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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/69

16. Wahlperiode

02.10.2014

69. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 2. Oktober 2014

Mitteilungen der Präsidentin. 6939

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 6939

1   Übergriffe auf Asylbewerber durch Sicherheitspersonal in Unterbringungseinrichtungen des Landes

Unterrichtung
durch die Landesregierung

In Verbindung mit:

Vernachlässigung und Misshandlung von Flüchtlingen in den Landesaufnahmen beenden – Die Landesregierung muss sich ihrer Verantwortung für Schutzsuchende in Nordrhein-Westfalen stellen

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6909

Und:

Landesregierung versagt bei Aufsicht und lässt Kommunen allein: Misshandlung Asylsuchender in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkünften muss dringend aufgeklärt werden!

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6910

Und:

Transparenz schaffen – Die Landesregierung darf sich nicht hinter den Aussagen von privaten Betreibern von Flüchtlingsunterbringungen verstecken

Eilantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6911. 6939

Minister Ralf Jäger 6939

Armin Laschet (CDU) 6942

Hans-Willi Körfges (SPD) 6945

Dr. Joachim Stamp (FDP) 6949

Monika Düker (GRÜNE) 6951

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 6955

Tanja Wagener (SPD) 6956

Minister Ralf Jäger 6957

Christian Lindner (FDP) 6959

Frank Herrmann (PIRATEN) 6960

Minister Ralf Jäger 6963

Armin Laschet (CDU) 6963

Minister Ralf Jäger 6964

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 6964

Dietmar Schulz (PIRATEN)
(Erklärung gem. § 47 GeschO) 6965

Ergebnis. 6966

2   Konsequenzen aus der wirtschaftspolitischen Fundamentalkritik des NRW-Wirtschaftsministers ziehen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6863. 6966

Dietmar Brockes (FDP) 6966

Thomas Eiskirch (SPD) 6967

Hendrik Wüst (CDU) 6969

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) 6970

Daniel Schwerd (PIRATEN) 6971

Minister Garrelt Duin. 6972

Ergebnis. 6972

3   Bildungsqualität fördern 
Teil 1: Gymnasien in ihrem pädagogischen Auftrag stärken

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6858

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6957. 6972

Ergebnis. 6972

4   Jokertage – ein Beitrag zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familienleben und Schule

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5746

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Schule und Weiterbildung
Drucksache 16/6705. 6973

Hans Feuß (SPD) 6973

Petra Vogt (CDU) 6973

Ali Bas (GRÜNE) 6973

Ingola Schmitz (FDP) 6973

Monika Pieper (PIRATEN) 6974

Ministerin Sylvia Löhrmann. 6974

Ergebnis. 6974

5   Ausweitung gebührenpflichtiger Polizeieinsätze prüfen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6856. 6974

Gregor Golland (CDU) 6975

Christian Dahm (SPD) 6975

Verena Schäffer (GRÜNE) 6976

Dr. Robert Orth (FDP) 6977

Dirk Schatz (PIRATEN) 6977

Minister Ralf Jäger 6978

Ergebnis. 6979

6   Schulsozialarbeit in NRW über das Jahr 2014 hinaus sicherstellen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6849

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6955

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6958. 6979

Olaf Wegner (PIRATEN) 6979

Marion Warden (SPD) 6980

Dr. Anette Bunse (CDU) 6981

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE) 6982

Ulrich Alda (FDP) 6983

Minister Guntram Schneider 6984

Monika Pieper (PIRATEN) 6985

Ergebnis. 6985

Namentliche Abstimmung
siehe Anlage

Nächste Sitzung. 6986

Anlage  6987

Namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6849 – TOP 6 (Schulsozialarbeit in NRW über das Jahr 2014 hinaus sicherstellen)


Entschuldigt waren:

Minister Michael Groschek

Ministerin Sylvia Löhrmann       
(ab 14 Uhr)

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren   
(ab 11:30 Uhr)

Ministerin Barbara Steffens

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans      
(bis 12 Uhr)

Carina Gödecke (SPD)            
(ab 12:30 Uhr)

Wolfgang Große Brömer (SPD)

Peter Biesenbach (CDU)          
(ab 13 Uhr)

Regina van Dinther (CDU)        
(ab 13 Uhr)

Dr. Wilhelm Droste (CDU)        
(ab 13:50 Uhr)

Werner Jostmeier (CDU)

Theo Kruse (CDU)

André Kuper (CDU)

Andrea Milz (CDU)       
(ab 13:30 Uhr)

Ralf Nettelstroth (CDU)
(ab 14 Uhr)

Hendrik Schmitz (CDU)

Bernhard Tenhumberg (CDU)    
(ab 11:30 Uhr)

Horst Becker (GRÜNE)

Arndt Klocke (GRÜNE)

Mario Krüger (GRÜNE)

Karlheinz Busen (FDP)

Dr. Ingo Wolf (FDP)

Michele Marsching (PIRATEN)


Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 69. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt insbesondere unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich elf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich noch einmal daran erinnern, dass wir uns bereits gestern darauf verständigt haben, den Tagesordnungspunkt 7 der heutigen Sitzung – „Chancen zur Profilierung eröffnen – Abschaffung von Noten für das Arbeits- und Sozialverhalten rückgängig machen“, einen Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachennummer 16/6862 – auf die Plenarsitzung im November zu verschieben.

Weiterhin haben sich die Fraktionen zwischenzeitlich einvernehmlich darauf verständigt, zu Tagesordnungspunkt 3 – „Bildungsqualität fördern Teil 1: Gymnasien in ihrem pädagogischen Auftrag stärken“ – dabei handelt es sich um einen Antrag der Fraktion der CDU, der die Drucksachennummer 16/6858 trägt – heute keine Debatte zu führen. Die Aussprache und Abstimmung sollen erst nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Fachausschusses erfolgen.

Erhebt sich gegen diese Veränderung der Tagesordnung respektive des Verhaltens hinsichtlich des Antrages Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so verfahren.

Ich rufe auf:

1   Übergriffe auf Asylbewerber durch Sicherheitspersonal in Unterbringungseinrichtungen des Landes

Unterrichtung
durch die Landesregierung

In Verbindung mit:

Vernachlässigung und Misshandlung von Flüchtlingen in den Landesaufnahmen beenden – Die Landesregierung muss sich ihrer Verantwortung für Schutzsuchende in Nordrhein-Westfalen stellen

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6909

Und:

Landesregierung versagt bei Aufsicht und lässt Kommunen allein: Misshandlung Asylsuchender in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkünften muss dringend aufgeklärt werden!

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6910

Und:

Transparenz schaffen – Die Landesregierung darf sich nicht hinter den Aussagen von privaten Betreibern von Flüchtlingsunterbringungen verstecken

Eilantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6911

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 29. September 2014 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu diesem Thema zu unterrichten.

In Verbindung damit möchte ich Ihnen gerne noch mitteilen, dass die Fraktion der Piraten mit Schreiben vom 29. September 2014 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt hat.

In Verbindung damit teile ich Ihnen auch mit, dass die Fraktion der CDU ebenfalls mit Schreiben vom 29. September 2014 und ebenfalls gemäß § 95 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt hat.

In Verbindung mit den beiden beantragten Aktuellen Stunden und der Unterrichtung gibt es zudem einen Eilantrag der Fraktion der Piraten; er trägt die Drucksachennummer 16/6911. Mit Schreiben ebenfalls vom 29. September dieses Jahres hat die Fraktion der Piraten diesen Eilantrag fristgemäß eingebracht. Deshalb steht auch er in Verbindung mit den vorgenannten Punkten auf der Tagesordnung unter Tagesordnungspunkt 1.

Die Unterrichtung erfolgt durch Herrn Minister Jäger. Ich erteile Herrn Minister Jäger gerne das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Grundrechte, wenn die Würde von Menschen verletzt wird, kann es nur eine Antwort des Rechtsstaates geben: eine lückenlose Aufklärung zum einen und aktives Handeln zum anderen. Und das muss schnell geschehen, aber zugleich auch sorgfältig geschehen. Danach richten wir uns aus, und so haben wir auch in den letzten Tagen agiert.

Eines möchte ich für die Landesregierung betonen: Wir stehen für eine Willkommensgesellschaft. Und das umfasst ganz ausdrücklich auch diejenigen, die bei uns in Nordrhein-Westfalen Schutz suchen. Nordrhein-Westfalen ist ein Land, das auch diese Menschen willkommen heißt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und: Wir lassen es nicht zu, dass diesen Menschen Unrecht geschieht.

Diesem hohen Anspruch sind wir allerdings nicht gerecht geworden. Wir haben den Fokus darauf gelegt, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben, dass sie also nicht auf der Straße stehen oder unter Brücken übernachten müssen. Dabei haben wir die Einhaltung von Standards aus den Augen verloren. Das war, wie wir im Rückblick sehen, ein Fehler. Dieses Versäumnis darf sich nicht wiederholen.

Die Ministerpräsidentin hat es deutlich gesagt: Dafür gibt es keine Entschuldigung, die schrecklichen Vorfälle in Burbach sind in der Tat beschämend.

Hier geht es um Menschen, die zu uns kommen, weil sie Schutz suchen. Diesen Schutz müssen wir gewährleisten.

Herr Laschet, Sie haben in den letzten Tagen versucht, mich zu kritisieren.

(Armin Laschet [CDU]: Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie kritisiert habe!)

Herr Laschet, ich möchte deutlich sagen: Ich finde es sehr gut, dass Sie gestern nach Burbach gefahren sind und sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort gemacht haben. Denn ich vermute, Ihnen geht es genauso wie mir: Wenn man diese Flüchtlingseinrichtungen besucht, erdet einen das. Man kommt als ein anderer heraus, als der man hineingegangen ist. Man empfindet sehr viel größere Dankbarkeit für Selbstverständlichkeiten: abends ein Dach über dem Kopf zu haben, sicher zu leben, und das im Kreise der Familie.

Das sind Dinge, die diese Menschen nicht haben. Sie kommen hierher. Sie verlassen ihre Heimat nicht ohne Grund, sondern in der Regel, weil sie vor Krieg und Verfolgung fliehen. Und sie kommen mit Hoffnungen nach Deutschland.

Es geht darum, diese Menschen zu schützen und ihre menschenwürdige Betreuung zu sichern. Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir nehmen in diesem Jahr 40.000 bei uns auf. 40.000 – das ist in etwa die Einwohnerzahl von Kaarst oder Ahaus. Es ist eine große Herausforderung, die wir bewältigen müssen – übrigens nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in allen Bundesländern, aber auch in den einzelnen Städten und Gemeinden. Die lassen wir nicht alleine.

Herr Laschet, auch wenn man in diesem Zusammenhang, wie ich meine, kaum über Kosten reden sollte: Ich finde es nicht gut, dass Sie es so darstellen – zumindest habe ich das in den Medien so nachgelesen –, als würden wir die Gemeinden an der Stelle alleine lassen und ihnen nur 20 % ihrer Kosten erstatten. Das trifft nicht zu, Herr Laschet.

Wir zahlen in Nordrhein-Westfalen, anders als in einigen anderen Bundesländern, eine Pauschale. Es gibt keine prozentuale Abdeckung. Aber nach einer Abfrage in den Kommunen kann ich Ihnen sagen, dass beispielsweise die Gemeinde von Herrn Kuper – Gütersloh – eine Kostenabdeckung von 130 % bekommen hat. Pauschale Zahlen helfen also nicht weiter, Herr Laschet.

Es darf keine Frage des Geldes sein, dass wir in Nordrhein-Westfalen Humanität garantieren. Die Finanzmittel, die wir dazu benötigen, stellt der Finanzminister auch zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, mich haben die Vorfälle in Burbach – wie Sie wahrscheinlich auch – zutiefst schockiert. Wenn man daran denkt, empfindet man Empörung, man empfindet Fassungslosigkeit, aber vor allem empfindet man Wut.

Wichtig ist aber, sich von solchen Gefühlen in seinem Handeln nicht lähmen zu lassen, sondern aktiv nach vorne zu gehen: dass wir unsere Gefühle kanalisieren und unsere ganze Kraft dazu nutzen, die Dinge gemeinsam zum Besseren zu wenden. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass sich menschenverachtende, beschämende Demütigungen nicht wiederholen.

Damit haben wir unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe begonnen, und dieser Prozess ist auch noch nicht abgeschlossen. Wir haben bereits am letzten Freitag schnelle, wirkungsvolle Maßnahmen getroffen und in den letzten Tagen weitere folgen lassen. Darauf will ich im Laufe der Unterrichtung gerne noch einmal zurückkommen.

Bevor ich das aber tue, will ich Ihnen und den Besuchern auf der Tribüne kurz den Hergang der Ereignisse schildern.

Am Freitag, dem 26. September, hat ein freier Journalist der Pressestelle der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein eine CD mit Bild- und Videoaufnahmen übergeben. Diese zeigen die mittlerweile bekannten Übergriffe und den entwürdigenden Umgang des privaten Sicherheitspersonals mit den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft in Burbach.

Sofort nach Bekanntwerden der Vorfälle hat die Polizei eine zügige und umfassende Aufklärung dieser Vorfälle aufgenommen. Nach Sichtung des Bild- und Videomaterials durch die Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein und das Polizeipräsidium Hagen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung eingeleitet, und es wurde eine Ermittlungskommission eingesetzt.

Bei dem in Verdacht stehenden Sicherheitspersonal wurden noch am Freitagabend Durchsuchungen durchgeführt. Hierbei wurden bei drei der sechs anwesenden Sicherheitsbediensteten verbotene Gegenstände, unter anderem ein Schlagring und zwei Teleskopschlagstöcke, gefunden. Daraufhin wurden diese drei Sicherheitsbediensteten unverzüglich der Notunterkunft verwiesen. Entsprechende Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitsverfahren sind eingeleitet.

Auf dem Mobiltelefon eines Sicherheitsdienstmitarbeiters wurde eine Fotografie gesichert, die einen gefesselten Bewohner in Bauchlage zeigt. Dieses Foto dürfte mittlerweile Ihnen allen bekannt sein.

Die Einrichtung Burbach wurde in der Nacht zu Samstag um 0:49 Uhr sowohl von den verbliebenen Sicherheitsmitarbeitern als auch rein vorsorglich zusätzlich von Polizeibeamten beaufsichtigt und anschließend an eine neue Sicherheitsfirma und neue Sicherheitsmitarbeiter übergeben.

Am Sonntagmorgen führte die Ermittlungskommission die Ermittlungen mit insgesamt 24 Beamtinnen und Beamten unter Beteiligung von Dolmetschern fort. Es wurden vorrangig die 96 Bewohner der Unterkunft befragt, die im Rahmen der normalen Verlegung am Montag in andere Unterkünfte kommen sollten. Zugleich wurden die beiden auf dem Foto abgelichteten Tatverdächtigen ermittelt, ihre Wohnungen durchsucht und die Personen vorläufig festgenommen.

Zwischenzeitlich wurde auch der Ersteller des Fotos identifiziert und seine Wohnung ebenfalls durchsucht. Das abgebildete Opfer konnte ebenfalls ermittelt und zu den Geschehnissen befragt werden.

Die weiteren Ermittlungen haben zur Identifizierung der zwei auf dem Video zu hörenden Sicherheitsbediensteten geführt. Auch bei diesen wurden umfangreiche strafprozessuale Maßnahmen durchgeführt. Das Opfer der Tat ist bedauerlicherweise immer noch unbekannt.

Meine Damen und Herren, für uns als Landesregierung steht die Aufklärung dieser und womöglich weiterer Vorgänge an oberster Stelle. Wir haben uns deshalb am Sonntag bewusst dazu entschieden: Diese Vorgänge machen wir öffentlich, und zwar schnellstmöglich im Rahmen einer – dann stattgefundenen – Pressekonferenz. Wir treiben die Aufklärung so transparent und so offen wie möglich voran, weil wir dieses Thema nicht totschweigen, weil wir es nicht unter den Tisch kehren. Deshalb werden wir flächendeckend jedem Verdacht nachgehen, jeden Vorwurf ernst nehmen und alle gebotenen Konsequenzen daraus ziehen.

Aus diesem Grunde habe ich das LKA bereits am Sonntag mit der zentralen Führung der Ermittlungen beauftragt. Der Auftrag ist klar: alle Unterbringungseinrichtungen des Landes auf gleichgelagerte Sachverhalte zu überprüfen. Ich wiederhole: Nichts, aber auch gar nichts wird unter den Teppich gekehrt.

Ich selbst war am Montag bei den Bewohnern in Burbach. Ich sage Ihnen ganz offen: Die Gespräche haben mit Mut gemacht. Diese Menschen haben das Vertrauen in unseren Rechtsstaat eben nicht aufgegeben – trotz dieser Vorgänge. Sie sind dankbar, dass sie jetzt Gehör finden und ihre Aussagen ernst genommen werden. Mir persönlich hat das wirklich imponiert.

Ich betone noch einmal: Wir wollen, dass alle Vorgänge, die in irgendeiner Weise auf Straftaten in den Einrichtungen hindeuten, auf den Tisch kommen. Wir wollen die gesamte Angelegenheit lückenlos und sorgfältig aufklären und aufarbeiten.

Ich habe schon eingangs betont: Neben der lückenlosen Aufklärung brauchen wir auch eindeutiges Handeln. Wir haben gehandelt. Die Bezirksregierung Arnsberg hat sofort, nachdem sie von den Vorfällen erfahren hat, noch am Freitagabend, umfassende Sofortmaßnahmen eingeleitet. Im Vordergrund stand dabei der Schutz der Bewohner. Für diesen Schutz ist seit Freitag, 24 Uhr, ein neues Sicherheitsunternehmen zuständig, das klar definierte Qualitätsstandards garantiert. Das beschuldigte Sicherheitsunternehmen – ich hatte vorhin bereits davon gesprochen – wurde entlassen und wird nicht mehr für Schutzaufgaben eingesetzt.

Um es an dieser Stelle deutlich zu sagen: Das Land duldet es nicht, wenn Kriminelle für die Sicherheit in unseren Ländereinrichtungen sorgen sollen. Das nehmen wir nicht hin. Dem haben wir auch deutlich einen Riegel vorgeschoben.

Die raschen Sofortmaßnahmen waren aber nur ein erster Schritt. Wir haben dem Betreiber eine Zusammenarbeit mit Subunternehmen seit Freitagabend untersagt. Die Betreiber sind dazu verpflichtet, nur noch Sicherheitspersonal zu beschäftigen, das auf freiwilliger Basis einer Sicherheitsüberprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz zustimmt.

Noch am Freitag wurde der Geschäftsführer von European Homecare persönlich und unmittelbar zu einem Krisengespräch mit der Bezirksregierung Arnsberg einbestellt. Er hat diese und alle weiteren Forderungen akzeptiert und ihre Einhaltung ausdrücklich zugesichert.

Alle Betreiber haben inzwischen die neuen Standards akzeptiert. Das sind neben European Homecare auch und ganz überwiegend die für uns tätigen karitativen Hilfsorganisationen Malteser, Johanniter, Kolpingwerk und das Deutsche Rote Kreuz.

Um sicherzustellen, dass diese von uns skizzierten Maßnahmen greifen, haben wir das Personal aufgestockt. Seit gestern sorgt eine Taskforce mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür, dass die in allen Landesunterkünften geltenden Standards auch eingehalten werden – zusätzlich zu dem bisherigen Personal. Daneben hat das Kabinett beschlossen, der Bezirksregierung Arnsberg 23 zusätzliche Stellen zu bewilligen. Diese personellen Verstärkungen sind wichtig. Ebenso wichtig ist die Prüfung der bestehenden Strukturen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen wie ich abends Nachrichten. Sie sehen selbst, was im Nordirak, was in Syrien zurzeit geschieht: die vermutlich größte Flüchtlingsbewegung unserer Zeit. Wir alle wissen: Die Herausforderung, Flüchtlinge aufzunehmen, wird künftig noch wachsen, meine Damen und Herren. Im Lichte der Vorfälle in Burbach werden wir deshalb intensiv darüber diskutieren, ob wir unsere Maßnahmen den Erfordernissen weiter anpassen müssen. Das ist eine logische Konsequenz für mich.

Meine Damen und Herren, ich habe ausgeführt, was wir in Nordrhein-Westfalen tun: Wir klären die schrecklichen Vorfälle in Burbach auf. Wir gehen allen Hinweisen lückenlos nach; das tun wir proaktiv, sorgfältig und schnell. Wir schaffen jetzt und in Zukunft die Voraussetzungen, um solche schrecklichen Überfälle zu verhindern.

All das tun wir mit einem Konzept, das Wirkung zeigt: kurzfristig mit umfassenden Sofortmaßnahmen, mittelfristig mit personellen Verstärkungen, mit Transparenz und Offenheit und langfristig mit der kritischen Überprüfung, was wir zukünftig noch besser machen können.

Dabei schauen wir nicht nur auf uns selbst, nicht nur auf Nordrhein-Westfalen – das reicht uns nicht –, sondern wir suchen auch die Unterstützung der anderen Länder. Ich habe gestern mit dem Bundesinnenminister vereinbart, dass wir, die Landesinnenminister und der Bundesinnenminister, uns in der übernächsten Woche treffen. Es gibt großen Bedarf, dargestellt zu bekommen, wie wir diese Sicherheitsstandards, die so in keinem anderen Bundesland gelten, hier definiert haben, weil natürlich auch in den anderen Bundesländern die Sorge groß ist und die Brisanz des Themas erkannt wird.

Meine Damen und Herren, Willkommenskultur darf nicht nur Bestandteil politischer Sonntagsreden sein. Dafür müssen wir uns alle einsetzen. Dafür können wir alle einen Beitrag vor Ort leisten. Ich werbe noch einmal ausdrücklich für den Abbau von Vorurteilen an allen Orten, was Flüchtlingseinrichtungen angeht.

Es ist wichtig, dass wir es partei- und fraktionsübergreifend als gemeinsame Aufgabe betrachten, Einrichtungen für Schutzsuchende zu schaffen und diese nicht politisch zu blockieren. Wir alle müssen dabei helfen, Ängste unserer Bürgerinnen und Bürger abzubauen. Wir brauchen dringend ihre Akzeptanz; denn wir müssen auch zukünftig absehbar mehr Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen aufnehmen.

Wir müssen als Demokraten Einigkeit demonstrieren, wenn es darum geht, Gewalt in jeder Form aufs Schärfste zu verurteilen, insbesondere solche, die sich gegen Schutzbedürftige richtet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen uns mit den Bewohnerinnen und Bewohnern solcher Einrichtungen klar solidarisieren. Aber wir müssen vor allem nicht nur über sie reden, sondern mit ihnen reden. Das umfasst auch, ihre Vertreter mit ins Boot zu nehmen. Deshalb ist der runde Tisch, den die Ministerpräsidentin initiiert hat, immens wichtig. Dort werden sie und ich gemeinsam mit den Kirchen, mit den Flüchtlingsverbänden, mit den Wohlfahrtsverbänden und mit den kommunalen Spitzenverbänden intensive Gespräche führen. Es geht um die konkreten Fragen: Was können wir in diesem Land noch besser tun? Wie können wir gemeinsam dazu aufrufen, die Türen aufzumachen und Sicherheit zu gewährleisten? Wie gewinnen wir mehr Vertrauen?

Ich habe es eben gesagt: Wir brauchen das Vertrauen der Menschen vor Ort in den Einrichtungen. Wir sind darauf angewiesen, dass diese Missstände offen angesprochen werden, dass wir Hinweise bekommen, wenn Standards nicht eingehalten werden. Das geht nur mit gegenseitigem Vertrauen.

Diese Landesregierung, meine Damen und Herren, ist sich der großen Verantwortung und der Herausforderungen bewusst, die wir jetzt und in Zukunft zu bewältigen haben. Noch einmal: Wir nehmen diese Herausforderung an. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Herr Kollege Laschet, Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion, das Wort.

Armin Laschet (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vor einigen Tagen mit einem Kollegen über Standards für die Betreuung von Flüchtlingen gesprochen. Der sagte mir: Eigentlich ist der Standard relativ leicht zu definieren; er steht in Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Wir haben in diesen Tagen in Burbach erlebt, dass der Staat dieser Verpflichtung nicht gerecht geworden ist:

Es gab das Problemzimmer, in dem Asylbewerber bis zu acht Stunden lang eingesperrt waren.

Es gibt inzwischen die schrecklichen Aussagen eines Wachmanns, der beschreibt, wie bestimmte Akteure dort tätig waren, die sich „SS-Trupps“ nannten und in einer WhatsApp-Gruppe genau diese Bilder untereinander getauscht haben, die wir gestern gesehen haben. – Ich fürchte, es könnte da noch mehr geben.

Und wir haben eine Art rechtsfreien Raum festgestellt, der das Bild von Nordrhein-Westfalen in Europa, in Deutschland nachhaltig beschädigt hat, weil solche Bilder natürlich direkt weltweit gezeigt werden – als Verhalten in Deutschland. Das ist eine Schande für unser Land. Das trübt das Bild von Nordrhein-Westfalen in der Welt.

Deshalb war das richtig, Frau Ministerpräsidentin, dass Sie schon am Montag in Berlin und am Dienstag im Katholischen Büro gesagt haben, dass Sie sich für dieses Unrecht schämen, dass Sie öffentlich eingeräumt haben, dass es Versäumnisse bei der Aufsicht durch die Landesregierung gegeben hat.

Auch die Kollegin Düker hat in ihrem Interview im „Deutschlandfunk“ gesagt, auch die Landesregierung trage die politische Verantwortung für das, was in Burbach geschehen sei.

Bei Ihnen, Herr Minister Jäger, klang das heute ganz anders, als Jäger normalerweise klingt. Bei Ihrer Pressekonferenz haben Sie erst mal gesagt: Es gab keine Versäumnisse. Man kann nichts dagegen machen, wenn es da ein paar kriminelle Elemente gibt. Es war alles richtig, es war alles gut, und jetzt werden wir noch besser, und wieder liegen wir an der Spitze aller deutschen Länder. – So haben Sie das, was Sie jetzt vorhaben, gerade beschrieben.

Die Frage ist: Was muss die Regierung im Lande Nordrhein-Westfalen machen?

Das Erste wäre: Sie, Herr Jäger, treten in Fragen der inneren Sicherheit – nicht nur bei diesem einen Fall – immer erst mal mit martialischer Sprache auf: Zentrale Ermittlungsführung wird jetzt dem Landeskriminalamt übertragen: „Ich sage es in aller Deutlichkeit: Das Land kooperiert nicht mit Sicherheitsdiensten, die Kriminelle anheuern.“ – Nein, Herr Jäger! Sie haben mit Sicherheitsdiensten kooperiert, die Kriminelle eingestellt haben. Das ist das Problem.

(Beifall von der CDU, der FDP, den PIRATEN und Robert Stein [fraktionslos])

Man kann nicht jedes Problem mit großer martialischer Sprache beheben, sondern man muss vorher politische Verantwortung übernehmen, wenn man ein Ministerium führt, und sich überlegen: Was müsste denn da geschehen?

Gestern hat Regierungspräsident Bollermann aus Arnsberg – ein engagierter Kollege, dem all das sehr zu Herzen geht; wir kennen ihn noch aus der Zeit im Landtag – geschildert, was er im Moment in 18 oder 19 Unterkünften im ganzen Land Nordrhein-Westfalen mit seiner Bezirksregierung in Arnsberg sicherstellen muss. Er hat gestern mit den Wohlfahrtsverbänden und mit European Homecare verabredet, was in Zukunft passieren soll. Das sind sieben Maßnahmen:

Es sollen keine weiteren Subunternehmer, sondern nur unmittelbar Personal von auftragnehmenden Sicherheitsdiensten beschäftigt werden.

Es soll ausschließlich Personal mit Sachkundeprüfung nach § 34 Gewerbeordnung eingesetzt werden.

Es soll tariflicher Mindestlohn gezahlt werden. Für alle im Sicherheitsdienst Beschäftigen soll ein polizeiliches Führungszeugnis vorliegen. Es sollen alle im Sicherheitsdienst Beschäftigten eine Erklärung vorlegen, in der sie bescheinigen, dass keine für die Tätigkeit relevanten Vorstrafen – Körperverletzung, Verstöße gegen das Bundesbetäubungsmittelgesetz, Sexual- und Staatsschutzdelikte – vorliegen. Es soll eine Zuverlässigkeitsprüfung des örtlichen Ordnungsamtes vorliegen.

(Christian Lindner [FDP]: Selbstverständlichkeiten!)

Das sind Punkte, die man ganz am Anfang – und nicht erst gestern – hätte regeln müssen!

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Es ist doch eine pure Selbstverständlichkeit, dass solche Minimalstandards bei Schutzbefohlenen, die sich nicht wehren können, eingehalten werden. Die Ministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg hat gesagt: Das alles machen wir in Baden-Würt-temberg schon. Von anderen Bundesländern zu schweigen! Das ist die Frage der politischen Verantwortung.

Sie machen ein Tariftreue- und Vergabegesetz, wo Sie jeden Handwerker 30 Seiten ausfüllen lassen, ob irgendwelche Steine in Kinderarbeit in Indien hergestellt werden, aber Sie gucken nicht danach, was in Flüchtlingsheimen los ist!

(Lebhafter Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Das klafft auseinander.

Zweitens wurde gefragt: Was würden Sie anders machen, wenn Sie regieren würden? – Ich würde von meinem Innenminister erwarten, dass er zuhört, wenn Menschen Missstände vortragen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat gestern darüber berichtet, dass der Burbacher Bürgermeister bereits Anfang August nach einer Bürgerversammlung und nach einer Resolution des Rates vor Ort in die Bezirksregierung bzw. ins Innenministerium gefahren ist und seine Sorgen vorgetragen hat. Er sagte: Die Bevölkerung hier bei uns hat, wenn sie diese Leute sieht, das Gefühl, dass die beschäftigten Sicherheitsfirmen unseriös sind.

Der Bürgermeister von Hemer hat im März sicherheitsrelevante Vorgänge mitgeteilt. Die Ordnungsdezernentin von Dortmund hat Kritik geübt. Aber was macht der Minister? In der letzten Innenausschusssitzung war von ihm zu hören: Es stünde einer politischen Beamtin nicht zu, so unsäglich zu reden. – Er beschimpfte die Frau, die das benannt hatte, statt sich um das Problem zu kümmern. Das aber würde ich von ihm erwarten!

(Lebhafter Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Nun mag diese Frau nicht in sein politisches Schema passen. Aber dann schreibt ihm der Oberbürgermeister von Dortmund. Herr Sierau schreibt 2013, vor einem Jahr:

„Das Krisenmanagement des Landes erscheint unkoordiniert und erfolgt augenscheinlich nur auf Zuruf. Ich vermisse ein stringentes Krisenmanagement, bei dem alle Partner und Behörden gemeinsam und verlässlich ihre Aufgaben erfüllen.“

2013! Niemand hört auf den Oberbürgermeister von Dortmund. – Dann schreibt er ein Jahr später, am 20. August 2014, erneut einen Alarmbrief an den Innenminister:

„Ich vermisse nach wie vor ein effizientes Krisenmanagement und stelle eine gewisse Trägheit angesichts zahlreicher Problemstellungen fest.“

Das ist die politische Verantwortung. Wir wollen keinen Innenminister, der in dieser schwierigen Lage Trägheit ausstrahlt, sondern einen, der sich um die Probleme der Menschen kümmert, die vor Ort existieren!

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ich könnte das jetzt noch fortsetzen. Ich befand mich gestern auf dem Weg nach Burbach. Sie sagen: Man kommt da anders raus, als man reingegangen ist. Das stimmt. Es ist beeindruckend, wie sich da Ehrenamtler und auch die dort Beschäftigten um die Menschen bemühen.

Regierungspräsident Bollermann hat beschrieben, wie die Zahlen sind. Jeden Tag kommen von den Grenzen her 400, 500 oder 600 Flüchtlinge mehr in Nordrhein-Westfalen an. Sie kommen mit Schlepperbanden, die mit Bussen direkt vor die Zentrale Aufnahmestelle in Dortmund fahren und die Leute einfach ausladen. Aus Hemer wird berichtet, dass 30 Behinderte mit Rollstühlen vor die dortige Einrichtung vorgefahren und ohne Rollstühle abgesetzt wurden. Das ist der Zustand: Es kommen jeden Tag 400, 500 mehr. Es ist gut, wenn man sich so etwas anschaut.

Aber, Herr Innenminister, ich hätte mich gefreut, wenn mich Ihr Büroleiter nicht noch während meiner Fahrt nach Burbach angerufen und gefragt hätte, ob dieser Besuch überhaupt beim Innenministerium angekündigt sei.

(Lachen von der CDU)

In dieser Stunde, als Ihr Anruf kam, war – weil wir es bei der Bezirksregierung angemeldet hatten – der Herr Regierungspräsident bereits auf dem Weg nach Burbach. Das sind Einschüchterungsversuche, die wir uns nicht gefallen lassen, Herr Innenminister!

(Lebhafter Beifall von der CDU, der FDP und Nicolaus Kern [PIRATEN])

Es gibt doch in Ihrem Haus im Moment sicher etwas Wichtigeres zu tun, als einen Abgeordneten, der sich in Burbach darüber informiert, zu fragen, ob er das ordnungsgemäß beim Innenministerium angemeldet hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich glaube, die Schwerpunktsetzungen sind falsch.

Ich sage fünftens noch dazu – das ist nicht mein Hauptpunkt; aber ich sage es trotzdem –: Alle vor Ort in Burbach haben geschrieben: Wenn das mit den ständig ansteigenden Zahlen so weitergeht, kommen wir an die Grenze unserer Belastbarkeit. – Das schildern auch die Kommunen.

Wir haben in Deutschland schon einmal mehr Flüchtlinge aufgenommen. In den 90er-Jahren haben wir 350.000 Asylbewerber pro Jahr gehabt. Dazu kamen der Fall der Mauer und gleichzeitig zwei Millionen Spätaussiedler. Während des Krieges auf dem Balkan kamen mehrere Hunderttausend Bürgerflüchtlinge. Das war viel dramatischer als heute. Wir sind aber derzeit nicht darauf vorbereitet. Deshalb ist es richtig, jetzt zu sagen – wie es die Große Koalition getan hat –: Wir konzentrieren uns auf die wirklich verfolgten, aus dem Krieg kommenden Flüchtlinge insbesondere aus dem Irak und Syrien.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

– Sie müssen auch das ernst nehmen, Frau Kollegin. – Deshalb hat die Große Koalition entschieden: Für sichere Herkunftsländer brauchen wir eine Änderung. – Wenn Sie fragen, was ich anders machen würde, würde ich antworten: Ich hätte im Bundesrat an der Seite von Winfried Kretschmann gestanden.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Diese Ansicht müssen Sie ja nicht teilen. Aber ich finde, wenn wir uns darauf konzentrieren, …

(Zuruf von der SPD)

– Ich rede für mich. Ich kenne die Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Herr Bouffier kennt nicht die Lage unserer Kommunen. Frau Ministerpräsidentin sollte sie kennen. Es hätte Ihnen gut angestanden, in dieser Frage an der Seite von Winfried Kretschmann zu stehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Was ist nun die Folge? Viele haben gefragt, ob der Innenminister jetzt zurücktreten muss.

(Zurufe von der SPD – Unruhe)

Es ist eine Frage der politischen Verantwortlichkeit, wie man das bewertet. Es sind in Deutschland Innenminister …

(Zuruf von der SPD)

– Jeder fragt das! Sie vielleicht nicht, aber jeder, wenn man mit ihm spricht, fragt danach. – Meine Antwort ist: Es sind in Deutschland Innenminister für Vorgänge, die sie nicht zu verantworten hatten – ich nenne Rudolf Seiters und andere – zurückgetreten, weil sie gesagt haben: Das ist jetzt erforderlich.

Es hat einmal ein Oppositionsabgeordneter Jäger, der meistens da vorne saß, wenn irgendwo in einer Anstalt in Nordrhein-Westfalen jemand ausgebrochen ist, die damalige Justizministerin Müller-Piepenkötter in einer sehr lautstarken Art und Weise mit großer Rhetorik zum Rücktritt aufgefordert. Das könnte auch ein Maßstab sein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber das ist nicht unser Stil. Jäger-Stil ist nicht unser Stil!

(Lachen von der SPD)

Wenn der Maßstab „Jäger“ gelten würde, säße er nicht mehr da.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sagen: Frau Ministerpräsidentin, die Verantwortung liegt bei Ihnen. Wollen Sie mit dieser Art eines Innenministers weiterarbeiten? Wenn ja, dann erwarten wir von Ihnen aber, dass ab jetzt das, was hier heute verkündet wird, umgesetzt wird. Das treffende Wort in der „Süddeutschen Zeitung“ vor einigen Tagen muss für Ihr künftiges Handeln gelten: Bedauern ersetzt keine politische Verantwortung!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie sind nicht gewählt, mit besonderer Rhetorik aufzutreten, mit besonderem Bedauern aufzutreten, mit besonderer Betroffenheit aufzutreten, sondern Sie sind gewählt, die Verhältnisse in diesem Land zu verbessern und Sicherheit für Menschen, die aus Notlagen nach Deutschland kommen, zu gewährleisten. Das ist Ihre Aufgabe, und daran werden wir Sie in Zukunft messen.

(Langanhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh darüber, dass der Kollege Laschet eingangs seiner Ausführungen in berechtigter Art und Weise auf den Art. 1 unseres Grundgesetzes hingewiesen hat. Ich glaube, uns alle in diesem Hause einigt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, sie zu achten und zu schützen unsere gemeinsame Verpflichtung ist, die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. – Herr Laschet, an dieser Stelle kann ich Ihnen unwidersprochen eindeutig nur zustimmen. Das ist eine richtige Feststellung, die für uns alle gelten sollte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

– Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde gleich auf die Reichweite der Geltung dieser Grundsätze noch einmal zu sprechen kommen. Sie gelten für alle Menschen, gerade auch für diejenigen, die sich auf den Schutz durch das Asylgrundrecht berufen, in diesem Jahr in Deutschland ca. 200.000 Menschen. In Nordrhein-Westfalen können wir mehr als 40.000 Menschen erwarten und willkommen heißen, die bei uns Zuflucht suchen.

Angesichts des Terrors, der Kriege und der systematischen Verfolgung von religiösen und ethnischen Minderheiten in der Welt muss Deutschland als eines der führenden Industrieländer sich seiner Verpflichtung für diese verfolgten, bedrohten und an Leib und Seele gefolterten Menschen stellen. Vor dem Hintergrund unserer Geschichte wird die Anforderung an einen humanen und wertschätzenden Umgang mit verfolgten Menschen zur moralischen Verpflichtung, die über alle Parteigrenzen hinweg zu den prägenden Elementen unseres demokratischen Gemeinwesens zählt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, an dieser Stelle können wir zumindest in diesem Haus überwiegend Einigkeit feststellen.

Denn: Wer verfolgt oder vertrieben wird und hier Zuflucht sucht, muss sich auf Schutz und Sicherheit verlassen können. Und weil in unserem Land die unantastbare Würde des Menschen Anfang und Maßstab allen staatlichen Handelns und allen staatlichen, gesellschaftlichen Lebens ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, sind wir betroffen.

Jeder Flüchtling hat einen Anspruch auf Schutz und Sicherheit. Das war bis vor ganz kurzer Zeit für uns alle selbstverständlich. Deshalb sind die Berichte über die Misshandlungen und Demütigungen in den Flüchtlingseinrichtungen in Burbach, Essen und Bad Berleburg für uns alle unerträglich. Herr Kollege Laschet, ich glaube, dass es angesichts dessen durchaus angemessen und angezeigt ist, seiner Betroffenheit in der richtigen Form Ausdruck zu verleihen. Das haben Sie gemacht. Das hat die Frau Ministerpräsidentin gemacht.

(Beifall von der SPD und Reiner Priggen [GRÜNE])

Ich will für mich persönlich an dieser Stelle noch einen Schritt weitergehen und mich ausdrücklich auch persönlich entschuldigen, obwohl es eigentlich unentschuldbar ist, dass diejenigen, die Anspruch auf den Schutz durch unseren Staat haben, in Einrichtungen des Landes, in der sie Zuflucht gesucht haben, misshandelt und gedemütigt werden. Wer sich die Bilder vor Augen führt, wird unwillkürlich an diese berüchtigten Fernsehbilder aus Abu Ghuraib erinnert. Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bilder stammen eben nicht aus dem Irak, nicht aus einem Kriegsgebiet, sondern aus unserem Land Nordrhein-Westfalen.

Was bedeuten im Verhältnis zu den Gefühlen der misshandelten Opfer, die oft traumatisiert zu uns kommen, die Gefühle, die mich und uns an dieser Stelle tatsächlich erreichen? Diejenigen, die Schutz gesucht haben, glaubten sich in Sicherheit, aber wurden abermals zu Opfern physischer und psychischer Gewalt. Was in der Seele eines solchen Menschen angerichtet werden kann, wage ich mir kaum vorzustellen.

Eines möchte ich für mich deutlich klarstellen: Wer in diesem Land die Würde eines Menschen verletzt, der verletzt die Würde und die Werte unserer Gesellschaft. Er verletzt die Werte eines jeden Einzelnen von uns, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb muss der Hintergrund der Taten aufgeklärt werden, damit die Täter ihre rechtmäßige Strafe erhalten. Das ist die zwingende Folge menschenverachtender Taten, deren Unrechtsgehalt durch die Tatsache verstärkt wird, dass die Täter in ihrer Funktion für die Einhaltung des Hausrechtes und somit für den Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner verantwortlich waren. Das ist in keiner Weise hinnehmbar. Flüchtlinge und damit Schutzbefohlene unseres Landes als Opfer krimineller Sadisten in Einrichtungen des Landes – das hätte ich mir bis zum letzten Wochenende nicht vorstellen können. Ich hätte es nicht für möglich gehalten.

Trotz der enormen Herausforderungen für alle öffentlichen Ebenen aufgrund der hohen Anzahl der Menschen, die bei uns Schutz suchen, haben wir geglaubt, die Unterbringung funktioniere reibungslos. Wir haben gedacht: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage mich in dem Zusammenhang: Waren wir zu arglos, zu unkritisch? – Ich sage für mich persönlich: Ja, offensichtlich.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Körfges, Herr Kollege Kern würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Hans-Willi Körfges (SPD): Ich möchte im Zusammenhang vortragen.

Muss sich die Regierung, müssen wir uns alle jetzt kritische Frage gefallen lassen? – Natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Offensichtlich nicht!)

Die Regierung hat das Recht und die Pflicht, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Im Innenausschuss haben wir erst in der letzten Sitzung über die dramatisch steigende Zahl von Flüchtlingen und die Probleme einer angemessenen Unterbringung diskutiert.

In diesem Zusammenhang möchte ich deutlich machen, dass angesichts der dramatischen Zuspitzung der internationalen Entwicklungen – ich erinnere an die unvorstellbaren Gräuel der Terrormiliz IS – für die Zukunft kaum zuverlässige Prognosen über die zu erwartende Anzahl von Flüchtlingen möglich sind.

Ich greife einen Teil der Kritik auf: Auch die wechselnden Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, liebe Kolleginnen und Kollegen, die im Laufe des Jahres mehrfach angepasst worden sind, zeigen doch, dass wir es mit einer Entwicklung zu tun haben, die von einer absoluten Dynamik geprägt ist und in jedem Fall Land und Kommunen vor große organisatorische Herausforderungen stellt.

Diese, lieber Kollege Laschet, werden im Übrigens nicht dadurch kleiner, dass Sie öffentliche Spekulationen darüber anstellen, was womöglich hätte geschehen können, wenn es nicht zum Asylkompromiss gekommen wäre. Das, lieber Herr Laschet, ersetzt keine eindeutige Haltung in ganz anderen wichtigen Fragen, deren Beantwortung unsere Kommunen entlasten würden. Wir wären sehr froh darüber, Sie an unserer Seite zu haben, wenn es um die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Bundesebene geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Statt Ihrer hohlen Rhetorik an der Stelle würden Sie unseren Kommunen dann nämlich zusätzlich in einer vernünftigen und nachvollziehbaren Weise helfen und das Leben der betroffenen Menschen in unserem Land einfacher machen. Dem verweigert sich die CDU jedoch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese unrealistischen Szenarien – schließlich ist der Asylkompromiss zustande gekommen, wie Sie zu Recht festgestellt haben – führen angesichts der Fakten zu gar nichts und lenken eigentlich nur von der Frage nach den notwendigen Konsequenzen und Ursachen aus den Vorfällen in Burbach, Essen und Bad Berleburg ab.

(Zuruf von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der von mir eben angesprochenen Ausschusssitzung standen die dringend notwendige Suche nach geeigneten Orten und Gebäuden für die Unterbringung von Flüchtlingen und auch die Situation der Kommunen im Mittelpunkt. Gerade bezogen auf die angesprochenen Ereignisse werfe ich mir rückblickend vor, dass dabei womöglich die Betreuungssituation selbst ein wenig aus dem Blickfeld geraten ist und dass wir unter Umständen hätten intensiver nachfragen müssen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das war angefragt von uns!)

– Herr Kollege Herrmann, ich bin da ja bei Ihnen und mache mir gerade selbst den Vorwurf, dass ich es nicht gemacht habe.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Ein bisschen spät!)

Ich glaube, das sollten andere in diesem Haus auch machen. Denn die Diskussionslage war eine vollkommen andere, als sie sich heute hier darstellt.

Darüber hinaus frage ich mich, ob wir uns über die Frage, wie private Unternehmen den Betrieb in unseren Einrichtungen sicherstellen, nicht hätten informieren müssen. Dabei möchte ich allerdings nicht pauschal – das ich auch wichtig, wenn man differenziert an die Sache herangeht – alle Partner in allen Einrichtungen gleichsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Statt Begriffe wie „Ansturm“, „Welle“ oder „Flut“ im Zusammenhang mit notwendigen Kosten hinzunehmen, hätten wir uns der Frage stellen müssen, wie der interne Betrieb in den Einrichtungen abläuft und wem die Betreiber die Wahrnehmung des Hausrechts übertragen.

Was man unserer Regierung allen Ernstes nicht vorwerfen kann, sind Unentschlossenheit oder Verharmlosung in dieser Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Ministerpräsidentin – ich habe es bereits angesprochen – hat die richtigen Worte gefunden. Das ist auch von Herrn Laschet in fairer Art und Weise anerkannt worden. Leider haben Sie sich aber nicht der Versuchung widersetzt, verschiedene andere Dinge in einen Zusammenhang mit den Ereignissen in Burbach und Bad Berleburg zu bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf hier eine Ursache aus meiner Sicht benennen: Erstens liegt eine Ursache in der personellen Situation in den Bezirksregierungen. Ich gehe in diesem Zusammenhang einmal ein paar Jahre zurück.

(Zurufe von der CDU: Oh! Das ist eine Unverschämtheit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann sich nicht in Aktuellen Stunden über bestimmte Dinge beklagen und sich danach in den Haushaltsberatungen in die umgekehrte Richtung bewegen!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Darüber hinaus, lieber Herr Laschet, ist Ihnen, wenn Sie es mit Zitaten genau nehmen, vielleicht aufgefallen, dass der Bürgermeister von Burbach den von Ihnen angesprochenen Bericht aus der „Süddeutschen Zeitung“ zwischenzeitlich dementiert hat.

Des Weiteren darf ich daran erinnern, dass die Praxis, die wir hier heute zu Recht beklagen, keine Erfindung dieser Landesregierung ist. Vielmehr gibt es sie bereits seit einiger Zeit. Wir haben das – in dieser Hinsicht bin ich ja nahe bei Ihnen – leider noch nicht geändert. Aber das gab es auch schon zu der Zeit, als hier Schwarz und Gelb regiert haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir wollen jetzt Klarheit über die Situation, und zwar nicht nur in den uns bekannten Fällen. Wir bedanken uns für das engagierte Eintreten in der Frage bei Herrn Minister Jäger.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Wir wollen eine rückhaltlose Aufklärung und eine umfassende Bestandsaufnahme der Alltagssituation in den Flüchtlingsunterkünften.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben aber noch einen weiteren Punkt, den ich ansprechen möchte. Mindestens so wichtig wie die Frage nach einer angemessenen Unterbringung und Betreuung ist die Frage der Akzeptanz von Menschen in unseren Kommunen. Ich darf Ihnen nur eines sagen: Es gibt viele Bedenken, die wir alle ernst nehmen müssen. Nur, es darf – und deshalb bin ich sehr froh darüber, wenn wir zumindest das in der Debatte unstreitig stellen – vor Ort keine kurzfristigen, auf parteipolitischen Geländegewinn ausgerichteten Auseinandersetzungen über die Unterbringung von Flüchtlingen geben. Das schadet allen Menschen. Das schadet aber vor allen Dingen denen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen.

Wir müssen gemeinsam mit den Kommunen nach Lösungen suchen. Lassen Sie mich an der Stelle ein gutes Beispiel anführen. Meine Heimatstadt, die Stadt Mönchengladbach, hat sich über alle Grenzen der normalerweise üblichen politischen Auseinandersetzungen hinweg dazu bereit erklärt, mit dem Land gemeinsam nach einer Möglichkeit zu suchen, um im ehemaligen Hauptquartier der britischen Streitkräfte eine Erstaufnahmeeinrichtung vorzuhalten, und zwar vor dem Hintergrund der Verantwortung auch für das gesamte Land.

Ich denke, wir sollten eher diese Beispiele fördern, als vor Ort unseren Kommunalpolitikern durchgehen zu lassen, sich an der einen oder anderen Stelle zu mokieren, wo Solidarität mit den Flüchtlingen besser gewesen wäre.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sollten vielmehr darüber nachdenken, wie wir unseren Kommunen noch besser helfen können, die Herausforderungen zu bewältigen. Die Änderungen im FlüAG waren ein erster Schritt. Darüber hinaus sind die angekündigten finanziellen Verbesserungen ein weiterer Schritt. Aber ich stehe nicht an, Sie einzuladen, mit uns auch über weitere Hilfen nachzudenken, mit uns gemeinsam auf Bundesebene im Interesse der Flüchtlinge und der Kommunen tätig zu werden.

Nur eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man nicht machen: Man kann nicht hier Dinge beklagen, sich auf der anderen Seite aber den notwendigen finanziellen Konsequenzen verweigern. Im Grundgesetz steht das, was wir gemeinsam zitiert haben, in Art. 1. Weit dahinter sagen wir etwas zur Finanzverfassung. Und ich sage Ihnen an der Stelle ganz deutlich: Die Menschenwürde steht auch vor der schwarzen Null und ist für mich Staatsziel.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Zu diesem Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir uns gemeinsam bekennen:

(Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Sozialdemokraten, Grüne, Christdemokraten und Liberale hier im Haus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen sagen, was peinlich ist. Peinlich ist es, sich hierhin zu stellen

(Zuruf von der CDU: Peinlich ist Ihre Vorstellung! – Unruhe – Glocke)

und sich zu Recht über bestehende Verhältnisse aufzuregen, aber unmittelbar zuvor mit dem Vorsitzenden der AfD in tabubrechender Weise öffentliche Gespräche geführt zu haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Armin Laschet [CDU]: Haben Sie überhaupt gelesen, was ich gesagt habe?)

das dient nicht der Profilbildung, gerade im Bereich der Flüchtlingspolitik.

(Armin Laschet [CDU]: Den Typen muss man widersprechen!)

Ich hoffe, dass wir gemeinsam die richtigen Konsequenzen aus den Vorgängen ziehen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Körfges, es liegen mir zwei Kurzinterventionen vor. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Herrn Kollegen Körfges gebeten, direkt am Rednerpult stehen zu bleiben,

(Armin Laschet [CDU]: Billig ist das!)

weil während seiner Rede der Wunsch nach zwei Kurzinterventionen geäußert wurde. Die erste Kurzintervention wurde von Herrn Kollegen Kern angemeldet, die zweite von Herrn Kollegen Herrmann. – Herr Kollege Kern, Sie haben das Wort.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Körfges, es tut mir leid, nein, es tut mir nicht leid: Ich kann es Ihnen jetzt nicht durchgehen lassen, dass Sie hier so ein Blendfeuerwerk für die Öffentlichkeit zünden und von den eigentlichen Problemen abzulenken versuchen.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Aus Ihrer Position heraus kann ich es aber verstehen.

Zunächst einmal: Die Reihe von Fragen, die sich gerade selbst am Rednerpult schuldbewusst gestellt haben, hätten Sie jetzt nicht zu stellen brauchen. Denn die Fragen haben wir Ihnen schon vor Wochen gestellt, aber die Antworten sind leider ausgeblieben.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich möchte auch Ihrem Versuch entgegentreten, hier ein Bild zu malen von den „bedauerlichen Einzelfällen“, was das Fehlverhalten und das Versagen der privaten Sicherheitsdienste angeht. Ich möchte nicht über die Symptome, sondern lieber über die Ursachen sprechen, und an Sie einfach eine Frage richten: Meinen Sie nicht auch, dass sich derjenige, der Humanität auf private Unternehmen outsourct, nicht wundern darf, wenn dann mit Unmenschlichkeit Gewinn gemacht wird?

(Beifall von den PIRATEN)

Hans-Willi Körfges (SPD): Lieber Herr Kollege Kern, ich bin auf die Ausgliederung von Aufgaben eingegangen. Ich bin sehr froh darüber, dass jetzt aus Anlass dieser schrecklichen Ereignisse die Gelegenheit wahrgenommen wird, die Strukturen insgesamt zu überprüfen. Ich will aber nicht in jedem Einzelfall hingehen und das Private kontrahieren mit Partnern, die ja durchaus auch Wohlfahrtsverbände oder gemeinnützige Organisationen sein können. Das will ich nicht generell infrage stellen.

In einer Frage gebe ich Ihnen aber recht – und das Herr Minister Jäger aus meiner Sicht auch sehr überzeugend dargelegt –: Es kann nicht sein, dass Menschen Hausrecht wahrnehmen, die dazu in keiner Weise qualifiziert sind, die nicht in einem unmittelbaren Beschäftigungsverhältnis stehen und die darüber hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen, womöglich straffällig geworden sind. Dazu müssen wir die notwendigen Vorkehrungen treffen.

Ob die Ereignisse nun Anlass sind, um sich von privaten Anbietern insgesamt zu distanzieren, müssen wir im Einzelnen untersuchen. Angesichts der dramatischen Zahl von Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, halte ich generelle Aussagen dazu jedoch für ausgesprochen schwierig.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Jetzt schalte ich das Mikrofon für Herrn Kollegen Herrmann frei.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Körfges, Sie haben die Sitzung des Innenausschusses schon erwähnt. Wir haben vor der Sommerpause einen Bericht des Ministeriums über den Planungsstand bezüglich Neuaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber und der aktuellen Situation in den Einrichtungen beantragt. Dazu gab es dann nach der Sommerpause in der Septembersitzung eine Antwort. Teil der Antwort war, dass Gespräche mit Flüchtlingsorganisationen, Betreibern usw. stattfinden, in denen Fragen der Unterbringung erörtert werden, und dass für diese Gespräche Vertraulichkeit vereinbart wurde. Dazu könnte zum Beispiel auch das Gespräch vom August mit dem Bürgermeister von Burbach gehört haben.

Wir haben gefragt, ob wir Kenntnis über diese Berichte bzw. darüber erlangen können, was der Inhalt dieser Gespräche ist. Würden Sie uns zukünftig unterstützen, dass die Vertraulichkeit aufgehoben wird, wenn wir noch einmal die Frage nach den Berichten stellen und wissen möchten, was darin steht?

Hans-Willi Körfges (SPD): Da muss man sehr stark differenzieren, Herr Kollege Herrmann. Auf der einen Seite ist es richtig, dass jetzt Dinge im Zusammenhang mit diesen schrecklichen Ereignissen aufgearbeitet werden. Dazu gehören sicherlich auch Einzelvorgänge.

Auf der anderen Seite ist es an dieser Stelle ganz wichtig, zwischen den vielen, die dort ihre Arbeit ordentlich und vernünftig für die Menschen erledigen, und den wenigen, die sich in schändlicher Art und Weise benehmen, zu differenzieren. Im Hinblick darauf, dass es in der Regel eine Vertrauensbasis zwischen dem Ministerium und den Organisationen und Strukturen gibt, sollte man von Fall zu Fall das Ministerium ansprechen und keine generellen Antworten geben.

Ich halte es für ganz schwierig, wenn man sich bei dieser Frage daran versucht, absolut richtige Antworten kurzfristig zu entwickeln; denn das kann bezogen auf solche komplexen Sachverhalte nicht gutgehen. Das ist eine der Konsequenzen, die ich für mich persönlich ziehe.

Wir müssen insgesamt besser hinschauen, denke ich. Da haben Sie uns an Ihrer Seite. Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus einen geschützten vertrauensvollen Bereich zwischen privatrechtlich tätigen Anbietern und der Regierung. Das fällt dann auch unter den geschützten Bereich des Regierungshandelns. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Dr. Stamp das Wort.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Übergriffe auf Asylbewerber hier in Nordrhein-Westfalen sind ekelhaft, sie sind, wie die Ministerpräsidentin dankenswerterweise deutlich gemacht hat, beschämend, und sie sind menschenrechtsverletzend. Es geht zuallererst um Menschen, deren Würde nach unserem Grundgesetz unantastbar ist – Menschen in einer Fluchtsituation, und zwar ganz egal, woher sie kommen und welche Fluchtgründe sie haben.

Herr Körfges, Menschenrechtsverletzungen hier in Zusammenhang mit der schwarzen Null zu bringen, ist allerdings nur noch schäbig.

(Lebhafter Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, bei den Übergriffen stellt sich neben der strafrechtlichen Verantwortung auch die Frage der politischen Verantwortung. Herr Minister Jäger, Sie bedauern; aber echte Verantwortung weisen Sie von sich. Zitat: „Gegen diese kriminelle Energie hilft auch die beste Kontrolle nicht.“

Da muss ich doch einmal fragen: Welche Kontrolle denn? Wie war es denn mit der Bezirksregierung Arnsberg in den letzten Monaten unter ihrer Verantwortung? Sie sind doch die ganze Zeit schon völlig überfordert. Sie haben ja auch selbst in ihrer Pressekonferenz eingeräumt, dass zum Zeitpunkt von Übergriffen ein Mitarbeiter der Bezirksregierung auf dem Gelände anwesend war.

Meine Damen und Herren, dass Regierungspräsident Bollermann heute in der „Rheinischen Post“ erklärt, die Bezirksregierung sei überhaupt nicht überfordert gewesen, ist angesichts der Bilder aus Burbach wirklich erschütternd.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Es ist doch ein schlechter Witz, dass ein Bundesland bei jedem öffentlichen Auftrag von jedem Unternehmen verlangen kann, die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern bis ins letzte Subunternehmen im Ausland zu garantieren, und es gleichzeitig nicht schafft, in seinen eigenen Landeseinrichtungen für Flüchtlinge keine vorbestraften oder rechtsradikalen Sicherheitsleute zu beschäftigen. Das ist indiskutabel –

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

gerade vor dem Hintergrund, dass der Bürgermeister von Burbach Staatssekretär Nebe über Missstände und Überbelegung bereits Anfang August informiert hat. Ich sage bewusst: Missstände und Überbelegung. Ich habe das auch gelesen. Diese Überbelegung ist aber bereits seit Anfang August bekannt gewesen. Sie sind eben nicht vor Ort gewesen und haben sich nicht darum gekümmert.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Das Ministerium ist gewarnt worden, dass es Probleme in Burbach gibt. Es ist nicht adäquat reagiert worden. Dafür tragen Sie die politische Verantwortung, Herr Minister.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Als Konsequenz sollen jetzt Sicherheitsfirmen vom Verfassungsschutz überprüft werden und eine Taskforce ausgerechnet unter Leitung der Bezirksregierung Arnsberg gebildet werden. Vielleicht wäre es sinnvoller, wenn sich zunächst einmal jemand um diese Bezirksregierung kümmerte.

(Beifall von der FDP)

Verfassungsschutz, Taskforce – das klingt mal wieder sehr schnittig. Es sind aber nur Blendgranaten, meine Damen und Herren; denn das eigentliche Problem, für das Sie die Verantwortung tragen, liegt viel tiefer. Das Land Nordrhein-Westfalen wird seinen humanitären Verpflichtungen insgesamt nicht mehr gerecht.

Vor genau acht Tagen habe ich die Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Dortmund-Hachen-ey besucht. Das war wenige Tage vor Bekanntwerden der Übergriffe. Gemeinsam mit Dortmunder Ratsmitgliedern wollte ich mir ein eigenes Bild machen, nachdem wir Ihre Auseinandersetzung mit der Kommune über die Frage der Überbelegung mitbekommen hatten.

Mir ging es dabei um ein Hintergrundgespräch ohne Medienbegleitung. So habe ich ein ungeschminktes Bild bekommen: keine geputzten Toiletten und für den Katastrophentouristen hergerichteten Zimmer, sondern einen nach Urin stinkenden Innenhof in einer völlig überfüllten Einrichtung. Alle Mitarbeiter – kommunale wie private und ehrenamtliche Helfer – haben versucht, dort eine erträgliche Situation zu schaffen. – Dennoch, Herr Minister, schliefen dort Familien teilweise sitzend oder auf dem Boden. Die Einrichtung – eigentlich für 300 konzipiert, mit der Möglichkeit, im Notfall auf 350 zu gehen – war mit etwa 600 Flüchtlingen völlig überfordert. Das führt dazu, dass die Flüchtlinge teilweise ohne Registrierung in Notunterkünfte verschoben werden und reguläre Asylverfahren in weiten Teilen nicht mehr möglich sind.

Seit 2012 wissen wir um diese Situation. Seit drei Jahren steigen die Zahlen jährlich an. Sie haben die Bilder in Syrien und im Irak eben selbst bemüht, wir haben sie doch nicht erst seit gestern. Daher ist es nicht nachzuvollziehen, warum Sie hier nicht reagieren.

Die Erstaufnahme in Dortmund musste bereits im Herbst 2012 ihre Pforten kurzzeitig wegen Überfüllung schließen. Daraufhin wurde eine Projektgruppe von hohen Ministerialbeamten gebildet, die Anfang des Jahres dringend empfahl, die personellen Kapazitäten aufzustocken – Zitat –, „um besondere Belastungsspitzen, Notfälle, Epidemien und vergleichbare unvorhersehbare Ereignisse berücksichtigen zu können.“ Innenstaatssekretär Nebe kommentiert dies in der Einleitung zum Bericht der Projektgruppe lakonisch – ich zitiere –:

„Trotz dieser Erfahrung kann ich heute nicht ausschließen, dass im Herbst 2014 (oder Herbst 2015) erneut ein dramatischer Engpass entsteht.“

Sie waren gewarnt und haben nicht entsprechend gehandelt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Minister, der Kollege Laschet hat die Brandbriefe von Ihrem Kollegen, Ihrem Genossen, dem lieben Uli Sierau aus Dortmund, wie Sie ihn in Ihren Briefen genannt haben, erwähnt. Sie haben in Ihren Antworten immer nur beschwichtigt.

Schon der landesweite Aufnahmestopp von Flüchtlingen im vergangenen Monat wegen der Krankheitsepidemie hat bei manchem Bürger die Frage aufkommen lassen: Sind wir hier eigentlich in Nordrhein-Westfalen, oder sind wir in der sogenannten Dritten Welt? Sie haben wieder nichts Ausreichendes unternommen.

Dann haben Sie – Herr Laschet hat es angesprochen, ich möchte aber noch einmal ausführlich darauf eingehen – einer hilfesuchenden Dezernentin vorgeworfen, sie hätte eine Das-Boot-ist-voll-Rhetorik an den Tag gelegt.

(Zuruf von der CDU: Unmöglich!)

Meine Damen und Herren, kein ernstzunehmender Akteur, kein Politiker aus dem demokratischen Spektrum, kein Journalist und auch kein Kommunalbeamter schürt heute so eine Stimmung. Es gibt keine ressentimentgeladene Asyldebatte wie Anfang der 1990er-Jahre. Das ist gut, und das muss auch so bleiben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Es ist besonders perfide, dass Sie der Dezernentin eine solche Rhetorik unterstellen, wofür es keine Anhaltspunkte gibt, nur um von Ihrem eigenen Versagen abzulenken.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Sie haben in dem Zusammenhang im Innenausschuss auch gesagt: Das System kollabiert nicht. – Nun ist das System aber doch kollabiert.

(Minister Ralf Jäger: Ach, Herr Stamp!)

Hilflose Flüchtlinge kamen zu Schaden, und Sie, Herr Innenminister Jäger, tragen dafür die politische Verantwortung.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Peinlich!)

Wie hätte wohl vor einigen Jahren der Abgeordnete Jäger über den Minister Jäger geurteilt? – Vielleicht so: Politische Verantwortung bedeutet – auch wenn keine persönlichen Fehler begangen wurden –, aus dem Versagen des eigenen Ministeriums die Konsequenzen ziehen zu müssen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

So haben Sie sich jedenfalls gegenüber der damaligen Justizministerin Müller-Piepenkötter geäußert. Wir fordern heute nicht Ihren Rücktritt, aber wir fordern, dass Sie sich endlich an Ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Hören Sie auf, Blendgranaten zu zünden, und konzentrieren Sie sich auf Ihre Kernaufgaben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die neue Notunterkunft in Rüthen – um eine weitere Baustelle zu nennen – ist ebenfalls schlecht aufgestellt; das hat uns gestern erreicht. Der jetzige Betreiber wusste am Donnerstag noch nicht, dass er Freitag die Verantwortung für eine Notunterkunft für 150 Flüchtlinge bekommen würde. Es gab keine Anweisung. Ein schriftlicher Auftrag mit konkreten Qualitätsstandards liegt noch nicht vor.

Der Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg vor Ort kann, wie so oft, diese Lücke allein nicht füllen und ist überfordert. Die Flüchtlinge kommen ohne Gesundheitscheck direkt in die Notunterkunft. Hier besteht insbesondere beim Impfschutz dringender Handlungsbedarf. Ein klärendes Gespräch von Ihrem Haus mit dem Gesundheitsministerium soll erst in der nächsten Woche geführt werden.

So stelle ich mir verantwortungsvollen Umgang mit unseren Flüchtlingen nicht vor, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der nächste Krisenherd ist doch schon vorgezeichnet in den Kommunen, denen Sie binnen Stunden die Flüchtlinge vor die Tür liefern, ohne dass sie wirklich die Möglichkeit haben, sich entsprechend darauf vorzubereiten. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, hat darauf hingewiesen, dass die Kostendeckung für die Flüchtlingsunterbringung beispielsweise in der Stadt Münster unter 15 % liegt. Da ist das nächste Desaster vorprogrammiert.

Rechtfertigen Sie das nicht damit, dass die Erfüllung woanders bei 120 % liegt. Hinterfragen Sie doch mal Ihr System, wenn Sie auf Differenzen zwischen 15 und 120 % kommen. Da stimmt doch etwas nicht, und das ist Ihr Verantwortungsbereich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In Bayern bekommen die Kommunen 80 % der Kosten erstattet. Dort gibt es überall eine Erstaufnahmeeinrichtung. Das wünschen wir uns auch für Nordrhein-Westfalen. Zum Schluss möchte ich Ihnen von Rot-Grün zurufen: Es kann doch nicht ernsthaft Ihr Anspruch sein, bei der humanitären Versorgung von Flüchtlingen hinter die CSU in Bayern zurückzufallen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Dr. Stamp. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die am Wochenende bekannt gewordenen Fälle von schwersten Misshandlungen in einer Flüchtlingsaufnahmeeinrichtung des Landes haben auch mich zutiefst bestürzt. Menschen, die vor Not, vor Vertreibung, vor Krieg zu uns geflüchtet sind, konnten sich nicht darauf verlassen, bei uns eine sichere Zuflucht gefunden zu haben.

Nach dieser beschämenden Erkenntnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Flüchtlingsunterkünfte dürfen in unserem Land nicht zu rechtsfreien Räumen werden. Eine menschenwürdige Aufnahme muss unser Maßstab sein.

Ja, es war eine Fehleinschätzung – das wissen wir im Lichte der heutigen Erkenntnis leider alle –, dass die Standards in den Einrichtungen, die vertraglich vereinbart wurden, ohne Kontrollen offenbar von den beauftragten Firmen nicht eingehalten wurden. Wir konnten daher eine sichere Aufnahme von Flüchtlingen hier nicht sicherstellen.

Erste Konsequenzen sind von der Landesregierung gezogen worden; die Taskforce, das Verbot, Subunternehmen zu beschäftigen, das LKA, das eingesetzt wurde, die Sicherheitsüberprüfung sind erwähnt worden.

Nun gibt es kritische Kommentare, die man ja allerorts lesen kann: Warum hat man denn diese Überprüfung nicht schon viel früher gemacht? – Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Hätte man mich – ich mache das jetzt auch schon ein paar Jahre hier im Landtag – vor zwei Wochen gefragt, ob die Sicherheitsleute in den Flüchtlingsunterkünften eine Sicherheitsüberprüfung brauchen, hätte ich gesagt, dass ich eine Forderung nach so einer Totaldurchleuchtung von Mitarbeitern in einer Flüchtlingsunterkunft für völlig überzogen halte. Deswegen macht das auch kein anderes Bundesland.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das ist in anderen Ländern doch schon Standard!)

Hätte man Sie von der FDP gefragt, Sicherheitsüberprüfungen in Flüchtlingsunterkünften vorzunehmen, bin ich sicher, Sie hätten auch gesagt: Dies ist eine überzogene Maßnahme.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch hier mussten wir erkennen – das gehört zur Wahrheit auch dazu; seien Sie doch redlich, liebe Kolleginnen und Kollegen! –, dass die Anforderungen im privaten Sicherheitsgewerbe offenbar nicht ausreichen,

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das ist doch nicht neu!)

um zu verhindern, dass sich Kriminelle unter die Bediensteten mischen können. Keine Verträge, keine Gewerbeordnung, keine Zertifizierung – sehen wir uns die Branche doch an – sichern offenbar die Standards, die man von einem Einsatz in einem solch sensiblen Bereich erwarten kann. Ich habe mir die Gewerbeordnung angesehen. Offenbar kann man in diesem Land leichter ein Sicherheitsunternehmen aufmachen als eine Pommesbude.

(Armin Laschet [CDU]: In diesem Land!)

Es besteht aus meiner Sicht – Herr Laschet, auch das in Ihre Richtung, nach Berlin –

(Armin Laschet [CDU]: Berlin, Berlin!)

Handlungsbedarf. Die Innenministerkonferenz hat im letzten Jahr beschlossen, dass das Gewerberecht dringend überarbeitet werden muss.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Wir müssen etwas gegen die Umstände machen! Wir müssen nicht das Gewerberecht ändern! – Armin Laschet [CDU]: Brüssel, Brüssel!)

Wir brauchen bessere Zertifizierungen und Überprüfungen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Neben diesen Kontrollen brauchen wir aber auch sehr schnell und dringend neue Aufnahmeeinrichtungen im Land. Die oft nur befristeten Notaufnahmen mit ihren Überbelegungen müssen schnell abgebaut werden. Das leugnet hier niemand. In Essen haben wir beispielsweise eine dauerhafte Immobilie gefunden oder auch in Mönchengladbach. Da muss jetzt der Turbo eingeschaltet werden, dass man dort starten kann.

(Armin Laschet [CDU]: Dann macht das doch!)

Herr Stamp, ich gebe Ihnen recht, dieses ganze System der Erstaufnahme muss auch auf den Prüfstand. Den Bericht haben Sie angesprochen. Bis Ende des Jahres erwarten auch wir hier eine Neukonzeptionierung der Erstaufnahme angesichts steigender Flüchtlingszahlen. Denn Tatsache ist: Die Überbelegung schafft viele Probleme, die gelöst werden müssen, und zwar schnell.

(Beifall von den GRÜNEN – Frank Herrmann [PIRATEN]: Wenn Sie an der Regierung sind, machen Sie das besser!)

Aber, und das sage ich auch ganz klar, bei allen realen Problemen, die derzeit mit den steigenden Zahlen von Flüchtlingen verbunden sind, finde ich es grundfalsch, hier in der Rhetorik – das ist heute wieder passiert – von Flüchtlingsströmen oder gar von Flüchtlingswellen zu sprechen, wie es oft getan wird. Nein, da kommt keine Naturkatastrophe auf uns zu. Es kommen Menschen. Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund. Es kommen Menschen, die bei uns Schutz suchen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Ja, es werden wahrscheinlich 200.000 Asylbewerber ihren Erstantrag in diesem Jahr bei uns stellen. Anfang der 1990er-Jahre waren es doppelt so viele. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, weltweit sind derzeit über 50 Millionen Menschen auf der Flucht. So viele, wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wo ist unsere Vorbereitung?)

Es sollte und muss für unser Land möglich sein, diesen Menschen mit einer Willkommenskultur zu begegnen und ihnen eine menschenwürdige Aufnahme zu gewährleisten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Anders als die CDU meinen wir, dass hier angesichts des Flüchtlingselends in Syrien und im Irak auch dringend ein weiteres Kontingent aus diesen Krisenregionen nötig ist. Wir meinen auch, Herr Laschet, anders als Sie, dass die Aufnahme dieser Menschen eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Land und Kommunen darstellt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aus Berlin gibt es dazu von Ihrer Partei – Herr de Maizière hat es gestern über die Medien verbreitet – leider nur zwei Antworten, und das sind Abschottung, Abwehr und Abwälzung der Kosten auf Länder und Kommunen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nun zu Ihrer pathetischen Aussage: Wo waren Sie an der Seite von Herrn Kretschmann im Bundesrat? – Sie schreiben in Ihrem Antrag zur Beantragung der Aktuellen Stunde, dass die Einstufung der Westbalkanländer – jetzt kommt es – zu sicheren Herkunftsländern die Bearbeitung Zehntausender Anträge in NRW beschleunigt. Herr Laschet, diese Aussage ist nachweislich falsch. Denn die Verfahrensdauer wird auch mit diesem neuen Gesetz nicht verkürzt, so lange der Bund das Bundesamt für Migration und Flucht nicht mit ausreichend Personal ausstattet. Und das wissen Sie ganz genau!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Trotzdem behaupten Sie wider besseres Wissen hier das Gegenteil.

Zweitens – das macht das Ganze noch schlimmer – sprechen Sie damit einer ganzen Flüchtlingsgruppe deren individuellen Fluchtgründe ab und stigmatisieren eine Minderheit, die es ohnehin schwer hat und ausgegrenzt wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Fahrlässig nenne ich das, fahrlässig!

Was wir nicht brauchen, Herr Laschet, ist die „Das Boot ist voll und wir schieben die mal alle schnell wieder ab“-Rhetorik.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das hat doch keiner gesagt! – Zurufe von der CDU)

Wir brauchen echte Hilfe für die Kommunen. Und mit diesem Gesetz streuen Sie den Menschen Sand in die Augen. Sie verkaufen die Leute für dumm, denn bei den Kommunen kommt an echter Hilfe nichts an.

(Armin Laschet [CDU]: Das können Sie bei der SPD genauso sagen!)

Schließen Sie sich doch der Forderung an, der Kollege Körfges hat es gesagt. Machen Sie im Bundesrat mit! Das Gesetz liegt auf dem Tisch. Schaffen Sie dieses unselige Asylbewerberleistungsgesetz ab!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie entlasten die Kommunen in NRW um 50 %. Aber Sie halten lieber an einem Repressionsinstrument für die Flüchtlinge fest, anstatt den Kommunen wirksam zu helfen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Herr Schäuble schreibt seine schwarze Null auf dem Rücken von Ländern und Kommunen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von Armin Laschet [CDU])

Das wissen Sie ganz genau. – Ich sage Ihnen noch etwas, Herr Laschet: Es hilft auch nicht, wenn sich CDU-Vertreter vor Ort daran beteiligen – das sollten Sie sich auch einmal anschauen –, Stimmung gegen neue Landeseinrichtungen zu machen.

So zeigt beispielsweise Eckhard Uhlenberg, immerhin Vizepräsident des Landtags, einer Meldung der „Rheinischen Post“ vom 7. Dezember 2012 Verständnis für den Protest der Anwohner in Wickede-Wimbern angesichts der Planung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung. Er meint – Zitat –, dass das Flüchtlingsheim „eine unzumutbare Belastung“ für die Bevölkerung darstelle.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Der CDU-Bürgermeister Hermann Arndt wird in diesem Artikel wie folgt zitiert: Dann schreiben Sie aber auch, dass ich weiter dafür kämpfen werde, dass diese Unsinn ein Ende hat.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Hört! Hört! – Weitere Zurufe)

Sie reden hier von einer humanitären Flüchtlingsaufnahme, und vor Ort sind es Ihre Bürgermeister, die alles versuchen, um diese Einrichtungen zu verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Widerspruch von der CDU)

Wenn Sie schon Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen öffentlichkeitswirksam besuchen, kommen Sie mit mir mal nach Rees am Niederrhein, wo auch Ihre Partei regiert.

(Armin Laschet [CDU]: Reden Sie doch mal über den Fall!)

In den vergammelten Containern bekommen die Menschen Sachleistungen statt Geldleistungen und können irgendwelche Punkte in Shops gegen vergammelte Lebensmittel tauschen. Also: Reden Sie hier nicht von Flüchtlingsschutz, um dann vor Ort ganz anders zu handeln!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Laschet, diese Mutation zur Flüchtlingsschutzpartei nimmt Ihnen in diesem Landtag niemand ab.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es kommt noch besser. Dann erklären Sie forsch in einem WDR-2-Interview – ich traute meinen Ohren nicht –, dass dort, wo die CDU regiere, bei den steigenden Asylbewerberzahlen alles unter Kontrolle sei. Dann fragt der Redakteur Sie nach einem Beispiel, und Sie nennen Bayern. In Bayern ist die Welt in Ordnung, da wird alles kontrolliert – genauso wie in Sachsen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: In Bayern ist immer die Welt in Ordnung!)

Herr Laschet, ich empfehle Ihnen einen Faktencheck. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf ist Platz für 650 Menschen. Mitte September dieses Jahres wurde eine Belegung mit 1.600 gemeldet und ein Notzelt aufgebaut.

(Zuruf von Thomas Stotko [SPD])

Wohlfahrtsverbände sprechen von „katastrophalen Zuständen“.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Im April wurden dort drei Mitarbeiter wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt, weil sie sich geweigert hatten, einen Notarzt für ein schwerkrankes Flüchtlingskind zu rufen, das daraufhin fast gestorben wäre. – Das sind Ihre paradiesischen Zustände in CDU-regierten Ländern? Herr Laschet, bleiben Sie redlich!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie missbrauchen das Thema für Ihre parteipolitischen Zwecke. Ich sage Ihnen: Es ist schäbig, denn dieses Thema eignet sich dafür nicht.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen noch etwas zu Ihrer Regierungszeit, die Sie immer gern ausblenden und vergessen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich!)

Ich erinnere mich gut: Als der Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen, ein unabhängiger Dachverband der Flüchtlingsorganisationen, in Ihrer Regierungszeit die inhumane Flüchtlingspolitik Ihres Innenminister Wolf angeprangert hat, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, was haben Sie da gemacht? Im ersten Haushalt haben Sie erstmal dem Flüchtlingsrat die Finanzierung gestrichen, um ihn mundtot zu machen.

(Zustimmung von Sigrid Beer [GRÜNE] – Zuruf von der CDU: Verantwortungslos!)

So sind Sie damals damit umgegangen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wo waren denn Ihre Bekenntnisse als Integrationsminister im damaligen Kabinett Rüttgers gegen Innenminister Wolf zu seiner Abschiebepolitik? Wo waren Sie denn da?

(Zuruf von der CDU: Abschiebepolitik – Untätigkeit Ihrer Regierung! – Zuruf von Christian Möbius [CDU] )

Für meine Fraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedaure ich es sehr, dass Sie diese Debatte in dieser Form hier führen. Denn um die Sache geht es Ihnen nicht. Das unterstelle ich Ihnen auch.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

– Ich kann Ihnen gern die Reden des Kollegen Theo Kruse heraussuchen, damit Sie sehen, was er hier zur menschenwürdigen Flüchtlingspolitik zum Besten gegeben hat. – Er ist heute nicht da, das kann ich mir vorstellen.

(Armin Laschet [CDU]: Er ist im Krankenhaus! – Klaus Kaiser [CDU]: Krankenhaus! – Armin Laschet [CDU]: Er ist im Krankenhaus! Unterirdisch! – Weitere Zurufe)

Für meine Fraktion kann ich erklären: Wir stehen dafür ein, dass die Vorfälle schonungslos aufgeklärt werden, dass Fehler benannt werden, wo es Versäumnisse gegeben hat, und die hat es gegeben.

(Zustimmung von Serap Güler [CDU] – Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Nur, wenn man genau hinschaut, kann man die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Ich möchte, dass so etwas in Nordrhein-Westfalen nie wieder passiert. Wir übernehmen die Verantwortung für eine humanitäre Flüchtlingspolitik und für Flüchtlingsschutz. Das werden wir als grüne Fraktion im Landtag auch weiterhin tun. – Schönen Dank.

(Langanhaltender lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Klaus Kaiser [CDU]: Ihre Reden hier! – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Was heißt hier „weiterhin“? Das wäre was Neues! – Weitere Zurufe)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Düker. – Es gibt eine Kurzintervention von der Kollegin Güler von der CDU-Fraktion. Frau Düker, ich darf Sie bitten, den Platz am Redepult noch einmal einzunehmen, damit die Kurzintervention ordnungsgemäß abgearbeitet werden kann.

(Monika Düker [GRÜNE] begibt sich zum Redepult.)

Frau Kollegin Güler, Sie haben für Ihre Kurzintervention das Wort.

Serap Güler (CDU): Frau Düker, eigentlich schätze ich Sie,

(Zuruf von der SPD: „Eigentlich“? – Oh!)

auch Ihre Arbeit als flüchtlingspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion. Aber heute waren Sie nicht die flüchtlingspolitische Sprecherin, heute waren Sie nur die empörungspolitische Sprecherin der Grünen in Bezug auf uns.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh!)

Ich finde es nicht nur beschämend, sondern ich finde es schäbig, dass Sie in Ihrer Rede komplett vom Versagen der Landesregierung abgelenkt und Nebenschauplätze aufgemacht haben. Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich bin mir auch ganz sicher, dass Sie diese Rede anders gehalten hätten, wenn ein CDU-Minister so versagt hätte.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin Düker, Sie haben eine Minute und dreißig Sekunden für die Antwort auf die Kurzintervention.

Monika Düker (GRÜNE): Frau Güler, ich stimme Ihnen zu: Ich hätte diese Rede hier anders gehalten, wenn Herr Laschet nicht hier so verlogenes Zeug von sich gegeben hätte.

(Langanhaltender lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU: Unglaublich! Unmöglich! Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von CDU und FDP – Minister Johannes Remmel: Scheint getroffen zu haben! Treffer war das! – Weitere Zurufe)

Vizepräsident Oliver Keymis: Als nächster Redner spricht für die Fraktion der Piraten der Fraktionsvorsitzende, Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Art. 1 des Grundgesetzes ist heute zu Recht schon mehrfach bemüht worden. Das möchte ich nicht wiederholen.

Die Aufnahme, Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen ist grundsätzlich eine staatliche Hoheitsaufgabe, und das nicht nur jetzt in Krisenzeiten. Sie liegt in der Hand von Bund, Ländern und Kommunen. Aber tut sie das wirklich?

Denn was wir gegenwärtig in den Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge erleben, kann auch unter der Überschrift „Willkommen im schlanken privatisierten Staat“ abgehandelt werden, so Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, CDU-Mitglied, in einem Interview im „ZDF-Morgen-magazin“ vom 28. dieses Monats. Wendt wies zudem deutlich auf das Kontrollversagen der Politik hin. Ich zitiere:

Wenn hoheitliche Aufgaben auf ein gewinnorientiertes Unternehmen übertragen werden, sind die Scheunentore weit geöffnet für Kriminelle, im Übrigen auch für Extremisten.

Nun kann man, wie ich finde, durchaus schlüssig argumentieren, dass Private hier schneller und auch flexibler sein können. Aber wenn man das konsequent zu Ende denkt, heißt das auch, dass die staatliche Kontrolle dieser Privaten noch schneller sein muss.

(Beifall von den PIRATEN)

Und das kann nur greifen, wenn entsprechend Kräfte vorgehalten und die aktuell steigenden Bedarfe vom verantwortlichen Ministerium auch antizipiert werden.

Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Minister Jäger. Was Sie wirklich aus dem Effeff können – das muss man Ihnen wirklich lassen –, ist, sich PR-technisch gut in Szene zu setzen. Sie haben sich ein paar tolle Sachen ausgedacht: Blitzermarathon, Rockeraufstand, Salafistenkampf. Sie stellen sich immer als der harte Hund, der zupackende Macher dar. Und so manch einer hat Ihnen das vielleicht auch abgenommen.

In Ihren martialischen Auftritten im Lande, aber auch hier im Plenum haben Sie unsere sehr konkreten Forderungen zur Erstaufnahme, ja zur Asylpolitik im Allgemeinen stets vom Tisch gewischt. Und jetzt fällt Ihr Kartenhaus in sich zusammen.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die abscheulichen, übrigens im Internet geborenen Vorfälle in Burbach und anderswo zeigen deutlich, dass Sie Ihr Haus und dessen Verantwortlichkeiten nicht im Griff haben. Warnungen zu Zuständen, die Ihnen nicht passen, werden nicht einmal angehört. Sie hätten sich mal lieber um Blitzermarathons bei den privaten Sicherheitsfirmen kümmern sollen!

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Immerhin hat die Dortmunder Ordnungsdezernentin erst vergangene Woche auf die hoffnungslos überfüllten Aufnahmeeinrichtungen aufmerksam gemacht und wurde von Ihnen postwendend mundtot gemacht mit der Begründung,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: So ist das! Das ist der Demokrat da vorne!)

solche Aussagen stünden ihr nicht zu. – Da hätten Sie mal genauer hinhören sollen, aber das ist ja nicht jedermanns Stärke.

Aber auf die Spitze treibt es Ihre Aussage vom letzten Dienstag. Sie gaben auf der Pressekonferenz mit Herrn Bollermann zu verstehen, dass es sich bei den Vorgängen aus Ihrer Sicht um das Werk einzelner Krimineller handele. – Diese Aussage ist wirklich schwer zu ertragen, denn sie ist eine Verhöhnung der Betroffenen.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

In Wirklichkeit handelt es sich hier um politisch zu verantwortende Systemfehler, Systemfehler, für die Sie und die Landesregierung die politische Verantwortung tragen, Systemfehler, auf die vorher mehrfach hingewiesen wurde, unter anderem auch von uns Piraten.

Eine Aufbereitung der Vorfälle sollte mit einer ehrlichen Analyse beginnen. Aber das scheinen Sie, Herr Minister, bedauerlicherweise nicht tun zu wollen. Was machen Sie stattdessen? – Sie machen weiter im Modus Ihrer PR-Politik, mit einer zehnköpfigen Taskforce gegen die Missstände im System und in den 19 Aufnahmeeinrichtungen.

In alten Westernfilmen kommt die Kavallerie aus dramaturgischen Gründen immer fünf vor High Noon, aber sie kommt. Ihre vollmundig angekündigte Taskforce hingegen kommt zu spät, viel zu spät.

(Beifall von den PIRATEN)

Und noch einmal: Sagen Sie nicht, es hätte keine Warnungen gegeben.

Das ehrliche Bedauern – das gilt für Sie und auch für Frau Ministerpräsidentin –, Ihre Betroffenheit, Ihre Beschämung, das kaufe ich Ihnen ab. Aber Bedauern und Betroffenheit ersetzen eben nicht aktive und vorausschauende Verantwortung! Und sie ersetzen darüber hinaus auch nicht die Notwendigkeit eines ganz grundsätzlichen Paradigmenwandels in der deutschen und der nordrhein-westfälischen Flüchtlingspolitik! Und der grüne Umfaller Kretschmann in Baden-Württemberg ist da auch nicht hilfreich!

(Beifall von den PIRATEN)

Von moralisch- ethischen Bekenntnissen haben die schwer traumatisierten Betroffenen nämlich nichts. Das bitte ich zu bemerken. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul.

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich gerne eine Bemerkung machen. Wir waren uns im Präsidium eben einig, Frau Kollegin Düker, dass der Begriff „verlogenes Zeug“ nicht dem parlamentarischen Brauch entspricht, um den Redebeitrag eines Kollegen zu qualifizieren.

(Beifall von der CDU)

Ich bitte, das als Mahnung des Präsidiums zur Kenntnis zu nehmen.

Als nächste Rednerin rufe ich für die SPD-Fraktion Frau Wagener auf.

Tanja Wagener (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Abu Ghuraib im Siegerland, in meinem Wahlkreis! Burbach, Bad Berleburg, beide im Kreis Siegen-Wittgenstein liegend, und Essen sind in aller Munde – eine traurige Berühmtheit. Das politische Krisenmanagement hat stattgefunden bzw. findet noch statt. Es wurde am Freitag sehr schnell gehandelt. Ich danke dafür. Die jetzt ergriffenen Maßnahmen helfen, eine Wiederholung zu vermeiden. Es wird gegengesteuert.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie wäre die Debatte hier wohl verlaufen, hätten heute hier im Saal Opfer gesessen? Ich glaube, sie wäre zumindest angemessener gewesen. Und was würde ich, was würden wir den Opfern der Taten in Burbach sagen, wenn sie jetzt hier wären? Was würden wir einem Menschen sagen, der in einer Einrichtung des Landes gezwungen wurde, sich in sein Erbrochenes zu legen?

Ich könnte ihm sagen: Es waren die Taten von Einzelpersonen, die an dieser sensiblen Schnittstelle in einer Flüchtlingseinrichtung nichts zu suchen hatten. Wir schaffen gerade Standards, damit so etwas nicht mehr vorkommt.

Ich könnte sagen: Das Land, die Bezirksregierung, die Einrichtungsbetreiber, sie alle waren organisatorisch und personell nicht eingestellt auf einen so großen Flüchtlingsandrang.

Ich könnte darauf hinweisen, dass wir mit gleich zwei landeseigenen Flüchtlingseinrichtungen im Kreis Siegen-Wittgenstein einen überproportional hohen Beitrag leisten, um den immer stärker werdenden Zustrom an Flüchtlingen aus allen Krisengebieten in der Welt in den Griff zu bekommen.

Herr Laschet, in meinem Wahlkreis gibt es bislang keine Rücktrittsforderungen gegenüber Herrn Innenminister Jäger – trotz dieser enormen Belastungen, die wir dort tragen. Es wird auch nicht als Unzumutbarkeit empfunden, dass wir dort zwei Einrichtungen haben.

Ich könnte auf die ungebrochene, große Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger unseres Kreisgebietes hinweisen, die mit Sachspenden und einer ganzen Reihe von ehrenamtlichen Initiativen vor Ort versuchen, die schwierige Lebenssituation der ständig wechselnden Nachbarn zu verbessern.

Und ja: Auch vor Ort gab und gibt es Skepsis und Vorbehalte in Teilen der heimischen Bevölkerung, die Sorge einer auch hier im Parlament vertretenen Partei vor einem signifikanten Anstieg der Kriminalität in Burbach, aber auch Medien, die in zweifelhafter Weise diese Themen aufgegriffen haben, Händler, die Ladendiebstähle fürchten, und dumpfe rechte Parolen nicht nur bei Facebook. Bis zu 800 Flüchtlinge aus zwölf bis 15 Herkunftsländern in einem ländlich gelegenen Raum von 15.000 Einwohnern in Burbach – das birgt Konflikte.

An dem Punkt „Sicherheit“ waren wir als Politik vor Ort, waren sensibilisiert und haben Flagge gezeigt. Ich frage mich, ich frage uns: Waren wir dabei zugleich genügend aufmerksam, was die Unterbringungsbedingungen der Flüchtlinge angeht?

Die aktuelle Stimmung im Siegerland – eben wurde verlangt, es sollte zu Burbach geredet werden, und jetzt mache ich es – ist eine bedrückte, stille Fassungslosigkeit – Siegen, Siegerland und Wittgenstein gleich Abu Ghuraib.

Ich könnte sagen: Die Kontrolle hat versagt, obwohl sie gerade dann besonders gefordert ist, wenn hoheitliche Aufgaben auf private Dienstleister übertragen werden.

Ich könnte sagen, dass wir mehr Unterkünfte brauchen, dass eine Überbelegung wie in Burbach nicht akzeptabel ist. Räumliche Enge, unterschiedlichste Ethnien, Nationalitäten, Religionen, die Trennung von Familien – all das erhöht den Druck in den Einrichtungen.

Aber werden wir hier als Abgeordnete nicht ganz schnell ruhig, wenn bei der Standortsuche der eigene Wahlkreis ins Gespräch kommt?

(Beifall von der SPD – Frank Herrmann [PIRATEN]: Ich hoffe, nicht!)

– Ich hoffe es auch nicht. Wir haben zwei.

War es für uns alle nicht einfacher, davon auszugehen, dass insbesondere die Bezirksregierung in Arnsberg mit der Aufnahme von Tausenden von Flüchtlingen klarkommt?

Ich könnte sagen: Ich wünschte mir, die Oppositionsparteien würden die tragischen Ereignisse im Kreis Siegen-Wittgenstein und anderswo nicht für parteipolitisches Gerangel nutzen. Es wird in der Bevölkerung nicht honoriert. Ich denke, es ist dem Ernst der Lage und der Tragik dessen, was geschehen ist, nicht angemessen.

Ich habe mich gefreut, dass der Kollege Jens Kamieth uns angeboten hat, vor Ort ein gemeinsames Zeichen fraktionsübergreifend, parteiübergreifend zu setzen. Das können wir gerne tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das könnte ich den Opfern sagen, und dennoch hätte ich das Gefühl, es reicht nicht.

Deshalb würde ich wohl nur vier Worte sagen in der Hoffnung, dass sie sie mir glauben können: Es tut uns leid. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Wagener. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Laschet, Sie hatten vorhin in Ihrer Rede bemerkt, dass das, was die Bezirksregierung Arnsberg nun als Standards für die karitativen Organisationen wie Deutsches Rotes Kreuz und Malteser, aber auch für private Betreiber von Asylunterkünften vereinbart hat, doch völlig normal sei. Das sei eine Selbstverständlichkeit.

Herr Laschet, ich gestehe Ihnen zu: Man kann nicht so tief in einem Thema drin sein, dass man alle Facetten durchleuchtet. Ich meine das wirklich ernst. Die Frage von Sicherheitsstandards und Sicherheitsüberprüfungen von Sicherheitsangestellten ist in der Tat kompliziert.

Das, was da vereinbart ist, ist das genaue Gegenteil einer Selbstverständlichkeit, Herr Laschet. Ja, die Gewerbeordnung schreibt vor, dass eine Zuverlässigkeitsprüfung stattfinden muss. Ja, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen müssen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

Herr Laschet, ich beschreibe das Bild nur. Ich will es nicht noch einmal zeigen. Aber der Täter, der dem Menschen, der bäuchlings auf dem Boden liegt, den Fuß auf den Kopf stellt, hat ein lupenreines polizeiliches Führungszeugnis, obwohl er wegen verschiedener Straftaten zuvor in Erscheinung getreten ist. Das ist die Lücke.

Denn ein polizeiliches Führungszeugnis erfasst nur die Dinge von mehr als 100 Tagessätzen, zu denen ein Täter rechtskräftig verurteilt worden ist. Verdachtspunkte, Anhaltspunkte – so gravierend sie sein mögen – bleiben bei diesem polizeilichen Führungszeugnis unbeachtet. Deshalb können sich solche Menschen unter dieses Personal von Sicherheitsunternehmen mischen.

Was tun wir jetzt? – Wir tun nichts Selbstverständliches, Herr Laschet, ganz im Gegenteil. Wir tun etwas, von dem ich glaube, dass meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern das mit großem Interesse verfolgen. Wir werden jetzt jedem einzelnen derjenigen,

(Zuruf von der FDP: Jetzt!)

die durch Sicherheitsunternehmen in Flüchtlingseinrichtungen beschäftigt werden, abverlangen, dass er sich freiwillig dazu bereit erklärt,

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Freiwillig verlangen! Super Idee!)

durch Polizei und Verfassungsschutz sicherheitsüberprüft zu werden.

Was bedeutet das? – Das bedeutet ganz konkret – ich habe hier den Erlass, und ich möchte Ihnen aus diesem Erlass zitieren –: Eine Unbedenklichkeit kann insbesondere nicht bescheinigt werden, wenn die betroffene Person aufgrund von tatsächlichen Anhaltspunkten als nicht geeignet anzusehen ist.

Herr Laschet, einen solchen Standard gibt es nirgendwo in Deutschland. Der ist nicht selbstverständlich, im Gegenteil. Ich hoffe – ich habe gestern mit dem Bundesinnenminister vereinbart, dass wir uns in der übernächsten Woche zusammensetzen – und ich glaube, dass viele oder möglicherweise sogar alle anderen Bundesländer diesen Standard zukünftig übernehmen, weil wir ausschließen müssen, dass sich in solchen sensiblen Einrichtungen Kriminelle unter dieses Personal mischen. Das müssen wir ausschließen.

Zweitens. Herr Laschet, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie in Burbach waren. Ich begrüße das noch einmal ausdrücklich, und ich würde mich freuen, wenn mehr Abgeordnete häufiger das Recht in Anspruch nähmen, eine solche Einrichtung zu besuchen. Ich glaube nämlich, dass ein solcher Perspektivwechsel in der Politik immer erfreulich ist.

Herr Laschet, Sie haben gesagt, Sie hätten sich darüber gefreut, dort gewesen und von Herrn Bollermann begleitet worden zu sein, und dass Sie aus meinem Büro angerufen worden seien. – Herr Laschet, wir haben aus der Presse erfahren, dass Sie Burbach besuchen möchten.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Wir haben Herrn Bollermann gebeten, zu Ihnen zu fahren und Sie dort zu treffen, und wir haben uns durch dieses Telefonat vergewissert, ob das, was in der Presse steht, nämlich dass Sie diese Einrichtung besuchen und auch Begleitung durch fachkundiges Personal haben wollen, tatsächlich stimmt. Herr Laschet, nur eine Bitte: Man kann uns so etwas auch direkt mitteilen. Man muss es nicht über die Presse tun.

(Armin Laschet [CDU]: Das wurde doch angekündigt! Bei Ihnen geht doch alles drunter und drüber! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Laschet, nach dem, was ich höre, hat auch das Präsidium im Plenum von Ihrer Anwesenheit nur aus der Presse erfahren. Kommunikation wäre da besser.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Wenn Sie sich weniger um die Formalien und mehr um die Sicherheit der Leute kümmern würden!)

Herr Laschet, der dritte Punkt ist, dass Sie aus der „Süddeutschen Zeitung“ zitiert haben, wonach der Bürgermeister von Burbach, Herr Ewers, bereits im August auf Probleme mit dieser Sicherheitsfirma hingewiesen habe. – Ich will das jetzt nicht mehr lange erläutern, und ich will auch nicht begründen, warum das nicht zutrifft.

Herr Laschet, nehmen Sie zur Kenntnis, dass mein Haus und Bürgermeister Ewers zurzeit eine Pressemitteilung abstimmen, weil er in diesem Zusammenhang von Ihnen nicht als Kronzeuge diffamiert werden will und diese Behauptung zurückweist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich habe vorhin die Zahlen genannt: 40.000 Menschen nehmen wir in diesem Jahr auf. Das entspricht der Einwohnerzahl von Kaarst oder Ahaus.

(Zuruf von der FDP)

40.000 nehmen wir in einer Situation auf, die dadurch gekennzeichnet ist – meine Damen und Herren, da bitte ich um Aufmerksamkeit –, dass wir die Aufnahmekapazitäten in unseren Landeseinrichtungen seit 2011 verdreifacht haben. Trotzdem reicht es nicht.

Ich habe vorhin deutlich gemacht, wo die Ursachen liegen. Das hat mit den unglaublichen Flüchtlingsströmen aus Syrien und dem Irak zu tun. Herr Laschet, wir haben die Einrichtungskapazitäten verdreifacht. Trotzdem reicht es nicht. Trotzdem bringen wir die Flüchtlinge nicht, wie in Bayern oder in Hamburg, in Zelten unter.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Jedes Bundesland betrachtet es als eine Herausforderung, so viele Menschen aufzunehmen und unterzubringen. Das tun wir hier auch. Herr Laschet, wir erwarten an diesem Wochenende ganz konkret weitere 800 bis 1.000 Menschen. Wir versuchen händeringend und arbeiten daran, sie ordentlich unterzubringen. Das ist eine echte Herausforderung, und dabei bitte ich um politische Unterstützung.

Herr Laschet, zu der will ich jetzt kommen. Frau Düker hat die Bürgermeister einzelner Städte zitiert, die sich gegen die Einrichtung von Landesaufnahmestellen für Flüchtlinge aussprechen. Das tun sie. Als CDU-Landesvorsitzender haben Sie möglicherweise keinen unmittelbaren Einfluss darauf; das kann ich verstehen. Ich kann auch gelegentlich Bürgermeister verstehen, die, um ihre Wiederwahl ringend, andere Positionen einnehmen. Aber, Herr Laschet, da, wo Sie einen unmittelbaren Einfluss auf Ihre eigene Fraktion haben, bitte ich Sie in der Tat um Redlichkeit und Wahrheit in Ihren Worten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet, ich sage es einmal ganz konkret: Die Stadt Essen möchte eine größere Erstaufnahmeeinrichtung für das Land errichten. Es gibt einen Oberbürgermeisterkandidaten, Ihren Fraktionskollegen Kufen, der sagt: Das geht nicht; das ist ein Filetgrundstück, da muss ein Hotel drauf. – Er sagt noch viel mehr: Außerdem ist das Gesetz über sichere Herkunftsländer beschlossen worden. Die Flüchtlingszahlen werden deutlich heruntergehen; wir brauchen solche Einrichtungen nicht.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Herr Laschet, ich bitte Sie, der schon den Fehler gemacht hat, Unna-Massen zu schließen, auf Ihren Fraktionskollegen Kufen dahin gehend einzuwirken, dass er die Errichtung einer Landesaufnahmestelle in Essen nicht länger blockiert. Jetzt stehen Sie in der persönlichen Verantwortung, dass dies auch geschieht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In meinem Geschäftsbereich arbeiten 65.000 Menschen engagiert und gut. Sie machen gute Arbeit. Aber jeden Tag machen diese Menschen auch Fehler.

(Armin Laschet [CDU]: Auch der Minister!)

– Auch der Minister. Jeder Mensch macht nämlich Fehler, Herr Laschet.

(Zurufe von der CDU)

Um es deutlich zu sagen: Für die Fehler meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehme ich keine Verantwortung, diese Verantwortung habe ich. Mir ist wichtig, dass wir in meinem Geschäftsbereich eine Fehlerkultur haben, die da lautet: Nichts wird unter den Teppich gekehrt. Fehler darf man machen, aber sie müssen klar benannt werden. Aus Fehlern sind Lehren zu ziehen, Fehler sind abzustellen,

(Christof Rasche [FDP]: Konsequent!)

und es ist alles dafür zu tun, dass solche Fehler möglichst nie wieder passieren, Herr Laschet. Das ist meine Philosophie von Verantwortung. Noch einmal: Ich übernehme die Verantwortung nicht, ich habe sie – immer und für alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Dann ziehen Sie die Konsequenzen!)

Letzter Punkt. Herr Paul, was meinen Disput mit Frau Jägers, Ordnungsdezernentin in Dortmund, angeht: Sich mit der Thematik „Flüchtlingsaufnahme und Flüchtlingsunterbringung“ täglich zu befassen – das mache ich im Rahmen meiner Tätigkeit zum Teil, und das tun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von mir den ganzen Tag. Frau Jägers als Ordnungsdezernentin in Dortmund macht das ebenfalls jeden Tag. Sie ist als Ordnungsdezernentin dafür verantwortlich, dass die Flüchtlinge dort nicht obdachlos werden.

(Christof Rasche [FDP]: Das ist eine Landesaufgabe!)

Herr Paul, ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin froh, dass wir in diesem Land trotz der internationalen Lage eine solch hohe Akzeptanz bei den Menschen dafür haben, hier Flüchtlinge aufzunehmen, auch wenn das eine unglaubliche Herausforderung ist. Ich bin sehr froh darüber, dass wir im Jahr 2014 nicht mehr eine Diskussion wie in den 90er-Jahren haben, mit Begriffen wie: „Das Boot ist voll“, „Flüchtlingsschwemme“, „Asylanten“, „Asylmissbrauch“. Das müssen wir bewahren. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Akzeptanz bleibt.

Dann erwarte ich aber auch von den politisch Verantwortlichen eine Rhetorik, die dem gerecht wird. Ein Zitat wie „Das System kollabiert“ ist dieser Situation nicht angemessen.

Jeder, der Verantwortung trägt, muss besonnen arbeiten und muss sich in der Öffentlichkeit auch besonnen verhalten.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sie haben die Verantwortung im Land! Das ist unglaublich! Das Land hat die Verantwortung für die Unterbringung! – Weitere Zurufe)

– Herr Stamp noch einmal. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Jeder, der politische Verantwortung hat, muss vermeiden, dass in diesem Land eine Boot-ist-voll-Stimmung entsteht. Und das, Herr Stamp, erwarte ich auch von einer Frau Jägers. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Als nächster Redner hat sich für die FDP-Fraktion Herr Lindner, Fraktionsvorsitzender, gemeldet. Bitte schön, Herr Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In Nordrhein-Westfalen wird Menschen, möglicherweise in der schwersten Stunde ihres Lebens, die Würde genommen – im Verantwortungsbereich der Landesregierung. In dieser Situation stellt sich der Innenminister dieses Landes hin und pumpt sich auf, wie wir es gerade bei seinem letzten Redebeitrag erlebt haben.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Der Landtag ist selten Zeuge einer solchen Rede geworden, in der der Innenminister Nordrhein-Westfalens trotz der Menschenrechtsverletzungen, die es in Einrichtungen im Land Nordrhein-Westfalen gibt, Nordrhein-Westfalen auch für die Zukunft noch als Vorbild für die Standards zur Begleitung von Flüchtlingen herausstellt.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Das muss man sich vorstellen. Es hat ein eklatantes Organisationsversagen in Ihrem Verantwortungsbereich gegeben, Herr Jäger.

(Zuruf von der CDU: Ziehen Sie die Konsequenzen!)

Man hätte – das hat die Debatte gezeigt – viel früher wissen können, welche Defizite es gibt, welche Mängel bestehen. Das hat Sie alles nicht interessiert. Stattdessen stellen Sie sich hier vor den Landtag in der Weise, wie wir es gerade erlebt haben. Das ist ein bemerkenswertes Beispiel gleichermaßen für die Weigerung, die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen, wie für die Verweigerung der politischen Verantwortung, Herr Jäger. Die liegt nämlich bei Ihnen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Und zu diesem Organisationsversagen ist es offensichtlich auch deshalb gekommen, weil Sie aus dem Innenministerium eine persönliche PR-Maschine gemacht haben.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben Zeit und Kapazität für alles Mögliche, aber offensichtlich nicht für das Kerngeschäft.

(Regina Kopp-Herr [SPD]: Finden Sie das nicht unwürdig?)

Dafür, Herr Jäger, hätten wir von Ihnen wenigstens ein Stück Demut hier heute erwartet, gerade von Ihnen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Gerade von Ihnen, weil wir von Ihnen in Ihrer Zeit als Abgeordneter auf der Seite der Opposition – wir sind sportlich in der Auseinandersetzung hier im Haus – immer erlebt haben, wie Sie rücksichtslos, brutal, auch unter der Gürtellinie Regierungsmitglieder früherer Kabinette angegriffen haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und den Maßstäben werden Sie hier nicht gerecht.

In der Tat, die heutige Opposition hat einen anderen Stil, als Sie ihn damals gepflegt haben. Deshalb fordern wird Ihren Rücktritt nicht. Aber, Herr Jäger, wenn Sie in dieser Lage im Amt bleiben, dann wirft das einen Schatten auf Ihren Charakter. Wenn Sie noch einen Funken Ehre im Leib haben, dann stellen Sie Ihr Amt zur Verfügung

(Beifall von der FDP und der CDU)

und machen das, wozu Sie andere immer aufgefordert haben, selbst.

Zum Schluss: Frau Ministerpräsidentin, dass Sie in dieser Debatte, zumindest bislang, noch nicht das Wort ergriffen haben, das ist auch ein ganz deutliches Signal. Sie sprechen immer mit großer Emphase davon, kein Kind solle zurückgelassen werden. Sie wollen in Nordrhein-Westfalen jeden Tag ein neues sozialpolitisches Leuchtfeuer entzünden, das die ganze Republik wärmen soll. Und dann in dieser Lage sagen Sie nichts, übernehmen keine Verantwortung, sondern laden es ab beim Innenminister, bei Ihrer Fraktion. Das zeigt, Frau Ministerpräsidentin: Die soziale Fassade der Hannelore Kraft ist umgefallen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lindner. – Als nächster Redner ist für die Piratenfraktion Herr Kollege Herrmann angekündigt. Bitte schön.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben wir nicht schon alles für ein Hin und Her gehört. Aber eines hat noch keiner gefragt, nämlich warum wir uns erst heute mit diesem Thema beschäftigen und nicht schon gestern, am ersten Plenartag. Hatte vorher niemand Zeit, oder wollten Sie warten, bis der Skandal vielleicht vorbei ist? Ich denke, so schnell geht das nicht.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Entschuldigung Frau Kraft, zu Ihrem Einwurf, die Unterrichtung vom Ministerium war für heute angemeldet: Das hätten wir aber auch gestern machen können.

Es ist für mich immer noch schwer vorstellbar, dass die Bilder mit den am Boden liegenden Menschen gerade einmal 100 km von hier, vom Landtag entfernt, aufgenommen worden sind. Das ist eine Schande für Nordrhein-Westfalen. So etwas dürfte es hier nicht geben. Wir müssen alles dafür tun, dass das nie wieder passiert.

(Beifall von den PIRATEN)

Damit kommen wir direkt zu einem Kernpunkt dieser Debatte, nämlich Verantwortung und Verpflichtung. Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier im Landtag Nordrhein-Westfalen über Verantwortung sprechen. Sehr oft wird dann mit dem Finger auf die anderen gezeigt, die anderen Parteien, Fraktionen, auf den Bund, die Kommunen, private Unternehmen oder sogar die ganze Gesellschaft. Das führt dann dazu, dass Verantwortung hin- und hergeschoben wird und schließlich gar nicht mehr wahrgenommen wird. Herr Körfges, Sie haben einige exemplarische Beispiele dafür geliefert, Herr Minister ebenfalls.

Nun betrifft es eine ganz besonders schutzbedürftige Gruppe von Menschen. Das Ausmaß der Verantwortungslosigkeit ist erschreckend. In Burbach war es anscheinend an der Tagesordnung, dass Schutzbefohlene gequält, vernachlässigt, misshandelt und gedemütigt worden sind. – So ist der Informationsstand im Moment.

Um es klar und deutlich zu sagen: Die Misshandlungen werfen wir den Wachleuten vor. Aber die Vernachlässigung oder gar Schlimmeres – es kommt ja nur ein kleines Stückchen heraus – werfen wir der Landesregierung und den Verantwortlichen vor. Und wenn die Polizei und Beamte des Ministeriums oder der Bezirksregierung Arnsberg tatsächlich vorher etwas von den Vorfällen wussten, dann müssen die Verantwortlichen gehen, und zwar sofort. Alles andere wäre unerträglich.

(Beifall von den PIRATEN)

Unerträglich sind aber auch die Zustände in den Landesaufnahmeeinrichtungen. Für diese Zustände tragen Sie, meine Damen und Herren, die Verantwortung. Ich meine damit nicht nur die Landesregierung in der Person von Herrn Jäger – das haben Sie richtig gehört –, auch der Landtag NRW hat versagt.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Dass die Flüchtlingszahlen steigen, die Zahl der Kriege und Krisenherde zunimmt, wissen wir nicht erst seit gestern. Das Land ist aber gesetzlich verpflichtet, die zugewiesenen Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen. Und es hat sich darauf nicht ausreichend vorbereitet. Ich würde sagen: Es hat sich fast gar nicht darauf vorbereitet.

Hier im Landtag ist seit mehr als zwei Jahren bekannt, dass die Flüchtlingsaufnahme in ganz NRW in einer Krise steckt. Das wurde im Plenum, in Ausschüssen, Veranstaltungen, Zuschriften, Positionspapieren, Anträgen, Briefen, Anhörungen und informellen Runden thematisiert. Jeder Abgeordnete in diesem Haus war informiert. Ich würde sagen: Sie sind sehenden Auges in die Katastrophe gesteuert.

Hier nun auch noch den Eindruck eines rasanten, überraschenden oder gar nicht zu bewältigenden Anstiegs von Flüchtlingszahlen zu kolportieren – was wir einige Male gehört haben –, das ist mehr als armselig, es ist zudem auch noch gefährlich, und es fördert Ressentiments.

(Beifall von den PIRATEN)

Nein, unsere Fraktion zähle ich nicht dazu. Wir haben eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme mit verbindlichen Standards und Kontrollen und dezentraler, humaner Unterbringung gefordert. Wir fordern seit einem Jahr die Offenlegung aller Verträge und Vereinbarungen mit den Betreibern der Einrichtungen. Und wir forderten bereits im letzten Jahr mehr Personal für das Ministerium und die Bezirksregierung Arnsberg, damit das alles umsetzbar ist. Aber erst jetzt genehmigt der Herr Minister 23 Stellen. Das ist viel zu spät.

In einem Interview mit der „Tagesschau“ am Montag erklärte Kay Wendel, der im Auftrag von Pro Asyl eine umfangreiche Studie zur Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland veröffentlicht hat, Folgendes – ich zitiere –:

„Es gab von Politikern in NRW und in Brandenburg in der letzten Zeit Aussagen, dass angesichts des angeblichen Unterbringungs­notstands Mindeststandards nicht mehr berücksichtigt werden könnten, die könne man sich jetzt nicht mehr leisten.“

Ich weiß übrigens, welche Politiker aus NRW gemeint sind. Belege dafür finden der interessierte Mensch in den Plenarreden und Ausschussprotokollen der letzten Jahre.

Herr Wendel führte weiter aus – ich zitiere noch mal mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Insofern ist es auch kein Wunder, dass Misshandlungsfälle jetzt auftreten und unseriöse Betreiber oder outgesourcte Wachschutzfirmen sich so etwas leisten.“

Das ist, wie ich finde, eine deutliche Warnung!

Meine Damen und Herren, unserer Meinung nach hätte die Misshandlung von Flüchtlingen in den Flüchtlingsunterbringungseinrichtungen durch die Landesregierung verhindert werden können. Es gab genug Hinweise. Und ob die Polizei oder der Bürgermeister vorher informiert war, das wird sich noch herausstellen.

Der Bericht über die aktuelle Situation in den Einrichtungen aus dem letzten Innenausschuss am 18. September wurde schon erwähnt. Den hatten wir bestellt; ich muss das leider noch mal betonen. Vor genau zwei Wochen also hatten Herr Jäger und seine Beamten den Auftrag, die aktuelle Situation aufzuarbeiten. Von den jetzt bekanntgewordenen Zuständen ist im Bericht und in den Erklärungen im Ausschuss aber kein Wort zu finden. Im Gegenteil: In der Sitzung und im Bericht wurde lediglich stark beschwichtigt, sämtliche Kritik vom Tisch gewischt. Nun ist offensichtlich, dass die Opposition belogen wurde oder das Ministerium völlig ahnungslos war. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Wir werden das auf jeden Fall aufklären müssen.

Dass die Kritik, das System der Aufnahme sei kollabiert, von Ihnen, Herr Jäger, in der Sitzung harsch zurückgewiesen wurde, ist umso krasser, weil damals sogar Busse mit Flüchtlingen unangemeldet und unversorgt nach Hessen in die dortige Aufnahme verschleppt wurden. Das haben wir damals angesprochen, und ich weiß ehrlich gesagt nicht, welches andere Wort man nehmen sollte als „kollabiert“. Sie hätten spätestens da handeln müssen, Herr Jäger. Das haben Sie nicht getan.

Im Übrigen haben wir vor zwei Wochen ebenfalls vorgeschlagen, dass sich der Innenausschuss ein eigenes Bild von den Aufnahmeeinrichtungen macht. Das wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Vor zwei Wochen!

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Unglaublich! – Weitere Zurufe von den PIRATEN: Aha! Oho!)

Wir müssen also festhalten: Die Opposition war falsch oder gar nicht informiert. Die Landesregierung und Abgeordnete von SPD und Grünen beschwichtigen und beschönigen die Situation immer wieder.

Ich finde all das sehr bemerkenswert, vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass nach dem Zusammenbruch der Landesaufnahme in Dortmund vor anderthalb Jahren, im Herbst 2012, eine Riesenprojektgruppe eingerichtet wurde.

Im Mai dieses Jahres hat sie einen Projektbericht zur Unterbringung von Asylbewerbern in NRW-Einrichtungen vorgelegt. Im Bericht steht nichts über Sicherheitsüberprüfungen oder mehr Aufsicht und Kontrolle. Aber es wird angekündigt, Aufnahmeeinrichtungen stärker als bisher in privatwirtschaftliche Hände zu geben, um die Aufnahme effizienter und wirtschaftlicher zu organisieren. Die Projektgruppe selbst gibt dazu zu bedenken, dass der Bericht eine administrative Handschrift trägt und die Perspektive von Flüchtlingen unterbelichtet erscheint. – Was für ein Hohn!

Wir erwarten, nein: wir verlangen, dass der Bericht gemeinsam mit Experten aus der Flüchtlingsarbeit komplett überarbeitet wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Projektgruppe hat für den Bericht übrigens ein ganzes Jahr gebraucht. In der Zeit haben sich die Flüchtlingszahlen nahezu verdoppelt. Für eine Verbesserung des Systems ist aber nichts passiert; man hat nur an dem Bericht gearbeitet.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Scheindebatte!)

Ist das vorausschauende Politik? Ich denke nicht.

Nun ist die Landesregierung auch noch in einen Misshandlungsskandal in den Aufnahmeeinrichtungen verwickelt. Solche Dinge stellt man sich nicht mal in Albträumen vor.

Die Vorfälle haben international für Schlagzeilen gesorgt. Burbach ist nun weltweit in einem Atemzug mit Guantanamo und Abu Ghraib genannt. So etwas haben auch wir uns niemals vorstellen können.

Die Betroffenheit der Landesregierung ist wohl durchaus glaubhaft. Doch wenn man darüber nachdenkt, fragt man sich: Sind diese Taten wirklich so unvorstellbar gewesen, dass niemand so etwas in einem Land hätte erwarten können, in dem ständig über angebliche Belastungen geredet wird, die durch Flüchtlinge entstehen, wo Asylsuchende immer noch weitgehenden Restriktionen ausgesetzt sind und wo einer großen Gruppe von Verfolgten per Beschluss pauschal der Flüchtlingsstatus aberkannt wird, indem die Herkunftsländer wider besseres Wissen als sicher erklärt werden?

Jetzt bräuchte es ein starkes Zeichen, damit dieser Makel der Fremdenfeindlichkeit nicht an uns haften bleibt.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber eben noch präsentierte Herr Minister Jäger seinen untauglichen Sieben-Punkte-Plan. Keiner der Punkte ist funktional geeignet, die Lage für die Flüchtlinge zu verbessern.

Es soll den Betreibern zukünftig untersagt werden, Subunternehmen für Security zu engagieren, Personal ohne Sachkundeprüfung und polizeiliches Führungszeugnis einzustellen. Eine obligatorische Sicherheitsprüfung durch Polizei sowie Verfassungsschutz soll nun erfolgen. – Ich bin übrigens gespannt, auf welcher Rechtsgrundlage dies geschehen soll.

Das soll der Plan sein? Wo bleibt das strukturelle Konzept?

Ich komme zum Schluss.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Es ist unglaublich, dass diese Prüfungen bisher nicht gemacht wurden. Gerade in diesem sensiblen Bereich hätte niemals passieren dürfen, dass dort solche Kriminellen, Nazis oder Gewalttäter eingesetzt werden. Frau Düker, Sie haben darüber bisher offensichtlich nicht nachgedacht. Das ist traurig. Da sie zu einer Regierungspartei gehören, ist das, wie ich finde, sogar ein Skandal. Und ob der Verfassungsschutz nun die geeignetste Stelle ist, Nazis auszusortieren, sei mal dahingestellt.

Herr Jäger, Sie haben es aber immer noch nicht verstanden. Es ist einfach per se unglaublich und völlig inakzeptabel, dass es bisher so war und anscheinend weiter möglich sein soll, dass sich Wachleute neben der Essensausgabe aufstellen, dass Wachleute in Uniform auf dem Gelände herumrennen und Menschen einschüchtern, dass Wachleute neben den Leitern oder Mitarbeitern der Betreiber stehen, während Flüchtlinge ihr Anliegen vorbringen.

Die Menschen, die hier Schutz suchen, suchen diesen nicht einfach so. Sie haben meist traumatische Erfahrungen gerade mit Personen in Uniform hinter sich. Diese Menschen brauchen kein Gefängnis. Dass man so etwas überhaupt diskutieren muss, macht mich einfach sprachlos.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss, bitte.

Frank Herrmann (PIRATEN): Ich komme zum Schluss, ja. – Wir brauchen Einrichtungen, die Menschen auffangen und ihnen Versorgung garantieren. Das Gefühl der Schutzlosigkeit muss ihnen genommen werden.

Stattdessen haben Sie ein System der Abschreckung etabliert, bei dem es anscheinend normal ist, Menschen, die nichts getan haben, mit Zäunen und Wachleuten weit draußen einzusperren. Das ist einfach widerlich. Und dass Ihr Sieben-Punkte-Plan daran nichts ändern wird, potenziert die Schande ins Unermessliche.

Herr Minister Jäger, wir fordern Sie auf, eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme im Land zu machen, damit wir baldmöglichst wieder menschenwürdige Zustände in den Unterbringungen haben und das Wort „Willkommenskultur“ nicht nur eine Prospektüberschrift bleibt. Vorschläge dazu haben wir bereits genug geliefert.

Ein letztes Wort zu unserem Eilantrag: Alle Forderungen, die hier erhoben wurden, stehen darin. Ich erwarte Ihre Zustimmung dazu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Jäger zu Wort gemeldet.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gerade von meiner Fraktionskollegin aus Essen, Frau Britta Altenkamp, darüber informiert worden, dass, Herr Kufen, CDU und SPD erfreulicherweise jetzt gemeinsam in Essen eine solche Landesaufnahmeeinrichtung planen und auch politisch betreiben wollen. Bei dem Zitat, das ich vorhin angeführt habe, handelt es sich also um ein älteres, das nicht mehr der Aktualität entspricht. – Dafür, Herr Kufen, herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Jäger. – Als nächster Redner spricht für die CDU-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Laschet.

Armin Laschet (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man nach dieser Debatte noch mal irgendwie hätte beweisen wollen, was für ein menschlicher Typ man ist, dann durch die letzten beiden Auftritte des Innenministers.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist eine bodenlose Unverschämtheit, in dieser Debatte, wo es um Ihr Versagen geht, einen Kollegen wie Thomas Kufen, der wie kein anderer in Integrations- und Flüchtlingsfragen engagiert ist, vor diesem Landtag so bloßzustellen! Und dann kommen Sie nur mit der läppischen Bemerkung: Nein, war doch nicht so. Er ist heute engagiert in dieser Frage. – Sie haben sich zu entschuldigen, Herr Minister! Treten Sie hier an dieses Pult!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die ganze Methodik dieses Menschen ist doch ... Jetzt wird der Bürgermeister in Burbach dazu gebracht, gemeinsame Erklärungen gegen die „Süddeutsche Zeitung“ abzugeben. Sie, Herr Staatssekretär, haben ihn gestern auch noch angerufen und haben ihm gesagt: Sagen Sie bloß nichts, was auf Organisationsversagen hinweist! – Mein Gott, kümmern Sie sich um die Sicherheitsdienste und nicht um Leute, die sich wie dieser Bürgermeister engagieren und helfen wollen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Einschüchterung, bedrohen, CDU beschimpfen und jetzt so tun, als wenn der Bundesinnenminister Ihre Ratschläge brauchte! Die anderen 15 Innenminister in Deutschland machen das besser als Sie! Sie haben die nicht zu belehren!

(Beifall von der CDU und der FDP)

„Wir stehen an der Spitze der Bewegung! Wir in Nordrhein-Westfalen haben die besten Vorschriften! Wir sind Vorbild, die anderen werden folgen! Ich als Vorsitzender der Innenministerkonferenz werde die jetzt dazu bringen, dass die mal so gut werden wie wir!“

Mein Gott! Wenigstens an einem Tag mal einen Hauch Demut!

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Das, was Sie machen, ist doch eine Selbstkarikatur. Das passt gar nicht zu diesem ernsten Teil.

(Zurufe von der SPD)

Es passt aber zu dem, wie Sie handeln. Da machen Sie Pressekonferenzen: Ich warne die Menschen vor Trickdieben! Mir passiert das nicht! Ich habe 3 Sicherheitsleute um mich herum! – Und in der Sekunde wird Ihnen das Handy gestohlen! Solch eine Klappe – und nichts tun! Solch eine Klappe!

(Beifall von der CDU)

Immer die gleiche Methode: Solch einen Mund, andere beschimpfen und sich nicht um das kümmern, was die Kernaufgabe eines Ministers ist!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich eine letzte, persönliche Bemerkung machen, Frau Kollegin Düker: Sie haben sich in Ihrer Rede zu 80, 90 % mit der CDU beschäftigt. Sie haben nicht – wie Sie das an anderen Orten getan haben – zum Tagesordnungspunkt und zu diesen schrecklichen Vorgängen gesprochen. Der Innenminister hat mehr über Flüchtlinge und das Schreckliche gesprochen, als Sie das in Ihrer Rede gemacht haben.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das sagt jemand, der gerade über Taschendiebstähle gesprochen hat! Eine Belehrung zur Tagesordnung!)

Ich sage Ihnen eines zur AfD: Ich war mit der flüchtlingspolitischen Sprecherin der Grünen, Frau Amtsberg, bei Maybrit Illner. Dort war auch der thüringische AfD-Vorsitzende. Wir haben gemeinsam ihn und seine Argumente entlarvt, ihn bloßgestellt. Ich werde – im Gegensatz zu manchem in der CDU – an jedem Ort, wo ich es kann, dieser europafeindlichen Truppe, dieser integrationsfeindlichen Truppe widersprechen! Das lasse ich mir auch von Ihnen nicht verbieten!

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Laschet. – Gibt es noch eine Wortmeldung? – Herr Minister Jäger hat sich für die Landesregierung noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Laschet, Sie haben gerade davon gesprochen, dass mein Haus den Bürgermeister von Burbach einschüchtern würde und wir jetzt gegen die „Süddeutsche Zeitung“ vorgehen würden. Herr Laschet, das haben Sie ausdrücklich – bewusst oder unbewusst – missverstanden.

Wir haben mit dem Bürgermeister in Burbach in den letzten Wochen mehrfach gesprochen – mein Staatssekretär und ich selbst beim Besuch einer Einrichtung in Bad Berleburg; mein Staatssekretär hat noch am Freitag mit ihm telefoniert; ich habe mit ihm am Sonntag telefoniert –, weil uns wichtig war, dass bei allen Schwierigkeiten, die wir auch bei der Unterbringung in Burbach und Bad Berleburg – was die Zahlen angeht – haben, der Bürgermeister über alle Vorgänge und Maßnahmen, die wir ergreifen, informiert ist.

Was der Bürgermeister zurückweist, das ist Ihre Darstellung, die Sie möglicherweise der „Süddeutschen Zeitung“ gestern entnommen haben, die aber längst überholt und in allen Medien nachlesbar ist, er habe in irgendeiner Weise einen Hinweis auf Risiken gegeben, die von dieser Sicherheitsfirma ausgehen. Das weist er zurück. Das ist auch richtig so, weil er das nie getan hat.

(Armin Laschet [CDU]: Ich habe doch gar nichts dargestellt!)

Herr Kufen, ich möchte mich bei Ihnen wirklich entschuldigen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich hatte keine Kenntnis davon, dass CDU und SPD in Essen jetzt gemeinsam etwas machen. Ich sage ausdrücklich: Das ist sehr gut. Und offensichtlich habe ich Sie hier auch falsch zitiert. Herr Kufen, dafür entschuldige ich mich!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Für die Landesregierung hat sich Frau Ministerpräsidentin Kraft zu Wort gemeldet.

(Erneut Zurufe von der CDU: Oh!)

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich auf die Einlassung des Kollegen der FDP zu Wort gemeldet.

Lieber Herr Fraktionsvorsitzender, wie Herr Kollege Laschet in seiner Rede ausgeführt hat, habe ich mich sehr früh und sehr deutlich zu diesen Vorgängen geäußert. Es mag Ihr Anspruch sein, dass ich dies auch im Landtag tue. Deshalb wiederhole ich das, was ich am Montagvormittag in meinem Statement gesagt habe, hier gerne noch einmal:

Wir werden jedem einzelnen Verdacht nachgehen. Natürlich wird strafrechtlich verfolgt, was bisher bekannt ist. Ich bin fassungslos, dass so etwas passieren kann, und ich schäme mich dafür, was den Menschen dort geschehen ist. Angesichts dieses Flüchtlingszustroms sind wir nicht in der Lage gewesen – offensichtlich! –, die Qualitätsstandards, die vorgegeben sind, einzuhalten. Und wir haben auch angesichts dieses Drucks die Kontrollen nicht ausreichend durchgeführt. Das werden wir umgehend ändern. – Ich habe auch deutlich gemacht, dass wir dafür die politische Verantwortung selbstverständlich tragen.

 (Zuruf von der FDP: Wo denn?)

So weit zu Ihrer Einlassung!

Herr Kollege Laschet, dass Sie gerade zum Schluss Ihrer emotionalen Einlassung in diese Geschichte das sogenannte Handygate hineinmischen – wie ich es heute auch lesen darf –, das den Innenminister betrifft, gibt mir die Gelegenheit, hier in aller Deutlichkeit Stellung dazu zu beziehen.

Was ist geschehen? – Der Kollege Innenminister hat eine Pressekonferenz gegeben. Dabei gibt es ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Politik. Auch ich lege, wenn ich Pressestatements gebe, Wert darauf, dass die mich umgebenden Sicherheitsbeamten nicht direkt neben mir stehen. Diese Menschen machen eine verdammt gute Arbeit, und die lasse ich von niemandem in den Dreck ziehen! Um das in aller Deutlichkeit zu sagen!

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei aller Freude an Satire: Dass dort jemand eingeführt wird in eine solche vertrauliche Situation, in ein Miteinander von Politik …

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Zur Sache!)

– Ich reagiere auf das, was der Kollege gesagt hat. Das muss hier auch möglich sein. Wenn Sie das nicht interessiert, können Sie gerne den Saal verlassen.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn jemand als Mitarbeiter einer …

(Unruhe – Glocke)

Wenn jemand in eine solche Presserunde eingeführt wird als scheinbar technischer Mitarbeiter eines Senders hier aus Nordrhein-Westfalen, dann verändert das das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Politik. Meine Sicherheitsbeamten haben große Sorgen, denn sie wissen nicht, wie sie in Zukunft mit solchen Situationen umgehen sollen.

Lieber Herr Golland – Sie haben dazu ja sogleich eine parlamentarische Anfrage gestellt –: Auch das ist der Sicherheit in diesem Land und der Sicherheit der verantwortlichen Personen nicht dienlich. Das wollte ich nur sagen.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Es gibt eine Kurzintervention, Frau Ministerpräsidentin, von Herrn Dr. Paul, der sich dazu bitte an seinem Platzmikrofon eindrückt. – Bitte schön, Herr Dr. Paul: 1:30 Minuten für Ihre Intervention.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerpräsidentin, Ihre Betroffenheit und das alles kommt rüber. Aber in einem Punkt muss ich Ihnen wirklich widersprechen: Es hat nichts mit den Zahlen zu tun. Das ist ein Systemfehler in der Organisation der Flüchtlingspolitik in Deutschland.

Wenn den vollmundigen Worten hier im Plenum – das richtet sich jetzt nicht nur an Sie – wirklich Taten folgen sollen, dann stimmen Sie einfach unserem Eilantrag zu. Wir meinen das ernst. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerpräsidentin, bitte schön.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Der Kollege Innenminister hat nicht nur Sofortmaßnahmen ergriffen, sondern wir werden uns auch mit Fragen dieses Systems beschäftigen, wie er in seiner Berichterstattung ausgeführt hat. Außerdem werden wir uns gemeinsam mit den Flüchtlingsverbänden, den kommunalen Spitzenverbänden, den kirchlichen Vertretern in diesem Land damit beschäftigen. Wenn es dort Verbesserungsbedarf gibt, dann werden wir das gemeinsam anpacken. Ich verschließe nicht die Augen vor solchen Erfahrungen, die uns geschildert werden. Das habe ich auch in der Vergangenheit nicht getan.

Ich freue mich darauf, dass wir gemeinsam versuchen, die Situation der Flüchtlinge in diesem Land weiter zu verbessern und das zu erreichen, was uns hoffentlich allen am Herzen liegt – und davon bin ich auch nach dieser Debatte überzeugt –, dass nämlich die Menschen, die in diesem Land Schutz und Sicherheit suchen, auch Schutz und Sicherheit finden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin Kraft. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Bevor wir zur Abstimmung kommen: Herr Kollege Schulz von der Piratenfraktion hat darum gebeten, eine persönliche Erklärung zu seinem Abstimmungsverhalten gemäß § 47 unserer Geschäftsordnung abgeben zu dürfen. Dies soll er jetzt tun. – Bitte schön, Herr Kollege. Sie wissen, dass Sie maximal drei Minuten haben.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Gut.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Unser Eilantrag greift dem vor, was Herr Minister Jäger eben erbeten bzw. eingefordert hat, nämlich politische Unterstützung auch aus diesem Hause. Selbstverständlich ist die Opposition bereit und auch in der Lage, diese Unterstützungsleistungen mitzuliefern und vielleicht auch den einen oder anderen Organisationsfehler, der hier im Hause heute teilweise reumütig eingeräumt wurde, zu beheben.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Sie kommen zu Ihrer persönlichen Erklärung über Ihr Abstimmungsverhalten. Sie sollen nicht zur Sache sprechen.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Das ist die Erklärung bezogen auf den Eilantrag, Herr Präsident, und zur Begründung meines Abstimmungsverhaltens.

(Christian Lindner [FDP]: Stimmen Sie dem Eilantrag denn zu?)

– Selbstverständlich stimme ich persönlich diesem Eilantrag zu und werbe …

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Haben Sie kein Rederecht in Ihrer Fraktion? – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Was ist denn? Gibt es eine Irritation?

(Unruhe)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Schulz, Sie haben damit erklärt, wie Sie sich persönlich zur Abstimmung verhalten. Damit, würde ich sagen, können Sie das Rednerpult jetzt wieder freigeben.

(Beifall von der SPD und der FDP – Unruhe)

Dietmar Schulz (PIRATEN): Das Pult ist bereits heruntergefahren. Ich habe meine Erklärung abgegeben. – Danke schön.

(Zuruf von der SPD: Danke!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz.

(Christian Lindner [FDP]: Wie im Schülerparlament!)

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Eilantrag Drucksache . Wie Sie wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist über einen Eilantrag direkt abzustimmen. Wir stimmen nun über den Inhalt des Antrags ab. Die Fraktion der Piraten hat Einzelabstimmung zu den Ziffern des Forderungskataloges beantragt. Dieser Antrag liegt allen vor.

Ich rufe zunächst Ziffer 1 des Forderungskataloges auf. Wer im Hohen Haus stimmt Ziffer 1 zu? – Das ist die Fraktion der Piraten. Wer stimmt gegen Ziffer 1? – SPD, Grüne, CDU. Wer enthält sich? – Ziffer 1 ist bei Enthaltung der FDP mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 2 des Forderungskataloges. Wer stimmt dieser Ziffer zu? – Die Fraktion der Piraten.

(Zurufe)

– Pardon! Oh! Ich muss meinen Blick mal weiter nach rechts schwenken! Und die CDU-Fraktion! Also: CDU und Piraten stimmen zu. Wer stimmt gegen Ziffer 2? – SPD und Grüne. Gibt es Enthaltungen im Hohen Haus? – Wiederum bei Enthaltung der FDP ist Ziffer 2 mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Inhalt des Eilantrags als dritte Abstimmungsaktion. Wer stimmt dem Eilantrag zu? – CDU und Piratenfraktion. Wer stimmt gegen den Eilantrag? – SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Die FDP-Fraktion enthält sich. Damit ist der Eilantrag Drucksache 16/6911 mit den Stimmen der Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt.

Wir kommen zu:

2   Konsequenzen aus der wirtschaftspolitischen Fundamentalkritik des NRW-Wirtschafts­mi-nisters ziehen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6863

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Brockes das Wort. Bitte schön.

Dietmar Brockes (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit kommen wir in dieser Debatte von einem Problemminister zum nächsten.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Denn seit vorgestern haben wir leider Gewissheit, meine Damen und Herren: Das Statistische Landesamt meldet, dass Nordrhein-Westfalen sein Wachstumsdefizit gegenüber dem Rest Deutschlands leider weiter zementiert. Im ersten Halbjahr 2014 betrug das Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen magere 1 % gegenüber 1,7 % bundesweit.

Im vergangenen Jahr ist Nordrhein-Westfalens Wirtschaft sogar geschrumpft, während bundesweit wenigstens noch ein kleines Wachstum zu verzeichnen war.

Meine Damen und Herren, damit setzt Rot-Grün seinen Trend leider fort. Unter dieser Landesregierung ist Nordrhein-Westfalen zum Sorgenkind der deutschen Wohlstandsentwicklung geworden. Das bedeutet: Die Menschen in Nordrhein-Westfalen verfügen über geringere Einkommen als in allen anderen Bundesländern. Es wird weniger in Infrastruktur, Innovation und Zukunft investiert. Die Arbeitslosigkeit ist höher. Jeder dritte deutsche Landzeitarbeitslose lebt in Nordrhein-Westfalen; das sind beinahe 330.000 Menschen.

Das, meine Damen und Herren, ist ein Armutszeugnis für diese Landesregierung, für diese Ministerpräsidentin und für diesen Wirtschaftsminister.

(Beifall von der FDP und Klaus Kaiser [CDU])

Eine weitere Zahl: Der Wirtschaftsbau in Nordrhein-Westfalen ist massiv eingebrochen. Wir reden hier von zweistelligen Prozentzahlen bei den Rückgängen im Hochbau. Unternehmen investieren nicht mehr in Fabriken oder Bürogebäude in Nordrhein-Westfalen, sondern wenden sich erkennbar ab vom Standort NRW. Auch das, meine Damen und Herren, ist ein Armutszeugnis für diese rot-grüne Landesregierung im Allgemeinen und für den Wirtschaftsminister im Speziellen.

Eben jenem Wirtschaftsminister fällt angesichts dieser Lage nichts anderes ein, als Gastbeiträge zu veröffentlichen und mit dem Finger auf andere Leute zu zeigen.

(Beifall von der FDP)

Das ist, ehrlich gesagt, grotesk in doppelter Hinsicht. Denn erstens ist es diese rot-grüne Landesregierung, die Mittelstand, Unternehmen und Bürger in Nordrhein-Westfalen immer stärker fesselt mit Bürokratie, mit finanziellen Lasten und mit ideologischen Regulierungen. Ich nenne beispielhaft das irrsinnige, bürokratische und rechtswidrige Tariftreue- und Vergabegesetz, das industriefeindliche Klimaschutzgesetz und den Klimaschutzplan, einen Landesentwicklungsplan, der Investitionen verhindert und Wachstum abwürgt,

(Thomas Eiskirch [SPD]: Tierschutz!)

die Bevormundung der Wissenschafts- und Bildungspolitik.

(Lachen von der SPD – Guido van den Berg [SPD]: Tierschutz!)

Meine Damen und Herren, in den schwachen Wirtschaftswachstumszahlen sehen wir die Konsequenzen Ihrer verfehlten Politik.

(Beifall von der FDP)

Zweitens. Ja, die Politik der Großen Koalition in Berlin ist schädlich für Deutschland und schädlich für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen: Plünderung der Rentenkasse, Verweigerung der fälligen Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Abkehr von einer soliden Haushaltspolitik, aus dem Ruder laufende Solarsubventionen.

Aber was unternimmt die rot-grüne Landesregierung dagegen? Wo sind die Konsequenzen aus dieser vernichtenden Bewertung Ihres Bundesvorsitzenden in Berlin, Herr Minister? Wenn Sie die Politik des SPD-Vizekanzlers und Wirtschaftsministers Gabriel kritisieren, Herr Minister Duin, und ihr attestieren, kaum über die To-do-Liste eines Betriebsrates hinauszugehen, dann frage ich Sie: Wo sind Ihre Bundesratsinitiativen?

Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist es doch, das gerne auf seine Macht im Bundesrat pocht. Sie waren ganz vorne mit dabei, als es darum ging, den arbeitenden Menschen in NRW die von der FDP im Bund durchgesetzte Abmilderung der kalten Progression zu verwehren. Jetzt, meine Damen und Herren, mimt Rot-Grün nur noch die Duckmaus und nickt die Politik von Kanzlerin Merkel im Bundesrat ab.

Da wir gerade bei der To-do-Liste sind: Auf der To-do-Liste eines Wirtschaftsministers, meine Damen und Herren, muss mehr stehen als Mahnungen und Gastbeiträge. Das Wirtschaftsministerium ist eben kein philosophischer Think Tank. Vielmehr sind Sie dafür verantwortlich, endlich Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu setzen.

(Beifall von der FDP und Klaus Kaiser [CDU])

Sie hätten gestern bei der dringend notwendigen Abschaffung des Bürokratiemonsters Tariftreue- und Vergabegesetz beginnen können.

(Dietmar Bell [SPD]: Tierschutz!)

Sie haben auf ganzer Linie versagt, als es darum ging, europäische Mittel für den flächendeckenden Breitbandausbau zu gewinnen. Sie machen mit, wenn die wenigen vorhandenen Investitionsmittel in Radwege statt in den Ausbau und in die Reparatur von Straßen, Brücken und Schienen gesteckt werden. War das, Herr Minister, die Wirtschaftspolitik Nummer eins, die Sie in Ihrem Gastbeitrag gefordert haben? – Ich hoffe, nicht.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss, ja?

Dietmar Brockes (FDP): Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Guter Präsident!)

Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsminister zeigt mit der einen Hand nach Berlin und fordert Beinfreiheit für die Wirtschaft. In der anderen Hand hält er den Knüppel, den er für die Unternehmen, den Mittelstand und das Handwerk in Nordrhein-Westfalen braucht, um ihnen diesen zwischen die Beine zu werfen. Das ist unehrlich und unredlich. Deswegen sage ich Ihnen ganz klar, Herr Minister: Nordrhein-Westfalen benötigt mehr als Gastbeiträge. Nordrhein-Westfalen benötigt einen Wirtschaftsminister, der auch handelt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Brockes.

(Dietmar Bell [SPD]: Das gleiche Niveau wie Lindner vorher!)

Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Eiskirch.

Thomas Eiskirch*) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Brockes hatte nichts mit dem Antrag zu tun und der Antrag nichts mit dem Gastbeitrag des Wirtschaftsministers. Damit wäre fast alles gesagt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wie gesagt, der Hintergrund des Antrags der FDP ist ein Gastbeitrag von Wirtschaftsminister Garrelt Duin, der am 20. September in mehreren Zeiten – darunter „Berliner Zeitung“ und „Kölner Stadt-Anzeiger“ – erschienen ist. Wenn ich den Antrag lese, frage ich mich, Herr Kollege Brockes, liebe FDP, ob Sie den Beitrag des Wirtschaftsministers überhaupt gelesen oder – was noch schlimmer wäre – schlicht und ergreifend nicht verstanden haben.

Die FDP sieht in diesem Beitrag eine wirtschaftspolitische Fundamentalkritik und einen vernichtendes Zeugnis für die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Hätten sich die Autoren des Antrags die Mühe gemacht, den Artikel im Ganzen und nicht nur die reißerischen Überschriften und appetitmachenden Ankündigungszahlen der Onlinemedien zu lesen, dann hätten sie gar keine Fundamentalkritik gefunden. Sie hätten einen konstruktiven Debattenbeitrag zu einer ganz wesentlichen politischen und gesellschaftlichen Herausforderung entdeckt. Denn der Wirtschaftsminister stellt fest – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Grundsätzlich ist die Parteispitze auf dem richtigen Weg. Sie spricht wieder von Aufstiegsmöglichkeiten und gesundem wirtschaftlichen Wachstum und will die Investitionsquoten von Staat und Privatwirtschaft deutlich steigern.“

Und er fragt dann:

„Aber wie?“

Der heute vorliegende Antrag der FDP geht auf die Feststellung und die Beantwortung dieser zentralen Frage, die immerhin 75 % des Artikels ausmacht, schlicht nicht ein.

Das lässt nur einen Schluss zu: Die FDP hat den Artikel von Garrelt Duin, wie vorhin schon gesagt, nicht gelesen – oder sie hat ihn nicht verstanden. Das wäre ein weiterer wirtschaftspolitischer Offenbarungseid und ein weiteres Zeichen dafür, dass die selbsternannte Wirtschaftspartei nichts als heiße Luft zu liefern hat, Kolleginnen und Kollegen.

Deswegen werden wir den Antrag selbstverständlich ablehnen.

Insofern will ich die Redezeit nutzen, um die von Garrelt Duin angestoßene Debatte um die Wirtschaftspolitik in Deutschland und deren Ausrichtung noch einmal aufzugreifen. NRW hat eine ganze Menge zur Debatte beizutragen; denn NRW ist das Land der industriellen Wertschöpfungsketten – ein Land mit überdurchschnittlicher Exportquote und den höchsten Direktinvestitionen von ausländischen Unternehmen in Deutschland.

Wir wissen um die Bedeutung des produzierenden Gewerbes und seiner Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig brechen wir in ein neues Zeitalter auf. NRW wird zum Land der Industrie 4.0 mit intelligenten und digitalisierten Produktions- und Dienstleistungsketten. Wir unterstützen die Verzahnung von klassischer Industrie mit innovativen IT-Unternehmen, fördern Forschungs- und Innovationscluster und sichern den Vorsprung neuer Effizienzindustrien. Intelligent produzieren hat das Zeug zu einem Markenkern des Industrielandes Nordrhein-Westfalen.

CDU und FDP, die gerne Wirtschaftsparteien wären, stehen auf dem Feld ihrer vermeintlichen Kernkompetenz offensichtlich hilflos und überfordert da. Das macht dieser Antrag mehr als einmal deutlich.

Die besonders von der FDP propagierte Privat-vor-Staat-Ideologie ist krachend gescheitert und aus der Zeit gefallen. Die FDP hat bis zuletzt geglaubt, dass die höchste Wirtschaftskompetenz bei den Investmentbankern liegt. Von dem Schock dieses Irrtums hat sie sich augenscheinlich bis heute nicht erholt.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Ihre Wirtschaftspolitik war reduziert auf die pure Agitation für Steuersenkungen, von denen Hoteliers etwas hatten. Dann gab es noch ein bisschen Mitgliederanreiz: Wer FDP-Mitglied wurde, konnte ohne Gesundheitsprüfung in die private Krankenversicherung kommen. Das ist ja gerade angesagt. In den letzten zwei Tagen hat das noch einmal eine ganz neue Dimension bekommen, Kollege Brockes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Auch ohne Gesundheitsprüfung!)

Lassen wir das. – Meine Damen und Herren, besonders schwer wiegt jedoch die Schwächung des Tarifsystems in Deutschland unter Ihrer Verantwortung, die Sie in einer Bundesregierung getragen haben, und damit die Aushöhlung der Arbeitnehmerrechte. Deswegen war es notwendig, dass die neu gewählte Bundesregierung dies mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie und zur Einführung des Mindestlohns repariert hat.

Das ist aber selbstverständlich nicht hinreichend. Darauf hat der Wirtschaftsminister hingewiesen. Sie erinnern sich aus dem Mathematikunterricht der 7./8. Klasse noch an den Unterschied zwischen notwendiger Bedingung und hinreichender Bedingung. Das Notwendige, was das „To-do-Liste des Betriebsrats“ hieß, ist getan worden. Das Hinreichende, das dazukommen muss, wurde durch den Wirtschaftsminister noch deutlicher in den Fokus gestellt.

Deswegen hat er recht. Es müssen Bedingungen für Aufstiegsmöglichkeiten, für gesundes wirtschaftliches Wachstum und für private und öffentliche Investitionen geschaffen werden. An diesem Weg werden wir in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den dafür relevanten Partnern arbeiten.

Spätestens mit dem heutigen Antrag schließen sich die Kompetenzsimulatoren der FDP selbst aus diesem Kreise aus. Der Antrag ist so schlecht, dass nicht einmal die CDU, die derzeit auf alles aufspringt, was ihr fehlendes wirtschaftliches Profil aufpolieren könnte, sich diesem Antrag angeschlossen hat. Ich bin gespannt, ob sie ihm überhaupt zustimmen möchte. Das sagt schon alles, glaube ich.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – allerdings, um ehrlich zu sein, nicht für diesen Antrag.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Eiskirch. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Wüst.

Hendrik Wüst (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte vorher hatte Züge von Ernsthaftigkeit und Niveau, der Beitrag des Kollegen Eiskirch gerade nicht. Deswegen will ich jetzt gar nicht über jedes Stöckchen springen, das Sie den Oppositionsparteien hier hinzuhalten versucht haben.

Den Artikel des Wirtschaftsministers im „Kölner Stadt-Anzeiger“ habe ich eher als innerparteilichen Beitrag verstanden. Es ist auch nicht Aufgabe des Plenums, hier zu diskutieren, ob die SPD eine Veränderung oder einen Neuanfang in der Wirtschaftspolitik braucht. Das werden Sie auf SPD-Parteitagen besprechen.

Eines ist aber ziemlich klar: Nordrhein-Westfalen braucht einen Neuanfang in der Wirtschaftspolitik. Deswegen bin ich für jeden Anlass dankbar, hier über Wirtschaftspolitik zu sprechen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Führen wir uns die Zahlen der letzten Woche noch einmal vor Augen. Dietmar Brockes hat sie gerade genannt. Wie üblich, hat der Sprecher der regierungstragenden Fraktionen sie nicht einmal für wert empfunden, sie eigenständig zu bewerten. In Deutschland haben wir ein Wirtschaftswachstum von 1,7 %. Objektiv gesehen, ist das für eine ausgewachsene alte westliche Demokratie kein schlechter Wert. Nordrhein-Westfalen liegt bei 1 %, also volle 0,7 Prozentpunkte darunter.

Das wäre ja nicht so schlimm, wenn es das erste Mal oder das einzige Mal in den letzten Jahren wäre. Wir wissen aber auch, dass wir schon vorher zurücklagen. Seit dem Jahr 2000 liegen wir in Summe mehr als 8 Prozentpunkte gegenüber einem Standort wie beispielsweise Bayern zurück. Hätten wir dasselbe Wirtschaftswachstum wie eben Bayern, bräuchte Nordrhein-Westfalen dieses Jahr keinen einzigen Euro neue Schulden aufzunehmen. 3,2 Milliarden € sind die Summen – sowohl die Summe der Verschuldung des Nachtragshaushalts als auch die Summe, die uns nach den Berechnungen von McKinsey mehr zur Verfügung stände, wenn wir das gleiche Wachstum wie Bayern hätten. Was könnten Sie, was könnten wir alle mit dem Geld machen, das allein für die Zinsen erspart würde?

Deswegen ist die Debatte richtig und wichtig. Sie findet allerdings nicht nur heute vor leeren Rängen statt, sondern findet auch ansonsten offensichtlich innerparteilich statt. Nach außen hin wird gemauert, wie der Kollege Eiskirch es gemacht hat. Dieses Land hätte aber einen Diskurs, eine Debatte und gerne auch Streit über die Frage verdient, wie eine neue Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen aussehen kann.

Es ist ein bisschen wie beim Fußballspiel: Die Opposition läuft sich warm. Der Schiedsrichter guckt nervös auf die Uhr. Rot-Grün ist aber gar nicht erst angetreten und verweist auf Folgendes: Wir stehen doch ganz oben. Wir sind doch überall top. Wir brauchen doch gar nichts zu tun. – 50.000 Leute im Stadion pfeifen und lachen sich kaputt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie halten die Tabelle falsch herum.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

Es wäre dringend nötig, sich auf das Spielfeld zu begeben und die Hausarbeiten zu erledigen.

Dann wird immer irgendein Indikator herausgekramt, bei dem man toll ist. Kollege Eiskirch hat gerade gesagt: Wir sind ganz toll bei den Direktinvestitionen. – Das ist so ähnlich wie die Aussage, wir hätten die meisten DAX-Unternehmen und die meisten Bundesligamannschaften. Wenn man das größte Bundesland ist und die Summe in Euro oder Dollar nimmt, mag das stimmen. Legt man sie pro Kopf um, liegt Hessen schon vor uns. Vor zehn Jahren hatten wir noch 36 % Vorsprung auf Bayern. Jetzt sind die Bayern kurz davor, uns einzuholen. Sie liegen nur noch 5 % hinter uns. Selbst da, selbst bei dem einen Indikator, von dem Sie glauben, Sie hätten etwas gefunden, wo Sie vorne sind, sind Sie bei genauer Betrachtung wieder bestenfalls auf Platz 2 – und auch das nicht mehr lange.

Deshalb ist die große Frage: Was kann man tun, damit nicht nur Namensartikel geschrieben werden und innerparteilich etwas ergänzt wird? Ich habe Verständnis dafür: In der Vergangenheit gab es in der SPD-Wirtschaftspolitik ein bisschen viel Schwesig, ein bisschen viel Nahles. Jetzt haben beide koalitionstragenden Fraktionen im Bundestag ihre Hausarbeiten zu machen. Aber die Frage ist: Was tun wir hier? Wo war der Einsatz für mehr Breitbandausbau in den Diskussionen um die Partnerschaftsvereinbarung mit der EU?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Man war sich einig, dass man das Geld für die Zukunftsinvestition nicht wollte und hat gehofft, es würde in dem bürokratischen Verfahren schon niemandem auffallen.

Am 25. Januar, Herr Minister, haben Sie die rhetorische Frage gestellt: Wie lange wollen wir uns eigentlich noch für das Tariftreue- und Vergabegesetz kritisieren lassen? Jetzt bekommen Sie die Steilvorlage, dass Teile des Gesetzes rechtswidrig sind. Und dann sagen Sie: Wir ziehen die Evaluierung vor.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die ist schon lange angekündigt!)

Was muss man da noch evaluieren, wenn Teile des Gesetzes rechtswidrig sind, frage ich Sie. Da gibt es nichts mehr zu evaluieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Im nächsten Jahr geben Sie dann 425.000 € für die Evaluierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes aus. Für das Topthema der Regierung in der Wirtschaftspolitik – letzte Sitzung Wirtschaftsausschuss –, nämlich Digitalisierung, haben Sie 150.000 € in den Haushalt eingestellt. Das ist der Unterschied zwischen Reden und Handeln, zwischen Namensartikel und Haushaltsplan.

Ich will gar nicht weiter auf den Landesentwicklungsplan, auf flächendeckende Gewerbesteuererhöhungen durch das Gemeindefinanzierungsgesetz, auf die gutachterliche Prüfung eines Kohleverstromungsverbots im Rahmen des Klimaschutzplans eingehen. All das ist die Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Da können Sie noch viele schöne Namensartikel in ehrenwerten Zeitungen schreiben, das bringt das Land nicht einen Schritt voran. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wüst. – Für die grüne Fraktion spricht nun Frau Schneckenburger.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist nicht nur einer der Anträge, mit denen uns die FDP immer gerne auf ihre ideologische Rüttelstrecke mitnimmt, es ist auch ein Antrag, der in seltener Weise substanzlos ist und lediglich davon zeugt, dass die Pressestelle der FDP besetzt ist und ihre Arbeit macht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn worum geht es? – Es geht darum, sich an dem Namensbeitrag des Ministers abzuarbeiten, der erkennbar auf eine innerparteiliche Auseinandersetzung zielt. – Herr Wüst, das wäre auch der richtige Ort, an dem Sie das noch einmal miteinander austragen könnten. Es geht erkennbar um die Bundesebene und die Frage, wie die Große Koalition miteinander harmoniert, wie sich die Parteien, die die Große Koalition tragen, auseinandersetzen und ihre Richtungsdebatte miteinander führen. Innerparteiliche Auseinandersetzungen kennt man häufiger von Parteien, auch dass die Richtungen miteinander streiten und es Kursdebatten gibt.

So weit die Parteiarbeit. Aber was hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen eigentlich damit zu tun? Das ist die Frage an der Stelle.

Nun kann man die Gelegenheit nutzen und eine grundsätzliche Debatte um Wirtschaftspolitik und die wirtschaftspolitische Ausrichtung des Landes führen. Ich habe wenige Vorschläge gehört, von der FDP keinen Vorschlag. – Herr Brockes, ich habe mir einmal den Spaß gemacht, durchzuzählen, womit sich die FDP wirtschaftspolitisch in den vergangenen zwei Jahren beschäftigt hat: Das war das Tariftreue- und Vergabegesetz, das war das Tariftreue- und Vergabegesetz, und das war das Tariftreue- und Vergabegesetz. Und dann war da noch die Auseinandersetzung mit der Studie.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Breitband!)

Dann gab es noch drei oder vier weitere Anträge. Aber in der Substanz gab es keinen einzigen Vorschlag, von dem man hätte sagen können: Er ist zwar von der Opposition, aber wir nehmen ihn dankend auf und diskutieren ihn weiter nach vorne.

Ich will Ihnen noch einmal deutlich sagen: Es war noch nicht einmal Ihre Initiative – Herr Wüst hat es eben angesprochen – zu Breitband. – Der Breitbandausbau ist in das operationelle Programm aufgenommen, Herr Wüst. Sie wissen, dass das so ist.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

Also: Die Fragen, die Sie ansprechen, sind alle in Bearbeitung.

(Lachen von der CDU – Hendrik Wüst [CDU]: Das Ding ist weg!)

Ihre Kritik hat nichts mit der Realität der Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen zu tun, aber sehr viel mit ideologischen Spiegelfechtereien, die insbesondere die FDP führt.

Was tun wir tatsächlich? – Gucken Sie doch mal in unseren Koalitionsvertrag. Das Land sorgt dafür, dass energieeffiziente Produktionsweisen in Nordrhein-Westfalen vorankommen. Wir sorgen für den Ausbau erneuerbarer Energien. Wir sorgen dafür, dass die Kreislaufwirtschaft in Nordrhein-Westfalen vorankommt. Wir nehmen das Thema „Unternehmensverantwortung“ auf. Wir sorgen für Bildung und Qualifikation, damit Unternehmen auch qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Wir unterstützen kleine und mittlere Unternehmen durch unterschiedliche Maßnahmen. Wir fördern das Handwerk in Nordrhein-Westfalen und damit die breite Wertschöpfungsbasis in diesem Land. Ich frage Sie: Wo sind Ihre vorwärtsweisenden Initiativen? Schauen Sie in Ihre eigenen Anträge! Ich habe nichts dergleichen erkennen können.

Lassen Sie mich, weil ich mir im Vorhinein den Spaß gemacht habe, die Freiburger Thesen zu lesen, noch in Richtung FDP sagen: Ihre einzige wirtschaftspolitische Antwort ist die Entfesselung des Marktes, Freiheit um der Freiheit willen. – Das ist nicht unsere Vorstellung von Wirtschaftspolitik. Das ist auch nicht unsere Vorstellung von den Grundlinien der Politik. Unsere Vorstellung ist Freiheit in Verantwortung. Da sind wir, glaube ich, wesentlich näher bei den Freiburger Thesen, als es die FDP heute ist.

Ich kann nur aus den Freiburger Thesen zitieren – mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Umweltschutz hat Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen.“ – So weit damals die Feststellung der FDP. Davon sind Sie heute meilenweit entfernt. Das ist ein Erbe, das die FDP insgesamt ausgeschlagen hat. Den Preis dafür zahlen Sie. Wir entwickeln entlang dieser Linie die Wirtschaftspolitik und auch die Umweltpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen nach vorne. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneckenburger. – Für die Piratenfraktion hat nun Herr Schwerd das Wort.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream! Kaum redet der Wirtschaftsminister mal Tacheles, wird es spannend. Mit einer Art Hauruckrede in Form eines Zeitungsartikels im „Kölner Stadt-Anzeiger“ versucht Minister Duin, die alte Tante SPD aus ihrem wirtschaftspolitischen Tiefschlaf zu holen. Wachstum müsse entfesselt werden, Verbotspolitik und Volkspädagogik gelte es abzuwenden. Zugleich wirft er allerlei Bullshit-Bingo-Buzzwords aus dem digitalen Bereich in den Raum.

Aber wie die Ruckrede des ehemaligen Bundespräsidenten Herzog wird auch dieser Versuch letztlich versanden. Was bleibt, ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Das wird deutlich, wenn man die Worte des Wirtschaftsministers an seinen Taten misst. Wirtschaftsminister Duin möchte, dass Deutschland nicht länger Mittelmaß ist. Er kündigt an, NRW zum digitalen Wachstumsland Nummer eins zu machen. Das klingt toll. Aber worauf warten Sie eigentlich noch? Seit Jahren unterbreiten wir Vorschläge dafür.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Schauen wir einmal in den Haushaltsentwurf des Wirtschaftsministeriums für die Stärkung digitaler Wirtschaft. Raten Sie einmal, in welcher Höhe, in welchem Prozentsatz gemessen am gesamten Wirtschaftshaushalt der Wirtschaftsminister dort Mittel vorgesehen hat. 10 %, 5 % vielleicht 1 %? – Nein, es sind 0,04 %. Und die sollen auch noch primär zur Erzeugung von totem Papier ausgegeben werden. So sieht keine glaubwürdige Prioritätensetzung aus.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Was will der Wirtschaftsminister noch, außer sich in der Nachfolge eines Gerhard Schröder als vorgeblicher Modernisierer der SPD zu empfehlen? – Natürlich schnelles Internet. Doch in der Realität bremsen der Minister und seine Partei dieses Thema im Landtag konsequent aus. Unser Antrag, Breitbandausbau zur Chefsache zu machen, wurde abgelehnt, obwohl in der damaligen Anhörung viele positive Anregungen kamen. Geschlagene anderthalb Jahre nach Einbringung unseres Antrags wurde ein runder Tisch eingesetzt. So geht die alte Tante SPD mit Zukunftsthemen um: Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. – Viel zu spät, viel zu wenig.

(Beifall von den PIRATEN)

Tacheles redete Herr Minister Duin einzig beim Thema Datenschutz, leider muss man sagen. Denn er schreibt, er wolle Investitionen in digitale Fabriken nicht am Datenschutz scheitern lassen. An dieser Stelle wird klar, wie Wirtschaftswachstum geschaffen werden soll: durch die Absenkung von Datenschutzstandards. Willkommen in der Welt von Google, Facebook und Co., Herr Minister. Aber nicht mit uns!

Wie es besser geht, zeigen unsere Anträge. Schauen Sie in unseren Antrag zur digitalen Agenda, Herr Minister. Wenn Ihre Partei auch nur die Hälfte der Forderungen mittragen würde, wären wir ein ganzes Stück weiter. Davon würden Bürger und Wirtschaft in NRW wirklich profitieren. Natürlich bietet die Digitalisierung Chancen für unsere Wirtschaft. Ich warne aber davor, sich von einer naiven Wachstums-Entfesselungs-Rhetorik des Wirtschaftsminister und seiner FDP-Vorbilder beeindrucken zu lassen.

Was wir Piraten wollen, ist ein gesellschaftlicher Aufbruch und keine New-Economy-Blase. Entfesselte Märkte und ewiges Wachstum sind nicht die Lösung. Wir brauchen ein gesundes Verhältnis zwischen Mensch und Markt, eine Nachhaltigkeit ohne ewiges Wachstum, eine Demokratisierung der Wirtschaft und eine Stärkung des Gemeingedankens.

(Beifall von den PIRATEN)

Wer alleine Wachstum als vermeintliches Allheilmittel begreift, folgt damit der Ideologie der Krebszelle, wie es Edward Abbey ausgedrückt hat. Wenn wir schon Internetgroßkonzerne in den Blick nehmen wollen, sollten wir lieber für eine faire und angemessene Besteuerung von Gewinnen sorgen. Steuervermeidungsstrategien dieser Firmen bringen den Staat um Milliarden, die uns für Investitionen in Bildung und Infrastruktur fehlen. Auch diese Wahrheit gehört zu einer modernen Wirtschafts- und Finanzpolitik.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Minister, das ist keine Aufforderung, einen weiteren Zeitungsartikel zu verfassen, sondern eine, endlich einmal zu handeln. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schwerd. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Duin.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war, als die FDP diesen Antrag gestellt hat, natürlich erfreut und dachte: Schön,

(Dietmar Brockes [FDP]: Was mich wundert!)

es gibt Gelegenheit, sich auf einem inhaltlich anständigen Niveau mit Fragen der Freiheit in der Wirtschaft auseinanderzusetzen. Es gibt vielleicht auch der FDP Gelegenheit, sich zu vergewissern, wie sie sich eigentlich mit historisch wertvollen Freiburger Thesen auseinandersetzen will. Es gibt Gelegenheit, sich mit Dahrendorf, Karl-Hermann Flach oder Werner Maihofer zu beschäftigen.

(Christof Rasche [FDP]: Die wir alle kennen!)

Es hätte viel Gelegenheit gegeben, sehr grundsätzliche Erörterungen zu führen, auf die ich mich gefreut hätte, sich zum Beispiel auch darüber noch einmal auseinanderzusetzen, warum eigentlich seit 152 Jahren die SPD in gleicher Weise wie Gerechtigkeit und Solidarität auch den Grundwert der Freiheit hat und was man daraus heute für Schlüsse ziehen kann. Man hätte darüber sprechen können, wie wir mit sehr konkreten Maßnahmen das Ziel des Bürokratieabbaus in Nordrhein-Westfalen weiter verfolgen können.

(Dietmar Brockes [FDP]: Habe ich ja!)

Stattdessen erleben wir eine 08/15-Rede der zweiten Reihe. Die FDP-Fraktion musste mit Mühe daran gehindert werden, schon während der Rede des eigenen Redners den Saal zu verlassen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Bei Ihnen ist es ja auch nicht anders!)

– Ja, ja. Deswegen, meine Damen und Herren, ist eines bei dieser Debatte deutlich geworden.

(Zuruf)

– Nein, ich verzichte auf all diese Punkte, die vorbereitet waren, weil die Debattenbeiträge insbesondere von den Piraten und FDP eines deutlich gemacht haben: Sie sind auf absolut gleichem Niveau.

(Beifall von Rainer Schmeltzer [SPD])

Die Bundesrepublik Deutschland ist in einer fantastischen Situation, wirtschaftlich sehr gut aufgestellt,

(Dietmar Brockes [FDP]: Nur Nordrhein-Westfalen nicht!)

genauso wie das Land Nordrhein-Westfalen. Und die ganze Bundesrepublik Deutschland in 16 Landesregierungen und einer Bundesregierung kommt ohne jede Beteiligung der FDP aus!

(Beifall von der SPD)

Das heißt, Sie sind auf dem gleichen Niveau wie die Piraten. Anstatt die Chance zu ergreifen, hier grundsätzlich etwas zu erörtern,

(Beifall)

bleiben Sie im Klein-Klein hängen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Schön für das Protokoll! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Damit Sie es nachlesen können! – Dietmar Brockes [FDP]: Dass Frau Löhrmann geklatscht hat!)

Das ist wirklich eine verpasste Chance. Da Herr Wüst das Fußballbild aufgegriffen und mit Tabellen usw. gearbeitet hat, bleibt mir nur ein Schluss: In einer Tabelle würde hinter der FDP stehen: Vom Spielbetrieb abgemeldet. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Deshalb kommen wir zur Abstimmung. Die FDP-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag der FDP zu? – CDU- und FDP-Fraktion.

(Zuruf von der SPD: Sieben Leute!)

Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD, Grüne und Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Antrag Drucksache 16/6863 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

3   Bildungsqualität fördern       
Teil 1: Gymnasien in ihrem pädagogischen Auftrag stärken

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6858

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6957

Wie bereits heute Vormittag beschlossen, führen wir zu diesem Tagesordnungspunkt heute keine Debatte durch.

Wir kommen also direkt zur Abstimmung. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Antrag Drucksache an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung zu überweisen. Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung erfolgen. Wer stimmt dieser Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag einstimmig überwiesen.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

4   Jokertage – ein Beitrag zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familienleben und Schule

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5746

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Schule und Weiterbildung
Drucksache 16/6705

Ich darf darauf hinweisen, dass der Antrag der Piratenfraktion gemäß § 82 Abs. 2 Buchst. b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung mit der Maßgabe überwiesen wurde, dass Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage der Beschlussempfehlung erfolgen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Feuß das Wort.

Hans Feuß*) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung hat zu dieser Thematik intensiv am 3. September inhaltlich beraten. Der Antrag der Piraten wurde mit den Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP abgelehnt. Daher kann ich meinen Beitrag sehr kurz machen.

Erstens. Wir haben bei uns in NRW eine Schulpflicht.

Zweitens. § 43 Abs. 3 des Schulgesetzes regelt die Beurlaubung aus besonderem Anlass. Diese Beurlaubungspraxis hat sich in der Schule bewährt.

Drittens. Die SPD-Fraktion sieht keinen Handlungsbedarf und lehnt daher den Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Die Kürze war klasse!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Feuß. – Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Vogt das Wort.

Petra Vogt (CDU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es ebenso kurz machen. Die CDU-Fraktion – das kommt nicht so häufig vor – schließt sich voll umfänglich den Ausführungen des Vorredners an.

Ich schaue gerade auf die Tribüne, ob Schüler dabei sind. Manchmal hat man beim Thema „Jokertage“ den Eindruck, dass es so etwas bereits in Nordrhein-Westfalen gebe, nur der Name noch nicht bekannt sei. Aber wir sind sehr froh, dass wir andere und klare Regelungen haben, wann Schüler vom Unterricht zu beurlauben sind und wann sie nicht zu beurlauben sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Ansonsten haben wir keinerlei Kenntnis darüber, dass es dabei irgendwann Probleme in den Schulen gab, dass ein Schüler nicht beurlaubt wurde, wenn er einen wichtigen Grund hatte. Es gibt also keine Notwendigkeit, eine solche Regelung einzuführen.

Wir lehnen das – genauso wie im Schulausschuss – am heutigen Tage ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bas.

Ali Bas (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde ein bisschen mehr sprechen. Denn auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist es ganz interessant zu wissen, worum es bei den Jokertagen eigentlich geht. Das ist ein Konzept aus der Schweiz, das besagt, dass sich Schülerinnen und Schüler zwei Tage pro Schuljahr unentschuldigt anderen Dingen widmen können: Freizeit, Familie etc.

Der Antrag der Piratenfraktion verspricht, dass es mehr Zeit für Familie, weniger Fehlzeiten und weniger Schulverweigerer geben werde. Als Lehrer kann ich an dieser Stelle nur sagen: Ich glaube, das ist eine Milchmädchenrechnung, denn die Gründe für Schulverweigerung sind ein bisschen komplexer, als sie durch zwei Tage unentschuldigtes Fehlen in der Schule behoben werden könnten.

Als Lehrer kann ich an dieser Stelle sagen: Ich schätze die Verbindlichkeiten zwischen Schule, Eltern und Schülern sehr. Dazu zählt auch, dass man sich an Absprachen und Regeln hält. Das Schulgesetz und die Schulen in NRW haben da ganz pragmatische Lösungen vorzuweisen – auch durch die bestehenden Regelungen für Beurlaubungen vom Unterricht.

Insgesamt lehnen wir den Antrag der Piraten ab. Ich halte das Ganze für realitätsfern und bitte auch die anderen Fraktionen, dem zu folgen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bas hat eben schon dargelegt, worum es im Antrag der Piraten geht. Ich schließe mich insgesamt meinen Vorrednern an.

Das Ergebnis ist also schnell zusammengefasst: Die Jokertage brauchen wir nicht. Wir haben eine gute und voll ausgereifte Regelung, die sich zu unserer Schulpflicht bekennt und dennoch für besondere Situationen im Leben genug Spielraum lässt, ausnahmsweise vom Unterricht beurlaubt zu werden.

Wir lehnen den Antrag deshalb ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

 Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die Piratenfraktion erteile ich Frau Kollegin Pieper das Wort.

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Was wollen wir? Wir möchten, dass an zwei Tagen im Schuljahr die Schüler dem Unterricht fernbleiben können, ohne einen Grund dafür anzugeben. Wir wollen nicht, dass sie im Bett liegen bleiben. Man muss den Tag vorher benennen. Das ist sicherlich nicht der Untergang des Abendlandes, sondern ein Stück mehr Freiheit.

Im Ausschuss wurde gesagt, Schule lebe von der Vertrauensbasis. Die Schüler würden den Lehrern vertrauen. Ich sehe das andersherum. Lassen sie uns doch mal den Schülern vertrauen, dass sie diesen Tag nicht ausnutzen, sondern nur dann fehlen, wenn etwas Wichtiges anliegt.

(Beifall von den PIRATEN)

Insofern stehen wir weiterhin dazu und finden, das wäre ein guter Beitrag, um ein bisschen mehr Freiheit und Privatleben für die Schüler ermöglichen zu können. – Vielen Dank.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zuschauerinnen und Zuschauer mögen auch zuhören. Es ist nicht ganz so einfach. Ein bisschen mehr Freiheit klingt ja gut, dabei übersieht man aber völlig, dass erstens es ein Regelwerk gibt und zweitens uns allen – allen anderen Fraktionen und der Landesregierung – nicht bekannt ist, dass es Probleme mit dem Regelwerk gibt, dass, wenn Schülerinnen und Schüler besondere Vorkommnisse privater Art haben, sie dann beurlaubt werden können. Da gibt es keine Problemanzeigen.

Darüber hinaus muss man doch berücksichtigen, wie kompliziert es heute schon ist, bestimmte Prüfungselemente, die zentral sind, in die Unterrichtsstruktur einzuweben. Das würde organisatorisch – wann soll man die Klassenarbeiten schreiben? – unsteuerbar für die Schulen, die das vernünftig tun sollen und wollen.

Wir haben eine Schulpflicht und auch ein Schulrecht. Dieses Schulrecht ist ein hohes Gut. Deswegen sollte man das nicht fahrlässig zur Disposition stellen. Dies sollte man Kindern und Jugendlichen auch klarmachen.

Sie von den Piraten haben ja so getan, als wäre das in der Schweiz sozusagen der Knüller. Es bezieht sich lediglich auf den Kanton Zürich und ist dort in Verbindung gebracht mit anderen schulrechtlichen Regelungen. Dort kann man nämlich zum Beispiel, ohne dass das vorher geregelt werden müsste und ohne Kompensation, samstags schulische Pflichtveranstaltungen vorsehen. Sie tun so, als wäre dies für die Schülerinnen und Schüler nur mit Vorteilen verbunden. Das ist ausdrücklich nicht so. Das ist sehr begrenzt, wo das gemacht wird, und hat auch andere Facetten.

Von daher kann ich mich nur dem anschließen, was die Vorrednerinnen und Vorredner ausgeführt haben. Ich glaube, dieser Antrag ist für die Piraten kein Joker, sondern eher ein Flop. Deswegen ist es gut, dass er hier so breit abgelehnt wird.

(Vereinzelt Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung empfiehlt in Beschlussempfehlung und Bericht Drucksache 16/6705, den Antrag Drucksache 16/5746 abzulehnen. Wir stimmen nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Antrag Drucksache 16/5746 ab. Ich frage, wer dem Antrag der Piraten zustimmen möchte. – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Enthält sich ein Abgeordneter der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 16/5746 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

5   Ausweitung gebührenpflichtiger Polizeieinsätze prüfen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6856

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Golland das Wort. Bitte sehr.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einsätze der Polizei sind für den Bürger in aller Regel kostenfrei. Daran soll sich auch künftig nichts ändern.

Um es ganz deutlich zu sagen: Wer unverschuldet in Gefahr gerät oder Opfer einer Straftat wird, muss in einem Rechtsstaat jederzeit Anspruch auf unentgeltliche polizeiliche Hilfe haben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt in Nordrhein-Westfalen bislang nur für die polizeiliche Begleitung von Schwerlast-, Gefahrgut- und Werttransporten sowie für die fehlerhafte oder missbräuchliche Alarmierung der Polizei. In diesen Fällen muss der Verursacher jeweils eine Gebühr für den Polizeieinsatz zahlen. Wir sind uns sicherlich alle einig, dass diese Ausnahmen vernünftig sind. Es kann jedenfalls nicht Aufgabe der Allgemeinheit sein, die Kosten für einen Polizeieinsatz zu zahlen, bei dem beispielsweise eine Gefahrenlage nur vorgetäuscht wird.

Wenn man einmal über die Landesgrenzen Nordrhein-Westfalens blickt, wird man feststellen, dass andere Bundesländer den Kreis gebührenpflichtiger Polizeieinsätze inzwischen deutlich ausgeweitet haben.

Schauen wir zum Beispiel nach Baden-Württemberg. Dort muss beispielsweise derjenige, den die Polizei infolge von Drogenkonsum oder übermäßigem Alkoholgenuss in eine Ausnüchterungszelle bringt, für den Transport mit dem Polizeifahrzeug eine Gebühr entrichten. Für den Aufenthalt in der Ausnüchterungszelle wird ebenfalls eine Gebühr fällig. Sofern das Polizeifahrzeug oder die Ausnüchterungszelle von dem Betrunkenen beschmutzt werden, fällt für die Reinigung je nach Aufwand eine weitere Gebühr an.

Solche Gebührentatbestände sind aus Sicht der CDU-Fraktion sinnvoll. Es leuchtet jedenfalls nicht ein, weshalb die finanziellen Folgen entsprechender Alkoholexzesse ausschließlich dem Steuerzahler aufgebürdet werden sollen. Wer sich nicht mit Anstand betrinken kann und deshalb Kosten für die Allgemeinheit verursacht, sollte nach Ansicht meiner Fraktion zumindest im Wege einer Gebühr daran beteiligt werden.

(Beifall von der CDU)

Wir meinen, dass auch Nordrhein-Westfalen über eine Gebührenerhebung in solchen Fällen nachdenken sollte. Laut dem aktuellen Haushaltsplan unseres Landes schlagen diese Kosten nämlich mit jährlich 2 Millionen € zu Buche, siehe dazu Einzelplan 03, Kapitel 03 110, Titel 536 10. Es geht um 2 Millionen €, meine Damen und Herren, die allein der Steuerzahler aufbringen muss.

Über das beschriebene Beispiel hinaus finden sich in den Gebührenordnungen anderer Bundesländer weitere Fallkonstellationen, in denen die dortige Polizei Gebühren erheben darf. Diese Punkte im Einzelnen aufzuzählen, würde an dieser Stelle zu lange dauern. Ich nenne daher nur exemplarisch das wiederholte Einschreiten bei Ruhestörungen, die Verwahrung sichergestellter Fahrzeuge auf einem Abstellplatz und das Suchen und Einfangen entlaufender Haustiere.

Das Land Baden-Württemberg hat durch diese Gebührentatbestände im Jahre 2010 übrigens Einnahmen in Höhe von 5,4 Millionen € und im Jahre 2012 Einnahmen in Höhe von 6,1 Millionen € erzielt. Das Soll für die Jahre 2012 bis 2014 beträgt jeweils 5,5 Millionen € pro Jahr.

In den letzten fünf Jahren hat das relativ wohlhabende Baden-Württemberg – das ist der Unterschied zu Nordrhein-Westfalen – auf diese Weise also Einnahmen in Höhe von 28 Millionen € erzielt. Dass das hochverschuldete Nordrhein-Westfalen, in dessen Staatskanzlei die Gäste inzwischen nur noch Leitungswasser zu trinken bekommen, auf solche Einnahmequellen verzichtet, dürfte in der Bevölkerung wohl kaum jemand verstehen.

Eine Gebührenerhebung in den beschriebenen Fällen könnte nicht zuletzt für eine gewisse Angleichung zwischen Polizei und Feuerwehr sorgen. Denn die Feuerwehr darf dem Verursacher schon heute Kosten für Einsätze in Rechnung stellen, die nicht unmittelbar der Notfallrettung dienen. Das betrifft zum Beispiel die Beseitigung von Ölspuren, das Auspumpen von Kellern, das Entfernen von Insektennestern und das Einfangen von Tieren. Weshalb vergleichbare Polizeieinsätze regelmäßig zum Nulltarif durchgeführt werden, leuchtet daher nicht ein. Betonen möchte ich nochmals, dass der rechtstreue Bürger durch solche Gebühren gerade nicht belastet wird.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Überweisungsempfehlung des Ältestenrats und freue mich auf sicherlich interessante Beratungen unseres Antrags in den Fachausschüssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Golland. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dahm das Wort.

Christian Dahm*) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Gruß gilt den Damen und Herren auf der Besuchertribüne, ganz besonders meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen aus dem Polizeipräsidium Bielefeld! Ein herzliches Willkommen! Die CDU-Fraktion regt mit ihrem Antrag an, auch in Nordrhein-Westfa-len über die Einführung von Gebührensätzen für Polizeieinsätze nachzudenken, und führt dabei – das hat der Kollege Golland gerade gemacht – die Gebührenordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg an.

Ich will das gleich vorweg sagen, Herr Golland: Wir sind durchaus dafür, Mehreinnahmen für den Landeshaushalt zu generieren, aber nur da, wo es möglich ist, wo es machbar ist und da, wo es auch sinnvoll ist. Bei der Einführung von Gebühren für gewisse Polizeieinsätze bedarf es nach unserer Auffassung schon einer differenzierten Betrachtung.

Allein Ihre Ausführungen hier gerade, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Herr Golland – wer sich betrinkt, soll sich mit Anstand betrinken –, sind schon verwunderlich. Das will ich an dieser Stelle einmal sagen.

In Ihrem Antrag von ausufernden Alkoholexzessen zu sprechen, lässt den Eindruck entstehen, dass diese dafür verantwortlich sind, dass es vermehrte Polizeieinsätze gibt und dadurch die Kosten für in Polizeigewahrsam genommene Personen ansteigen. Ich meine, das ist ein Rückschluss und ein verzerrtes Bild, das nicht zulässig ist. Das entspricht auch wahrlich nicht der Realität.

Ihr Antrag wirft auch zahlreiche Fragen und Probleme auf. Einige will ich hier nur kurz anreißen.

Mit wem hat es die Polizei zu tun? Bei der Strafverfolgung natürlich mit Straftätern. Gerade im Strafverfahren bleiben die Kosten im Übrigen unberücksichtigt und fließen nur in bestimmten Fällen mit in das Verfahren ein.

Bei einer Vielzahl von Hilfeeinsätzen hat die Polizei mit gesellschaftlichen Randgruppen zu tun und mit Personen, die sich in einer Gefahrenlage oder in hilfloser Lage befinden. Hier stellt sich die Frage, ob überhaupt Gebühren erhoben werden können bzw. überhaupt beizubringen sind.

Ich meine, es sollte auch nicht nur eine fiskalische Betrachtung vorgenommen werden. Welche Einsätze sollten überhaupt gebührenpflichtig werden und welche eigentlich nicht? Nach welchen Gesichtspunkten soll so eine Gebührenordnung überhaupt aufgestellt werden? Diese Fragen haben Sie noch offen gelassen, Herr Golland. Da bin ich gespannt auf die weitere Diskussion im Fachausschuss. Denn nach unserer Auffassung brauchen wir hier eindeutige und rechtssichere Parameter. Ich sage ganz deutlich: Wir benötigen keine Preisliste für Polizeieinsätze.

Es stellt sich auch die Frage: Welcher bürokratische Aufwand ist mit einer Gebührenerhebung überhaupt verbunden? Das ist schließlich eine zusätzliche Arbeitsrate für die Polizistinnen und Polizisten, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung in den Polizeipräsidien und Landkreisbehörden. Dazu würde ich gerne einmal die Meinung der entsprechenden Landräte einholen, wie die zu dem Vorschlag stehen, wenn sie möglicherweise zusätzliches Personal der Kreisverwaltung für die Polizei stellen müssen oder zusätzliches Personal – Landespersonal im Übrigen – für die Polizeipräsidien zur Verfügung gestellt werden muss.

Eines sollte in der heutigen Debatte aber klar und deutlich werden. Wer auch in Zukunft den Notruf der Polizei, nämlich die 110 wählt, sollte nicht befürchten, für den Einsatz der Polizei bezahlen zu müssen.

(Beifall von der SPD)

Die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung und das hoheitliche Handeln müssen auch in Zukunft kostenfrei bleiben. Ich bin im Übrigen froh, dass Sie das auch so sehen, meine Damen und Herren Kollegen der Opposition.

Es bleiben zahlreiche Fragen. Wir werden uns einer Debatte über Gebührenerhebung nicht verschließen. Wir sollten die Diskussion daher im Innenausschuss fortsetzen. Dabei sollten wir zunächst erst einmal abwarten, was die Abstimmung des Innenministers mit den übrigen Bundesländern an Informationen ergeben hat. Dann sollten wir eine gemeinsame Entscheidung treffen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, über das Thema an sich kann man offen diskutieren. Aber man muss sich dann schon noch einmal die einzelnen Bereiche angucken. Denn es ist schon ein Unterschied, ob wir über die Begleitung von Schwerlasttransporten sprechen oder aber über den Polizeieinsatz bei Fußballspielen. Das ist ja ein sehr beliebtes Thema. Die Frage, ob man da Gebühren erhebt, wird ja sehr heiß diskutiert. Das kommt in Ihrem Antrag nicht vor. Aber das ist eines der strittigsten Themen, die wir immer wieder diskutieren. Da meine ich zum Beispiel, das ist originäre Polizeiarbeit und sollte nicht bezahlt werden müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Worauf ich aber hinaus will, ist: Man muss sich sehr genau die einzelnen Bereiche angucken, wo man Gebühren erhebt und wo eben nicht. Denn – das muss man hier ganz deutlich sagen – die Polizei ist für die öffentliche Sicherheit zuständig, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger dafür bezahlen müssen, dass ihre Sicherheit gewährleistet wird.

Deshalb stellt sich, wenn man über Gebühren spricht, auch direkt die Frage, wo man hier eigentlich die Abgrenzung trifft. Wo fängt das Verursacherprinzip an? Wo hört es auf? Dazu möchte ich gerne aus Ihrem Antrag zitieren. Sie schreiben in Ihrem Antrag:

„Wer sich nicht mit Anstand betrinken kann und deshalb Kosten für die Allgemeinheit verursacht, sollte zumindest im Wege einer Gebühr daran beteiligt werden.“

Eine Definition, was es bedeutet, sich mit Anstand zu betrinken, haben Sie leider nicht geliefert. Das können Sie im Ausschuss ja vielleicht nachreichen. Aber ich finde, das zeigt schon ganz deutlich die eigentliche Frage. Wo ist die Abgrenzung? Wo greift das Verursacherprinzip und wo nicht?

Ich finde, eines ist in der Diskussion ganz wichtig, nämlich dass Gebühren auf keinen Fall dazu führen dürfen, dass die Polizei nicht mehr gerufen wird. Ich glaube, darüber sind wir uns auch alle sehr einig. Das darf nicht dazu führen, dass die Menschen die 110 nicht mehr anrufen, wenn es um ihre Sicherheit geht.

Das eigentliche Problem in der Innenpolitik im Bereich Polizeiarbeit ist aber, glaube ich, nicht die Frage, ob wir Gebühren erheben, sondern das ist die Arbeitsbelastung der Polizei. Wir haben häufig über Polizeieinsatzzeiten der Bereitschaftspolizeien im Bereich Fußball diskutiert. Wir haben auch häufig schon diskutiert über das Kippen der Einstellungszahlen im Vergleich zu den Pensionierungen, die wir in den nächsten Jahren zu erwarten haben, wo wir dringend eine Aufgabenkritik brauchen. Hier muss man ganz deutlich sagen, dass die Erhebung von Gebühren natürlich nicht dazu führt – auch wenn wir über Polizeieinsätze zum Beispiel beim Fußball sprechen und über die Frage, ob da Gebühren erhoben werden sollten –, dass die Polizei entlastet wird. Ich meine, das ist die eigentliche Frage, die wir im Innenausschuss inhaltlich diskutieren sollten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Einen anderen Aspekt, den ich noch aufgreifen will, hat mein Vorredner auch schon angesprochen. Das ist die Frage: Über welche Fallzahlen reden wir eigentlich, über wie viele Fälle, bei denen man diese Gebühren jeweils erheben würde?

Lohnt es sich überhaupt? Es ist die Frage, ob man sich hier nicht Verwaltungskosten einhandelt, die in keinem Verhältnis zu den Gebühren stehen, die man nachher zu erwarten hat. Gerade die CDU wirft uns immer vor, dass wir Bürokratiemonster aufbauen. Ich frage mal zurück: Bauen wir hier nicht ein Bürokratiemonster auf?

Darüber würde ich im Ausschuss gern noch einmal diskutieren. Ansonsten glaube ich, dass man zwar offen über diese Frage diskutieren kann, aber man muss es sehr differenziert machen und sich jeweils die einzelnen Fälle anschauen, damit man das beurteilen kann. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Orth.

Dr. Robert Orth (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Golland, das ist mal wieder ein Antrag von Ihnen nach dem Motto: Da zupfe ich mir an mein rechtes Ohr, und raus kommt ein Antrag.

Wir haben von Ihnen eine Begründung gehört, in der von dem rechtstreuen Bürger die Rede war. Ich habe gedacht, ich bin hier in einer Veranstaltung aus den 1950er-Jahren. Der rechtstreue Bürger ist schließlich derjenige, der in der städtischen Gartenanlage nicht über das Zäunchen springen darf, denn dadurch könnte der Rasen zertrampelt werden und Ähnliches. Das ist – jedenfalls in meinen Augen – ein Gesellschaftsbild, das wir nicht mehr haben. Es gibt bei uns Sachen, die sind erlaubt, und es gibt Sachen, die sind verboten; das stimmt. Für das, was verboten ist, gibt es das Strafgesetz, oder es sind Ordnungswidrigkeiten.

Dann gibt es im Leben noch solche Dinge: Es gibt Menschen, die sind einfach mal ein bisschen blöd und trinken ein Bier zu viel, oder sie machen irgendetwas anderes falsch, oder sie machen so was Schlimmes, wie ich es letztens gemacht habe: Ich bin nämlich letztes Jahr im Winter mit dem Auto von Österreich nach Düsseldorf zurückgefahren. In Baden-Württemberg hatte ich Dussel das Pech, dass mein Auto eine Panne hatte. Da es zu dieser Panne ausgerechnet in der Kurve einer baden-württembergischen Autobahn kam, habe ich gedacht, ich rufe einmal die Polizei an, das ist vielleicht für alle besser.

Die Polizei kam auch. Die Polizei belehrte mich darüber, dass sie gemäß dem baden-württember-gischen Landesrecht nunmehr eine Gebühr dafür erheben müsse, dass sie zum Schutze aller Verkehrsteilnehmer – nicht nur zum meinem Schutz – angerückt sei. Ich kriege natürlich einen etwas nervösen Kopf, und dann sagt der Beamte: Aber wissen Sie was, ich trage das gar nicht in mein Tagebuch ein; das alles kriegt hier gar keine Nummer. Ich finde es unmöglich, dass wir für Polizeiarbeit nun Geld nehmen sollen.

Meine Damen und Herren, wenn sich ein baden-württembergischer Polizist sozusagen genötigt sieht, sich über sein eigenes Gesetz hinwegzusetzen, zeigt das doch, dass wir solche Gesetze nicht einführen sollten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schatz.

Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Golland, dem Ansinnen Ihres Antrags bin ich grundsätzlich gar nicht abgeneigt, gerade weil er sich zunächst einmal auf einen Prüfungsauftrag beschränkt. Das ist auch so gefordert.

Ich möchte Ihnen einmal eine kleine Geschichte aus dem polizeilichen Alltag erzählen. Es gibt tatsächlich Menschen, die, wenn sie zum Gewahrsam gebracht werden, ins Auto urinieren und sich bekoten. Das Auto ist verschmutzt. Dann gibt es Menschen, die das sogar extra machen. Die beschmutzen ihre Gewahrsamszelle – den Boden etc. – mit Kot. Da frage ich mich, warum diese Menschen nicht an den Reinigungskosten beteiligt werden sollen.

Aber – deswegen ist der Antrag aus unserer Sicht zumindest zurzeit noch nicht zustimmungsfähig – Ihr vorgesehener Prüfauftrag greift an dieser Stelle einfach zu kurz. Sie wollen lediglich prüfen lassen, wieviel Geld man aus diesen Sachen generieren kann. Das reicht aber bei Weitem nicht, denn was ist denn – das wurde auch schon erwähnt – mit den wirklich wichtigen Fragen, die diese Sachen betreffen?

Die Bedenken, die man bei dieser Frage haben kann – nein, die man aus meiner Sicht haben muss und die auch ich habe –, sind groß: Wie genau wäre so etwas überhaupt umsetzbar? Wie kann man die Privatisierung und die Individualisierung von Kosten verhindern, die aus gutem und wichtigem Grunde vergesellschaftet sind? Wie genau kann man da Grenzen ziehen, und wo sollten diese Grenzen gezogen werden?

Bei dem Beispiel, das ich eben genannt habe – gerade bei den Menschen, die das extra machen –, wären diese Grenzen aus meiner Sicht, zumindest in den meisten Fällen, vermutlich überschritten. Aber mein Beispiel ist Gott sei Dank nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme. Die ganz große Mehrzahl der Fälle bewegt sich, zumindest aus meiner Sicht, in einem Bereich unterhalb einer solchen Grenze oder in einer großen Grauzone. In Punkt 3 Ihres Antrags erwähnen Sie das in einem Nebensatz selber.

Wie kann man zum Beispiel unzumutbare Härten verhindern? Man muss auch bedenken, dass die Menschen, die ich gerade in meiner Geschichte erwähnt habe, häufig geistig in einem nicht ganz gesunden Zustand sind. Denen kann man solche Kosten sicherlich nicht aufbürden. Was sind überhaupt unzumutbare Härten in diesem Bereich? Auch diese Frage müsste in einem solchen Prüfauftrag beleuchtet werden. Das ist in Ihrem Antrag aber nicht der Fall.

Dann müsste in einem solchen Prüfauftrag auch die Frage beantwortet werden, was eine solche Gebühr auch finanziell unter dem Strich überhaupt bringt. Damit meine ich nicht nur die Einnahmen, sondern ich möchte das unter dem Strich auch mit der Ausgabenseite in einen Zusammenhang gebracht sehen.

Bisher ist es in der Regel so: Wenn man Menschen in den Gewahrsam packt, zum Beispiel weil sie betrunken sind, sind sie am nächsten Morgen wieder nüchtern, schämen sich ganz doll und gehen nach Hause. Sie packen ihre Sachen und sind weg. Da passiert häufig – oder meistens – nichts Weiteres.

Aber wir wissen alle, was passiert, wenn man den Menschen ans Geld geht. Das wird vermutlich zu einem erhöhten Klageaufkommen führen. Dabei wird dann nicht nur die Gebühr als solche Gegenstand der Verhandlung sein, sondern auch die Grundmaßnahme, die überhaupt zur Erhebung dieser Gebühr führte, zum Beispiel die Einlieferung in den Gewahrsam.

All das verursacht wieder Kosten in einem nicht unerheblichen Ausmaß. Sie werden Richterstellen schaffen müssen. Die Polizeibeamten, die daran beteiligt waren, werden in aller Regel als Zeugen zu der Verhandlung geladen. Das sind – wenn nicht sogar noch die Gewahrsamsbeamten hinzukommen – schon mal mindestens zwei Zeugen. Die wiederum stehen jedes Mal für ein bis zwei Stunden im Dienst nicht zur Verfügung, oder es wird, falls die Aussage außerhalb der Dienstzeit erfolgt, als Mehrarbeit gutgeschrieben. Ganz generell gibt es bei Gebührenerhebungen immer Verwaltungskosten.

Man muss sich einfach fragen: Lohnt sich das überhaupt? Ist eine solche Gebühr verhältnismäßig? Man kann auch fragen: Gibt es in Baden-Württemberg bereits Erfahrungen damit?

Das alles müsste in einen solchen Prüfauftrag aufgenommen werden; es ist hier aber nicht vorhanden. Vielleicht ändern Sie das nach der Debatte im Ausschuss noch. Dann kann man darüber nachdenken, ob man ihm zustimmt, gerade weil es sich um einen Prüfauftrag handelt. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir aber nicht zustimmen. Der Überweisung stimmen wir zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine Situation, in der zu einem Antrag viel, wenn nicht sogar schon fast alles gesagt worden ist und man das Gesagte eigentlich nur wiederholen könnte. Deshalb will ich mich kurz fassen.

Erstens. Herr Golland, ich glaube auch, dass neben der Möglichkeit, dass man bestimmte polizeiliche Tätigkeiten mit Gebühren belegt, immer auch im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Gebührenpflicht vorliegt. Das erfordert immer Aufwand.

Zweitens muss man immer Nutzen und Aufwand im Verhältnis zueinander sehen. Gerade bei Ingewahrsamsnahmen muss man abschätzen, ob die Gebührenforderungen tatsächlich auch für den Haushalt realisiert werden können. Ich glaube, da gibt es eine große Diskrepanz. Es macht keinen Sinn, Gebühren zu erheben und mehr Personal- und Bürokratieaufwand zu betreiben, als man hinterher an Geld einnehmen kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das alles muss man ernsthaft in dieser Debatte miteinander abwägen. Dann ist relativ klar, wie das Ergebnis sein wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6856 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

6   Schulsozialarbeit in NRW über das Jahr 2014 hinaus sicherstellen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6849

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6955

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6958

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Wegner das Wort.

Olaf Wegner*) (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Aufgrund der Rückmeldung vieler Schülergruppen wissen wir, dass diese heute den Tagesordnungspunkt zur Schulsozialarbeit mit hohem Interesse verfolgen. Deshalb möchte ich heute auch ganz explizit alle Schülerinnen und Schüler aus Nordrhein-Westfalen begrüßen und meine Rede an sie richten.

Denn hier im Landtag gibt es gleich eine Abstimmung, die für die Zukunftschancen vieler Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen sehr entscheidend sein wird. Konkret stimmen wir Politiker heute hier im Landtag darüber ab, ob es die Schulsozialarbeit an euren Schulen auch im nächsten Jahr noch geben wird.

Egal, mit wem man redet, ob mit euch, liebe Schülerinnen und Schüler, wenn ihr das Glück hattet, die Schulsozialarbeit in den letzten drei Jahren kennenzulernen, ob man mit euren Eltern, euren Lehrerinnen und Lehrern: Alle sind von der Schulsozialarbeit überzeugt. Keiner möchte sie mehr missen.

Und weil wir das wissen, haben wir Piraten heute erneut einen Antrag zur Weiterführung der Schulsozialarbeit gestellt. Wir möchten mit diesem Antrag erreichen, dass die Schulsozialarbeit für euch, liebe Schülerinnen und Schüler, auch im nächsten Jahr erhalten bleibt.

Alle meine Kolleginnen und Kollegen hier im Saal wissen, wie wichtig die Schulsozialarbeit für euch ist. Einige von ihnen haben sogar mit euch demonstriert und gerufen: Schulsozialarbeit muss bleiben, dauerhaft!

Liebe Schülerinnen und Schüler, achtet gleich ganz genau darauf, was die Redner der regierungstragenden Fraktionen hier im Landtag zu unserem Antrag und zur Weiterführung der Schulsozialarbeit sagen werden, und vor allem, wie sie danach abstimmen werden. Sie werden – da bin ich mir ganz sicher – wieder sagen, wie wichtig die Schulsozialarbeit ist und dass die Schulsozialarbeit auf jeden Fall erhalten bleiben muss.

Sie werden weiter sagen, dass der Bund die Schulsozialarbeit finanzieren soll, obwohl sie nach einem Jahr Verhandlungen genau wissen, dass der Bund sie nicht finanzieren wird.

Sie werden weiter sagen, dass hier im Landeshaushalt leider kein Geld für die Schulsozialarbeit da ist, kein Geld für euch und eure Zukunft, liebe Schülerinnen und Schüler. Danach werden sie – da bin ich mir leider genauso sicher – mehrheitlich gegen den Antrag der Piraten und damit gegen die Weiterführung der Schulsozialarbeit stimmen.

Also, liebe Schülerinnen und Schüler, achtet ganz genau darauf, was die Redner der regierungstragenden Fraktionen sagen werden und wie danach jeder einzelne Abgeordnete von ihnen, insbesondere die aus eurem Wahlkreis, abstimmen werden! Denn die spannende Frage dabei ist, ob diese Abgeordneten es wirklich mit ihrem Gewissen vereinbaren können, sich namentlich gegen eure Zukunft zu entscheiden, um dann trotzdem weiterhin und ganz ungeniert bei jeder Gelegenheit zu erzählen, dass die Schulsozialarbeit wichtig und erhaltenswert ist. Lassen wir uns überraschen! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Wegner. – Ich habe Sie bei Ihrer Rede diesmal noch nicht unterbrochen, will Ihnen aber am Ende Ihrer Rede sagen, dass nach dem Selbstverständnis dieses Parlaments Reden an die Mitglieder des Landtags Nordrhein-Westfalen gerichtet werden und nicht an eine imaginäre Öffentlichkeit oder einen imaginären Adressatenkreis außerhalb des Parlamentes. Das gehört zum wesentlichen Bestandteil unseres Selbstverständnisses.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Ich sage es Ihnen diesmal nach Ihrem Redebeitrag und bitte sehr herzlich, das demnächst zu berücksichtigen. Ansonsten müsste ich intervenieren.

Jetzt spricht Frau Kollegin Warden für die SPD-Fraktion.

Marion Warden (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren oben auf der Besuchertribüne, aber auch liebe Kolleginnen und Kollegen und sehr geehrter Herr Kollege Wegner! Sie haben in Ihrer Rede begründet, aus welcher Motivation heraus Sie als Piratenfraktion diesen Antrag gestellt haben. Sie haben richtigerweise vorhergesehen, dass ich als Vertreterin unter anderem der Regierungsfraktionen auch sagen werde, dass uns allen die Schulsozialarbeit ausgesprochen wichtig ist.

Sie haben aber nicht darüber gesprochen, dass wir hier über verschiedene Formen von Schulsozialarbeit sprechen und dass der allergrößte Teil der Schulsozialarbeit in den Kommunen genauso weiterlaufen wird wie bisher.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das möchte ich jetzt noch einmal für diejenigen, die sich vielleicht nicht so gut im parlamentarischen Geschäft auskennen, wie wir es tun, die wir uns tagtäglich damit befassen, deutlich machen. Das wäre auch ungerecht den vielen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern gegenüber, die sich tagtäglich in ganz verschiedenen Funktionen, an ganz verschiedenen Stellen – sei es an der Schule, sei es in Kitas oder Jugendeinrichtungen, im Bereich von Integration und Vielfalt und in vielen anderen Bereichen – sehr engagieren und vielen jungen Menschen eine Zukunftsperspektive ermöglichen.

(Beifall von der SPD)

Ich habe selber Kinder, die auch Schulen besuchen, in denen es auch Schulsozialarbeiter gibt. Von daher weiß ich diese Arbeit persönlich auch sehr zu schätzen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Frau Kollegin Pieper würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Marion Warden (SPD): Ich möchte gerne zu Ende reden.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das ist Ihr gutes Recht.

Marion Warden (SPD): Ich möchte aber heute deutlich machen, dass sich eine Forderung wie die Ihre, so wichtig und berechtigt sie auch tatsächlich ist, nicht dadurch einlösen lässt, Anträge mit direkter namentlicher Abstimmung, also ohne Beratung in den Fachgremien, zu stellen und abstimmen zu lassen. Wenn ich ein Problem lösen will – das gilt in allen Lebenslagen, nicht nur im Parlament –, muss ich mich auch mit den Ursachen, mit der Entstehung der Details befassen. Das möchte ich kurz vortragen, weil es zum Verständnis gehört.

Bei dem Antrag, über den wir heute entscheiden, geht es nicht um die Schulsozialarbeit im klassischen Sinne, wie wir sie seit Jahren kennen, und zwar schon länger als drei Jahre, wie sie sich in unseren Schulen bewährt hat. Sie ist deshalb in den Schulen untergebracht und angesiedelt, weil hier die größte Schnittmenge in der Arbeit mit Heranwachsenden besteht.

Bei der Leistung, für die Sie sich heute nach Ihrem Verständnis starkmachen, handelt es sich um Leistungen des Bildungs- und Teilhabegesetzes; und das ist ein Bundesgesetz. Wenn Sie sagen, Sie stellen heute einen Antrag, sage ich Ihnen: Sie haben den Antrag an der falschen Stelle gestellt. Denn es geht um ein Bundesgesetz

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

und nicht um die Möglichkeit freiwilliger Leistungen des Landes Nordrhein-Westfalen.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Wenn man will, findet man immer Gründe!)

Auslöser ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2010. Sie werden sich erinnern, dass damals die Frage auf der Tagesordnung stand, ob die Regelsätze der Sozialhilfe insbesondere für Kinder und Jugendliche den richtigen Umfang haben, ob Teilhabe an der Gesellschaft auch für Kinder in SGB-II-Familien – leider häufig als Hartz?IV-Familien bezeichnet – möglich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig gesagt, dass das, was der Regelsatz beinhaltet, für das Wachstum und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend ist.

Daraufhin gab es im April 2011, mit heißer Nadel gestrickt und schwierig für die Kommunen umzusetzen, das Bildungs- und Teilhabegesetz. Da wurde für das SGB II einiges klargestellt, was für Kinder und Jugendliche wichtig ist: Mittagsverpflegung, Schulausstattung, mehrtägige und eintägige Tagesausflüge und Schulfahrten, aber auch das Thema „Bildung und Teilhabe“.

Das Bundesverfassungsgericht hat dazu gesagt: Gegenstand der Regelsätze der Sozialhilfe muss auch sein – ich zitiere – „die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen … Leben“.

Zusätzlich wurden den Kommunen Bundesmittel für die Finanzierung weiterer Aufgaben – neben denen, die ich gerade aufgeführt habe – zur Verfügung gestellt. Die meisten Kommunen haben sie für zusätzliche Stellen für Sozialarbeiter in Schulen genutzt. Dadurch wurde das Wort „Schulsozialarbeit“ gebildet.

Das ist deshalb wichtig, klarzustellen, weil hier die Abgrenzung der schon lange von den Kommunen finanzierten und wirksamen Schulsozialarbeit von den Leistungen des Bildungs- und Teilhabegesetzes deutlich wird.

Herr Wegner, Sie haben recht, wir wissen auch als regierungstragende Fraktionen zu schätzen, dass diese Leistungen bei den Betroffenen angekommen sind. Es ist auch unzweifelhaft, dass die Kreise und kreisfreien Städte als Träger dieser Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabegesetz eine auskömmliche Finanzierung durch Bundesmittel benötigen.

Das sieht auch die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände so. Denn sie sagt: Bildung und Teilhabe und Schulsozialarbeit sind ein wirksames Instrument. – Es ist aber der Bundesgesetzgeber, der gefordert ist, dieses Bildungspaket neu zu schnüren.

Ich sage das nicht mit allzu großer Begeisterung, weil ich das Zuständigkeitsgerangel zwischen Land und Bund und Kommune häufig selber für unerträglich halte. Ich muss mich auch in meiner Schule, in meinem Wahlkreis rechtfertigen. Ich hatte gestern ein Berufskolleg aus Düsseldorf hier vor Ort, die mich das Gleiche gefragt haben. Auch ich muss mich rechtfertigen, warum es an dieser Stelle nicht vorangeht.

Wir haben deshalb als SPD schon vor gut einem Jahr entsprechende Anträge gestellt.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Achten Sie bitte auf die Zeit!

Marion Warden (SPD): Sie sind durch den Bundesrat gelaufen, aber leider sind die Beratungen noch nicht abgeschlossen.

Ich muss nun zum Ende kommen, weil meine Redezeit abgelaufen ist. – Ich möchte keine Zwischenlösung und auch keine halbherzige Lösung haben. Denn ich sehe, dass der Bund hier in der Pflicht ist. Wir wollen, dass die Leistungen, die jetzt im Bildungs- und Teilhabegesetz enthalten sind, fest in das SGB II integriert werden.

Und wir werden bis auf Weiteres in NRW – das sage ich noch abschließend – durch den Einsatz multiprofessioneller Teams zur Unterstützung der Schulen, insbesondere im Rahmen der Inklusion, einen ersten wichtigen Beitrag zur Teilhabe leisten.

Ganz nebenbei gesagt: …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, bitte!

Marion Warden (SPD): … Es gibt 600 Schulsozialarbeiterstellen im NRW-Landeshaushalt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank. – Sie können gleich vorne bleiben. Frau Kollegin Pieper hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet und bekommt für anderthalb Minuten das Wort.

Monika Pieper (PIRATEN): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Sie haben gerade ausgeführt, dass ein Großteil der Schulsozialarbeit erhalten bleibt. Da frage ich mich, ob Sie auch wie wir so viele Zuschriften bekommen haben, in denen das von Städten, von Schulen beklagt wird. Wie erklären Sie sich diese vielen Zuschriften, wenn sich angeblich gar nicht viel ändert?

Marion Warden (SPD): Das erkläre ich mir so, dass zum Beispiel durch solche Anträge die Verunsicherung in den Städten und Gemeinden wächst, weil nicht deutlich wird, welche Bereiche betroffen sind und welche nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: So weit die Kurzintervention und die Antwort darauf. Vielen Dank, Frau Kollegin Warden. – Als nächste Rednerin spricht für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Dr. Bunse.

Dr. Anette Bunse (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren und jeder, der hier zuhört! Fakt ist – da hat Frau Warden recht –: Es gibt seit 2008 die Möglichkeit, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter an Schulen einzustellen – allerdings unter Anrechnung auf einen Teil einer Lehrerstelle. Das tut manchen Schulen weh.

Im Zuge der Verhandlungen über das Bildungs- und Teilhabepaket – auch das ist richtig – ermöglichte der Bund den Kommunen eine zeitlich begrenzte Finanzierung der Schulsozialarbeit. Eine zweite Möglichkeit war sozusagen geschaffen, aber nicht, wie gerade behauptet, ein Gesetz. Von Anfang an war ausdrücklich klar:

(Beifall von der CDU)

Die Schulsozialarbeit aus diesem Topf würde zeitlich befristet sein. Es war eine politische Absicht kundgetan, aber keine Gesetzgebung geschaffen. Die Wirkung war, wie wir alle wissen, gewaltig, und wohl keine Schule will zukünftig auf die Mitwirkung der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter verzichten.

Dennoch steht weiterhin die Frage im Raum, wie Schulsozialarbeit zu etikettieren ist. Dieser Frage werden wir uns stellen müssen. Ist sie eine Erfüllung des Bildungsauftrags des Landes oder als nicht konnexitätsrelevante Dienstleistung ganz in der Befugnis der Kommunen einzuordnen, oder ist sie eine Leistung des Bundes, zu der dieser jedoch in keiner Weise rechtlich verpflichtet ist?

Ungeachtet dieser schwierigen Gemengelage bestand und besteht bei allen Akteuren Einigkeit darüber, dass diese zusätzliche Möglichkeit der Beschäftigung von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern dringend notwendig ist und sein wird, um Schulen zu entlasten bzw. Kindern bessere Bildungschancen zu eröffnen.

Schon unser Antrag Drucksache 16/5762 wurde erwartungsgemäß mit der freundlichen Begründung abgelehnt, dass Schulsozialarbeit nicht im Sinne einer bildungsfördernden Maßnahme zu verstehen ist und damit nicht in den Aufgabenbereich des Landes fällt. Diese Begründung ist sehr einfach und für uns doch nicht überzeugend.

(Beifall von der CDU)

Wir als Opposition sehen die prekäre Haushaltslage des Landes und die Landesregierung in der Verpflichtung, die Schulden abzubauen. So haben wir den sehr konstruktiven Vorschlag eingebracht, die Schulsozialarbeit aus einem Anteil der ab 2015 eingesparten Mittel durch die wegfallende Finanzierung des BAföG zu ermöglichen. Bekanntlich wird der Bund – da ist er in der Pflicht – die Finanzierung zu 100 % übernehmen und das Land ab 2015 jährlich um 279 Millionen € entlasten. Bleibt abzuwarten, wie dieser Vorschlag aufgenommen wird, der Ihnen als Entschließungsantrag vorliegt.

(Beifall von der CDU)

Sie, sehr verehrte Piratinnen und Piraten, stellen heute in Ihrem Antrag fest: Schulsozialarbeit muss bleiben, und zwar dauerhaft. – Da sind wir uns einig. Diese Idee ist auch nicht besonders neu. Ihre Einschätzung allerdings, dass die Finanzierung auch aus Sicht der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter egal ist, teilen wir eben nicht, weil wir uns in der Verantwortung sehen, hier Schulden abzubauen. In Ihrem Antrag zeigen Sie unseren Weg auf, um dann Ihre Forderungen zu stellen, ohne einen Deckungsvorschlag hinzuzufügen.

Wir sollten jetzt eigentlich gemeinsam unseren Vorschlag diskutieren, bevor wir ein neues Tierchen durchs Dorf treiben. Das hilft den Schülerinnen und Schülern. Daher werden wir uns Ihrem Antrag aus formalen Gründen nicht anschließen können, obwohl er inhaltlich eine Herzensangelegenheit ist. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Grochowiak-Schmieding.

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur bundesfinanzierten Schulsozialarbeit ist in diesem Hause bzw. in diesem Saal schon sehr viel gesprochen worden. Auch ich habe hierzu schon mehrfach gesprochen. Dieses Thema ist nicht das erste Mal auf der Tagesordnung. Ich werde das, was ich gesagt habe und was andere zu diesem Thema hier gesagt haben, nicht noch einmal wiederholen.

Ich möchte aber noch einmal zwei Fakten in Erinnerung rufen: Einmal ist Fakt, dass in unserem Land die Schulsozialarbeit originär Aufgabe der Kommunen ist. Es ist auch Fakt, dass der Bund für die Sicherung des Existenzminimums von Kindern und Jugendlichen in prekären Lebenssituationen verantwortlich ist. Daran hat sich bis zum heutigen Tage nichts verändert.

Zur Erinnerung: Im Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass nicht nur die physische Existenz – das heißt Essen, Trinken und Schlafen – gesichert sein muss, sondern auch ein Mindestmaß an soziokultureller Teilhabe gewährt werden muss. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung wurde aufgefordert, die Regelsätze für Kinder und Jugendliche im SGB II – da geht es um den Leistungsbezug für diejenigen, deren Eltern Hartz IV empfangen – entsprechend auszurichten.

Dazu ist zu sagen, dass wir Grüne uns schon seit Jahren für ein System der Kindergrundsicherung einsetzen, bei dem jedes Kind unabhängig vom Einkommen der Eltern die gleiche finanzielle Unterstützung vom Staat erhält. Die Finanzierung wäre einmal über das Abschmelzen des Ehegattensplittings möglich. Das Ehegattensplitting fördert besonders hohe Einkommen bzw. starke Einkommensunterschiede, und es wird unabhängig davon gewährt, ob ein Paar Kinder hat. Zeitgemäß wäre hingegen eine direkte existenzsichernde Kinderförderung.

Kindergeld und Kinderregelsätze von heute könnten in der Kindergrundsicherung aufgehen. Damit würden wir die Grundlage für ein moderneres, gerechteres System der Familienförderung schaffen, das die Kinder tatsächlich in den Mittelpunkt stellt.

Anstatt ein solches System zu entwickeln, das tatsächlich alle Kinder erreichen würde, wurde 2010 das Bildungs- und Teilhabegesetz im Verbund mit der bundesfinanzierten Schulsozialarbeit verabschiedet. Dieses Gesetz ist Teil einer Aufgabenerfüllung durch die Bundesregierung. Damit ist sie auch verpflichtet, die Kosten hierfür zu tragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Macht sie das nicht, sind Kinder und Jugendliche die Leidtragenden; denn ihnen werden somit die Sicherung ihres Existenzminimums und ihre Teilhabemöglichkeiten schlichtweg vorenthalten. Das ist das Versagen der Bundessozialministerin und des Bundesfinanzministers, die sich dieser Verantwortung verweigern. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung diese Verweigerungshaltung aufgibt.

Zum Antrag der Piraten ist zu sagen: Sie beklagen immer wieder, dass in diesem Hause zu oft populistische Anträge gestellt werden. Spätestens mit diesem Antrag sind Sie auf dem gleichen Niveau angekommen. Er ist inhaltsleer, unseriös und populistisch. Wir lehnen ihn daher natürlich ab.

Zum Antrag der CDU möchte ich nur noch zwei Sätze sagen: Das BAföG, das nun der Bund übernimmt – die Kosten des BAföGs –, möchten Sie gerne ein weiteres Mal verausgaben. Offenbar haben Sie noch nicht mitbekommen, dass dies bereits von der Landesregierung im weiteren Verfahren der Bildungssicherung in unserem Lande verplant ist.

(Zuruf von der CDU: Wo denn?)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Alda das Wort.

Ulrich Alda*) (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Eigentlich ist schon alles gesagt worden. – Ich habe die außerordentliche Ehre, heute als letzter Abgeordneter vor dem langen Wochenende hier zu reden.

(Zuruf: Nein!)

– Doch, ist aber so!

(Minister Guntram Schneider: Ich bin auch Abgeordneter!)

Nur eines zu meiner Vorrednerin, Frau Grochowiak-Schmieding. Sie haben das Ehegattensplitting, Kinderregelsätze usw. vermengt. Da dachte ich: Mensch, die Dame will jetzt eine Nebelbombe werfen. Sie haben dann aber noch soeben die Kurve gekriegt und gesagt, dass die Bundesregierung in der Pflicht ist. Das finde ich ganz gut.

(Beifall von der FDP)

In Nordrhein-Westfalen leisten Sozialarbeiter an den Schulen eine hervorragende Arbeit bei der Stärkung von Chancengleichheit und Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen. – Liebe Piraten, das alles wird wiederholt. Wir kennen das. Das haben wir schon ein paarmal gesagt; aber wir machen es auch für den Minister gerne nochmal. – Sie helfen beim Ausfüllen von Anträgen für Klassenfahrten oder Mittagessenszuschüssen, unterstützen Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben und schaffen ergänzende Freizeitangebote.

Oftmals wird allerdings bei der Diskussion über die Schulsozialarbeit vergessen, dass ein herausragender Arbeitsschwerpunkt auf der Gemeinwesenarbeit liegt. Über die Vernetzung mit örtlichen Jugendhäusern, Institutionen, Behörden, Kirchen oder Initiativen wird Jugendhäusern, Institutionen, Behörden, Kirchen oder Initiativen wird somit eine nachhaltige Wirkung erzielt.

Zusammengefasst heißt das: Schulsozialarbeit ist ein wichtiges Bindeglied in der Präventionskette zur Schaffung von Zugängen für Familien in belasteten Lebenslagen und zur Teilhabe für Kinder und Jugendliche. Schulsozialarbeiter wirken damit nicht nur originär im Schulleben mit, sondern ihre Arbeit dient den sozialen und gesellschaftlichen Strukturen und Netzwerken der Kommunen insgesamt.

Herr Minister, das wissen Sie eigentlich alles. Auch von den Vorrednern ist es schon erwähnt worden. Mehrere Entschließungsanträge sind gekommen, Anträge, Vorschläge. Und – wie ich erfahren habe – müssen Sie alleine aus dem kleinen Ort Hilchenbach bei Siegen 1.100 Unterschriften zu dem Thema bekommen haben. Ich vermute, es werden noch wesentlich mehr sein. Aber darüber werden wir hier im Hause ja nicht informiert.

Somit geht eigentlich auch der vorliegende Antrag der Piraten in die richtige Richtung, beleuchtet aber nicht den wahren Grund für die Finanzmisere bei der Schulsozialarbeit, nämlich

(Widerspruch von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– Entschuldigung, Sie waren gerade Abgeordnete; als Ministerin dürfen Sie nicht dazwischenreden! – das Pingpong-Spiel zwischen Berlin und Düsseldorf, namentlich bei Herrn Minister Schneider.

(Ministerin Sylvia Löhrmann begibt sich an ihren Platz auf der Regierungsbank.)

– Da ist sie wieder, die stellvertretende Ministerpräsidentin; jetzt dürfen Sie nicht mehr dazwischenrufen! –

Kam mit Schwarz-Gelb – auch das haben die Regierungsfraktionen gerade erwähnt – der Kompromiss über das Bildungs- und Teilhabegesetz zustande, so heißt es heute in Berlin, wenn jemand an die Tür von Ministerin Nahles klopft: Herein, wenn es keine Bittstellung aus Nordrhein-Westfalen ist!

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen der Piraten, auch uns stört das ewige Hin und Her bei der Frage nach der Finanzierung. Wir müssen gemeinsam eine eindeutige Richtung finden. Es geht um die Sicherstellung der Finanzierung der Schulsozialarbeit sowie die Weiterfinanzierung ab 2015 und damit natürlich auch die Sicherheit der Menschen, die dort mit ihren befristeten Arbeitsverträgen angestellt sind.

Frau Ministerpräsidentin Kraft ist nicht hier, aber die Stellvertreterin und Herr Minister Schneider: Sie müssen nun endlich gegenüber Ihrer SPD-Kollegin Nahles deutliche Worte zu diesem Thema finden. Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene erklärt doch eindeutig, dass die Länder und Gemeinden für diesen gesamten Bereich um 6 Milliarden entlastet werden sollen. Würde also das Land entsprechend durch den Bund entlastet werden – genau das ist unsere Forderung –, kann das Land die finanziellen Mittel für diese Sozialarbeiter an den Schulen verwenden.

Frau Löhrmann und Herr Minister Schneider, ich sage es Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie sich insbesondere bei Ihrer SPD-Parteifreundin, Bundessozialministerin Nahles, nicht durchsetzen können, darf sich das Land seiner Verantwortung nicht entziehen. Wo bleibt da die Solidarität der Genossen zu ihren Grundvorstellungen vom Sozialen? Konsequenz wäre, dass das Land NRW die Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen mit eigenen Mitteln sicherstellen muss. Ich bin gespannt, wie das funktionieren soll.

Sprechen Sie einmal mit Ihrem Finanzminister darüber, wo Gelder eingespart werden können. Streichen Sie ideologische Projekte zugunsten der wirklich nötigen Schulsozialarbeit!

In diesem Sinne werden wir den Antrag aus besagtem Grund nicht unterstützen können. Allerdings verweisen wir auf unseren Entschließungsantrag, der in die gleiche Richtung geht.

Ich muss den Piraten nur noch einen Kurzen mitgeben: Mit dieser direkten Abstimmung wird nichts erreicht. Die Kollegin von der SPD hat völlig recht. Wir hätten das im Ausschuss weiter bereden und dort das dicke Brett bohren sollen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Dann stimmen Sie zu!)

Das hier ist Dünnbrettbohrerei. – Schönen Dank und ein schönes langes Wochenende.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die Landesregierung spricht Minister Schneider.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Alda, Sie stellen sich Politik so vor, wie manche Kinder das Spielen in der Sandkiste.

(Christof Rasche [FDP]: Der war aber pünktlich hier, Sie nicht!)

– Über Pünktlichkeit lässt sich streiten.

Diese Diskussion hier ist nicht neu. Ich habe alle tragenden Argumente vernommen, vor allem auch die von Herrn Alda.

(Christof Rasche [FDP]: Aber nicht vom Antragsteller!)

Sie können sicher sein, dass das Land Nordrhein-Westfalen in Berlin nicht als Bittsteller auftritt. Wir haben berechtigte Interessen, die wir vehement vertreten. Wir vertreten sie unabhängig vom Parteibuch. Es geht um die Interessen von Nordrhein-Westfalen, der Kinder und jungen Leute, nicht um parteipolitische Spielereien.

(Beifall von der SPD)

Im Übrigen haben wir zur Bundesarbeitsministerin ein sehr gutes und entspanntes Verhältnis. Die macht einen sehr guten Job. Sie wäre auch bereit, diese Form von Schulsozialarbeit, die hier in Rede steht, weiter zu finanzieren. Der Herr der Kasse ist aber ein anderer. Auf diese Dinge will ich nicht näher eingehen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist doch albern!)

Im Übrigen: Informieren Sie sich bei den Landesregierungen, die von der CDU mitregiert werden. Diese Landesregierungen gehen auch davon aus, dass die Schulsozialarbeit in Verbindung mit dem Bildungs- und Teilhabepaket vom Bund zu finanzieren ist. Wir sind doch nicht allein. Das ist die Auffassung aller Landesregierungen unabhängig von der politischen Farbenlehre.

(Beifall von der SPD)

Die Argumente sind ausgetauscht. Ich will nur noch einmal auf Folgendes hinweisen: Es gibt nicht die Schulsozialarbeit. Wir reden hier über die Schulsozialarbeit, die quasi als Scharnier wirkt, um die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets bei den anspruchsberechtigten jungen Menschen ankommen zu lassen. Das ist eine sozialpolitische Maßnahme und Aktivität, keine bildungspolitische.

Deshalb wäre es auch systemfremd – vorausgesetzt es ginge –, wenn wir aus den Mitteln, die über die Neufinanzierung des BAföG frei werden, nun die Schulsozialarbeit finanzieren würden. Das wäre eine Irreführung, ein Missbrauch.

Im Übrigen bleiben die Mittel, die frei werden, im Bildungssektor. Dafür ist gesorgt. Man kann sie aber nicht mehrmals ausgeben. Ich glaube, dass wir darin übereinstimmen, dass das kaum möglich ist. Soweit ist auch die Unionsphantasie nicht gediehen.

Meine Damen und Herren, was ist zu tun?

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie erzählen Stuss!)

– Das mag ja Ihre Auffassung sein. Darüber, welcher Stuss hier geredet wird, habe ich heute Morgen eine Lektion gelernt.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Absurd!

Wir werden, wenn das Bildungs- und Teilhabepaket evaluiert wird, dafür sorgen, dass diese Form der sozialpolitisch begründeten Schulsozialarbeit integrierter Bestandteil des Bildungs- und Teilhabepakets wird. Das ist eine Möglichkeit, um hier dauerhaft sehr wichtige, notwendige und erfolgreiche Dinge zu finanzieren.

Ich bin ganz sicher: Die Piraten werden mit einigem zeitlichen Abstand wiederum einen Antrag zur Schulsozialarbeit vorlegen. Der Aufklärung und dem Ziel, diese sozialpolitisch begründete Schulsozialarbeit dauerhaft zu finanzieren, kommen wir über diesen Weg allerdings nicht näher. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die Piratenfraktion hat sich noch einmal Frau Kollegin Pieper zu Wort gemeldet.

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte noch mal ganz kurz auf die Rede der Kollegin von den Grünen eingehen. Sie stellen sich hierhin und werfen uns Populismus, Inhaltsleere und Unseriosität vor – sprechen hier aber auch über Kindergrundsicherung und Ehegattensplitting. Das hilft weder den Schülern noch den Schulsozialarbeitern, deren Verträge im Dezember auslaufen.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der Piraten hat gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu ihrem Antrag Drucksache beantragt.

Nach § 44 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen aller Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

(Unruhe)

Ich bitte Frau Kollegin Güler, nun mit dem Namensaufruf zu beginnen. Bevor Sie das tut, darf ich allerdings um Ruhe bitten, meine Kolleginnen und Kollegen. Das erleichtert den Schriftführerinnen eindeutig, Ihr Votum zu verstehen. Wenn wir so verfahren könnten, darf ich Frau Kollegin Güler bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage])

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe gesehen, dass einige Abgeordnetenkollegen erst im Laufe dieser Abstimmung zu uns gestoßen sind. Frau Güler ist so nett und ruft die Namen derjenigen, von denen wir noch kein Votum haben, noch einmal auf.

(Der Namensaufruf wird fortgesetzt.)

Wir haben jetzt zweimal die Namen aufgerufen. Ich denke, das sollte als Einladung ausreichen.

Ich frage jetzt noch mal ausdrücklich: Ist ein Abgeordneter im Saal, der seine Stimme bisher nicht hat abgeben können? – Das ist augenscheinlich nicht der Fall.

Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

(Die Auszählung erfolgt.)

Meine Kolleginnen und Kollegen, das Ergebnis liegt vor; das Zählen dauert eben ein wenig. Ihre Stimme abgegeben haben 213 Kolleginnen und Kollegen. Mit Ja haben 17 Abgeordnete votiert, mit Nein 196. Kein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag der Piraten Drucksache 16/6849 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen nun zu weiteren Abstimmungen:

erstens über den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/6955. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das sind die Fraktionen von CDU und Piraten und der fraktionslose Abgeordnetenkollege Stein. Wer ist gegen diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich der Stimme? – Das ist die FDP-Fraktion. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/6955 mit dem festgestellten Abstimmungsverhalten der Fraktionen abgelehnt.   


Ich lasse zweitens abstimmen über den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/6958. Wer möchte diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben? – Das sind die Fraktionen von FDP und Piraten. Wer stimmt gegen den Antrag? – Das sind die SPD-Fraktion, Teile der CDU, alle, mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen der CDU, jetzt sieht es so aus, als ob es alle wären, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Kollege Stein. Wer enthält sich der Stimme? – Kein Abgeordneter möchte sich der Stimme enthalten. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/6958 mit der festgestellten Mehrheit abgelehnt.

Damit, meine Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung angelangt. Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Nachmittag und eine gute sitzungsfreie Zeit.

Ich berufe das Landtagsplenum wieder ein für Mittwoch, den 5. November 2014, 10 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen. – Schönen Dank.

Schluss: 14:28 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage

Namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6849 – TOP 6 (Schulsozialarbeit in NRW über das Jahr 2014 hinaus sicherstellen)

 

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Herr Abel

GRÜNE

 

X

 

2

 Herr Abruszat

FDP

 

X

 

3

 Herr Dr. Adelmann

SPD

 

X

 

4

 Herr Alda

FDP

 

X

 

5

 Frau Altenkamp

SPD

 

X

 

6

 Frau Andres

SPD

 

X

 

7

 Frau Asch

GRÜNE

 

X

 

8

 Herr Bas

GRÜNE

 

X

 

9

 Herr Bayer

PIRATEN

X

 

 

10

 Herr Becker, Andreas

SPD

 

X

 

11

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

entschuldigt

12

 Frau Beer

GRÜNE

 

X

 

13

 Frau Dr. Beisheim

GRÜNE

 

X

 

14

 Herr Bell

SPD

 

X

 

15

 Frau Benninghaus

SPD

 

X

 

16

 Herr van den Berg

SPD

 

X

 

17

 Herr Dr. Berger

CDU

 

X

 

18

 Herr Berghahn

SPD

 

X

 

19

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

X

 

20

 Herr Beu

GRÜNE

 

X

 

21

 Herr Bialas

SPD

 

X

 

22

 Herr Biesenbach

CDU

entschuldigt

23

 Frau Birkhahn

CDU

 

X

 

24

 Herr Bischoff

SPD

 

X

 

25

 Frau Blask

SPD

 

X

 

26

 Herr Börner

SPD

 

X

 

27

 Herr Börschel

SPD

 

X

 

28

 Freifrau von Boeselager

CDU

 

X

 

29

 Herr Bolte

GRÜNE

 

X

 

30

 Herr Bombis

FDP

 

X

 

31

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

 

X

 

32

 Frau Brand

PIRATEN

X

 

 

33

 Frau Brems

GRÜNE

abwesend

34

 Herr Breuer

SPD

 

X

 

35

 Herr Brockes

FDP

 

X

 

36

 Frau Dr. Bunse

CDU

 

X

 

37

 Herr Burkert

CDU

 

X

 

38

 Herr Busen

FDP

entschuldigt

39

 Herr Dahm

SPD

 

X

 

40

 Herr Deppe

CDU

abwesend

41

 Frau van Dinther

CDU

entschuldigt

42

 Frau Dmoch-Schweren

SPD

 

X

 

43

 Frau Doppmeier

CDU

 

X

 

44

 Herr Dr. Droste

CDU

entschuldigt

45

 Herr Dudas

SPD

 

X

 

46

 Frau Düker

GRÜNE

 

X

 

47

 Herr Düngel

PIRATEN

X

 

 

48

 Herr Eiskirch

SPD

 

X

 

49

 Herr Ellerbrock

FDP

 

X

 

50

 Herr Engstfeld

GRÜNE

 

X

 

51

 Frau Fasse

CDU

 

X

 

52

 Herr Fehring

CDU

 

X

 

53

 Herr Feuß

SPD

 

X

 

54

 Herr Fortmeier

SPD

 

X

 

55

 Frau Freimuth

FDP

 

X

 

56

 Herr Fricke

PIRATEN

X

 

 

57

 Herr Ganzke

SPD

 

X

 

58

 Herr Garbrecht

SPD

 

X

 

59

 Herr Gatter

SPD

 

X

 

60

 Frau Gebauer

FDP

 

X

 

61

 Frau Gebhard

SPD

 

X

 

62

 Herr Geyer

SPD

 

X

 

63

 Frau Gödecke

SPD

entschuldigt

64

 Herr Goldmann

GRÜNE

 

X

 

65

 Herr Golland

CDU

 

X

 

66

 Frau Grochowiak-Schmieding

GRÜNE

 

X

 

67

 Herr Große Brömer

SPD

entschuldigt

68

 Herr von Grünberg

SPD

 

X

 

69

 Herr Grunendahl

CDU

 

X

 

70

 Frau Güler

CDU

 

X

 

71

 Herr Haardt

CDU

 

X

 

72

 Herr Dr. Hachen

CDU

 

X

 

73

 Frau Hack

SPD

 

X

 

74

 Herr Hafke

FDP

 

X

 

75

 Herr Hahnen

SPD

 

X

 

76

 Frau Hammelrath, Gabriele

SPD

 

X

 

77

 Frau Hammelrath, Helene

SPD

 

X

 

78

 Frau Hanses

GRÜNE

 

X

 

79

 Herr Hausmann

CDU

 

X

 

80

 Herr Hegemann

CDU

 

X

 

81

 Herr Heinrichs

SPD

 

X

 

82

 Frau Hendricks

SPD

 

X

 

83

 Herr Hendriks

CDU

 

X

 

84

 Herr Herrmann

PIRATEN

X

 

 

85

 Herr Herter

SPD

 

X

 

86

 Herr Hilser

SPD

 

X

 

87

 Herr Höne

FDP

 

X

 

88

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

X

 

89

 Frau Howe

SPD

 

X

 

90

 Herr Hübner

SPD

 

X

 

91

 Herr Jäger

SPD

 

X

 

92

 Herr Jahl

SPD

 

X

 

93

 Frau Jansen

SPD

 

X

 

94

 Herr Jörg

SPD

 

X

 

95

 Herr Jostmeier

CDU

entschuldigt

96

 Herr Jung

CDU

 

X

 

97

 Herr Kämmerling

SPD

 

X

 

98

 Herr Kaiser

CDU

 

X

 

99

 Herr Kamieth

CDU

 

X

 

100

 Herr Kerkhoff

CDU

abwesend

101

 Herr Kern, Nicolaus

PIRATEN

X

 

 

102

 Herr Kern, Walter

CDU

 

X

 

103

 Herr Keymis

GRÜNE

 

X

 

104

 Frau Kieninger

SPD

 

X

 

105

 Herr Klocke

GRÜNE

entschuldigt

106

 Frau Klöpper

CDU

 

X

 

107

 Herr Körfges

SPD

 

X

 

108

 Frau Kopp-Herr

SPD

 

X

 

109

 Frau Korte

CDU

 

X

 

110

 Herr Kossiski

SPD

 

X

 

111

 Frau Kraft

SPD

 

X

 

112

 Herr Kramer

SPD

 

X

 

113

 Herr Krick

SPD

 

X

 

114

 Herr Krückel

CDU

 

X

 

115

 Herr Krüger

GRÜNE

entschuldigt

116

 Herr Kruse

CDU

entschuldigt

117

 Herr Kufen

CDU

 

X

 

118

 Herr Kuper

CDU

entschuldigt

119

 Herr Kutschaty

SPD

 

X

 

120

 Herr Lamla

PIRATEN

X

 

 

121

 Herr Laschet

CDU

 

X

 

122

 Herr Lienenkämper

CDU

 

X

 

123

 Herr Lindner

FDP

 

X

 

124

 Herr Löcker

SPD

 

X

 

125

 Herr Lohn

CDU

 

X

 

126

 Frau Lück

SPD

 

X

 

127

 Frau Lüders

SPD

 

X

 

128

 Herr Lürbke

FDP

 

X

 

129

 Frau Lux

SPD

 

X

 

130

 Frau Maaßen

GRÜNE

 

X

 

131

 Herr Dr. Maelzer

SPD

 

X

 

132

 Herr Markert

GRÜNE

 

X

 

133

 Herr Marquardt

SPD

 

X

 

134

 Herr Marsching

PIRATEN

entschuldigt

135

 Herr Meesters

SPD

 

X

 

136

 Frau Middendorf

CDU

 

X

 

137

 Frau Milz

CDU

entschuldigt

138

 Herr Möbius

CDU

 

X

 

139

 Herr Moritz

CDU

 

X

 

140

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

 

X

 

141

 Herr Müller, Hans-Peter

SPD

 

X

 

142

 Herr Müller, Holger

CDU

 

X

 

143

 Frau Müller-Witt

SPD

 

X

 

144

 Herr Münchow

SPD

 

X

 

145

 Herr Münstermann

SPD

 

X

 

146

 Herr Nettekoven

CDU

 

X

 

147

 Herr Nettelstroth

CDU

entschuldigt

148

 Herr Neumann

SPD

 

X

 

149

 Herr Nückel

FDP

 

X

 

150

 Herr Olejak

PIRATEN

X

 

 

151

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

X

 

152

 Herr Ortgies

CDU

 

X

 

153

 Herr Dr. Orth

FDP

 

X

 

154

 Herr Ott

SPD

 

X

 

155

 Herr Dr. Papke

FDP

 

X

 

156

 Herr Dr. Paul, Joachim

PIRATEN

X

 

 

157

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

 

X

 

158

 Frau Philipp

SPD

 

X

 

159

 Frau Pieper

PIRATEN

X

 

 

160

 Herr Post

CDU

 

X

 

161

 Herr Preuß

CDU

 

X

 

162

 Frau Preuß-Buchholz

SPD

 

X

 

163

 Herr Priggen

GRÜNE

abwesend

164

 Herr Rahe

SPD

 

X

 

165

 Herr Rasche

FDP

 

X

 

166

 Herr Rehbaum

CDU

 

X

 

167

 Herr Römer

SPD

 

X

 

168

 Herr Rohwedder

PIRATEN

X

 

 

169

 Herr Rüße

GRÜNE

 

X

 

170

 Frau Ruhkemper

SPD

 

X

 

171

 Frau Rydlewski

PIRATEN

X

 

 

172

 Frau Schäfer, Ute

SPD

 

X

 

173

 Frau Schäffer, Verena

GRÜNE

 

X

 

174

 Frau Scharrenbach

CDU

 

X

 

175

 Herr Schatz

PIRATEN

X

 

 

176

 Herr Scheffler

SPD

 

X

 

177

 Herr Schemmer

CDU

 

X

 

178

 Herr Schick

CDU

 

X

 

179

 Herr Schittges

CDU

 

X

 

180

 Herr Schlömer

SPD

 

X

 

181

 Herr Schmalenbach

PIRATEN

X

 

 

182

 Herr Schmeltzer

SPD

 

X

 

183

 Herr Schmitz, Hendrik

CDU

entschuldigt

184

 Frau Schmitz, Ingola Stefanie

FDP

 

X

 

185

 Frau Schneckenburger

GRÜNE

 

X

 

186

 Herr Schneider, Guntram

SPD

 

X

 

187

 Herr Schneider, René

SPD

 

X

 

188

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

X

 

189

 Herr Schultheis

SPD

 

X

 

190

 Herr Schulz

PIRATEN

X

 

 

191

 Frau Schulze

SPD

 

X

 

192

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

X

 

193

 Herr Schwerd

PIRATEN

abwesend

194

 Herr Seel

CDU

 

X

 

195

 Frau Dr. Seidl

GRÜNE

 

X

 

196

 Herr Sieveke

CDU

 

X

 

197

 Herr Sommer

PIRATEN

X

 

 

198

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

 

X

 

199

 Herr Spiecker

CDU

 

X

 

200

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

X

 

201

 Herr Stein

fraktionslos

 

X

 

202

 Frau Steininger-Bludau

SPD

 

X

 

203

 Frau Steinmann

SPD

 

X

 

204

 Herr Prof. Dr.Dr. Sternberg

CDU

 

X

 

205

 Herr Stotko

SPD

 

X

 

206

 Frau Stotz

SPD

 

X

 

207

 Herr Sundermann

SPD

 

X

 

208

 Herr Tenhumberg

CDU

entschuldigt

209

 Herr Thiel

SPD

abwesend

210

 Herr Töns

SPD

 

X

 

211

 Herr Tüttenberg

SPD

 

X

 

212

 Herr Ünal

GRÜNE

 

X

 

213

 Herr Uhlenberg

CDU

 

X

 

214

 Frau Velte

GRÜNE

 

X

 

215

 Herr Vogt, Alexander

SPD

 

X

 

216

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

X

 

217

 Frau Voigt-Küppers

SPD

 

X

 

218

 Frau Voßeler

CDU

 

X

 

219

 Herr Voussem

CDU

 

X

 

220

 Frau Wagener

SPD

 

X

 

221

 Frau Warden

SPD

 

X

 

222

 Frau Watermann-Krass

SPD

 

X

 

223

 Herr Weckmann

SPD

 

X

 

224

 Herr Wedel

FDP

 

X

 

225

 Herr Wegner

PIRATEN

X

 

 

226

 Herr Weiß

SPD

 

X

 

227

 Herr Weske

SPD

 

X

 

228

 Herr Wirtz, Axel

CDU

 

X

 

229

 Herr Wirtz, Josef

CDU

 

X

 

230

 Herr Witzel

FDP

 

X

 

231

 Herr Dr. Wolf, Ingo

FDP

entschuldigt

232

 Herr Wolf, Sven

SPD

 

X

 

233

 Herr Wüst

CDU

 

X

 

234

 Herr Yetim

SPD

 

X

 

235

 Herr Yüksel

SPD

 

X

 

236

 Frau Zentis

GRÜNE

 

X

 

237

 Herr Zimkeit

SPD

 

X

 

 

Ergebnis

 

17

196