird bestätigt. Da fragt man sich: Warum ist er dann nicht zur Europameisterschaft geschickt worden, wenn man den Deutschen Meister bestätigt? Aber das ist jetzt gemacht worden. Darüber hinaus hat der DLV entschieden, zukünftig sollen Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam starten; aber es wird eine getrennte Wertung vorgenommen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Da kann man nur sagen: Das ist wahrlich keine Lösung des Problems, das ist nur ein Zeitaufschub. Ich bin ganz sicher und nehme jede Wette hier im Saal an, der nächste, der als erster Sprinter mit Behinderung als erster durch das Ziel gegangen ist und dem man sagt: „Du wirst aber nicht gewertet, sondern der zweite ist Deutscher Meister“, obwohl man nicht nachweisen kann, dass die Behinderung ein Nachteil oder ein Vorteil war, wird sofort klagen und auch Recht bekommen. Mein Rechtsempfinden ist ziemlich ausgeprägt und so orientiert, dass ich sage: Das ist ganz klar. Das gibt nur einen Zeitgewinn, aber keine Lösung. Das zeigt das Dilemma und die Notwendigkeit, dass im Sportbereich das Thema „Inklusion“ verstärkt diskutiert werden muss.

Im Breitensport haben wir die Fragen der Trainings- und Wettkampfstätten einschließlich der Zuschauerplätze. Wir haben die Zusammensetzung von Teams, die Traineraus- und ?weiterbildung, selbst die Entwicklung zu völlig neuen Sportarten. Rollstuhlbasketball ist ausgesprochen beliebt geworden – auch für Menschen ohne Behinderung. Bei Tischtennis ist es ganz ähnlich. Es gibt sogar die Entwicklung neuer Sportarten, die diesem inklusiven Gedanken Rechnung tragen.

Schwierigkeiten gibt es unter anderem auch deshalb, weil die Strukturen der Sportverbände, gefördert durch die Leiden des Zweiten Weltkriegs, sehr differenziert sind. Es gibt den Landessportbund in erster Linie für Menschen ohne Behinderung, und es gibt den Landesverband der Sportler mit Behinderung. Das ist in den 50er-Jahren entstanden. Da hießen die Vereine meistens noch Versehrtensportgemeinschaften oder hatten ähnliche Titel. Das hat sich aber fortgesetzt.

Das heißt, es wird schwierig sein, den Inklusionsprozess in den Verbänden durchzuführen. Innerhalb der Verbände stellen sich Organisationsfragen – auch innerhalb der Vereine vor Ort. Die sind über all die Jahrzehnte auch gewohnt, getrennt zu marschieren, und müssen sich jetzt zusammenfinden. Dann kommt man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass wir im Sport einen hohen Anteil ehrenamtlich Tätiger haben. Die können wir nicht anweisen, einen Gedanken mit sich zu tragen oder missionarisch mit einem Gedanken unterwegs zu sein, sondern wir können sie nur überzeugen. Wir müssen also etwas tun, um sie zu überzeugen.

Daher dieser gemeinsame Antrag. Ich denke, ich habe allgemein skizziert, welche Begründungen dahinterstehen. Wir haben diesen gemeinsamen Antrag lange zwischen den Fraktionen verhandelt. Das kann man wirklich sagen, Lukas Lamla. Deswegen will ich Danke sagen: einmal an die Abgeordneten, die verhandelt haben, aber noch mehr an die Referentinnen und Referenten der Fraktionen, die die Arbeit der Berge geleistet haben, und danach haben die Abgeordneten die der Ebene gemacht. Da war dann schon eine Menge weggeschafft. Aber der Gedanke hat uns wirklich geeint, gemeinsam deutlich machen zu wollen, welche gesellschaftlichen, welche politischen Anforderungen wir im Rahmen der Inklusion haben und welche Erwartungen wir an die Sportlerfamilie haben und wo wir Unterstützung leisten wollen, damit der schwierige Prozess gelingt.

Dieses Zwischenziel haben wir heute erreicht. In der Sportlersprache könnte man sagen: Wenn nachher alle gemeinsam mit Ja stimmen – darauf freue ich mich –, haben wir ein Etappenziel erreicht. Es könnten natürlich mehr im Saale sein. Nichtsdestotrotz hätten wir ein Etappenziel erreicht, aber das Rennen geht noch weiter.

Die Umsetzung des inklusiven Prozesses ist mit diesem Antrag hoffentlich ein bisschen befeuert, aber natürlich nicht abgeschlossen. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Redebeiträge und auf die Abstimmung nachher. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Milz das Wort.

Andrea Milz (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich stehe hier voller Freude, dass wir es nach einem Jahr geschafft haben, zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich glaube, das lag am Thema. Dem Sport kommt gerade bei der Inklusion eine Bedeutung zu. Dieser Idee kann sich niemand hier verschließen, und wir hoffen mit unserem Antrag, dass sich dem auch draußen niemand verschließen kann.

Die CDU-Fraktion hat sich schon in der gesamten Legislaturperiode dafür eingesetzt, durchgehend durch alle Themenbereiche die Inklusion voranzubringen. Deswegen haben wir gerne mitgemacht und sagen: Vielleicht war das auch mal eine gute Idee für andere Bereiche. Inklusion sollte kein Gegensatz sein.

Wir haben schon vor einem Jahr mit der FDP zusammen unseren Antrag diskutiert, in dem es darum ging, flächendeckend die Übungsleiter künftig auch auf Inklusion vorzubereiten, auch die Sportstudierenden schon in ihrer Ausbildung auf das Thema vorzubereiten. So richten wir heute unsere Forderungen an die Landesregierung – so schließt sich der Kreis immer wieder –, aus dem Wissen heraus, dass gerade Sport aus Menschen Freunde macht, die Gemeinschaft fördert, Freude bereitet und persönliche Erfolge ermöglicht. Bisher gibt es zu wenige Menschen mit Behinderungen in Sportvereinen, und das ist sehr schade. Bis gemeinsamer Sport überall verbreitet ist, bedarf es besonderer Anstrengungen, um inklusive Angebote entstehen zu lassen.

Sie finden dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, in unserem Antrag viele Ideen, die wohl auch niemanden überfordern, aber jeden ermutigen können, der sich mit dem Thema befassen möchte.

So müssen als Beispiel Sportstätten Zug um Zug barrierefrei werden. Es müssen noch mehr Partner wie der DOSB und der Landessportbund für Projekte gefunden werden. Gute Beispiele müssen wir in die Öffentlichkeit bringen. Vor allen Dingen aber müssen wir inklusive Angebote mit den international bekannten Signets für die verschiedenen Behinderungsarten kennzeichnen, um Menschen bei der Suche nach einem Sportangebot zu helfen.

Diese Beispiele sind nur ein Auszug aus unserem Antrag und sollen die Vielfalt der Ideen zeigen. So hoffe ich, dass sich viele Vereine auf die Reise zur Inklusion begeben. Glückliche Menschen werden der Lohn dafür sein. – Danke.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Milz. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird endlich ein gemeinsamer Antrag. Dementsprechend möchte ich mich natürlich auch erst einmal dafür bedanken, dass uns das nach so langen Verhandlungen gelungen ist. Sie waren wirklich nicht immer einfach. Das war nicht deshalb so, weil wir uns in der Sache nicht einig gewesen wären, sondern weil das einfach ein komplexes Thema ist. Das alles unter einen Hut zu bringen, war durchaus kein einfacher Weg. Das ist Inklusion im Sport, glaube ich, im Allgemeinen nicht.

Wir haben jetzt diese Langstrecke oder – sagen wir es lieber so – Mittelstrecke geschafft, aber wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns. Mit diesem Antrag sind wir aus meiner Sicht erst einmal zu einem guten Ende gekommen. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen für die Inklusion im Sport. Wir als Landtag von Nordrhein-Westfalen stehen hier zusammen und wollen zusammen ein Zeichen setzen. Deshalb sage ich ein herzliches Dankeschön für die sehr konstruktive Zusammenarbeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sport und Bewegung sind nicht nur im Bereich Inklusion, sondern allgemein Kitt der Gesellschaft. Ich glaube, auch das ist hier Allgemeingut. Ganz besonders gilt das natürlich für den Bereich „Inklusion im Sport“. Hier können insbesondere der Sport bzw. die Bewegung einen Beitrag auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft leisten. Dabei können auf spielerische, sportliche und bewegte Art und Weise Vorurteile und auch Barrieren abgebaut werden. Dann befinden wir uns auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft.

Es gibt auch schon erste gute Beispiele, wo sich Vereine, aber auch Verbände auf den Weg gemacht haben, um zu demonstrieren, dass es geht, dass man gemeinsam Sport treiben, gemeinsam wirklich daran Spaß haben und gemeinsam Gesellschaft und Gemeinschaft gestalten kann.

Ich möchte nur ein Beispiel nennen. Der Fußballverband Niederrhein hat sich auf den Weg gemacht und am letzten Wochenende den Startschuss zu einer Handicap-Liga gegeben. Diese Handicap-Liga gibt jetzt U16-Mannschaften in Turnierform die Möglichkeit, miteinander zu spielen. Behinderte und nicht behinderte Kinder sind dort gemeinsam unterwegs. Es gibt auch eine Seniorenliga. Das heißt, der Fußballverband Niederrhein hat für sich entdeckt: Das ist etwas, wo wir uns engagieren wollen. Wir alle wissen: Es ist nicht mehr so, dass alle Leute automatisch zum Sportverein kommen. Auch die Vereine und Verbände müssen sich öffnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, dass das ein sehr gutes und gelungenes Beispiel ist.

Vielleicht wollen Sie sich das einmal live ansehen. Ich habe den Verein schon besucht. Das ist ein tolles Projekt. Der SV Oppum ist einer der Vereine, die mit dabei sind. Der nächste Spieltag wird am 22. November in Datteln stattfinden. Ich kann nur sehr dazu ermutigen, da einmal hinzugehen und sich anzugucken, wie viel Spaß diese Kinder haben, gemeinsam Fußball zu spielen. Da geht es am Ende auch darum, dass alle gewinnen wollen. An erster Stelle aber stehen der Spaß und das Gemeinsame. Das ist sehr empfehlenswert. Ich möchte Sie auffordern, sich das einmal anzugucken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Antrag formuliert einen umfassenden Katalog, den ich jetzt nicht weiter darstellen möchte. Kollege Bischoff und auch Frau Milz haben schon einige Beispiel aufgegriffen, wie die UN-Behinderten-rechtskonvention im Sport nun hier umgesetzt werden soll.

Dazu gehören natürlich inklusive Sport- und Bewegungsangebote. Es gehört aber auch dazu, dass wir die Vereine, die sich auf den Weg machen wollen, mit Maßnahmen und Informationsnetzwerken unterstützen. Wir müssen aber auch den Menschen das bekanntmachen, die Lust dazu haben, Sport zu treiben, bislang aber noch keinen Andockpunkt gefunden haben. Die müssen die Möglichkeit haben, sich dort informieren zu können. Die müssen unterstützt werden. Selbstverständlich gehört auch dazu, eine barrierefreie Infrastruktur zu haben. Das wird ein nicht einfacher Weg sein. Auch der ist wahrscheinlich noch mit sehr vielen Barrieren bestückt.

Wir machen uns aber dort gemeinsam auf den Weg. Das ist genau der Punkt. Wir können es nicht alleine machen. Ein gemeinsamer Antrag hier im Landtag kann nur ein Aufschlag sein, denn wir brauchen in allererster Linie Netzwerke. Wir müssen es gemeinsam mit den Kommunen, Vereinen, Verbänden und der Selbsthilfe schaffen, hier Schritte einzuleiten, um Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsames Sporttreiben zu ermöglichen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kollege Bischoff hat es gesagt: Inklusion ist keine Einbahnstraße. Viele Sportarten, die eigentlich einmal für den Behindertensport „erfunden“ wurden, sind heute hochattraktiv und übrigens auch hochkomplex. Ich beispielsweise kann nicht Rollstuhl-Rugby oder Rollstuhl-Basketball spielen. Auch hier gilt es, Angebote in die andere Richtung inklusiv zu gestalten und vielleicht noch die eine oder andere Eifersüchtelei zwischen den Verbänden bzw. Barrieren und Hemmnisse abzubauen, um auch dort einen Beitrag zu leisten.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Dieser Antrag ist ein guter Aufschlag. Er ist aber natürlich nur ein Schritt. Ich hoffe, dass der gute Aufschlag, den wir hier gemeinsam gemacht haben, eben nur der erste Schritt ist. Weiter hoffe ich, dass wir auch die anderen Schritte in dieser großen Geschlossenheit gemeinsam gehen werden. Wir sind immer zu Recht sehr stolz darauf, dass NRW Sportland Nummer eins ist. Wenn wir diesen Weg, den wir hier beschritten haben, auch weiter zusammen gehen, glaube ich, dass wir auch Inklusionsland Nummer eins werden können. – Vielen Dank.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute schieben wir den Inklusionsprozess im Sport politisch weiter an. Das ist gut. Ich finde auch gut, dass wir das fraktionsübergreifend machen. Auch ich möchte natürlich die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen, meinen Kollegen, und den Referenten für diese – ich sage das einmal so – sportlich-faire Zusammenarbeit zu bedanken.

(Beifall von der FDP, der CDU und den GRÜNEN)

Ich habe es bereits mehrfach gesagt: Wir Liberale halten die Verankerung der Inklusion im Sport für einen Türöffner bzw. für ein bedeutsames Schlüsselelement auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Für uns zählt dabei aber vor allem Qualität. Qualität geht bei uns vor Quantität oder Tempo. Ebenso richtig ist aber – das klang eben schon an –, dass politische Spielchen bei diesem Thema eher kontraproduktiv sind. Genau aus diesem Grund stand ein konstruktives Mitarbeiten für uns außer Frage.

Herr Bischoff hat es gesagt: Wir sind da einen etwas längeren Weg gegangen. Der eine oder andere ist ihn an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch einmal zähneknirschend gegangen. Da musste man Sachen in Kauf nehmen, vielleicht auch einmal politische Zugeständnisse machen. Insofern ist eine Art Kompromisspapier entstanden. Ich glaube aber, dass das in der Sache nun genau der richtige Schritt ist; denn ohne das politische Rückgrat ist die flächendeckende Inklusion im Sport nur mühsam zu erreichen. Daher verspreche auch ich mir von dem Antrag eine gewisse Strahlkraft in die Sportlandschaft hinein.

Das gilt im Übrigen ebenso für unseren Antrag „Inklusion im Sport mit Qualität zum Erfolg führen“, bei dem wir den Inklusionsgedanken flächendeckend in der Ausbildung der Studierenden verankern wollen; denn ohne die Qualifizierung von Engagierten – also Studierenden, Sportlehrern, Trainern und Übungsleitern – ist eine Inklusion im gesamten Sportspektrum des Landes nicht möglich.

Derzeit ist die Lage so: Das Thema „Inklusion im Sport“ steckt noch ein wenig in den Kinderschuhen. Das gilt sowohl für den Leistungssport wie auch für den Breitensport. Bisher hat in organisierten Regelsportvereinen der Inklusionsprozess nur punktuell stattgefunden. Beispielhaft möchte auch ich hier Alemannia Pfalzdorf im Stadtgebiet des niederrheinischen Goch erwähnen, die seit sechs Jahren erfolgreich eine Behindertensportabteilung führen, und siehe da – Frau Paul hat es erwähnt –: Vor wenigen Wochen hat der Fußballverband Niederrhein eine Handicap-Liga gegründet. Das ist sehr gut, aber ein flächendeckendes Netz von Sportangeboten für Menschen mit Beeinträchtigungen besteht noch nicht. Unser Antrag setzt genau hier an, damit künftig mehr Angebote für Menschen mit Behinderung im nahen Wohnumfeld vorgehalten werden.

In dem Antrag haben wir zudem festgehalten, dass es sowohl inklusive Sport- und Bewegungsangebote wie auch Behindertensportangebote entsprechend dem Bedarf geben sollte. Und das gilt auch für den Breiten- wie für den Leistungssport.

Für mich ist aber klar: Wir sollten an der klassischen Wettkampfstruktur von Menschen ohne Handicap und Menschen mit Handicap festhalten. Es wäre schon ein großer sportlicher und gesellschaftlicher Verlust, wenn zum Beispiel durch eine zu gut gemeinte Inklusion künftig keine Paralympics mehr stattfinden würden. Die Mehrgleisigkeit im Amateur- und Spitzensport sollte im Zuge der Inklusion beibehalten werden.

Nichtsdestotrotz – das hat die jüngste Grundsatzentscheidung des Deutschen Leichtathletikverbandes über die sportliche Messung des unterschenkelamputierten Weitspringers Markus Rehm mit nicht behinderten Sportlern gezeigt – ist Bewegung in die Wettkampfkultur gekommen. Auch solchen neuen Entwicklungen sollten wir offen gegenüberstehen, solange die sportliche Leistungsmessung von Menschen mit Beeinträchtigungen mit nicht behinderten Spitzensportlern gewünscht und auch niemals diktiert wird.

Denn eines ist klar – darin sind wir uns hier im Hause sicherlich einig –: Inklusion kann nicht von oben verordnet werden. Sie muss gelebt werden, in tatkräftigen Schritten verwirklicht werden. Dazu bedarf es eines gemeinsamen Willens zur Veränderung, guter Rahmenbedingungen, guter praktischer Beispiele. Mit unserem heutigen Antrag kommen wir hoffentlich ein gutes Stück auf diesem Weg weiter voran. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herzlichen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Lamla.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lange haben wir gerungen; wir haben es gehört. Umso mehr freue ich mich, dass wir tatsächlich inzwischen über Fraktionsgrenzen hinweg einen richtig guten und deutlich verbesserten Antrag vorlegen konnten als die Einzelinitiativen zuvor.

Natürlich auch von mir recht herzlichen Dank an die Referentinnen und Referenten aller Fraktionen, die wirklich über ein Jahr lang um jeden Satz, um jede Formulierung im Hintergrund gerungen haben. Und das sind die wirklichen Helden dieses Antrags. Das darf man ruhig auch einmal beklatschen.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Ganz besonders freue ich mich und möchte darauf hinweisen, dass ein Kriterienkatalog für barrierefreie Sportstätten entwickelt wird. Wir wissen, dass barrierefreie Zugänglichkeit nicht gleichzusetzen ist mit Barrierefreiheit. Der Begriff der Barrierefreiheit in einer Sportart wie zum Beispiel dem Rollstuhlbasketball ist eben anders zu definieren als im Bereich Blindensport. Das sind eben solche komplexen Kleinigkeiten, die das Thema nicht so einfach machen, wie es sich vielleicht zuerst anhört.

Umso mehr freue ich mich und möchte mich auch bei den Kollegen bedanken, dass wir uns fraktionsübergreifend auf diesen Punkt einigen konnten. Er ist einer von vielen. Das haben wir bereits gehört. Die Vorredner haben es ausgeführt. Ich denke, dass wir mit diesem gemeinsamen Antrag einen guten Weg in Richtung Inklusion im Sport in NRW gehen.

Gleichwohl: Die guten Bekenntnisse, die vielen Worte, die schönen Worte und die gute Absicht sind nicht alles. Wenn wir es ernst meinen, dann müssen wir auch Geld in die Hand nehmen, um diese Maßnahmen umzusetzen, und zwar möglichst schnell umzusetzen. Ich freue mich darauf, ich bin gespannt darauf, ob es uns, den Sportpolitikern, auch gelingen wird, diese Maßnahmen auch im Haushalt abzubilden. Denn dann könnten wir wirklich sagen, dass wir es ernst meinen mit der Inklusion im Sport. – In dem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze in Vertretung der Frau Ministerin Schäfer. Bitte schön.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel der Landesregierung ist es, allen Menschen in Nordrhein-Westfalen eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an allen gesellschaftlichen Prozessen zu ermöglichen. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist deshalb für uns eine ganz zentrale Aufgabe. Wir nehmen natürlich alle Lebensbereiche in den Blick.

Richtungsweisend ist für uns der Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“. Und welche zentrale Bedeutung dem Sport hier zukommt, machen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Ihrem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen hier noch einmal sehr gut deutlich. Dieser gemeinsame Antrag, auch wenn er lange gedauert hat, ist wirklich ein starkes Signal. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen allen noch einmal ganz herzlich dafür zu danken.

Sport ist ein hervorragender Motor für Inklusion, denn er hat die Kraft, alle Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzuführen. Damit eine inklusive Gesellschaft im Sport gelingt, müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, die allen Menschen eine Teilnahme am Sport ermöglichen – unabhängig von ihren individuellen körperlichen, geistigen oder psychisch-emotionalen Voraussetzungen. Hier sind Maßnahmen erforderlich, für die wir alle gemeinsam verantwortlich sind.

Als Landesregierung haben wir bereits gemeinsam mit dem Landessportbund NRW und dem Behinderten-Sportverband NRW einige große Schritte nach vorne gemacht und wichtige Prozesse eingeleitet, zum Beispiel mit dem Vereinsentwicklungsprojekt. Es untersucht Möglichkeiten der Inklusion in den Sportvereinen modellhaft und praxisnah. Die Ergebnisse werden wissenschaftlich ausgewertet und allen Vereinen in unserem Land zur Verfügung gestellt.

Gleiches gilt für das Projekt „inklusiv aktiv“. Wir haben es im Herbst 2013 mit dem Landschaftsverband Rheinland angestoßen. In diesem Projekt geht es um die Kooperation von Förderschulen und Sportvereinen unter Einbindung kommunaler Netzwerke.

Meine Damen und Herren, wir sind beim inklusiven Sport in NRW auf einem guten Weg. Diesen Weg wollen wir auch weitergehen. Das heißt ganz konkret:

Erstens. Wir werden einen Kriterienkatalog für eine inklusive Sportstätteninfrastruktur und Sportstättenförderung entwickeln. Nach den bereits geltenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften müssen Sportstätten insgesamt barrierefrei sein.

Zweitens werden wir die Möglichkeit einer Öffnung hin zu mehr Inklusion im Rahmen bestehender Programme prüfen, zum Beispiel bei „1000 x 1000“.

Drittens werden wir dem organisierten Sport in NRW bei der Qualifizierung von Trainerinnen und Trainern und beim Aufbau kommunaler Kooperationen und Netzwerke zur Seite stehen.

Ich freue mich dabei über eine breite Unterstützung und danke Ihnen allen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben als Antragstellerin direkte Abstimmung beantragt.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/7144. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Drucksache 16/7144 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

10       Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7148 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Kossiski das Wort.

Andreas Kossiski (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau drei Jahren beschäftigte sich der Landtag das erste Mal mit dem bis heute Unfassbaren: zehn ermordete Menschen in der Zeit von September 2000 bis April 2007, zwei Bombenanschläge mit 23 teils lebensgefährlich verletzten Personen – drei der Tatorte in Nordrhein-Westfalen –,15 bewaffnete Raubüberfälle zwischen Dezember 1998 und November 2011 – alles ohne Ermittlungs- und Fahndungserfolg. Wie wir inzwischen wissen, sind alle diese Taten dem NSU, dem Nationalsozialistischen Untergrund, zuzurechnen.

Es würde den Rahmen sprengen, alle durchgeführten Ermittlungen und Untersuchungen aufzuzählen, die es seit November 2011 auf allen drei Ebenen staatlicher Gewalt in Bund und Ländern gegeben hat. Eines steht jedoch fest: Je mehr bislang ermittelt und untersucht wurde, desto größer wurde der Berg an Fragen, auf die wir immer noch keine befriedigenden Antworten kennen. Das ist nicht nur ernüchternd, das finde ich für einen Rechtsstaat beschämend.

Noch immer beschäftigen mich Gefühle zwischen Zorn und Fassungslosigkeit darüber, dass die Taten des NSU geschehen und vor allem unentdeckt geschehen konnten. Noch empfinde ich Scham darüber, dass Opfer und ihre Angehörigen sogar selbst zum Gegenstand von Verdächtigungen und Untersuchungen geworden sind.

So sehr ich es begrüße, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Politik sowie verschiedener Sicherheitsbehörden inzwischen mehrfach bei den Opfern und ihren Angehörigen entschuldigt haben, erwarte ich dennoch die unbedingte Mitwirkung aller betroffenen staatlichen Stellen bei der Aufklärung.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es mag bei vielen die Erwartung geben, dass Schuldige des 13-jährigen Fahndungs- und Ermittlungsdesasters gefunden werden. Das ist nur allzu verständlich. Noch wichtiger finde ich allerdings, dass Fehler gefunden werden – egal, ob menschliche oder systemische –, um künftig die Gefahr der Wiederholung vermeiden zu können. Vergangenheit aufzuarbeiten ist das eine, aber Lehren für die Zukunft zu ziehen ist das Wesentliche.

Ein demokratischer Rechtsstaat, der, wie wir alle wissen, zu Recht mit einem staatlichen Gewaltmonopol ausgestattet sein muss, muss genau deshalb alles unternehmen, damit es keine Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit und der Funktionsfähigkeit des staatlichen Gewaltmonopols geben kann.

An dieser Stelle darf ich daran erinnern, dass wir in Nordrhein-Westfalen sehr frühzeitig nach Bekanntwerden der abscheulichen Mord- und Anschlagtaten reagiert haben.

Ich nenne einige Beispiele: Bereits im Dezember 2011 hat Innenminister Ralf Jäger das Acht-Punkte-Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und des Rechtsterrorismus vorgestellt. Ein nächster Schritt war die Einrichtung eines bundesweit arbeitenden Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus, später übergegangen in das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum. Die Einrichtung eines Gemeinsamen Internetkompetenzzentrums zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus gehört ebenso zu den Konsequenzen wie die Einrichtung des Landesnetzwerkes gegen Rechtsextremismus.

Mit der erfolgten Einsetzung eines unabhängigen Experten, Herrn Schubmann-Wagner, zur analytischen Untersuchung des Verfassungsschutzes wurde schließlich eine wichtige Voraussetzung für die Neuorganisation des Verfassungsschutzes geschaffen.

Nicht zuletzt mit der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes haben wir einen, wie ich meine, wichtigen Beitrag geleistet, um den Verfassungsschutz in einer erforderlichen Weise zu verändern.

Ich möchte jetzt in einigen wenigen Punkten noch auf den vorliegenden Antrag eingehen. Es scheint mir besonders wichtig zu sein, worauf die von den Fraktionen benannten Obleute für den Untersuchungsausschuss letzte Woche in einer gemeinsamen Pressemitteilung hingewiesen haben. Ich zitiere:

„Die NSU-Taten in Nordrhein-Westfalen wurden bislang nicht umfassend genug aufgearbeitet. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat gute Arbeit geleistet. Er hatte allerdings zu wenig Zeit, um Fragen beispielsweise nach einem möglichen Unterstützernetzwerk von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hinreichend zu untersuchen. Dabei sind zwangsläufig viele Punkte offen geblieben. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen, möglichst umfassend aufzuklären.“

Deshalb erscheint es mir auch wichtig und richtig, dass wir uns bei diesem von allen Fraktionen eingebrachten Antrag einig waren, dass es nicht nur die bislang dem NSU zuzurechnenden Taten und ihrer Hintergründe in Nordrhein-Westfalen zu untersuchen gilt, sondern auch weitere in Nordrhein-Westfalen begangene Straftaten mit einem mutmaßlich politischen, rechtsmotivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn am 27. Juli 2000.

Genauso wichtig und folgerichtig erscheint es, dass der Untersuchungszeitraum im Oktober 1991 beginnt, weil seit jenem Brandanschlag in Hünxe die Radikalisierungsprozesse in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen sichtbar wurden.

In diesem Zusammenhang bin ich froh, dass der hier vorliegende Antrag von vornherein den Versuch unternimmt, möglichen sprachlichen Interpretationen entgegenzutreten. Deshalb gebe ich den Hinweis, dass der Begriff „rechtsradikale Szene“ sowohl rechte, rechtsradikale als auch mögliche rechtsextremistische Tendenzen umfasst.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss mit aller Ernsthaftigkeit einen persönlichen Wunsch vortragen. Parteipolitische Taktik hat bei der Bekämpfung und Aufklärung terroristischer Straftaten nichts zu suchen. Das muss auch für die Aufgabe und Arbeit dieses Ausschusses gelten. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass dieser Untersuchungsausschuss gestörtes oder gar verlorenes Vertrauen in unseren Rechtsstaat beseitigen hilft. Wir sind dies nicht nur den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, wir sind dies unserer demokratischen Gesellschaft schuldig. – Ich danke Ihnen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kossiski. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Peter Biesenbach.

Peter Biesenbach (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben jetzt kurz hintereinander den zweiten Antrag, den alle Fraktionen eingebracht haben.

Ich kann vorweg sagen, dass es ein erfreuliches Arbeiten auch in dem Kreis gab, der sich mit dem Antrag beschäftigt hat. Doch wir standen alle unter dem Eindruck, der uns eigentlich seit 2011 verfolgt, der erschreckenden Serie von Morden und Anschlägen der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund, die ein Ausmaß an Trauer bei den Betroffenen ausgelöst hatte, das ich während meiner Zugehörigkeit zu diesem Parlament noch nicht erlebt habe.

Wir haben gemeinsam Scham und Fassungslosigkeit auch hier darüber ausgedrückt, dass die Sicherheitsbehörden der Länder wie des Bundes die über Jahre hinweg geplanten und ausgeführten Verbrechen weder rechtzeitig aufdecken noch verhindern konnten und – mehr noch – dass Opfer und Angehörige während der Ermittlungen Verdächtigungen ausgesetzt waren.

Wir haben sicher einen Augenblick gebraucht, bis wir uns in Nordrhein-Westfalen entschieden hatten, auch einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Die Piraten waren die Ersten, die den Impuls setzten, das zu tun. Da waren wir aus unserer Sicht noch nicht so weit. Denn wir wollten erst einmal sehen, was der Untersuchungsausschuss in Berlin schafft. Als sich aber in Berlin abzeichnete, dass viele Fragen unbeantwortet blieben und wir mit vielen Antworten unzufrieden sein mussten, war es auch die CDU, die sagte: Ja, jetzt wollen auch wir einen Untersuchungsausschuss.

Nach anfänglichem Zögern aufseiten der Regierungsfraktionen haben sie sich doch entschieden, mitzumachen. Wir haben nun einen umfassenden Fragenkatalog vorgelegt, der beantwortet werden soll.

Die Atmosphäre in diesem Ausschuss, Frau Nadja Lüders, den Sie demnächst zu leiten haben, war in den ersten Wochen ausgesprochen gut. Und ich hoffe, Herr Kossiski, Ihre Rede heute war nicht der Hinweis darauf, dass wir uns gleich zu Beginn mit neuen Legenden des Herrn Jäger beschäftigen müssen. Wir sollten nicht darüber nachdenken und debattieren, was er alles schon getan hat; denn wir haben all das seinerzeit hier streitig besprochen.

Lassen Sie uns den Auftrag, den wir heute bekommen, so wahrnehmen, dass wir unvoreingenommen da herangehen. Wir klären auf und werden am Ende auch Wertungen vorzunehmen haben. Denn wir sollten uns der Verantwortung bewusst sein, alles mit den Mitteln des Rechtsstaates Mögliche zu tun, um die Ereignisse und ihre Hintergründe aufzuklären. Denn der Schutz – das ist mir und meiner Fraktion wichtig – von Leib und Leben und die von unserer Verfassung garantierten Grundrechte haben in diesem Land Geltung für jeden, der hier lebt – egal, welcher Herkunft, egal, welchen Glaubens, egal, mit welcher Orientierung er hier leben will.

Das ist unsere Aufgabe, und ich bin hoffnungsvoll, dass wir mit viel Einsatz, aber auch viel Arbeit in den nächsten beiden Jahren vorwärts kommen und gute Ergebnisse erzielen. Dann werden wir sie vielleicht unterschiedlich bewerten, aber gemeinsam hier vortragen. Dann fahren wir die Ernte der Saat ein, die wir jetzt gedeihen lassen. In diesem Sinne bin ich sehr hoffnungsvoll. Wir werden uns mit aller Kraft einbringen und hoffen, dass das die anderen ebenfalls tun. Wenn wir das Klima und die Intensität so beibehalten, dann bin ich ganz zuversichtlich. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tag der Aufdeckung des NSU jährte sich gestern zum dritten Mal. Ich glaube, was wir nach wie vor teilen, ist das Erschüttern, das es in der Bevölkerung gegeben hat, und die Fassungslosigkeit darüber, dass eine rechtsterroristische Gruppierung über Jahre hinweg Menschen ermorden, Banken überfallen und Anschläge verüben konnte – und das unentdeckt von den Sicherheitsbehörden, was eben auch das Versagen von Polizei und Verfassungsschutz deutlich gemacht und zu einem Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden in Deutschland geführt hat. Diese Erschütterung, diese Fassungslosigkeit spüren wir nach wie vor.

Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags – dieser wurde übrigens auf Druck der Grünen eingerichtet – hat viel an Aufklärung geleistet. Er hat zwei Jahre lang sehr intensiv gearbeitet und viele Fragen geklärt und besprochen.

Dennoch sind Fragen offen geblieben – Fragen, die auch Nordrhein-Westfalen betreffen, und Themenkomplexe, die nicht ausführlich im Bundestag behandelt werden konnten. Insofern haben wir uns als Grüne und als rot-grüne Regierungskoalition dazu entschieden, auch in Nordrhein-Westfalen einen Untersuchungsausschuss einzurichten, und zwar auch aufgrund der Dynamik im April 2014 aufgrund des Todes des V-Manns „Corelli“ und der Fragen, die damit im Zusammenhang stehen. Daher ist es richtig, dass wir diesen Untersuchungssauschuss hier in Nordrhein-Westfalen gemeinsam einrichten.

Ich möchte noch einmal auf die verschiedenen Themenschwerpunkte eingehen, die insbesondere auch für uns Grüne im Vordergrund stehen werden.

Das ist natürlich der perfide Anschlag in der Probsteigasse im Jahr 2001. Da lauten Fragen, die wir haben, beispielsweise: Wieso fiel die Wahl genau auf dieses Lebensmittelgeschäft? Schließlich hat es von außen keinen erkennbaren migrantischen Bezug gegeben. Wer war eigentlich der Mann, der diese Bombe deponiert hat? Gibt das Hinweise auf ein mögliches Unterstützernetzwerk in Nordrhein-Westfalen? Ich glaube, das ist die Frage, die letztlich über allen Themenkomplexen steht.

Zweitens nenne ich den Anschlag in der Kölner Keupstraße. Vielen ist er im Gedächtnis, und in diesem Jahr haben wir den zehnten Jahrestag in der Keupstraße begangen. Auch hier sind Fragen offen geblieben, zum Beispiel: Warum wurde schwerpunktmäßig in Richtung organisierte Kriminalität im migrantischen Milieu ermittelt? Was mussten eigentlich die Opfer an ständigen Verdächtigungen und Verhören erleiden? Wurden das Dossier des Bundesamtes für Verfassungsschutz und auch die Hinweise der britischen Kriminalpolizei auf die sogenannten Copeland Bombings in London in die Ermittlungen einbezogen?

Der Mord an Mehmet Kuba?ik am 4. April 2006 ist der dritte Komplex. Welche Rolle spielten eigentlich die Neonaziaktivisten vor Ort, zum Beispiel der Oidoxie Streetfighting Crew in Dortmund? Was ist dran an den Aussagen der Vertrauensperson „Heidi“ der Dortmunder Polizei?

Das führt uns zu der Frage: Wie gehen wir eigentlich mit Vertrauenspersonen bei der Polizei – es gibt ja nicht nur V-Leute beim Verfassungsschutz – um?

Und woran ist der V-Mann „Corelli“ tatsächlich gestorben? Was hat die CD mit dem Kürzel „NSU/NSDAP“ zu bedeuten? Seit wann wussten die Behörden Bescheid?–  Ich glaube, das ist eine der dringendsten Fragen, die wir zu beantworten haben. Denn wenn es stimmt, dass diese CD schon 2005 zumindest im Bundesamt für Verfassungsschutz vorlag, ist damit die These widerlegt, dass den Sicherheitsbehörden erst seit 2011 der Begriff „NSU“ bekannt ist. Insofern gehört diese Frage aufgeklärt.

Wie aktiv war Corelli in Nordrhein-Westfalen? Gibt es darüber auch wieder Hinweise auf ein Unterstützernetzwerk zu NRW?

Sie merken schon, das Unterstützernetzwerk wird uns begleiten über den ganzen Untersuchungsausschuss hinweg. Deshalb haben gerade wir Grüne auch gesagt: Wir wollen uns militante Strukturen in den 90er-Jahren hier in NRW angucken, weil wir glauben, dass darin auch ein möglicher Schlüssel zur Aufdeckung eines Unterstützungsnetzwerks liegt.

Die Aufklärung insgesamt ist immens wichtig.

Aber ich denke auch, dass wir nach vorne gucken müssen. Was heißt das denn jetzt konkret für die Konsequenzen für die Sicherheitsbehörden, für Polizei, für Verfassungsschutz, aber auch für die Justizbehörden? Auch da müssen wir hinschauen. Was heißt das konkret für die Polizeiarbeit? Wie können wir Polizei da auch besser machen, und zwar so gestalten, dass auch ein möglicher rechtsextremistischer Hintergrund zukünftig ermittelt wird, dass das einbezogen wird und dass es eben nicht zu diesem Leid der Opfer kommen muss, dass die über Jahre hinweg verdächtigt werden? Wir wollen hier auch die Opferperspektive einbeziehen.

Ich meine aber auch, dass wir uns die Rechtsextremismusprävention angucken müssen. Ich bin froh darüber, dass das Eingang in den Einsetzungsbeschluss gefunden hat. Denn es geht nicht nur um Repression, sondern auch um die Frage: Was können wir im präventiven Bereich machen?

Ich kann mich den Vorrednern anschließen. Der große Wert des Bundestags-PUA lag darin, dass es eine große Gemeinsamkeit in der Arbeit gab. Diese Gemeinsamkeit und das gemeinsame Interesse daran, aufzuklären, habe ich – Herr Biesenbach, da kann ich Ihnen zustimmen – auch in der Vorbereitung hier so erlebt. Ich hoffe, dass wir das auch so durchtragen können in den nächsten zwei Jahren, dass wir gemeinsam aufklären. Wir werden sicherlich zum Teil auch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Das ist auch in Ordnung. Aber wenn das gemeinsame Interesse besteht, aufzuklären, dann ist das sehr wertvoll für die Arbeit. Darauf setze ich. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich den Vorrednern anschließen. Wir haben eine sehr gute, eine sehr seriöse und, wie ich finde, auch eine sehr vertrauensvolle Vorarbeit gehabt. Ich denke, das ist auch notwendig.

Wir sind hier in der Situation, dass wir speziell die Geschehnisse in Nordrhein-Westfalen noch einmal aufarbeiten wollen.

Mir ist an der Stelle wichtig zu sagen, dass das für uns einfach auch eine große Herausforderung ist, weil die Verunsicherung gerade in der türkischen Community, bei den türkischen Einwanderern hier in Nordrhein-Westfalen – in Deutschland insgesamt, aber auch hier bei uns in Nordrhein-Westfalen – sehr groß ist.

Deswegen ist es gut, dass wir gemeinsam an dieses Thema herangehen wollen, dass wir uns gemeinsam den Fragen stellen und dass wir gemeinsam am Ende – das ist gerade auch von der Kollegin angesprochen worden – über Konsequenzen sprechen werden. Das wird für meine Begriffe auch das Wichtigste sein, dass man die Konsequenzen analysiert, die zu ziehen sind, damit sich bestimmte Fehler nicht wiederholen.

Wir müssen auf der anderen Seite aufpassen – das ist mir wichtig, das hier auch zu sagen –, dass wir keine falschen Erwartungen wecken. Das wäre unlauter. Ich glaube, es wäre auch nicht gut für die demokratische Kultur hier in Nordrhein-Westfalen, gerade auch angesichts der Sensibilität – ich habe das angesprochen – im Hinblick auf die Verletzungen, die es gegeben hat, wenn wir Erwartungen schüren würden, denen wir am Ende nicht gerecht werden können.

Deswegen ist unser Ziel, zu versuchen, was wir können, fleißig zu sein, seriös zusammenzuarbeiten und dann am Ende vor allem die Konsequenzen zu ziehen, damit sich das, was sich hier ereignet hat, niemals wiederholt. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Kollegin Rydlewski.

Birgit Rydlewski (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Seit drei Jahren sind die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds bekannt. Obwohl der Beginn der Verbrechensserie des NSU bereits 15 Jahre zurückliegt, sind auch heute noch zu viele Fragen offen.

Deshalb haben wir schon lange gefordert, dass auch in Nordrhein-Westfalen endlich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu den Taten des NSU, seinem Unterstützerumfeld und zu dem möglichen Versagen von Sicherheitsbehörden eingesetzt wird. Ich bin sehr froh, dass wir heute einen solchen Untersuchungsausschuss beschließen werden und dieser auch von allen Fraktionen hier im Landtag getragen wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Bereits die Vorarbeit zu diesem Antrag war letztendlich von sehr konstruktiver Zusammenarbeit geprägt. Dafür danke ich ausdrücklich. Ich hoffe, dass sich dies auch während der eigentlichen Arbeit im Ausschuss fortsetzt.

Ich weiß nicht, wohin uns dieser Untersuchungsausschuss führen wird. Ich weiß nicht, wie viel Aufklärung wir am Ende in der doch recht kurzen Zeit, die wir haben, erreichen können. Aber ich bin der Auffassung, dass wir es aufrichtig versuchen müssen und werden, mit allen Mitteln, die einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Verfügung stehen.

Jeder Untersuchungsausschuss im Bund oder in den verschiedenen Ländern hat Erkenntnisse gebracht. Jeder Untersuchungsausschuss hat ein Stück weitergeführt, zu verstehen. Denn wir schulden den Opfern und ihren Angehörigen nicht nur Respekt und Anerkennung, sondern vor allem Aufklärung. Ohne diese Aufklärung wären alle unsere Respektbezeugungen nur hohl und bloße Floskeln. Ich wünsche mir daher, dass die Opferperspektive im Ausschuss eine deutliche Berücksichtigung findet und dass Opfer und Angehörige, die im Ausschuss gehört werden wollen, diese Möglichkeit erhalten.

Es liegt auch im besonderen Interesse der Opfer, nicht nur die Verbrechen des NSU in NRW näher aufzuklären, sondern auch die Strukturen, in denen die Taten des NSU überhaupt erst möglich wurden. Das bedeutet zum einen die Aufklärung des Unterstützerumfeldes des NSU, aber eben zum anderen auch die Aufklärung von Strukturen innerhalb staatlicher Behörden, die möglicherweise eine frühere Entdeckung des NSU verhindert haben.

Deshalb wird es auch explizit Aufgabe des hiesigen Untersuchungsausschusses sein – Zitat aus dem Einsetzungsantrag –, „Schlussfolgerungen unter anderem für die Sicherheits- und Justizbehörden sowie zur Rechtsextremismusprävention zu erarbeiten“. Diese Erkenntnisse führen dann hoffentlich dazu, dass sich die in der Vergangenheit begangenen Fehler mit ihren schrecklichen Folgen zukünftig nicht wiederholen. Denn leider muss man feststellen, dass bislang zu wenig wirkliche Konsequenzen aus den Geschehnissen der Vergangenheit gezogen worden sind.

Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zwar zur Aufklärung beitragen kann, aber nur ein Baustein von vielen ist, um letztendlich eine gesellschaftliche Veränderung zu bewirken. Am Ende liegt es an der Zivilgesellschaft selbst, sich jeden Tag, immer und überall, deutlich gegen Rassismus zu stellen. – Danke schön.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben als Antragstellerinnen direkte Abstimmung beantragt. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/7148 – Neudruck. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/7148Neudruck – einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

11       Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III und Wahl der Vorsitzenden

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/7182

Eine Debatte ist hierzu nicht vorgesehen.

Wir kommen auch hier direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 16/7182. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Bei einer Enthaltung ist der Wahlvorschlag Drucksache 16/7182 einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

12       Gesetz zur Änderung des Markscheidergesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/7089

erste Lesung

Herr Minister Duin hat auf die mündliche Einbringung seiner Rede verzichtet und gibt die Rede zu Protokoll. (Siehe Anlage 1) )

Wir kommen damit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/7089 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

13       Drittes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/7090

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Frau Ministerin Löhrmann das Wort.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Ich gebe meine Rede auch zu Protokoll!)

– Okay. – Wie die Ministerin gerade mitgeteilt hat, gibt sie ihre Rede zu Protokoll. (Siehe Anlage 2)

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/7090 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend –, an den Hauptausschuss sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

14       Gesetz zur Zustimmung zum Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/7091 – Neudruck

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat Herr Minister Schneider in Vertretung von Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren angekündigt, dass er seine Rede zu Protokoll gibt. (Siehe Anlage 3)

Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/7091Neudruck – an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kultur und Medien. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

15       Direkte Demokratie auf kommunaler Ebene verantwortungsvoll ausgestalten – Kostendeckungsgebot und freiwillige Vorprüfung der Zulässigkeit von Bürgerbegehren normieren

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7157

Auch hierzu ist eine Aussprache heute nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/7157 an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

16       Zustimmung des Landtags gemäß § 64 Absatz 2 LHO zur Veräußerung von Liegenschaften des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) – unbebautes Grundstück in Duisburg

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß § 64 Absatz 2 LHO
Vorlage 16/2312

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/7183

Auch hierzu ist eine Debatte heute nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/7183, in die mit der Vorlage 16/2312 beantragte Veräußerung einzuwilligen. Wir stimmen somit ab über die in der Vorlage 16/2312 beantragte Zustimmung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die in der Vorlage 16/2312 beantragte Zustimmung zur Veräußerung erteilt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

17       Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 1. und 2. Quartal des Haushaltsjahres 2014

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2 LV
Vorlagen 16/2079 und 16/2265

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen
16/6878, 16/7184 und 16/7185

Eine Debatte ist auch hier nicht vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in den Drucksachen 16/6878, 16/7184 und 16/7185, die mit den Vorlagen 16/2079 und 16/2265 beantragten Genehmigungen zu erteilen. Wir stimmen somit ab über die


mit den vorgenannten Vorlagen erbetene Genehmigung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit sind die in den Vorlagen 16/2079 und 16/2265 beantragten Genehmigungen erteilt.

(Zurufe)

– Ach so. Die Piraten, die FDP und die CDU haben sich enthalten.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Die Opposition!)

– Das ist bei der Schnelligkeit, mit der ich das jetzt hier erledigen wollte, bei mir nicht angekommen. Es ist aber im Protokoll vermerkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

18       In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 24
gemäß § 82 Abs. 2 GeschO
(§ 79 Abs. 2 GeschO a.F.)
Drucksache 16/7186

Die Übersicht 24 enthält acht Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 Geschäftsordnung oder gemäß § 79 Abs. 2 der Geschäftsordnung in der alten Fassung an einen Ausschuss zur abschließenden Erledigung überwiesen werden, sowie einen Entschließungsantrag und drei Änderungsanträge. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun abstimmen über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den Ausschüssen entsprechend der Übersicht 24. Hierzu erbitte ich noch einmal Ihr Votum. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Diesmal haben alle Fraktionen dem die Zustimmung geben können, nämlich den in der Drucksache 16/7186 enthaltenen Abstimmungsergebnissen der Ausschüsse und haben diese Abstimmungsergebnisse bestätigt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

19       Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/26

Mit der Übersicht 26 liegen Beschlüsse zu Petitionen vor. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ist jemand mit den Beschlüssen nicht einverstanden? – Das ist auch nicht der Fall. Dann stelle ich gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass damit die Beschlüsse bestätigt sind.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wir sind am Ende der heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 6. November 2014, 10 Uhr. Ich wünsche Ihnen jetzt noch einen angenehmen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 19:55 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 


Anlage 1

Zu TOP 12 – „Gesetz zur Änderung des Markscheidergesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk:

Nach dem Bundesberggesetz dürfen Tätigkeiten, die nach diesem Gesetz oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung Markscheidern vorbehalten sind, nur durch Personen ausgeübt werden, die durch die zuständige Behörde als Markscheider anerkannt sind. Zu diesen, den Markscheidern vorbehaltenen Tätigkeiten gehört etwa die Anfertigung bestimmter Kartenwerke, die fachlich als Risswerk bezeichnet werden.

Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen eine Person als Markscheider anerkannt werden kann, dürfen nach dem Bundesberggesetz durch die Bundesländer erlassen werden. Es geht dabei aber allein darum, welche persönlichen Voraussetzungen etwa in Form von beruflichen Qualifikationen oder bestimmten Eignungen für eine Anerkennung vorliegen müssen. Dagegen geht es nicht um inhaltliche, fachliche Regelungen zu den markscheiderischen Tätigkeiten selbst. Das ist wiederum Rechtsvorschriften des Bundes vorbehalten.

Das derzeit geltende nordrhein-westfälische Gesetz über die Anerkennung als Markscheider – kurz Markscheidergesetz – ist mit einer Befristung versehen, die dazu führen würde, dass das Gesetz am 31. Dezember 2014 außer Kraft treten würde. Der vorgelegte Gesetzentwurf dient dazu, diese Befristung aufzuheben. Denn auch in Zukunft wird über Anerkennungen als Markscheider zu entscheiden sein bzw. in bestimmten Fällen zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen für eine Anerkennung weiterhin vorliegen. Entsprechende Gesetze existieren auch in anderen Bundesländern.

Das bisherige Markscheidergesetz enthält spezielle Regelungen zur Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Berufsqualifikationen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen in Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2013 sind diese speziellen Regelungen im Markscheidergesetz obsolet geworden. Daher soll in diesem Zuge das Gesetz zugleich redaktionell bereinigt werden.


Anlage 2

Zu TOP 13 – „Drittes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung:

Die Landesregierung bringt heute die Dritte Gesetzesänderung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes ein. Wir setzen damit einen Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung und den Arbeitsauftrag eines Landtagsbeschlusses um.

Wer sich an die Plenardebatte vor gut einem Jahr zur Freistellung von Auszubildenden erinnert, kann sich vorstellen, wie sehr wir um diesen Kompromiss gerungen haben. Ich hatte aber den Eindruck, die Erfahrungen aus elf anderen Bundesländern waren hilfreich, Sorgen und Befürchtungen auszuräumen.

Ich möchte besonders hervorheben, dass diese Gesetzesänderung aus einem ertragreichen Diskurs hervorgegangen ist. Ich habe die Gespräche als sehr konstruktiv erlebt, und ich finde, wir können ein achtbares Ergebnis vorstellen.

Bereits im ersten Sondierungsgespräch mit den Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zeigte sich: Es gibt keinen Konflikt über die Frage, welchen Stellenwert politische Bildung für Auszubildende hat. Damit war der Weg frei für die gemeinsame Suche nach einer einvernehmlichen Lösung.

Die Grundlage für den nun vorliegenden Gesetzentwurf bilden die folgenden vier Eckpunkte:

•   Der Freistellungsanspruch beträgt fünf Tage in der gesamten Ausbildung (statt der jährlichen fünf Tage, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zustehen).

•   Eine Freistellung findet nur in den ersten beiden Dritteln der Ausbildung statt.

•   Ausnahmen bedürfen der einvernehmlichen Zustimmung von Betrieb und Berufsschule.

•   Vom Betrieb durchgeführte Bildungsveranstaltungen, die inhaltlich den Vorgaben des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes entsprechen, können auf den Bildungsfreistellungsanspruch angerechnet werden.

Die ClearingsteIle Mittelstand hat die Mittelstandsverträglichkeit geprüft und stuft die Eckpunkte „als gute Basis zur Verwirklichung dieser Zielsetzung“ ein und spricht von einer „maßvollen“ Kompromisslösung.

Die Eckpunkte berücksichtigen die Einwände der Arbeitgeberseite. Deshalb haben Auszubildende eine verkürzte Anspruchszeit. Damit tragen wir der Forderung Rechnung, Betriebe so wenig wie möglich zu belasten.

Eine Schutzklausel für kleinere Betriebe und Dienststellen ist im Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz bereits enthalten.

Es ist in NRW gute Tradition, dass die im Landtag vertretenen Fraktionen weiterbildungspolitische Änderungen gemeinsam beschließen. Ich würde mich deshalb freuen, wenn dieser Kompromiss auch die Zustimmung der Opposition findet

Die Einbeziehung aller Auszubildenden leistet einen Beitrag zur staatsbürgerlichen Weiterbildung. Möglichst viele junge Menschen, die ihren Lebensplan gerade entwickeln, sollen die Chance nutzen, sich politisch zu bilden. Wer mitsprechen und mitgestalten will, braucht politische Bildung. Mitsprache ist Mitverantwortung. Mitverantwortung für unsere Gesellschaft und unseren Staat. Mitverantwortung aber auch für die Gestaltung unserer Lebens-und Arbeitswelt.


Anlage 3

Zu TOP 14 – „Gesetz zur Zustimmung zum Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien:

Der Vorgang ist ein „Meilenstein“ in der Rundfunkgeschichte: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wird der Rundfunkbeitrag gesenkt

Früher war es üblich, dass die damalige Rundfunkgebühr alle vier Jahre mehr oder minder anstieg.

Wie Sie wissen, hat der Landtag im Dezember 2011 dann den Umstieg von der früheren Rundfunkgebühr zum heutigen Rundfunkbeitrag beschlossen, wie alle anderen Länder auch.

Dies hat dazu geführt, dass nun Personen und Unternehmen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen werden, die sich dem früher entzogen haben. Dadurch ist trotz des gleichbleibenden Betrags (17,98 €) der Ertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestiegen. Dies ermöglicht es nun, den Rundfunkbeitrag um 48 Cent zu senken.

Es gab durchaus Stimmen, die eine stärkere Senkung um 73 Cent, also 25 Cent mehr, gefordert haben.

Dem haben diese und auch andere Landesregierungen nicht zugestimmt.

Zum einen soll noch ausreichend Spielraum für die bereits bei Unterzeichnung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vereinbarte Evaluierung des neuen Rundfunkbeitragssystems bleiben.

So müssen insbesondere die finanziellen Auswirkungen auf die privaten Haushalte, die Privatwirtschaft und die öffentliche Hand wie auch die Notwendigkeit und Ausgewogenheit der Anknüpfungstatbestände erst noch überprüft werden. Auch die Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge wird zu evaluieren sein.

Zum anderen muss Spielraum für eine Entscheidung zur Werbung und zum Sponsoring in den Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verbleiben. Damit kommt die Landesregierung dem Wunsch des Landtags nach einer schrittweisen Reduzierung der Werbung nach, den dieser im Dezember 2013 deutlich gemacht hat.

Ich kann hier ergänzend darauf hinweisen, dass NRW, das den Vorsitz in der Arbeitsgruppe „Werbung und Sponsoring“ der Länder innehat, zu dieser Thematik derzeit eine Anhörung vorbereitet, die noch im Dezember dieses Jahres durchgeführt werden soll.

Im Übrigen wird mit dem Staatsvertrag der Finanzausgleich innerhalb der ARD neu geregelt und auf eine dauerhafte Grundlage gestellt. Diese gilt ab 2017. Bis 2016 gilt noch die bisherige ARD-interne Übergangsregelung fort.

In einem zweiten Teil des Gesetzes werden Klarstellungen zum Landesmediengesetz vorgenommen.

Mit der letzten Gesetzesänderung im Juli dieses Jahres waren entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Neuregelungen zur Zusammensetzung der Medienkommission der Landesanstalt tür Medien NRW getroffen worden.

Auch wurde das Verfahren zur Vergabe von Übertragungskapazitäten neu geregelt Für laufende Verfahren wurde hier eine Übergangsregelung geschaffen.