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Landtag

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Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/65

16. Wahlperiode

10.09.2014

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65. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 10. September 2014

Mitteilungen der Präsidentin. 6519

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 6519

1   Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014 (Nachtragshaushaltsgesetz 2014)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6700

erste Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6688

erste Lesung

Und:

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6500

Ergänzung
Drucksache 16/6710

erste Lesung

Und:

Finanzplanung 2014 bis 2018 mit Finanzbericht 2015 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/6501

Und:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2015 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2015 – GFG 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6502

erste Lesung. 6520

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 6520

Armin Laschet (CDU) 6527

Norbert Römer (SPD) 6536

Christian Lindner (FDP) 6542

Reiner Priggen (GRÜNE) 6550

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 6558

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 6563

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 6573

Martin Börschel (SPD) 6576

Christian Lindner (FDP) 6579

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 6581

Dietmar Schulz (PIRATEN) 6583

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 6589

Gemeindefinanzierungsgesetz. 6592

Minister Ralf Jäger 6592

Ralf Nettelstroth (CDU) 6593

Michael Hübner (SPD) 6595

Kai Abruszat (FDP) 6597

Mario Krüger (GRÜNE) 6599

Dietmar Schulz (PIRATEN) 6600

Ergebnis. 6602

2   Betreuung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen in NRW verbessern – Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt muss Vorrang vor öffentlich geförderter Beschäftigung haben

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6681. 6603

Ulrich Alda (FDP) 6603

Daniela Jansen (SPD) 6604

Matthias Kerkhoff (CDU) 6604

Martina Maaßen (GRÜNE) 6605

Torsten Sommer (PIRATEN) 6606

Minister Guntram Schneider 6607

Ulrich Alda (FDP) 6608

Ergebnis. 6609

3   Bauen mit Holz erleichtern – Bauordnung Nordrhein-Westfalens ändern

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6687 – Neudruck. 6609

Rainer Deppe (CDU) 6609

Holger Ellerbrock (FDP) 6609

Sarah Philipp (SPD) 6610

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) 6611

Oliver Bayer (PIRATEN) 6612

Minister Michael Groschek. 6612

Bernhard Schemmer (CDU) 6613

Ergebnis. 6613

4   Vorweggehen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6676. 6613

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 6613

Dietmar Bell (SPD) 6614

Thomas Kufen (CDU) 6614

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) 6615

Dietmar Brockes (FDP) 6616

Minister Michael Groschek. 6616

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 6617

Ergebnis. 6618

5   Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Landesfarben, das Landeswappen und die Landesflagge

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6192

erste Lesung. 6618

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(siehe Anlage 1)

Ergebnis. 6618

6   Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das öffentliche Flaggen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6193

erste Lesung. 6619

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(siehe Anlage 2)

Ergebnis. 6619

7   Siebtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie zur Änderung weiterer Gesetze

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6194

erste Lesung. 6619

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(siehe Anlage 3)

Ergebnis. 6619

8   Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Körperschaftsstatusgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/4151

Unterrichtung
durch die Präsidentin
des Landtags
Drucksache 16/6765

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6753

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/6708

zweite Lesung. 6619

Markus Töns (SPD) 6619

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 6620

Ali Bas (GRÜNE) 6621

Angela Freimuth (FDP) 6622

Michele Marsching (PIRATEN) 6623

Minister Thomas Kutschaty. 6624

Ergebnis. 6624

9   Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6223

erste Lesung. 6624

Minister Thomas Kutschaty
zu Protokoll
(siehe Anlage 4)

Ergebnis. 6624

10 Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe?Anerkennungsge-setz – SobAG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6224

erste Lesung. 6625

Ministerin Ute Schäfer
zu Protokoll
(siehe Anlage 5)

Ergebnis. 6625

11 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen – DSG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6634

erste Lesung. 6625

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll
(siehe Anlage 6)

Ergebnis. 6625

12 Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz und zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6635

erste Lesung. 6625

Minister Johannes Remmel
zu Protokoll
(siehe Anlage 7)

Ergebnis. 6625

13 Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6636

erste Lesung. 6625

Minister Guntram Schneider
zu Protokoll
(siehe Anlage 8)

Ergebnis. 6625

14 10. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Versorgungswerks der Mitglieder des Landtags Nordrhein-Westfalen und des Landtags Brandenburg

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6123

Beschlussempfehlung
des Hauptausschusses
Drucksache 16/6690

zweite Lesung. 6626

Ergebnis. 6626

15 Steuererhöhungsspirale der Kommunalsteuern beenden – fiktive Hebesätze im kommunalen Finanzausgleich langfristig absenken!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6684. 6626

Ergebnis. 6626

16 Auswirkungen der Bevölkerungsschrumpfung abdämpfen – Demografieansatz im GFG stärken

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6685. 6626

Ergebnis. 6626

17 „Schwarze Kasse“ des Innenministeriums zur Bewältigung des kommunalen Problems der Krankheitskosten für Asylbewerber nutzen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6686. 6626

Ergebnis. 6626

18 Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung des Kreises Paderborn, der Kreisstadt Euskirchen sowie der Stadt Recklinghausen §§ 17 bis 19 Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG – NRW – vom 10. Januar 2012 (GV. NRW. S. 17) sowie §§ 1 bis 22 Verordnung Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – RVO TVgG – NRW – vom 14. Mai 2013 (GV. NRW. S. 253) verstießen gegen das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung, insbesondere gegen Art. 78 Abs. 3 LV NRW

VerfGH 15/14
Vorlage 16/1965

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/6691. 6626

Ergebnis. 6626

19 Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Vorlage des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zu der Frage, ob die §§ 31, 32 des Hochschulrahmengesetzes in der Fassung des Siebten HRG-Änderungsgesetzes vom 28. August 2004 sowie die Vorschriften der Länder zur Ratifizierung und Umsetzung des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung mit dem Grundgesetz vereinbar sind, soweit sie für den Studiengang Humanmedizin ein Vergabeverfahren vorsehen, bei dem nach Abzug einiger Vorabquoten 20 % der Studienplätze allein nach dem Grad der Qualifikation (unter Bildung von Länderquoten), 60 % der Studienplätze maßgeblich nach dem Grad der Qualifikation (ohne Bildung von Länderquoten) und 20 % der Studienplätze nach Wartezeit (ohne Beschränkung auf Bewerbungssemester) vergeben werden und bei dem die für eine Zulassung in der Wartezeitquote erforderliche Anzahl an Wartesemestern regelmäßig die Dauer eines normalen Studiums übersteigt

1 BvL 5/13 u. a.
Vorlage 16/2069

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/6692. 6627

Ergebnis. 6627

20 Nachwahl zur Vertreterversammlung für das Versorgungswerk der Mitglieder des Landtags Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
Drucksache 16/6652. 6627

Ergebnis. 6627

21 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 22
gem. § 82 Abs. 2 GeschO
(§ 79 Abs. 2 GO a.F.)
Drucksache 16/6693. 6627

Ergebnis. 6627

22 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/24. 6627

Ergebnis. 6627

Anlage 1. 6629

Zu TOP 5 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Landesfarben, das Landeswappen und die Landesflagge“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 6629

Anlage 2. 6631

Zu TOP 6 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das öffentliche Flaggen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 6631

Anlage 3. 6633

Zu TOP 7 – „Siebtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie zur Änderung weiterer Gesetze“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 6633

Anlage 4. 6635

Zu TOP 9 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Thomas Kutschaty. 6635

Anlage 5. 6637

Zu TOP 10 – „Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe-Anerkennungsgesetz – SobAG)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Ute Schäfer 6637

Anlage 6. 6639

Zu TOP 11 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen – DSG NRW)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Ralf Jäger 6639

Anlage 7. 6641

Zu TOP 12 – „Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz und zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Johannes Remmel 6641

Anlage 8. 6643

Zu TOP 13 – „Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Guntram Schneider 6643

Entschuldigt waren:

Minister Garrelt Duin

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren   
(ab 12 Uhr)

Ministerin Barbara Steffens      
(ab 12 Uhr)

Wolfgang Große Brömer (SPD)

Norbert Meesters (SPD)           
(ab 18 Uhr)

Lothar Hegemann (CDU)

Winfried Schittges (CDU)

Rolf Seel (CDU)

Horst Becker (GRÜNE)

Ralph Bombis (FDP)    
(bis 13 Uhr)

Yvonne Gebauer (FDP)

Stefan Fricke (PIRATEN)

Lukas Lamla (PIRATEN)           
(ab 14 Uhr)

Daniel Schwerd (PIRATEN)

 

 

Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn sich der Plenarsaal gerade erst wieder füllt und verständlicherweise zu Beginn der ersten Sitzung nach unserer Sommerpause das eine oder andere zu besprechen ist, würde ich jetzt gerne beginnen.

Zu Beginn heiße ich Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, der 65. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sieben Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir in das Protokoll aufnehmen.

Wir haben auch zwei Kollegen unter uns, die heute ihren Geburtstag feiern. Beide gehören der CDU-Fraktion an. Ich gratuliere im Namen des Hohen Hauses mit besonderer Freude und sehr herzlich Herrn Kollegen Arne Moritz und Herrn Kollegen Henning Rehbaum zum Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich zwei Vorbemerkungen zu machen.

Erstens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir, noch einmal auf die Plenarsitzung am 3. Juli 2014 zurückzukommen. Wie Sie sich sicherlich erinnern werden, kam es anlässlich der Beratung zum Tagesordnungspunkt 6, der Änderung des Abgeordnetengesetzes, zu einem Vorfall insoweit, als die anwesenden Mitglieder der Piratenfraktion mit transparenten Westen bekleidet der Aussprache folgten. Ich habe daraufhin die Fraktionsmitglieder aufgefordert, diese Westen abzulegen. Da dies trotz zweimaliger Wiederholung nicht erfolgte, habe ich die anwesenden Mitglieder der Piratenfraktion, ausgenommen den Kollegen Bayer, der zu dieser Zeit im Sitzungspräsidium saß – wie gerade auch – und keine Weste trug, gerügt.

Gegen diese Rüge haben die Kollegen Düngel und Marsching Beschwerde eingelegt. Sie wiesen darauf hin, dass sie zu dem Zeitpunkt der Rüge nicht im Plenarsaal gewesen seien. Der Kollege Marsching ist allerdings im weiteren Verlauf der Debatte ebenfalls mit einer solchen Weste erschienen und hat so bekleidet auch den Redebeitrag der Piratenfraktion am Rednerpult bestritten.

Das Präsidium hat sich geschäftsordnungsgemäß mit diesen Beschwerden befasst. Es hat festgestellt, dass die von mir gewählte Formulierung ersichtlich nur die Personen betreffen sollte, die sich zu diesem Zeitpunkt auf den Sitzplätzen der Piratenfraktion befanden und mit solchen Westen bekleidet waren. Das waren zum Zeitpunkt der Rüge alle auf den Sitzplätzen der Fraktion befindlichen Piratenabgeordneten. Insofern war für jeden Beobachter klar, dass meine Rüge sich auch nur auf diejenigen Personen bezog, die zu diesem Zeitpunkt mit diesen Westen bekleidet im Saal waren.

Ich stelle noch einmal klar, dass die Rüge nicht auf die beiden Kollegen Marsching und Düngel bezogen war.

Zum Zweiten möchte ich Ihnen vor Eintritt in die Tagesordnung Folgendes mitteilen: Der Chef der Staatskanzlei hat mir mit Schreiben vom 3. Juli 2014 die Haushaltssatzung des Landesverbandes Lippe für das Haushaltsjahr 2014 sowie zwei Durchschriften des Genehmigungs­erlasses des Innenministers zugesandt. Gemäß § 10 des Gesetzes über den Landesverband Lippe vom 5. November 1948 bitte ich um Ihre Kenntnisnahme. – Diese stelle ich hiermit fest. Die Unterlagen können wie immer im Archiv eingesehen werden.

Mit diesen beiden Vorbemerkungen vor Eintritt in die Tagesordnung treten wir jetzt in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1   Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014 (Nachtragshaushaltsgesetz 2014)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6700

erste Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6688

erste Lesung

Und:

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6500

Ergänzung
Drucksache 16/6710

erste Lesung

Und:

Finanzplanung 2014 bis 2018 mit Finanzbericht 2015 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/6501

Und:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2015 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2015 – GFG 2015)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6502

erste Lesung

Zur Vorstellung des Nachtragshaushaltsgesetzes, des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014, des Haushaltsgesetzes und der Finanzplanung erteile ich nunmehr für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Walter-Borjans das Wort.

Es wäre schön, wenn der Grundgeräuschpegel im Haus etwas gesenkt werden könnte, nicht nur für die Rede des Herrn Ministers, sondern insbesondere auch für die dann folgende Aussprache.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heutige Einbringung des Haushaltsentwurfs für 2015 erfolgt zweifellos unter ungewöhnlichen Bedingungen. Denn zeitgleich ist ein Nachtrag für 2014 und eine Ergänzung für 2015 notwendig geworden. Ursachen dafür sind das veränderte Besoldungsanpassungsgesetz für die Beamtinnen und Beamten des Landes, das ich heute ebenfalls vorlege, und Steuereinnahmen, die deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind.

Trotz dieser Erschwernisse bleibt es dabei: Wir werden den Weg des Abbaus der Kreditaufnahme konsequent fortsetzen und in die Zukunft dieses Landes investieren. Wir wirtschaften sparsam, aber wir werden das Land nicht kaputtsparen.

Nordrhein-Westfalen bleibt auch mit einer Besoldungsanpassung, die erst einen Teil der angestrebten Kostendämpfung im Personaletat realisiert, und mit nach unten korrigierten Steuereinnahmen auf dem Kurs der Haushaltskonsolidierung. Nordrhein-Westfalen wird auch mit dem Nachtrag 2014 und dem ergänzten Haushalt 2015 die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben aller Länder haben.

Nur damit Sie ein Gefühl für die Größenordnung bekommen: Die aktuellsten Vergleichszahlen, die mir vorliegen, sind aus dem Jahr 2013 und zeigen, dass Nordrhein-Westfalen pro Einwohner 318 € weniger ausgibt als die übrigen westdeutschen Flächenländer. Auf Nordrhein-Westfalen umgerechnet sind das 5,6 Milliarden weniger als das Ausgabenniveau der anderen Westländer. Gegenüber den ostdeutschen Flächenländern sind es sogar 883 € weniger pro Einwohner.

Gerade wegen dieses niedrigen Ausgabenniveaus ist die Konsolidierung auf einem erfolgreichen Weg. Auch mit dem Nachtrag sinkt die geplante Kreditaufnahme nach vier Jahren rot-grüner Regierungszeit immer noch auf weniger als die Hälfte dessen, was die schwarz-gelbe Regierung 2010 hinterlassen und im Übrigen bis 2013 fortgeschrieben hat.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Dr. Joachim Paul [PIRATEN] – Zurufe von der CDU)

– Kommen Sie mir nicht immer mit: „Danach haben sich aber die Verhältnisse verbessert“! Das hat die schwarz-gelbe Regierung in ihrer Finanzplanung auch unterstellt,

(Zuruf von der CDU: Das stimmt nicht!)

und trotzdem ist sie bei 6,5 Milliarden geblieben.

Der Haushaltsplanentwurf 2015 sieht eine Menge struktureller Einsparungen vor:

Im Haushalt 2015 werden wir die Ausgaben aufgrund der Entscheidung zur Besoldungsanpassung deutlich unter dem Zuwachs einer Eins-zu-eins-Übertragung halten, die ursprünglich alle von der Opposition – jedenfalls in vielen Interviews – als zwingend notwendig beschrieben haben: 220 Mi-llionen weniger. Immerhin sind es aber auch 480 Millionen mehr, keine Frage.

Bei den Personalausgaben will die Landesregierung in diesem und den beiden Folgejahren je 160 Millionen einsparen.

Durch den Abbau von 2.305 Stellen im Haushalt 2014 und weiteren 804 im Haushalt 2015 werden 155 Millionen eingespart.

Die fortwirkenden Einsparungen bei den Förderprogrammen sind 145 Mil­lionen wert.

Durch Einsparungen bei den Landesbetrieben, die Reduzierung des Mietausgabenzuwachses, die Fusion der Oberfinanzdirektionen – von Ihnen auch nicht gerade positiv begleitet – und die Reduzierung von Kofinanzierungsanteilen bei EU-Förderpro-grammen werden insgesamt Einsparungen in Höhe von 30 Millionen erzielt.

Hinzu kommen die globalen Einsparungen, die die Ressorts in eigener Regie vorzunehmen haben. Dabei können sie ihre Kenntnis über die eigenen Haushalte einsetzen und damit wirklich flexibel reagieren.

Die Opposition mag sich der Realität beharrlich verweigern. Die Wirtschaftsprüfer von PwC, die alljährlich ein Länderfinanzbenchmarking erstellen, haben die Realität jedoch erkannt. In ihrem Bericht, 2014 verfasst, heißt es zu NRW:

Angesichts der allgemein günstigen Rahmenbedingungen hinsichtlich Zinssatz und Steuereinnahmen gehört das Land zu jener Gruppe von Bundesländern, die bei einer moderaten Ausgabenentwicklung die Schuldenbremse einhalten können.

(Zuruf von der FDP: Können!)

Trotzdem: Wir wollten eigentlich weiter sein. Das ist keine Frage. Wir wollten schon nach vier Jahren zwei Drittel der Kreditaufnahme von 2010 reduziert haben. Das werden wir jetzt erst nach fünf Jahren schaffen. Das heißt aber immer noch: In der halben Zeitspanne von 2010 bis 2020 werden wir zwei Drittel des Weges zurückgelegt haben.

Veränderte Rahmenbedingungen zwingen zur Anpassung. Aber diese Anpassung zeigt, dass ein solide aufgestellter Haushalt diese Herausforderungen bewältigen kann – selbstverständlich mit erhöhtem Anpassungsdruck für die zweite Hälfte des Jahrzehnts, an dessen Ende das Verbot der Neuverschuldung der Länder steht.

Aktuelle Auslöser für einen erhöhten Anpassungsdruck sind Einbrüche bei Körperschaftssteuern und Steuern auf Dividenden, die sich erkennbar auf die Regionen mit einem hohen Anteil an der Energiewirtschaft konzentrieren. In den anderen Regionen – man kann anhand einer Karte sehr schön darstellen, wie sich die Steuereinnahmen über das Land verteilen – ist die Entwicklung ganz überwiegend zufriedenstellend.

Anders als vom Fraktionsvorsitzenden der CDU vor wenigen Tagen in einer Pressemitteilung behauptet, ist das keine Schuldzuweisung an die Energiewirtschaft. Das lag mir fern, und das wissen auch die dort Verantwortlichen, mit denen ich auch darüber Gespräche geführt habe, ob ich diese Veränderungen in der Branche zum Thema machen darf. Es ist keine Schuldzuweisung, sondern es ist eine von den Unternehmen selber bestätigte Tatsachenfeststellung, von der NRW als Energieland Nummer eins allerdings besonders hart betroffen ist.

Herr Laschet, Sie sagen, das hätte man vorher wissen müssen. Ich frage mich dann allerdings: Warum ist denn im vergangenen Jahr, als immer Ihre Gebetsmühle kam „Du hast die Steuern zu hoch angesetzt“ – das haben Sie in den Jahren zuvor ja auch gemacht, haben dann aber regelmäßig feststellen müssen, dass das nicht stimmt, denn die Steuereinnahmen waren sogar höher –, von Ihnen kein einziges Mal das Thema „Energie“ angesprochen worden? Sie hatten hier nur eine pauschale Behauptung, keinen konkreten Hintergrund.

Ich sage Ihnen noch etwas: Essen hat einen CDU-Kämmerer, den ich noch aus alter Zeit kenne. Glad-beck hat ebenfalls einen CDU-Kämmerer. Die wussten das auch nicht. Die beiden haben auch nicht damit gerechnet, dass sich die Veränderungen in ihrem Haushalt so abzeichnen werden, wie das der Fall ist.

Im Übrigen waren die Steuereinnahmen auch am Ende des ersten Quartals in diesem Jahr mit einem Plus von 5,9 % sogar deutlich über dem Plan.

Zum Rückgang an Unternehmenssteuern kommen weitere Rückgänge: ein Rückgang der Abgeltungssteuer als Folge des niedrigen Zinsniveaus und infolgedessen eine Abwanderung aus der Geldanlage in andere Anlageformen. Das trifft aber nicht nur Nordrhein-Westfalen, das trifft alle.

Auch andere Länder haben im Übrigen spezielle Branchenprobleme, die aus ihrer Wirtschaftsstruktur resultieren, und zwar sogar mit einem deutlich stärkeren Einbruch der Steuereinnahmen, als das in Nordrhein-Westfalen der Fall ist.

Die Umsatzsteuer, die Sie, Herr Laschet, in der zitierten Pressemitteilung ebenfalls als Schwachpunkt ausgemacht haben, weist bis Ende August in der Tat ein Minus von 0,8 % aus. Man muss aber wissen, dass es im Jahresverlauf eine Verschiebung gibt, die so aussieht, dass das Land im September über die Umsatzsteuerrückverteilung gegenüber dem Vorjahr Einnahmen in Höhe von 700 Millionen € generieren wird und damit die Umsatzsteuer in diesem Jahr im Plan ist. Das ist eine andere zeitliche Anordnung der Einnahmen in diesem Jahr. Das ist kein Hoffnungswert, sondern das ist eine mit Gewissheit eintretende Einnahme. Im Ergebnis ist damit die Umsatzsteuer im Plan, und die Hiobsbotschaft, die Sie, Herr Laschet, verbreitet haben, gegenstandslos.

Es ist im Übrigen üblich, Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen zu vergleichen. Das gilt auch für Soll- und für Istzahlen. Deswegen, Herr Laschet, dürfen Sie nicht sagen: „Es gibt keine Senkung vom Ist zum Soll“, sondern Sie müssen fragen: Was ist mit der Istzahl dieses Jahres und der Istzahl des vorigen Jahres bzw. was ist mit der Sollzahl dieses Jahres und der Sollzahl des vorigen Jahres?

(Armin Laschet [CDU]: Alles gut!)

Der Haushalt 2014 wird im Sollvergleich auch mit den im Nachtrag geplanten 3,2 Milliarden eine um 150 Millionen geringere Kreditaufnahme haben, als sie im Haushaltsplan 2013 vorgesehen war. 2015 werden es noch mal rund 40 % weniger sein; dann sind es 2,25 Milliarden. Das ist mehr, als ursprünglich im Haushaltsplan war, das ist keine Frage. Aber es geht von Jahr zu Jahr zurück. Ziel ist, am Ende der Finanzplanungsphase den bisher geplanten Wert wieder erreicht zu haben.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das glaubt Ihnen doch kein Mensch mehr!)

– “Glauben“ nicht, aber „behaupten“ auch nicht! Das kann man sehen, wie man will.

Ihre Behauptung nämlich, dass in unserem Lande die Neuverschuldung steige, während Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen Rekordüberschüsse erzielen, ist wirklich glatte Rosstäuscherei. Denn, Herr Laschet, Sie wissen ganz genau, dass die Überschüsse im Gesamthaushalt vor allem aus den Sozialversicherungen und von der Bundesbank kommen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Weiß er nicht!)

Man sollte auch nicht übersehen, dass sie auch aus der Ersten Abwicklungsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen kommen. Wenn Sie also schon alle Haushalte einbeziehen, müssen Sie auch sagen, dass das Land Nordrhein-Westfalen zu den 16,1 Milliarden, die im Gesamthaushalt Deutschlands im ersten Halbjahr erzielt worden sind, kein Minus beisteuert, sondern dass aus Nordrhein-Westfalen ein milliardenhohes Plus kommt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie können diese Größen nicht einmal einbeziehen und dann einen Vergleich ziehen, bei dem sie sie wieder ausgliedern. Auch die FDP müsste wissen: Wenn Sie das einbeziehen, müssen Sie die Schuldenuhr rückwärts laufen lassen; denn dann baut das Land von Jahr zu Jahr den Schuldenstand dramatisch ab. Man muss also gucken, welche Vergleichsgröße man nimmt, statt die zu nehmen, die einem gerade am besten gefällt.

Eine letzte Bemerkung zu der Pressemitteilung: Der Finanzminister erwartet für 2015 kein Steuereinnahmenplus von 6,7 %. Das ist eine Mondzahl, die Sie sich selber zuschreiben müssen. Darauf kann nur einer kommen, der hartnäckig das ignoriert, was ich bei der Vorstellung der Zahlen für die Ergänzung des Haushaltes 2015 gesagt habe, nämlich dass die Landesregierung eine zweite Ergänzung vorlegen wird, wenn absehbar ist, zu welchem Ergebnis die Steuerschätzer kommen. Zugleich habe ich gesagt, dass es belastbare Hinweise darauf gibt, dass diese zweite Ergänzung in Bezug auf die Nettokreditaufnahme alles in allem neutral ausfallen wird und deswegen die Neuverschuldung im Rahmen der auch in diesem Haushalt – einschließlich Ergänzungen – vorgesehenen Größenordnung liegt.

Bevor ich jetzt auf die Eckdaten der aktuellen Haushaltsentwürfe für 2014 und 2015 eingehe, will ich mich der veränderten Besoldungsanpassung zuwenden. Das behandeln wir heute ja alles in einem großen Paket.

Wir haben – und dafür danke ich allen Beteiligten ausdrücklich – in guten und konstruktiven Gesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften und Verbände sowohl die Neufassung des Besoldungsanpassungsgesetzes als auch den Anpassungsbedarf für die nächsten Jahre eingehend und offen diskutiert.

Für 2013 und 2014 haben wir eine feste Vereinbarung getroffen und unterschrieben. Aber auch für die Zeit danach haben wir klare Signale gesetzt und über diese klaren Signale auch eingehend gesprochen. Ich weiß, dass die Gespräche, das Ergebnis und die bleibenden Herausforderungen der nächsten Jahre für die Gewerkschaften keine leichte Kost sind. Ich habe noch in der vergangenen Woche mit den Vertretern der Personalrätekonferenz des DGB diskutiert. Wir stellen uns dieser Debatte; aber wir sagen auch offen, was geht und was nicht geht.

Die Vereinbarung über die rückwirkende Anpassung, die wir getroffen haben und jetzt in einem Gesetzentwurf vorlegen, sieht vor, dass es, beginnend mit der niedrigsten Erfahrungsstufe – der Besoldungsgruppe A11 – eine Anpassung gibt, die prozentual umgerechnet an die Eins-zu-eins-Übertragung des Tarifergebnisses für die niedrigeren Besoldungsgruppen anschließt.

Dadurch, dass wir eine Kombination aus einer insgesamt je 1,5%igen Erhöhung für 2013 und 2014 und einem anschließenden Festbetrag von monatlich 30 € im Jahr 2013 und 40 € im Jahr 2014 gewählt haben, ergibt sich eine gleitende Absenkung des Einkommenszuwachses von dieser ersten Erfahrungsstufe – A11 – an – sie beträgt 5,6 % für zwei Jahre, entspricht also einer Eins-zu-eins-Anpassung – bis auf einen Wert für die höchste Besoldungsgruppe – B10 –, der mit 3,7 % immer noch deutlich über der Inflationsrate liegt.

Wie in früheren Runden werden die 0,2 Prozentpunkte nicht ausgezahlt, sondern sie gehen für die Landesbeamten in die Versorgungsrücklage. Das ist im Übrigen – dazu hat es wohl einmal eine Pressemitteilung gegeben – in der Runde eindeutig geklärt gewesen, das ist mit jedem Einzelnen kommuniziert worden. Am Wochenende ist es auch noch mit dem Vorsitzenden der komba kommuniziert worden, der hierzu, weil er nicht mit am Tisch gesessen hatte, eine anderslautende Erklärung abgegeben hatte.

Ich will nur nebenbei ergänzen, dass die Ministerinnen und Minister – das Landeskabinett – in ihrer vergangenen Sitzung beschlossen haben, für sich selbst auf die Anpassung, die sich aus der Ankopplung an die Beamtengehälter bzw. Beamtenbesoldung ergibt, zu verzichten.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Die Anpassung erfolgt vereinbarungsgemäß zeitversetzt. Die Besoldungsgruppen A11 und A12, die schon eine jeweils 1%ige sofort wirksame Erhöhung für 2013 und 2014 erhalten haben, bekommen die jetzt noch notwendige Aufstockung mit einer viermonatigen Verzögerung. Der Gehaltszuwachs insgesamt wird dadurch um weniger als vier Monate verzögert. Für die höheren Besoldungsgruppen ab A13, für die bislang keine Erhöhung der Grundbezüge geplant war, gibt es die Anpassung mit achtmonatiger Verzögerung. Damit tragen wir den Auflagen des Verfassungsgerichtshofs Rechnung, zwischen den Besoldungsstufen keine zu großen Sprünge entstehen zu lassen und die Abstufungen nicht einfach ohne eingehende sachliche Begründung zwischen zwei Besoldungsgrenzen festzulegen, sondern gleitend zu vollziehen.

Wir haben die Möglichkeiten ausgeschöpft, die der Verfassungsgerichtshof benannt hat. Das sind Möglichkeiten, die für manch einen, der sich vorher allein auf die Anhörung im Landtag bezogen hatte, überraschend waren. Das Gericht hat viel mehr Möglichkeiten eröffnet – erst recht für die Zukunft, aber auch für die Bewältigung dessen, was wir jetzt für 2013 und 2014 klarzustellen hatten. Dazu gehören die nicht notwendigerweise vorzunehmende Eins-zu-eins-Anpassung, die soziale Staffelung und die zeitversetzte Anpassung in dem Rahmen, den ich eben beschrieben habe: mit keiner zu großen Abstufung, keiner zu großen zeitlichen Versetzung und auch nicht mit einer willkürlichen Festlegung der Grenzen, ab denen die jeweils neue Stufe gilt.

Aufgrund dieser Vereinbarung fällt die strukturelle Belastung für den Haushalt 2014 nicht um gut 700 Millionen € niedriger aus, wie wir ursprünglich geplant hatten. Es sind aber immerhin noch 220 Millionen € weniger als bei der geforderten und – wie ich eben sagte – von manchem für zwingend notwendig gehaltenen eins zu eins Anpassung. Die Belastung ist also um 220 Millionen € geringer.

Wegen der zeitlich versetzten Anpassung 2013 und 2014 wird im Nachtragshaushalt für 2014 eine Nachzahlung von 433 Millionen € fällig. Ab 2015 würden die Haushalte Jahr für Jahr um 482 Millionen € zusätzlich belastet. Hierzu aber haben wir in den Gesprächen unmissverständlich erklärt, dass eine weitere strukturell wirksame Absenkung nicht zu umgehen ist und zu dem Teil der Haushaltskonsolidierung gehört, an der auch der Personalhaushalt anteilsmäßig fair beteiligt werden muss. Diese weitere Anpassung ist in der Ergänzungsvorlage mit 160 Millionen € berücksichtigt.

Ich komme jetzt zum Nachtrag für das Haushaltsjahr 2014.

Mit dem Nachtrag 2014 steigen die Ausgaben bedingt durch die gerade beschriebene Besoldungsanpassung, die Mittel für Hilfen im Zusammenhang mit Ela sowie die Kofinanzierungsmittel für den Städtebau – verringert um die Minderausgaben bei Zinsen – um 0,3 Milliarden € auf 62,6 Milliarden €. Das wird das neue Haushaltsvolumen sein.

Die Einnahmen sinken wegen der eingangs erwähnten Steuerrückgänge, der gegenläufig wirkenden Mehreinnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und der Bundesergänzungszuweisungen, aber auch wegen zusätzlicher Gerichtsgebühren – allein diese betragen rund 50 Millionen € – um 0,6 Milliarden € auf gut 59 Milliarden €.

Die Differenz zwischen den 62,6 Milliarden € und den gut 59 Milliarden € bedingt den Anstieg der Nettokreditaufnahme um insgesamt 3,2 Milliarden €.

Die Eckdaten für 2015 sehen Einnahmen in Höhe von 61,6 Milliarden € vor, die mit einem zweiten Ergänzungshaushalt an die bevorstehende Steuerschätzung angepasst werden sollen. Die Ausgaben liegen bei gut 64 Milliarden €. Unabhängig davon, dass mit der Steuerschätzung und den gegenläufigen Zahlungsströmen noch eine weitere Anpassung der Einnahmen und der Ausgaben – in beiden Fällen aber nach unten – notwendig und möglich sein wird, wird es nach dem heutigen Kenntnisstand so sein, dass die Differenz – also die notwendige Neuverschuldung – in der gleichen Größenordnung bleiben kann.

Wir investieren dabei in eine umfassende Präventionsinfrastruktur. Das beginnt bei U3-Plätzen, die auf eine Anzahl von 166.000 erhöht werden, bis hin zu einer Reform des Übergangs Schule/Beruf. Zusammen mit den Kommunen bauen wir Präventionsketten auf und sorgen so dafür, dass Soziallasten künftig gar nicht erst entstehen. Zugleich schaffen wir eine solide Grundlage, damit auch morgen noch stabile Steuereinnahmen möglich sind.

Wir investieren alleine 2015 in Bildung und Wissenschaft 25,5 Milliarden €, davon 15,8 in die schulische und 2 Milliarden € in die frühkindliche Bildung. Mit diesen Mitteln wird nicht nur die Platzzahl an offenen Ganztagsschulen im Primarbereich um weitere 17.500 auf dann 280.000 Plätze erhöht, sondern wir halten auch an den Zielen des Schulkonsenses fest. Auch bei rückläufigen Schülerzahlen bleibt es dabei, dass die freiwerdenden Finanzmittel aus den sogenannten Demografiegewinnen auch im Jahr 2015 im Bildungssystem bleiben.

Für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sorgen über 40.000 Polizistinnen und Polizisten. Um die wachsende Zahl von Pensionierungen abzufedern, werden wir 1.522 Kommissar-anwärterinnen und -anwärter einstellen. Für den Sicherheitsbereich werden wir insgesamt 2,8 Milliarden € aufwenden. Dazu kommen Fahrzeuge, Boote und Fluggeräte, die auch noch 55 Millionen ausmachen.

Neben den 105 Festsetzungsfinanzämtern mit 23.000 Beschäftigten in meinem Bereich, die 2013 rund 14,9 Millionen Steuerbescheide erlassen haben und für die Steuereinnahmen sorgen, die ja auch dem Bund und den Kommunen zufließen, will ich besonders auch den Betriebsprüfern und den Steuerfahndern danken. Sie haben 2013 ein Mehrergebnis von über 5,5 Milliarden € generiert. Damit beträgt das durchschnittliche Mehrergebnis eines Prüfers in Nordrhein-Westfalen über 1,4 Millionen € pro Jahr.

Um auch zukünftig eine hohe Qualität in der Arbeit unserer Gerichtsbarkeit zu gewährleisten, sind im Haushaltsplanentwurf fast 2,3 Milliarden etatisiert.

Für die 8.600 Bediensteten des Justizvollzugs in den 37 Justizvollzugsanstalten werden 700 Millionen zur Verfügung gestellt.

Der Landesbetrieb Straßen.NRW betreut rund 18.700 Betriebskilometer Straßen. Für deren Erhalt stellen wir 304 Millionen zur Verfügung. Dazu kommen noch 4,5 Millionen für 720 km Wasserwege und 314 Millionen für den Erhalt und Neubau der Infrastruktur im Bereich der Eisenbahnen und des ÖPNV. 38 Millionen werden ausgegeben für die Bewirtschaftung der rund 1.200 km² Wald im Landesbesitz.

Fast 20 Milliarden – dazu wird Ralf Jäger, der Minister für Inneres und Kommunales, gleich noch mehr sagen – gehen an unsere Kommunen, auch wenn durch die unter den Erwartungen liegende Steuerentwicklung nicht der Zuwachs erreicht werden wird, den wir ursprünglich vorgesehen haben, was sicher auch eine Härte darstellt.

24 Milliarden gibt das Land für Personal aus. Allein auf die Kernbereiche Schule, innere Sicherheit, Justiz und Finanzverwaltung entfallen dabei ca. 90 %.

Wenn also darüber geredet wird, dass wir auf Personal verzichten können, dann kann das, Herr Laschet, nicht gehen, wenn man nicht in diese Bereiche einsteigt. Dann darf man nicht sagen, dass diese Bereiche außen vor bleiben.

Selbst wenn man dann in andere Bereiche geht – heute Morgen haben Sie davon gesprochen, in den Mittelbehörden könne man einsparen –, dann darf man nicht im selben Moment und im selben Interview sagen, dass alles von Düsseldorf aus geplant wird. Dann muss man auch sagen: Ja, die Dezentralisierung spielt in dieser Verwaltung auch eine Rolle.

Wenn man sagt, dass man in der eigenen Regierungszeit jedes Jahr 1,5 % an Personal eingespart hat, dann muss man sagen, dass man diese 90 % ausgenommen hat, also bei 10 % 1,5 % eingespart hat, und dass das unter anderem dazu führt, dass heute der Kollege Mike Groschek Probleme hat, Planer für Straßen und Brücken zu finden,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen von der CDU)

weil die damals ausgedünnt worden sind. Dann muss man sich auch der Wahrheit stellen. Man darf nicht so tun, als könne man pauschal kürzen, und das würde niemand merken.

Denn es gehört auch zur Wahrheit, dass Nordrhein-Westfalen das Land mit der zweitniedrigsten Stellenzahl pro 1.000 Einwohner ist. In allen anderen Ländern bis auf eines gibt es mehr Stellen pro 1.000 Einwohner. Wer diese Stellenzahl kürzen will, der muss wissen, dass es dafür ziemlich dünne Luft gibt, das an Stellen zu tun, an denen man die nicht benötigt. Darüber muss man überall nachdenken.

Wenn Aufgaben wegfallen, wie zum Beispiel die Kraftfahrzeugsteuer, die auf den Bund übergeht, dann muss man darüber reden, oder wenn Stellen, die nur zeitlich befristet eingerichtet worden sind, wieder entfallen, weil auch der Grund dafür entfallen ist, aber bitte nicht nach dem Motto: Wir setzen einfach mal eine Zahl fest und gucken mal, was anschließend passiert, und stellen dann fest, beim Straßenbau, in den Bezirksregierungen, überall klemmt es an allen Ecken und Enden. Dann wird anschießend gemahnt, und es wird geklagt, dass die Leistung des Landes hier nicht ausreichend ist.

Zusätzlich brauchen wir in diesem Haushalt bei einem historisch niedrigen Zinsniveau 3,55 Milliarden für Zinsen. Das sind 80 Millionen weniger, als 2014 ursprünglich veranschlagt waren.

Wir lassen uns von diesem historisch niedrigen Zinsniveau aber nicht blenden. Deshalb kalkulieren wir in der mittelfristigen Finanzplanung mit einem schrittweisen Anstieg des Zinssatzes bis 2018 auf 4 %. Das ist eine Menge gemessen an dem, was im Augenblick zu erwarten ist.

Ich habe das hier zu verschiedenen Zeitpunkten schon einmal gesagt: Das immer auf die Notenbankpolitik zu schieben, ist nur eine Seite. Das andere ist, dass in Deutschland das Geldvermögen explosionsartig wächst und durch eine Haushaltskonsolidierung in allen öffentlichen Haushalten die Nachfrage nach Geld extrem sinkt. Damit sinkt auch der Preis. Das wird eine Notenbank nicht ohne Weiteres aufheben können, ohne der Konjunktur schweren Schaden zuzufügen.

Wenn man dann aber dabei bleiben will, dass das Vermögen nicht angetastet werden darf, dann muss man wissen, dass man am Ende über eine Diskrepanz zwischen Inflationsrate und Zins eine Vermögensbesteuerung, einen Vermögensschwund hat, der alle trifft, und zwar auch Omas Sparbuch, und nicht bloß diejenigen, die Millionen auf dem Konto haben.

Wir werden fortsetzen, was in den vergangenen Jahren konsequent, aber mit Augenmaß begonnen worden ist. Wir werden Förderprogramme überprüfen, wir werden die Strukturen der Verwaltung überprüfen – ich habe bereits über die Zusammenlegung der Oberfinanzdirektionen gesprochen –, und wir werden auch die Landesbetriebe durchforsten. Dazu wird auch gehören, Beschäftigung im öffentlichen Dienst durch eine maßvolle Besoldungsanpassung zu sichern und trotzdem für attraktive Rahmenbedingungen für die Arbeit im öffentlichen Dienst zu sorgen. Das tun wir anhand intensiver Diskussionen darüber, wie wir Dienstrecht, Versorgung und Besoldung umgestalten und anpassen, gleichzeitig aber eine maßvolle Tarifsteigerungspolitik betreiben, sodass die Quadratur des Kreises am Ende gelingen kann, den öffentlichen Dienst finanzierbar und gleichzeitig für die Menschen attraktiv zu halten. Das ist er im Übrigen, wenn Sie sich einmal die Umfragen darüber angucken, wie interessant der öffentliche Dienst als Arbeitgeber ist.

(Karlheinz Busen [FDP]: Weil die da nur rumsitzen müssen!)

Die Beamtenbesoldung – das habe ich bereits gesagt – fällt jetzt durch diese abgedämpfte Anpassung um 220 Millionen € geringer aus, als das bei der Eins-zu-eins-Anpassung der Fall gewesen wäre. Dem Anteil von 43 % des Personals an den Gesamtausgaben wird dieser Beitrag aber noch nicht gerecht.

Bei der Identifizierung von Einsparpotenzialen hat uns das Effizienzteam sehr geholfen.

(Zurufe von der SPD – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das ist der Knaller!)

Es hat eine Vielzahl von Projekten initiiert, die in Haushalts- und Finanzplanungen zu Einsparungen geführt haben. Allein die Umstellung der Förderprogramme geht in den dreistelligen Bereich, und zwar dauerhaft. Hierbei sind vor allem die Kürzungen der Landesgesellschaften, aber auch die der Förderprogramme zu nennen. Es gibt eine Reihe von zukünftigen vorgeschlagenen Einsparungen, die das Effizienzteam in dem Moment, in dem es die Arbeit niedergelegt hat, nicht beendet hat. Vielmehr greift das Projektbüro Haushaltskonsolidierung, das auch vorher schon existiert hat, diesen Faden jetzt auf und arbeitet weiter daran. Wer sich intensiv und ernsthaft mit Einsparungen beschäftigt und nicht nur Millionensummen in den Raum ruft, der stellt allerdings auch fest, dass Nordrhein-Westfalen an vielen Stellen mustergültig aufgestellt ist und Benchmark-Qualität hat.

(Zurufe von der SPD)

In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass man nicht ohne Weiteres einfach wieder Zahlen nennen und sagen kann, wie viel man einsparen kann. Man muss sich vielmehr angucken, wie das in anderen Ländern gelöst wird. Dabei werden Sie feststellen, dass das nicht einfach durch Kürzungen auf ein niedriges Niveau gelingt, ohne gleichzeitig die Leistung zu gefährden.

Neben den Einsparungen, die wir in diesem Haushaltsentwurf 2015 einschließlich der Ergänzung „titelscharf“ ausgebracht haben, um die Nettoneuverschuldung auf 2,25 Milliarden € absenken zu können – das habe ich eben schon gesagt –, müssen die Ministerinnen und Minister zudem auf dem Weg der globalen Minderausgaben 829 Millionen € einsparen.

Wer allerdings allein in der Ausgabensenkung das einzige Heil der Haushaltssanierung für Nordrhein-Westfalen sieht, sollte Zurückhaltung üben, wenn er gleichzeitig jeden Tag von neuen Pressemitteilungen und Mangelnachrichten erfährt, egal, ob im Bereich Schulsozialarbeit oder Bildungsqualität, die am Ende immer sehr konkret beschreiben, wie viele Hundert Millionen Euro gebraucht werden, und denen sehr pauschal und ohne konkret zu werden eine mögliche Einsparung entgegengestellt wird.

(Beifall von der SPD)

Wir wollen auch in Zukunft in die Bildung unserer Kinder, in Betreuung, in Infrastruktur, in öffentliche Sicherheit und in den sozialen Zusammenhalt investieren können. Sie müssen schon sagen: Wollen Sie weniger oder mehr Ausgaben? Und wenn Sie andere Ausgaben wollen, dann müssen Sie auch sagen, welche Sie nicht wollen.

(Zurufe von der CDU)

Den Mangel konkret zu beschreiben, aber über Kürzungsmöglichkeiten im Ungefähren zu schwadronieren, ist keine Lösung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und wer hat nicht mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis genommen, was in dieser Woche in einem Kommentar im „Westfälischen Anzeiger“ stand.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Planlos! Hilflos!)

Damit Sie sich nachher nicht beschweren, nehme ich auch den Halbsatz mit, der sich kritisch mit der Landesregierung beschäftigt. Man muss sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, was Herr Vornholt gesagt hat: Die CDU-Parlamentarier gleiten bei aller berechtigten Kritik an der rot-grünen Landesregierung – das ist der zugehörige Tribut, und zitiere ich auch – mit ihrer Schlagzeilen-Politik zunehmend vom seriösen Pfad ab. Statt eine klare Linie zu verfolgen, setzen die Christdemokraten mehr und mehr auf eine Strategie, die populär bis populistisch daherkommt. Das kann die Alternative für Deutschland besser. Deutlich durchschaubar ist zugleich die Taktik, die nach wie vor beliebte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft direkt anzugreifen, um beim Wähler punkten zu können.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: So ist es! – Zurufe von der CDU: Oh!)

Erfolgversprechend ist dieser Ansatz nicht.

(Beifall von der SPD)

Ich teile das uneingeschränkt, aber ich bin nicht der Autor dieses Textes. Das hat in der Zeitung gestanden.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Haben Sie die anderen Texte denn auch gelesen?)

Das gilt auch für Ihre Forderung nach Personalabbau. Sie haben vollmundig den Abbau von Lehrerstellen gefordert. Die Antwort auf die Frage, ob Sie damit den Schulkonsens aufkündigen wollen, sind Sie, soweit ich weiß, aber bisher schuldig geblieben. Heute Morgen haben Sie dann einen Spagat gemacht, Herr Laschet, und zwar zwischen aus Düsseldorf nicht steuern, aber die Mittelbehörden schwächen. Auf der einen Seite sagen Sie, man könne 1,5 % sparen, aber auf der anderen Seite sagen Sie nicht, wie das genau funktionieren soll.

Die Tatsache, dass nach der lauten Pauschalforderung Stille herrschte, verwundert nicht. Denn auch bei der Zahl der Stellen – das habe ich bereits gesagt – ist Nordrhein-Westfalen auf dem zweitniedrigsten Platz. Hier wird häufiger gesagt: Macht es doch einmal wie das Saarland. Das hat beschlossen, rigoros Personal abzubauen. – Ja, das Saarland hat 27,9 Stellen pro tausend Einwohner und plant einen Abbau auf 25,5 Stellen. Um auf die Zielgröße des Saarlandes von 25 Stellen zu kommen, müssten wir 56.000 Stellen einrichten. Wir sind nämlich bei 22,3 Stellen.

(Beifall von der SPD)

Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Sie gilt. Nicht im Grundgesetz stehen die Qualität der Infrastruktur, die Ausgabenhöhe für Bildung, Betreuung sowie öffentliche und soziale Sicherheit. Sie werden mir aber sicher zustimmen, dass dies auch wichtige Größen für die Zukunftsfähigkeit eines Landes sind.

Wer seinen Kindern zwar keine weiteren Kredite, dafür aber marode Straßen und mangelnde Bildung hinterlässt, versündigt sich an den kommenden Generationen.

(Beifall von der SPD – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das ist doch peinlich!)

– Dazu sage ich gleich noch etwas. – Wenn ein Land trotz nachwirkender Lasten aus einem allein und ohne Soli finanzierten Strukturwandel die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben hat, aber die Schuldenbremse trotzdem droht, die Investitionsmöglichkeiten in die Zukunft zu strangulieren, dann ist es doch keine Ausrede, wie das immer gesagt wird, wenn man feststellt, dass die Verteilung der Einnahmen zwischen Bund und Ländern ganz offenbar überprüfungsbedürftig ist.

Oder um es mit der von der Kanzlerin so gern zitierten schwäbischen Hausfrau zu beschreiben: Stellen Sie sich einmal den Dialog zwischen zwei schwäbischen Hausfrauen vor, in dem die eine zur anderen sagt: Ich habe am Jahresende immer etwas übrig. – Daraufhin sagt die andere: Wie kann das sein? Du verdienst doch viel weniger als ich und gibst deutlich mehr aus. Da kann es doch nicht sein, dass es bei uns nicht reicht. – Darauf sagt die eine wiederum: Na ja, dann musst du eben noch viel weniger ausgeben. Dann schaffst du das vielleicht auch.

Ob dieser Dialog zwischen zwei schwäbischen Hausfrauen so stattgefunden hat, weiß ich nicht. Aber zwischen Nordrhein-Westfalen und Sachsen findet er so statt.

(Beifall von der SPD)

Dass die ostdeutschen Länder immer noch dramatisch finanzschwächer sind als Nordrhein-Westfalen und pro Kopf jährlich 1.000 € weniger an Steuereinnahmen haben, muss auch künftig durch einen solidarischen Finanzausgleich korrigiert werden. Das ist keine Frage.

(Beifall von der SPD)

Es kann aber nicht ernsthaft sein, dass diese Länder nach allen Umverteilungs- und Ergänzungszuweisungen am Ende nicht auf einem ähnlichen Niveau sind wie Nordrhein-Westfalen, sondern über 500 € pro Kopf mehr verfügen. Das kann nicht sein.

(Beifall von der SPD – Minister Johannes Remmel: Das geht nicht!)

Es geht doch um den Ausgleich der Verhältnisse und nicht um die Umkehrung. Das muss doch das Ziel sein, wenn wir über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern reden.

Mich erschüttert es ehrlich gesagt, wie groß der innere Widerstand so manches Chronisten ist, diese eklatante Schieflage zur Kenntnis zu nehmen. Das sind keine Rechentricks, die Nordrhein-Westfalen zum Geber machen, sondern das sind harte Fakten; denn zunächst einmal wird die Finanzkraft vor allem der ostdeutschen Länder durch einen erheblichen Verzicht Nordrhein-Westfalens auf eigene Umsatzsteueranteile so erhöht, dass ein Länderfinanzausgleich überhaupt erst in dem Rahmen stattfinden kann, wie er derzeit stattfindet. Das heißt unter dem Strich, dass Nordrhein-Westfalen jedes Jahr rund 1,5 Milliarden € dafür zahlt, dass andere keine Schulden aufnehmen müssen, während die eigenen Umbaumaßnahmen selbstfinanziert worden sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie werden nicht zu Unrecht sagen, dass Nordrhein-Westfalen für die Korrektur dieses Missverhältnisses nicht viele Freunde unter den anderen Ländern haben wird. Das stimmt, und das macht das Ringen um eine gerechtere Mittelverteilung zwischen Bund und Ländern nicht einfach. Darüber müssen wir reden, aber wir sollten uns in diesem Punkt wirklich darüber bewusst sein, dass es keine Frage von A-Ländern mit SPD- und Grünen-Beteiligung einerseits und B-Ländern mit CDU- und anderer Beteiligung – die FDP gibt es da ja nicht mehr – andererseits ist. Vielmehr ist es eine durchaus quer zu all diesen Grenzen laufenden Debatte, die hier stattfindet und auch stattfinden muss.

Was es aber besonders schwer macht, ist, dass Nordrhein-Westfalen jenseits der Regierungsfraktionen – das ist jedenfalls immer wieder mein Eindruck, wenn ich Interviews höre und lese – selbst im eigenen Landtag nur wenige Freunde hat. Der Opposition ist das Verstellen von Lösungswegen für die Landesregierung ganz offenkundig wichtiger als das Wohl des Landes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wie sonst, Herr Laschet, sollte man Ihre Kommentare am Abend der Wahl in Sachsen verstehen, als Sie sagten, Sie könnten neidisch sein auf einen so gut geführten Haushalt, bei dem man einmal gucken müsse, wie dieser zustande kam.

(Armin Laschet [CDU]: So ist es! Gute Bildung!)

Dabei besteht mehr als ein Drittel des Haushaltsvolumens aus Zuwendungen anderer.

(Minister Johannes Remmel: Ein Drittel Transferleistungen! Unglaublich! – Minister Michael Groschek: Alles auf Pump!)

Alleine aus der Umsatzsteuer, die stets negiert wird, kommt so viel, wie Nordrhein-Westfalen insgesamt bezahlt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich den finanzpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion lobend erwähnen. Herr Optendrenk, Sie haben mehrfach am Rande von Haushalts- und Finanzausschusssitzungen Ihre Bereitschaft und Ihr Interesse signalisiert, sich darüber auszutauschen; denn es ist keine A/B-Frage, sondern eine Frage, bei der wir alle Möglichkeiten haben, auf der politischen Bühne in anderen Ländern oder in Berlin dafür Sorge zu tragen, dass die Interessen Nordrhein-Westfalens nicht unter den Tisch fallen.

(Beifall von der SPD)

Auch in Ihren Äußerungen heute Morgen, Herr Laschet, klang das an. Das finde ich in Ordnung, und darüber sollte man weiter reden. Nur, wenn man dann erlebt, dass die Reden und Interviews weit dahinter zurückfallen, dann muss man den Eindruck gewinnen, dass es zu viele Sonthofen-Strategen in Ihren Reihen gibt, die nicht daran interessiert sind, gemeinsame Lösungen zu finden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Armin Laschet [CDU]: Ach Gott!)

Für diese Art von Politik haben die Menschen in Nordrhein-Westfalen ein sehr feines Gespür. Das wird nicht gutgehen. Ich erinnere mich noch gut – ich bin ja schon etwas länger in unterschiedlichen Funktionen dabei – an den CDU-Spitzenkandidaten in den 80er-Jahren. Er glaubte, eine Wahl gewinnen zu können, indem er den Leuten sagte, in Nordrhein-Westfalen würden die Menschen mit dem Möbelwagen abstimmen und aus Nordrhein-Westfalen ziehen. Das Ergebnis ist: Die Nordrhein-Westfalen sind noch da, und es sind sogar noch mehr als in den 80er-Jahren. Aber der Spitzenkandidat ist in der Versenkung verschwunden.

(Minister Guntram Schneider: Ja, den kenne ich auch noch ganz genau!)

Das sollte einem eine Lehre sein, und daran sollte man sich hin und wieder ein Beispiel nehmen.

(Beifall von der SPD)

Mein Wunsch wäre es, wenn wir in einer Frage, die nicht nach dem Muster „A-Länder hier, B-Länder dort“ abläuft, die Interessen unseres Landes nach vorn stellen.

(Armin Laschet [CDU]: Dann macht das doch mal!)

Dann reden wir über einen extrem großen Beitrag für eine solide Finanzsicherung dieses Landes, die fair ist, die weder eine Zuwendung noch ein Almosen ist, sondern die berücksichtigt, wie viel in diesem Land in der Vergangenheit auf den eigenen Schultern getragen worden ist, während wir immer dabei waren, wenn anderen eine Last von den Schultern zu nehmen war. Das reicht von der Fluthilfe bis zum Sturm Ela. Das eine ist eine Gemeinschaftsaufgabe, das andere ist eine Aufgabe in Nordrhein-Westfalen.

Wenn wir das schaffen, dann schaffen wir ein Stück Politik zum Nutzen der Menschen in unserem Land, die viel Mühe dafür aufgebracht haben, den Wandel an Rhein und Ruhr so vorzeigbar zu gestalten und zugleich auch große Solidarität mit Menschen in anderen Bundesländern zu üben.

Das kann meiner Meinung nach eine gute Grundlage für Streit in der Sache – diesen Streit müssen wir auch führen; wir müssen unterschiedliche Akzente präsentieren –, aber auch den notwendigen Schulterschluss für unser Land sein – bei den Verhandlungen über die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern genauso wie bei der Debatte über die Haushalte des Landes hier im Inneren unseres Landes mit all den Schwerpunkten, die jeder möglicherweise unterschiedlich setzen mag.

Wenn wir das schaffen, dann sehe ich den Beratungen in den Ausschüssen und den weiteren Lesungen dieser Haushalte mit Gelassenheit und auch ein Stückchen mit Freude entgegen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion spricht ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Laschet.

Armin Laschet (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Bitte gehen Sie weiter; es gibt nichts zu sehen“ – so hat 2010 die „Süddeutsche Zeitung“ die erste Regierungserklärung dieser Ministerpräsidentin beschrieben. Heute, vier Jahre später, muss man sagen: Daran hat sich leider nichts geändert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist eher noch schlimmer geworden. Wenn über unser Land Nordrhein-Westfalen – mit Ausnahme des Artikels von Herrn Vornholt – irgendwo in Deutschland Berichte erscheinen, tauchen wir immer nur als Negativbeispiel auf: als Schuldenstaat, als Land, das nur noch Leitungswasser ausgeben kann. Diese Regierung kommt überall in Deutschland schlecht weg.

(Ministerin Barbara Steffens: Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist schlecht für unser Land.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Schlechtreden!)

Ich will, dass die Leute auf unser Land stolz sind.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Marc Herter [SPD]: Selektive Wahrnehmung nennt man so etwas!)

Wir haben das wirklich nicht nötig. Vor zwei Wochen haben wir als CDU-Fraktion in diesem Saal mit vielen Gästen aus dem ganzen Land das Landesjubiläum gefeiert. Dieses Land ist kein Provisorium mehr. Wir sind 68 Jahre lang als Land zusammengewachsen.

Wir Nordrhein-Westfalen wollen keine Bittsteller sein. Wir wollen nicht dauernd jammern: Bitte, Berlin, hilf uns; bitte, Brüssel, hilf uns; bitte, andere Länder, helft uns, bitte, Sachsen, nehmt nicht so viel, wie ihr habt.

Wir sind als Industrieland so stark, dass wir das selbst voller Stolz machen können. Diesen Stolz verletzen Sie mit jedem Tag Ihrer Regierung.

(Beifall von der CDU)

Nordrhein-Westfalen war der ökonomische Motor der Bundesrepublik, das industrielle Herz der jungen Bundesrepublik Deutschland, das politische Zentrum. Von Bonn und Düsseldorf ist die Bundesrepublik Deutschland gestaltet worden. Karl Arnold, der erste Ministerpräsident dieses Landes, hat in seiner ersten Regierungserklärung 1950 gesagt: Wir sind auch das soziale Gewissen der Bundesrepublik Deutschland. – Wir haben über 68 Jahre dieses Land geprägt.

Heute ist diese Spitzenstellung unter den deutschen Ländern längst verloren gegangen. Der aktuellste Beweis dafür sind die Haushaltspläne – soweit man das, was Sie uns heute hier vorgelegt haben, überhaupt „Plan“ nennen kann.

(Beifall von der CDU)

Das Schlimme sind aber nicht nur die 140 Milliarden € Schulden. Schlimm ist auch, dass Sie immer weitere Schulden aufnehmen. Das Allerschlimmste ist aber – und das ist bei den Erklärungen des heutigen Morgens noch einmal sichtbar geworden –: Sie haben auch gar keine Idee, wie man da herauskommt. Das ist eine Ideenlosigkeit, eine Hilflosigkeit,

(Beifall von der CDU und der FDP)

die man in politischen Prozessen selten erlebt hat.

Als bei uns in Aachen das Klinikum gebaut wurde – Neue-Heimat-Projekt, explodierende Kosten; die Älteren erinnern sich –, hat Johannes Rau einmal gesagt: Wenn die Kosten dauernd so aus dem Ruder laufen und explodieren, bleibt mir fast nur eine „fidele Resignation“. – Ich glaube, dieser Gedanke Ihres früheren Chefs hat Sie zu sehr geprägt, Herr Finanzminister.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sind alle gerne Rheinländer. Den Landeshaushalt wünsche ich mir aber nicht mit fideler Resignation, so wie Sie ihn heute vorgetragen haben, sondern mit ein paar Ideen, was wir denn da anders machen können.

(Beifall von der CDU, Dietmar Brockes [FDP] und Dr. Joachim Stamp [FDP])

Jetzt sage ich Ihnen, was der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist. Man kann nicht den Landeshaushalt kaputtsparen. Da sind wir noch einer Meinung. Die Kernfrage ist aber doch: Schafft man Strukturveränderungen, indem man sich auf die wesentlichen Dinge beschränkt?

(Zurufe von der SPD und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Ja, ich sage es Ihnen gleich.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Die Ministerpräsidentin hat gerade darum gebeten, dass ich ihr das erkläre. Das tue ich jetzt auch. Ich erkläre Ihnen das ja. Das kommt ja alles.

(Beifall von der CDU)

Wir machen ja, so gut wir können, schon in ganz vielen Bereichen Ihren Job. Deshalb machen wir ihn jetzt auch hier.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Unser Ansatz ist: Dieses Land muss – Herr Finanzminister, Sie haben es heute Morgen schon im Radio gehört – nicht alles aus der Regierungszentrale steuern.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

– Nein, nein, nein. Sie haben die Vorstellung: Wir wissen, was für das Land gut ist.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Abwälzen auf die Kommunen! Das haben Sie fünf Jahre erfolgreich gemacht!)

So machen Sie das seit 30 Jahren: Wir wissen, was gut ist. Also brauchen wir viele Beamte, die wir einstellen, die das dann genau regulieren. Die erlassen dann viele Vorschriften. Dazu brauchen Sie wieder Mittelbehörden, die dann überprüfen, ob die Vorschriften auch eingehalten werden. So entsteht ein einziger Beamtenapparat, den Sie dann bezahlen müssen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Die Kommunen sollen es bezahlen!)

Das war das alte sozialdemokratische Denken. Aber die Grünen …

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

– Herr Jäger, Sie sind ja kein Grüner.

(Minister Ralf Jäger: Gott sei Dank! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Ein Jäger!)

– Gott sei Dank, sagt er, ist er kein Grüner. – Die Grünen waren in dieser Frage aber schon einmal weiter.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Unter der Fraktionsvorsitzenden Frau Löhrmann haben sie 2006 eine Finanzkommission eingesetzt, die genau das, was ich gerade beschrieben habe, auf den Punkt gebracht hat. Sie stellt nämlich fest: Wir wollen keine Bestandsaufnahme machen, sondern wir nennen die Gründe für überbordende Verschuldung. – Sie sagen dann wörtlich: Das ist das Ergebnis einer Haushaltsgestaltung, die für jede neue Aufgabe in erster Linie eine Mehrung von Stellen vorsah. Jede neue Planstelle umfasst eine Sollaktivenzeit von ca. 35 Jahren und eine anschließende Versorgungsphase von 22 Jahren.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Diese These ist richtig.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Jetzt nenne ich Ihnen ein paar Beispiele, wo Sie in Ihrer Regierungspolitik diesen Satz missachten.

(Zuruf von der SPD: Wo sind Ihre Vorschläge?)

– Sie müssen schon versuchen, dem gedanklich zu folgen.

(Lachen von der SPD)

Sonst haben Sie ein Problem, das zu verfolgen.

(Marc Herter [SPD]: Die Argumentation versandet gerade etwas!)

Wenn Sie Freiräume für die Menschen im Lande schaffen, indem Sie nicht alles regulieren, können Sie nämlich einen Zustand verändern, der unser Hauptproblem ist. Nordrhein-Westfalen liegt trotz seiner Stärke, trotz 16 von 50 DAX-Konzernen, trotzen dieser großen Wirtschaftskraft, die Sie eben auch beschrieben haben, immer unter dem Durchschnittswachstum der deutschen Länder, weil die Produktivität nicht da ist, weil Sie unseren Unternehmen immer noch zusätzliche Lasten in den Rucksack packen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben vor ein paar Wochen gesagt, Sie könnten auch wieder als Unternehmensberaterin arbeiten. Nun werden sich Unternehmen um solche Beraterinnen reißen; da bin ich sicher. Aber Ihre Kollegen einer Unternehmensberatung, McKinsey, hat mal für Nordrhein-Westfalen ausgerechnet: Wenn wir es nur schaffen würden, das Wirtschaftswachstum Bayerns zu haben, hätten wir 3,2 Milliarden € mehr Steuereinnahmen, und wir würden heute über andere Themen sprechen. Deshalb ist die Frage: Wieso haben wir das nicht? Wieso sind wir bei unserer Stärke nicht in der Lage, wenigstens den Durchschnitt der deutschen Länder zu erreichen?

(Ministerin Barbara Steffens: Ja, weil wir ganz anders sind!)

Wir liegen immer 3 % unter dem Bundesdurchschnitt. Das sagt McKinsey, das sagt das Institut der deutschen Wirtschaft. Ich zitiere einmal Ihr eigenes statistisches Landesamt – IT.NRW –:

Wenn die Wirtschaft in Deutschland wächst, dann in Nordrhein-Westfalen nur halb so schnell, wenn sie schrumpft, dann in Nordrhein-Westfalen doppelt so schnell.

Das ist die Iststandanalyse Nordrhein-Westfalens. Sie haben gefragt: Was wollen Sie denn da machen?

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Die Frage ist jetzt: Was können wir tun, um mindestens so gut zu sein wie die 15 anderen Länder? Was können wir selbst, aus eigener Kraft tun, um dieses Wirtschaftswachstum zu schaffen?

(Zuruf von der SPD: Ja, was denn? – Weitere Zurufe)

Jetzt sage ich Ihnen,

(Ministerin Barbara Steffens: Was Sie alles so gemacht haben!)

wie Unternehmen, die in einem internationalen Wettbewerb stehen, beispielsweise auf einen Klimaschutzplan und ein Klimaschutzgesetz reagieren? Das Ziel ist richtig. Wir brauchen Klimaschutz. Wir haben EU-weit gehandelte Zertifikate. Wir haben Bundesgesetze, die die Energiewende regeln. Was um alles in der Welt macht es dann für einen Sinn, jetzt 550 Maßnahmen mit Hunderten Beamten und einem Landesklimaschutzplan prüfen zu lassen? Das ist völlig unsinnig.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das bringt doch gar nichts. Wenn hier weniger CO2 ausgestoßen wird, darf das gleiche Unternehmen in Niedersachsen und Baden-Württemberg mehr CO2 ausstoßen. Das ist das Prinzip des Klimawandels. Also: Welchen Sinn hat es, unsere Unternehmen mit 550 Vorschlägen zu überziehen? Da sitzen bei Herrn Remmel im Hause Leute, die denken über Ideen nach, zum Beispiel über die Regulierung der Osterfeuer zur Minderung der CO2-Belastung. Die denken darüber nach, bei 33 Maßnahmen eine strategische Umweltprüfung zu machen,

(Zuruf von der SPD: Ganz groß, Herr Laschet, ganz groß!)

und eine dieser Maßnahmen soll sein, die Kohleverstromung in Ballungsräumen zu verbieten. Entschuldigung, wo ist denn bei uns Kohleverstromung außer in Ballungsräumen? Lassen Sie diese Beamten sich auf den Kernbereich konzentrieren,

(Jochen Ott [SPD]: Warum stigmatisieren Sie denn die Leute? Was soll das denn? Das ist doch Schwachsinn!)

lassen Sie diese ideologischen Spielwiesen, lassen Sie die Unternehmen bei uns so wirtschaften wie in anderen Ländern, dann haben wir auch mehr Wachstum und mehr Geld in unseren Kassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Beim Landesentwicklungsplan gab es zum Beispiel in Sachen HARIBO einen Streit um eine Fläche in Euskirchen. Lassen Sie sich von den Kollegen in Euskirchen mal schildern, wie sie zusammen mit denen in Grafschaft auf der rheinland-pfälzischen Seite um dieses Unternehmen gekämpft haben. Da war eine freie Fläche, da wäre das Unternehmen hingegangen. Die Landesregierung war nicht in der Lage, der Kommune in dieser entscheidenden Frage zu helfen, und am Ende sind die Arbeitsplätze und die Steuerkraft nach Rheinland-Pfalz abgewandert. Das sind die falschen Beispiele.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Solche Ideen haben nicht nur die Grünen. Ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel: Es gibt ein Gesetz über Tariftreue und Sozialstandards.

(Beifall von der SPD – Hans-Willi Körfges [SPD]: Gott sei Dank!)

– Ja, dass Sie das bejubeln, ist doch klar. Sonst kämen Sie ja nicht zu solchen Finanzergebnissen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist doch völlig logisch, dass ein Sozialdemokrat dabei klatschen muss. Ich sage Ihnen nur mal, was das bedeutet.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das bedeutet Lohndumping! – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

– Nein, nicht Lohndumping. Das ist doch unter Ihrem Niveau.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Laschet für Lohndumping!)

Wir haben in der Großen Koalition einen Mindestlohn verabredet.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Wir haben soziale Bundesgesetz…

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

– Wir sind Mitglied der Großen Koalition, Herr Körfges, auch wenn Ihnen das nicht passt. Wir sind zwar nur der Juniorpartner mit 41 %,

(Zuruf von der SPD: Genau! – Gordan Dudas [SPD]: Ah!)

aber wir sind auch dabei.

Wer glaubt, dass er mit 26 % der Stärkere in der Großen Koalition ist, der glaubt auch, dass diese Haushaltszahlen stimmen, die hier vorgetragen werden, der glaubt auch dem Walter-Borjans.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD)

Es ist doch Walter-Borjans Logik: 26 ist mehr als 41. – Das ist doch nicht Ihr Niveau, Herr Körfges.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Also, da sind die Bedingungen verabredet, bundesgesetzlich gelten soziale Standards. Klare Gesetze, inzwischen dank der Bundesarbeitsministerin verankert.

(Zuruf von der SPD)

Jetzt setzen Sie Beamte daran, die 13-seitiges Gesetz machen über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Erstes Gesetz.

Dann geht es weiter – wieder sitzen Beamte da –, 63 Seiten Verordnung zur Regelung von Verfahrensanforderungen in den Bereichen, umweltfreundlich, frauenfördernd, bla, bla, bla; 63 Seiten.

(Zurufe von der SPD)

– 63 Seiten! Ich will Ihnen ersparen, ...

(Lebhafte Zurufe von der SPD)

– Ich kann Ihnen das alles vorlesen;

(Zurufe von der SPD)

es sind 63 Seiten.

(Zuruf von Ministerin Barbara Steffens)

Dann geht das Spiel weiter: „Frequently asked questions“, 22 Seiten, damit man das, was auf den 63 Seiten aufgeschrieben ist, wenigstens versteht.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Dann geht es weiter. 54 Seiten Praxishandbuch, das man extern hat erstellen lassen, damit auch jeder versteht, was auf den anderen Seiten steht.

(Zuruf von Martin Börschel SPD)

Das zeigt mir doch, dass Sie gar nicht mehr wissen, was in den Handwerksbetrieben los ist.

(Beifall von der CDU)

Es kann doch nicht sein, dass Sie jeden Bezug zur Basis schon verloren haben, dass jetzt jeder Handwerker, der sich um einen Auftrag in irgendeiner Stadt bewirbt, das alles verstanden haben muss. Er soll ein guter Handwerker sein, aber doch kein Jurist. Das, was Sie denen alles abverlangen, kann sich ein kleiner mittelständischer Betrieb gar nicht mehr leisten.

(Beifall von der CDU)

Dann sitzen in den Kommunen – in der Stadt Essen sind es 2.000 Ausschreibungen im Jahr – städtische Beamte, die dann wieder schauen müssen, ob diese ganzen Seiten bei dem, was an Angeboten eingeht, eingehalten sind. Am Ende kommt man zur Vergabe. Und wenn Sie mit den Leuten reden, sagen die: Die Aufträge bekommen die gleichen Leute, die sie vorher auch bekommen haben.

Das ist der Unterschied zu uns. Wir würden das alles nicht machen. Wir haben klare Bundesgesetze. Das entlastet die Landesverwaltung, das entlastet die Unternehmen, und das führt zu mehr Produktivität in unserem Land. Das ist der Kernunterschied.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Erinnern Sie sich noch einmal kurz an die Grünen. Jede neue Planstelle umfasst eine Sollaktivenzeit von circa. 35 Jahren und eine anschließende Versorgungsphase von 22 Jahren. Alle diejenigen Leute, die das auf Planstellen in den Kommunen, in der Landesverwaltung machen, könnten sich auf andere Kernaufgaben konzentrieren. Dann könnten Sie locker 1,5 % in dieser Verwaltung abbauen, und das wäre ein wesentlicher Schritt zu geringeren Kosten in diesem Land.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nächstes Beispiel! Ich könnte jetzt stundenlang Beispiele nennen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Bitte nicht!)

Morgen verabschieden wir hier ein Hochschulgesetz. Das aktuelle Gesetz hat funktioniert. In den Hochschulen arbeiten die Leute; das wird parteiübergreifend anerkannt.

(Zuruf von Ministerin Barbara Steffens)

Unter Riesenprotesten der Rektoren und der Studierenden haben, wenigstens in den letzten Wochen, Veränderungen stattgefunden. Jetzt sagt Frau Schulze: Jetzt wird wieder Kompetenz in das Ministerium rückübertragen;

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

denn man will die Leine wieder anziehen. Das ist die Absicht. Man will wieder steuern.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

– Das ist ja in Ordnung; das ist Ihr Politikmodell. Wir sind eigentlich zufrieden wie die Hochschulen im Land mit den Rektoren und mit den Studierenden arbeiten. Aber Ihr Modell ist, das zurückzuziehen. Jetzt sagen Sie: Aber dazu brauche ich keine neuen Beamten.

(Zuruf von Ministerin Barbara Steffens)

Was haben denn die gemacht, die das demnächst alles machen sollen.

(Heiterkeit von der CDU)

Sie werden doch nicht sagen, in Ihrem Ministerium sitzen Leute nutzlos herum. Wenn das so ist, hätten sie die abbauen können, dann hätte man einen freiwilligen Kürzungsvorschlag an den Finanzminister machen können.

Nein, Sie beschreiben wieder neue Aufgaben. Das Ministerium soll Rechtsverordnungen für die Anerkennung von Prüfungsleistungen und Studienabschlüssen machen, die Zahl der Module, Teilnahmevoraussetzungen, Anzahl und Dauer von Prüfungen regeln, Qualitätsanforderungen machen und, und, und. Wenn Sie das alles wieder zentral machen, brauchen Sie wieder Beamte.

Ich kann den schönen Spruch der Grünen wieder vorlesen: Jede neue Planstelle

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

umfasst eine Sollaktivenzeit von 35 Jahren. Der Vorschlag ist: Ziehen Sie das Gesetz zurück, dann läuft es in den Hochschulen besser.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie produzieren doch, Herr Mostofizadeh, an dem Beispiel der Zentralverwaltung wieder mehr Aufgaben.

An den Hochschulen kann man inzwischen kaufmännische Buchhaltung belegen. Zum Teil, sagen mir die Direktoren, müssen wir das immer in Kameralistik rückübersetzen, damit das im Ministerium überhaupt einer lesen kann. Dort können zwei Leute eine kaufmännische Buchführung lesen.

Die Hochschulen sind heute wesentlich weiter, und Sie haben die Idee: Wir müssen steuern, wir müssen regulieren, wir brauchen Beamte, Verordnungen. – Lasst die Leute vor Ort wirken! Dann kommt unser Land voran. Das ist die Kernbotschaft, die uns unterscheidet.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Die Rede hat Herr Lindner schon vor zwei Jahren gehalten! – Heiterkeit – Christian Lindner [FDP]: Das stimmt alles noch! – Unruhe)

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Herr Lindner hier vor zwei Jahren den Mindestlohn verteidigt hat. Das ist, glaube ich, eher der Versuch, Herrn Lindner jetzt endgültig den Todesstoß zu versetzen, wenn Sie sagen, das seien Lindner-Reden, die hier gehalten würden.

(Zurufe: Oh! – Nein, nein! – Er muss noch mindestens zwei Jahre weiterarbeiten! – Aber eine gute Replik!)

Das hat überhaupt nichts mit FDP oder CDU zu tun, vielmehr lautet die Frage: Will man Kernbereiche haben, oder traut man den Menschen im Lande etwas zu? Und wir trauen den Hochschulen etwas zu. Wir trauen den sozialdemokratischen Rektoren und den grünen Kanzlerinnen mehr zu als jedem Beamten in dieser Landesverwaltung, in diesem Ministerium. Deshalb lassen wir die Rektoren und Kanzlerinnen wirken.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Oho! – Weitere Zurufe: Unverschämtheit! Das gibt es doch gar nicht!)

– Da sagt die Ministerpräsidentin: Oho! – Trauen Sie das der Rektorin der Universität Münster nicht zu?

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ich traue aber auch den Beamten etwas zu in unserem Land! – Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

– Mehr oder weniger. Ich traue einem, der in der Hochschule aktiv ist, der die Akteure kennt, mehr zu als jedem, der fern aus Düsseldorf Ratschläge gibt, worüber geforscht werden soll. Ihre Vorstellung ist doch absurd!

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Fangen Sie ernsthaft Debatten darüber an, ob der Regierungsrat im Ministerium eine höhere Kompetenz hat als die Rektorin der Universität Münster? Sollen wir uns ernsthaft auf diese Frage konzentrieren?

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft – Zurufe von der CDU – Gegenrufe von der SPD)

Daran erkennen Sie den politischen Unterschied, und es ist ja auch gut, dass es diese Unterschiede gibt.

Frau Ministerpräsident, weiterhin kommt es darauf an, für die Interessen dieses Landes einzutreten. Ich denke, es gibt Themen, bei denen wir das gemeinsam machen können und auch in Zukunft machen werden. Zum Beispiel benötigen wir bei der Energiepolitik jetzt dringend ein Strommarktdesign, damit die Energieunternehmen, die eben beschrieben worden sind, die entsprechenden Perspektiven haben.

Bei dieser Frage sind wir uns einig. Dann dürfen wir aber jetzt, nachdem das EEG verabschiedet ist, nicht darüber nachdenken, ob Kohleverstromung in Ballungsräumen noch opportun ist, sondern darüber, wie wir Druck in Berlin machen können.

Ich nenne Ihnen noch ein weiteres Thema: In den letzten Wochen hat uns die Maut sehr beschäftigt.

(Zuruf von der SPD: Oh je! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Wissen Sie, ich habe mich die ganze Zeit eine Sache gefragt: 15 unserer Kollegen aus den Grenzräumen haben sich engagiert, haben ihre Ideen aufgeschrieben in einem Konzept, das zur Diskussion herumgeschickt worden ist.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Gibt es eigentlich bei den Sozialdemokraten keine Abgeordneten in den Grenzkreisen, die das genauso auf den Punkt bringen, wie unsere Kollegen das gemacht haben?

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Natürlich! Lesen Sie mal die Zeitung! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Römer hat erklärt, er beschäftige sich erst dann mit diesem Gesetzentwurf, wenn er vorliege. Dann hat die Frau Ministerpräsidentin gegen ihre Anweisungen verstoßen, denn sie hat sich am Ende der Debatte auch einmal geäußert. Aber Sie und alle Ihre Kollegen beschäftigen sich erst dann damit, wenn der Gesetzentwurf vorliegt.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch eine Lüge!)

Deshalb ist es wichtig, dass bei einer solchen Frage unsere Kollegen aktiv sind.

(Zurufe von der SPD)

– Nein, Sie haben nichts gemacht. Ihre Landesgruppe hat bis zu dieser Minute keine Position gefunden. Unsere Kollegen haben signalisiert, worauf es ankommt.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Das ist Quatsch! Das ist lächerlich!)

 „Landesinteresse vertreten“ bedeutet, gelegentlich auch den eigenen Kollegen zu widersprechen, wenn es erforderlich ist und im Landesinteresse liegt.

(Zurufe von der SPD: Oho!)

Seit gestern wissen wir, dass Herr Gabriel erklärt hat – das können Sie heute in der „Süddeutschen Zeitung“ nachlesen –, er stehe zu 100 % hinter dem Dobrindt-Konzept.

(Zuruf von der SPD: Er hat gar nichts erklärt!)

Deshalb jetzt meine Bitte: Liebe Grenzkollegen der SPD, bitte teilen Sie Herrn Gabriel unsere Bedenken aus Nordrhein-Westfalen mit. Diese Gabriel-Dobrindt-Maut ist nicht im Interesse von Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD – Zurufe von der SPD: Das ist lächerlich, Herr Laschet! – Meine Fresse! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Sie können das doch alles nachlesen. Es würde mir auch wehtun,

(Lachen von der SPD)

wenn Herr Minister Schäuble oder Herr Minister de Maizière widersprechen würde, ebenso wie wenn Herr Gabriel sagt, er könne mit diesem Konzept leben.

Ich bitte Sie einfach, sich nicht wie Herr Groschek sozusagen unter die Brücke in Leverkusen zu stellen und zu sagen: Herr Laschet streitet mit Herrn Dobrindt, und ich sehe zu, dass ich Geld bekomme. Nein, bei dieser Frage muss man im Interesse der Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen Farbe bekennen.

Darum bitte ich Sie, Frau Ministerpräsidentin: Tun Sie das mit der Klarheit, mit der das die Kollegen unserer Landesgruppe und viele andere in den letzten Wochen getan haben.

(Beifall von der CDU)

Wenn Herr Groschek nun zu Herrn Dobrindt unter der Leverkusener Brücke sagt, er wolle Geld bekommen, dann kann man im Gegenzug fragen: Gut und schön, aber was machen Sie dann damit? Im Jahr 2013 hat der Bund Ihnen Geld gegeben, und Sie haben 40 Millionen € zurücküberwiesen.

(Jochen Ott [SPD]: Sie haben doch das Kapital abgebaut, überproportional! Was wollen Sie denn jetzt? – Weitere Zurufe von der SPD)

Und jetzt sagen Sie: Herr Dobrindt, schicken Sie uns Geld.

In unserer Regierungszeit, von 2006 bis 2011, haben wir 143 Millionen € zusätzlich aus anderen Ländern bekommen, und zwar weil die Pläne fertig waren. Und Sie kriegen die Pläne nicht fertig!

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD – Unruhe)

Jetzt weiß man ja: Wenn davon die Rede ist, dass bei uns das Geld nicht ausgegeben wird, dann wird der Ruf nach Planungsingenieuren laut.

Dieser Landtag hat am 18. Dezember 2013 20 zusätzliche Stellen für Planungsingenieure bereitgestellt. Das wäre eine sinnvolle Investition in Personal. Ein schlauer Verkehrsminister hätte am 19. Dezember 2013 die Ausschreibungen hinausgeschickt, damit diese Personen schleunigst eingestellt werden. Über einen Monat später, am 22. Januar 2014, verspricht Herr Groschek, 20 Planungsingenieure einzustellen. Zu dem Zeitpunkt hätten längst Bewerbungen gesichtet und Vorstellungsgespräche stattfinden können.

Anfang Juli kommt die Haushaltssperre, und bei der Haushaltsperre muss Herr Groschek Folgendes beantragen: Ich brauche eine Sonderregelung, denn ich habe meine Planungsingenieure noch nicht. Jetzt haben wir Juli, und sie sind immer noch nicht da.

(Jochen Ott [SPD]: Schreiben Sie es bei Herrn Schemmer ab! Das ist Quatsch!)

Sie bekommen also Geld aus Berlin, und Sie bekommen vom Landtag Stellen für Planungsingenieure, und Sie sind trotzdem nicht in der Lage, das Geld auszugeben. Das ist Regierungsversagen, und das müssen Sie sich vorhalten lassen.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute den Bericht des Finanzministers zum Nachtragshaushalt gehört. Dieser steigt von 2,4 Milliarden € auf 3,2 Milliarden € und ist damit genauso hoch wie 2013.

(Zuruf von der SPD)

Jetzt kommt wieder NoWaBo-Deutsch: Er sagt, die Neuverschuldung habe weniger stark gesenkt werden können. Wenn Soll und Ist und Ist und Soll und dies und das verglichen werden, hat NoWaBo recht. Aber wir hatten im Jahr 2013 effektiv 3,2 Milliarden € Neuverschuldung. Wir haben im Jahr 2014 absehbar 3,2 Milliarden € Neuverschuldung. Das ist keine Senkung; das ist exakt das gleiche Ergebnis. Seit 2011 kommen Sie von Ihren 3 Milliarden € Neuverschuldung nicht herunter, während andere Länder das schaffen. Das ist das Versagen Ihrer Finanzpolitik, und das haben Sie heute nur einmal offenbart.

(Beifall von der CDU)

Nun kann man darüber nachdenken, was in der Zukunft passiert. Sie haben mit den Beamten jetzt glücklicherweise ein Ergebnis erzielt. Aber damit das auch im Jahr 2015 wieder gelingt, muss man Vertrauen schaffen. Das haben Sie vor anderthalb Jahren verpasst, weil Sie einfach marschiert sind. Das Gericht hat Sie dazu gezwungen, die Verfassung einzuhalten und mit den Beamten zu reden.

Jetzt haben Sie es gemacht, und am Montag habe ich in der „Rheinischen Post“ gelesen, dass Ihnen, Herr Römer, der DGB-Vorsitzende geschrieben hat:

„Wir verstehen das als unverhohlene Drohung, die das gerade erst wieder zu wachsen beginnende Vertrauen zwischen der SPD und den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes leichtfertig aufs Spiel setzt.“

Liebe Kollegen, Sie haben jetzt diesen Kompromiss. Kann man jetzt nicht einfach mal in Ruhe mit den Menschen reden, statt neue Provokationen zu senden? Sonst zahlen wir nämlich nächstes Jahr wieder viel zu viel.

(Beifall von der CDU)

Lassen Sie das doch! Das ist doch erst wenige Tage her. Vertrauen muss man in vielen, vielen Gesprächen mit den Menschen erarbeiten, statt unverhohlene Drohungen zu senden, wie Sie das im Moment wieder machen.

(Minister Johannes Remmel: Aber erst die Beamten so bezeichnen! Das ist unglaublich! – Zurufe von der SPD)

– Was heißt „unglaublich“, Herr Remmel?

(Minister Johannes Remmel: Erst die Beamten zu beschimpfen!)

– Lieber Herr Remmel, ich habe die Beamten nicht beschimpft.

(Minister Johannes Remmel: Ja sicher! – Zurufe von der SPD)

Es mag Sie ja treffen, wenn sich in dieser Phase der DGB-Vorsitzende über den Fraktionsvorsitzenden der SPD beschwert. Aber das zeigt doch das Klima, das in der Beamtenschaft im Lande herrscht. Die leisten gute Arbeit. Wir haben durchgesetzt, dass sie anständig bezahlt werden, nicht Sie und nicht Ihre Regierung.

(Minister Johannes Remmel: Aha! – Beifall von der CDU)

Aber kommen wir nun zu dieser Haushaltssperre! Das ist das einfallsloseste Mittel, das man ergreifen kann, weil es nicht mehr gerecht steuert. Ich stimme nicht in den Populismus mancher Zusammenstellungen ein, wenn man sagt: Landesverdienstkreuze, Empfänge – all das soll nicht sein. – Ein Land muss auch repräsentieren. Insofern ist es kein Gewinn, wenn diese Dinge nicht mehr stattfinden.

Dazu, dass Sie Bundesverdienstkreuzverleihungen aufschieben, sage ich: Die Bundesverdienstkreuze verleiht der Bundespräsident, und es bekommen sie Menschen, die sich ehrenamtlich engagiert haben. Das sind Maßnahmen, die man von so etwas ausnehmen muss; denn diese Menschen haben nichts damit zu tun, dass Sie schlecht haushalten. Das sind Leute, die eine Anerkennung verdient haben.

(Beifall von der CDU)

Sie haben aufgrund der Haushaltssperre 30 geplante Infrastrukturmaßnahmen ausgesetzt. Wenn 30 Projekte mal eben auf Eis gelegt werden, wird das, zusätzlich zu den fehlenden Planungsingenieuren, wiederum dazu führen, dass Geld nicht ausgegeben wird.

(Minister Michael Groschek winkt ab.)

Das sind keine sinnvollen Kürzungsmaßnahmen. Aber in all den Listen sieht man jetzt andere Dinge, bei denen man sagen kann: Muss das alles sein? Müssen diese Kongresse stattfinden? Muss übrigens die Ministerpräsidentin, wenn sie ein Praktikum in einem Betrieb macht, 30.000 € dafür veranschlagen?

All diese Dinge müssen nicht sein. Sich diese Liste jetzt einmal anzuschauen und zu sagen: „Was ist Repräsentation des Landes, und was ist, mit lauter Kongressen, wo man sich selbst darstellt, wirklich politischer Schnickschnack? Das ist nicht erforderlich“, ist eine kluge Haushaltspolitik: nicht pauschal streichen, sondern klug eigene Schwerpunkte setzen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Jetzt kommen wir zum Länderfinanzausgleich. Dieser Länderfinanzausgleich ist 1995 – ich habe mir noch einmal schön das Originaldokument herausgesucht – auf Vorschlag von Nordrhein-Westfalen und Bayern in Kraft getreten.

(Zuruf von der CDU: Aha! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Diese Systematik, Herr Mostofizadeh, ist seit Jahren, nämlich seit 1993, zwischen den großen Ländern verabredet.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das ist falsch!)

– Natürlich ist das richtig. Johannes Rau hat das 1994 ausgehandelt und es, wie vieles, als großes Ergebnis für das Land Nordrhein-Westfalen beschrieben.

Wenn man sich den mal anschaut, sieht man daran, dass wir jahrelang Zahler waren, dass wir auch noch in der Regierungszeit von Jürgen Rüttgers Zahlerland waren, und dass das plötzlich 2010 mit sinkender Tendenz radikal einbricht.

Diese Frage, warum das so ist, müssen Sie sich stellen. Die hat aber gar nichts mit Ihrem aktuellen Haushalt zu tun. Wir können gern mitreden, wenn 2019 der Länderfinanzausgleich verändert wird. Da kann man zusammen kämpfen – auch gegen andere Länder. Aber Sie können doch nicht Ihre heutigen Probleme auf eine Systematik zurückführen, die seit 20 Jahren exakt gleich gilt,

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das ist falsch!)

die komischerweise aber nur bei Ihnen schiefgeht.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos] – Widerspruch von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Also: Wir sind dafür, das zu verändern. Der Solidarzuschlag Richtung Osten hat sich verändert.

(Zuruf: Er wurde 2005 nachgebessert!)

– Er wurde 2005 nachgebessert. Da hat es Veränderungen gegeben. Aber die Kernsystematik läuft so seit 1994.

Jetzt ist die Frage: Hat dieses Schuldenmachen denn wenigstens dazu geführt, dass das Ziel der präventiven Finanzpolitik erreicht wurde?

Präventiv zu investieren, also früh zu investieren, damit später keine Schäden entstehen, ist nichts Neues. Als Familienministerin hat Frau von der Leyen mit uns ein Zehnpunkteprogramm zur präventiven Hilfe in Familien gemacht. Das Jugendamt geht früh in bedrohte Familien,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Mit Beamten!)

setzt dafür Personal ein, damit Kinder nachher nicht aus der Familie genommen werden. Da gibt es ein umfangreiches Programm in vielen Kommunen.

Aber das, was Sie „präventiv“ nennen, ist nicht präventiv. Wenn Sie Menschen mit mittleren und höheren Einkommen den Kindergartenbeitrag erlassen, ist das eine nette Wohltat, hat aber mit Prävention null Komma null zu tun.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos])

Das hat Ihnen in diesen Tagen noch einmal Herr Hilgers, der Präsident des Kinderschutzbundes, ins Gewissen geschrieben. Er hat gesagt: Es ist falsch, Kindergartenbeiträge für Besserverdienende zu erlassen; das hat mit Prävention und mit Kinderschutz nichts zu tun.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: 15.000 € im Jahr!)

Deshalb sagen wir: Sie machen mehr Schulden. Aber wenn Statistiken mit Ergebnissen kommen, sind wir trotzdem Letzter. Wir sind wieder Letzter bei der U3-Statistik. Elf Länder, die keine mehr Schulden machen, stehen besser da als wir bei unter dreijährigen Kindern. Also hat Ihr Konzept mehr Schulden gemacht, aber trotzdem sind wir Letzter. Frau Löhrmann, wir haben in der Studie gelesen, dass achtjährige Kinder im Ruhrgebiet ... Achtklässler im Ruhrgebiet bei Lernstandserhebungen extrem schlecht abschneiden.

(Zuruf von der SPD: Achtjährige oder Achtklässler?)

Die Achtklässler schneiden in den anderen elf Bundesländern, in denen keinen Schulden gemacht werden, besser ab als in dem Bundesland, wo man Schulden macht.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Och! – Martin Börschel [SPD]: Wo gibt es denn achtjährige Achtklässler? Das müssen Sie mir erzählen! Wo gibt es die denn? – Weitere Zurufe)

Da müssen Sie fragen: Setzen wir denn mit unserer Bildungspolitik richtig an? Ist diese Prävention erreicht, wenn Sie in 18 Modellkommunen mit Frau Brigitte Mohn irgendetwas eröffnen? Oder gehört nicht zu einer klugen Bildungspolitik, Prävention so zu machen, dass wir einmal von den Schlusslichtplätzen wegkommen? Das ist doch die Kernfrage.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Sie machen Schulden und haben trotzdem diese Erfolge nicht.

Eines sage ich Ihnen zu dem, was die BAföG-Mittel jetzt bringen werden. Wir haben im Bund in der Großen Koalition verabredet, dass 1 Milliarde € für Bildung – definiert als Schule und Hochschule – gegeben wird. Die sollen zusätzlich kommen, weil sie erst am 1. Januar 2015 eintreffen. Das ist kein Geld, was Sie jetzt mal eben im Haushalt verbraten können.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Draußen vor der Tür stehen Schulsozialarbeiter, die gern ein klares Signal hätten, dass sie am 1. Januar weiterarbeiten können. Da können Sie Herrn Vornholt zitieren – hin oder her –: Dieses Geld wurde gegeben, damit Sie mehr machen, als Sie ohnehin schon machen. Anders war das nicht verabredet.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Jetzt klagen die Kommunen und sagen: Bund, gib uns mehr Geld für die Schulsozialarbeit. – Jetzt gibt der Bund am 1. Januar mehr Geld, und Sie stecken das in den allgemeinen Haushalt. Das ist nicht in Ordnung. Das verletzt Verabredungen, die wir in Berlin getroffen haben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich fordere Sie auf: Geben Sie ein klares Signal an die Schulsozialarbeiter, damit die Kommunen das in ihre Haushalte in den nächsten Wochen für 2015 einstellen können!

(Beifall von der CDU, den PIRATEN, Stefan Kämmerling [SPD] und Robert Stein [fraktionslos])

Wir haben im letzten Jahr in den Haushaltsberatungen 140 Vorschläge gemacht. Die haben Sie alle abgelehnt. Wir werden auch in diesen Haushaltsberatungen wieder detailliert unsere Vorschläge machen, wie man den Haushalt verändern kann. Aber sie werden wieder abgeschmettert. Wir werden das trotzdem machen,

(Christian Lindner [FDP]: Die werden wieder abgelehnt!)

damit nicht jemand sagt: Ihr habt keine Änderungsvorschläge. – Nur die grundphilosophische Änderung Ihrer Politik, das Beschränken auf den Kern, kann man nicht in Kürzungsanträge hineinschreiben, sondern das muss man machen.

Da sage ich Ihnen: Sie haben zwei Sachen in den letzten Wochen gezeigt, nämlich dass Sie nicht nur die finanzpolitische Kompetenz verloren haben, sondern dass Ihnen auch das Gespür für die Menschen abhandengekommen ist.

(Beifall von Rita Klöpper [CDU])

Wie konnten Sie denn auf die Idee kommen, dass, nachdem der Kompromiss bei den Beamten geschlossen war, die Minister und die Ministerpräsidentin ausgenommen seien und eine große Gehaltserhöhung bekommen hätten?

(Widerspruch von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Ministerin Sylvia Löhrmann)

Das haben Sie erklärt. Sie haben es nicht hineingenommen am Dienstag, als Sie es beschlossen haben. Dann hat Ihr Staatssekretär, Frau Ministerpräsidentin, die gesamte LPK bespielt und erklärt: Das geht juristisch gar nicht, das kann man so nicht machen. – Johannes Rau hat das dreimal gemacht. Johannes Rau hatte mehr Sensibilität für diese Themen, als Sie sie haben.

(Lachen von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Sie haben es erst auf unseren Druck hin gemacht. Wir haben Ihnen den Antrag geschrieben, und drei Stunden später ist die Regierung eingeknickt.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos] – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Sie haben es selbst miterlebt. Sie waren im Kabinett von Peer Steinbrück. Da hat man es auch gemacht. Es ist eine Dreistigkeit, wenn sich ein Regierungssprecher hinstellt und erklärt: Es geht juristisch nicht. – Dann schreibt die CDU den Antrag, und drei Stunden später geht es juristisch wohl. So kann man nicht mit juristischen Begriffen, so kann man nicht mit der Öffentlichkeit und so kann man nicht mit Journalisten umgehen, wie Sie es in den letzten Wochen rund um dieses Thema gemacht haben.

(Beifall von der CDU, Dietmar Brockes [FDP] und Robert Stein [fraktionslos])

Und jetzt kommt das Zweite. Da kann ich nur hoffen, Frau Ministerpräsidentin, dass die „Westfälischen Nachrichten“ Sie da falsch zitieren. Sie waren in einem Forum in Havichhorst. Da hat man Sie gefragt: Sagen Sie mal, Frau Ministerpräsidentin, warum kommen Sie eigentlich nicht, wenn im Münsterland eine riesige Katastrophe ist und alles unter Wasser steht? – Die Antwort der Ministerpräsidentin ausweislich dieses Zeitungsberichtes – ich kann nicht glauben, dass es stimmt, aber ich lese es Ihnen vor –:

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Fragen Sie die Kollegen, die dabei waren!)

Ich war in Brandenburg auf einem Schiff und hatte eine Woche keinen Empfang.

Frau Ministerpräsidentin! Jeder Minister, jeder Ministerpräsident muss, wenn in Nordrhein-Westfalen etwas passiert, über das Lagezentrum des Innenministers in jeder Minute erreichbar sein. Erklären Sie: Ist es wirklich wahr, dass Sie in einer solchen Lage eine Woche lang für niemanden erreichbar sind?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das kann mit der Ministerpräsidentin unseres Landes nicht möglich sein. Das kann ich nicht glauben.

Nach Düsseldorf, nach Essen, in die Ruhrgebietsstädte sind Sie über Pfingsten gar nicht gegangen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Nach Münster sind Sie fünf Wochen später gegangen. Unsere Kollegen aus dem Münsterland haben Ihnen in einem Antrag einen Weg gewiesen, wie man denn Gelder in die Katastrophengebiete, ins Münsterland bringen kann.

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

– Sie haben es nicht gemacht. Ihre Ministerpräsidentin war ja nicht erreichbar. Dann müssen es -wie bei all den anderen Themen – unsere Kollegen machen. Sie haben gesagt, Sie wollen eine anständige Opposition haben. Wir machen andauernd Ihren Job. Wir würden uns allerdings wünschen, dass wir irgendwann auch einmal eine anständige Regierung haben, die das tut, was Menschen von ihr erwarten: sich um die Sorgen kümmern, vor Ort sein, seriöse Haushalte vorlegen,

(Martin Börschel [SPD]: Da sind Sie die Falschen!)

die Verfassung einhalten – eigentlich Minimalvoraussetzungen, die Sie nicht in der Lage sind zu leisten. Und das ist unsere Kritik am heutigen Tag.

(Lang anhaltender Beifall von der CDU – Beifall von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Als nächster Redner spricht zu uns der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Norbert Römer.

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Laschet! Sehr geehrter Herr Oppositionsführer! Es ist selbstverständlich Ihre Aufgabe, die Regierung anzugreifen, die Politik der Koalition zu kritisieren. Selbstverständlich darf man dabei auch polemisieren, auch übertreiben.

Ich verstehe Sie sogar, dass Sie für diese Debatte den Plastikhammer aus Ihrer rhetorischen Spielzeugkiste herausgenommen haben. Schließlich muss man ja, Herr Kollege Laschet, den eigenen Leuten hin und wieder auch zeigen, dass man ein taffer Politiker mit Führungsqualitäten sein kann, zumal dann, Herr Kollege Laschet, wenn es auch Zweifler in den eigenen Reihen geben sollte.

Ich habe gehört, dass Sie sich wochenlang auf diese Rede vorbereitet haben. Ich war gespannt, was Sie hier denn sagen würden. Ich bin von einer Enttäuschung in die andere gefallen. Wie man eine solche Rede, die man wochenlang vorbereitet, so versemmeln kann, Herr Kollege Laschet, das ist schon atemberaubend.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Verräterisch ist – das war am Ende in Ihrer Rede zu hören –, dass Ihnen mittlerweile kein Populismus mehr zu unappetitlich ist, als dass Sie ihn nicht doch noch von der Straße kratzen würden.

Der Regierung zu unterstellen, sie hätte die notwendige Sensibilität nicht gehabt, Herr Kollege Laschet,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

das ist dünnes Eis, auf das Sie sich begeben. Sie bedienen damit dieses abgegriffene Klischee von Politikern als einer Kaste, die sich selbst immer nur am Nächsten ist. Haben Sie das, Herr Kollege Laschet, wirklich nötig? Das verrät doch mehr über Sie als über diese Regierung, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Wahrheit ist – ich will das gerne aufnehmen –: In der Vergangenheit verzichteten viele Regierungen auf die Erhöhung der eigenen Bezüge. Sie verzichteten immer dann, wenn sie dem öffentlichen Dienst oder Empfängern von Landesleistungen harte Entscheidungen aufgebürdet haben. Das waren aber, Herr Kollege Laschet, ausschließlich sozialdemokratische und rot-grüne Regierungen.

Die Regierung Rüttgers, der Sie angehört haben, hat einmal das Weihnachtsgeld ausgelassen; aber sie hat kein einziges Mal auf eine Erhöhung ihrer Bezüge verzichtet – kein einziges Mal –, und dabei gab es in Ihrer Regierungszeit, Herr Kollege Laschet, mehr als einen Anlass für einen solchen Verzicht. Doch zu einem Signal der Empathie, der Verantwortung und der Solidarität waren Sie nie bereit. Auch das gehört zur Wahrheit mit dazu. Das müssen Sie jetzt hier ertragen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich füge hinzu, Herr Kollege Laschet: Ihre Rede mit all den falschen Hinweisen, die Sie auch hier gegeben haben, reiht sich nahtlos ein in das, was Sie seit längerer Zeit betreiben. Sie malen ein Bild Nordrhein-Westfalens, das ganz viel mit einem Hieronymus-Bosch-Gemälde, aber nichts mit der Realität zu tun hat.

Glauben Sie wirklich, Herr Kollege Laschet, dass Sie umso schöner werden, je hässlicher Sie das Land erscheinen lassen? Mit Verlaub, dem ist nicht so. Da irren Sie ganz gewaltig, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wissen es: Nordrhein-Westfalen steht vor großen Herausforderungen, auch finanzpolitischen. Ich komme gleich darauf zurück.

Zunächst einmal gilt es, eines klar herauszustellen: Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Land, ein sehr starkes Land, meine Damen und Herren,

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Es wird nur schlecht regiert!)

mit leistungsstarken Frauen und Männern, im Übrigen auch mit leistungsstarken Frauen und Männern im Landesdienst.

Um zu einer realistischen Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen zu kommen, hilft oft der objektive Blick von außen, zum Beispiel jener des Foreign Direct Investment Magazine, eines britischen Wirtschaftsmagazins, das nicht im Verdacht steht, der Labour Party nahezustehen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

– Es ist eine Fachzeitschrift für die Londoner City, also eher eine Lektüre, Herr Kollege Lindner, für Ihr Milieu: Oder müsste ich besser „Ihr abhanden gekommenes Milieu“ sagen?

Das FDI ermittelt regelmäßig die europäische Zukunftsregion Nummer eins. Der Gewinner der letzten Erhebung ist weder der Großraum London noch der Großraum Paris. Die Nummer eins ist nicht der Kanton Zürich oder eines der skandinavischen Wirtschaftszentren. Die wirtschaftliche Zukunftsregion Nummer eins in Europa ist Nordrhein-Westfalen.

Warum? – Unser Land gehört in allen Vergleichskategorien zur europäischen Campions League. Wirtschaftspotenzial und Infrastruktur, Investitionsklima und Wirtschaftsfreundlichkeit der Politik und nicht zuletzt die herausragenden Qualifikationen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen NRW zur Zukunftsregion Nummer eins.

Kein anderes deutsches Bundesland schafft es unter die Top 25, Herr Kollege Laschet: nicht Bayern, nicht Baden-Württemberg, übrigens auch nicht Sachsen.

(Zuruf von der FDP)

Wie komme ich eigentlich auf Sachsen, Herr Kollege Laschet? Der Finanzminister hat es vorhin schon herausgestellt. Ich gebe zu, allein wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, NRW mit Sachsen zu vergleichen.

(Lachen von Nadja Lüders [SPD])

Es war Armin Laschet, der am Abend des letzten Wahlsonntags dem erstaunten Fernsehpublikum verriet, er blicke stets neidisch auf die Wirtschaft und die Finanzen des Freistaats.

(Armin Laschet [CDU]: Bildungspolitik!)

Herr Kollege Laschet, für jemanden, der Spitzenkandidat seiner Partei für die nächste Landtagswahl werden möchte, war das schon eine sehr bemerkenswerte und – im Hinblick auf Ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Kompetenzen – sehr erhellende Aussage. Denn bei allem Respekt vor dem schönen Freistaat Sachsen verraten Sie durch Ihren neidvollen Blick so viel Sachverstand wie ein Fußballtrainer, der Jürgen Klopp mit dem Argument ablösen möchte, das Vorbild für Borussia Dortmund sei Dynamo Dresden. – So etwas Absurdes habe ich noch nicht gehört.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Heiterkeit von der SPD – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das werden die Fans in Dresden nicht mögen!)

Nordrhein-Westfalen hat die größte Wirtschaftskraft der Bundesrepublik Deutschland, den dichtesten Besatz an Industrie, den größten Energiesektor und das stärkste produzierende Gewerbe. Nicht nur im Ruhrgebiet – im westlichen Münsterland, in Südwestfalen, in Ostwestfalen-Lippe, überall ist das zu besichtigen. Und wir erhalten mit Abstand die meisten ausländischen Direktinvestitionen. Nirgendwo gibt es mehr Universitäten und Forschungseinrichtungen. Hier in Nordrhein-Westfalen schlägt das Herz der Industrie und des produzierenden Gewerbes in Deutschland, Herr Kollege Laschet –

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

immer noch hier in Nordrhein-Westfalen.

Aber der Oppositionsführer schaut neidisch nach Osten.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Weil die gut regiert werden im Gegensatz zu uns! – Zurufe von der SPD: Ooh! – Minister Johannes Remmel: Aber 15 % Rechte und Rechtsextreme produzieren!)

Herr Kollege Laschet, Sie kennen doch die Weisheit „An ihren Vorbildern sollt ihr sie erkennen“. Also: „Vorbild Sachsen für Nordrhein-Westfalen“, meine Damen und Herren, das macht keinen Sinn.

Ich will das noch mal aufnehmen, damit das für alle klar ist. Wissen Sie überhaupt, Herr Kollege Laschet, dass der Haushalt des Freistaats Sachsen zu fast 40 % fremdfinanziert wird –

(Minister Johannes Remmel: Ja, unglaublich!)

unter anderem auch durch die Wirtschafts- und Steuerkraft des Landes Nordrhein-Westfalen? Unser Land hat unter allen Bundesländern – man kann das nicht oft genug sagen, damit die Schwarzmalerei endlich aufhört – die fünfthöchsten Steuereinnahmen pro Kopf der Bevölkerung. Aber nach den vielen föderalen Umverteilungsmechanismen landen wir auf dem letzten Platz.

Nordrhein?Westfalen hat vor nicht allzu langer Zeit den Strukturwandel anderer Bundesländer mit Milliardenbeträgen mitfinanziert – auch den Strukturwandel des damaligen Nehmerlandes Bayern. Wir haben nach 1990 einen großen Teil unserer Finanzkraft für den Aufbau Ost zur Verfügung gestellt. In den Jahrzehnten, in denen Nordrhein-Westfalen anderen Bundesländern geholfen hat, musste es gleichzeitig den eigenen Strukturwandel bewältigen – ein Strukturwandel, dessen wirtschaftliches und soziales Zerstörungspotenzial seinesgleichen suchte.

Zur Wahrheit über die Verschuldung Nordrhein-Westfalens gehört eben auch, dass es unserem Land mit der Hilfe der Menschen in Nordrhein-Westfalen gelungen ist, jene sozialen Verwerfungen zu verhindern, die zum Beispiel Mittelengland, die Wallonie oder Lothringen brutal gezeichnet haben. Wenn man dorthin kommt und sich mit offenen Augen umsieht, sind die Narben heute noch zu sehen.

Gleichzeitig, Herr Kollege Laschet – da will ich Sie berichtigen –, haben wir es in Nordrhein-Westfalen geschafft, das Wirtschafts- und Industrieland Nummer eins in Deutschland zu sein und zu bleiben.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Dietmar Schulz [PIRATEN])

Wir sind immer noch Nummer eins in Deutschland. Meine Damen und Herren, das ist ein großer Erfolg, den es aber nicht umsonst gab.

Festzuhalten ist – das ist mir wichtig –: Nordrhein-Westfalen hat viel für andere Länder getan und tut das noch. Wir brauchen keine Nachhilfe in Sachen Solidarität. Das ist für uns selbstverständlich. Gestern, heute und auch morgen üben wir Solidarität mit anderen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir zahlen pro Jahr nicht weniger als 1,7 Milliarden € netto in den Finanzausgleich. Das sind mehr als 50 % der Nettoneuverschuldung in diesem Jahr. Vor dem Finanzausgleich – auch das, was der Finanzminister herausgestellt hat, wiederhole ich, weil man das nicht oft genug sagen kann – hat unser Land 1.000 € mehr Steuereinnahmen pro Einwohner als Sachsen oder Thüringen. Am Ende erhält Nordrhein-Westfalen pro Einwohner 500 € weniger als alle ostdeutschen Bundesländer, die ohne diese föderalen Ausgleichszahlungen keine ausgeglichenen Haushalte vorlegen können. Eine solche Umverteilung, meine Damen und Herren, ist aber weder fair noch gerecht und muss geändert werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Laschet, man muss doch darauf hinweisen dürfen, ohne von Ihnen gleich wieder der Bettelei bezichtigt zu werden.

Fair und gerecht ist doch auch nicht, dass unser Land bei der Verteilung von Fördermitteln benachteiligt wird. Nach seiner Einwohnerzahl hätte Nordrhein-Westfalen 21,8 % aller Zuweisungen für Wirtschaft, für Infrastruktur, für Bildung, Forschung und Soziales erhalten müssen. Wir bekommen aber nur 14,9 %. Das heißt: Wir erhalten im Jahr 3 Milliarden € weniger als uns nach unserem Bevölkerungsanteil zustehen würde für dringend notwendige Projekte in den Bereichen Bildung, Infrastruktur oder Soziales. Das ist nicht fair, und das ist auch nicht gerecht, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb ist es jetzt an der Zeit, den föderalen Finanzausgleich so zu reformieren, dass unser Land so viel von seiner Finanzkraft behält, wie ihm zur Bewältigung seiner Aufgaben zusteht. Für diese wichtige und zugleich schwierige Aufgabe – das sage ich mit allem Freimut – hat die Landesregierung mit Finanzminister Norbert Walter-Borjans und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft unsere volle Unterstützung.

Es wäre gut, Herr Kollege Laschet, wenn die CDU dabei an unsere Seite käme. Das wäre im Interesse des Landes. Das wäre auch im Interesse der Menschen in Nordrhein-Westfalen. Machen Sie das endlich! Kommen Sie in dieser wichtigen Frage an unsere Seite! Lassen Sie Ihre Schwarzmalerei sein, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Laschet, ich will mir zwei Bemerkungen zu den von Ihnen angesprochenen Punkten erlauben, zum einen zu den BAföG-Mitteln und zum anderen zur Maut.

Sie behaupten, diese 279 Millionen €, die das Land durch die Übernahme des eigenen Anteils durch den Bund bei der BAföG-Regelung einspare, würden im Haushalt versickern. – Dazu sage ich Ihnen: Das ist falsch! Denn nachweisbar gibt das Land durch die zusätzlichen Studienplätze im Rahmen des Hochschulpakts, den Ausbau des offenen Ganztags, die zusätzlichen Lehrerinnen- und Lehrerstellen für die Inklusion,

(Armin Laschet [CDU]: Die sonst gestrichen würden?)

die weitere Qualitätsverbesserung in den Kitas und, und, und deutlich mehr Geld aus. Herr Kollege Laschet, wir geben das Geld also für genau das aus, für das es bestimmt ist

(Armin Laschet [CDU]: Nein!)

und verwandt werden sollte.

Sie wissen ganz genau: Das sollte zur Entlastung der Länder bei der Bewältigung dieser Aufgaben passieren. Das machen wir. Es versickert also nicht, sondern es wird zielorientiert für das ausgegeben, wofür es bestimmt ist, meine Damen und Herren.

Jetzt will ich etwas zur Maut sagen, Herr Kollege Laschet, weil Sie ja vorhin…

(Armin Laschet [CDU] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] führen ein Zwiegespräch.)

– Herr Kollege Laschet, ich wollte gerade etwas zu Ihrem „Hilferuf“ sagen. Es ist wie bei Ihrer Rede, Herr Kollege Laschet, Sie sind immer nur abgelenkt.

Herr Kollege, ich wollte Ihnen etwas zur Maut sagen. – Wir haben eine klare Haltung, und zwar schon lange.

(Armin Laschet [CDU]: Wie denn?)

Wir haben unser eigenes Konzept der Ausweitung der Lkw-Maut immer wieder vorgelegt. Offensichtlich kennen Sie die Tagesordnung nicht, weil das Thema hier im Plenum noch eine Rolle spielen wird. Wir reden darüber. Wir halten dieses Konzept einer Ausweitung der Lkw-Maut auch deshalb für richtig, weil nur dies nennenswerte Mehreinnahmen verspricht. Deshalb ist ja auch die Bundesratsinitiative, die von NRW ausgeht und für die Verkehrsminister Mike Groschek überall beharrlich wirbt, absolut richtig.

Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Sie versuchen, sich mit dem Thema „Maut“ bundesweit zu profilieren.

(Armin Laschet [CDU]: Ich „versuche“ gar nichts! – Martin Börschel [SPD]: Ja, das stimmt!)

Das dürfen Sie, das ist Ihr gutes Recht. Aber weit hat es nicht gereicht, Herr Kollege Laschet, nur noch bis zum Machtwort von Frau Merkel.

Herr Kollege Laschet, das an Ihre Adresse: Ihnen fehlt es doch ganz offensichtlich an Durchsetzungskraft. In Berlin hört niemand auf Sie, noch nicht einmal in der eigenen Partei.

(Beifall von der SPD)

Ich will Ihrem Hilferuf ja gar nicht ausweichen, fand es aber nur bemerkenswert, dass Sie gerade die sozialdemokratische Fraktion um Hilfe gegen Ihre eigenen Parteifreunde in Berlin gebeten haben, Herr Kollege Laschet. Das sagt viel über Ihre Durchsetzungskraft und Ihren Einsatz aus.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe vorhin von Ihnen kein einziges Wort zu der eigentlich wichtigen Frage in diesem Zusammenhang gehört. Sie geben keine Antwort darauf, woher denn die rund 7 Milliarden € jährlich kommen sollen, die wir in Deutschland Jahr für Jahr zur Sanierung und zum Erhalt der Straßen und Brücken benötigen. Dazu kein einziges Wort von Ihnen, stattdessen populistische Versuche, mit der Maut zu punkten. Das geht nicht, Herr Kollege Laschet! Das wird Ihnen niemand durchlassen, die Kanzlerin sowieso nicht. Das haben Sie schon gemerkt.

Also, meine Damen und Herren, der Finanzminister hat es schon herausgestellt: Wir sind fest entschlossen und auf einem guten Weg, bis 2020 die Nettokreditaufnahme des Landes auf null zu senken.

Ich gebe zu, dass das anstrengend ist und nicht ohne Zumutungen geht. Aber wenn wir zurückblicken, erkennen wir doch den Konsolidierungspfad: Zwischen 2010 und 2014 ist es uns gelungen – daran können Sie mit Ihrer Schwarzmalerei nicht vorbeireden –, die Neuverschuldung um mehr als ein Drittel zu reduzieren. Dennoch ist klar: Die Neuregelung der Beamtenbesoldung und die Entwicklung der Steuereinnahmen werfen uns um mindestens ein Jahr zurück.

Das werden wir aufholen und aufholen müssen. Deshalb in aller Klarheit, weil Sie ja auf den Brief des DGB-Vorsitzenden an mich zu sprechen gekommen sind: Auch das Personalbudget wird dazu einen Beitrag leisten müssen, und zwar in dem Maße, wie es der Finanzminister deutlich gemacht hat. Angesichts eines Anteils von 42 % an den Gesamtausgaben sowie steigender Kosten für Beihilfen und Versorgung führt daran kein Weg vorbei. Das wissen auch die Gewerkschaften, die Verbände und der Beamtenbund. Also: Personalkosten sind kein Tabu.

Meine Damen und Herren, in den Sommerferien hat uns die Opposition mit einem Endloswunschzettel für immer neue Aufgaben und Ausgaben erfreut. Vor allem die CDU hat sich dabei hervorgetan: „Jeden Tag eine neue Pressemitteilung“ war die Devise, das Land schlechtreden und dann fordern: Mehr Finanzbeamte! Mehr Lehrerinnen und Lehrer! Mehr Polizei! – Überall mehr.

Dann hat Ihre Fraktion, Herr Kollege Laschet, offensichtlich völlig den Überblick und die Orientierung verloren. Der Haushaltsexperte Ihrer Fraktion, Herr Optendrenk, hat nämlich vorgeschlagen, Lehrerstellen im Umfang von 300 Millionen € einzusparen. Da war ich baff. Und Sie waren offensichtlich auch baff, Herr Kollege Laschet; denn auch heute haben Sie dazu nichts gesagt. Aber Sie müssen die Frage beantworten: Wollen Sie den Schulkonsens, den die CDU unter Karl-Josef Laumann und Norbert Röttgen mit uns geschlossen hat, tatsächlich aufkündigen? Denn das verbirgt sich doch hinter der Forderung Ihres Haushaltsexperten. Schweigen, Herr Kollege Laschet, hilft nicht. Sie müssen Farbe bekennen. Wir lassen Sie da nicht raus. Wollen Sie den Schulkonsens aufkündigen? Dann sagen Sie das. Sie können mit uns darüber reden. Aber Schweigen bringt nichts, Herr Kollegen Laschet.

(Beifall von der SPD)

Wir bleiben, meine Damen und Herren, auf unserem eingeschlagenen Weg: Sparen mit Augenmaß und Investitionen in die Zukunft, vor allem in die Bildung, die Förderung unserer Kinder, die Stabilisierung der kommunalen Finanzen und die Erhaltung der Infrastruktur.

Deshalb sage ich auch – das ist für die Menschen wichtig – in aller Klarheit: Wir werden die Studiengebühren nicht wieder einführen. Und wir werden die Beitragsbefreiung im letzten Kitajahr nicht zurücknehmen, meine Damen und Herren. Unser Ziel bleibt eine beitragsfreie Kita. Daran werden wir weiter arbeiten.

(Beifall von der SPD)

Bei der CDU, meine Damen und Herren, weiß man nicht so genau, wohin die Reise gehen soll. Herr Kollege Laschet, auch dazu vorhin von Ihnen kein Wort. Wollen Sie die Studiengebühren wieder einführen? Wollen Sie die Kitabeitragsbefreiung rückgängig machen? Ihr Vorgänger im Landesvorsitz, Herr Röttgen, hatte das ausgeschlossen. Wie ist das bei Ihnen?

1.250 € müsste eine junge Familie im Jahr durchschnittlich mehr an Kitabeiträgen zahlen, und Studierende müssten 1.000 € zusätzlich im Jahr zahlen, wenn Sie das rückgängig machen würden. Wollen Sie das, Herr Kollege Laschet? Auch hierzu gibt es von Ihnen keine Klarheit für die Menschen.

Sie bleiben Ihrer Linie treu: Sie lavieren, Sie taktieren und Sie weichen aus. Nehmen wir mal das Beispiel G8/G9: Am 12. März 2008, Herr Kollege Laschet, behaupteten Sie in diesem Hohen Haus, an dieser Stelle stehend, das schwarz-gelbe Turbo-Abitur führe zu einer – ich zitiere Sie – „geringeren Belastung als in allen anderen Ländern der Bundesrepublik.“ Weiter haben Sie gesagt, es gebe überhaupt keinen Grund – jetzt zitiere ich Sie wieder –, „Schreckensszenarien von Leistungsdruck und Überlastung“ zu entwerfen. Nichts von dem hat sich als wahr erwiesen, wie wir heute wissen.

Und was macht Herr Laschet? Er züchtet Opportunismusblüten von empörender Pracht. Wie in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 5. Mai 2014 nachzulesen war, stellte er zunächst das G8 ganz infrage – so, als hätte er mit dessen Einführung nichts zu tun gehabt. Und danach – seitdem sind ja schon wieder einige Monate vergangen – ist er nun wieder dafür, weil seine Forderung nach einer Rückabwicklung des G8 nicht den gewünschten demoskopischen Erfolg gebracht hat. Jetzt kritisiert er nur noch, dass die rot-grüne Koalition nicht schnell genug jene Schäden repariert, die Schwarz-Gelb angerichtet hat – obwohl wir Sie davor immer wieder gewarnt haben.

Herr Kollege Laschet, verfolgen Sie überhaupt einen Kurs mit Ihrer Politik? Gibt es bei Ihnen überhaupt eine Linie? Sie lassen sich doch nur von den Oberflächenströmungen der Demoskopie treiben – das ist zumindest mein Eindruck –, in der Hoffnung, irgendeine Laune der Mediendemokratie werde Sie schon irgendwie ins Stadttor spülen. Wissen Sie, Herr Kollege Laschet, wie man solche Politiker in den Vereinigten Staaten von Amerika nennt? „Flip-Flopper!“

(Beifall von der SPD)

– Ja, Herr Kollege Laschet, Sie sind ein „Flip-Flopper“. Das zeichnet Sie aus.

(Beifall von der SPD)

Nicht nur – auch das ist vorhin in Ihrer Rede deutlich geworden –, dass Sie keine Überzeugungen vertreten, Ihnen mangelt es auch an Führungsqualitäten und Durchsetzvermögen. In Köln, Herr Kollege Laschet, lässt sich Ihr Parteifreund Henk van Benthem mit den Stimmen von Rechtsextremisten zum Bezirksbürgermeister wählen und verrät damit den Grundkonsens aller Demokraten, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Und was macht der ehemalige Integrationsminister und amtierende Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen? Billigt er das Verhalten seines Parteifreundes? – Herr Kollege Laschet, daran glaube ich keine Sekunde. Sie sind aber offensichtlich viel zu schwach, um in den eigenen Reihen für Ordnung zu sorgen. Bevor Sie anderen, Herr Kollege Laschet, Vorträge über politische Führung halten, beginnen Sie doch mal selbst mit dem Führen in Ihrer eigenen Partei. Das ist dringend notwendig – in Köln allemal!

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, was ist die Grundlage für eine erfolgreiche Finanzpolitik? Eine Antwort gab vor Kurzem die Landesvereinigung der Unternehmerverbände Nordrhein-Westfalen. Ich zitiere:

„Wo gute Bildung Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich fördert und junge Menschen gut auf das weitere Leben, insbesondere Berufsleben, vorbereitet, profitieren davon auch die öffentlichen Haushalte. Nur in einem wirtschaftlich starken Land, in dem Unternehmen gut qualifizierte Fachkräfte und die Menschen Beschäftigung finden, sind die Einnahmen der öffentlichen Hand stabil.“

Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen werden wir auf die notwendigen Investitionen für Bildung und Wirtschaftskraft nicht verzichten. Im Jahre 2014 werden wir insgesamt 25 Milliarden € für Forschung und Bildung zur Verfügung stellen – mehr als ein Drittel des Landeshaushalts und so viel wie nie zuvor.

Unsere Wirtschaftspolitik setzt auf Innovation, auf Zukunftsindustrien und auf gute Arbeit. Nordrhein-Westfalen wird zum Land der Industrie 4.0 mit intelligenten und digitalisierten Produktions- und Dienstleistungsketten.

Dazu, Herr Kollege Laschet – weil Sie das immer noch nicht begriffen haben –, gehört selbstverständlich auch eine vernünftige Politik, um den Klimaschutz hier in Nordrhein-Westfalen mit den Unternehmen, mit der Wissenschaft und mit denjenigen, die in den Gewerkschaften Verantwortung haben, zu einem Fortschrittsmotor zu machen. Das machen wir gerade mit dem Klimaschutzgesetz und dem Klimaschutzplan in enger Zusammenarbeit mit denen, die das auch betreiben wollen und die ein Interesse daran haben, dass Nordrhein-Westfalen auf diesem Weg voranschreitet, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lutz Lienenkämper [CDU]: So, wie Sie es machen, ist es Bürokratie!)

Ich sage Ihnen das noch mal, weil Sie ja immer noch daran knabbern, dass Schwarz-Gelb fünf Jahre lang in Berlin das, was man Energiewende nennt, so schludrig und in einer Weise liegengelassen hat, dass wir heute alle unter den Folgen zu leiden haben: nicht nur die großen Energieversorgungsunternehmen, nicht nur die Stadtwerke, sondern die Industrie in Nordrhein-Westfalen insgesamt.

Wir sind dabei, das zu reparieren, seitdem wir mit in der Regierungsverantwortung in Berlin sind. Deshalb wäre es wichtig, Herr Kollege Laschet, dass Sie Herrn Gabriel nicht Steine in den Weg werfen, sondern endlich mit uns zusammen an diesem Strang ziehen würden, in eine Richtung. Darauf kommt es an.

(Beifall von der SPD)

Das ist doch der entscheidende Unterschied zu Ihnen: Wir nutzen die Energiewende für eine Innovationsoffensive.

(Lachen von der CDU)

Wir fördern Energieeffizienz in der mittelständischen Wirtschaft. Wir werden zum Exportland für Hochtechnologie in den Bereichen Energie- und Ressourcennutzung. Das ist das, was wir hier auf den Weg bringen.

Deshalb bleibt es auch dabei: Im Gesamtzusammenhang setzen wir auch weiterhin auf eine vorbeugende Bildungs- und Sozialpolitik. Mit jedem Kind, das nicht zurückgelassen wird, gewinnt unsere Wirtschaft einen Facharbeiter, eine Ingenieurin oder einen Unternehmer mehr. Viel wichtiger noch: Ein weiterer Mensch gewinnt die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Das ist die Melodie, die wir auch hier an den Tag legen, Herr Kollege Laschet.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Das ist die Melodie, zu der wir Sie einladen, das mit uns gemeinsam zu machen.

Sie blockieren. Sie wollen Steine in den Weg legen. Sie reden das Land schlecht. Sie tun den Menschen keinen großen Gefallen, wenn Sie immer wieder Schwarzmalerei betreiben. Das ist keine vernünftige Art, hier gute Oppositionsarbeit zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich fasse zusammen: Nordrhein-Westfalen ist ein Land mit großen Stärken und vielen Erfolgen. Gleichzeitig ist es ein Land, das ernste Probleme lösen und neue Herausforderungen bewältigen muss.

Wir nutzen die Herausforderungen für Innovationen. Probleme gehen wir an, Schritt für Schritt, im Übrigen mit Ehrgeiz und mit Realismus, mit ökologischer Verantwortung und mit den Werten unserer sozialen Demokratie. Wir halten Kurs.

Die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen können sich auf die Landesregierung unter der Führung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, auf die rot-grüne Koalition verlassen. Das ist der Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren. Ich freue mich auf die weitere Diskussion. – Vielen Dank.

(Langanhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Nun spricht für die FDP-Fraktion der Fraktionsvorsitzende, Herr Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Landeshaushalt 2015 markiert so etwas wie eine Halbzeitbilanz dieser Legislaturperiode. Herr Kollege Römer hat gerade zur Halbzeitbilanz der CDU-Landtagsfraktion gesprochen. Ich würde jetzt gerne wieder auf die Bilanz dieser rot-grünen Koalition zurückkommen.

Wo stand Nordrhein-Westfalen vor vier Jahren? Wo stand Nordrhein-Westfalen vor zwei Jahren? Und wo steht unser Land heute, Frau Ministerpräsidentin?

Im Bildungsmonitor ist unser Land auf Platz 15 abgerutscht. Beim Wirtschaftswachstum war Nordrhein-Westfalen im Jahr 2008 auf Platz 3 der westdeutschen Flächenländer. Heute ist nur noch das Saarland schlechter als Nordrhein-Westfalen. Und nach Bremen hat unser Land die höchste Arbeitslosenquote im Westen.

Das zeigt: Ob Wachstum, Arbeitsmarkt oder Bildung – Nordrhein-Westfalen wird unter Ihrer Verantwortung nach hinten durchgereicht. Lediglich bei der Neuverschuldung können wir einen Spitzenplatz beanspruchen.

Meine Damen und Herren, während andere, der Bund und viele Länder, jetzt Lösungen für diese Herausforderungen finden, stellen wir hier in unserem Land noch nicht einmal ein Bemühen fest. Das betrifft nicht nur uns hier, die wir uns jeden Tag mit Landespolitik befassen, sondern das merken auch die Menschen.

Dieser Tage haben die „Rheinische Post“ und die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ über aktuelle Stimmungsbilder der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens berichtet. Ich will Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, nicht vorenthalten, wie Ihre Politik beurteilt wird.

61 % der Nordrhein-Westfalen finden, dass Sie darin versagen, die Staatsverschuldung abzubauen. 53 % glauben, dass Sie nicht genug tun, um die Situation an den Schulen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. 61 % finden, dass Sie sich nicht genügend anstrengen, die ökonomischen Probleme des Landes wie Arbeitslosigkeit oder Wachstum zu lösen.

Norbert Walter-Borjans hat eben in seiner Rede gesagt, die Nordrhein-Westfalen hätten ein feines politisches Gespür. Ausweislich dieser Umfragen sagt ihnen ihr Gefühl, diese Landesregierung hat ein Misstrauensvotum verdient, weil sie mit unserem Land nicht gut umgeht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vor inzwischen vier Jahren, Frau Ministerpräsidentin, haben Sie das Schuldenmachen zu Ihrer politischen Philosophie erklärt. Sie sagen Gerechtigkeit und Sie meinen Belastung. Sie sagen sparen und Sie meinen Schulden. Sie sagen Strukturwandel und meinen eigentlich Kapitulation.

Mit diesem Kurs sind Sie vor Gericht gescheitert. Sie sind mit diesem Kurs gescheitert im Vergleich der Bundesländer. Und ganz offensichtlich scheitern Sie mit dieser Politik jetzt auch im Urteil der Menschen.

Ich habe Ihnen das bereits vor zwei Jahren gesagt; das ist durch einen Zwischenruf aus der SPD-Fraktion eben noch mal in Erinnerung gerufen worden. Vor zwei Jahren haben wir Ihnen bereits gesagt: Das Land Nordrhein-Westfalen braucht eine marktwirtschaftliche Wende und endlich eine Konzentration auf die Zukunftsaufgaben. – Sie, Frau Ministerpräsidentin, verlieren sich aber im Klein-Klein und verspielen damit die Chancen, die unser großartiges Bundesland hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Aber von dieser Wende ist nichts zu sehen. Im Gegenteil: Norbert Römer hat in seiner Rede noch einmal ausdrücklich bekräftigt, man wolle es genauso machen wie bisher. Es hätte nur noch gefehlt, dass er hier wie Andrea Nahles singt: Vorwärts immer, rückwärts nimmer! – Das war die Grundmelodie Ihrer Ausführungen hier, als hätte es keine verfassungsgerichtlichen Urteile gegeben, als könnten Sie darüber hinwegsehen, dass Nordrhein-Westfalen im Vergleich immer weiter zurückfällt. Bei Ihnen aber ist nichts von einem Kurswechsel zu hören.

Die Schulden Nordrhein-Westfalens steigen, die Nettokreditaufnahme sinkt nicht. Und dann stellt sich der Finanzminister dieses Landes hierhin und sagt, man müsse den Vergleich mit der schwarz-gelben Koalition vornehmen, und demnach habe das Land Nordrhein-Westfalen heute nur noch eine halb so hohe Nettokreditaufnahme wie im Jahr 2010, wesentlich weniger als die, die die damalige Landesregierung für das Jahr 2014 vorgesehen habe.

Das stimmt. Wenn Sie aber diesen Vergleich mit dem Jahr 2010 und den damaligen Prognosen wagen, Herr Finanzminister – wir erinnern uns an die damalige wirtschaftliche Situation –, dann müssen Sie bitte auch einen ehrlichen Vergleich anstellen, wie sich die Rahmenbedingungen unter rot-grüner oder unter schwarz-gelber Regierungsverantwortung verändert haben und welche Konsequenzen daraus gezogen worden sind.

Dieser Vergleich ist nicht stimmig, wenn Sie ihn mit den Plänen von Helmut Linssen aus den Jahren 2009 und 2010 ziehen. Dieser Vergleich ist nur dann treffend, wenn Sie der tatsächlichen Haushaltsentwicklung hierzulande beispielsweise die der schwarz-gelb regierten Bundesregierung gegenüberstellen. Was die Bundesregierung angeht, so plante Peer Steinbrück im Jahr 2010 eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 86 Milliarden €. Darüber hinaus wollte Steinbrück noch in diesem Jahr neue Schulden in Höhe von 47 Milliarden € aufnehmen.

Dann hat sich das wirtschaftliche Umfeld besser entwickelt und außerdem wurde eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik in Berlin betrieben, mit dem Ergebnis, dass der Bundeshaushalt im vergangenen Jahr strukturell ausgeglichen war.

Für dieses Jahr war der Einstieg in die Tilgung von Altschulden des Bundes geplant. Das ist dann korrigiert worden; daran erkennt man den schlechten Einfluss der SPD auf die Union in Berlin. Das war aber jedenfalls möglich.

(Heiterkeit von der CDU)

Hier in Nordrhein-Westfalen machen Sie immer noch neue Schulden in Höhe von 3 Milliarden €, und im Vergleich zum Ist des vergangenen Jahres haben Sie im Plan kein Stück zusätzliche Konsolidierung erreicht.

Herr Finanzminister, der Vergleich mit Schwarz-Gelb dokumentiert erst recht, wie unambitioniert und im Ergebnis gescheitert Ihre Finanzpolitik ist. Denn Sie haben die Möglichkeiten nicht genutzt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und warum? Weil Sie sich seit 2010 im Grunde konsequent einer Politik der sparsamen Haushaltsführung und der Nachhaltigkeit in den öffentlichen Finanzen verweigert haben.

Das fing mit dem beitragsfreien letzten Kindergartenjahr, das in der heutigen Debatte schon eine Rolle gespielt hat, sowie mit der Aufhebung des Studienbeitragsgesetzes an. Dann wurden auf Druck der Linken – denn die brauchten Sie hier seinerzeit für eine Mehrheit – 30 Millionen € für das Sozialticket verwendet. Wir sollten unter Ihrer Führung das Mitbestimmungsland Nummer eins in Deutschland werden. Dafür ist das Personalvertretungsgesetz angepasst worden – mit erheblichen Standards, die höher waren als überall sonst in Deutschland. Allein das sind etwa 300 zusätzliche Stellen im Landeshaushalt. Das Tariftreue- und Vergabegesetz kam hinzu, der Verzicht auf die vorgesehenen jährlichen pauschalen Stellenabsetzungen im Haushalt und so weiter und so fort.

Sie haben 2010 Helmut Linssens Sparschwein geschlachtet, die Reserven genutzt und jedem alles versprochen. Das war Hannelore im Glück.

Jetzt sind wir vier Jahre weiter. Jüngst haben Sie ein Urteil des Verfassungsgerichts zur Besoldungsanpassung erhalten, die Sie gegen den Rat nahezu aller Experten in der Anhörung – es waren 20 von 21 – beschlossen hatten. Sie haben andere verfassungsgerichtliche Urteile bekommen, die gezeigt haben, dass Sie die Regeln des Grundgesetzes und der Schuldenbremse nicht einhalten. Und Sie spielen Vabanque bei der Planung Ihrer öffentlichen Finanzen.

Sie sind jetzt in eine Sackgasse hineingeraten: Sie müssen entweder die Verfassung oder Ihr Wort brechen. Und immer öfter müssen Sie beides zugleich brechen, nämlich die Verfassung und Ihr Wort – wie bei der Beamtenbesoldung. Aus Hannelore im Glück ist, gemessen an Ihren Ergebnissen, nach vier Jahren die Pechmarie der deutschen Politik geworden.

(Beifall von der FDP und der CDU – Reiner Priggen [GRÜNE]: Gucken Sie mal in den Spiegel!)

Ihre erste und zweite Regierungserklärung machte Wohlfühlrhetorik aus, heute ist es der Haushaltskollaps.

Ihre härteste Sparmaßnahme, Frau Ministerpräsidentin, ist ja der Verzicht auf Kekse und Mettbrötchen in der Staatskanzlei gewesen. Was für ein Bild, wenn Nordrhein-Westfalen als eine der größten Volkswirtschaften auf diesem Kontinent seinen Staatsgästen jetzt nur noch Leitungswasser anbieten kann!

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Was für ein Bild bietet die FDP?)

In der Landesvertretung in Berlin fand jährlich ein überwiegend mit Sponsorengeldern finanziertes Fest statt. Das musste abgesagt werden. Was ist das für ein Signal, wo Nordrhein-Westfalen steht? Wie will man auf diese Weise attraktiv für Investoren werden? Wie will man damit das Bild, das Norbert Römer hier eben zu zeichnen versucht hat, glaubhaft hinterlegen, Frau Ministerpräsidentin? Sie geben Nordrhein-Westfalen der Lächerlichkeit preis, wenn Sie in Zeiten von Rekordeinnahmen und Niedrigzinsen eine Haushaltssperre verhängen müssen. Das zeigt, dass Sie die Orientierung verloren haben.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Ihnen fehlt der Ehrgeiz, Frau Ministerpräsidentin. Guntram Schneider spricht immer davon, man müsse Anti-Stress-Politik machen. Sie, Frau Ministerpräsidentin, nehmen ihn wohl zu ernst. Von Ihnen erwarten wir mehr Anstrengungen.

Armin Laschet, mich kann es nicht überraschen, dass sie eine Woche nicht erreichbar war; denn die Landespolitik ist für Hannelore Kraft offensichtlich nur noch ein lästiges Übel, sie konzentriert sich nämlich gerne auf das Repräsentieren.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie billig ist das denn?)

Da können Sie bessere Haltungsnoten sammeln als hier im Landtag, wenn es darum geht, Konzepte vorzulegen und durchzusetzen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Armin Laschet, mich hat es übrigens auch nicht überrascht, dass das Kabinett zuerst daran gedacht hat, auch die B11-Bezüge der Landesminister anzupassen. Mich hat das nicht überrascht. Offensichtlich haben sie geglaubt, das sei eine Art leistungsorientierte Besoldung; denn inzwischen glauben sie ihr Eigenlob ja selber.

(Heiterkeit von der CDU)

So gewinnt der Begriff „soziale Staffelung“ eine ganz neue Dimension: wenn die Ministerpräsidentin mal eben 500 € im Monat zusätzlich für sich beansprucht,

(Beifall von der FDP und der CDU)

während sie den Beamten ab Besoldungsgruppe A13 ursprünglich gar nichts geben wollte.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Wie arm ist das denn!)

Sie haben sich also in eine Sackgasse manövriert, aus der Sie keinen Ausweg finden,

(Martin Börschel [SPD]: Ist das jetzt eine Selbstbeschreibung? – Sigrid Beer [GRÜNE]: Jetzt geht es um die FDP, oder?)

und bemühen sich dabei auch noch, diese Misere zu verniedlichen.

(Lachen von der SPD)

Da sagt Walter Norbert Walter-Borjans in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 3. September: „Wir werden dieses Jahr eindeutig ein Stück zurückgeworfen.“ Die Wahrheit ist: In der Haushaltskonsolidierung sind Sie zurück auf „Los!“, Herr Minister. Nichts haben Sie erreicht. Und jetzt ist auch noch sichtbar, dass Sie die Schuldengrenze im Jahr 2020 nicht werden einhalten können. Nordrhein-Westfalen wird das Grundgesetz brechen. Alle Pläne, die Sie im Jahr 2012 vorgelegt haben, sind unterdessen Makulatur. Sie sind gescheitert und damit als ein notorischer Verfassungsbrecher hier in Nordrhein-Westfalen und bundesweit bekannt.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Wir glauben, dass die Schuldenbremse deshalb mit Zähnen und Klauen versehen werden muss. Darüber wird in der Verfassungskommission zu sprechen sein. So, wie das bisher gelaufen ist – ich erinnere an die höchstrichterlichen Urteile, die Sie erhalten haben, Herr Finanzminister –, wollen zumindest wir das nicht weiter fortsetzen.

Das haben wir schließlich oft genug gehört: In Münster ist ein Haushalt als verfassungswidrig bewertet worden, und Sie haben im Haushalts- und Finanzausschuss sehr generös gesagt, man wolle sich die Begründung des Urteils mal ansehen, ob man vielleicht irgendwelche Schüsse daraus ziehen könne. – Das ist eine Schuldenbremse, die für Sie in Wahrheit keine Bedrohung und Belastung darstellt, weil sie als eine Art unverbindliche Spielregel in Ihr Belieben gestellt ist.

Wir möchten – und das wird für uns das wesentliche Thema bei der Änderung der Landesverfassung sein – eine Schuldenbremse, die mit einem Sanktionsmechanismus bewaffnet ist, beispielsweise mit einer automatischen globalen Minderausgabe, einer automatischen Haushaltssperre oder mit einem möglicherweise zu diskutierenden Aufschlag – wenn wir schon an die Bund-Länder-Finanzen herangehen – auf das Steueraufkommen hier, damit die Bürgerinnen und Bürger erkennen, wo Sie unsolide Finanzpolitik machen.

Eine Schuldenbremse, die willkürlich und beliebig ist, braucht Nordrhein-Westfalen nicht. Denn eine solche Schuldenbremse erreicht nicht das Ziel, Sie endlich auf den Weg der haushaltspolitischen Konsolidierung zu zwingen, wenn Sie es nicht aus eigenem Antrieb tun.

(Beifall von der FDP)

Insbesondere die Frage der Besoldungsanpassung haben Sie nicht genutzt, um auch zu einem grundlegend anderen Verhältnis zwischen Staat und seinen Beschäftigten zu kommen und über die Zukunft des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen zu sprechen.

Wir haben Ihnen hier mehrfach vorgeschlagen, mit den Beschäftigten einen Dialog über die Zukunft des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen zu führen – so, wie es im Saarland gemacht worden ist. Dort waren Gesprächsgegenstände eine leistungsorientierte, angemessene Bezahlung und zugleich die aktive Mitwirkung der Beschäftigten bei der Verschlankung der Bürokratie und bei der Reduzierung von Standards. Das haben Sie ausgeschlagen, weil Sie immer noch daran festhalten, Bereich des Personalabbaus nichts tun zu wollen, obwohl das sozialverträglich möglich wäre.

Dann aber, Herr Minister, stellen Sie sich hierhin und sagen, im Saarland werde rigoros abgebaut. In der Tat: 10 % der Stellen werden dort abgebaut. Was Sie aber nicht gesagt haben, ist, dass das dort im Einvernehmen mit den Gewerkschaften verhandelt worden ist. Die Rigorosität ist von den Gewerkschaften selbst, die sich aktiv in diesen Prozess eingeschaltet haben, erkannt worden. Sie sagen dann weiter, im Saarland seien ja die Kosten der öffentlichen Verwaltung bezogen auf das Land wesentlich höher als hierzulande, Nordrhein-Westfalen habe die geringsten Pro-Kopf-Ausgaben.

Anders wäre es ja auch noch schöner! Wir sind das größte Bundesland! Und es ist doch ein Unterschied, ob das Einkommen der Ministerpräsidentin respektive die Kosten der öffentlichen Verwaltung insgesamt wie hier auf 18 Millionen oder wie in Bremen auf 650.000 Bürger umgelegt werden. Das sind die sogenannten Größeneffekte, die es in einer Volkswirtschaft gibt. Sie instrumentalisieren diese, um den Eindruck zu erwecken, Sie hätten einen schlanken öffentlichen Verwaltungsapparat. Da machen Sie den Bürgern ein X für ein U vor, Herr Finanzminister. Und das wissen Sie eigentlich auch besser.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Im Westen nichts Neues: Auch in Ihrem jüngst vorgelegten Haushaltsplanentwurf für 2015 stehen 300 Millionen € globale Mehreinnahme. Wie in den vergangenen Jahren, Herr Finanzminister, wollen wir wissen: Was steckt hinter dieser globalen Mehreinnahme?

In der Vergangenheit waren es ja eher Zufälle, die dazu geführt haben, dass Sie diese Lücke haben schließen können. Das waren beispielsweise Einnahmen aufgrund eines kriminell gebildeten Kartells in der Zementbranche.

(Minister Dr. Norbert Walter-Borjans: Zufälle?)

Es war die Einigung mit der UBS. – Was heißt das für die Zukunft? Was haben Sie jetzt vor Augen? Was kommt jetzt? Wie kommen Sie auf die 300 Millionen €?

Ich finde, der Haushaltsgesetzgeber hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, was Sie planen, was Sie vorhaben. Wir glauben immer noch, dass Sie in nächster Zeit an die Steuerbelastung hier im Land herangehen werden, wenn Sie uns nicht klarmachen, wie Ihre Konsolidierungsschritte für die nächsten Jahre aussehen, wo die zusätzlichen Einnahmen herkommen. Sie können sich nicht alleine darauf verlassen, dass andere die Kastanien für Sie aus dem Feuer holen, und beispielsweise auf eine Veränderung beim Bund-Länder-Finanzausgleich hoffen.

Nebenbei gesagt: Wir teilen Ihre Position, dass die Bund-Länder-Finanzbeziehungen geändert werden müssen.

Armin Laschet hat in einem Punkt allerdings nicht recht: Das gegenwärtige Finanzausgleichsrecht ist nicht 20 Jahre alt.

Er hatte aber auf der anderen Seite dann doch und noch viel mehr recht; denn das aktuelle Finanzausgleichsrecht datiert aus dem Jahre 2001 mit Wirkung zum Jahr 2005. Damals waren die Chefverhandlungsführer Hans Eichel als Bundesminister der Finanzen und der nordrhein-westfälische Finanzminister Peer Steinbrück. Der jetzige Länderfinanzausgleich ist ein sozialdemokratischer.

Damals haben wir Sie davor gewarnt, dass Sie mit der Anlage dieses Finanzausgleichsgesetzes die Interessen Nordrhein-Westfalens beschädigen würden. Peer Steinbrück hat das aber alles vom Tisch gewischt. So war die Geschichte seinerzeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Jetzt korrigieren Sie sich zu Recht. Es wird aber eine sehr schwere Operation werden. Das zeigen auch die Debatten dieser Tage an. Wir brauchen einen Länderfinanzausgleich, der stärker auf Anreize setzt.

Herr Römer, Sie werden ja wohl nicht die Sachsen dafür kritisieren, dass sie die Mittel, die sie auch aus dem Topf der Solidarität zwischen den Ländern erhalten, für Investitionen und Haushaltskonsolidierung einsetzen. Die gehen wenigstens richtig mit dem Geld um.

Die Frage ist, was Sie hier in Nordrhein-Westfalen machten, wenn es tatsächlich gelänge, zusätzliche Gelder aus dem Topf von Bund und Ländern für den Landeshaushalt zu gewinnen. Das ist die entscheidende Frage. Nutzen wir eine Veränderung des Länderfinanzausgleichs, um auch tatsächlich Anreize zur Pflege eigener Steuerquellen und zur Haushaltskonsolidierung in den Ländern zu stärken? Oder geht es nur darum, die Verteilungsströme im Bund zu verändern? Bei Letzterem hätten Sie uns nicht an Ihrer Seite.

Der eigentliche Punkt – ihn wollte ich jetzt auch ansprechen, weil das auch die aktuelle Debatte ist; wir werden ja keine politische Diskussion über den Umsatzsteuervorwegausgleich führen – liegt aber ganz woanders. Da das Konsenserfordernis bei einer Verfassungsänderung so hoch ist, wissen Sie, dass Sie Ihren Haushalt nicht konsolidieren werden, wenn nur das bisherige Volumen des Länderfinanzausgleichs umgeleitet wird. Sie müssen an frisches Geld heran, Herr Finanzminister. Diese Debatte führen Sie auch. Ihre ganze Kreativität konzentriert sich ja darauf.

Nach den Diskussionen am heutigen Tag und auch gestern im Deutschen Bundestag wissen wir auch, in welche Richtung die Reise gehen soll. Es geht um den Solidaritätszuschlag. Er soll auf Dauer zur Verfügung stehen. Der Bundesfinanzminister ist mit Ihnen im Gespräch darüber, ihn auf den allgemeinen Steuertarif umzulegen.

Herr Finanzminister, nennen wir offen beim Namen, was das ist: Das ist eine Steuererhöhung – und im Übrigen auch ein doppelter Wortbruch. Es ist der Wortbruch der Politik, die seinerzeit gesagt hat, diese Sonderabgabe werde befristet zur Deckung der Kosten des Aufbaus Ost erhoben, und es ist ein Wortbruch insbesondere der Kollegen der CDU, weil sie Steuererhöhungen – und nichts anderes wäre das – im Bund ausgeschlossen haben.

Bei Rekordsteuereinnahmen und bei niedrigen Zinsen, von denen Sie profitieren und durch die die Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger verdunsten, verbietet sich eine Diskussion über die Ausweitung der Belastung der Menschen in Deutschland.

Jetzt – ich sage das trotz allem – wäre eigentlich der Zeitpunkt gekommen, über eine Senkung von Steuern und Sozialabgaben nachzudenken, weil es sonst nämlich niemals mehr gelingen wird.

(Beifall von der FDP)

Was ist aus Ihrem Effizienzteam geworden, Herr Finanzminister? Sie haben darüber hier gerade nur sehr kurz gesprochen. Sie haben gesagt, da habe man im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich etwas erreicht. Uns hätte interessiert, mehr darüber zu erfahren, was tatsächlich debattiert, beschlossen und verworfen worden ist; denn immerhin war das die einzige von Ihnen eingerichtete Institution, die das Etikett „Haushaltskonsolidierung“ hatte. Wir haben nichts erfahren – die Öffentlichkeit auch nicht.

Deshalb wurde das Effizienzteam vom Bund der Steuerzahler, von Transparency und von Mehr Demokratie e. V. mit dem „Heimlichtuer des Monats“ geehrt. Diesen Preis hat das Effizienzteam bekommen. Was es getan hat, wissen wir nicht. Vielleicht kann Kollege Priggen uns ja gleich Konstruktives aus dessen Arbeit hier berichten.

Nach jetzigem Stand können wir nur sagen: Es gab ein Projektbüro. Es ist Geld aufgewendet worden. Wir können nichts erkennen, was tatsächlich durch das Effizienzteam geleistet worden wäre. Für diese Maßnahme der Landesregierung gilt: Außer Spesen nichts gewesen.

(Beifall von der FDP und Nicolaus Kern [PIRATEN])

Der beste Beitrag zur Haushaltskonsolidierung wäre gewesen, darauf verzichtet zu haben.

Sie brauchen da auch kein Geld auszugeben. Wenn Sie alleine die Tageszeitungen aufmerksam lesen, finden Sie genug Hinweise, wohin Sie schauen können. Beispielsweise hat der Bund der Steuerzahler in den letzten Tagen im „Kölner Stadt-Anzeiger“ darauf hingewiesen, dass die letzte Evaluation und Darstellung der Förderprogramme des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2007 stammt, also sieben Jahre alt ist. Sie hätten genug Impulse und Anreize, in diesen Bereich zu gehen und einen neuen Beteiligungs- und Evaluationsbericht aufzulegen. Da brauchen Sie kein Effizienzteam. Das können Sie mit Ihren bestehenden Mitarbeitern, mit Ihrem bestehenden Apparat.

Verehrte Anwesende, meine Damen und Herren, schauen wir auf die Ausgabenseite des Haushalts, auf die 64 Milliarden €, die Sie in diesem Jahr an Steuergeldern und Nettokreditaufnahme verausgaben werden. Seit 2010 hat das Land Nordrhein-Westfalen die Ausgaben damit um über 20 % erhöht, um 11 Milliarden €. Innerhalb der Etats gibt es aber erhebliche Unterschiede.

Nehmen wir nur die aktuelle Haushaltsentwicklung 2015. Das Umweltministerium erhält plus 3,5 %, während das Verkehrsministerium bei plus 0,4 % stagniert. Man kann also sagen: 1:0 für Remmel gegen Groschek oder 0:1 gegen die Verkehrsinfrastruktur in diesem Land.

Johannes Remmel ist einmal mehr der große Gewinner der Haushaltsberatungen. Von Sparwillen in seinem Ressort keine Spur zu sehen. Im Gegenteil: Die Ausgaben steigen um 31,8 Millionen € auf jetzt 953 Millionen €. Er hat seit seinem Amtsantritt jetzt 25 % mehr Budget, mehr als 200 Millionen €. Herr Remmel, man kann Ihnen nur gratulieren: Selbst in dieser schwierigen Lage gelingt es Ihnen, dem Finanzminister auch noch 16 zusätzliche Stellen für Ihr Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz aus den Rippen zu leiern,

(Minister Johannes Remmel: Es gibt eine neue Förderperiode in der EU!)

in dem Sie eine neue Schaltzentrale für Ihre eigenen Ambitionen einrichten konnten.

Mit 205.000 € – so viel zum Thema, lieber Armin Laschet: Wo könnte man das Geld finden, das fehlt, um beispielsweise Veranstaltungen zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durchzuführen? – bezuschussen wir immer noch Bildungsprogramme der Natur- und Umweltschutzakademie mit Seminaren – die sind wieder da, man dachte, das sei in Nordrhein-Westfalen ein für alle Mal ausgestanden – zu Wildnispädagogik und Survival: „Wie schläft man draußen bequem und trocken ohne Zelt und Schlafsack?“ oder

(Heiterkeit von der FDP)

eine Wolfsbotschafterschulung. Die Veranstaltung richtet sich an Interessierte, die Wolfsbotschafter werden möchten. Das mag für sich genommen alles sehr sinnvoll sein, Herr Remmel,

(Minister Johannes Remmel: Alles Ehrenamt!)

aber in diesen Zeiten, in denen die Nettokreditaufnahme nicht sinken kann, in denen Sie den Landesbeamten eine faire Besoldungsanpassung verweigern wollten, in denen Sie nicht in der Lage sind, notwendige Repräsentationsaufgaben für das Land wahrzunehmen und in denen Sie den Ehrenamtlern ihre Ehrung verweigern, ist es skandalös, dass in dem Bereich, in dem es um Ihre Interessen geht, noch Geld eingesetzt wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Damit wir das mal mit staatlichen Kernaufgaben vergleichen, nämlich dem Innenressort: Im Innenressort sind seit 2010 nur 12,5 % zusätzliche Ausgaben bewilligt worden. Das heißt, das Ressort von Herrn Remmel ist in der Finanzierung doppelt so stark gestiegen wie das Innenministerium. Die Landesregierung investiert also lieber mehr in Ihre Projekte und Apparate, Herr Remmel, als in die innenpolitischen Herausforderungen unseres Landes und damit in Ausstattung und Personalbestand der Polizei. Dann darf man sich nicht wundern, dass inzwischen zwei Drittel der Menschen in Nordrhein-Westfalen sagen, die Landesregierung unternehme nicht genug, um die grassierende Einbruchkriminalität in unserem Land zu bekämpfen. – Mich wundert, Armin Laschet, dass ihr dazu nichts gesagt habt; denn das ist ja in der Alltagswahrnehmung der Menschen eines der Kernprobleme in unserem Land.

Uns als Liberalen ist verschiedentlich vorgeworfen worden, wir seien die Anhänger eines Nachtwächterstaats. Das war als Vorwurf gemeint. Aber eins will ich sagen: Wenn Nachtwächterstaat bedeutet, die körperliche Unversehrtheit der Menschen und ihr Eigentum zu schützen, damit sie nachts ruhig schlafen können, dann ist das die Kernaufgabe des Staates, der er auch durch eine angemessene Finanzierung nachkommen muss.

(Beifall von der FDP und Peter Biesenbach [CDU] – Minister Ralf Jäger nimmt seinen Platz ein.)

Sie haben das gerade verpasst, Herr Innenminister. Nur noch 35 % der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen sagen, Sie würden genug für Maßnahmen gegen die Einbruchkriminalität unternehmen. Zwei Drittel sehen das nicht so. Wir brauchen ein Innenressort, das wegkommt von PR-Maßnahmen wie bei den Blitzmarathons, die viele, viele Hundertmannstunden binden, und eine klare Orientierung darauf …

(Minister Ralf Jäger: 475 Verkehrstote!)

– Ja. Zu den angekündigten Maßnahmen wollen Sie wohl keinen Zusammenhang herstellen, Herr Innenminister. Alle haben schon gesagt, dass das eine PR-Maßnahme ist, die langfristig zur Verkehrserziehung beiträgt, aber keinen unmittelbaren Nutzen hat. Einen direkten Nutzen hätte es aber, wenn Sie sich systematisch an den Autobahnausfahrten positionieren würden, um die organsierten Einbrecherbanden zu stellen, oder wenn Sie dafür Sorge tragen würden, dass von der Polizei im Internet systematisch nach Hehlerware gefahndet wird und die Menschen mit ihrer Anzeige nicht alleingelassen werden, die nur abgeheftet wird.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das ist ein Staat, wie wir ihn wollen, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert und sich nicht im Klein-Klein verliert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Eigentlich gibt es nur einen Bereich, der noch schlechter dasteht, und das ist – ich habe es gerade schon angesprochen – der Verkehrsbereich. Herr Minister Groschek hat die Ministerpräsidentin noch öffentlichkeitswirksam zu einer Rheinbrücke beordert, die jetzt saniert werden soll. Wir müssen sagen: Diese Rheinbrücke wird mit Mitteln des Bundes finanziert. Es ist aller Ehren wert, dass Sie sich um Bundesmittel bemühen. Wir erinnern uns: Über 40 Millionen € haben Sie im vergangenen Jahr nicht verausgaben können. – Wie viel werden es im Jahr 2014 sein, die Sie nicht in Anspruch nehmen? Wissen Sie es schon?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was hat das mit der Kollegin Kraft zu tun?)

– Das sind Bundesmittel. Aber das ist eine wichtige Aufgabe, Herr Mostofizadeh. Denn die Wahrheit ist, dass andere Länder, beispielsweise Niedersachsen, in Summe im letzten Jahr 60 Millionen € mehr für Verkehrsinfrastrukturinvestitionen erhalten hat und Nordrhein-Westfalen 40 Millionen € weniger, als eigentlich für unser Land vorgesehen. Sie dürfen sich dann nicht über eine angebliche Benachteiligung Nordrhein-Westfalens bei Förderprogrammen beklagen, wenn Sie nicht in der Lage sind, hinreichend schnell und hinreichend umfänglich zu planen. Sie können sich auch nicht darauf hinausreden – wir hatten das hier schon mal – …

(Beifall von der FDP und der CDU – Minister Michael Groschek: Da klatschen die Richtigen!)

– Ja, da klatschen die Richtigen. Ich weiß, was jetzt kommt. Manche Dinge wiederholen sich ja hier in den Debatten.

(Minister Michael Groschek: Ja, eben!)

Ich hätte es mir erspart, darauf hinzuweisen, aber da der Finanzminister selber wieder mit der ollen Kamelle kam, man könne ja nicht so viel planen, weil Schwarz-Gelb so viele Stellen eingespart habe, und jetzt würden die Planungsingenieure fehlen: Das haben wir x-mal gehört. Und x-mal haben wir Ihnen darauf geantwortet: Wenn die Planungskapazität der öffentlichen Hand erschöpft ist, dann geben Sie das doch in größerem Umfang raus an private Planungsbüros. Die freuen sich darauf. Da haben Sie eine Möglichkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von Minister Michael Groschek und Martin Börschel [SPD])

Und weil das so schön ist, Herr Groschek, kann ich Ihnen auch das nicht ersparen: 0,4 % mehr sind, wenn man die allgemeine Preisentwicklung berücksichtigt, eigentlich weniger. Eigentlich ist der Anteil an der Volkswirtschaft, der in Nordrhein-Westfalen in Verkehrsinfrastruktur investiert wird, rückläufig. Im Landeshaushalt wird keine neue Maßnahme geplant. Wenn die Pendler keine Straßen und Brücken mehr haben, dann sollen sie offenbar auf Fahrradautobahnen umsatteln; denn dafür haben Sie ja noch Planungsmittel vorgesehen. 184 Millionen € sollen für den Radschnellweg Ruhr eingesetzt werden, und zwar aus Fördertöpfen, wie gesagt wurde; ich zitiere die „dpa“ vom 5. September.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Quatsch!)

37 Millionen € für die Landesstraßen – Ausbau und Erhalt –, 184 Millionen € von irgendwo für Fahrradschnellwege. Fünfmal mehr für Radwege als für Straßen, das ist die falsche Prioritätensetzung im Transitland Nummer eins.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Maut wird Ihnen dabei auch nicht helfen.

Ich bin dankbar dafür, dass Sie, Herr Groschek, das auch immer kritisch gewürdigt haben. Norbert Römer hat es in seinen Presseveröffentlichungen mitunter etwas nebulöser gehalten. Man wolle sich den Gesetzentwurf erst einmal ansehen, bevor man dazu Stellung nehme. Jetzt hat sich das verändert. Doch was mich sehr wundert, ist ... Ich meine jetzt nicht dich, Armin; weil du mich so anschaust.

(Armin Laschet [CDU]: Ich höre dir zu!)

– Ja, aber du denkst, ich komme auf dich zu sprechen. Wie du das in der CDU löst, das ist nicht mein Bier. Darauf will ich nicht zu sprechen kommen; das ist ein Thema für sich.

Was ich bemerkenswert finde, ist, dass der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel jetzt ebenfalls zu den Unterstützern der CSU-Maut gehört. Eigentlich müsste doch gerade der Bundeswirtschaftsminister erkennen, dass eine Abgabe, die 30 % Bürokratiekosten hat und neue Grenzzäune in Europa aufrichtet, Gift für die wirtschaftliche Entwicklung ist, insbesondere in den Grenzregionen. Hier hätten wir von Sigmar Gabriel erwartet, dass er sein Amt ernster nimmt als den Respekt vor der CSU, die nur die nächste Trophäe in der langen Reihe, die es da schon gibt, suchen will.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie müssen intern noch mehr Einfluss nehmen, dass Sigmar Gabriel hier wirklich die Rolle eines ordnungspolitischen Gewissens der Bundesregierung einnimmt.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Ausgerechnet! – Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– Ja, wie beim Betreuungsgeld, Frau Löhrmann.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– Ja, Moment. Beim Betreuungsgeld wollen wir beide, Frau Löhrmann, uns das noch einmal genau ansehen. Das Betreuungsgeld, Frau Löhrmann, ist zum ersten Mal ins Bundesgesetzblatt gekommen

(Kai Abruszat [FDP]: So ist das!)

unter einer schwarz-roten Bundesregierung,

(Beifall von der FDP)

nämlich damals unter der Familienministerin Ursula von der Leyen. Wenn Sie über die Entwicklungsgeschichte des Betreuungsgeldes debattieren wollen, müssen Sie sich an Hannelore Kraft wenden und nicht an mich.

(Vereinzelt Beifall von der FDP – Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– In der Tat. Sie könnten auch in der Großen Koalition das Betreuungsgeld sofort abschaffen. Man könnte es sofort abschaffen. Ich warne aber davor, es sich bei dem Betreuungsgeld so leicht zu machen, wie Sie das auch bei Ihrem Modellprojekt „Kein Kind zurücklassen“ mit der Bertelsmann Stiftung mitunter gemacht haben.

Ich bin nun wirklich kein Freund des Betreuungsgeldes, weil ich glaube, dass es ordnungspolitisch bedenklich ist. Doch eines finde ich sehr kritisch: Wenn insbesondere die Grünen und ein Teil der Sozialdemokratie Familien, die ihre Kinder zu Hause bilden und erziehen wollen, unter einen Pauschalverdacht stellt und so tut, dann seien Frauen nicht emanzipiert. Das geht auch nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Man kann mit guten Gründen gegen das Betreuungsgeld sein; das ist kein guter Grund.

(Zuruf von Ingrid Hack [SPD])

Ich war beim Verkehr, bekanntlich die Lebensader für die Wirtschaft: Wenn er stockt, dann atmet auch die Industrie schwerer. Die Alarmglocken am Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen schrillen schon.

Ich hatte es eingangs gesagt: Mit Rheinland-Pfalz und dem Saarland hat Nordrhein-Westfalen das geringste Wirtschaftswachstum aller Flächenländer. Der Geschäftsklimaindex des ifo-Instituts für die gewerbliche Wirtschaft ist im Juli 2014 für Nordrhein-Westfalen abgestürzt. Der Auftragseingang in der Bauwirtschaft geht zurück. Der Investitionsstau – ich habe das gerade mit Blick auf die Landesstraßen auch für den Staat beschrieben – wird größer, die Investitionsquoten gehen zurück, und Nordrhein-Westfalen hat nach Bremen die höchste Arbeitslosigkeit im Westen. Sie sei – sagt der DGB-Chef – erschreckend hoch. Der DGB-Chef setzt fort, von einem robusten Arbeitsmarkt könne in Nordrhein-Westfalen keine Rede sein.

Norbert Römer hat eben auch die Unternehmerverbände zitiert. Ich habe jedoch, Herr Römer, ein besseres Zitat gefunden, das die Einschätzung der Arbeitgeber in diesem Land darstellt. Es ist wenige Tage alt, vom 29. August. Ich zitiere den Arbeitgeberpräsidenten Maier-Hunke:

„Statt die Anreize für Investitionen zu verbessern, stellt die rot-grüne Landesregierung politische Weichen, die Unternehmen vor Investitionen eher abschrecken und ihr Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes schmälern.“

Diesem Zitat und seinem Hall muss man einmal nachhören, wenn man Norbert Walter-Borjans in den Medien, hier am Pult heute Morgen, im Radio hört, wie er beklagt, dass die Steuereinnahmen in Nordrhein-Westfalen hinter seinen Erwartungen zurückgeblieben sind.

Herr Minister, man kann den Bürgern und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen nicht erst Fesseln anlegen und sich dann wundern, dass diese langsamer laufen. Das ist keine konsequente Politik.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dass Sie es insbesondere mit dem Energiesektor begründen, ist ebenfalls bemerkenswert. Wir haben in Nordrhein-Westfalen seit 2012 gemeinsam mehrfach über die Energiewende debattiert. Die Strompreisbremse der Minister Altmaier und Rösler ist seinerzeit auch von Nordrhein-Westfalen im Bundesrat blockiert worden. Jetzt wird gerühmt, dass die aktuelle Entscheidung der Großen Koalition für eine Novelle des Erneuerbare- Energien-Gesetzes der Durchbruch sei.

Frau Ministerpräsidentin, Sie selbst haben bei den Koalitionsverhandlungen an federführender Stelle in diesem Bereich mitgewirkt wie auch Armin Laschet. Ist aber diese Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes jetzt tatsächlich geeignet, Norbert Walter-Borjans mit Blick auf die Entwicklung der Steuereinnahmen aus dem Energiesektor die Sorgen zu nehmen?

Ich glaube, nein, wenn wir sehen, dass erstens auch der Eigenstrom in die EEG-Umlage einbezogen wird – mindestens in der Perspektive gibt es keine Investitionssicherheit –, dass zweitens die Ausnahmen für bestimmte Branchen eher noch zu einer zusätzlichen Belastung führen, Stichwort „Gießereien“, und dass nicht zuletzt die eben hier von Armin Laschet so gelobten Ausschreibungsverfahren für erneuerbare Energie erst ab dem Jahr 2017 gelten und nicht jetzt. Erst in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestags gibt es da Konkretisierungen.

Diese Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes trägt nicht dazu bei, dass die Interessen Nordrhein-Westfalens und die Sicherheit von Arbeitsplätzen in diesem Land gestärkt werden. Ganz im Gegenteil:

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Investitionsunsicherheit steigt weiter.

Wo ist eigentlich Herr Duin in dem Zusammenhang bei dieser Debatte?

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Der ist krank!)

– Ist krank. Dann wünsche ich ihm gute Besserung. Das meine ich nicht nur ganz persönlich, sondern auch politisch, wenn ich das so sagen darf.

(Zuruf von der SPD)

Denn wir haben von Herrn Duin über sehr lange Zeit gehört, dass er am Standort Nordrhein-Westfalen einen Masterplan für die Energiewende vorlegen wollte. Mit diesem Versprechen ist er in sein Amt gestartet. Wir haben jetzt die Halbzeitbilanz dieser Koalition zu diskutieren, aber vom Masterplan des Herrn Duin ist noch nichts zu sehen.

Ich würde mich sehr dafür interessieren, Frau Ministerpräsidentin, was Sie als seine Chefin dazu sagen, dass in diesem zentralen Bereich – Sie haben vom Industrie- und Energieland Nummer eins gesprochen – Ihr eigener Wirtschaftsminister völlig untätig bleibt.

Es reicht nicht aus, auf Veranstaltungen Bella Figura zu machen, es reicht nicht aus, dass Sie Mittelstandsgesetze beschließen und gemeinsame Gremien mit den Industrie- und Handelskammern begründen. Sie müssen auch in der Praxis eine investitions- und wachstumsfreundliche Politik verfolgen, weil sich sonst die Kennzahlen nicht verbessern werden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Über das Tariftreue- und Vergabegesetz haben wir oft genug gesprochen, das auch nach Herrn Duin „mit sehr hohem bürokratischem Aufwand“ befrachtet ist. Ja, wenn das innerhalb der Landesregierung schon so gesehen wird, dann ändern Sie es doch!

Der Landesentwicklungsplan stranguliert die Entwicklungen vor Ort. Kommunen und Mittelstand brauchen aber Bewegungsfreiheit.

Über das Klimaschutzgesetz hat Armin Laschet bereits Wichtiges gesagt. Man wird das Weltklima zwischen Bielefeld und Bonn nicht retten können. Es ist nur ein zusätzlicher Standard im Vergleich zu anderen Ländern, der die Investitionssicherheit in Nordrhein-Westfalen beschädigt. Armin Laschet hat recht mit dem, was er sagt. Man fragt sich nur, warum ausgerechnet die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen jetzt auch so etwas einführt.

Meine Damen und Herren, während andere Bundesländer die gute wirtschaftliche Lage nutzen, um sich dauerhaft aus einer schwierigen haushaltspolitischen Situation nach der letzten Finanzkrise zu befreien, passiert in Nordrhein-Westfalen nichts dergleichen. Unser Land könnte boomen; auf die strukturellen Vorteile ist ja hingewiesen worden, beispielsweise auf die bestehende Industrie und auf die dichteste Hochschullandschaft in Europa.

Arbeitsplätze könnten hier sicher sein, denn wir haben einen großen Bestand an qualifizierten Fachkräften. Das Bildungssystem könnte erstklassig sein, wenn wir uns auf wesentliche Prioritäten konzentrieren würden, wenn wir Leistungsanreize setzen würden und die vorhandenen Möglichkeiten – beispielsweise in den Förderschulen, die jetzt zur Disposition gestellt werden – gemeinsam nutzen würden, statt ideologische Vorgaben aus Düsseldorf, reine Prestigeprojekte, umzusetzen.

Mit einem Satz: Nordrhein-Westfalen könnte stark sein, aber die Politik dieser Landesregierung hält es schwach.

Ein Richtungswechsel ist – das haben wir den Reden heute entnommen – nicht zu erkennen. In der Tat haben wir bei Johannes Rau schon einmal erlebt, wie das Land zurückfällt. Bei Johannes Rau war der Grund ein zurückgenommener Gestaltungsanspruch, weil er längst andere Ämter in den Blick genommen hatte.

Es pfeifen ja in Berlin die Spatzen von den Dächern, dass es auch in diesem Landeskabinett Karriereambitionen gibt. Die Ministerpräsidentin hat zwar gesagt, nein, sie wolle nie nach Berlin, aber das hat sich offenbar nur auf Ämter bezogen, in denen man tatsächlich etwas gestalten muss. Es ist offensichtlich, dass es da einen verstohlenen Blick in das Schloss Bellevue gibt. Bei mancher repräsentativen Verpflichtung wird auch schon geübt.

(Heiterkeit von der FDP und der CDU)

Bei Norbert Walter-Borjans ist ein solcher Blick auch unverkennbar, er geht aber in Richtung Kölner Dom. Das heißt, die für die Haushaltsentwicklung dieses Landes Verantwortlichen haben – so ist mein Eindruck –

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Nur Sie will keiner!)

ganz eigene Pläne und Absichten in Bezug darauf, wo sie hinwollen. Wir werden das schon in Kürze in Köln erleben. Wenn hier von Köln die Rede ist, kann übrigens Martin Börschel nicht ganz so befreit auflachen, weil die Karrierepläne zwischen den beiden offensichtlich noch nicht abgestimmt sind.

(Zurufe von der SPD)

Wir werden es erleben. Eines kann man jedenfalls sagen: Wenn das Spitzenpersonal Nordrhein-Westfalens, die Ministerpräsidentin und der Finanzminister, mindestens darauf spekuliert, noch etwas ganz anderes werden zu wollen, und sich deshalb auf das Repräsentieren statt auf das Regieren konzentriert, dann bleibt unser Land hinter seinen Möglichkeiten zurück.

(Anhaltender Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lindner. – Nun spricht für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen der Fraktionsvorsitzende Herr Priggen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn ich es richtig verfolge, kann ich nur sagen: Herr Lindner, wenn Sie sich Sorgen machen um die Perspektiven der Ministerpräsidentin – die hält ihren Job jetzt schon länger aus als Sie je eine Ihrer bisherigen Stellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie waren immer vorher weg. Ich will aber gar nicht so viel dazu sagen. Sie befinden sich im Moment in einer wirklich harten Situation. Von daher sollten Sie sich um die Zukunft von anderen Leuten viel weniger einen Kopf machen als um das, was Sie selber zu verantworten haben.

Wenn man in drei Landesverbänden, die im Wahlkampf stehen, Auftrittsverbot hat, wenn die Hamburger Vorsitzende am Montag nach der Wahl mit dem Verweis auf Ihre unsoziale Politik hier austritt, dann gibt es wenig Grund, mit dem Finger auf andere zu zeigen und sich über deren Perspektiven einen Kopf zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Eine Sache muss ich klarstellen, für meine Abgeordneten, für die SPD-Kollegen und für die Landwirte in der CDU: Hier ist eben behauptet worden, der Kollege Remmel sei der erfolgreiche Krisengewinner, der allen anderen – am Kabinett vorbei – das Geld abzockt usw. Das hat mich gleich unruhig gemacht, weil ich Einsparmöglichkeiten gesehen habe

(Lachen von der CDU und der FDP)

und weil es natürlich nicht geht, dass der Finanzminister ihm das durchgehen lässt.

Aber der wahre Hintergrund ist ein anderer: Es geht um die Erhöhung der EU-Fördermittel pro Hektar. Die nordrhein-westfälischen Landwirte haben bisher 33 € pro Hektar bekommen – die ostdeutschen Landwirte 150 €; das nur nebenbei – und erhalten jetzt 50 € pro Hektar.

Das sind Mittel, die durchgeleitet, verwaltet und etatisiert werden. Das ist mitnichten irgendein Krisengewinn, sondern das geht an Stellen, die lange darauf gewartet haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Minister Johannes Remmel: Das sind Verhandlungserfolge! Und dann wird man noch bestraft!)

– Wir wissen ja, von wem Sie bestraft werden.

Ich würde gerne auf einen viel ernsteren Kern eingehen.

Ich bin jetzt 14 Jahre Landtagsabgeordneter. Das heißt, ich habe 14-mal Debatten über Haushalte und Nachtragshaushalte usw. miterlebt. Es gab vier Koalitionsverhandlungen in dieser Zeit. Dass die Haushaltssituation schwierig ist, ist hinreichend bekannt.

Ich hatte mir, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung, ein Stück weit versprochen, dass wir hier eine Debatte führen, die – jedenfalls ein bisschen, Herr Laschet – von der ritualisierten Debatte und den populistischen Schuldzuweisungen wegführt: mit einer wirklichen Analyse und nicht nach diesem Prinzip „Nanokaro statt Nanotechnologie“, wie Sie es eben gemacht haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wissen Sie, Ihre ganze Analyse der Probleme hat eigentlich einen Hauptpunkt: Das Hauptstrukturproblem in Nordrhein-Westfalen ist, dass es eine rote Ministerpräsidentin gibt. Das ist alles.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Doch. Das mag Sie zufriedenstellen. – Wir müssten an der Stelle zusammenstehen. All die Propaganda, die Sie gegen Nordrhein-Westfalen richten, ist zu Recht angesprochen worden: Sie meinen, Sie erzielen einen kurzfristigen politischen Vorteil, wenn Sie mit all den Etiketten, mit denen Sie die Ministerpräsidentin und andere versehen, nach draußen vermitteln, dass dieses Land an dieser Stelle völlig schief dasteht.

Ich erlebe das doch. Wenn ich bei der Koordination der von Grün mitregierten Bundesländer auf der Bundesebene mitmache – da sind die Regierungen aus sechs anderen Bundesländern vertreten –, sehe ich, dass immer das gleiche Gegenbild gezeichnet wird, zu dem auch Argumente beitragen wie die, die Sie anführen. Das ist doch eindeutig. Das machen die doch nicht aus irgendwelchen Gründen – weil die Ihnen glauben würden –, sondern weil es ihren Interessen dient. Das heißt, was Sie ein Stück weit machen, ist, dass Sie das Land herunterreden und im Wettbewerb mit den anderen Ländern um eine faire Behandlung schwächen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nordrhein-Westfalen ist im Kern ein zutiefst solidarisches Land, und es geht nie darum, mehr zu bekommen, als uns zusteht. Aber wenn ich den Königsteiner Schlüssel als Marke nehme und die Belastungen sehe, die das Land zu tragen hat, sage ich: Wir müssten uns zusammen dafür einsetzen, dass das gemacht wird. – Als Allererstes würde das doch heißen, dass wir uns an der Stelle darüber verständigen, was die Ursache der tiefen finanziellen Probleme und der Strukturkrise, die wir haben, ist. Das ist doch der allererste Punkt; denn nur dann können wir gegenüber den anderen auftreten.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Nein, bei Ihnen heißt es immer: Das oberste Übel ist, dass die SPD schon zu lange hier regiert und dass Sie nicht regieren. Es gibt Probleme, die sind viel tiefgreifender. Das wissen Sie ganz genau; ich komme gleich auf unsere lokale Sache dabei zu sprechen. Wir wissen, dass es der Strukturwandel in diesem Land ist, der seit über 50 Jahren andauert, und dass sich dieser Strukturwandel auch nicht im Ansatz innerhalb einer Legislaturperiode bewältigen lässt – auch nicht in den fünf Jahren, in denen Sie hier an der Regierung waren.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Ja, aber das ist nicht die Grundlage Ihrer Politik. Wir hatten im Bergbau, der mit Ihrer Unterstützung beendet worden ist, 600.000 Bergleute, und wir hatten 800.000 Beschäftigte drum herum. Das waren 1,3 Millionen tariflich abgesicherte, vernünftige Arbeitsplätze, keine 400-€-Jobs. Die sind alle weg, und zwar überwiegend im Ruhrgebiet.

(Peter Biesenbach [CDU]: Aber doch nicht in den letzten Jahren!)

Ein Stück weit ist das auch bei uns in der Aachener Region so: Alsdorf-Baesweiler. Wir beide wissen – das ist schon ein bisschen her – dass es auch da noch diese Probleme gibt.

Wir wissen um den Rückgang der Stahlindustrie. Ich selbst war als Ingenieur noch bei Hoesch auf der Conti-Glühe tätig, bei der Kokerei Kaiserstuhl. Man muss einmal sehen, wie weit das im Ruhrgebiet zurückgegangen ist – mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze. Wir haben zum Glück noch Thyssen und andere Stahlbetriebe; die wollen wir auch halten. Trotzdem ist das ein ganz großer Arbeitsplatzverlust.

Wir wissen um den Rückgang der gesamten Textilindustrie. Früher waren Bielefeld, das Münsterland und der Krefelder Raum die Standorte. Viele sind abgewandert. Wir wissen auch, dass an diese Stelle im Münsterland Maschinenbau gekommen ist. Wenn ich mir die Region um Rheine und Gronau anschaue, stelle ich fest, dass dort der Maschinenbau stark präsent ist.

Das sind die Strukturprobleme. Sie konzentrieren sich im Ruhrrevier, im Bergischen Dreieck und minimal bei uns. Aber die Aachener Region ist relativ stark.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

– Herr Lienenkämper, Sie waren lange genug Minister. Sie hatten Verantwortung für die Infrastruktur, und Sie wissen ganz genau – Herr Groschek ist anders daran herangegangen –, dass die permanente Benachteiligung Nordrhein-Westfalens in wichtigen Infrastrukturbereichen allen anderen zupass kommt. Aber wir müssten uns aufstellen und zusammen so auftreten, dass wir sagen – auch in Berlin, also gegenüber dem Bund –: Der Wettbewerb ist in Ordnung. Aber in relevanten Infrastrukturbereichen und bei den Ausgleichen geht es nicht so weiter.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

– Ja, die Melodie, die Sie hier eben angestimmt haben, hörte sich anders an. – Ich will einige wenige Worte zu den Überschüssen Ost sagen. Wenn ich mit meinen Kollegen aus den anderen Fraktionsvorständen zusammen bin, kommt natürlich auch die Sprache darauf, dass alle fünf ostdeutschen Länder einen Überschuss haben. Es sei ihnen gegönnt. Der Brandenburger Kollege klagt, dass sie nicht wissen, wo sie die Festgelder anlegen sollen, weil es zu wenig Rendite bringt. Selbst das Land Berlin hat Überschüsse.

Sachsen haben Sie gelobt. Das kann ich gut nachvollziehen: 4 Millionen Einwohner, ein Haushalt von 16 Milliarden €, davon 6,5 Milliarden € vom Bund. Wenn ich das umrechne – unsere 18 Millionen Einwohner im Vergleich zu den 4 Millionen Einwohnern – stelle ich fest, wir müssten, wenn die Bedingungen die gleichen wären, vom Bund fast 30 Milliarden € bekommen. Das ist absurd. Die Ostdeutschen brauchten das. Aber dass wir das jetzt mit über 500 Millionen € pro Jahr über die Kommunen finanzieren, ist der Missstand, der nicht mehr weitergehen kann. An der Stelle müssen Änderungen kommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich habe schon den Infrastrukturbereich Verkehr angesprochen, für den auch Herr Lienenkämper zeitweilig die Verantwortung hatte. Nun will ich den Infrastrukturbereich Hochschulen ansprechen; denn dort ist es so frappierend, was mit Nordrhein-Westfalen passiert. Die Bundesmittel für die Aus- und Neubauten von Hochschulen und Universitätskliniken werden verteilt. Wir bekommen in Nordrhein-Westfalen 15,4 % der Bundesmittel.

Wir sind nach dem Königsteiner Schlüssel knapp 22 %. Wir bilden aber 25,8 % der in Deutschland Studierenden aus. Das heißt, ein Viertel derjenigen, die studieren, bilden wir aus, bekommen aber nur 15,4 % der Mittel für die Aus- und Umbauten. Das ist die Disproportion, die da vorhanden ist. Das zieht sich durch alles hindurch. Da müssen wir uns bei allem Wettbewerb gemeinsam aufstellen und sagen: Das kann so nicht weitergehen, das muss auf eine faire Grundlage gestellt werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Ich will noch ein Beispiel bringen für die Solidarität, die Nordrhein-Westfalen zeigt. Die Fernuniversität Hagen hat 80.000 Studierende. Das ist eine gute Hochschule. Von diesen 80.000 Studierenden sind nur 31 % aus NRW; 69 % sind aus anderen Bundesländern. Aber wir tragen zwei Drittel der Kosten – in diesem Haushalt sind es 61 Millionen € –, und wir machen es. Aber das ist eigentlich etwas, was so nicht geht, wie man feststellt, wenn man fair miteinander umgeht.

Mir leuchtet ein, dass wir ein bisschen mehr tragen, weil sich die Infrastruktur bei uns befindet; das ist in Ordnung. Aber mir leuchtet nicht die Relation ein, nämlich dass wir zwei Drittel der Kosten tragen – 30 % der Studierenden kommen von uns –, während Bayern nur das Briefporto bezahlt. Das ist keine faire Relation.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der Haushaltsplanentwurf wird heute eingebracht. Jetzt haben wir die Aufgabe, intensiv zu prüfen, ob all das, was wir machen, nötig ist, ob es zu teuer ist und wo wir einsparen können; denn es ist klar, dass wir sparen müssen.

Herr Laschet, Sie haben den Vorschlag in Ihrer letzten Rede gemacht, die Sie mit der Verlesung des Amtseides begonnen haben, wie im Saarland 10 % der Beschäftigten des Landes einzusparen.

Ich würde gern weg von dieser Überschriftenfrage und einmal durchdenklinieren, was es heißt, 10 % einzusparen.

Wir haben die großen Personalblöcke bei der Schule mit 152.000 Stellen. In den Hochschulen finanzieren wir knapp 120.000 Stellen. Wir finanzieren bei Polizei und Kommunalem 56.000 Stellen, in der Justiz 32.000, im Finanzbereich 29.000, im Regierungsapparat – Ministerien, Bezirksregierungen usw. – 15.000. Das sind zusammen rund 400.000 Stellen.

Das heißt, wenn der Vorsitzende der Oppositionsfraktion darauf hinweist, dass Frau Kramp-Karrenbauer bis 2020 im Saarland 10 % abbauen will, reden wir in Nordrhein-Westfalen über 40.000 Stellen.

Wenn ich weiß, dass ich beim Personal genau hinschauen und dass ich Einspareffekte erzielen muss, und 40.000 Stellen einspare, dann müsste ich belegen, dass hier wirklich überproportional bedient worden ist und hier Bereiche sind, wo mit dem Personal und mit Einstellungen geaast wurde.

Da fand ich es sehr hilfreich, dass die renommierte Firma PricewaterhouseCoopers, PwC

(Zuruf von den PIRATEN: Ob sie renommiert ist, ist die Frage!)

uns allen im August das wenige Tage alte Länderfinanzbenchmarking zur Verfügung gestellt hat. Für alle 16 Bundesländer vergleicht sie für die verschiedenen Regierungsbereiche, wie hoch die Kosten in den einzelnen Ländern sind.

Ich will beginnen mit der Justiz, Herr Justizminister.

(Minister Thomas Kutschaty: Bitte! – Heiterkeit)

Da wird aufgeführt, wie viele Euro je Einwohner in den einzelnen Ländern aufgewendet werden. Wir liegen an elfter Stelle – ganz oben Berlin. Das ist kein Posten, für den wir besonders viel Geld ausgeben.

Nordrhein-Westfalen gibt 88 € pro Einwohner und Jahr aus. Direkt dahinter sind mit 85 € Rheinland-Pfalz und mit 83 € Niedersachsen. Daraus kann niemand herleiten, dass im Justizbereich überproportional Personal vorgehalten wird und Leute verwöhnt werden. Auffallend ist in der Liste Baden-Württemberg, weil es nur 40 € pro Einwohner aufwendet. Baden-Württemberg hat aber – das ist eine Besonderheit – ein öffentliches Notariatswesen, bei dem die Notare das Geld verdienen und andere Bereiche quersubventionieren. Will das jemand als Einsparoption einbringen?

Aber nicht nur die Kosten pro Einwohner und Jahr werden verglichen, sondern man vergleicht auch die Einnahmen. Ist es so, dass wir zu wenig einnehmen? Bei den Einnahmen liegen wir auf Rang 4 der Länderreihenfolge. Man kann immer noch sagen: Wir schauen trotzdem, ob man noch ein bisschen mehr machen kann. Wir können auch Nummer drei oder zwei werden. Aber mit 66 € je Einwohner und Jahr liegen unsere Einnahmen direkt hinter Bayern mit 67 € an vierter Stelle. Die Einnahmeseite ist also nicht vernachlässigt.

Dann komme ich zur Leistungsseite, weil auch das dazugehört. Das ist dann mein letzter Punkt bei der Justiz. Die Frage ist: Wie viele erledigte Zivil- und Strafverfahren je 1.000 Einwohner leistet unsere Justiz? Da liegen wir mit 29,5 abgeschlossenen Verfahren an vierter Stelle aller Bundesländer. Das heißt: beim Personal an elfter Stelle, bei den Einnahmen und bei den Leistungen an vierter Stelle. Diese Bilanz lässt sich sehen. Sie kann auf keinen Fall dazu führen, dass man 10 % der Stellen einspart.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft – Zustimmung von Minister Thomas Kutschaty)

Insofern wird der Bereich wohl ausfallen.

Jetzt komme ich zum zweiten Bereich, nämlich zur Polizei. Beim Zuschussbedarf je Einwohner ...

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Aber so konkret ist das Leben. Wenn man 10 % einsparen will, muss man schon mal darüber diskutieren: Geht das überhaupt? Sind wir da in der Realität?

Der Zuschussbedarf je Einwohner bei der Polizei liegt in Nordrhein-Westfalen an dreizehnter Stelle aller Bundesländer und beträgt 140 € je Einwohner. Ganz oben ist Berlin mit 328 €. Auch in der Hitliste kann man uns keine großen Vorwürfe machen, dass wir verschwenderisch mit Überausstattung seien. Das ist auch nicht die Realität derer, die in der Polizei arbeiten. Insofern lässt sich daraus nicht herleiten, dass wir zu viel Personal hätten.

Ich schaue die Personaldichte an, um den zweiten Faktor zu bringen, und sehe: In Nordrhein-Westfalen liegen wir je 1.000 Einwohner bei 2,7 Stellen in einem großen Block. In Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen und Niedersachsen beträgt der Wert 2,9 Stellen. Wir liegen zusammen mit Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bei 2,7 Stellen. Also auch bei der Personaldichte sind wir bei den sparsamsten Ländern mit Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg auf den Positionen 14, 15 und 16. Also: Auch da gibt es keine Übermöblierung. Das heißt: 10 % bei der Polizei einzusparen – das sind 5.000 Stellen –, hat mit der Realität nichts zu tun, Kollege Laschet.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Lachen von Armin Laschet [CDU])

Ich gehe durch zwei weitere Bereiche, weil das aus meiner Sicht sinnvoll ist. Ich würde gern auf den Hochschulbereich zu sprechen kommen, weil ich das eine ganz spannende Debatte finde. Im Hochschulbereich liegen wir gleichauf mit Bayern auf Platz 7 und 8 beim Zuschussbedarf in Euro je Einwohner. Die Bayern geben 3 € mehr als wir aus und liegen bei 271 €, während wir bei 268 € je Einwohner und Jahr liegen. Der Vorwurf, wir würden nicht genug tun, ist an dieser Stelle überhaupt nicht haltbar.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Aber wir nehmen doppelt so viele Studierende auf!)

– Ja, Frau Ministerpräsidentin, als ehemalige Fachchefin wissen Sie es genau. Ich habe noch das nächste Blatt.

Wir bilden – an dieser Stelle sind wir mit Spitze – 34 Studierende je 1.000 Einwohner aus; das ist Platz 4 unter allen 16 Ländern. Hessen hat 35. Bayern bildet 26 Studierende je 1.000 Einwohner aus. Das heißt: Mit gleichem Mitteleinsatz sind es in Bayern 26 und bei uns 34 Studierende je 1.000 Einwohner. Wir bilden 50 % mehr Studierende aus. Ich habe vorhin schon gesagt: 25,8 % derjenigen, die in Deutschland studieren, studieren in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von den PIRATEN: Fasel! Fasel!)

Das ist weit mehr, als es dem Königsteiner Schlüssel entspricht. Daraus herzuleiten, wir könnten 10 % der 120.000 Stellen einsparen, hat nichts mit der Realität zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN und Norbert Römer [SPD] – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Und was ist mit den Absolventen?)

Wenn Armin Laschet und ich – wir leben beide in der schönen alten Kaiserstadt Aachen – zum Rektor der RWTH, Ernst Schmachtenberg, gehen und sagen würden, wir wollten 10 % der Stellen bis 2020 einsparen, würde er uns bei aller Freundlichkeit, die ihm eigen ist, rauswerfen – zu Recht.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Da wir die doppelten Abiturjahrgänge haben, geht das nicht.

Wenn wir wissen, dass das bei Polizei, Justiz und Wissenschaft nicht geht, kommen wir jetzt zum Lieblingseinsparschwein der Opposition, nämlich zur Regierung und zum Regierungsapparat. Das sind die letzten Zahlen, die ich vergleiche. Aber es ist hochgradig spannend.

Die Frage ist: Welchen Zuschussbedarf haben die politische Führung und die zentrale Verwaltung je Einwohner und Jahr? Da liegt Nordrhein-Westfalen an allertiefster Stelle. 87 € je Einwohner und Jahr werden für die Landesregierung und für die Landesverwaltung aufgewandt. Das nächste Land ist Niedersachsen an zweitniedrigster Stelle.

(Minister Johannes Remmel: Wir sind die billigsten!)

Ich will Ihnen die anderen Zahlen nennen: Hessen 158 €, Schleswig-Holstein 188 €, Rheinland-Pfalz 147 €. Wir liegen mit 87 € weit unter allen anderen Bundesländern. Der Nächste hat 110 €. Das heißt, wir sind diejenigen, die die billigste Landes- und Regierungsverwaltung haben.

(Zurufe)

– Entschuldigung, ich habe es verstanden. Wir haben – ich werde es korrigieren – im Vergleich mit allen anderen Bundesländern die sparsamste und preiswerteste Landesverwaltung.

(Beifall von Norbert Römer [SPD])

Und diese 40.000 Stellen da einzusparen, hat auch mit der Realität nichts zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich habe das deswegen so ausführlich gemacht: Man muss nicht alles glauben, was PwC sagt. Aber wir befassen uns seit Jahren mit den Fragen: Wo sind die Einsparpotenziale? Wo sind „Übermöblierungen“? Was können wir da machen? Was muss da weg?

Wenn ich diese Bereiche durchgehe, dann geht es nicht. Insofern ist der Ansatz, populistisch zu sagen „10 % weg“, einer, der mit der Realität im Land nichts zu tun hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Jetzt komme ich zum Bereich Schule. Der Bereich Schule spielt immer eine bestimmte, starke Rolle in der politischen Auseinandersetzung. Der Kollege Optendrenk, vorhin noch vom Finanzminister gelobt – ich bin mir sicher, er ist sachkundig –, hat am 08.08. in der „Rheinischen Post“ gesagt: Er fordert eine Demografierendite von 300 Millionen € bis 2017, das heißt: 6.000 Lehrerstellen in den nächsten drei Jahren einsparen! Das ist die Forderung der CDU. Gleichzeitig – Herr Laschet fordert bei 10 % 15.000 Stellen, insofern kann ich mich beim Kollegen Optendrenk bedanken, dass er so sparsam ist und schonend mit der Schule ist – beklagt die CDU die zu hohen Eingangsklassen.

Da muss man irgendwann sagen: Was machen wir jetzt? 6.000 Lehrer noch herausziehen? Dann werden die Klassen noch größer. Aber die Opposition kann natürlich beides gleichzeitig machen. Gleichzeitig fordert die CDU zusätzliches weiteres Personal für die Inklusion.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Und wir haben 1.200 Stellen für die Absenkung der Klassenfrequenzen zur Verfügung gestellt – das, was wir mit der CDU, mit Karl-Josef Laumann, vereinbart hatten. Wir stellen 3.200 Stellen für die Inklusion zur Verfügung. Wir stellen 1.700 Stellen zur Verfügung für die kleinen Grundschulen, mit der CDU vereinbart, auf dringenden Wunsch der CDU-Kollegen, damit im ländlichen Raum gilt: kurze Beine, kurze Wege, und die Kinder zu den Schulen kommen. Das sind 6.000 Stellen. Die stellen wir aus einer Demografierendite zur Verfügung. Wir haben den Pakt mit den CDU-Kollegen dahin gehend gemacht, dass wir in der Schulstruktur zehn Jahre lang das, was verabredet worden ist, umsetzen.

Da kommt die Opposition, die gleiche CDU, jetzt wieder und sagt: zusätzliche 6.000 oder, wenn man Herrn Laschet folgt, 15.000 Stellen zu streichen. Das geht alles nicht. So kann man das nicht machen.

(Armin Laschet [CDU]: Was kann man denn machen?)

Aber das ist ja nicht alles. Das ist nur die Bilanz des Stellenabbaus.

(Armin Laschet [CDU]: Was kann man machen?)

Lieber Kollege Laschet, jetzt komme ich zu den Mehrforderungen. Da haben Sie auch keine Hemmungen. Gleichzeitig greifen Sie die Landesregierung, die Ministerpräsidentin an, diffamieren sie bundesweit, sie würde zu viel Geld ausgeben. Aber bei den Mehrforderungen null Hemmungen!

Herr Kollege Tenhumberg fordert, dass alle Kitas verpflichtende Öffnungszeiten bis 18:00 Uhr haben, nennt aber nicht den Preis dafür. Wissen Sie, da muss man irgendwann einmal sagen, wie viele Millionen das jetzt kostet und ob ich wirklich, wenn ich eine Betreuung mache, auch das, was über den Kernbereich hinausgeht, als Land finanzieren muss. Natürlich gibt es Leute, die in Schichtarbeit arbeiten und abends Kinderbetreuung brauchen. Da muss man sich fragen: Muss ich das, und kann ich das alles abdecken? Wenn wir es per Gesetz regeln würden, müssten wir es auch bezahlen. Das ist mit Sicherheit konnexitätsrelevant.

Forderungen werden einfach in den Raum gestellt. Gleichzeitig möchte er 100 Millionen € für Schulsozialarbeit zusätzlich vom Land bekommen. Das hat das Land bisher nicht bezahlt.

(Armin Laschet [CDU]: Es gibt auch Geld vom Bund dafür!)

Ich finde die Forderung nicht verkehrt. Aber das Land hat es noch nie bezahlt. Und es ist nicht Landesaufgabe. Es ist von Frau von der Leyen bezahlt worden. Es müsste jetzt von Frau Nahles aus meiner Sicht bezahlt werden. Aber es ist nicht Landesaufgabe.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Kollegen Sternberg und Schemmer haben auch wenig Probleme, zusätzliche Mittel zu fordern – Denkmalpflege – mit dem verstiegenen Satz, es verstoße gegen die Landesverfassung, dass Minister Groschek sehr große zinsgünstige Darlehen anbietet und die einzelnen kleinen Zuschüsse an der Stelle einspart. Das heißt, da macht jemand eine Sparoperation, die sinnvoll ist, bietet eine gute Alternative an. Dann ist das laut Herrn Professor Dr. Dr. Sternberg schon wieder verfassungswidrig.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Dafür kann Herr Sternberg nichts!)

Kollege Laschet hat am 12.06. zusätzliche Mittel für die Ausbildung von Pflegekräften gefordert, allerdings auch ohne Bezifferung, wie viele Millionen das sein sollen. Kollege Tenhumberg hat am 05.06. die Erhöhung der Kindpauschale um 3 % gefordert – 44 Millionen €. Der sehr geschätzte Kollege Kaiser fordert für die Grundschulleitungen mindestens A14, jetzt sind sie in A12.

In einer Zeit, in der wir darum kämpfen, dass wir die Besoldungsanpassung weitergeben können, pauschal 2.800 Schulleitungen mit mindestens A14 zu bezahlen – das sind mindestens 10 Millionen €: Wir haben es ja!

Am 26.08. fordert der Kollege Kuper zusätzlich 100 Millionen € vom Land für den Unwetterfonds. Den Grundgedanken dahinter, einen Fonds aus GFG-Mitteln zu bilden, der auch bei Herrn Kuper auftaucht, finde ich richtig. Aber wieso soll das Land noch einmal 100 Millionen € bereitstellen? Wir haben es ja. Wir schwelgen im Überschuss.

Am 05.09. der große Wurf von Herrn Laschet, zum dritten Mal gefordert: 100 Millionen € für die Schulsozialarbeit plus 35 Millionen € für die digitale Bildung plus 15 Millionen € für die Lehrerfortbildung

(Armin Laschet [CDU]: Alles zusätzliches Geld!)

plus 85 Millionen € Masterstudiengänge plus 25 Millionen € für die Medizinische Fakultät in OWL: Summe 400 Millionen € zusätzliche Forderungen. Wir werden beschimpft, dass die Schuldenaufnahme erhöht wird. Gleichzeitig fordern Sie eine Reihe undifferenzierter Positionen zusätzlich. Ist das solide Finanzpolitik?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Diese Mehrforderungen der CDU vom 05.09. haben am 06.09. zu dem Kommentar von Herrn Vornholt im „Westfälischen Anzeiger“ geführt – ich lese es noch einmal vor, weil es so schön ist –:

Nur eine Oppositionspartei kann sich ein solches Wünsch-dir-was-Vorgehen leisten. Die CDU-Parlamentarier lenken bei aller berechtigten Kritik an der rot-grünen Landesregierung mit ihrer Schlagzeilenpolitik zunehmend vom seriösen Pfad ab.

(Beifall von Norbert Römer [SPD])

Statt eine klare Linie zu verfolgen, setzen die Christdemokraten mehr und mehr auf eine Strategie, die populär bis populistisch daherkommt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist richtig, was er gesagt hat.

Es kommt immer wieder die Argumentation, aber der Bund gebe doch zusätzliches Geld mit den
BAföG-Mitteln. Die Argumentation kommt immer wieder.

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

Dann frage ich: Was haben wir nicht unter schwierigen Diskussionen an zusätzlichen Mitteln, die der Bund angeboten hat, geleistet? Wir haben zusätzliche Mittel an die Hochschulen gegeben. 409 Millionen € haben wir zusätzlich für den Haushalt beschlossen. Das tut weh, weil man das über Schulden finanzieren muss. Aber wir haben es gemacht, weil der doppelte Abiturjahrgang in den Hochschulen ist, davon 306 Millionen € für die Hochschulen, 103 Millionen € für die FH. Das heißt, wir haben das gemacht.

Wir haben bei der Inklusion in einem sehr schwierigen Prozess, bei der der Kollege Römer eine stark vermittelnde Rolle eingenommen hat, 35 Millionen € zusätzlich geleistet, damit die Inklusion in Übereinstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden verwirklicht werden kann und damit nicht die Eltern, die darum kämpfen, dass ihre Kinder eine Chance haben, wegen eines nicht aufzulösenden Zwistes zwischen uns und den kommunalen Spitzenverbandes an der Stelle keine Chance haben.

Mit dem Dritten Kinderbildungsgesetz haben wir noch mal 100 Millionen € zur Verfügung gestellt. Das ist insgesamt 1 Milliarde an Mehrausgaben, weil es eine Titanleistung ist, neben dem Kindergarten und neben der Schule noch ein System der U3-Betreuung aufzubauen. Wir wissen, dass es dazu gehört und die jungen Frauen und Männer, die Kinder bekommen, das erwarten und wünschen. Aber es ist eine zusätzliche Leistung.

(Zurufe von der CDU)

Aber wenn Sie uns für die letzten vier Jahre darstellen – ich weiß, wie wir arbeiten –, tun Sie so, als würden wir nur überlegen: Wo ist das nächste Fenster, um das Geld rauszuschmeißen. – Das, was wir machen, und das Geld, das wir zur Verfügung stellen, findet bei Ihnen keine Erwähnung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich habe am vergangenen Sonntag darauf verzichtet, nach Dortmund zu fahren und mir das Fußballländerspiel anzuschauen, und den Sonntag damit zugebracht, alle Reden, die Kollege Laschet hier in seiner neuen Funktion als Fraktionsvorsitzender gehalten hat, zu lesen und anderes.

(Heiterkeit von der SPD)

Ich habe auch die Einsparvorschläge der CDU-Kollegen gelesen. Mein Mitarbeiter hat mir aber auch die letzte Rede von Herrn Laumann zur Haushaltsverabschiedung am 18. Dezember dazugelegt. Die Rede ist interessant. Ich will den Satz zitieren, den ich spannend finde. Kollege Laumann ist eine ehrliche Haut. Wir haben ihn in all den Jahren hier erlebt, und ich will ihn positiv als jemanden beschreiben, der manchmal an Punkten, bei denen man es nicht erwartet hat, zum Beispiel als wir über Schule und anderes diskutiert haben, einen unerwarteten Schritt gemacht und gesagt hat: Das ist im Interesse der Kinder vernünftig.

Bei der Forensik hat er beispielsweise gesagt: Jede Ministerin, die neue Forensikstandorte ausweisen muss, wird nie glücklich. Aber wir machen es nicht zum Wahlkampfthema – das wird lokal diskutiert –, weil die Auseinandersetzung auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen würde.

In seiner Rede am 18. Dezember hat Laumann den bemerkenswerten Satz gesagt:

„Wir werden wohl in Nordrhein-Westfalen nie nur durch Sparen zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen, ... „

Diesen Satz finde ich bemerkenswert, weil Sie immer wieder öffentlich den Eindruck erwecken, das Problem sei, Landesregierung und Koalitionsfraktionen würden das Geld rausschmeißen.

(Armin Laschet [CDU]: Nein!)

Sie und Herr Optendrenk versuchen den gegenteiligen Eindruck zu erwecken, wenn Sie pauschal 40.000 Stellen – Herr Optendrenk 6.000 Lehrerstellen – streichen wollen. Das wird nicht gehen.

Ich sage es noch mal: Die Arbeit wird konkret werden. Herr Laschet, Sie haben in Ihrer letzten Pressemitteilung gesagt: Schluss mit der Lila-Laune-Politik. – Bei diesem Satz habe ich am Sonntag gelacht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das gilt als Allererstes für Sie. Die Nummer, einfach pauschal vorzugehen, geht nicht mehr. Wenn Kollege Optendrenk sagt – Zitat –, die Schulverwaltung sei mit Hunderten Stellen übermöbliert, muss ich mir grundsätzlich Gedanken machen: Brauche ich in der Schulverwaltung noch alle? Kann ihre Arbeit nicht direkt in den Schulen gemacht werden, indem ich den Schulleitern mehr Verantwortung gebe? Kann das unten erledigt werden? Das ist die Grundfrage. Aber dann muss es konkret werden. Hunderte von Stellen? Dahinter muss man drei Fragezeichen setzen. Lassen Sie uns dann darüber reden: Welche Aufgabe muss nicht mehr gemacht werden? Was kann in den Schulen geregelt werden? Wo kann ich das hingeben? So sähe es ganz konkret aus, aber nicht so pauschal.

Ich will Ihnen noch zwei Beispiele liefern, wo wir Detailarbeit machen müssten. Ich will die Frage der Polizeistruktur ansprechen, Herr Kollege Laschet. Wir haben darüber diskutiert, dass wir in Nordrhein-Westfalen 47 Kreispolizeibehörden haben. Hessen hat sieben, Bayern elf, Rheinland-Pfalz fünf. Berlin lasse ich mit einer außen vor. Das heißt, wenn wir dort keine Stellen einsparen können – ich habe es vorhin gesagt –, müssen wir gucken: Was können wir an Effizienzen heben in unseren gewachsenen Strukturen,

(Christian Lindner [FDP]: Richtig!)

die heute besser und schneller arbeiten und mit weniger Häuptlingen auskommen können, während ich unten jeden Streifenwagen und jede kleine Wache vor Ort lasse? Das ist der entscheidende Punkt.

(Christian Lindner [FDP]: Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)

Wir beide, Kollege Laschet und ich, wissen aus der Städteregion Aachen, dass wir für die Stadt und den Kreis Aachen ein gemeinsames Polizeipräsidium haben und dass das hervorragend klappt. Ich frage mich immer wieder: Wieso geht das, was bei uns gut geht – es ist keine Wache in der Eifel geschlossen worden –, nicht auch von Düsseldorf aus für Mettmann und für Neuss? Warum müssen wir drei Präsidien haben? Warum kann ich nicht sagen: Die „Indianer“, die unten die knüppelharte Arbeit machen, die Streife schieben, erhalten wir, aber oben dünnen wir die Führungsebene ein Stück weit aus, um uns die Effizienz zu holen.

(Christian Lindner [FDP] nickt.)

Das wäre unsere Aufgabe, wenn wir das überprüfen wollen. Der Innenminister hat diese Arbeit jetzt eingeleitet und wird das machen. Diese Effizienz müssen wir heben. Das ändert nichts an der Grundpersonalfrage, aber wir müssen uns der Aufgabe stellen. Ich habe da keine Illusionen. Wenn wir es anpacken, wenn wir so einleuchtend argumentieren und sagen: „Das, was in Hessen, Bayern und anderen Ländern ging, muss doch ein Stück weit auch bei uns gehen“, sind Sie der Erste, der auf der anderen Seite ist, von Sicherheitsrisiko spricht und fragt: Was macht ihr an der Stelle?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will ein zweites Beispiel ansprechen, das mir aufgefallen ist. Meine Kollegin Schäffer hat uns alle dazu bewogen, uns in Nordrhein-Westfalen Feuerwehrleitstellen anzusehen. Denn wir müssen nicht nur diskutieren „Was machen wir“, sondern müssen auch schauen: Wo sind derartige Einrichtungen, die einsparbar sind, bei uns in der Fläche in den Kommunen? Wir haben in Nordrhein-Westfalen 52 Feuerwehrleitstellen bei 54 Gebietskörperschaften. Es gibt nur zwei Gebietskörperschaften, die Feuerwehrleitstellen zusammengelegt haben: wieder Aachen und Wuppertal/Solingen.

Berlin hat eine Feuerwehrleitstelle für 4 Millionen Menschen, Hamburg hat eine, Schleswig-Holstein sieben, und die Niederlande haben für 17 Millionen Menschen zehn. Wir haben 52. Bei dieser Relation muss man sagen: Das kostet immer in der Führung zusätzliches Geld.

Es gilt die Einsatzzeit. Wenn eine Brandmeldung kommt, muss in acht Minuten ein Feuerwehrwagen da sein. Das heißt, die, die die Arbeit machen, sind dann da. Aber in den Führungsebenen, in der Steuerung habe ich mit den heutigen modernen Kommunikationsmitteln Synergieeffekte, die es vor 40 Jahren nicht gab. Wenn ich in Aachen in der gemeinsamen Leitstelle des Kreises und der Stadt Aachen bin, sieht das aus wie in einem Kraftwerksleitungsterminal.

Wieso brauchen wir im Ruhrgebiet alleine 14 Leitstellen? Ich müsste das Ruhrgebiet mit Berlin oder anderen vergleichen können. Berlin hat eine Leitstelle, und wir im Ruhrgebiet haben 14. Da müssen wir drangehen. Ich habe auch da keine Illusionen.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Bitte schön, Herr Kollege Laschet. Ich weiß doch, wer als erster auf der anderen Seite ist. Ja, so ist das dann.

(Weitere Zurufe von der CDU)

– Die ganze Rede geht die Probleme und Aufgabenstellungen konkreter an, als Sie das eben in Ihrer Nanokaro-Rede gemacht haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir diskutieren heute die Einbringung des Haushalts 2015 und den Nachtrag. Wir haben vier Jahre lang eine deutlich fallende Linie in der Neuverschuldung hinbekommen. Ich will es überhaupt nicht leugnen: Wir haben zwei problematische Stellen im Haushalt, die wir in der Folge bewältigen müssen:

Wir haben eine doppelte Nullrunde beim Verfassungsgericht nicht durchbekommen. Das Verfassungsgericht hat anders geurteilt. Wir müssen das, was wir an Personaleinsparungen erzielen wollten ohne großen Stellenabbau in einer anderen Form realisieren. Das heißt: Wir haben eine erste Einspartranche und werden in den nächsten Jahren 150 bis 160 Millionen € pro Jahr im Personalbereich einsparen müssen. Das ist einfach ein Teil der Konsolidierung.

Wir haben als Zweites die Einbrüche bei den Steuern, vor allen Dingen bei der Körperschaftsteuer. Ich habe eben wieder die ritualhaften Vorwürfe an den Finanzminister gehört, das sei wieder ein Verschulden des Finanzministers und der Führung im Lande.

Ich schaue mir drei andere Bundesländer an: Im Vergleich zum Vorjahr haben wir von Januar bis Juli bei der Körperschaftsteuer ein Minus von 15 %. Das bedeutet bei uns 581 Millionen € weniger. Baden-Württemberg hat im gleichen Zeitraum plus 87 %. Hessen hat im gleichen Zeitraum minus 78,5 %.

So wie es die Kollegen aus der Opposition machen, mache ich in der politischen Liturgie folgende Zusammenfassung: Der grüne Ministerpräsident holt plus 87, die rote Ministerpräsidentin hält sich mit minus 15 im Mittelfeld, und der schwarze in Hessen hat minus 78. Frage: Wer kann es? – Das ist doch eine völlig alberne Betrachtung!

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, Ministerin Sylvia Löhrmann und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Wir haben für den Haushaltsentwurf bis zu seiner Verabschiedung im Dezember drei Monate, die sehr intensiv und sehr schwierig werden. Ich sehe, dass wir von der Opposition keine Einsparvorschläge bekommen, und gehe davon aus, dass Sie mit Begeisterung allen Einsparvorschlägen, die wir ausarbeiten und einbringen, zustimmen werden.

Wir müssen auf jeden Fall die Schuldenaufnahme absenken. Es nützt nichts. Bis jetzt haben wir einen Weg verfolgt, den wir fortsetzen müssen. Wir müssen alle verfügbaren Instrumente nutzen. Das wird unsere Aufgabe – die der Regierungsfraktionen und anderer – in den nächsten drei Monaten sein.

Es wird noch viele spannende und konkrete Diskussionen mit der Opposition geben. Ich freue mich auf die Debatten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Paul das Wort.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und zu Hause! Wir haben gerade viel über Zahlen und die Versäumnisse der Landesregierung gehört. Vielen Kritikpunkten stimmen wir uneingeschränkt zu.

Das Gesetz zur Besoldung der Beamten hätte geräuschlos über die Bühne gehen können, wenn man die Beamten ernst genommen hätte.

(Beifall von den PIRATEN)

Hier mit dem Effizienzteam zu strunzen ist im Grunde ein Ding! Alle Oppositionsfraktionen haben die intransparenten Runden mehrfach zu Recht kritisiert. Es bleibt immer noch die Frage, warum die regierungstragenden Fraktionen dort teilhaben, die Opposition aber nicht. Informationen über den Beratungsstand? – Fehlanzeige!

Herr Laschet sagt ganz richtig: Das ist ein Haushalt der Resignation und nicht der Inspiration!

Wir stellen Forderungen auf, weil wir nicht um jeden Preis sparen wollen. Wir wollen sinnvolle Investitionen. Ja, wir müssen über eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs reden, aber wir müssen auch über Prioritäten im Haushalt von Nordrhein-Westfalen reden. Wir sagen: Bildung! Bildung! Bildung!

(Beifall von den PIRATEN)

Daneben – das wurde gerade auch schon mehrfach angesprochen – müssen wir über die Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen sprechen. Auch hier ist Sparen der grundfalsche Weg.

Unser Finanzminister und auch Herr Römer führten gerade aus, dass in den Ausbau des Ganztags investiert werde. Man muss doch aber einmal genau nachfragen, wie es mit dem Personal im offenen Ganztag eigentlich aussieht. Die Zuweisungen durch die Landesregierung haben sich in den letzten Jahren nicht erhöht. Die schlechte Bezahlung führt inzwischen dazu, dass dort immer weniger wirklich qualifiziertes Personal zu finden ist. Dadurch wird auf Dauer die Qualität nicht aufrechterhalten werden können. Auch in diesem Zusammenhang fehlt es an notwendigen Investitionen, wenn man kein Kind zurücklassen will.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich darf ein wenig grundsätzlicher werden: Haushalten ist im Grunde ein anderes Wort für Zukunft sichern bzw. Zukunft möglich machen. – Betrachten wir das Haushalten in Nordrhein-Westfalen, können wir nur sagen: Eine Zukunft, die diesen Namen auch verdient, wird hier nicht stattfinden.

(Beifall von den PIRATEN)

So wie die Politik derzeit in unserem Land funktioniert, brauchen wir noch nicht einmal eine Schuldenbremse, um jedwede Innovation im Keim zu ersticken. Die Politik muss einfach nur weitermachen wie bisher. Dann sagen uns auch weiterhin Lobbyisten, wohin das staatliche Geld gepumpt werden soll. Dann zerbröckelt die Infrastruktur weiterhin, weil niemand über eine Legislaturperiode hinauszudenken wagt. Dann werden neue Infrastrukturmaßnahmen wortreich propagiert und anschließend ignoriert. Dann wird versucht, an dem festzuhalten, was man hat, Hauptsache nichts ändern, einfach weiter so. Dann will man sich unangreifbar machen. Das nennt man „Verwaltung des Mangels“.

Es stellt aber keinen eigenen Wert dar, unangreifbar zu sein. Es bringt das Land nicht weiter, die Menschen nicht, die Gesellschaft nicht, die Wirtschaft auch nicht. Zuletzt hilft es nicht einmal den Akteuren. Nicht zu handeln, wird irgendwann zum Bumerang. Immer! Das wird Sie als Regierung treffen.

Wer handelt und etwas ändern möchte, macht sich angreifbar. Natürlich! Wenn ein „Weiter so!“ in den Abgrund führt, weil niemand das Steuer ergreift, um auch einmal lieb gewonnene Subventionen gegen wirklich wichtige Investitionen zu tauschen, dann muss gehandelt werden. Dann muss man sich angreifbar machen und den Mut haben, etwas zu ändern – in der Haushaltspolitik, im Land, im politischen Alltag sowie an den eingeschliffenen Selbstverständlichkeiten, die dazu führen, dass das Geld des Landes an den Stellen festgehalten wird, an denen es den Verfall nur übertüncht. Sie müssen in diesem Land endlich handeln. Sie müssen endlich für das Land Nordrhein-Westfalen Entscheidungen treffen, die den Menschen helfen.

Ganz im Ernst: Sie wissen doch, dass es so nicht weitergehen kann! Sie hangeln sich bewusst nur von einer Legislaturperiode zur nächsten. Das ist die Politik, wie sie hier in Nordrhein-Westfalen betrieben wird: Versprechungen machen, sich nett inszenieren, aber eine gesamte Legislaturperiode ohne Ideen, ohne Erneuerungen, ohne Innovationen, ohne echte Verbesserungen für das Land. So sieht die Regierungszeit von Rot-Grün aus!

Schauen wir uns die heutige Verkehrsinfrastruktur an, die langsam, aber sicher vor die Hunde geht. Inzwischen weiß jeder, dass in Deutschland jedes Jahr 7,2 Milliarden € zusätzliche Mittel fehlen, um wenigstens die bestehenden Sanierungsrückstände zu beheben. Nach dem Königsteiner Schlüssel entfallen davon auf Nordrhein-Westfalen gut 1,5 Milliarden €.

Wir wissen, dass uns die Große Koalition in Berlin mit 5 Milliarden €, über vier Jahre verteilt, beglücken will. Doch stopp: Was wissen wir wirklich? Wir wissen, dass von 5 Milliarden € im Koalitionsvertrag die Rede ist. Wir wissen, dass Minister Dobrindt so tut, als ob es sich dabei um sein persönliches Geschenk an die Republik handelt. Wir wissen, dass dieses Geld für alle Verkehrsträger verwendet werden soll, und wir wissen neuerdings, dass aus 5 Milliarden € zusätzlicher Mittel schnell 1,7 Milliar-den € zusätzliches Defizit werden können.

Die Große Koalition spendiert uns 5 Milliarden € in vier Jahren, also 1,25 Milliarden € pro Jahr. Von diesem Geld müssen aber ungefähr 1,5 Milliarden € für laufende Projekt abgezogen werden. Sie stehen also gar nicht zur Verfügung. Es bleiben 3,5 Milliarden € in vier Jahren bzw. 0,875 Milliarden € pro Jahr. Dummerweise werden wir aber sehr wahrscheinlich 1,3 Milliarden € weniger Lkw-Maut-Einnahmen pro Jahr haben, als gedacht und kalkuliert. Das sind 5,2 Milliarden € in vier Jahren, die an Einnahmen fehlen, also aus anderen Töpfen kommen müssten, die es aber nicht gibt.

Also müssen wir diese Mindereinnahmen von den Mehreinnahmen abziehen. Das heißt, dass von den 3,5 Milliarden € 5,2 Milliarden € abgezogen werden müssen. Das bedeutet, dass wir nicht 5 Milliarden € zusätzlich, sondern 1,7 Milliarden € weniger für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung haben. Damit lassen sich jede Menge Löcher stopfen – mit heißer Luft.

Was aber wissen wir wirklich? Wir wissen, dass jeden Tag gesellschaftliches Vermögen vernichtet wird, weil nicht genügend Geld zur Verfügung steht, die öffentliche Infrastruktur zu pflegen. Jeden Tag lösen sich 17 Millionen € gewissermaßen in heiße Luft auf, weil die Verkehrsinfrastruktur nicht einmal instandgehalten wird. Das sind nicht unsere Zahlen, sondern die Zahlen der Daehre-Kommission.

Die Städte in Nordrhein-Westfalen schlagen Alarm, sie fordern ein Sofortprogramm. Der Bielefelder Oberbürgermeister rechnet vor, dass er jeden Tag öffentliche Mittel in unsinniger Weise verwenden muss, weil er sie nicht sinnvoll verwenden darf. Statt die Straßen nachhaltig zu sanieren, muss er sie fortwährend notreparieren. So gibt er letztlich mehr Geld aus, als er es bei vernünftiger Bewirtschaftung tun würde.

Es wird Sie interessieren, Herr Walter-Borjans, dass der Kölner Oberbürgermeister ganz klar sagt: Mir sind sinnvolle Investitionen in die öffentliche Infrastruktur lieber als eine schwarze Haushalts-Null. Die Piraten sind hier ohne Abstriche auf der Seite der Städte.

(Beifall von den PIRATEN)

Es kann doch nicht ernsthaft politisch gewollt sein, den gesellschaftlichen Reichtum – unseren Reichtum – auf dem Altar der schwarzen Null zu opfern.

Ja, es ist immer sinnvoll und richtig, öffentliche Ausgaben sehr kritisch zu prüfen. Jeder Euro, der von der öffentlichen Hand ausgegeben wird, stammt ursprünglich von den Menschen in diesem Land, von deren Produktivität. Deshalb ist es eine Selbstverständlichkeit, dass über seine Verwendung genau und transparent – jaja, wir stehen immer noch dazu – Rechenschaft abgegeben werden muss. Das kann und darf aber nicht mit der Forderung gleichgesetzt werden, überhaupt kein Geld mehr ausgeben zu dürfen. Geld, das in die Zukunft dieses Landes investiert wird, ist gut investiertes Geld, weil wir so unseren Kindern ein funktionierendes Land hinterlassen.

(Beifall von den PIRATEN)

Der geschätzte Herr Verkehrsminister Groschek hat sich kürzlich ganz weit aus dem Fenster gelehnt. Er hat bei dem ganzen Getöse um die Ausländermaut und die Antwort Schäubles dazu gemutmaßt, dass es nicht um Fragen der konkreten Gestaltung geht, sondern um die langfristige Privatisierung der Verkehrsinfrastruktur. Er geht sogar so weit, zu mutmaßen, dass schon Pläne zur Bewirtschaftung der großen Verkehrswege in der Schublade liegen. Herr Minister Groschek, Sie haben sich zuletzt mit Herrn Minister Dobrindt bei Leverkusen unter einer bröckelnden Brücke getroffen. Vielleicht können Sie bei Gelegenheit ein wenig Licht in das Dunkel bringen.

Einmal im Ernst: Wie sehen denn die Rahmenbedingungen für Investitionen überhaupt aus?

Erstens. Es gibt eine historische Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Okay, es sind 0,05 %.

Zweitens. Es gibt eine fortschreitende Vermögenskonzentration in den Händen einiger weniger.

Drittens. Bürgerinnen und Bürger bekommen für sichere Anlagen keine Zinsen.

Viertens. Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen ausgebluteten öffentlichen Haushalt, dem die Möglichkeit genommen ist, gesellschaftlich sinnvolle Investitionen zu tätigen.

Fünftens. Es gibt eine wachsende Unterfinanzierung der öffentlichen Infrastruktur auf allen Ebenen.

Sechstens. Es gibt einen wachsenden Druck, mit privatem Kapital Abhilfe zu schaffen.

Es gibt allen Grund, die Richtigkeit der ministeriellen Annahme zu befürchten. Wir befinden uns auf dem direkten Weg der Preisgabe gesellschaftlichen Reichtums.

Wir sind schon jetzt fast bei dem irgendwann unvermeidlichen Sachzwang. Der Druck, aktiv zu werden und die schuldhaft kaputtgefahrenen öffentlichen Infrastrukturen instand zu setzen, zwingt die Landesregierung in wahrscheinlich gar nicht so ferner Zukunft, den Privaten, die es ja sowieso viel besser können, das Heft in die Hand zu geben. Diese gar nicht so ferne Zukunft könnte mit der Vollziehung der Schuldenbremse Wirklichkeit werden.

Die Piratenpartei hat auf ihrem letzten Landesparteitag in Kleve – hier in Nordrhein-Westfalen – ein Meinungsbild eingeholt, das Folgendes aussagt:

Wir fordern, dass die sogenannte Schuldenbremse – der Artikel 115 des Grundgesetzes – einer gesamt- und volkswirtschaftlichen sowie fiskalischen Neubetrachtung – unter Berücksichtigung der Anforderungen unserer Zeit an die gesellschaftliche Teilhabe der Einwohner und die Zukunftsfähigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen – unterzogen wird.

Die Finanzierung der Bildung – dabei handelt es sich um einen eigenen Antrag – muss unabhängig von Bestrebungen zur Einhaltung der Schuldenbremse bessergestellt werden. Wir setzen uns auf Landes- und Bundesebene dafür ein, Bildung zu den Ausnahmen in Artikel 115 Grundgesetz hinzuzufügen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Bildungsausgaben in Deutschland sind immer noch viel zu gering. Deshalb muss das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern endlich komplett fallen, sodass die Ausgaben für Bildung deutlich erhöht werden können.

Jedes Jahr aufs Neue müssen wir festhalten, dass insbesondere die Hochschulen chronisch unterfinanziert sind. Wir werden auch nicht müde, zu betonen, dass die Landesrektorenkonferenz das aktuelle Unterfinanzierungsvolumen auf 800 Millionen € beziffert. Aber gewiss: Im Bereich der Hochschulen wird viel Geld in die Hand genommen. Dabei handelt es sich aber – das ist ein grundsätzliches Problem – um riesige Projektgelder zum Beispiel für Hochschulpakte, die immer nur eine Kofinanzierung im Rahmen von Bund-Länder-Programmen darstellen.

Uns fehlt hier der eigene Ansatz dieser Landesregierung.

(Beifall von den PIRATEN)

Es ist auch sonnenklar. Wer an Bildung spart, versündigt sich an den nachfolgenden Generationen. Aber genau das wird getan.

Sie haben immer noch kein schlüssiges Konzept zur Garantie von Masterstudienplätzen. Viele junge Menschen und auch die Wirtschaft fordern den Master als Studienabschluss für alle, die das wollen. Sie doktern jetzt seit 15 Jahren – ich weiß, da ist Schwarz-Gelb mit gemeint – herum und lassen immer und immer wieder die derzeitig Studierenden spüren, dass Sie weder echte Konzepte noch eine schlüssige Vorstellung von der Informations- und Wissensgesellschaft haben.

NRW mit seiner sehr, sehr dichten und weltweit einmaligen Hochschullandschaft braucht genau diese Masterplätze, um Führungskräfte an den Hochschulen zu „bilden“.

(Beifall von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Ich spreche bewusst von „bilden“ und nicht von „ausbilden“. Denn das Studium verkommt immer mehr zu einer akademischen Ausbildung, bei der die Studierenden in den Vorlesungen als Erstes nach der Prüfungsrelevanz und dem auswendig zu Lernenden fragen und nicht nach den Inhalten. Das kann nicht der Anspruch von Hochschule sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Gleiches gilt übrigens für den Faktor „gute Arbeit an den Hochschulen“. Im Hochschulgesetzverfahren haben wir gesehen, wie die Stimmung unter den Hochschulbelegschaften ist. Hochschulen als Arbeitgeber können weiterhin eine „Hire and Fire“-Mentalität verfolgen. Wie Hochschulleitungen denken, zeigt ein Zitat der Kanzler der Universitäten. Ich zitiere mit Erlaubnis:

„Die Finanzierung … ist ein Problem. Das muss man sagen. Gute Beschäftigungsverhältnisse kosten gutes Geld. Ein geringes Budget kann nicht allein der Grund dafür sein, Beschäftigungsqualitäten herabzusenken. Das Land, das gute Beschäftigungsverhältnisse haben will, muss dafür die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Sich um diese Konsequenz herumzudrücken, ist, mit Verlaub, unwahrhaftig, um es einmal so auszudrücken.“

Das ist eine ziemliche Dreistigkeit und untermauert unsere Position der Forderung nach Rückführung des Personals in den Landesdienst. Dies würde natürlich die Staatsquote der Landesbediensteten wieder erhöhen. Aber – das ist das Wichtigste – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Hochschulen hätten wieder die Sicherheit und den Schutz des Landesdienstes.

Durch die fehlende Übernahme von Verantwortung der Hochschulleitungen für ihre Angestellten ist die Rückführung der Hochschulangestellten in den Landesdienst unabdingbar. Das ist leider politisch – und zwar ausschließlich politisch – nicht gewollt. Eine klare Begründung dafür steht bis heute aus.

Sie wollen, dass Nordrhein-Westfalen das Mitbestimmungsland Nummer eins ist, blenden allerdings die Argumente der Personalräte an den Hochschulen völlig aus. Die benennen das Problem mit dem Hochschulpersonal nämlich wie folgt – Klaus Böhme von ver.di sagte in der Anhörung –:

„Dennoch muss man konstatieren, dass bei einer Rückführung in den Landesdienst auf jeden Fall Möglichkeiten der Mobilität deutlich gesteigert würden, was durchaus ein attraktives Element darstellen kann. Es würde auf jeden Fall wesentlich besser als bisher eine Einheitlichkeit im Umgang mit den rechtlichen Gegebenheiten und Vorschriften für die Beschäftigungsverhältnisse, also für die Beschäftigungsbedingungen insgesamt, gewährleistet. Wir hätten sicherlich eindeutig weniger Bürokratie. Wir haben 30 Einigungsstellen, weil jede Hochschule ihre eigene Einigungsstelle bilden muss. Wir hätten mit Sicherheit dadurch Synergieeffekte.“

Das sind alles Argumente, die hier ausgeblendet werden. Das müsste im sogenannten Hochschulzukunftsgesetz geändert und dann natürlich im Haushalt 2015 mit Zahlen untermauert werden.

Sie sprechen von der Verantwortung des Landes gegenüber den Hochschulen und ihren Mitarbeitern. Dann nehmen Sie diese bitte endlich wahr!

(Beifall von den PIRATEN)

Apropos „Verantwortung wahrnehmen“: Wir werden im Haushaltsverfahren konkreter darauf hinwirken, dass sich die Qualität der Lehre deutlich erhöht. Seit der Abschaffung der Studiengebühren sind die Kompensationszahlungen für die Sicherung der Qualität der Lehre nicht erhöht worden. Das ist aus unserer Sicht ein falsches Signal, weil bei steigenden Studierendenzahlen die Zuweisungen an die einzelnen Hochschulen sinken. Wir wollen den Betrag deutlich erhöhen. Bezahlen könnte man das aus den Einsparungen durch die Kostenübernahme des BAföG oder – und das wäre endlich nötig – durch den Wegfall des Kooperationsverbots auf Bundesebene.

Wir finden, dass die Landesregierung und hier vor allem die SPD den Druck in Berlin deutlich erhöhen sollten. Aber auch hier werden Sie Ihrem Anspruch wieder nicht gerecht. Bildungsgerechtigkeit ist kein Thema, das die SPD für sich proklamieren kann, heiße Luft.

Dafür reist die Ministerin lieber durchs Land und zeichnet Orte der Innovation aus. Das ist keine Forschungspolitik, die uns weiterbringt bei – das sei hier betont – allem Respekt vor den Leistungen der ausgezeichneten Einrichtungen.

Bildung kostet Geld. Aber dieses Geld spart die Kosten in der Zukunft ein. Jeder jetzt investierte Euro kommt zigfach nachhaltig zurück und entlastet die Sozialetats. Sie wissen das auch.

Deshalb fordern wir Sie auf, die Ausnahmetatbestände bei der Einhaltung der Schuldenbremse im Grundgesetz um Bildungsausgaben zu erweitern bzw. sich dafür im Bundesrat einzusetzen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir können nicht die Substanz für die nachkommenden Generationen verfrühstücken, nur um näher an die schwarze Null zu kommen. Denn – das ist genau der Irrsinn dieser Argumentation – fehlende Bildung ist die eigentliche Hypothek für zukünftige Generationen und eben nicht die angeblich so hohen Zinsbelastungen.

Ihr Haushalt funktioniert eigentlich ganz einfach. Sämtliche Ausgabenpositionen werden unverändert fortgeschrieben. Sämtliche Einnahmepositionen bleiben wie sie sind, mit ein bisschen Glück. Der notwendig resultierende Fehlbetrag wird dann laut beklagt mit wechselnden Überschriften, momentan gerne mit diesen: Nordrhein-Westfalen wird benachteiligt sowohl bei der Verkehrsinfrastruktur, wo Nordrhein-Westfalen in fast gleicher Höhe zu kurz kommt, als auch bei den Bildungstiteln, wo deutlich weniger aus Berlin nach Düsseldorf überwiesen wird als eigentlich angemessen.

Ich sagte es vorhin schon: „Wir lassen kein Kind zurück. Wir investieren in Kinder und Bildung.“ Das haben Sie sich in die Präambel Ihres Koalitionsvertrags geschrieben.

Ja, die Schülerzahlen sinken. Frau Ministerin Löhrmann, Sie sprachen in der Vergangenheit von der sogenannten Demografierendite. Wir stellen uns die Frage, ob es bei dieser Aussage bleibt, dass diese Rendite im Schulsystem verbleibt.

Darüber hinaus haben die Schulen ein deutliches Mehr an Aufgaben bekommen, als prominentestes Beispiel die viel diskutierte Inklusion.

Sie stehen weiteren Herausforderungen gegenüber. So war diese Woche anlässlich der Veröffentlichung des OECD-Berichts „Bildung auf einen Blick“ Folgendes zu hören: Gerade für Schüler aus sozial schwachen Familien bleibt das Versprechen „Aufstieg durch Bildung“ häufig in weiter Ferne, so Heino von Meyer, der Leiter der deutschen OECD-Niederlassung in Berlin.

Der Bericht zeigt auch: Je jünger die Deutschen sind, desto größer ist die Gefahr, dass sie den Bildungsabschluss ihrer Eltern nicht mehr erreichen.  Die sogenannte Abwärtsmobilität nimmt zu. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung – nicht nur für das soziale Gefüge in unserem Land, sondern auch für die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft. Man möge mir verzeihen, dass ich mich in diesem Zusammenhang einmal der Lindner’schen Monopoly-Rhetorik bediene: Das ist eine echte Ereigniskarte, und das hat nichts zu tun mit „Wünsch dir was“, wovon Herr Priggen vorhin gesprochen hat.

Wir müssen an der Stelle investieren. Man könnte auch sagen, der Bildungszustand bzw. der Zustand der Bildungsprozesse in Nordrhein-Westfalen und im gesamten Bundesgebiet entspricht zurzeit einer Katastrophensituation, und diese ist als Ausnahme in § 115 Grundgesetz geregelt.

Mit Zukunft und Entwicklung haben die Themen zu tun, für die wir uns zurzeit in der Schulpolitik besonders einsetzen wollen: die Digitalisierung und das Anbieten von digitalen Lernmitteln. Unsere Vorstellungen hierzu sind in zwei Grundsätzen begründet. Erstens. Freier Zugang zu Wissen und Information. Zweitens. Medienkompetenzerwerb durch Praxis. Deshalb setzen wir uns für Lernmittel unter freier Lizenz sowie für IT-Ausstattungen für die Schülerinnen und Schüler ein. Da wir uns selbst hierzu schon vielfältig geäußert haben, möchte ich heute einmal andere Stimmen zu Gehör bringen.

Aus dem sechsten Zwischenbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestags „Internet und digitale Gesellschaft“ zum Themenbereich „Bildung und Forschung“ – Zitat –:

„Mit der Darlegung unterschiedlicher Zielsetzungen einer schulischen Medienbildung wird deutlich, dass sich die Frage der Medienbildung nicht auf Ausstattungsoffensiven reduzieren lässt. Nichtsdestotrotz muss die Ausstattung an den Schulen und die Sicherstellung eines entsprechenden Supports als notwendige Bedingung betrachtet werden. Die Finanzierung des Ausbaus und der Aktualisierung der IuK-Ausstattung … muss deshalb gesichert werden.“

Weiter heißt es in diesem Bericht:

„Die Enquete-Kommission empfiehlt, alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II mit mobilen Computern auszustatten und dies mit entsprechenden pädagogischen Konzepten und Qualifizierungsmaßnahmen zu begleiten.“

Zitat Ende aus dem Enquetebericht.

Zur Erinnerung möchte ich nun etwas aus dem Wahlkampf berichten, und zwar geht es um eine Antwort der SPD auf Wahlprüfsteine der Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“ zur Bundestagswahl 2014.

„In der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hat sich die SPD-Bundestags-fraktion für die Förderung von Open Educational Resources, also der Herstellung, Verbreitung und Nutzung frei zugänglicher sowie offen weiterentwickelbarer Bildungs- und Studienmaterialien … eingesetzt.“

– Herzlichen Dank dafür!

Nun habe ich noch ein Zitat der anderen hiesigen Regierungsfraktion, denn Gerechtigkeit muss sein. Antwort von Bündnis 90/Die Grünen auf den Wahlprüfstein von Wikimedia Deutschland zu Open Educational Resources:

„Bündnis 90/Die Grünen wollen die Digitalisierung im Bildungsbereich unterstützen, um den Zugang zu Wissen zu fördern. Lehr- und Lernmaterial soll unter freien Lizenzen bereitgestellt werden, um Wissensmonopole aufzubrechen und die vielfältige Nutzbarkeit entsprechender Inhalte zu unterstützen. Maßgabe sollten die Standards zu Open Educational Resources sein.“

Dem stimmen wir zu. Besser hätten wir das selber kaum ausdrücken können.

(Beifall von den PIRATEN)

Noch ein bemerkenswertes Zeugnis aus dem Koalitionsvertrag für den Bund 2013:

„Die digitale Lehrmittelfreiheit muss gemeinsam mit den Ländern gestärkt werden. Grundlage hierfür ist ein bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht und eine umfassende Open-Access-Politik. Schulbücher und Lehrmaterial, auch an Hochschulen, sollen, soweit möglich, frei zugänglich sein, die Verwendung freier Lizenzen und Formate ausgebaut werden.“

Wenn man das liest, könnte man meinen, es sei alles klar und es könne losgehen. Dem ist aber bislang nicht so. Deshalb ist die Einschätzung von Nico Lumma, Mitglied im Gesprächskreis Netzpolitik des SPD-Parteivorstandes, in einem Beitrag im „Handelsblatt“ am 12. August dieses Jahres treffend – Zitat –:

„Es ist geradezu lächerlich, dass immer noch nicht jedes Kind ein Tablet zur Verfügung gestellt bekommt. Anstatt langfristig zu denken und frei verfügbare digitale Lehrmittel zu entwickeln und zu nutzen – Open Educational Resources (OER) lautet das Stichwort –, wird immer noch das Oligopol der Schulbuchverlage aus den klammen Haushalten der Kommunen finanziert.“

Liebe Leute, Polen macht das inzwischen anders.

(Beifall von den PIRATEN)

Um einen Beitrag dazu zu leisten, diesen Missstand zu beheben, wird die Piratenfraktion im Haushaltsverfahren einen durchgerechneten Vorschlag machen, wie mit der Einführung von Schulbüchern unter freier Lizenz die Kommunen in die Lage versetzt werden, eine zeitgemäße IT-Ausstattung für den Unterricht an den Schulen zu finanzieren. Denn gegenwärtig wird viel in Papier investiert und zu wenig in Zukunft. Und Bildung ist das Kapital der Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich kann es mir jetzt wirklich nicht verkneifen, zum Schluss noch zwei Bemerkungen zur Digitalen Agenda der Bundesregierung zu machen, weil davon auszugehen ist, dass es die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land auch in mehr oder weniger intensiver Form betreffen wird.

Erstens. Hätte man 2013 unserem Masterplan bzw. dem Antrag zum Thema „Breitbandausbau“ Folge geleistet, dann wäre Nordrhein-Westfalen heute schon ein Jahr weiter, als mit dem, was in der Digitalen Agenda steht. Dann wäre es vielleicht auch möglich gewesen, Frau Kraft in Brandenburg zu erreichen. Denn die Funklöcher sind schon zwischen Dortmund und Bielefeld.

(Beifall von den PIRATEN)

Zweitens. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen. Ich möchte das mit Ihnen teilen, weil ich nichts zu dieser Entwicklung in der Digitalen Agenda gefunden habe. In der Rechner-Cloud des Produktvertreibers Amazon befindet sich ein Algorithmus, sprich ein Bot, der weltweit dafür sorgt, dass Bücherangebote von Amazon nicht unterboten werden können. Überlegen Sie sich bitte, was das volkswirtschaftlich bedeutet? Das muss eigentlich in die Digitale Agenda aufgenommen werden. Das sind ungelöste Hausaufgaben in diesem Papier, und dazu kann man nur sagen: Setzen, sechs und neu schreiben. Ist das eine Agenda, oder kann das weg? – Das kann weg, meine Damen und Herren! – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerpräsidentin Kraft das Wort.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dieser Debatte jetzt knapp vier Stunden gelauscht. Die Haushaltsdebatte ist die Königsdisziplin der Opposition. Ich muss gestehen, dass mich vieles in dieser Debatte erschreckt hat, und dies gilt wohl auch für die Bürgerinnen und Bürger, die hier im Saal oder – wie Sie immer so schön sagen – draußen am Stream zugeschaut haben.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Ich gehe kurz auf Herrn Lindner ein; viel muss ich dazu nicht sagen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nein!)

Sie stellen sich hierhin und benutzen eine FDP-finanzierte Umfrage, um Ihre selbst nicht vorhandene Beweislast zu untermauern. Das kann man machen, aber das hat mit redlicher Oppositionspolitik wenig zu tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie stellen sich hierhin und philosophieren über Glück und Pech einer Ministerpräsidentin. In der Psychologie nennt man das Projektion, wenn man die eigene Situation anderen zuschreiben will. Mehr ist dazu, glaube ich, nicht zu sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie lassen sich auf ein Niveau herab, das zumindest nach unten nicht mehr zu toppen ist. Sie sprechen hier über die Besoldungsregelung und sagen, wir hätten für A13 aufwärts null und für B11 – so werden die Ministerinnen und Minister und ich besoldet – eine Erhöhung vorgesehen. Das ist schlicht und einfach gelogen. Bleiben Sie doch bei der Wahrheit!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Niveaulos ist auch der Vergleich von Straßenbaumitteln mit der auszuarbeitenden Idee einer Fahrradautobahn. Dass Sie selbst Liebhaber schneller Autos sind, ist in Ordnung. Aber Fahrradmobilität in den Metropolen wird die Zukunft sein.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Weil die Leute sich keine Autos mehr werden leisten können!)

Und darum werden wir uns in diesem Land kümmern, weil uns die Zukunft am Herzen liegt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Fahrradfahrende Nation! Das ist ja wie in China!)

Dann fabulieren Sie über Größeneffekte im Vergleich zu anderen Bundesländern. Ich mache das an einem Punkt deutlich – ich danke Reiner Priggen ausdrücklich für die vielen Zahlen und die Substanz, die er in diese Debatte hineingebracht hat –: Sie sagen, da Nordrhein-Westfalen mehr Bürger habe, müssten wir eigentlich günstiger sein. Das heißt für mich: mehr Bürger – weniger Polizei. Welche Logik ist damit verbunden, wenn Sie zwar drei Sätze später darüber klagen, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche steigt – die Zahl nimmt übrigens gerade ab; insofern argumentieren Sie auch hier nicht sauber –,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

aber nichts zur Sicherheitslage und zum Sicherheitsbedürfnis der Menschen sagen?

Dann reden wir doch auch mal darüber, dass Polizei vielleicht nicht nur etwas mit Größeneffekten zu tun hat. Nordrhein-Westfalen ist ein wunderbares Sportland mit sieben Bundesligavereinen, die wollen, dass wir ihnen am Wochenende zur Seite stehen, um den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land Sicherheit zu bieten. Insofern möchte ich gar nicht mit den Bayern tauschen, so viel sportliche Qualität kriegen die nämlich gar nicht hin.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann philosophieren Sie im Verkehrsbereich darüber, was alles nicht geht und wie viele Bundesmittel wir nicht abgerufen haben. Lieber Kollege Lindner, Sie waren doch lange genug beim Bund. Sie kennen doch auch die Situation in NRW; die ist ja auch angesprochen worden. Sie als FDP haben doch zusammen mit der CDU einen überproportionalen Abbau von Personal beim Landesbetrieb Straßenbau verursacht, der dann dazu geführt hat, dass wir die Mittel nicht abrufen konnten. Jetzt stellen Sie sich hierhin als Retter in der Not. Das ist doch keine seriöse Haushaltspolitik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU und der FDP)

Während des Rests Ihrer Rede habe ich – ehrlich gesagt – in Ruhe meine Post gemacht. Denn eines war klar erkennbar: Sie reden hier über Bundespolitik, obwohl wir eigentlich über den Landeshaushalt diskutieren. Sie haben keine andere Bühne. Aber führen Sie diese Debatten doch woanders. Reden Sie hier über den Haushalt Nordrhein-Westfalens und über Lösungen für die Haushaltsprobleme.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Paul, Sie sagen, wir würden einfach weitermachen, jedwede Innovation werde in Nordrhein-Westfalen im Keim erstickt. In welcher Realität leben Sie eigentlich? Besuchen Sie doch mal die mittelständischen Unternehmen, in denen die Innovationskraft richtig klasse ist. Warum sind denn die Hidden Champions, die Weltmarktführer, bei uns angesiedelt?

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ich habe nicht über die Unternehmen geredet!)

Weil es hier keine Innovationskraft gibt? Weil wir keine hervorragenden Forschungsinstitute haben? Welche Realität zeichnen Sie hier eigentlich? Das ist billige Oppositionspolemik, was Sie hier betreiben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Nein! Sie reden über Unternehmen! Ich habe über die Hochschulen geredet!)

Dann behaupten Sie, wir würden nichts tun. Lesen Sie doch den Haushalt auf Ihrem iPad! Schauen Sie doch, wie viel mehr Geld in Bildung fließt und dass wir Wort halten bei unseren Zusagen. Vergleichen Sie das doch mal mit den Bildungsausgaben und der Entwicklung in anderen Bundesländern.

Natürlich kann man immer noch alles besser machen. Ich würde es auch gerne tun. Aber anders als Sie trage ich hier Verantwortung. Ich habe die Verfassungsnorm der Schuldenbremse einzuhalten. Und daran werden wir arbeiten. Das ist der Punkt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Noch ein Punkt: Sie sagen, wir würden an Bildung sparen. Wo steht das denn im Haushalt? Bleiben Sie doch mal bei den Daten und Fakten. Wir sparen an Bildung? Nein!

Dann sagen Sie, wir müssten eine Garantie aussprechen, dass jeder der Studierenden den Master machen kann. Entschuldigung, das ist inhaltlich Mumpitz. Denn wenn jeder den Master macht, frage ich mich, welches Unternehmen dann noch Bachelorabsolventen nimmt.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Die nehmen doch jetzt schon keinen mit Bachelor!)

Dann haben wir keine Verkürzung der Studienzeit erreicht, sondern eine Verlängerung.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Der Bachelor ist nicht einmal ein Vordiplom vom Wert her! Ich weiß es doch!)

Das ist ineffizient und schadet dem Standort.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich haben wir das Masterprogramm ausgeweitet, aber nicht jeder Bachelorabsolvent soll auch den Master machen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das habe ich doch gesagt: Wer es will!)

Der Gedankengang dieser neuen Struktur war ein völlig anderer. Beschäftigen Sie sich doch mal damit.

Ich komme jetzt zum Kollegen Laschet.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde: Ich hatte schlaflose Nächte. Aber bei mir ist – ähnlich wie beim Kollegen Römer – angekommen, dass sich Herr Laschet wochenlang auf diese Rede vorbereitet hat und einen großen Aufschlag für dieses Land machen wollte. – Entschuldigung, aber das war eine Nullnummer, die Sie hier abgeliefert haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sollten uns hier auf das Wesentliche beschränken. Wir sollten nicht alles aus Düsseldorf steuern und regulieren.

(Armin Laschet [CDU]: Sehr gut!)

Sie haben das mal gemacht. Vielleicht haben Sie das nicht mehr in Ihrem Kurzzeitgedächtnis, aber Sie sollten sich wieder daran erinnern. Sie haben das damals „Kommunalisierung von Leistungen“ genannt, Sie haben den Kommunen die Aufgaben aufgedrückt, ohne ihnen das Geld dafür mitzugeben, weil sie das einsparen wollten. Wir haben dann nach dem Verfassungsgerichtsurteil die Rechnung bezahlt. Wir!

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die nicht vorhandene Sachkenntnis ist stellenweise erschütternd. Ich hoffe, Sie haben sich nur versprochen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen nämlich keine 50 DAX-Konzerne. Es ist an manchen Stellen wirklich unfassbar.

(Armin Laschet [CDU]: 16 von 50 bundesweit!)

– Ich habe ja zugehört, ich habe es mir ja notiert.

Sie sprechen davon, durch einen pauschalen Personalabbau könnten wir das Haushaltsproblem lösen. Ja, die Situation ist nicht einfach. Keiner redet sie hier schön. Das hat auch der Finanzminister nicht getan. Sie sagen, Sie machten einen pauschalen Personalabbau. Der Kollege Priggen hat Ihnen anhand der Zahlen nachgewiesen, wie leer diese Sätze sind.

Ihre Grundtendenz und Ausgangsposition ist auch, wir hätten für jede neue Aufgabe neue Stellen geschaffen. Herr Kollege Laschet, mitnichten!

Wir haben neue Stellen geschaffen. Dazu stehe ich auch. Gestern habe ich einen Inhaber einer solchen Stelle getroffen. Wir hatten gestern Personalfest der Staatskanzlei draußen in den Grünanlagen. Da kam ein junger Mann auf mich zu und hat sich bedankt

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Christian Lindner [FDP])

– lassen Sie mich mal ausführen; ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören –, weil er ursprünglich in einer Behinderteneinrichtung, in einer Werkstatt, gearbeitet hat und jetzt endlich vernünftig arbeiten kann und auf einer festen, unbefristeten Stelle seine Leistung dem Land zur Verfügung stellen kann. Dafür schaffen wir gerne Stellen, Herr Laschet, dafür gerne!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Thomas Kufen [CDU])

Ja, Herr Laschet, wir haben auch Stellen für Menschen geschaffen, die seit Jahren und Jahrzehnten immer wieder in befristeten Arbeitsverträgen waren, weil wir uns anders als Sie nicht zwischen unseren Reden und dem, was wir dann umsetzen, unterscheiden.

Werter Herr Paul – ich sehe ihn jetzt nicht –, wir gehen ans Hochschulgesetz genau deshalb heran, weil wir Gute Arbeit umsetzen wollen; denn die Hochschulfreiheit hat nicht dazu geführt, dass die Gute Arbeit – ich sage es mal vorsichtig – an den Hochschulen gesteigert worden ist.

(Armin Laschet [CDU]: Frechheit!)

Wir stehen dazu. Das ist das, was wir uns vorgenommen haben.

(Zurufe von der CDU)

– Ja, ich weiß. Ich habe Ihnen vier Stunden lang geduldig zugehört. Vielleicht hören Sie jetzt mal mir zu.

Herr Kollege Laschet, ich habe immer gewartet, was denn jetzt an neuen Vorschlägen kommt. Gekommen ist etwas, was in der Tat schon …

(Zuruf von der CDU: Wer regiert denn hier?)

– Wollen Sie als Opposition jetzt Vorschläge machen?

(Bernhard Schemmer [CDU]: Das haben wir doch schon!)

Oder haben Sie sich schon von Ihrem Anspruch verabschiedet, dieses Land irgendwann mal wieder regieren zu wollen? Da müssen Sie sich irgendwann mal entscheiden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet hat doch angekündigt, er mache den großen Aufschlag.

(Armin Laschet [CDU]: Ich habe überhaupt nichts angekündigt!)

Fragen Sie doch mal die Journalisten und andere, die mit ihm gesprochen haben! Das habe doch nicht ich angekündigt. „Wochenlange Vorbereitung“ hieß es. Dann habe ich gedacht: Was kommt denn da?

(Armin Laschet [CDU]: Wer sagt denn so etwas? Schmarren!)

– Ach, nun mal langsam. – Und was kommt? Ich mache es kurz: Die Landesregierung soll einfach keine Gesetze mehr machen und nichts mehr regulieren; dann läuft die Wirtschaft von selbst. – Das ist die Voodoo-Ökonomie, die ich schon von Herrn Lindner kannte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass Sie jetzt auf diesen Zug aufspringen, ist wirklich das Allerletzte. Sorry! Von allem, was ich heute hier gehört habe, war das das Allerletzte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann stellen Sie auf Einzelfälle ab. Sie haben hier den Fall HARIBO angesprochen. Sprechen Sie doch mal mit dem Kollegen Bürgermeister vor Ort. Ich weiß nicht, wie Ihre Kontakte in die eigene Partei da sind. Fragen Sie ihn doch mal.

(Armin Laschet [CDU]: Ich habe in Euskirchen mit dem Bürgermeister geredet!)

– Fragen Sie doch mal diejenigen, die vor Ort betroffen waren. Das ist nicht an der Fläche gescheitert – mitnichten.

(Ilka von Boeselager [CDU]: Doch, doch!)

– Mitnichten! Mehr sage ich dazu gar nicht.

Eines war aber wirklich interessant. Da musste ich mich ja an meinem Tisch festhalten.

(Armin Laschet [CDU]: Hier kann man doch keine Geheimnisse erzählen! Das ist der Landtag!)

– Ich habe keine Geheimnisse erzählt. Ich sage Ihnen nur, dass die Bürgermeister sagen, dass es nicht an der Fläche gescheitert ist. Es gab nämlich gar keine Anfragen in die entsprechenden Gremien hinein. Mehr sage ich nicht. Da können Sie Ihren Kollegen gerne fragen.

(Armin Laschet [CDU]: Das ist hier doch keine Rätselshow!)

– Nun echauffieren Sie sich doch nicht so. Ich reagiere doch nur auf Ihren Anwurf. Sie haben doch so getan, als sei der LEP daran schuld, dass HARIBO nach Rheinland-Pfalz abgewandert ist. Mitnichten hat das damit zu tun, Herr Laschet. Mitnichten!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie glauben schon Ihrer eigenen Argumentationskette in Bezug auf den Landesentwicklungsplan, die da heißt, es würden keine Investitionen mehr in NRW möglich sein. Das erzählen Sie doch überall vor Ort und behaupten, in Orten unter 2.000 Einwohnern wäre gar nichts mehr möglich. Das stimmt überhaupt nicht. Gucken Sie doch mal in den Text hinein.

Ich bleibe auch bei meiner Aussage: Keine wichtige Investition in diesem Land wird am Landesentwicklungsplan scheitern – bisher nicht und auch in Zukunft nicht. Darauf können Sie sich verlassen. Nehmen Sie mich beim Wort.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das habe ich mir ja alles noch geduldig angehört. Dann kam aber der Punkt „Maut“. Wissen Sie, das können Sie irgendeinem erzählen, der bei den Verhandlungen nicht dabei war. Dem können Sie vielleicht diesen Eindruck vermitteln. Warum haben sich denn unsere Grenzabgeordneten, wie Sie sie nennen, nicht gemeldet? Die Landesgruppe hat sich übrigens dazu geäußert. Unsere sogenannten Grenzabgeordneten müssen sich aber nicht melden; denn wir haben bei unserer Position keinen Veränderungsbedarf. Wir waren immer gegen die Maut. Aber wer hat Herrn Seehofer sein Räppelchen in die Hand gedrückt? Doch Sie als CDU in Berlin! Und jetzt müssen Sie die Kurve kriegen und stellen sich als Retter hin.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lutz Lienenkämper [CDU]: Ihr Plan ist konzeptionslos! – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Ich war übrigens auch bei den Verhandlungen dabei – Herr Laschet, Sie können ja gleich noch mal ans Rednerpult gehen –, als es um die Bildungsmittel ging. Im Gegensatz zu Ihnen – das meine ich jetzt gar nicht böse – war ich auch in der letzten, finalen Runde dabei.

(Armin Laschet [CDU]: Sie haben das auch mit hineingeschrieben!)

– Nun warten Sie doch mal ab. – Da ging es darum, dass die Länder entlastet werden.

(Armin Laschet [CDU]: Nein!)

– Doch, darum ging es.

(Armin Laschet [CDU]: Um Bildung!)

– Nein. Ich war dabei. Es steht auch so im Koalitionsvertrag. Vielleicht lesen Sie ihn noch mal ganz intensiv. Dort steht kein Wort von Schulsozialarbei  – aus gutem Grund; denn Schulsozialarbeit heißt ungünstigerweise Schulsozialarbeit, weil sie in der Schule angesiedelt ist, ist aber eine soziale Aufgabe, die aus dem Bildungs- und Teilhabepaket finanziert worden ist – übrigens eines der wirklich sinnvollen Dinge, die in diesem Paket enthalten waren.

Wir als Länder werden diese Aufgabe mit Blick auf die Schuldenbremse nicht übernehmen können – auch wenn ich jede Schulsozialarbeiterin in diesem Land gerne halten möchte. Dann müssen Sie aber mit dem Bund darüber reden, dass er diese soziale Aufgabe weiter finanziert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Reden wir über U3; das haben Sie auch angesprochen. Ich sage das jetzt in aller Ruhe. Gucken wir uns mal die Zahlenentwicklung an: Wir haben das nachgeholt, was Sie – auch Sie persönlich – versäumt haben.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

– Doch. Wir haben mit den schnellsten Zuwachs aller Länder.

(Armin Laschet [CDU]: 2005 haben wir aufgebaut! Das ist doch lächerlich!)

Wir haben den Rechtsanspruch erfüllt. Sie haben Panik gemacht – nicht Sie persönlich, aber Ihre Fraktion – und gesagt: Das wird niemals klappen. – Wir sind vorne bei der Kind-Betreuer-Relation. Das ist die Qualität, auf die wir setzen. Das ist der richtige Weg für unser Land. Und wir unterscheiden uns darin, dass wir das klar benennen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich lese doch dieser Tage – heute habe ich Zeit, das hat man ja selten – die Kritik am …

(Zuruf von der CDU: Wir auch!)

Ich komme jetzt zum Haushalt, damit wir auch über den Haushalt reden.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Können Sie es noch erwarten, oder geht es nicht mehr? – Gut. Reden wir also über den Haushalt. – Da lese ich doch, Kollege Laschet, dass Sie von Mondzahlen im Haushalt 2014 sprechen. Ich wundere mich und denke: Der weiß doch, wie es läuft: Die Steuerschätzer arbeiten, die geben uns die Daten durch, und wir orientieren unsere Haushaltsplanung an dem, was die Steuerschätzer für uns vorhersagen.

(Armin Laschet [CDU]: Na, na, na!)

Da fließen noch Erfahrungswerte aus den Vorjahren ein. In den letzten Jahren lagen wir immer ein bisschen über dem, was sie für uns geschätzt haben. Und dann höre ich von Ihnen, man hätte schon längst sehen müssen, was im Energiebereich passiert.

(Armin Laschet [CDU]: Sie wissen doch, was da los ist! – Christian Lindner [FDP]: Jeder Zeitungsleser weiß das!)

– Moment! Warten Sie doch mal ab. Seien Sie doch nicht so ungeduldig. Ich habe Zeit. – Also: Sie haben gesagt, man hätte schon längst sehen müssen, was im Energiebereich passiert.

Ich sage an dieser Stelle noch mal: Die schwierige Situation unserer Energieunternehmen hat nichts dem EEG zu tun, lieber Kollege Lindner, sondern damit, dass Sie den Atomausstieg hin und her gewendet und so die Unsicherheit in den Unternehmen hervorgerufen haben. Da lassen wir mal die Kirche im Dorf.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber davon ganz abgesehen: Der Haushalt 2014, über den wir heute reden, ist am 9. Juli 2013 im Kabinett gewesen. Die erste Lesung war am 25. September, die Verabschiedung war – wir haben es eben gehört – am 18. Dezember. Ich habe mir übrigens auch die Anträge der CDU und die Rede von Herrn Laumann noch mal angeguckt, der damals übrigens alleine gesprochen hat. In keinem dieser Dokumente ist irgendetwas von der Weitsicht des Kollegen Laschet erkennbar. Darin steht weder, wir hätten die Einnahmen zu hoch angesetzt, noch steht da irgendwo drin, dass sich in der Energiewirtschaft irgendwelche großen Probleme heranzoomen würden.

(Armin Laschet [CDU]: Haben Sie das nicht gewusst? Sie waren doch auch in der Arbeitsgruppe!)

– Moment! Die hat da noch gar nicht getagt. Ich habe gerade gesagt „9. Juli 2013“, werter Kollege. Sie müssen ein bisschen zuhören.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

– Am 9. Juli 2013 haben wir im Kabinett den Haushalt verabschiedet, der dann dem Landtag zugegangen ist – Punkt.

Übrigens: Das, was wir da miteinander vereinbart haben – das darf man vielleicht positiv hervorheben –, führt offensichtlich dazu, dass die Umlage in diesem Jahr zum ersten Mal sinken wird. Das ist doch eine positive Nachricht, die wir vielleicht zusammen verkaufen sollten. Das wäre mal sinnvoll. – Aber das nur am Rande.

(Armin Laschet [CDU]: Da hat sie recht! – Christian Lindner [FDP]: Oh Gott, oh Gott! Absurd! Es sind mehr Sonnenstunden gewesen!)

– Ja. Dann könnte man noch sagen: Was den Wirtschaftsstandort auch unzweifelhaft in seiner Steuerkraft beeinträchtigt, das sind die Sanktionen der EU wegen der Ukraine, Datum 17. März 2014. – Lieber Kollege Laschet, wenn Sie zu Hause eine Glaskugel haben, die das alles vorhersieht, und wenn Sie mir dann noch was zu den Zeitabläufen davor sagen können – übrigens nachdem die Steuereinnahmen im ersten Quartal fast exakt so gekommen sind, wie wir sie vorhergesehen haben –, wenn Sie das alles vorher wissen, dann müssten Sie eine ganz bedeutende Rolle in diesem Land spielen.

(Armin Laschet [CDU]: Ja, gerne!)

Aber das ist auch Voodoo-Ökonomie, es tut mir leid.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, die Haushaltslage ist unzweifelhaft schwierig. Die Steuereinnahmen, der Weg zur Schuldenbremse – das ist steinig, und das ist hart. Aber wir gehen diesen Weg mit einem klaren Konzept.

(Lachen von Bernd Krückel [CDU])

Das entspricht nicht Ihrem Konzept. Sie haben ja gar keines. Dass das erkennbar ist, müssen Sie ja nicht mir glauben. Aber es gibt die wunderbare Veröffentlichung – die müsste auch bei Ihnen angekommen sein – „PwC-Länderfinanzbenchmarking 2014“. Jedes Bundesland wird danach untersucht: Wie sieht es denn mit der Schuldenbremse aus? Ich wiederhole den Satz noch mal. Hier steht:

„Angesichts der allgemein günstigen Rahmenbedingungen hinsichtlich Zinssatz und Steuereinnahmen gehört das Land zu jener Gruppe von Bundesländern, die bei einer moderaten Ausgabenentwicklung die Schuldenbremse einhalten können.“

Das war der Stand vor wegbrechenden Steuereinnahmen und vor der Entscheidung zur Beamtenbesoldung. Wir waren auf dem Weg. Und ich sage Ihnen: Wir werden auf diesen Weg zurückkehren. Das ist das Versprechen dieser Landesregierung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Ja, und wir haben es kaputt gemacht!)

Noch etwas unterscheidet uns: Wir rennen nicht dem Fetisch „Schwarze Null so schnell wie möglich“ hinterher. Das haben wir von Anfang an nicht getan, weil wir der Auffassung waren –

(Zuruf von Werner Jostmeier [CDU])

das haben wir auch im Wahlkampf exakt so versprochen –, dass wir eben nicht nur einseitig einsparen, sondern dass wir uns auch um die Einnahmenseite kümmern und vor allem in die Zukunft dieses Landes investieren wollen. Wir machen dieses Land zukunftsfit. Das ist das Versprechen dieser Landesregierung. Und das werden wir einhalten.

(Beifall von der SPD und Reiner Priggen [GRÜNE])

Passen Sie auf, dass Sie den Debatten nicht irgendwann hinterherlaufen. Ich meine jetzt gar nicht den Titel des „Spiegel“ in dieser Woche, ich meine das „Handelsblatt“ vom 10. September:

„Die Kosten der Null. Ein Haushalt ohne Defizit ist gut, aber kein Selbstzweck.“

oder die „Welt“, auch von heute:

„Sparkurs in die Sackgasse. Verkehrsexperten üben scharfe Kritik an der Politik des Bundes bei der Erhaltung und dem Ausbau von Straßen und Schienenwegen. Doch das Bundesfinanzministerium lässt sich nicht erweichen.“

Ja, wir haben eine andere Diskussionsgrundlage. Wir haben hier immer gesagt – seit vielen Jahren –, dass ein Konsolidierungskurs gut und richtig ist, dass man die Schuldenbremse einhalten muss.

Aber man muss diesen Weg verantwortlich gehen und in die Zukunft dieses Landes investieren. Und das werden wir weiter tun, auch gegen Ihren Widerstand.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, wir haben Kosten eingespart. Die Zahlen hat Herr Priggen vorhin alle vorgetragen; das kann ich mir jetzt sparen. Wir haben den Mut gehabt, uns in den Wind zu stellen und den Rotstift anzusetzen.

(Lachen von der CDU)

– Lachen Sie doch! Haben Sie mal bei einer Demo auf der anderen Seite gestanden, wenn die Beamten sich beschwert haben? Ich habe dort gestanden, und zwar bei jeder Diskussion, weil ich weiß, dass man 40 % des Landeshaushaltes nicht von Einsparungen ausnehmen kann und weil ich in einer solchen Debatte auch dazu stehe. Das müssten Sie erst mal tun. Bisher jedenfalls kann ich das nicht erkennen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben Förderprogramme gekürzt. Wir haben es beim Denkmalschutz damals bis in die Gazetten geschafft, in die „Frankfurter Zeitung“. Wir haben beim Personal Einsparungen vorgenommen. Wir haben die einzelnen Landesbetriebe durchforstet. Wir sind bei der Fusion der OFD von Ihnen doch auch alleingelassen worden. Haben Sie gesagt: „Endlich mal eine Reform, die kommt und dafür sorgt, dass wir effizienter werden!“?

(Zuruf von Bernd Krückel [CDU])

Habe ich nicht wahrgenommen. Very sorry.

Wir haben auf der Einnahmenseite vieles getan, was Sie fünf Jahre lang völlig vernachlässigt haben. Wir haben die eigenen Einnahmen erhöht. Wir haben die Steuergerechtigkeit nach vorne gebracht.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

1 Milliarde € mehr, weil wir Geld von Steuersündern kassieren und die Ehrlichen nicht mehr die Dummen sind. Dazu stehen wir, Herr Laschet und Herr Lindner.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, wir stehen dazu, dass wir in den Koalitionsverhandlungen hart verhandelt haben, um Geld für die Kommunen und zur Entlastung der Länder zu bekommen.

Ich stehe auch dazu, dass wir im Länderfinanzausgleich mit einer klaren Position in diese Debatte hineingehen. Hierzu ein paar Punkte, die man, glaube ich, auseinanderhalten muss.

Sie vergleichen den Landeshaushalt mit dem Bundeshaushalt. Sie schicken Ihre CDU-Leute in Berlin los. Von der Debatte gestern wird mir berichtet, dass jeder, der dort geredet hat, gesagt hat: Wir hier haben die schwarze Null, in NRW gibt es eine ganz schreckliche Verschuldung. – Jeder! Das war ja ein abgekartetes Spiel.

(Beifall von Bernhard Schemmer [CDU])

Vergleichen wir doch mal die unterschiedlichen Haushalte von Bund und Ländern. Wir können uns nicht in Sozialkassen bedienen. Wir können unsere Einnahmen nicht hochsetzen, wenn wir das wollten. Wir können nicht die einzelnen Schritte gehen, die ein Bundesfinanzminister gehen kann. Und wir haben die Lage der Kommunen zu berücksichtigen. Wir mussten das korrigieren, was Sie hier an falscher Politik aufgesetzt haben, und zwar mit 4 Milliarden €, die allein das Land in diesen Stärkungspakt gibt. Und es ist gut angelegtes Geld, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ein Bundeshaushalt hat nicht 40 % Personalkostenanteil, übrigens auch nicht entsprechende Pensionsentwicklungen und Beihilfeentwicklungen. Auch darauf darf man mal hinweisen.

Deshalb ist der Vergleich mit anderen Ländern der wesentlich sinnvollere.

Heute ist schon mehrfach Sachsen angesprochen worden. Ich muss gestehen, ich habe Ihren Redebeitrag gehört und habe mich unglaublich geärgert.

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

Was ist das für ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die in diesem Land jeden Tag hart arbeiten,

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

wenn Sie sagen, wir sollen auf Sachsen neidisch sein? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Sie müssten die Zahlen doch kennen. 17 Milliarden € Haushalt statt 62 Milliarden €, Wirtschaftskraft weit unter uns. Ich meine, dass der Kollege Tillich das im Wahlkampf macht – geschenkt. Dass er sich von Nordrhein-Westfalen abgrenzt und sich als der tolle Ministerpräsident darstellt – alles geschenkt. Ich kann ihn gut leiden. Ich verstehe das.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Doch Sie bringen das am Wahlabend noch mal aufs Tapet und tun so, als wären die besser als wir,

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Lutz Lienenkämper [CDU])

weil sie von 17 Milliarden € 6 Milliarden € Hilfen von Bund und Ländern bekommen, und da sind die EU-Mittel noch gar nicht drin. Wir kriegen unterm Strich null. Und wir verschulden uns, um solidarisch zu sein. Das ist gut angelegtes Geld. Aber so kann es nicht weitergehen. Das ist der Punkt.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Lutz Lienenkämper [CDU])

Sie laufen überall herum und erzählen, wir wären Nehmerland. Im Saldo geben wir jedes Jahr 1,7 Milliarden €, weil die Menschen in diesem Land so hart arbeiten und die Produktivität so hoch ist. Das ist die Wahrheit.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Reden Sie das Land an dieser Stelle nicht schlecht; das hat es nämlich nicht verdient.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Eines noch zu Sachsen, was man dabei ebenfalls berücksichtigen muss: 6 Milliarden € von 17 Milliarden € kommen in diesem Jahr an Hilfen vom Bund und von den Ländern, mehrheitlich über den Umsatzsteuerausgleich, wenn ich das mal grob zurückrechne und nicht davon ausgehe, dass sie früher mehr gekriegt haben, was der Fall war. Gehen wir mal der Einfachheit halber davon aus, dass die zwanzig Jahre lang 6 Milliarden € bekommen haben. Dann sind das 120 Milliarden € – für ein Land, dessen Haushalt und Bevölkerung weit unter dem von Nordrhein-Westfalen liegt.

Wir haben unsere Strukturwandlungsprozesse damals im Wesentlichen allein finanzieren müssen. Da ist die EU an unserer Seite gewesen. Das mussten wir immer kofinanzieren. Auch das war hart. Wir haben Schulden angehäuft, ja. Wir haben Projekte gemacht. Nicht jeder Leuchtturm hat gebrannt, nein.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber die WestLB!)

Manches ist auch nicht nachhaltig genug gewesen; da bin ich selbstkritisch genug. Aber wir müssen uns nicht verstecken. Wir haben eine hervorragende Leistung in diesem Strukturwandel vollbracht. Wir stehen besser da als manch anderer. Wir haben das selbst finanziert. Und wir sind solidarisch mit denen, die dann nach der Wende – darüber haben wir uns gefreut – diesen Strukturwandlungsprozess im Zeitraffer vollziehen mussten.

(Ralf Witzel [FDP]: WestLB!)

– Ach, hören Sie doch mit der WestLB auf! Mein Gott! Was für ein kleinkariertes Karo, Herr Witzel! Mein Gott!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Wir haben diese Lasten selbst finanziert.

(Zurufe von der CDU)

– Wir haben diese Lasten weitgehend selbst finanziert. Wir waren solidarisch, weil diese Entwicklung im Osten im Zeitraffer passieren musste. Das war richtig; wir stehen dazu. Es gibt immer noch viel zu tun im Osten. Darum gehe ich seit Jahren – dafür haben Sie, die CDU, mich hier mal beschimpft – nach draußen und sage: Es muss nach Bedürftigkeit gehen und nicht nach Himmelsrichtung. – Inzwischen sind Sie beigedreht, aber das war bei Weitem nicht immer so.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dieses Land Sachsen hat die 6 Milliarden € zur Verfügung, mit Kostenstrukturen, die oberhalb von unseren Kostenstrukturen liegen. Das ist schon erstaunlich, vor allem, wenn man noch hinzunimmt, dass es dort bestimmte Kosten nicht gibt, jedenfalls nicht in dem Umfang wie bei uns, nämlich die Kosten für die Pensionen. So viele Beamte, die da schon Pension beziehen, kann es noch gar nicht geben. Ich kenne die Zahlen nicht, aber so viele können es nicht sein.

Sachsen hat außerdem kaum Schuldendienst zu leisten. Alleine für diese beiden Positionen zahlen wir rund 10 Milliarden €.

(Armin Laschet [CDU]: Das war immer schon so!)

– Ja, das war schon immer so. Aber lieber Herr Laschet, lassen Sie uns doch gemeinsam dafür kämpfen, dass wir es besser hinkriegen!

(Armin Laschet [CDU]: Das hat doch mit diesem Haushalt nichts zu tun!)

Ich empfehle Ihnen, einmal bei Herrn Optendrenk eine Nachhilfe zum Länderfinanzausgleich zu nehmen und sich von ihm einmal schildern zu lassen, wie sich die anderen …

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Sich hier hinzustellen und zu sagen, der Länderfinanzausgleich wäre schon immer so gewesen, wie er heute ist, ist sachlich schlicht und einfach falsch. Ich nenne Ihnen nur einen Punkt: Erst im letzten Länderfinanzausgleich gab es eine Einwohnerveredelung nur noch für die Stadtstaaten. Das war vorher anders, und dann hätte auch die Finanzsituation von Nordrhein-Westfalen anders ausgesehen. Das ist nur einer von vielen Punkten.

Es lohnt sich, in die Details einzusteigen.

(Zuruf von der SPD: Das macht der nie!)

Und zu behaupten, wir würden nach Berlin schielen – nein, wir wollen keine Almosen. Wir wollen mehr von dem behalten, was die Bürgerinnen und Bürger hier hart erarbeiten. Das ist unser Ziel. Es geht nicht gegen andere, aber für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben einiges darüber gehört, wie gut unser Land dasteht. Ich muss das, was Norbert Römer und Herr Priggen gesagt haben, an vielen Punkten nicht wiederholen, aber es würde sich lohnen. Es stimmt, dass der Blick von außen ein ganz anderer ist und dass der chinesische Staatspräsident hierher kommt, weil er weiß, wo die Musik spielt.

(Zuruf von der CDU)

– Ich sage jetzt nicht, was mir auf der Zunge liegt, das schlucke ich jetzt runter. – Es stimmt, dass er hierher kommt und dass alle anderen Kollegen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten neidisch sind, weil er mit seinem Wirtschaftsbesuch NRW bedenkt.

Warum tut er das? – Weil hier, allein in NRW, mehr Auslandsinvestitionen stattfinden als im gesamten Rest der Bundesrepublik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind Investitionsstandort Nummer eins, und so schlecht, wie Sie dieses Land malen, ist es nicht. Das hat dieses Land nicht verdient, Herr Laschet!

(Armin Laschet [CDU]: Das Land ist toll! Aber die Regierung!)

Das ist doch das Bild, das Sie gerne malen: ein Land, das im Chaos darniederliegt. Sie reden dauernd vom Chaos.

Stichwort „Kindergärten“: „Den Rechtsanspruch werden wir nie schaffen.“ Herr Laumann am 19. Oktober 2012 im „Kölner Stadt-Anzeiger“:

„Beim Ausbau der Kinderbetreuung im Zusammenhang mit dem Ansturm des doppelten Abiturjahrgangs auf die Hochschulen läuft Rot-Grün in ein Fiasko hinein.“

Stichwort „Doppelter Abijahrgang“: „Chaos an den Unis wird ausgelöst.“ Herr Laschet in RTL WEST am 27. September 2012, ich zitiere mit Erlaubnis:

„Der doppelte Abiturjahrgang naht, aber es ist kein Geld in den Hochschulen.“

Herr Laumann in der „Neuen Westfälischen“ am 27. September 2012:

„Es war falsch, die Studiengebühren abzuschaffen. Dadurch werden wir im kommenden Jahr ein Riesenproblem mit dem doppelten Abiturjahrgang haben.“

Das ist nicht eingetreten.

Die CDU orakelt zum sozialen Wohnungsbau am 25. Oktober 2012, kurz nachdem wir die Regierung übernommen haben:

SPD und Grüne wollen Wohnungsbauförderung des Landes schleifen ...“

Am 19. Januar 2012:

„Frau Kraft lässt im sozialen Mietwohnungsbau die sozial Schwachen im Regen stehen.“

(Zuruf von der FDP: Die Liste der Wahrheit!)

Die CDU kann nur Panik und Angst schüren. Kein Land hat so viel in den sozialen Wohnungsbau investiert wie Nordrhein-Westfalen; bis 2017 werden es 3,2 Milliarden € sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei Ihnen ist da viel in den Einfamilienhausbau gegangen.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Wir haben den sozialen Wohnungsbau wieder flott gemacht in diesem Land. Und darauf bin ich stolz.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

– Ich höre Sie nicht. Das geht gerade unter.

Herr Laumann am 24. November 2012: „Chaos – das Land versinkt.“

Stichwort „Inklusion“. Übrigens, dass Sie darüber heute gar nicht geredet haben, hat uns beide wirklich gewundert.

(Armin Laschet [CDU]: Ich muss nicht alle Ihre Fehler behandeln!)

Herr Laumann in den „Westfälischen Nachrichten“ am 24. November 2012:

„In einem Jahr werden wir bei U3, dem doppelten Abiturjahrgang und bei der Inklusion sehen, dass sie nichts von diesen Ankündigungen auf die Reihe bekommen.“

Ja, das ist anders gekommen, sorry. Also, immer das gleiche Muster: lautes Schreien, dann Funkstille. Die eigentliche Chaosquelle in diesem Land sind Sie, sonst keiner. Sie allein!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerpräsidentin, entschuldigen Sie bitte.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Und die Panikmache geht weiter, das haben Sie doch auch heute wieder gemacht.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerpräsidentin, darf ich Sie kurz unterbrechen? Der Kollege Schemmer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Nein, ich mache jetzt hier weiter. Die anderen haben ja auch keine Zwischenfragen beantwortet. Sie können ja noch reingehen, Herr Schemmer. Sie haben Zeit. Wir haben noch eine Runde, da können Sie in aller Ruhe alles vortragen.

Panikmache beim Hochschulgesetz. Was haben Sie nicht alles über unsere Pläne verbreitet.

(Zurufe von der CDU)

Wir wollten die Drittmittelforschung eingrenzen – als ob Sie im Ernst glauben, eine Ministerpräsidentin, die zuvor Hochschulministerin war, wüsste nicht, wie wichtig, wie gut und wie qualitativ hochwertig die Drittmittelforschung in diesem Lande ist.

Aber erst mal Panik machen! Nichts davon tritt ein, gar nichts. Den LEP habe ich schon erwähnt.

Stichwort „Klimaschutzplan“. Da haben Sie heute Morgen im Radio gesagt, es gebe 550 Maßnahmen, und Hunderte von Mitarbeitern bei Johannes Remmel beschäftigten sich damit.

(Zuruf von der SPD)

Lieber Kollege Laschet, Bürgerbeteiligung muss man ernst nehmen. Da passt einem nicht jeder Vorschlag, der da kommt. Und deshalb werden die Vorschläge noch bewertet, bevor sie hier Eingang finden.

(Armin Laschet [CDU]: Warum machen Sie das denn überhaupt?)

Aber dass Sie gar keinen Klimaschutzplan wollen, zeigt mir, dass Sie auch da den Bundeskoalitionsvertrag nicht gelesen haben. Der kommt nämlich auch im Bund, nicht nur in Hessen, wie Herr Kollege Lindner richtigerweise gesagt hat.

Ich glaube, eines führt wirklich zur Wahlverweigerung vieler Menschen: dass wir uns als Politik dauernd Ziele setzen, die weit weg sind, und dass wir nie sagen, wie wir die Ziele konkret erreichen wollen. Wir wollen Klimaschutzland Nummer eins werden. Wir wollen Effizienzland Nummer eins werden. Und daran werden wir konsequent weiterarbeiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Es ist nicht alles fehlerfrei, was wir tun. Ich bin weit davon weg, das unkritisch zu sehen.

Sie haben sich das Tariftreuegesetz und den Batzen angeguckt. Das habe ich auch getan. Ich habe mit Leuten gesprochen, die das vor Ort durchführen müssen. Deswegen haben wir eine Evaluierung angelegt; die wird kommen. Nun warten Sie doch ab! Wir bekommen das hin.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Wir wollen Bürokratie abbauen. Dann lassen Sie uns doch gemeinsam an dem Abbau von Standards arbeiten; denn das, was ich aus den Kommunen höre, ist, dass die Brandschutzbestimmungen so viel Geld kosten, dass sie inzwischen keine Investitionen mehr tätigen können. Lassen Sie uns doch daran gemeinsam arbeiten! Das wäre jedenfalls der sinnvollere Weg.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Es gibt also jede Menge Kritik. Ich habe nichts gegen Kritik, gegen konstruktive Kritik schon gar nichts. Aber was Sie machen, hat damit wenig zu tun. Sie reden das Land schlecht – da bin ich sehr empfindlich –, und zwar systematisch.

(Zurufe von der CDU)

– Ja. – Es kann Ihnen nicht passen, dass der Standort ausweislich der Dokumente, die heute schon mehrfach erwähnt worden sind, gut dasteht. Es kann Ihnen auch nicht passen, dass jeder vierte Euro an Direktinvestitionen nach Nordrhein-West-falen fließt.

(Armin Laschet [CDU]: Natürlich passt uns das!)

Wahrscheinlich haben Sie auch nicht wahrgenommen, dass die GfK am 5. September eine Umfrage gemacht hat, deren Ergebnis war: In NRW sind die Bürger am entspanntesten. Wenn es dem Land so schlecht ginge, wie Sie beide es darstellen, wären solche Umfrageergebnisse mit Sicherheit nicht zustande gekommen.

Nein, bleiben Sie bei den Fakten. Wir behindern nicht die Entwicklung eines investitionsfreundlichen Wirtschaftsklimas. Wir werden diesen Standort voranbringen. Machen Sie den Breitbandausbau nicht schlecht! Natürlich gibt es noch weiße Flecken. Aber wir sind weiter als Bayern, Baden-Württemberg und andere Länder. Sagen Sie doch einmal, wo wir an der Spitze stehen. Sagen Sie doch einmal, wie die Realität aussieht.

(Armin Laschet [CDU]: Bei der Verschuldung sind wir an der Spitze!)

Herr Lindner hat den Bildungsmonitor erwähnt. Das ist ganz klasse; das finde ich richtig gut: Daten, die zwei Jahre alt sind. Okay, manchmal ist es mit der Datenlage schwierig. Es werden 93 Indikatoren gleichgewichtig nebeneinandergestellt. Da darf man doch zumindest einmal Zweifel äußern, vielleicht auch als Opposition.

Ich nenne Ihnen ein paar Fakten: Da ist das Englischhören an Gymnasien – was immer das auch bezeichnet – genauso wichtig wie die Unterrichtsstunden pro Klasse, genauso wichtig wie die verspätete Einschulung – ich weiß gar nicht, ob das positiv oder negativ ist; ich würde sagen, das kommt auf das Kind an – und genauso wichtig wie die Investitionsquote bei den allgemeinbildenden Schulen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, das ist etwas, wo Sie uns auf dem letzten Platz finden, und dann führen Sie uns vor.

(Armin Laschet [CDU]: Auf dem vorletzten! – Weitere Zurufe von der CDU)

– Vorletzten. – Aber dann hinterfragen Sie doch bitte einmal – vielleicht nur im Hintergrund, das müssen Sie hier nicht machen – Daten und Statistiken. Die Durchschnittsquote beim Schüler-Lehrer-Verhältnis – wie viele Schüler kommen auf einen Lehrer – sagt nichts über die Qualität eines Bildungssystems aus. Warum nicht? – Ich nenne Ihnen ein Beispiel.

(Zuruf von der CDU)

– Hören Sie gut zu. – Baden-Württemberg hat es bisher nicht geschafft, eine Gebietsreform durchzuführen. In diesem flächenmäßig wesentlich kleineren Land gibt es 1.100 Gemeinden. Wir alle sind auch in der Kommunalpolitik tief verankert, und wir wissen, die kämpfen alle um ihre Schulen vor Ort. Da gibt es kleine und kleinste Schulen. Das hat nichts mit Effizienz zu tun. Die Gleichung „Je mehr Geld man für die ausgibt, desto effizienter und besser ist das Bildungssystem“ ist schlicht und einfach nicht haltbar. Ich glaube, das sollten wir alle berücksichtigen, wenn wir solche Daten sehen.

(Beifall von der SPD)

Dann nenne ich Ihnen ein paar positive Daten, damit Sie das anreichern können. Beim Ganztag liegt Nordrhein-Westfalen mit 36,6 % ganz weit oben. Der Bundesdurchschnitt beträgt 32,2 %. Wenn wir die Ostländer in Gedanken mit hineinrechnen, stellen wir fest, wie gut wir sind. In Baden-Württemberg sind es 18,9 %, in Bayern 12,6 %. Das heißt nichts anderes als: Wenn die den Ganztag so umsetzen würden wie wir, hätten die auch andere Haushaltszahlen.

Oder nehmen wir Daten wie die, die etwas darüber aussagen, wie viele junge Menschen ohne Hauptschulabschluss bleiben. In fünf Jahren ist diese Quote in diesem Land um 31 % zurückgegangen.

(Beifall von der SPD)

– Ja, Prävention wirkt. Wir sind dran. Wir werden weitermachen. Nur noch von vier von 100 Kindern schaffen das nicht.

Oder nehmen wir die Durchlässigkeit beim Übergang von der dualen Ausbildung – was übrigens die duale Ausbildung stärken wird – ins Studium. Ohne Abitur zum Studium – da sind wir in Deutschland Spitze. Sogar aus anderen europäischen Ländern schauen sie auf uns. Darauf kann man doch einmal stolz sein.

(Beifall von der SPD)

Da bescheinigt uns die OECD-Studie, die Sylvia Löhrmann gestern in ihrer Funktion als Vorsitzende der KMK entgegengenommen hat: Bildungspolitik ist Präventionspolitik und wird eine soziale Rendite bringen. Sie sagen: Prävention, ist doch klar. Was man vorher macht, muss man hinterher nicht reparieren. Das ist doch billiger. – Warum haben Sie es denn nicht gemacht, Herr Laschet?

(Armin Laschet [CDU]: Wir haben es gemacht!)

– Ach, Sie haben es gemacht.

(Armin Laschet [CDU]: Aber doch keine Kindergartenbeträge freistellen!)

Wenn Sie es ernsthaft gemacht hätten – die genaue Zahl kann ich Ihnen jetzt nicht nennen, nur ungefähr –: Meiner Kenntnis nach ist zur Zeit der CDU/FDP-Bundesregierung eine Studie über die Relevanz und Wirkung von familienpolitischen Leistungen in diesem Land in Auftrag gegeben worden. Diese Studie hat, wie ich jetzt höre, einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Die Ergebnisse sind jetzt da. Was soll ich Ihnen sagen? Dort steht das, was wir Ihnen seit Jahren sagen – an der Stelle, wo wir Sie nicht bewegt kriegen. Das ist das Problem.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

– Doch, das ist es. – Bleiben Sie also bei den Fakten. Lassen Sie uns sehen, dass wir weiterkommen, dass wir es wirklich schaffen, kein Kind zurückzulassen. Ja, Sie können mich mit dem Satz immer wieder vorführen. Aber ich meine es ernst.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Wir stellen uns in den Wind. Ich habe es ertragen, dass Sie mich zur Schuldenkönigin erklärt haben. Das ertrage ich alles. Die Menschen in diesem Land wissen, dass dies die Investitionen sind, die neben den Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden müssen.

Die Menschen in diesem Land wissen auch, dass Sicherheit ein wichtiges Thema ist. Sie spielen nicht mit dem Gedanken, dass weniger Polizei möglich sein könnte. Sie spielen gar nicht damit.

(Armin Laschet [CDU]: Wer spielt denn damit?)

– Sie wollen doch einen pauschalen Stellenabbau. Wollen Sie den jetzt, oder wollen Sie den nicht? Jetzt ducken Sie sich wieder weg. Das geht nicht ohne Polizei.

(Beifall von der SPD – Armin Laschet [CDU]: Quatsch!)

Ich sage Ihnen eines, weil das auch ganz wichtig ist: Wir gehen konsequent – ich bin dem Innenminister sehr dankbar – gegen alle Extremisten vor, egal ob von rechts oder von links. Mit uns wird es keine Duldung von Salafisten, Scharia-Polizei, Dschihadisten und Ähnlichem geben. Wir lassen das nicht zu. Diese Demokratie ist wehrhaft. Die Menschen sind stark, das Land ist es auch. Wir lassen nicht zu, dass parallele Rechtssysteme etabliert werden, auch nicht bei der organisierten Kriminalität und bei den Rockern.

(Beifall von der SPD und der Regierungsbank)

Dass wir das nicht erst tun, wenn Leute mit solchen Westen herumlaufen, sehen Sie daran, dass der Justizminister vor zwei Jahren im Bundesrat härtere Strafen für Menschen eingebracht hat, die aus reinem Hass Gewalt säen und ausüben. Wir brauchen hier neue Handlungsmöglichkeiten. Wir tun im Rahmen des rechtlich Möglichen, was wir können. Wir brauchen bessere Handlungsmöglichkeiten.

Dieses Land ist stark – nicht nur wirtschaftlich. Es hat tolle Menschen und tolle Landschaften. Dieses Land ist wehrhaft. Es stellt sich aus einem ganz einfachen Grund gegen solche Entwicklungen: Die meisten Menschen in diesem Land, fast alle, wissen, dass dieses Land durch Vielfalt stark geworden ist. Deshalb hat hier Antisemitismus keinen Platz. Deshalb stellen wir uns dagegen.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Deshalb sind wir auch an der Seite derjenigen, die Nordrhein-Westfalen sind – mit Migrationshintergrund. Das will ich aus meinem Sprachschatz tilgen. Das sind Nordrhein-Westfalen, über die wir reden.

(Beifall von der SPD und Hans Christian Markert [GRÜNE])

Denjenigen, die muslimischen Glaubens sind und die sich Gott sei Dank öffentlich hörbar abgrenzen, sagen wir: Bei uns werdet ihr nicht in eine Kiste mit diesen Extremisten geworfen. Das geschieht in Nordrhein-Westfalen nicht. Auch das sage ich ganz deutlich.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Dann sagen Sie, wo Sie stehen. Sagen Sie, wo Sie mitgehen. Kämpfen Sie mit beim Länderfinanzausgleich, wenn es hart auf hart geht. Da sind nicht viele an unserer Seite. Der Bundesfinanzminister hat eigene Interessen; die anderen Länder haben eigene Interessen.

Wir sind groß. Wir sind stark. Davon hätten die anderen gern noch eine Menge ab. Aber ich sage Ihnen: Ich habe einen klaren Blick. Ich habe einen Eid auf dieses Land, auf die Bürgerinnen und Bürger sowie auf den Standort geschworen. Und den werde ich halten. – Danke.

(Langanhaltender lebhafter Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Optendrenk.

(Minister Johannes Remmel: Die stärkste Waffe der Opposition!)

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Rede von Frau Ministerpräsidentin angehört hat, stellt man sich schon die Frage, warum Sie sich eine halbe Stunde lang nur an der Opposition abgearbeitet haben.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Weil sie so schlecht ist!)

Warum verteilen Sie hier Schulnoten an die Oppositionsfraktionen? Die Antwort ist ganz einfach: Weil Sie in dieser Haushaltsdebatte Angst davor haben, dass man über Ihre Haushalte redet, über den Nachtragshaushalt 2014, über den Haushalt 2015, über Ihre Schuldenpolitik, über Ihren Wortbruch gegenüber den Beamtinnen und Beamten, über Ihren Verfassungsbruch bei der Besoldung.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos] – Zuruf von der SPD: Da hat sie ganz schön gezittert!)

Ich möchte gern der Versuchung widerstehen, Ihnen jetzt Schulnoten zu erteilen, denn wir sind hier im Landtag und nicht bei der Zeugniskonferenz.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte deshalb keine Nachhilfe zu Zahlen und Fakten zum Haushalt erteilen. Ich stelle nur fest: Es wäre vielleicht ganz gut gewesen, da Ihr Finanzminister in seiner Rede schon darauf verzichtet hat, sich zu den Kernpunkten des Landeshaushaltes zu äußern, dass Sie das nachgeholt hätten.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Stattdessen haben Sie hier von der Opposition verlangt, dass sie Ihnen die Rolle des Regierens abnimmt.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das mache ich schon allein!)

Frau Ministerpräsidentin, die Vorschläge, die Sie nicht machen und die Ihnen dann von der Opposition gemacht werden, sind der Kernpunkt dessen, was hier stattfindet. Sie haben keine Idee, wie Sie die Probleme des Landes konkret lösen wollen. Deshalb haben Sie ein Regierungsproblem.

(Beifall von der CDU)

Wenn ich Ihnen das als jemand, der sich intensiv mit dem Thema „Finanzpolitik“ beschäftigt, an dieser Stelle attestieren darf, ohne das mit einer Zeugnisnote zu belegen: Diese Haushaltspläne, die Sie heute einbringen, sind Dokumente der Hilflosigkeit.

(Beifall von der CDU)

Es war nicht einmal, wie Johannes Rau das weiland offensichtlich gesagt hat, eine fidele Resignation, sondern das war eine schreiende Resignation.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Martin Börschel [SPD]: Wenn Ihnen nichts mehr einfällt!)

Sie haben vier Jahre regiert. Sie haben vier Jahre Schulden zum Markenzeichen Ihrer Politik gemacht und stellen jetzt fest: Ich bin gescheitert. So hört sich auch Ihre Rede an.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD)

Ich möchte mich etwas genauer mit den Fakten beschäftigen, denn die sollte man bei aller Generaldebatte nicht vergessen, wenn man schon über den Haushalt redet.

(Martin Börschel [SPD]: Sagen Sie das mal Ihrem Vorsitzenden! Der hat sie beharrlich ignoriert!)

Nach der heutigen Erklärung zum Haushalt 2015 können wir davon ausgehen, dass das Land Nordrhein-Westfalen weiter darauf spekuliert, mehr Geld von anderen zu bekommen – völlig unabhängig von der Frage, ob der Länderfinanzausgleich 2019 reformiert wird, ob der Soli in irgendeiner anderen Weise umgewidmet wird oder was auch immer. Nordrhein-Westfalens Landesregierung setzt auf die Hilfe anderer, weil sie die Probleme selbst nicht mehr gelöst bekommt.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Bis dahin versuchen Sie, solange es eben geht, zu kaschieren, was es für Löcher gibt.

Das erinnert mich fatal an die Situation in den Jahren 2001 bis 2005. Da hat sich die damalige Landesregierung, auch von Rot-Grün, beispielsweise bei den Steuereinnahmen im ersten Entwurf immer schön überschätzt, hat sich anschließend im Haushaltsvollzug überraschen lassen und dann gesagt: Ups, das konnten wir alles nicht absehen.

Herr Finanzminister, wenn Sie dem CDU-Fraktionsvorsitzenden die Frage stellen, ob er nicht über die Datenbasis verfügt habe, in der Energiepolitik das alles abzusehen, dann sage ich Ihnen eines: Sie legen diesem Landtag die Schätzgrundlagen Ihres Steuereinnahmeansatzes nicht offen. Sie erklären seit Jahren: Das entwickelt sich irgendwie aus der Steuerschätzung. Dann machen wir hier und da noch etwas.

Wenn man dann konkret nachfragt, ob in einer Klausurtagung des Haushaltsausschusses oder im Plenum des Landtages, dann sagen Sie: Nein, die regionalisierte Steuerschätzung können wir Ihnen leider nicht zur Verfügung stellen. Das haben jetzt die Finanzminister verabredet. Da darf jeder sein Süppchen selbst kochen, und die Daten legen wir nicht offen.

Wenn Ihnen ein Oppositionsführer bei einer Steuerart nicht im Detail zeigen kann, an welcher Stelle Sie sich überschätzt haben, weil Sie die Daten, die zur Bewertung erforderlich sind, nicht offenlegen, weil Sie sie nämlich nicht offenlegen wollen, weil man dann genau sehen könnte, dass man damals zu hoch geschätzt hat, dann ist das kein Problem der politischen Interpretation durch die Opposition, sondern dann ist das mangelnde Transparenz dieser Regierung. Und die hat einen guten Grund.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie heute – wir waren beim Klimaschutzplan – in Ihrer Rede ankündigen, dass die Zahl von 6,7 % bei den Steuereinnahmen gar nicht so ernst gemeint sei und dass man demnächst nach der Steuerschätzung noch eine Ergänzungsvorlage mache, dann muss ich sagen – schade, dass der Umweltminister nicht hier ist –: Die Haushaltspläne, die Sie haben drucken lassen, sind heute schon obsolet. Dieser Haushaltsplan ist das Papier, für das Bäume gefällt werden mussten, nicht wert. Es wäre ein guter Beitrag zum Klimaschutz, wenn Sie erst dann einen Haushaltsplan vorlegen, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie diesen Etat auch verabschieden lassen können, und nicht, wenn Sie noch irgendwelche Mondzahlen dort drin haben.

(Beifall von der CDU)

Offensichtlich wollen Sie die Öffentlichkeit nur schrittweise an die Wirklichkeit der Zahlen heranführen. Sie wollen uns quasi daran gewöhnen, dass doch das süße Gift der Schulden länger wirkt und dass man sich mit den bösen Botschaften vielleicht eher in Stücken beschäftigt. Glauben Sie wirklich, dass die Steuermindereinnahmen, die Sie wahrscheinlich in der Steuerschätzung attestiert bekommen, durch zusätzliche Länderfinanzausgleichseinnahmen kompensieren können? Dann legen Sie das doch hier und heute an diesem Punkt offen. Dann müssen wir aber diesen Plan an Sie zurückgeben, und dann drucken Sie einen neuen mit den richtigen Zahlen.

Wenn Sie dann die Frage stellen, warum wir denn ein offensichtlich so großes Problem haben, nicht mehr Zahlerland im engeren Länderfinanzausgleich zu sein, sondern nur noch bei der Umsatzsteuer, dann hängt das genau mit dem Wirtschaftswachstum zusammen, über das wir hier in Plenardebatten im Mai, im Juni und Anfang Juli diskutiert haben.

Auch damals haben Sie Herrn Laschet gesagt: Das wäre alles gar nicht so. Er würde die Auswirkungen auf den Haushalt, die Steuereinnahmen, die Beamtenbesoldung zu schwarz sehen.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Am 2. Juli haben Sie gesagt, das stimme doch alles nicht. Die Sommerpause haben Sie dann dazu benutzt, die Öffentlichkeit vorsichtig daran zu gewöhnen, dass es anders ist. Jetzt sagen Sie: Die Opposition redet das Land schlecht. Das ist aber auch komisch. Das passt nicht zusammen.

Herr Priggen hat eben über den Strukturwandel gesprochen. Herr Römer hat sich geradezu darin ergötzt, zu schildern, wie toll das Leiden im Strukturwandel über Jahrzehnte in Nordrhein-Westfalen war, wie toll das andere gemacht haben, aber wir viel besser.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Auswirkungen auf die Frage, wie stark wir als Land finanziell sind, hat nichts mit dem Strukturwandel der 70er-, 80er- und 90er-Jahre zu tun, sondern hat damit zu tun, dass wir der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen in jahrzehntelanger sozialdemokratischer Ministerpräsidentenschaft hier die Impulse an Innovation nicht gegeben haben, die andere Regierungen ihren Ländern gegeben haben.

(Beifall von der CDU)

Und das sehen Sie an der Wirtschaftsstruktur dieses Landes: Immer dann, wenn es in der Konjunktur heruntergeht, dann gehen wir doppelt so schnell herunter wie alle anderen. Geht es hoch, gehen wir nur halb so schnell hoch wie alle anderen. Das hat etwas mit der Wirtschaftsstruktur zu tun. Und für Strukturpolitik ist diese Landesregierung ganz wesentlich zuständig. Und da sieht man das Ergebnis von Landesregierungen in anderen Bundesländern und den Vergleich mit Nordrhein-Westfalen sehr genau.

Wenn man das an den Zahlen, Herr Finanzminister, ablesen will: Seit 1995, seit dem ersten Einbeziehen der ostdeutschen Länder in den Länderfinanzausgleich inklusive des Umsatzsteuerausgleichs – den halten Sie ja immer für so wichtig; ich akzeptiere das –, haben Sie 14 % des Umsatzsteueraufkommens in den Länderfinanzausgleich und sonstige Töpfe als Land Nordrhein-Westfalen unter der Regierung Rau eingezahlt, 14 %.

2013 betrug das Einzahlen noch 5 %. Das heißt, ein Drittel dessen, was wir 1995 an Solidarität geleistet haben, können wir uns jetzt noch leisten. Sie sagen jetzt, wir brauchen mehr Solidarität der anderen. Das hängt aber damit zusammen, dass wir in der Wirtschaftsleistung schlechter geworden sind, dass hier schlechte Politik gemacht worden ist, dass wir Strukturwandel nicht gestaltet, sondern verpasst haben, dass wir keine innovativen Strukturen aufgebaut haben. Sie haben einfach gesagt: Wir hüten mal das Schrebergärtchen überall, anstatt zu sagen: Wir gehen kraftvoll und dynamisch voran in die Zukunft dieses Landes. Hier gibt es kein Silicon Valley.

(Beifall von der CDU)

Das Ergebnis dieser Strukturpolitik ist übrigens auch in den 80er-Jahren beim Thema „Digitalisieren“ deutlich geworden.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Da hat sich einmal ein Minister hier hingestellt – das war übrigens ein Sozialdemokrat – und hat gesagt, er sei stolz darauf, dass man das technikfreie Büro habe. Das technikfreie Büro wurde, weil es so unsozial sei, Technik im Büro zu haben, zum großen Popanz ausgerufen. Das ist auch der tiefere Grund, warum Zukunft verpasst worden ist. Da sind Entwicklungen über viele Jahre und Jahrzehnte verschlafen worden. Und das bezahlen die Bürgerinnen und Bürger mit der höchsten Arbeitslosigkeit aller westdeutschen Flächenländer. Das bezahlen wir mit schlechterem Wirtschaftswachstum, mit schlechteren Steuereinnahmen und höheren Schulden, schlechteren Zukunftschancen für dieses Land. Und dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall von der CDU)

Und das bezahlen dann auch die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen, denen noch am 16. Dezember 2011 die Ministerpräsidentin schriftlich bestätigt hat – ich zitiere das einmal –:

„Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Landesregierung keine weiteren Einschnitte bei der Beamtenschaft plant.“

Und dann kam der angekündigte Wortbruch, der angekündigte Verfassungsbruch und jetzt – mit viel Mühe – der Weg in einen Haushalt, wo man keine Vorsorge getroffen hat und lieber mehr Schulden macht.

Herr Finanzminister, ich frage Sie Folgendes: Schön, dass die anderen Regierungen Steinbrück und Co. auch schon mal auf die Erhöhung von Ministergehältern verzichtet haben. Ich würde mich aber schon für die genaue Rechtsgrundlage interessieren. Ich hatte gedacht, es gäbe ein Ministergesetz und ein Besoldungsgesetz, und solche Regelungen würden per Gesetz getroffen. Können Sie das ohne Gesetz, und wie wirksam ist das denn dann?

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Es war immer ohne Gesetz!)

– Das kann ja trotzdem falsch sein. Sie haben ja Erfahrung damit, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Wenn Sie, Herr Römer, sich mit der Frage beschäftigen – Herr Priggen hat das auch getan –: „Wie ist das mit den Einsparvorschlägen beim Thema Schule?“, sage ich, es gibt ein einziges uns zugängliches Dokument aus dem Effizienzteam, die PwC-Untersuchung vom 2. Mai 2012. Da geht es um die Demografiepotenziale, die PwC in Ihrem Auftrag identifiziert hat. An den darin enthaltenen Zahlen haben wir uns orientiert: im Haushaltsverfahren 2013, im Haushaltsverfahren 2014, bei dem, was in der Zeitung mit den 300 Millionen zitiert worden ist. Das ist ganz einfach, das ist nämlich Mathe. 1,25 Milliarden sind da als Demografierendite errechnet worden, Frau Ministerin.

Davon sind vom Schulkonsens 469 Millionen nicht benötigt worden. 469 Millionen sind von den Maßnahmen des Schulkonsenses nicht betroffen. Von diesen 469 Millionen möchten wir 2014 – das haben wir schon 2013 gesagt – 300 Millionen für Einsparungen zugunsten des Haushalts und 170 Millionen für Qualitätsverbesserungen einsetzen.

Wenn Sie jetzt sagen, Ihre eigenen Zahlen stimmen nicht, hat Herr Laschet in der Tat ein Problem. Aber dann müssten Sie vielleicht erst mal Ihre Zahlenbasis klären. Wir jedenfalls haben bisher eine konsistente Politik gemacht.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Wir haben gesagt, wir wollen den Schulkonsens einhalten. Wir wollen 170 Millionen zusätzlich für Ganztag und Inklusion ins System geben, und die übrigen 300 Millionen sollen dem Haushalt zugutekommen. Sie haben bisher keine Entscheidung in dieser Richtung getroffen. Die 300 Millionen können Sie gerne in Lehrerstellen umrechnen.

Übrigens haben Sie selbst schon 2013 gesagt, dass theoretisch 2.300 Stellen alleine durch den doppelten Abiturjahrgang wegfallen könnten, aber 1.000 ließen Sie im System. Das heißt, wir reden in einem großen Land wie Nordrhein-Westfalen auch ständig über große Zahlen.

Aber bitte halten Sie sich an Ihre eigenen Zahlen! Versuchen Sie nicht, der Opposition Dinge vorzuhalten, die uns nicht anzulasten sind!

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es wäre gut, wenn Sie weiter regieren würden in einem Sinne, dass es Regieren ist und nicht einfach die Opposition beschimpfen und meinen, die Opposition soll Ihre Arbeit machen. Denn dann gibt es nur eine Alternative, dann sagen Sie: Wir wollen nicht mehr regieren.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dann müssen sich die Fraktionen des Landtags zusammensetzen und darüber nachdenken, wer stattdessen regieren sollte.

(Martin Börschel [SPD]: Die wollen doch gar nicht!)

Entscheiden Sie sich, ob Sie regieren wollen oder nicht! Lassen Sie das Beschimpfen der Opposition sein!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Börschel.

Martin Börschel (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Optendrenk, ich muss mich schon sehr wundern, dass Sie der Ministerpräsidentin vorwerfen, Ihre Replik auf die Rede des Oppositionsführers Laschet habe sich tatsächlich mit dessen Rede auseinandergesetzt. Es ist doch nicht die Verantwortung der Ministerpräsidentin, wenn Herr Kollege Laschet beharrlich die Beleuchtung des heutigen Haushalts in seiner Rede verweigert, sondern stattdessen in der Welt rumschwadroniert, das Land systematisch schlechtredet und das zum Mittelpunkt seiner Rede macht.

(Beifall von der SPD)

Das ist wirklich nicht die Verantwortung der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin.

Ich wundere mich über ein Zweites und finde es bemerkenswert. Nach dieser engagierten Rede, die sich tatsächlich sehr dezidiert mit dem auseinandergesetzt hat, was die Herren Lindner und Laschet gesagt haben, hätte ich erwartet, dass Herr Kollege Laschet auf die Ministerpräsidentin antwortet,

(Beifall von Ministerin Sylvia Löhrmann)

genauso, wie es Kollege Lindner gleich vorhat – bei aller großen Wertschätzung von haushalts- und finanzpolitischen Sprecherinnen und Sprechern. Ich will klar sagen, das sind außerordentlich wichtige Leute.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Sie sind selber einer! – Zurufe von der CDU)

Aber auf diese Rede hätte der Oppositionsführer antworten müssen.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

– Herr Kollege Lienenkämper, es gehört doch zum Normalsten von der Welt, dass sich die Opposition mit der Ministerpräsidentin kritisch auseinandersetzt und dass das nicht die Aufgabe des Vorsitzenden der SPD-Fraktion ist. Insofern werden Sie mir nachsehen, dass ich versuche, Herr Kollege Laschet, mich ein weiteres Mal mit Ihrer Rede auseinanderzusetzen.

Denn Sie haben eine interessante Taktik gewählt – Strategie kann man das nicht nennen; Frau Ministerpräsidentin hat das eben schon auseinanderziseliert –, indem Sie das Land systematisch schlechtreden. Sie sagen, Sie wollten, dass die Menschen stolz sind auf unser Land, und stattdessen reden Sie die Chancen und Perspektiven von Nordrhein-Westfalen klein. Sie ignorieren, dass die Menschen gerne in Nordrhein-Westfalen leben, und Sie reden das Land schwarz und schlecht.

(Zuruf von der CDU)

Ihre Taktik ist Ihre Angelegenheit; aber ich will Ihnen schon vor Augen halten, dass es einen aus Ihrer Partei gab, der genau mit demselben Vorhaben schon mal grandios gescheitert ist. Der frühere Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Herr Wittke, hat genau das gemacht und ist von den Gelsenkirchenern mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden, weil es die Menschen nicht schätzen, das Vorhandene nur schlechtzureden und ihnen Perspektiven zu nehmen, die sie gerne haben möchten und tatsächlich haben.

(Beifall von der SPD)

Die Menschen möchten konstruktive Politik und nicht nur Show, die Sie hier heute veranstaltet haben.

(Zurufe von der CDU)

Aber Sie haben nun einmal heute diesen Weg gewählt und haben versucht, das zu unterlegen mit einer Aneinanderreihung von Behauptungen, die bei näherer Betrachtung der Wahrheit und der Faktenüberprüfung nicht standhalten, Herr Kollege Laschet. Ich finde, man kann harte Debatten immer und gerne führen. Dafür ist gerade eine Generaldebatte zum Haushalt da. Aber falsche Behauptungen aufzustellen, die Wahrheit zu verschleiern, ganz bewusst falsche Fährten zu legen, das ist nicht in Ordnung. Darüber ärgere ich mich, und deswegen will ich das widerlegen.

Die erste Behauptung, die ich vorhin mitgeschrieben habe, der Länderfinanzausgleich in seiner heutigen Fassung sei 20 Jahre alt, ist falsch. Diese konkrete Tatsachenbehauptung hat Frau Ministerpräsidentin schon widerlegt.

Ihre Behauptung, Nordrhein-Westfalen sei erst unter der Regierung Kraft zum Nehmerland im Länderfinanzausgleich geworden, ist nachweislich falsch, Herr Kollege Laschet. Sie stellen eine falsche Tatsachenbehauptung auf. In den Jahren 2008 und 2010 – dazwischen war es hauchdünn und sehr knapp – war es Ihre Vorgängerregierung, die Nordrhein-Westfalen zum Nehmerland gemacht hat. Warum haben Sie das eben klipp und klar anders behauptet? Wir werden das im Wortprotokoll gleich nachlesen können. Das ist nicht die einzige falsche Faktenbehauptung, die Sie heute vorgestellt haben.

Sie ignorieren bei all Ihren Behauptungsgedankengebäuden, dass Nordrhein-Westfalen bei der Steuerkraft nach den diversen Mechanismen des Länderfinanzausgleichs von einem sehr ordentlichen Platz 5 auf den letzten Platz 16 aller Bundesländer abrutscht. Das ignorieren Sie und behaupten hartnäckig das Gegenteil. Das ist nicht in Ordnung.

Sie ignorieren ebenfalls – ich frage mich: warum? –, dass Nordrhein-Westfalen die niedrigste Pro-Kopf-Ausgabenquote aller Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland hat. Warum ignorieren Sie das, Herr Kollege Laschet?

Sie behaupten in Ihrer Pressemitteilung, der Finanzminister plane für den Haushalt 2015 ein Steuermehreinnahmenplus in Höhe von 6,7 % ein. Warum behaupten Sie das? Sie wissen ganz genau, dass der Finanzminister eine Ergänzung angekündigt hat, sobald klarer ist, was die Steuerschätzung ergibt. Trotzdem – wider besseres Wissen – reihen Sie eine falsche Faktenbehauptung an die andere.

Sie, Herr Kollege Laschet, behaupten – auch das müssen Sie sich entgegenhalten lassen –, dass Sie die ersten und einzigen gewesen seien, die gegen die verkorksten Maut-Pläne von Bundesverkehrsminister Dobrindt – übrigens aus Ihrer Schwesterpartei – vorgegangen sind. Sie wissen aber ganz genau und möchten es hier anders glauben machen, dass es unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Städteregion Aachen waren – Bund und Land –, die bereits am 4. August dieses Jahres in einer öffentlichen Erklärung deutlich Front gegen diese verkorksten Maut-Pläne bezogen haben. Ihre Kolleginnen und Kollegen, Herr Laschet, haben geschlagene 14 Tage gebraucht, um eine auch nur halbwegs artikulationsfähige Position zu finden. Sie sind nachgeklappt und werfen unseren Leuten jetzt vor, dass sie geschlafen haben.

Herr Kollege Laschet, unsere Position ist seit langem klar. Sie eiern herum und sind derjenige, der irgendwie versuchen muss, lieb Kind bei Bundeskanzlerin Merkel zu bleiben, die Herrn Seehofer die Maut versprochen hat, Sie aber nicht wissen, wie Sie da herauskommen wollen. Sie haben das Problem, nicht wir! Unsere Position zum Maut-Gesetz ist klar.

(Zuruf von der CDU)

– Dann müssen Sie lesen und zuhören, Herr Kollege. Dann fällt Ihnen das leicht. Unsere Position ist jedenfalls im Vergleich zu Ihrer an Klarheit nicht zu überbieten.

Herr Kollege Laschet, ich habe aus Ihrer Rede nur ein paar Beispiele herausgegriffen, die alle für sich genommen noch lässliche Sünden, Fehlerchen oder Ungereimtheiten sein mögen; aber noch viel schlimmer ist, dass das System hat, Herr Kollege Laschet. Sie reihen ganz bewusst Fakten, die falsch sind, aneinander, um damit ein Gedankengebäude zu illustrieren, das es so nicht gibt. Das ist selbst in einer Generaldebatte zum Haushalt nicht in Ordnung.

Deswegen rufe ich Ihnen zu: Bleiben Sie bei den Fakten! Bleiben Sie bei der Wahrheit! Setzten Sie sich beispielsweise mit uns gemeinsam für einen fairen und gerechten Länderfinanzausgleich bei Bund und Ländern ein! Setzen Sie sich mit uns gemeinsam für veränderte Maut-Pläne, aber nicht die, die Herr Dobrindt jetzt vorgelegt hat, ein! Nehmen Sie nordrhein-westfälische Interessen wahr, dann könnten Sie als Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen dem Land und seinen Menschen einen Dienst erweisen.

Herr Kollege, es war Ihre Entscheidung, in Ihrer Rede vorhin, die, weiß Gott, lange genug gedauert hat, nur wenig zum eigentlich Haushalt, den wir heute debattieren wollen, gesagt zu haben. Das habe nicht ich entschieden, und das hat auch nicht der Finanzminister entschieden. Das hat nicht die Frau Ministerpräsidentin entschieden, sondern das war Ihre ganz eigene Entscheidung.

Nach wie vor: Mit dem wenigen, das Sie zum Haushalt gesagt haben, vergleichen Sie Äpfel mit Birnen und ignorieren, dass – seit die Regierung Kraft die Verantwortung übernommen hat – in Nordrhein-Westfalen alle Haushaltsabschlüsse regelmäßig besser als die Haushaltspläne gewesen sind. Voilà, das ist doch schon einmal etwas. Nur wollen Sie das nicht wahrhaben und ignorieren es deshalb.

Ansonsten gab es – wenn ich großzügig bin – von Ihnen heute nur zweieinhalb konkrete Aussagen zur Haushaltskonsolidierung. Konkrete Aussage 1: Der Klimaschutzplan muss weg! – Konkrete Aussage 2: Das Tariftreuegesetz muss weg.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Zum tausendsten Mal!)

Wenn das die Punkte sind, mit denen Sie – erstens – den Haushalt konsolidieren und sich – zweitens – von uns absetzen wollen, mag das so sein, dann ist das Ihre Entscheidung, aber ein Armutszeugnis ist es gleichwohl.

(Beifall von der SPD)

Der halbe Punkt, den ich großzügig aus Ihrer Rede von vorhin mühsam herausdestilliert habe, bezog sich auf Ihre nebulösen Ausführungen zur Repräsentation des Landes. Sie, Herr Kollege Laschet, sagen, eine ordentliche Repräsentation des Landes müsse sein, aber politischer Schnickschnack nicht. – Das war wörtlich aus Ihrer Rede von eben zitiert.

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Von jemandem, dessen Regierung die sündhaft teuren Petersberger Gespräche verantwortet hat, müssen wir uns bei Kongressen und Veranstaltungen der Landesregierung wahrlich nichts vorschreiben und nachsagen lassen. Da haben Sie allerlei Peinlichkeit vor der eigenen Tür zu kehren. Ihre Belehrungen brauchen wir da nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im Übrigen bleibt es dabei, dass auch die CDU sich heute und in früheren Monaten mit zahlreichen Ideen hervorgetan hat, wo man mehr Geld ausgeben kann, wo wir mehr Personal, mehr neue Strukturen brauchen, mehr Polizei, mehr Lehrerinnen und Lehrer, mehr Justizbeamte, mehr Finanzbeamte. Daran haben wir uns mittlerweile längst gewöhnt. Aber dass Sie sich in ein und derselben Angelegenheit innerhalb Ihrer eigenen CDU-Fraktion selbst widersprechen, das kommt selbst nach Ihren Maßstäben und bei Ihnen eher selten vor.

Sie haben unter dem 5. September dieses Jahres zig Ausgabeideen auf vier Seiten ausgebreitet, wie Nordrhein-Westfalen mit den 279 Millionen € jährlicher Entlastung durch die Übernahme der BAföG-Kosten des Bundes umgehen möge. Auf vier Seiten ganz, ganz viele Ideen! Die Frau Ministerpräsidentin ist auf einige dieser Ideen eben schon eingegangen.

Was Sie offensichtlich vergessen haben, Herr Kollege Laschet, ist, dass Ihr Haushalts- und Finanzpolitischer Sprecher Dr. Optendrenk noch am 24. Juni dieses Jahres im Namen Ihrer Fraktion gefordert hat, die etwa 280 Millionen € Entlastung der BAföG-Übernahme des Bundes zur Haushaltskonsolidierung und zum Schuldenabbau einzusetzen.

Was gilt denn nun? Im Juni sagte Optendrenk, das Geld solle in den Abbau der Neuverschuldung gesteckt werden. Anfang September sagen Sie, Herr Kollege Laschet, davon müsse man ganz viele neue Ausgabeideen machen. Das passt nicht zusammen und ist keine stringente Politik. Das ist unseriös, Herr Kollege.

(Beifall von der SPD)

Deswegen möchte ich Ihnen wirklich zurufen: Gehen Sie weg von diesem unseriösen Pfad, der auf Halbwahrheiten, Legenden und Geschichtsklitterung beruht! Setzen Sie sich mit den Fakten auseinander, statt durch einfache Ignorierung derselben mit einem Gebäude, das keiner mehr ernst nehmen kann! Mir täte es sehr, sehr leid, wenn das tatsächlich Ihre Strategie und Taktik der nächsten Jahre sein sollten. – Herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Börschel. – Für die FDP-Fraktion spricht deren Fraktionsvorsitzender Herr Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bei ihrer ersten und bei ihrer zweiten Regierungserklärung hat sich die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in einer souveränen und in sich ruhenden Pose gefallen. Ich frage mich: Wo ist eigentlich diese Ministerpräsidentin Hannelore Kraft heute? Denn hier hat sie nicht gesprochen, diese souveräne, in sich ruhende Ministerpräsidentin.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ich bin doch präsidial!)

Frau Kraft, ich habe hier nur eine Regierungschefin erlebt, die sich auf Oppositionsbeschimpfung konzentriert hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Da Sie, Frau Ministerpräsidentin, so gerne bei anderen psychoanalysieren, wage ich auch einmal eine Vermutung. Sie haben hier bei Ihrer Rede Trefferwirkung gezeigt. Wenn Ihr Redestil Rückschlüsse auf den Zustand Ihrer Regierung erlaubt, dann muss man sagen, dass Sie – so, wie Sie hier gesprochen haben – partiell die Kontrolle über ihren Regierungsauftrag verloren haben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Heiterkeit von der SPD)

Jetzt komme ich zu einigen Punkten in der Sache:

Erstens. Wo steht Nordrhein-Westfalen in der Haushaltspolitik im Vergleich der Länder?

Jetzt haben sowohl die Ministerpräsidentin als auch der Finanzminister eine Studie von PWC zitiert. Diese Studie von PricewaterhouseCoopers, die das Land Nordrhein-Westfalen eingeschätzt haben, haben Sie positiv für sich in Anspruch genommen.

Jetzt muss man wissen: Diese Untersuchung basiert auf Zahlen vor dem Verfassungsgerichtsurteil und in Unkenntnis dieses Landeshaushaltsentwurfs 2015. Trotzdem – das haben Sie nicht gesagt – sind Sie bei dieser Studie, die Sie selbst als Beleg Ihrer Politik zitiert haben, im Ländervergleich von Platz 7 auf Platz 8 zurückgestuft worden. Sie müssen schon zu Ihrer Verteidigung Studien zitieren, bei denen Sie im Jahresvergleich schlechter als vorher bewertet werden. Sie haben hier eben gesagt, Frau Kraft, dass Sie dem „Fetisch schwarze Null“ nicht hinterherlaufen. In der Tat, den Vorwurf kann Ihnen niemand machen. Sie laufen vor der schwarzen Null weg.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zweitens komme ich zum Punkt „Bundespolitik“. Sie haben gesagt, hier würde so viel über Bundespolitik gesprochen werden. Man kann ja anhand des Protokolls prüfen, ob ich jetzt viel oder wenig über Bundespolitik – mehr oder weniger als Sie – gesprochen habe. Wissen Sie, das würde mich an Ihrer Stelle gar nicht so sehr beschweren. Ich frage mich – weil Sie die Ministerpräsidentin des größten deutschen Bundeslandes und die Koordinatorin der A-Länder im Bundesrat sind – nur: Wo ist eigentlich Ihr bundespolitischer Anspruch?

Früher sind hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen von Wolfgang Clement, Peer Steinbrück und Jürgen Rüttgers in der Generaldebatte zum Landeshaushalt auch bundespolitische Initiativen vorgetragen worden. Im Vergleich dazu schweigen Sie. Das ist ganz provinziell geworden. Es geht hier nur noch um den Rahmen, und nicht um Ihren Anspruch als Regierungschefin.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ja, von wem denn? Von Ihnen?)

– Geschätzte Frau Kraft, wenn wir die Frage des bundespolitischen Anspruchs und der Dimension bundespolitischer Themen ernst nehmen, will ich hier doch einmal auf die Argumentation zu sprechen kommen, dass in allen Reden der Koalition über den Länderfinanzausgleich gesprochen worden ist. Ich habe eben in meiner Rede bereits gesagt, dass tatsächlich darüber zu sprechen ist.

Wir haben schon seinerzeit – als das 2001 im Landtag im Zuge der Beratungen des Finanzausgleichsgesetzes, das dann 2005 in Kraft trat, Gegenstand war – vor manchem gewarnt. Ich will in dem Zusammenhang nur eines sagen, damit hier kein falscher Eindruck entsteht, was da zu holen ist. Die ostdeutschen Länder werden nämlich auch Ansprüche stellen. Sie sagen jetzt: Wir geben so viel in die Landeshaushalte. Die werden, wenn es zu einer Verhandlung kommt, daran erinnern, dass die kommunale Finanzkraft nur mit 64 % in den Bedarf der Länder eingerechnet wird. Wir haben zwar eine schwierige Finanzlage unserer Kommunen in Nordrhein-Westfalen, sie ist aber immer noch besser als die der Kommunen in den neuen Ländern. Wenn Sie also glauben, dass Sie beim Länderfinanzausgleich das Sparschwein finden, das Sie schlachten können und das Sie von eigenen Konsolidierungsbemühungen befreit, haben Sie sich getäuscht. Das wird so nicht möglich sein. Niemand wird Sie davon entlasten, selber Politik zu machen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir sollten uns diesem Ländervergleich auch stellen. Frau Ministerpräsidentin, Sie sind hier auf den Bildungsmonitor eingegangen und haben zunächst einmal gesagt, da würde mit abstrakten Quoten gearbeitet werden.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Das haben Sie doch gesagt! – Alles sei nicht so richtig gewichtet, und das könne jetzt gar keine Auswirkungen auf die tatsächliche Praxis haben. Das sagen Sie, bitte, einmal Ihrer Sitznachbarin; denn Frau Löhrmann hat noch in Ihrer Schuljahresauftaktpressekonferenz hauptsächlich die prozentuale quotale Steigerung bei der Inklusion als Erfolg verkauft – und nicht die tatsächliche Praxis, die Qualität vor Ort bei der Inklusion. Wenn Sie also schon sagen, dass Alltagsmaßstäbe an Bildungsqualität angelegt werden sollen, sollten Sie das bei Ihrem Prestigeprojekt auch tun. Dann muss das für alle Bereiche gelten.

(Beifall von der FDP)

Bleiben wir aber – weil Sie sagen, wir würden das Land schlechtreden – beim Thema Bildung. Es hat nicht nur diesen Bildungsmonitor, sondern einen Vergleich zwischen den Ländern im Bereich der Naturwissenschaften – dabei ging es insbesondere um Mathematik – mit dem Ergebnis gegeben, dass Sachsen und die anderen ostdeutschen Bundesländer ganz vorne sind und wir hier in Nordrhein-Westfalen eben nicht. Nach diesem Vergleich sind wir abgehängt worden.

Frau Ministerpräsidentin, Sie sagen, es sei ein Schlag ins Gesicht der Menschen und man würde ihnen den Stolz nehmen, wenn man das Land schlechtredet. Ich sage Ihnen: Sie schaden dem Land, wenn Sie nicht klar erkennen und erklären, was der Stand in Nordrhein-Westfalen ist, und endlich eine Politik einleiten, die Möglichkeiten auch tatsächlich zu nutzen. Niemand redet das Land schlecht. Wer aber die Augen vor offensichtlichen Fehlentwicklungen verschließt, wird auch keine Politik zur Besserung einleiten können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Börschel hat sich an den konkreten Ideen von Armin Laschet zum Landeshaushalt abgearbeitet. Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, ob das vollständig und seriös war. Mich hat aber gewundert, dass er in seiner Rede nicht auf einen konkreten Vorschlag gekommen ist, den ich hier von der Regierungskoalition gehört habe und der mich positiv überrascht hat. Herr Kollege Priggen hat völlig zu Recht auf die Frage etwa der Polizeistruktur hingewiesen. Ich habe auch schon öffentlich begrüßt, was er gesagt hat.

Es gibt ein altes Gutachten der sogenannten Scheu-Kommission, das von einer früheren rot-grünen Koalition in Auftrag gegeben wurde. Darin wurde vorgeschlagen, die Polizeistruktur in Nordrhein-Westfalen insofern zu verändern, dass nicht mehr Landräte die Polizeichefs sind, sondern dass wir zu größeren und handlungsfähigeren Präsidien kommen.

Das sollte nicht zuerst geschehen, um Mittel einzusparen, sondern vor allen Dingen, um die Wirksamkeit der Polizei vor Ort zu erhöhen und um – jetzt einmal etwas salopp gesagt – die Zahl der Häuptlinge zu reduzieren, damit konkret Kräfte für die Fahndungsarbeit vor Ort Kräfte freigesetzt werden können.

Das ist ja angesichts der uns noch nicht zufriedenstellenden Entwicklung bei der Einbruchskriminalität ein wichtiger und sinnvoller Vorschlag. Ich frage mich, Frau Ministerpräsidentin: Ist das Politik Ihrer Koalition? Wie steht die Sozialdemokratie dazu?

Wir jedenfalls würden eine solche Debatte sehr gerne mit Ihnen führen. Wir würden auch solche Vorschläge, würden sie umgesetzt werden, sehr gerne unterstützen. Die CDU hat seinerzeit die Sheriffsterne ihrer Landräte verteidigen wollen und war deshalb zurückhaltend bei dieser Frage. Aber ein neuer Anlauf ist mit Sicherheit jetzt auf der Höhe der Zeit.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Ja, Sie können es ja jetzt besser machen, Herr Mostofizadeh. Wenn Sie das, was wir nicht gekonnt haben bei Schwarz-Gelb gegen die CDU, jetzt schaffen, werde ich Ihnen applaudieren. Alleine wenn Sie das Thema angehen, werde ich schon applaudieren. Machen Sie es mal!

(Beifall von der FDP)

Nicht immer auf andere zeigen! Das ist so der Sport: Ihr FDP habt ja das nicht umgesetzt und das nicht umgesetzt! – Sie werden jetzt daran gemessen, Herr Mostofizadeh, gerade Sie als Person. Lassen wir die Luft doch mal ab.

Beim vorletzten Punkt, den ich machen will, möchte ich Frau Kraft ansprechen, Frau Ministerpräsidentin, wenn Sie ganz kurz nur noch die zwei Minuten für mich haben.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Danke schön. Das finde ich toll, multitaskingfähig.

Sie haben hier davon gesprochen, wenn man über Bürokratieabbau spricht, wenn man den Menschen in der Marktwirtschaft etwas zutraut, wenn man Bürger und auch Betriebe entlasten will, damit die Vorsorge betreiben können oder damit die investieren können, sei das Voodoo-Ökonomie. Das haben Sie gesagt.

Sie dürfen das immer wieder gerne öffentlich gegen mich verwenden. Das hilft uns, wenn die Freien Demokraten als Kraft der Marktwirtschaft und der mittelständischen Wirtschaft von Ihnen in der Weise öffentlich bearbeitet werden. Das zeigt ja ein Profil.

Aber, Frau Ministerpräsidentin, jetzt wollen wir doch einmal den Vorwurf Voodoo-Ökonomie mit Blick auf das, was Sie hier gesagt haben, prüfen. Die Ministerpräsidentin hat allen Ernstes hier eben behauptet, die EEG-Umlage würde im kommenden Jahr sinken wegen der Novelle des EEG, die die Große Koalition beschlossen hat. Das ist hausgemachter Unsinn.

(Beifall von der FDP)

Seit dem 1. August ist das Ding erst in Kraft. Es hat nichts damit zu tun. Voodoo-Ökonomie ist das, was Sie vortragen.

Voodoo-Ökonomie Kraft Teil 2 auch dem staunenden Publikum mal erklärt: Seit Jahr und Tag wird hier gesagt, man betreibe eine vorsorgende Sozialpolitik, also man mache gute Schulden und dann müsse man weniger für Soziales aufwenden.

Mit dieser sogenannten vorsorgenden Sozialpolitik wird jetzt begründet, dass an den Berufskollegs 500 Lehrerstellen abgebaut werden. Dann haben wir hier im Landtag die Regierung gefragt: Woraus speist sich denn diese Präventionsrendite, dass man jetzt nachweisen kann, dass 500 Lehrer an Berufskollegs nicht mehr benötigt werden? Was genau hat dazu geführt, dass man die einsparen kann? Welche präventive Politik hat sich als erfolgreich herausgestellt? – Ergebnis – die Kleine Anfrage hat eine Drucksachennummer und die kann sich jeder heraussuchen –: Es gab keine Begründung dafür – erst recht nicht vorsorgende Sozialpolitik –, dass man die 500 Stellen abbauen kann. Jetzt beginnt man mit 229 in diesem Haushalt.

Frau Kraft, Sie zeigen mit dem Finger auf andere und sagen, die würden Voodoo-Ökonomie machen. In Wahrheit ist das, was Sie machen, Voodoo-Ökonomie, weil Sie nämlich aus der Hüfte schießen bei wirtschaftlichen Sachverhalten und in der Haushaltspolitik, ohne dafür Begründungen zu haben. Das ist Voodoo-Politik und nicht das, was Sie anderen vorwerfen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nicht so auf Herrn Lindner einzugehen. Nur einen Punkt kann ich mir nicht verkneifen. Sie haben eben schon wieder vom Prestigeprojekt „Inklusion“ gesprochen. Ich werde Ihnen das noch einmal sagen. Ich halte das für abenteuerlich, abscheulich und auch unappetitlich, diese Begrifflichkeit so in den Mund zu nehmen.

(Beifall von der SPD)

Ich sage Ihnen auch, warum. Ich meine, dass die Menschen, die ihre Hoffnung auf eine inklusive Beschulung setzen und Chancen damit verbinden, Eltern, die für ihre Kinder die beste Beschulung haben wollen, nicht so diffamiert werden können, wie Sie es hier wiederum getan haben.

(Zurufe von der FDP)

– Ich werde Sie nicht lange belästigen. Ich werde nur ein paar Dinge richtigstellen, die der Kollege Laschet in seiner Rede schlicht falsch dargestellt hat.

Die Neuregelung des Länderfinanzausgleiches hat nicht 1995 stattgefunden, sondern es hat 1999 eine erfolgreiche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegeben, Herr Kollege. Im Jahr 2001 wurde mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und FDP der Länderfinanzausgleich neu geregelt, nämlich in einem Finanzausgleichsgesetz – das war der 20. Dezember 2001 – und im Maßstäbegesetz, das dafür neu geschaffen wurde. Im Übrigen wurden unter anderem die Finanzkraft der Kommunen in einem größeren Maße einbezogen und der Finanzausgleich völlig neu strukturiert. Es ist schlicht falsch, auf 1995 abzustellen.

(Armin Laschet [CDU]: Dann ist es 13 Jahre her! Das hat aber mit dem Haushalt hier nichts zu tun!)

– Herr Kollege Laschet, Sie haben das hier so in den Raum gestellt und Johannes Rau damit verknüpft. Johannes Rau war Bundespräsident und hat das Gesetz wahrscheinlich unterschrieben. Aber das war schlicht falsch, was Sie eben dargestellt haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Ich möchte zur Solidaritätsabgabendebatte, die Herr Schäuble gestern losgetreten hat, noch ein paar Takte sagen. Ich finde es schon abenteuerlich, dass das denjenigen in diesem Land zum Vorwurf gemacht wird, die sich um die Landesfinanzen kümmern und die sich auch meinetwegen im Wettstreit mit den anderen Bundesländern um unsere Landesfinanzen kümmern.

Ich konstatiere, Herr Bundesfinanzminister Schäuble hat mit seinem Vorschlag deutlich gemacht, dass – anders als Sie es hier suggerieren – die Länder und Kommunen in Deutschland, und zwar in Gänze, offensichtlich massiver Entlastungen bedürfen.

Wenn ich davon ausgehe, dass wir allein in diesem Jahr 15 Milliarden € Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag haben und wir dann einfach nur die Verteilungswirkung, die sich dann verändern würde, zugrunde legen würden – ich will das jetzt gar nicht weiter bewerten –, könnte man ja annehmen, dass 42,5 % an die Länder gehen und 15 % an die Kommunen. 15 % von 15 Milliarden € sind immerhin 2,25 Milliarden €, die allein an die Kommunen gehen würden oder eben rund 40 %, sprich 6,5 Milliarden €, die an die Länder gehen.

Der Bundesfinanzminister ist im Gegensatz zu Ihnen der Auffassung, dass Länder und Kommunen massiv entlastet werden müssen und diese Gelder auch über das Jahr 2019 hinaus dauerhaft benötigen.

Ich möchte ansonsten nur noch auf einen Punkt verstärkt hinweisen, den der Fraktionsvorsitzende Priggen vorgetragen hat. Er hat einige Punkte genannt, bei denen Sie Mehrausgaben fordern. Ich möchte diesen noch einige hinzufügen, um deutlich zu machen, wie unseriös das Vorhalten der CDU in diesem Landtag ist. 90 Millionen € fordert Herr Kuper beim Stärkungspakt, 450 Millionen € fordert Herr Tenhumberg zum Beispiel bei den Ausgaben für die Kitas, und Herr Kaiser hat sich ebenfalls festgelegt: Er fordert 290 Millionen € – das sind alle Mehrmittel aus dem BAföG –, die laut einer Pressekonferenz im Sommer dieses Jahres in die Inklusion fließen sollen.

(Klaus Kaiser [CDU]: Nein, das ist nicht der Fall!)

Wie Sie sich dann hinstellen und sagen können: „Mit diesen Mehrforderungen machen wir gleichzeitig einen Abbau der Neuverschuldung“, ist für mich intellektuell schlicht nicht nachvollziehbar.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben den Bogen breit gespannt, indem Sie das Klinikum in Aachen erwähnt haben. Ich habe es extra noch einmal gegoogelt, weil ich es nicht glauben konnte. Letztens hat Herr Schmitz schon darüber gesprochen. Das Klinikum Aachen – Sie werden es besser wissen als ich – ist in den 70er-Jahren, also vor 35 Jahren, erbaut worden. Es gibt eine ganze Menge Abgeordnete in diesem Landtag, die zu der Zeit noch nicht einmal geboren waren.

Ich kann Ihnen nur raten, Herr Kollege, sich vielleicht einmal um Ihre eigene Vergangenheit zu kümmern. Das Landesarchiv Duisburg ist gerade erst fertiggestellt worden und kostet statt 30 Millionen € 260 Millionen €. Das ist eine Bilanz aus Ihrer aktiven Kabinettszeit, Herr Kollege.

(Armin Laschet [CDU]: Ich habe das Klinikum gar nicht kritisiert!)

Weil der Kollege Witzel das auch immer gerne macht, erspare ich Ihnen zwei weitere Dinge nicht. Ich finde sie zwar ein bisschen schräg, aber sie passen zu der schrägen Sichtweise, in der hier immer vorgetragen wird. Die WestLB war bei Amtsantritt von Schwarz-Gelb noch 7 Milliarden € wert. Jetzt zahlen wir 18 Milliarden € für die Abwicklung, Herr Kollege Witzel, und nicht etwa für die Rettung, die Sie den Menschen im Lande verkünden.

Es gibt noch einen zweiten Punkt, der in diesem Zusammenhang wichtig ist. Zu den Kölner Domgärten hat mein Kollege Horst Becker einmal eine Kleine Anfrage gestellt und gefragt, ob das ein Sechser im Lotto sei.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Damit haben Sie nichts zu tun, klar!)

Das war im Jahr 2009. Jetzt stellt sich der Kollege Witzel hierhin und behauptet, diese Landesregierung sei schuld daran, dass die schwarz-gelbe Landesregierung nicht verhindert habe, dass im Jahr 2009 diese Grundstücke für 20 Millionen € vertickt worden sind.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

So schräg ist die Haushaltspolitik in diesem Landtag. Herr Kollege Witzel, dass ich Sie in diesem Punkt nicht mehr ganz ernst nehmen kann, ist das eine, aber dass die CDU-Fraktion Ihnen Beifall klatscht, ist das andere.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Da ich diese Debatte nicht unnötig in die Länge ziehen möchte, stelle ich fest – ich habe die Rede des Kollegen Laschet schriftlich bekommen, habe sie noch einmal durchgeguckt und dabei festgestellt, dass sie sich in weiten Teilen, abgesehen davon, dass sie sehr mühsam vorgetragen wurde, mit dem mündlichen Vortrag deckt: Darin gibt es keinen einzigen Konsolidierungsvorschlag! Herr Lindner hat sich auch nicht die Mühe gemacht, auch nur einen einzigen Konsolidierungsvorschlag zu unterbreiten.

Abrunden möchte ich meine Ausführung mit Folgendem: Eines haben wir jedoch übernommen, wobei ich nicht auf 2006, 2005 und 2004 eingehen möchte: Noch 2010, kurz vor Amtsantritt der rot-grünen Landesregierung, haben Sie im Bundesrat dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zugestimmt. Das kostet das Land jährlich 1 Milliarde € und die Kommunen 400 Millionen €.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Die fortwirkenden Mittel aus den Konjunkturpaketen I und II haben Sie ebenfalls nicht abgesenkt. Insofern hat sich die Einnahmebasis des Landes um Milliarden verschlechtert.

Wir werden bei diesen Haushaltsberatungen sehr sorgfältig mit den dann hoffentlich kommenden Vorschlägen der Opposition arbeiten, und wir werden auch eigene Ansätze vortragen, um diesen Haushalt in Ordnung zu bringen.

Ein letztes Wort, weil ich das sehr wichtig finde: Ich möchte mich ausdrücklich bei der Landesregierung bedanken, dass sie mit den Gewerkschaften und Verbänden in konstruktive Gespräche eingetreten ist und dieses Ergebnis erzielt hat. Und weil Herr Meyer-Lauber schon einmal angesprochen worden ist, möchte ich noch hinzufügen: Für uns Grüne ist völlig klar, dass wir auch im Bereich des Personals werden konsolidieren müssen. Dazu gehört auch die Betrachtung der Personalkosten als solche und auch die der Personalstruktur des Landes insgesamt. Welche Spielräume wir dabei allerdings haben, hat Herr Priggen in seinem Beitrag deutlich gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Liebe Landesregierung! Haushaltsberatungen 2014/2015 sowie 2014, zweite Runde, Nachtragshaushalt – alles, was wir heute gehört haben, oder zumindest das meiste davon gleicht einem Theaterstück zwischen Fakten und Fiktion, eigenem Anspruch und harter Realität.

In den Hauptrollen haben wir gesehen – zumindest teilweise sitzend, aber auch am Rednerpult agierend – Herrn Dr. Norbert „Wir halten die Schuldenbremse auf jeden Fall ein, also vielleicht, ein bisschen, irgendwann“ Walter-Borjans, Finanzminister des Landes.

Außerdem haben wir gesehen sitzenderweise Herrn – gerade ist er nicht da – Ralf „Ich schicke keine Polizei mehr in Fußballstadien, oder doch oder nur ein bisschen“ Jäger, Minister für Inneres.

Darüber hinaus haben wir gesehen Frau Sylvia „Die Demografierendite bleibt auf jeden Fall zu einem großen Teil in den Schulen, wenn uns nicht vorher das Geld ausgeht“ Löhrmann.

Und wir haben gesehen Herrn – leider ist er nicht hier im Hause, weil erkrankt; insoweit Genesungswünsche von dieser Stelle aus – Garrelt „Ich bin der Held der digitalen Wirtschaft, also zumindest kenne ich Leute, aber die machen nur Zirkus“ Duin, Wirtschaftsminister.

Zudem haben wir gehört, wenn auch nur von der Regierungsbank, Herrn Michael „Mike muss sich von Minister Dobrindt die maroden Brücken erklären lassen“ Groschek. Auch das war Thema am heutigen Tage.

Wir haben ebenfalls sehr laut dazwischenrufen gehört Herrn Johannes „Ich warte sechs Monate und reiche dann Piraten-Anträge ein“ Remmel.

(Beifall von den PIRATEN)

In den Nebenrollen haben wir verschiedene andere Ministerinnen und Minister gesehen, deren Namen ich jetzt nicht nennen möchte, deren Nichtbenennung jedoch keine Befürwortung der politischen Inhalte ist, die in dem uns vorliegenden und zu beratenden Haushaltsplan zum Ausdruck kommen.

Aber ich erlaube mir, außerdem auch zu betonen, dass all diese Ministerinnen und Minister möglicherweise Opfer der regierungstragenden Fraktionen sind, die hier wohl gemeinsam mit der Landesregierung diesen Plan erarbeitet haben. Sie sind wohl auch insofern Opfer ihres Finanzministeriums, als dieses allen Ministerien vorschreibt, sie mögen bitte im Jahr 2015 802 Millionen € an globaler Minderausgabe erwirtschaften, das heißt, den Sparhammer kreisen lassen.

Allerdings bin ich etwas erstaunt; denn die Rede des Herrn Finanzministers zur Einbringung des Haushalts hat belegt – zumindest hat er es so gesagt –, dass die 802 Millionen €, die als globale Minderausgabe noch in dem Druckexemplar stehen, das bei mir vorne auf dem Tisch liegt, jetzt nicht mehr 802 Millionen €, sondern 830 Millionen € sind. Es bedarf also offenbar eines Neudrucks und zumindest eines Änderungsantrags hinsichtlich der Antragstellung. Wie gesagt, im Druckexemplar steht etwas von 802 Millionen €.

Ich erlaube mir, zu betonen, dass wir nicht umhinkommen, uns der – wie soll ich sagen? – Choreographin dieses Theaters, der Regisseurin und – so könnte man es auch sagen – der Trainerin zu widmen, und das ist ohne Zweifel – leider ist sie im Moment nicht im Saal – Frau Ministerpräsidentin Hannelore „Ich verspreche alles und halte davon so wenig wie möglich“ Kraft.

Dann kommen wir zu dem Punkt, den Frau Ministerpräsidentin hier eben so blumig ausgeführt hat, als sie hier durchgehend tatsächlich gesagt hat, auch mit Pathos und Präsidialität vorgetragen: Wir müssten uns auch um die Einnahmenseite kümmern.“ – Das ist soweit ganz gut, und das ist soweit auch richtig.

Sie hat außerdem gesagt, die rot-grüne Landesregierung habe 1 Milliarde € Steuern eingetrieben. – Ich meine, die Steuer-CDs sind sicherlich der Coup gewesen, und es ist auch einiges ins Land geflossen.

Aber eines muss ich auch sagen: Die Bilanz der Landesregierung, was das Steuereintreiben oder das Erhöhen der Einnahmen angeht, halte ich im Moment für noch nicht ganz fertig, und zwar vor allem, wenn man bedenkt, dass sich gerade bei den Beratungen zum Haushalt 2014 die regierungstragenden Fraktionen gemeinsam mit dem Finanzminister bei einem Antrag unglaublich ins Zeug geschmissen haben. Ich könnte jetzt die Drucksachennummer vortragen, aber ich lasse es. Das war ein Antrag vom 20.11.2013, in dem es darum ging, ruinösen Steuerwettbewerb zu unterbinden. Darin ist die Rede davon, dass der Bund 160 Milliarden € an Steuern einnehmen könnte, wenn denn der Bund den Vorstellungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen aus NRW folgen und bestimmte Schlupflöcher schließen würde. Eingeschlossen war im Übrigen auch ein Antrag von uns – ich meine den am 17.09. vorgestellten und hier ebenfalls vorgetragenen Antrag auf Verhinderung der Lizenzboxen –, den die Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen letztlich im Ausschuss kassiert und sich zu eigen gemacht hat.

Nur, Herr Finanzminister, Sie müssen sich jetzt fragen lassen – und ich bitte um Beantwortung in den nächsten Beratungswochen –, was Sie von dem Auftrag, den Sie hier vom Landtag erhalten haben, in der Zwischenzeit umgesetzt haben. Denn immerhin ist es so, dass Sie hier am Pult erklärt haben, dass Sie bestimmte Dinge notfalls auch im Alleingang aus NRW heraus machen wollen. Also, von den nach dem Königsteiner Schlüssel auf NRW entfallenden Steuermehreinnahmen infolge bestimmter Änderungen in der Steuerpolitik der Bundesrepublik Deutschland sehe ich jedenfalls zurzeit noch nichts.

Wir befinden uns ja im Jahr der Fußballweltmeisterschaft. Ich sprach eben von der Trainerin Ministerpräsidentin Kraft. Und Sie alle bilden so, wie Sie heute hier sitzen, das „Team Kraftlos“.

(Heiterkeit von der CDU)

Wir haben es aus den Oppositionsreihen gehört: Es ist im Prinzip nichts an Vorschlägen, es ist nichts an Visionen, es ist nichts an Konsolidierung, es ist nichts an Einnahmeverbesserung zu hören gewesen.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Es ist ein Team ohne Effizienz und vor allen Dingen seit Juli auch ohne Effizienzteam, aber dennoch genauso wie unsere Nationalmannschaft mit dem vierten Stern ausgestattet. Allerdings ist der vierte Stern kein Stern.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Priggen zulassen?

Dietmar Schulz (PIRATEN): Gerne.

Reiner Priggen (GRÜNE): Ganz herzlichen Dank, Herr Kollege. – Ich habe nur eine kurze Frage, da Sie mich eben als Teil des „Teams Kraftlos“ erwähnt haben.

(Dietmar Schulz (PIRATEN): Das habe ich nicht!)

– Ich bin einer aus dem Team. Insofern ist das in Ordnung.

Ihr Vorsitzender wird bei Herrn Blasius mit der Aussage zitiert: Wir sind nur halb so viele wie die FDP, aber doppelt so tot. – Wie erklären Sie sich das?

Dietmar Schulz (PIRATEN): Dazu sage ich Ihnen ganz einfach Folgendes, lieber Herr Kollege Priggen: Ich hoffe, Sie haben Herrn Kollegen Dr. Paul darauf angesprochen und eine Antwort von ihm erhalten. Ich bin jedenfalls nicht dafür da, Ihnen Antworten auf Fragen zu geben, die Sie Herrn Dr. Paul gerne stellen möchten.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Abgesehen davon, lieber Herr Kollege Priggen, habe ich Sie nicht zwingend zum „Team Kraftlos“ gezählt. Wenn Sie sich zugehörig fühlen möchten, ist das natürlich gut. Ich meinte eigentlich die Landesregierung.

(Ralf Witzel [FDP]: Er ist Teil des Ineffizienzteams!)

– Lassen wir es einfach so im Raume stehen.

Sie sind leider nicht so erfolgreich wie der aktuelle Fußballweltmeister, sondern mit der vierten Rüge – nicht mit dem vierten Stern – vom Verfassungsgerichtshof in Münster ausgestattet. Man könnte also statt der Sterne auf dem Trikot auch Paragrafen oder die Hämmerchen nehmen, mit denen Richter zumindest in alter Vorstellung bei Verkündung des Urteils auf das Pult gehauen haben.

Wir sind in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal hier vertreten und können daher nicht auf die chronologische Historie schauen; das können wir nur insofern tun, als wir in Bücher schauen. Aber es war hier schon einmal so, dass sich Schwarz-Gelb und Rot-Grün gegenseitig die verfassungsgerichtlichen Niederlagen um die Ohren gehauen haben. Für uns sieht die Sache so aus – das ist zumindest unsere Erkenntnis –, dass diese Landesregierung gerichtliche Niederlagen schneller sammelt, als wir als Opposition Gesetze prüfen lassen können.

Wenn dann das Verfassungsgericht über die nächste anhängige Klage wegen des Effizienzteams entschieden haben wird, werden wir hier in NRW mehr Sterne auf dem Trikot des „Teams Kraftlos“ haben, als die Legislaturperiode bis dahin an Jahren gezählt hat.

Uns obliegt es als Opposition, den eingebrachten Haushaltsentwurf der Landesregierung zu prüfen und zu kommentieren und schließlich gerne auch Alternativen vorzuschlagen.

Frau Ministerpräsidentin hat eben einleitend etwas gesagt, was mich etwas irritiert hat. Frau Kraft sagte, die Haushaltsdebatte sei die Königsdisziplin der Opposition. – Ich habe das ein bisschen anders gelernt: Das Haushalts- und Budgetrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Die Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung bei der Umsetzung aller Beschlüsse, die in diesem Hause getroffen werden, zu kontrollieren und gegebenenfalls, wenn es denn passt, auch mit Änderungsvorschlägen zu untermauern, wie Politik nach unserer Auffassung im Lande Nordrhein-Westfalen auszusehen hat.

Da komme ich zu einem weiteren Aspekt, weil auch immer gerne Änderungsvorschläge angemahnt werden. Heute ist schon zu Beginn der Haushaltsberatung kritisiert worden, es seien ja noch gar keine Änderungsvorschläge da. Dafür ist, soweit ich das gelernt habe, normalerweise die zweite Lesung der richtige Ort. Aber sei es drum!

(Beifall von den PIRATEN)

Gehen wir einmal in das Jahr des Haushalts 2014 zurück. Wir befinden uns ja in der Nachbetrachtung im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt von 800 Millionen €, der zu einer Nettoneuverschuldung von insgesamt 3,2 Milliarden € führt. Ich erinnere mich an die Unterrichtung der Landesregierung zur Beamtenbesoldung. Damals habe ich am Ende meiner Rede gesagt: Sie werden das so machen müssen. – Damals war das hier noch nicht ganz klar.

Von mehreren Kolleginnen und Kollegen ist heute das Thema „Schulsozialarbeit und Bundespolitik“ angesprochen worden. Das ist doch einmal ganz großartig. Wir von der Piratenfraktion hatten hier im Landtag Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit den Beratungen zum Haushalt 2014 den politischen Antrag gestellt, die Landesregierung möge sich beim Bund nachhaltig dafür einsetzen, dass der Bund 100 Millionen € an das Land Nordrhein-West-falen zahlt, damit das Land Nordrhein-Westfalen der Notwendigkeit, die Schulsozialarbeit zu finanzieren, nachkommen kann. Heute stellt sich Ministerpräsidentin Kraft hierhin und sagt, an Herrn Laschet gerichtet: Dann müssen Sie zum Bund gehen. – Gleichwohl muss ich betonen und festhalten, dass unser Antrag, die Landesregierung möge beim Bund die 100 Millionen € einwerben, in diesem Hause von Rot-Grün abgelehnt worden ist. Und Sie wollen uns erklären, was wir als Opposition zu tun haben? Ich bitte Sie herzlich!

Es werden sich noch mehr Beispiele finden lassen. Zwei habe ich bereits genannt. Die Einnahmeseite geht schief. Einmal gilt das auf der steuerlichen Ebene; denn Herr Finanzminister hat uns zumindest bisher noch nicht gesagt, wie er den Auftrag, den er hier aus dem Landtag erhalten hat, umzusetzen gedenkt. Und kleinere Dinge wie die 100 Millionen € für die Schulsozialarbeit – wohlgemerkt, liebes Publikum: kleinere Dinge insofern, als dass wir hier auf der einen Seite von Milliarden reden, sodass wir auf der anderen Seite 100 Millionen € angesichts des Gesamtvolumens der Haushalte 2014 und 2015 als kleinere Dinge bezeichnen – werden einfach links liegen gelassen.

Da kann ich nur sagen: „Team Kraftlos“! Fehlt Ihnen die Kraft, im Bund entsprechenden Druck aufzubauen, damit der Bund 100 Millionen € für die Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen lockermacht?

(Beifall von den PIRATEN)

Frau Ministerpräsidentin müsste ich entgegenrufen: Ich habe ein grundlegendes Problem mit der Politik, die von Ihrer Landesregierung repräsentiert wird; denn bisher haben fast alle Ihre Maßnahmen einer ernsthaften Betrachtung nicht standgehalten. Zumindest befinden sie sich teilweise – das bleibt Ihnen zugutezuhalten – noch in der Umsetzung.

Nennen wir zum Beispiel die Inklusion.

Nennen wir beispielsweise die Schieflage bei der Finanzierung der Lehrerschaft insgesamt, was die Inklusion angeht.

Nennen wir zum Beispiel die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen. Sie ist desolat, wie wir eben gehört haben. Der Verkehrsminister des Landes muss sich vom Bundesverkehrsminister von der CSU unter der Autobahnbrücke bei Leverkusen erklären lassen, wie das mit den bröckelnden Brücken und den bröckelnden Straßen hier zu funktionieren hat. Fakt ist jedenfalls: Im Haushaltsplan ist effektiv zu wenig drin, um die Infrastruktur so auf die Beine zu stellen, dass NRW weiterhin zukunftsfähig bleiben kann.

Eines steht auf jeden Fall fest: Frau Kraft hat hier am Pult eben erklärt, sie werde NRW zukunftsfähig machen. Dies werden wir einfordern, und zwar bezüglich Mitteln zur Restaurierung der Infrastruktur. Da werden Sie wieder zum Bund rennen müssen. Ich bin einmal gespannt, was da passiert. Wir fordern Sie auf: Gehen Sie zum Bund, und fordern Sie die Mittel ein! Holen Sie bei Herrn Schäuble die Mittel ab, die Sie brauchen, um die Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen in einen zukunftsfähigen Zustand zu versetzen!

(Ralf Witzel [FDP]: Der Landeshaushalt bröckelt eben auch!)

– Der Landeshaushalt bröckelt eben auch. Zu diesem allgemeinen Punkt komme ich natürlich noch, Herr Witzel; denn uns liegt auch die mittelfristige Finanzplanung 2014 bis 2018 vor. Dieses ganz bemerkenswerte Druckwerk mit Redaktionsschluss 11. Juli 2014 ist letzte und vorletzte Woche in den Häusern verteilt worden. 11. Juli – das war zehn Tage nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen.

Herr Finanzminister, alle Oppositionsparteien und -fraktionen haben Sie hier im Hause und auch im Ausschuss mehrfach gebeten und auch beantragt, Sie mögen doch einmal eine valide mittelfristige Finanzplanung über den Zeitraum 2017/2018 hinaus vorlegen, am besten bis 2020. Wortreich haben Sie das abgelehnt. Das Druckwerk, das wir jetzt alle noch in den Händen halten, ist aber wertlos. Als ich eben eine Kollegin aus einer anderen Fraktion mit diesem Druckwerk in den Händen hier getroffen habe, habe ich sie gefragt: Was machst du denn damit? – Ich muss das doch einmal lesen. – Ich habe gesagt: Nein, schmeiß es weg; denn darin stimmt keine einzige Zahl.

Sie kann deshalb nicht stimmen, weil die Neuverschuldung für 2014 nicht 2,4 Milliarden €, sondern 3,2 Milliarden € beträgt und weil die Neuverschuldung für 2015 nach den von Ihnen vorgelegten Zahlen 2,25 Milliarden € und nicht 1,9 Milliarden € beträgt - alleine deshalb – und auch weil die Annahmen zu Steuereinnahmen, die Annahmen zur Zinsentwicklung selbstverständlich ein ganz entscheidender Punkt bei einer mittelfristigen, aber auch längerfristigen Finanzplanung sind.

Wir haben hier im Hause schon mehrfach festgestellt, dass die mittelfristige Finanzplanung so etwas wie ein Orakel ist. Wenn wir aber mit seriösen Zahlen arbeiten können, dann sollten wir das doch bitte auch tun. Dann sollten wir die Fraktionen anschreiben und sagen: Liebe Fraktionen der Opposition, schmeißt diese mittelfristige Finanzplanung weg, in den nächsten Tagen kommt eine neue, die vielleicht stimmt.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Herr Finanzminister, fragen Sie die Kollegen, was für ein Druckwerk sie haben. Da stimmt keine Zahl. Es kann keine Zahl stimmen. Wenn Sie jetzt sagen: „Die Zahlen stimmen alle“, dann bin ich gespannt, wie die Haushaltsdebatte weiter funktionieren soll.

Vor allen Dingen bin ich gespannt, wie das Petitum, das Sie ja immer ausgeben und das nach dem Grundgesetz auch korrekt ist – Einhaltung der Schuldenbremse –, nach der Finanzplanung, wie sie sich realistisch darstellt, tatsächlich gelingen soll.

Sie sagen zwar: Wir sparen ein, und weil wir einsparen, werden wir die Schuldenbremse einhalten. – Ja, es ist richtig, wir müssen den Landeshaushalt für 2014 um 800 Millionen € höher belasten. Aber das macht nichts. Im nächsten Jahr, 2015, sind wir wieder auf der gleichen Stufe wie Ende 2013. Das heißt, gemäß der Planung für 2014 sind wir irgendwann im Jahre 2015 genau an dem Punkt.

Und jetzt kommt der Hammer: Sie rechnen uns in diesem Hause vor – Ihre Rede habe ich ja vorliegen –, dass Sie gegenüber heute 2015 ein Einsparvolumen von mehr als 1,5 Milliarden € erreichen.

Jetzt kütt et: Da wird erst mal ein Einspareffekt addiert – als Grundlage, 220 Millionen € strukturelle Einsparungen –, weil man nach dem Verfassungsgerichtshofurteil keine Eins-zu-eins-Anpassung der Beamtenbesoldung machen muss. Das heißt mit anderen Worten: Geld, das Sie von vornherein nicht im Haushalt 2014 hatten, müssen Sie nicht zahlen, sondern weniger, nämlich in 2014 nur 480 Millionen €, in 2015 dann 430 Millionen €. Die 220 Millionen € errechnen Sie daraus, dass ursprünglich im Sinn mit 700 Millionen € gerechnet wurde, Sie aber jetzt nur 480 Millionen € zahlen müssen. Sie sparen also strukturell 220 Millionen € in einem Bereich, den Sie haushalterisch überhaupt noch nicht angesetzt hatten. Das war überhaupt nicht etatisiert.

Der Kollege Dr. Optendrenk hat im Ausschuss das einzig richtige Wort für Ihre Politik in dem Zusammenhang genannt: virtuelles Sparschwein. – Tatsächlich ist es so. Sie können alle Zahlen, die auf den Seiten 4 und 5 des Abdrucks Ihrer Rede stehen, neben das Orakel stellen, und Sie werden feststellen: Keine dieser Zahlen wird im Verlauf von 2014/2015 Bestand haben können, einzig vielleicht im Bereich des Personalabbaus.

Der Opposition – bestehend aus CDU und FDP in dem Fall – werfen Sie grundsätzlich vor, sie würde nur Einsparvorschläge bezüglich Personals machen. Sie machen das doch selber. Sie wissen doch gar nicht, wo Sie einsparen sollen. Sie werden doch getrieben von Ihrer Ministerpräsidentin und von Frau Löhrmann. Das ist ganz klar.

Frau Ministerpräsidentin verteidigt beim Politischen Forum Ruhr am 1. September ihre Politik dahin gehend, dass man zwar sparen soll, aber dass es für sie eigentlich nicht aufs Sparen ankommt, sondern auf Investitionen. Es wird ausgegeben auf Teufel komm raus – ich zitiere –:

„Eine öffentliche Hand, die nur spart, denkt finanzpolitisch viel zu kurzfristig, sagte Kraft am Montagabend beim ‚Politischen Forum Ruhr‘ …“

Das ist ein Zitat aus der „WAZ“ vom 2. September. Weiter heißt es:

„Sie stehe ‚trotz vieler Widerstände und heftigen Gegenwindes dazu, durchaus unternehmerisch zu denken‘.“

Hört, hört.

„Das bedeute, nicht nur zu sparen, sondern auch in die Zukunft des Landes zu investieren und für angemessene Einnahmen zu kämpfen, so Kraft.“

Im weiteren Verlauf des Artikels, der sich mit dem Vortrag von Frau Kraft im Politischen Forum Ruhr befasst, heißt es dann noch: Wir müssen eben Schulden machen. – Ja, dann machen Sie eben Schulden.

Jetzt müssen Sie nur noch zusammenkommen – die einen, die sparen wollen, vor allen Dingen im Bereich Personal, und die anderen, die Schulden machen wollen. Vielleicht setzen Sie sich einfach mal an einen Tisch und denken darüber nach, wie Sie hier Einigkeit vortragen. Wie sind die Konsolidierung des Haushalts, Ihr eisernes Petitum: „Wir wollen die Schuldenbremse einhalten“ und vor allen Dingen Zukunftsinvestitionen in Einklang zu bringen? Tun Sie es. In dieser Hinsicht sehe ich in Ihrem Haushalt einfach nichts.

(Beifall von den PIRATEN)

Damit wären wir bei dem Punkt, dass Sie der Opposition vorwerfen, sie habe keine Vorstellungen und keine Vorschläge. – Herr Dr. Paul, unser Fraktionsvorsitzender, hat eben einiges dazu ausgeführt, was von Frau Kraft teilweise auch missverstanden wurde. Es ging bei dem Bereich Bachelor nicht darum, dass alle Bachelor nun den Master machen müssen, sondern er hat ausdrücklich – bei ihm muss man natürlich genau zuhören – in einem Nach- bzw. Nebensatz gesagt: Wer es will. – Nicht alle wollen Master werden. Manche sind auch nach der Bachelorstudienzeit bereit, tatsächlich in den Job zu gehen, um Geld zu verdienen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Die Politologen!)

Sie müssen vielleicht Geld verdienen, weil sie eine Familie gründen wollen, weil sie ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, weil es anders nicht geht.

Denn auch die BAföG-Situation ist für junge Menschen, die studieren, aber vielleicht schon eine Familie haben, nicht besonders rosig. Das muss man ganz einfach sehen. Aber gut, das Problem möchte ich an dieser Stelle nicht beleuchten. In den entsprechenden Ressorts und bei Fachberatungen im Verlauf der Haushaltsdebatte wird es sicherlich genügend Möglichkeiten geben, auch die Problematik der jungen Menschen zu beleuchten, die schon in die Zukunft investieren, indem sie Familien gründen, Kinder kriegen, die sie dann natürlich in Kitas und Schulen schicken müssen, aber vielleicht selbst noch in der Ausbildung sind. Das ist ein ganz interessanter Punkt. Zu dem wichtigen Thema habe ich in diesem Hause in den letzten zweieinhalb Jahren überhaupt noch nichts gehört, Frau Löhrmann.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Ausbildung?)

– Zur Ausbildung von jungen Menschen, die bereits Familien gegründet haben.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Besuchen Sie mal eine Abendrealschule! Besuchen Sie mal die Schulen des zweiten Bildungsweges! Die machen das ganz konkret!)

– Ja, ist gut, Frau Löhrmann. Hoffentlich machen die das auch an der Universität richtig.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Ich habe jetzt für die Schule geantwortet!)

– Okay. Dann habe ich in dem Moment die Falsche angesprochen. Dann spreche ich Sie einfach nur als stellvertretende Ministerpräsidentin an. Das ist doch auch in Ordnung, oder?

Also: Global gesprochen können wir Piraten festhalten, dass mit der Bekanntgabe seitens Frau Kraft, dass sie nicht in die Bundespolitik gehen wolle, der Bundesrepublik Deutschland möglicherweise viel erspart geblieben ist.

Nach und nach geben anscheinend auch einzelne Minister und Ministerinnen auf. Hier ist jetzt jedenfalls keiner mehr. Ich weiß jetzt auch nicht, wer von der Landesregierung gleich noch reden wird. Wenn das Königsrecht des Parlaments das Budgetrecht ist, ist es für meine Begriffe eine Unverschämtheit, dass von der Regierungsbank einzig und allein die stellvertretende Ministerpräsidentin anwesend ist!

(Beifall von den PIRATEN und Lutz Lienenkämper [CDU] – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die sind alle rausgelaufen vor Schreck!)

– Ja, Herr Mostofizadeh, das kann natürlich sein. Wahrscheinlich sitzen die jetzt alle in ihren Büros, hören den Stream oder die Live-Übertragung und trinken ein Käffchen dazu. Das ist ganz großartig. Ich trinke jetzt mal einen Schluck Wasser.

Herr Finanzminister! Der ist auch weg; nee, der ist da.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Der hört zu! Der muss mal einen Schluck Wasser trinken! Okay? Im Gegensatz zu Ihnen hat er einen gut!)

– Alles klar.

Der vorgelegte Haushaltsentwurf lässt praktisch alle Kriterien unbeachtet, welche Sie für eine seriöse Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Finanzlage des Landes zwingend benötigen. Wir hatten die Neuverschuldung 2014 schon um 800 Millionen € auf 3,2 Milliarden € erhöht. Sie werfen der Opposition heute im WDR vor, sie habe keine Vorschläge. Dazu habe ich bereits etwas gesagt. Bei den Einnahmen haben Sie, Herr Finanzminister, sich verkalkuliert und nicht die Opposition. Das nur mal nebenbei.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist allerdings wahr!)

Die Mehreinnahmen, die Sie mal orakelten in Höhe von 5 Milliarden € für 2014 sind abgeschmolzen auf 2 Milliarden €. Damit kommen Sie auch nicht aus. Und die mittelfristige Finanzplanung schmeißen wir weg.

Ich frage mich ernsthaft: Was diskutieren wir hier eigentlich in den nächsten Wochen? Im Prinzip müsste der Haushalt neu aufgestellt werden, und zwar insgesamt, auch für 2015. Denn die nächsten Tarifverhandlungen mit dem öffentlichen Dienst stehen an. Wie auch immer die Vereinbarungen mit den Beamtinnen und Beamten aussehen, wird man natürlich schauen müssen, ob überhaupt das neue Beamtenbesoldungsgesetz, das heute ebenfalls eingebracht wird, einer rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten wird. Es mag sein, dass jetzt vonseiten der Oppositionsfraktion nicht die große Lust besteht, das noch mal auf den Prüfstand zu stellen. Das werden die Beratungen im weiteren Beratungsverlauf vielleicht ergeben.

Das „Team Kraftlos“ agiert kraftlos. Es ist ziellos, es ist planlos. Und alle Überschriften aller Gazetten in dieser Richtung, also Zeitungen, scheinen genau dieser Auffassung recht zu geben.

Folgerichtig verabschieden Sie sich, Herr Finanzminister, im Vorgriff auf die Haushaltsklausurtagung im nächsten Monat schon mal zu Gesprächen der Gruppe der Finanzminister zum Länderfinanzausgleich. Herr Finanzminister, ich frage Sie ernsthaft: Wollen Sie tatsächlich nicht an der Haushaltsklausurtagung teilnehmen? Und nehmen Sie Ihren Staatssekretär tatsächlich ebenfalls mit, der auch nicht an der Klausurtagung teilnehmen will und soll?

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Was für eine Ignoranz!)

Schriftlich haben Sie bereits in der Vorlage 16/2093 wie folgt Stellung dazu genommen:

„Forderungen nach einer stärkeren Steuerautonomie für die Länder lehnen wir vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausgangssituationen in den Ländern ab. Ein ausufernder Wettbewerbsföderalismus gefährdet die durch die Verfassung vorgesehene Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.“

Mit diesem Credo fahren Sie also in die Gespräche der Gruppe der Finanzminister, vermeiden die Haushaltsklausurtagung, die für Sie wahrscheinlich vor dem Hintergrund des uns vorliegenden Haushaltsentwurfs nur übel ausgehen kann.

Jetzt übersetze ich mal, was Sie in diese Vorlage hineingeschrieben haben: NRW ist Pleite. Ich als Finanzminister habe keine Ahnung, wo das Geld für NRW herkommen soll. Steuererhöhungen sind mir kaum möglich, aber ich will sie auch gar nicht, weil sie so massiv ausfallen müssten, dass ich befürchte, dass ich dann wahrscheinlich meinen Stuhl räumen muss. Jetzt hoffe ich – also Sie als Finanzminister –, dass die anderen Bundesländer mir aufgrund meiner desolaten Haushaltslage Geld geben.

Auch das ist nichts weiter als ein Wunschkonzert, Herr Finanzminister. Sie können dafür kämpfen – das werden Sie tun; dafür kennt man Sie –, aber das sagt angesichts dieser desolaten Haushaltslage in Nordrhein-Westfalen, im Schuldenland Nummer eins in Deutschland, der Finanzminister von 18 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, Menschen, die in diesem Land leben. Ich muss Ihnen sagen: Das kann man nur als schlecht bezeichnen.

(Beifall von den PIRATEN)

Begründet wird diese Haltung damit, dass es neben den praktisch erwartbaren Ergebnissen der gerichtlichen Auseinandersetzung zur Beamtenbesoldung auch noch zu Steuereinbußen im Bereich der Energiewirtschaft gekommen sei. Der Presse konnte man sogar vernehmen, dass es bei RWE zu einer Verstaatlichung kommen kann. Darauf sind die ganz scharf. Beides wurde bereits mehrfach in der Vergangenheit thematisiert, und beides hat Ihnen die Opposition mehrfach aufs Butterbrot geschmiert. Na ja: Wer nicht hören will, muss fühlen. Und dann geht es weiter so.

Herr Dr. Paul hat eben schon gesagt: Es geht nicht weiter so. Wir müssen die Dinge hier mal anpacken. Vielleicht hören Sie von den regierungstragenden Fraktionen genauso wie die Landesregierung ab und zu auch mal auf die Opposition. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Und vielleicht nimmt man mal den Auftrag zum Beispiel aus dem Bereich Schul- und Sozialarbeit mit in die Landesregierung, um dann damit zum Bund zu gehen. Aber man tut es nicht, sondern hält der Opposition in Person von Herrn Laschet vor, er solle doch mal zum Bund gehen und das regeln.

Noch mal: Die Regierung sitzt hier auf der Regierungsbank und nicht auf der Oppositionsbank. Das scheinen Sie aber noch nicht begriffen zu haben. Vielleicht machen Sie es mal.

Es gab unter der Überschrift „Hannelore Kraft – der Offenbarungseid“ einen Artikel in der „Rheinischen Post“ vom 4. September. Es reicht aus, diesen verhältnismäßig objektiven Abriss zu lesen,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

um zu wissen, wo die Achillesfersen Ihres Regierungshandelns liegen. Ein gutes Teammitglied von „Team Kraftlos“ steckt den Kopf einfach in den Sand – das ist der Finanzminister. Vielleicht ist es dann auch tatsächlich besser, wir beraten den Haushalt ohne die Hausspitze des Finanzministeriums auf der Haushaltsklausurtagung, dann muss er nicht so viel Prügel einstecken.

Herr Finanzminister, es ist schon ein starkes Stück, dass Sie in dieser desaströsen Lage des Landes und der Landesfinanzen es nicht für nötig halten, an der Haushaltsklausurtagung – angekündigtermaßen – nicht teilzunehmen. Vielleicht ändern Sie ja noch Ihre Meinung oder schicken wenigstens Ihren Staatssekretär.

Jetzt hätte ich gerne noch etwas zu der Flüchtlingsproblematik in Nordrhein-Westfalen gesagt – auch das ist natürlich teilweise ein haushalterisches Problem –, doch mir fehlt es dafür an Redezeit.

Aber eines möchte ich in diesem Zusammenhang auf jeden Fall betonen: Es gibt massive Probleme von Menschen in diesem Land, die nicht mehr haben als ihre Kleidung am Leib, und die hier Hilfe suchen. Überwiegend müssen die Kommunen die Kosten dafür aufbringen. Sie brauchen dafür 52 Millionen € mehr. Es gibt keine spezifischen Vorgaben an die Kommunen. Das muss gemacht werden, diese Zahlungen müssen geleistet werden.

Klar ist, dass die Kommunen bereits im Jahr 2013 – wohlgemerkt! – mehr als 375 Millionen € an Ausgaben für Flüchtlinge hatten. Mit zu erwartenden 37.000 Erstanträgen in NRW in diesem Jahr und voraussichtlich weiter steigenden Flüchtlingszahlen in 2015 reichen die Kapazitäten nicht aus.

Packen Sie das an, Herr Finanzminister und liebe Landesregierung! Denn es darf nicht sein, dass Menschen, die bei uns in Nordrhein-Westfalen Hilfe und Zuflucht suchen, im Winter auf irgendwelchen Plätzen in möglicherweise eiskalten Zelten übernachten müssen. Das wäre nämlich das schlechteste Zeichen für NRW. Das wäre das schlechteste Zeichen, das Frau Ministerpräsidentin Kraft von diesem Zukunftsland NRW aussenden könnte, hinaus in die Welt – denn wir sind doch wohl weltoffen.

(Beifall von den PIRATEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Ministerinnen und Minister, Frau Ministerpräsidentin in der Ferne, wir müssen uns über eines deutlich im Klaren sein – ich befürchte leider nur, Sie werden das nicht so sehen –: Aus meiner Sicht hat die Landesregierung mit Vorlage des Haushalts 2015 und des Nachtragshaushaltes 2014 praktisch bereits heute, in der Mitte der Legislaturperiode, abgehalftert.

Sie rennen auf der Weide herum, unmotiviert und unstrukturiert. Die Fakten wurden genannt: Der Sparwille der Regierung erschöpft sich in der Vision einer Reduzierung der Personaldecke. Die Landesregierung tritt damit im Ergebnis den sozialen Markenkern der Sozialdemokratie mit Füßen.

Ich behaupte frank und frei, dass Sie sich möglicherweise schon heute einmal überlegen sollten, wie Ihre weitere Zukunft nach 2017 aussieht; denn wenn das so weitergeht, sollten Sie sich ernsthaft Gedanken über Ihre Anschlussverwendung machen.

(Minister Ralf Jäger: Darüber sollten Sie sich lieber selbst Sorgen machen! – Lachen von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Herr Minister Jäger, auch wir machen das selbstverständlich jeden Tag, weil wir jeden Tag darüber nachdenken, wie wir optimale Oppositionspolitik gestalten, auch wenn Sie das vielleicht anders sehen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Auch über 2017 hinaus?)

– Herr Mostofizadeh, wir sind hier angetreten als Neulinge. Und ich sage Ihnen heute eines: Wir sind hier angetreten, um zu bleiben. Dafür werden wir kämpfen.

(Zuruf von der SPD: Ui!)

Und ich sage Ihnen noch eines: Ich erkenne in dem vorliegenden Haushaltsentwurf nicht, dass Sie in der Landesregierung dafür kämpfen, dass es dem Land Nordrhein-Westfalen besser geht. Sie haben die Gelegenheit, hier etwas zu ändern. Tun Sie es! Und tun Sie es sehr bald, sonst – das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen – wird es weiterhin heißen: Diese Landesregierung, dieses „Team Kraftlos“ – in diesem Fall sogar wortwörtlich; denn Frau Kraft ist nicht im Saal –, wird ziellos, planlos, kraftlos in die Geschichte eingehen.

Letztendlich wird auch der Haushalt 2015 in Fortschreibung der anderen Haushalte nichts anderes sein – bei steigender Nettoneuverschuldung, die wir möglicherweise noch zu beobachten haben werden – als eine Bankrotterklärung dieser Landesregierung. Und wie Sie das …

Vizepräsident Oliver Keymis: So, Herr Kollege, Sie kommen jetzt zum Schluss, weil die Redezeit schon fast seit zwei Minuten abgelaufen ist.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Selbstverständlich komme ich zum Schluss, Herr Vizepräsident. – Ich freue mich auf die Beratungen in den Ausschüssen. Sie werden – dazu habe ich noch gar nichts gehört – sich wundern oder nicht: Wir werden der Überweisung dieses Haushaltsentwurfs in die Ausschüsse schweren Herzens zustimmen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Als nächster Redner spricht für die Landesregierung der zuständige Minister, Herr Dr. Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schulz, wir haben ja schon eine Menge Gespräche miteinander geführt, aber Ihnen jetzt zuzuhören – das war wirklich ein schwieriges Thema.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Ja!)

Ich muss schon sagen: Ich wusste gar nicht, dass man so lange Redezeit haben kann und so wenig sagen kann und trotzdem ohne Punkt und Komma weitermacht.

(Allgemeine Heiterkeit)

Aber Sie haben ja gerade gesagt, dass es Ihre erste Legislaturperiode ist. Ich glaube, es könnte auch die letzte sein. Trotzdem will ich Ihnen noch zwei Dinge sagen.

Der erste Punkt – und das reicht vielleicht mindestens noch bis 2017 –: Es hat noch nie eine neue mittelfristige Finanzplanung gegeben. Die mittelfristige Finanzplanung wird mit dem Haushalt vorgelegt. Und wenn es einen Nachtrag gibt, dann besteht sie fort. Worüber Sie jetzt hier stundenlang geredet haben, wäre ein völliges Novum.

Hinzu kommt noch, dass wir diese mittelfristige Finanzplanung in ihren Grundfesten in Richtung Ende dieses Zeitraums auch einhalten werden. Sie sagen auch noch mal, bis 2020 sollte man das so weitermachen. Darüber haben wir ebenfalls häufig genug gesprochen.

Ich finde es nur interessant, dass gerade diejenigen, die sich hier immer als die Oberliberalen und Bürgerlichen geben, eine verbindliche Planung bis 2020 haben wollen. Gucken Sie sich einfach mal an, was in der Zwischenzeit alles passieren kann, wie sich die Rahmendaten verändern können. Dann wäre auch das obsolet.

Der zweite Punkt, den ich so nicht stehen lasse, ist Ihre neuerliche Frage: Warum sind Sie bei der Klausurtagung des Haushalts- und Finanzausschusses nicht dabei? – Ich bin zusammen mit Herrn Schäuble Vorsitzender des Bund-Länder-Finanzministerkreises zur Zukunft der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Darüber ist heute schon eine Menge geredet worden. Wollen Sie, dass ich da nicht hingehe? Glauben Sie, dass das ein Zeichen wäre, das Nordrhein-Westfalen auf diese Ebene senden sollte? Also, ich finde, man muss irgendwo auch mal die Kirche im Dorf lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin heute Morgen mit einer Fehleinschätzung an dieses Rednerpult getreten: Ich hatte gedacht, Signale vernommen zu haben – vor allen Dingen auch aus dem Interview von Herrn Laschet –, dass man bei der Vertretung der Interessen dieses Landes in wichtigen Fragen möglicherweise einen Schulterschluss hinbekommt.

Das, was im Verlaufe dieser Debatte gezeigt worden ist, war jedoch das alte Muster: Wie verstellen wir einer Regierung die Wege, damit sie schlecht aussieht und damit wir uns anschließend darüber beklagen können, dass es dem Land nicht gut geht? Zwischendrin haben Sie mit jedem weiteren Satz das Land schlechtgeredet; von Schlusslicht haben Sie gesprochen. Auf all die Dinge will ich gar nicht mehr groß eingehen.

Aber eines ist mir noch mal ganz wichtig: Wir haben hier darüber gesprochen, dass Nordrhein-Westfalen die geringsten Ausgaben pro Kopf hat. Es ist so, dass in fast allen wesentlichen Politikbereichen in diesem Haushalt pro Kopf der Bevölkerung weniger Geld zur Verfügung steht, als das in anderen Ländern – erst recht in den ostdeutschen – der Fall ist.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Ja, die können Sie dazunehmen. Ich habe ja eben gesagt: Allein der Unterschied zu den westlichen Flächenländern würde für Nordrhein-Westfalen eine Mehrausgabe von 5,6 Milliarden € bedeuten. Selbst wenn Sie weitere 3 Milliarden € an die Kommunen gäben – und die Kommunen sind in dem Landeshaushalt mit den Aufgaben, die sie haben, schon enorm stark berücksichtigt –, hätten Sie immer noch eine Besserstellung.

Jetzt bitte noch mal zu den ostdeutschen Ländern: Die ostdeutschen Länder – inklusive Berlin – haben insgesamt 16 Millionen Einwohner, weniger als Nordrhein-Westfalen. Wenn die nicht die Unterstützung bekämen, die aus dem Länderfinanzausgleich und den Bundesergänzungszuweisungen stammt, dann hätten diese Länder im Jahr 2013 Kredite in Höhe von 23,9 Milliarden € aufnehmen müssen. Kredite in einer solchen Größenordnung würden Länder brauchen, deren Bevölkerung insgesamt so groß ist wie die Nordrhein-Westfalens, um ihren Haushalt auszugleichen. 23,9 Milliarden €! 2013 haben wir 3,3 Milliarden € gebraucht.

Es geht an die Substanz, wenn die einen das erfüllt bekommen und die anderen nicht und das mit Minderausgaben wettmachen müssen. Das wird sich auf Dauer auf den Zahler- und Nehmerstatus auswirken. Da hat sich Nordrhein-Westfalen verschlechtert, was Sie hier beklagen. Herr Optendrenk, vielen Dank, dass Sie immer noch sagen: Ja, es ist ein Zahlerstatus. – Allerdings haben die Zahlen nicht gestimmt; wir sind nicht bei 5 %, sondern wir sind von 30 auf 11 % gefallen. Der Anteil, den wir an der gesamten Zahlung leisten, ist also kleiner geworden.

Aber da sage ich voraus: Wenn die Verteilung so ungleich bleibt und man den Haushalt ausgleichen muss – das tun wir –, was dann auf Kosten von Infrastruktur, von Bildung, von Sicherheit und von Zusammenhalt erfolgt, wird dieser Zahlerstatus nicht besser, dann wird er schlechter. Deswegen bleibe ich dabei, dass man, wenn man auf einem solch niedrigen Ausgabenniveau angekommen ist, ganz klar darüber reden muss, dass die Einnahmensituation verbessert wird.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Optendrenk?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich will das eben zu Ende führen; dann stehe ich zur Verfügung. – Es geht also darum, dass auf diesem Ausgabenniveau auch über die Einnahmen geredet werden muss, denn sonst wird der Eindruck erweckt, man könnte für alles, was ohnehin schlechter ausgestattet ist, noch weniger ausgeben – wobei Sie anschließend in die Welt laufen und sagen: Schlusslicht bei der Bildung, Schlusslicht bei der Infrastruktur, alles bröselt, alles bröckelt!

Bei der FDP kann man noch die Idee dahinter vermuten: Eines Tages sind die so weit heruntergewirtschaftet, dass man alles mit PPP machen muss. – Bei den Planungen für die Straßen kommt das ja schon so. Das wird bei allen Überlegungen zur Infrastruktur so weitergehen.

(Ralf Witzel [FDP]: Da liegt auch die Zukunft!)

Die FDP sagt wahrscheinlich: Dann nehmen wir Leute, die sich höher verschulden müssen, das aber nicht als Staat tun, und dann auch noch einen Gewinn machen müssen. Denen bezahlen wir dann jedes Jahr die Annuitäten. – Das kann eine Lösung sein, die man vielleicht haben will. Dafür stehe ich aber nicht, dafür stehen wir aber nicht.

Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass wir die Einnahmenseite verbessern, solange es nicht darum geht, dass die Menschen mehr belastet werden. Das halte ich auch nicht für nötig, wenn zwei Dinge zustande kommen, nämlich indem wir erstens dafür sorgen, dass niemand durch Schlupflöcher verschwindet, und indem zweitens die Mittel, die in diesem Staat vorhanden sind, zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Ost und West anständig, fair und nach Bedarf verteilt werden. Darum geht es, um nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir das hinkriegen, dann haben wir auch eine faire Chance, nicht nur dem Einhalten der Schuldenbremse hinterherzurennen, sondern dabei auch noch die Aufgaben zu machen, die die Menschen uns aufgegeben haben und von denen sie erwarten, dass wir sie lösen.

Jetzt kann ich auch noch eine Frage von Herrn Optendrenk beantworten.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, es kommt noch schlimmer für Sie: Es sind inzwischen zwei Zwischenfragen angemeldet, eine von Herrn Dr. Optendrenk und eine von Herrn Schulz. – Zunächst hat Herr Dr. Optendrenk das Wort. Bitte schön.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Minister, herzlichen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Ich möchte Ihnen nur im Wege einer rhetorischen Frage eine Brücke bauen, damit wir uns über die Zahlenbasis doch einig werden.

Sie haben offensichtlich die Ebene der allgemeinen und Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisun-gen bei den Prozentzahlen nicht mitgerechnet. Dann kommen Sie auch nur auf das halbe Volumen. Wahrscheinlich kommen wir, wenn wir die Tabellen nebeneinanderlegen, auf das gleiche Volumen. Sie haben Umsatzsteuerausgleich und Länderfinanzausgleich im engeren Sinne genommen. Da mögen Ihre Zahlen stimmen. Nehmen Sie die weiteren Verteilmechanismen, allgemeine und SoBEZ, hinzu, dann sind wir uns, glaube ich, einig, dass wir bei 14 und 5 sind. Also: Ihre Zahl kann genauso richtig sein. Vielleicht können wir uns darüber noch mal austauschen.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Vielen Dank für den Hinweis. Es ist in der Tat so: Ich habe mich auf das Ausgleichsvolumen aus dem Länderfinanzausgleich – das sind 8,5 Milliarden € – und aus der Umsatzsteuerverteilung – das sind 7,5 Milliarden € – bezogen und darauf, welchen Anteil wir daran haben. Die Daten, die Sie hinzugezählt haben, beziehen sich auf Zuweisungen vom Bund, die je nachdem, wohin der Bund seine Mittel verteilt, den Anteil verändern. Insofern wäre es, glaube ich, richtiger, über die Zahl zu reden, die im horizontalen Finanzausgleich gültig ist. Aber der Unterschied wird sich schlicht und einfach daraus erklären.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Es gibt eine zweite Zwischenfrage, und zwar von Herrn Kollegen Schulz. – Herr Schulz, bitte schön.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Danke, Herr Finanzminister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben gerade von der Einnahmenseite gesprochen, die Sie verbessern wollen.

Erstens. Was haben Sie da gemacht?

Zweitens. Inwiefern sind Sie dem Auftrag des Landtags Nordrhein-Westfalen aus unserem Antrag vom 20. November „Ruinösen Steuerwettbewerb unterbinden“ nachgekommen, die Sicherstellung einer angemessenen Besteuerung multinationaler Unternehmen auf den Weg zu bringen, die Verhinderung von internationaler Niedrig- oder Nichtbesteuerung anzugehen, den automatischen Informationsaustausch als internationalen Standard festzulegen und eine Angleichung der steuerlichen an die strafrechtlichen Verjährungsfristen vorzunehmen?

Darauf hätte ich gerne von Ihnen eine Antwort gehört – jetzt, wo es darum geht, die Verbesserung der Einnahmenseite darzustellen.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das kann ich Ihnen beantworten. Wir haben über dieses Thema in der Finanzministerkonferenz seither mehrfach beraten. Sie wissen, dass wir zum Beispiel eine Verschärfung bei der Selbstanzeige auf den Weg gebracht haben. Damit ist auch eine strafrechtliche Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen verbunden. – Das ist das eine.

Das andere ist: Sie haben mitbekommen, dass sich auf der OECD-Ebene beim automatischen Informationsaustausch einiges bewegt, dass Schweizer Banken ganz eindeutig erklärt haben, an dieser Stelle einen neuen Kurs einzuschlagen.

Es gibt im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene eine Passage, die ich persönlich mitformuliert habe. Wir haben dort nämlich vor dem Hintergrund der laufenden Gespräche auf der OECD-Ebene, in die wir nicht hineingrätschen wollen, festgestellt: Wenn sich bis 2015 auf der OECD-Ebene, wo es richtiger angesiedelt wäre, keine Veränderungen absehen lassen, gehen wir davon aus, dass in Deutschland auch nationale Alleingänge stattfinden müssen.

Ich sage Ihnen: Diesen Termin 2015 habe ich im Blick. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder legt eine Bundesregierung dazu Schritte vor, oder aber wir werden initiativ in der Frage, wie man Mindestbesteuerung oder Lizenzen so abschöpfen kann, dass ein Verschwinden über legale Trickkanäle nicht möglich ist.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Bitte bleiben Sie am Redepult stehen. Es gibt noch eine angemeldete Kurzintervention des Kollegen Witzel. Bitte schön, Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Herr Finanzminister, ich habe mich bislang an der Debatte nicht aktiv beteiligt. An dieser Stelle möchte ich aber schon noch einige Hinweise mit Bitte um Reaktion von Ihnen geben.

Zum einen haben Sie die Opposition nicht in all ihren Bemühungen gewürdigt. Wir haben in der Tat im Ausschuss – auch vorbereitend für die nächsten Haushalte – konstruktive Gespräche über den Länderfinanzausgleich gehabt. Man kann, glaube ich, keiner Fraktion vorwerfen, nicht auch für Nordrhein-Westfalen an den Stellen Verbesserungen erreichen zu wollen, wo es sachlich angebracht ist. Das gilt zum Beispiel für die Einwohnerveredlung.

Zum Zweiten haben wir Sie nicht unter Erwartungsdruck gesetzt, indem wir durch die Gegend gezogen sind und Beschäftigten in der Tariffrage Eins-zu-eins-Abschlüsse zugesichert haben. Da haben wir sehr viel moderater argumentiert, wie es jetzt auch das Gericht entschieden hat.

Sie haben gesagt: Die staatlichen Aufgaben müssen auskömmlich finanziert sein. – Das wirft aber die Frage der Aufgabenkritik auf, zu der Sie heute wieder zu wenig gesagt haben. Wir brauchen eine Antwort, was zukünftig staatliche Leistung sein soll und wie man diese effizienter organisieren kann. Ich glaube, diesem Feld sollten Sie in der nächsten Zeit mehr Aufmerksamkeit widmen. Längst nicht alles, was der Staat heute erledigt, muss dauerhaft in staatlichen Strukturen bleiben. Wenn auch Sie einsehen, dass Sie beim Personal werden kürzen müssen, wird diese Fragestellung für Sie nicht vermeidbar sein.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Dazu kann ich sagen, dass ich es begrüßen würde, wenn wir im Zuge der Diskussion über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen wirklich eine gemeinsame Grundlinie – die muss ja nicht in jeder einzelnen Verständigung sein – einnehmen würden.

Aber schon der immer wieder auftauchende Zwischenton, dass es jetzt darum gehe, dass Nordrhein-Westfalen sein Heil darin suche, Hilfe von anderen zu bekommen, weist in die falsche Richtung. Im Moment bekommen andere Hilfe von uns. Wir zahlen jedes Jahr, damit andere, die auch von Ihnen immer als Musterbeispiel genannt werden, keine Kredite aufnehmen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wo?)

Dafür nehmen wir Kredite auf. Allein wenn wir das abstellen würden, bräuchten wir keine Hilfe von anderen. Aber dann müssten wir eben auch irgendwann zu dem Ergebnis kommen, dass wir für uns selbst sorgen müssen und das nicht für andere tun können. Ich hielte das nicht für den richtigen Weg, weil ich glaube, dass es besser ist, gemeinsam alle großen Herausforderungen anzunehmen, als zu sagen: Das macht jeder für sich. – Wir wären schon damit in der Lage, eine ganze Menge zu erreichen. Dann sollten wir aber wirklich zu folgender Sprachformel kommen: Wir suchen nicht nach der Hilfe anderer, sondern wir wollen eine faire Verteilung der gemeinsamen Mittel für gemeinsame Probleme und die Schwerpunkte, die entstanden sind.

Was staatliche Aufgaben angeht, bin ich offen. Darüber reden wir immer wieder. Die Frage ist überhaupt nicht, wie man Dinge effizienter macht. Nur sollte man den Menschen gegenüber nicht den Eindruck erwecken, als wenn in den kleinen Feldern, die immer wieder als Beispiele genannt werden, die Konsolidierung des Haushalts steckt.

Ich glaube, wir könnten bei folgenden Schwerpunkten unstrittig Einigkeit erzielen, nämlich bei Bildung, Sicherheit, Justiz und Finanzverwaltung, also den großen Personalhaushalten dieses Landes. Das ist ein großer Brocken. Wenn wir nicht an der Stelle sagen, dass wir bestimmte Aufgaben nicht wahrnehmen wollen, dann haben wir am Ende das Problem, dass wir nur über eine bessere Verteilung Zukunftssicherung erreichen können. Wenn wir das also nicht schaffen, dann werden wir zwar die Schuldenbremse einhalten, aber auf Kosten der Strangulation der Infrastruktur und weiterer Dinge, die für dieses Land wichtig sind.

(Beifall von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Walter-Borjans. – Damit sind wir am Ende dieser Einbringung.

Wir kommen nun zur Vorstellung des

Gemeindefinanzierungsgesetzes.

Dafür ist Herr Minister Jäger zuständig. Der hat jetzt das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einen Rückblick. Bevor Sie in Entsetzen ausbrechen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP: Ich werde zu einer Rückbetrachtung der Jahre 2005 und 2010 jetzt nicht kommen.

(Kai Abruszat [FDP]: Oh! Dann sind wir schnell fertig!)

Ich will Ihnen Ihre übliche Schamesröte ersparen. Die Kommunen wissen sowieso, wer ihnen seinerzeit in die Kassen gegriffen hat.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Die typische Arroganz von Herrn Jäger!)

Stattdessen möchte ich gerne zurückkommen auf die letzten Debatten zum GFG 2014 vor einem Jahr in diesem Hohen Haus.

Die erste Erkenntnis, meine Damen und Herren: Weder CDU noch FDP haben es in diesem Jahr geschafft, ihre Kritik am GFG mit konkreten Gegenvorschlägen zu unterfüttern. Ich finde das, ehrlich gesagt, schon bedenklich. Wer andere kritisiert, der soll gefälligst auch die Courage aufbringen, eigene Ideen zu präsentieren, und zwar solche, die sowohl finanziell machbar sind als auch unsere kommunale Familie entlasten und nicht belasten. Das sind, wie ich finde, zwei hohe Maßstäbe. Ob diese hohen Maßstäbe auf die beiden vorgelegten CDU-Anträge anwendbar sind, da bin ich, ehrlich gesagt, relativ skeptisch.

Die zweite Erkenntnis lautet, wie bereits im letzten Jahr diskutiert: Am System, das dem GFG zugrunde liegt, gibt es nur wenig bis gar nichts zu kritisieren. Das hat uns insbesondere das FiFo-Gutachten aus dem Jahre 2013 bewiesen. Darauf komme ich gleich noch weiter zu sprechen. Die Systematik unseres GFG 2013 hat der Verfassungsgerichtshof im Mai dieses Jahres übrigens noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Mit dem GFG 2015 entwickeln wir den Finanzausgleich im bestehenden System konsequent weiter. Dieses „konsequente Weiterentwickeln“ ist nicht leicht daher gesagt. Es verdeutlicht eines: Wir geben unseren Kommunen Beständigkeit. Wir geben ihnen Planungssicherheit. Denn wie in den Jahren zuvor, bleibt es dabei: Verbundgrundlagen, Verbundsatz bleiben in gleicher Höhe.

Auch das GFG 2015 enthält keine Befrachtung. Das heißt unterm Strich: Wir bleiben bei einer fairen Verteilung, und wir verteilen gerecht zwischen den Kommunalarten in Nordrhein-Westfalen.

Herr Abruszat, Herr Kuper, ihr Kritikpunkt am letzten GFG war, dass das ifo-Gutachten aus dem letzten Jahr noch nicht eingearbeitet war. Das hat einen guten Grund. Wir wollten dieses ifo-Gutachten nicht über die Köpfe der Kommunen hinweg einfach nur umsetzen. Wir haben den Dialog mit den Kommunen, mit den kommunalen Spitzenverbänden gesucht, weil es immer besser ist, die Köpfe zusammenzustecken, als über die Köpfe anderer hinweg einfach nur zu handeln. Das ist gelegentlich schwieriger, auch etwas anstrengender, insbesondere vor dem Hintergrund teils sehr unterschiedlicher Meinungen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden; aber es hat sich gelohnt. Wir sind zu guten Kompromissen gekommen.

Zwei Dinge will ich dabei herausstellen, zum einen die sogenannten Auszahlungen aus allgemeinen Deckungsmitteln, technisch aaD genannt – das ersetzte bisher den Zuschussbedarf II –, zum anderen die gepoolte Querschnittsschätzung oder – anders gesagt – die Zusammenfassung von Grunddaten mehrerer Jahrgänge. Aus der Summe der Daten dieser Jahrgänge ermitteln wir dann zum Beispiel die Hauptansatzstaffel oder die Gewichtung der Nebenansätze der fiktiven Bedarfe, der Schüleransätze, aber auch des viel diskutierten Soziallastenansatzes.

Einen Punkt haben wir nicht übernommen, Herr Abruszat, nämlich Ihre Forderung nach einer Senkung der fiktiven Hebesätze. Diesen Vorschlag haben nicht nur wir, sondern alle kommunalen Spitzenverbände unisono abgelehnt. Sportlich gesprochen, Herr Abruszat, ist diesem Vorschlag die Rote Karte gezeigt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das GFG 2015 basiert auf den Daten der Jahre 2009 bis 2011. Dieser Zeitraum wird mittelfristig ausgeweitet bis 2013. Danach peilen wir eine stabile fünfjährige Datenbasis an. Zur technischen Erläuterung: Das funktioniert ähnlich wie die Fünfjahreswertung der UEFA. Fußballfans hier im Saal wissen, was ich damit meine. Sobald ein neuer Jahrgang hinzukommt, entfällt jeweils der älteste.

Darüber hinaus berücksichtigen wir im GFG 2015 selbstverständlich die Ergebnisse des Zensus zum Stichtag 31. Dezember 2013. Insgesamt beläuft sich die Schätzung der Ausgleichsmasse derzeit auf 9,6 Milliarden €. Sollte es bei diesem Wert bleiben, wären das 150 Millionen € mehr als im Vorjahr.

Ich will an dieser Stelle bewusst die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Wie in jedem Jahr beruht die Summe auf Schätzungen. Wie wir wissen, bleiben die Steuereinnahmen der letzten Monate hinter den Erwartungen zurück. Genaueres können wir erst im Oktober sagen. Dann werden wir auch eine zweite Modellrechnung für die Veröffentlichung der gemeindescharfen Daten herausgeben.

Auch wenn die Erhöhung geringer ausfällt oder sogar ganz ausbleiben sollte, gilt für das GFG 2015: Wir bereichern uns nicht auf Kosten der Kommunen. Wir verteilen das Steueraufkommen gerecht innerhalb der kommunalen Familie. Das tun wir auf hohem Niveau als verlässlicher Partner.

Meine Damen und Herren, das GFG 2015 ist ein gutes Gesetz. Es gibt kaum einen Grund, ihm nicht zuzustimmen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Wir kommen zur Aussprache. Als Erstes spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Nettelstroth.

Ralf Nettelstroth (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie jedes Jahr wird nunmehr gemeinsam mit dem soeben eingebrachten Haushalt 2015 auch das Gemeindefinanzierungsgesetz für das kommende Jahr eingebracht.

Mit diesem Landesgesetz wird die Verteilung der Landesmittel an die Kommunen und die Umverteilung von Mitteln unter den Kommunen geregelt. Dabei stellt das Land den Gemeinden und Gemeindeverbänden 23 % seines Anteils an der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Umsatzsteuer als sogenannte Gemeinschaftssteuer und seinem Anteil von vier Siebtel an seinen Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer zur Verfügung.

Die verteilbare Finanzausgleichsmasse beläuft sich im Jahre 2015 dank angedachter gestiegener Steuereinnahmen auf den eben von Herrn Jäger genannten Betrag in Höhe von 9,6 Milliarden €.

Meine Damen und Herren, bereits hier setzt unsere Kritik an, da diese Finanzausgleichsmasse für die notleidenden Kommunen in Nordrhein-Westfalen viel zu gering bemessen ist. Ursprünglich lag dieser Verbundsatz bei 28 % und wurde von der SPD-Alleinregierung bereits in den 80er-Jahren auf 23 % abgesenkt.

Im Jahr 2015 wäre bei einem solchen Verbundsatz von 28 % die Finanzausgleichsmasse um sage und schreibe 2,1 Milliarden € Höhe ausgefallen – Finanzmittel, welche die Gemeinden und Gemeindeverbände in Nordrhein-Westfalen dringend gebraucht hätten. Hier muss es zukünftig zwingend gelingen, die Finanzausgleichsmasse nachhaltig anzuheben, indem sich zum Beispiel durch eine nachhaltig bessere Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen das Steueraufkommen und damit auch die Verteilungsmasse erhöhen und gegebenenfalls auch eine Erhöhung des Verbundsatzes angedacht werden kann.

Den 396 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen geht es schlecht. In den letzten drei Jahren befanden sich rund 176 Kommunen in einem Haushaltssicherungskonzept. Das sind 44,4 % aller NRW-Gemein-den. Die finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz kommen zunehmend ins Wanken. Die Satzungsautonomie der Kommunen wird durch Sachzwänge bei den Ausgaben zur Farce. Etwaige finanzielle Handlungsspielräume tendieren gen null.

Gemäß IT.NRW hatten die Gemeinden und Gemeindeverbände Ende 2013 einen neuen Schuldenhöchststand von 59,8 Milliarden € erreicht. Damit sind 38 % der kommunalen Gesamtschulden aller Flächenländer von NRW-Kommunen zu verantworten, obwohl Nordrhein-Westfalen nur 21,7 % der Einwohner Deutschlands stellt.

Noch dramatischer ist die Situation bei den Kassenkrediten, wo Nordrhein-Westfalens Kommunen zwischenzeitlich rund 26 Milliarden € aufgehäuft haben und damit 53 % der kommunalen Kassenkredite aller Flächenländer in Nordrhein-Westfalen zu verorten sind.

Allein davon wurden unter rot-grüner Regierungsverantwortung mehr als 5,5 Milliarden € zusätzliche Kassenkredite aufgebaut, was einer Steigerung von gut 30 % entspricht.

Wie sehen die Konzepte der rot?grünen Landesregierung aus? – Da ist zunächst der Stärkungspakt zu nennen, der die Finanzausgleichsmasse um 115 Millionen € vorab reduziert, sodass selbst die 61 Zahlungsempfängerkommunen ihre eigene Hilfe anteilig selbst mitfinanzieren dürfen. Die Solidarpaktkommunen müssen ihrerseits weitere 91 Millionen € einzahlen. Das ist ein ungerechtes System der Umfinanzierung, gehören doch zu den vermeintlich reichen Kommunen auch rund ein Drittel der Stärkungspaktkommunen, die sich selbst in einem Haushaltssicherungskonzept wiederfinden.

Im Übrigen werden die Stärkungspakt- und Solidarkommunen durch fiktive Hebesätze bei der Gewerbesteuer reichgerechnet, obwohl diese Gewerbesteuererträge faktisch gar nicht erwirtschaftet werden. Doch noch fataler ist die Wirkung auf noch erfolgreiche Kommunen, weil letztlich eine gute Haushalts- und Wirtschaftspolitik in diesem Land bestraft wird.

Daneben wurden die HSK-Zeiträume auf zehn Jahre verlängert und dabei Planzahlen vorgegeben, die von der tatsächlichen Einnahmeentwicklung gerade bei den Gewerbesteuererträgen nachhaltig nicht erreicht werden. Eine Bilanzkosmetik ohne strukturelle Verbesserung der Vermögens- und Ertragslage der Kommunen gaukelt eine Sicherheit vor, die faktisch nicht gegeben ist.

All dies sind Maßnahmen, die allenfalls dazu geeignet sind, um über die Zeit zu kommen, aber an den eigentlichen Problemen nichts ändern – im Gegenteil.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Geht doch der Abwärtstrend bei den NRW-Kommunen weiter kräftig voran. Nicht nur, dass die NRW-Kommunen bundesweit am meisten verschuldet sind, sie sind auch noch die Kommunen mit den höchsten Steuerhebesätzen bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer. Liegt der durchschnittliche Hebesatz bei der Grundsteuer B im Jahre 2013 bundesweit bei 351 Punkten, so waren es in Nordrhein-Westfalen 453 Punkte, also 29 % über dem Bundesdurchschnitt. Dabei zeigt die Dynamik weiter nach oben, insbesondere wenn man feststellen muss, dass alleine im Jahre 2013 rund 93 % aller NRW-Kommunen den Hebesatz der Grundsteuer B angehoben haben.

Bei der Gewerbesteuer ist die Lage nicht sehr viel anders. Lag der Bundesdurchschnitt 2013 bei 350 Punkten, so liegt er in Nordrhein?Westfalen bei 433 Punkten, also 23,7 % über dem Bundesdurchschnitt. Auch hier ist die Dynamik nach oben unverkennbar, haben doch allein seit 2010 rund 80 % der NRW-Kommunen die Gewerbesteuer erhöht.

NRW ist damit das Flächenland mit den höchsten Gewerbesteuer- und Grundsteuerhebesätzen in Deutschland, ein Standortnachteil im Wettbewerb um neue Unternehmen, der gerade unsere Nachbarländer freuen dürfte. Nicht umsonst wird in Rheinland?Pfalz, Hessen und Niedersachsen die rot-grüne Landesregierung als der beste Wirtschaftsförderer für ihre eigenen Länder angesehen.

Dabei trägt das Land selber dazu bei, indem zum Beispiel in Nideggen und Altena sogenannte Sparkommissare eingesetzt wurden, die im Wesentlichen die Steuern erhöhen. Damit werden die verbliebenen Bürger und Unternehmen noch höher belastet und die Städte noch unattraktiver für potenzielle Neuansiedlungen. Hier wird allenfalls ein Trading-down-Effekt ausgelöst und verstärkt, der die eigentliche Problemlage nicht auflöst.

Sehr geehrte Damen und Herren, Rot-Grün hat kein Rezept gegen das kommunale Verschuldungsproblem. Rot-Grün hat kein Rezept gegen die Steuererhöhungsspirale. Rot-Grün hat kein Rezept für starke und wettbewerbsfähige Kommunen in NRW. Stattdessen wird einzig und allein auf Zeit gespielt, um noch ein wenig über die Runden zu kommen.

In diesem Zusammenhang ist besonders besorgniserregend, dass trotz Rekordsteuereinnahmen, historisch niedriger Zinsen und nachhaltiger Entlastung durch den Bund für die NRW-Kommunen kein Licht am Ende des Tunnels erkennbar ist. Die rot-grüne Landesregierung lässt auch Konzepte vermissen, wie der hohe Kommunalisierungsgrad in Nordrhein-Westfalen reduziert werden kann. Im Gegenteil: Es wird noch versucht, den Kommunen zusätzliche Aufgaben aufzudrücken, ohne diese adäquat mit Finanzmitteln zu unterlegen. Allein die Diskussion über die Konnexität der schulischen Inklusion hat das in diesem Jahr deutlich gemacht.

(Beifall von der CDU)

Letztlich bleibt ein GFG 2015 mit unzureichenden Mitteln, über deren Verteilung die beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände kräftig streiten dürfen. Die Diskussion über den Hauptansatz, Demokratiefaktor, Schüleransatz, Soziallastenansatz, Zentralitätsansatz und Flächenansatz werde ich nicht hier im Plenum führen; sie wird sicherlich im Fachausschuss zu führen sein.

An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass wir mit unseren Anträgen zu den fiktiven Hebesätzen, dem Demografiefaktor und dem Stabilisierungsfonds selber eigene Akzente in die Diskussion einbringen werden – neben den bereits bestehenden Vorschlägen der kommunalen Spitzenverbände und aus den zahlreichen wissenschaftlichen Abhandlungen.

Das GFG steht auch vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen. Die stetig steigenden Soziallasten, insbesondere bei den Kreisen und kreisfreien Städten, aber auch der enorme Anstieg der Asylbewerberzahlen und die damit einhergehenden Unterkunfts- und Krankheitskosten bergen neue Herausforderungen für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

Ein Gemeindefinanzierungsgesetz, das eine unzureichende Finanzausgleichsmasse nur jedes Jahr neu umverteilt, ohne wirkliche Transparenz, ohne zukunftsfähige Ansätze und ohne Planungssicherheit für die Kommunen zu schaffen, wird die Finanzprobleme der Kommunen trotz nachhaltiger kommunaler Steuererhöhungen weiter vergrößern.

(Beifall von der CDU)

Wenn es nicht in absehbaren Zeiträumen gelingt, die Finanzausstattung der Kommunen nachhaltig zu verbessern, droht vielen der 396 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung.

Da dieser Antrag heute an den Fachausschuss für Kommunalpolitik überwiesen wird, freue ich mich dort auf eine intensive und vertiefende Diskussion. – Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Nettelstroth. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Hübner.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hätte es eines Beweises bedurft, dass die Politik, die wir 2010 begonnen haben, richtig war, zeigt das dieser Auftritt von Herrn Nettelstroth. Er hat systematisch am Thema vorbeigeredet und

(Zuruf von Ralf Nettelstroth [CDU])

historische Anleihen bei den 80er-Jahren gemacht. Damals hat man über einen Verbundsatz von 28 % diskutiert, der natürlich nicht ausgleichslos auf 23 % gesenkt worden ist.

(Ralf Nettelstroth [CDU]: Natürlich! – Kai Abruszat [FDP]: Das sehen die Spitzenverbände aber anders!)

So viel zur Wahrheit. Das ist letztlich nicht in Ordnung.

Vor dieser Rede habe ich mich gefragt, wie das GFG heute aussehen würde, hätte die CDU heute noch Verantwortung. – Ich glaube, Sie würden das GFG heute feiern, und zwar obwohl Sie dagegen waren, dass wir das Gemeindefinanzierungsgesetz im Jahr 2010 um 300 Millionen entfrachtet haben. Wir haben dem GFG im Jahr 2010 300 Millionen zugeführt. Exakt waren es 299 Millionen, die mittlerweile in der Steuersteigerung auf rund 450 Millionen angewachsen sind. Diese Entfrachtung wäre von Ihnen beibehalten worden. Dann hätten Sie schon einmal 9,6 Milliarden minus 450 Millionen, und wir sind bei rund 9,1 Milliarden. Das hätten Sie sich hierhin gestellt und gesagt: Das ist das größte GFG aller Zeiten.

Umso schlimmer: Sie haben – an der Stelle möchte ich den Kollegen Ralf Jäger etwas korrigieren – schon einmal Vorschläge gemacht, wie man mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz umzugehen gedenkt, nämlich als wir vorgeschlagen haben, wie der Stärkungspakt ausgestaltet wird. Damals nannten Sie das „KomPAsS I“ und „KomPAsS II“. Ihr Vorschlag – wie sollte es anders sein –, Herr Nettelstroth, war – ich gehe ein bisschen vorsichtiger mit Ihnen um, da Sie den Job noch nicht so lange machen –, eine Befrachtung im Gemeindefinanzierungsgesetzes in Höhe von 600 Millionen vorzusehen. 600 Millionen plus 450 Millionen sind mehr als 1 Milliarde.

Morgen diskutieren wir über das Thema „Ela“. Dazu haben Sie einen ganz kreativen Vorschlag – Ironie mitgedacht – gemacht: Befrachtung des GFG in Höhe von 100 Millionen €. In der Summe würden wir uns dann auf ein GFG – wäre das Ihre Zeit – von rund 8,4 Milliarden zubewegen.

Wer sich die GFGs der Vergangenheit ansieht, kann zwar nicht sagen, dass das das historisch größte wäre; es wäre aber immerhin eines der größten Gemeindefinanzierungsgesetze, das in die weitere Beratung einzubringen wäre.

Sie würden dann sagen: Wir haben eines der historisch größten GFGs! Was aber haben Sie gemacht? – Sie haben einen Vorwegabzug von mehr als 1 Milliarde € eingebaut. Das haben Sie zwischen 2005 und 2010 systematisch betrieben.

Sie haben gerade Kreditdaten der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen genannt. Dazu gestatten Sie mir vielleicht auch noch eine Bemerkung: Diese Daten sind in der Tat richtig. Ich kann sie Ihnen so bestätigen. Sie dürfen aber nicht vergessen, wann diese Daten geradezu explosionsartig entstanden sind:

Sie wissen, dass wir bei den Kassenkrediten deutschlandweit über 50 Milliarden diskutieren, davon 25 Milliarden in Nordrhein-Westfalen. Zwischen 2005 und 2010 haben sich diese Kassenkredite nahezu verdoppelt. Wir reden also nicht über ein Bremsen des Kassenkreditwachstums von 30 %, wie Sie es gerade vorgetragen haben, sondern wir haben zwischen 2005 und 2010 eine Verdopplung auf rund 23 Milliarden € diskutiert.

(Kai Abruszat [FDP]: Finanzkrise, Herr Kollege Hübner!)

Genau das haben wir damals diskutiert und Ihnen mehrfach gesagt. Sie haben gleichzeitig den Vorwegabzug, den Sie gerade noch einmal nachgeschaut haben, den Sie zur Konsolidierung des Landeshaushaltes gemacht haben, negiert. Ja, meine Damen und Herren, die Städte und Gemeinden haben zwischen 2005 und 2010 zur Konsolidierung des Landeshaushalts Jahr für Jahr rund 300 Millionen abgegeben. Das entspricht 1,5 Milliarden Belastung, die Sie verursacht haben. Nun müssen wir einen Verbundsatz von 28 Milliarden einführen, damit Ihre Fehler aus den Jahren 2005 bis 2010 korrigiert werden. Letztlich ist das, was Sie machen, unglaublich.

Wir haben uns das, was in Ihrer Zeit passiert ist, sehr dezidiert angeschaut. Das Kassenkreditvolumen ist um über 100 % explodiert. Sie haben den Städten und Gemeinden 3,5 Milliarden entzogen, und zwar nicht nur über die Befrachtung des GFG, sondern auch über andere Maßnahmen.

Es hat heute schon einmal eine Rolle gespielt, dass man Sachen kommunalisieren oder nicht kommunalisieren könne, oder der Kommunalisierungsgrad sei zu hoch. Ich möchte bei der Gelegenheit an die Kommunalisierung der Umweltverwaltung erinnern. Herr Kollege Hovenjürgen weiß, wovon er redet. Schließlich kommt er aus dem Kreis Recklinghausen. Wir waren dankbar dafür, dass wir das plötzlich bekommen haben, und zwar ohne Lastenausgleich. Dazu gehört auch die Kommunalisierung der Sozialverwaltung – ebenfalls ohne entsprechenden Lastenausgleich. Von Konnexität in der Frage keine Spur!

Heute die Inklusionseinigung auch noch in einer vernünftigen Art und Weise zu betrachten, ist schon mehr als – so will ich es einmal bezeichnen – besonders, weil ich dazu nicht allzu viele harte Worte gegenüber Herrn Nettelstroth finden möchte.

Sie haben zum Thema „Konzeptlosigkeit“ gesagt, Sie hätten 174 Städte und Gemeinden gefunden, die eine Haushaltssanierungskonzept oder einen Haushaltssanierungsplan haben. Wir haben aber so gut wie keine Städte und Gemeinden, die im Nothaushaltsrecht sind, die keine Investitionen mehr tätigen können. Natürlich haben wir das mit entsprechenden technischen Maßnahmen verändert.

(Kai Abruszat [FDP]: Aha!)

– Das ist kein Bilanztrick, Herr Kollege Abruszat, sondern das sind realistische Planungsräume, die wir den Städten und Gemeinden eingeräumt haben, damit diese Städte und Gemeinden beispielsweise energetisch sinnvolle Investitionen tätigen können. Und das tun sie. Sie können sich bei den 396 Städten und Gemeinden gerne umsehen.

Wir haben ein Gesamtkonzept vorgelegt. Das habe ich bei der Diskussion zu den Gemeindefinanzierungsgesetzen mehrfach vorgestellt. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, dass es nicht ohne Bundesentlastung geht. Lieber Kollege Nettelstroth, das haben Sie klar benannt – ich stimme Ihnen zu –: Es gibt Sozialausgaben, die die Städte und Gemeinden zu leisten und zu finanzieren haben.

Im Jahr 2011 haben wir uns auf den Weg gemacht und eine Bundesentlastung bei der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung eingefordert. Sie wissen es: die Grundsicherung im Alter. – Das ist uns erfolgreich geglückt. Das lassen wir uns nicht durch irgendwelche bundespolitischen Kollegen der CDU abdefinieren, die das als ihr Verdienst im Jahr 2014 bezeichnen, weil es dann zum ersten Mal scharfgestellt worden ist. Das ist nicht in Ordnung, das ist unlauter in der Politik, und das ist auch sehr sachfremd. Wir haben das in den damaligen Vereinbarungen abverlangt und entsprechend auf den Weg gebracht. Dadurch haben wir die erste Bundesentlastung bekommen.

Ralf Jäger hat ja recht: Es sind in der Vergangenheit kaum vernünftige Vorschläge gekommen außer dem – den habe ich auch benannt –, Befrachtungen im Gemeindefinanzierungsgesetz vorzusehen. Wenn Sie nach vorne schauen, dann lassen Sie uns über die Eingliederungshilfe reden. Natürlich ist das eine steigende Soziallast, die unsere Städte und Gemeinden zu finanzieren haben. Und da brauchen wir die entsprechende Entlastung. Dazu können Sie sich in Berlin in den entsprechenden Arbeitsgruppen einbringen, damit wir das, was im Koalitionsvertrag in Berlin notwendigerweise auch für die finanziellen Belange der nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden vereinbart worden ist, tatsächlich durchsetzen.

Das wäre eine nach vorne gerichtete Politik. Das alles haben Sie heute nicht gemacht. Sie haben – ich will dazu gerne einmal den Kollegen Abruszat zitieren, der sich als Chefhistoriker der 80er-Jahre hervorgetan hat – die Zeit von 2005 bis 2010 einfach mal vergessen und letztlich im Fachausschuss keinen vernünftigen Ausblick auf das Gemeindefinanzierungsgesetz geliefert.

Von daher freue ich mich, dass wir Ihnen entsprechende Nachhilfe im Fachausschuss, dem kommunalpolitischen Ausschuss, geben können und auch dürfen. Vieles, was zur Technik gesagt worden ist – Ralf Jäger hat sie gerade dargestellt –, will ich nicht wiederholen. Dazu gibt es bei den kommunalen Spitzenverbänden eine große Einigkeit. Das ist eine vernünftige Weiterentwicklung. Wir werden das natürlich konstruktiv begleiten und hoffen, dass die Finanzausgleichsmasse nicht stark absinkt – die Fragezeichen haben wir gerade vernehmen können –, sondern dass es weiterhin ein großes Gemeindefinanzierungsgesetz sein wird, das die Kommunen erfreut. Weiter hoffen wir, dass es keinen Abzug von rund 1 Milliarde € geben wird, was der Fall wäre, wenn es bei Ihnen fortgeschrieben werden würde. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hübner. – Nun spricht Herr Abruszat für die FDP-Fraktion.

Kai Abruszat (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Michael Hübner, wir diskutieren hier immer noch über die Historie. Minister Jäger hatte eingangs seiner Rede darauf hingewiesen, dass wir das eigentlich nicht machen wollen. Wir können das, Herr Kollege Hübner, aber gerne haben.

Ich komme noch einmal auf den Begriff „Chefhistoriker“ zu sprechen. Damit war seinerzeit der Kollege Körfges gemeint. 50 Milliarden € sind genau der Betrag, der den Kommunen entzogen worden ist, weil in der Regierungszeit von Johannes Rau – unter Ihrer Regierung – der Verbundsatz abgesenkt worden ist. 50 Milliarden €!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Jetzt nenne ich Ihnen eine weitere Zahl, Herr Kollege Hübner: Der aktuelle Schuldenstand der nordrhein-westfälischen Kommunen beträgt jetzt rund 60 Milliarden €. Sie reden hier also wie jemand, der Ursache und Wirkung völlig verkehrt. Ich sage Ihnen dazu: Man muss zu seinen Fehlern stehen. Das erwarte ich aber vor allen Dingen auch von Ihnen. Sie tun das nämlich nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich will Sie, lieber Herr Minister Jäger, an dieser Stelle gerne einmal zitieren. Sie sind jetzt ein bisschen länger als vier Jahre im Amt. Vor fast drei Jahren – im Dezember 2011 –, als wir über das GFG sprachen, haben Sie an dieser Stelle – ich zitiere – Folgendes gesagt:

„… die Landesregierung hat sich als zentrales Vorhaben dieser Legislaturperiode vorgenommen, an der Seite der Kommunen zu stehen, mit dem Aktionsplan Kommunalfinanzen für eine spürbare Verbesserung der kommunalen Finanzsituation zu sorgen, die Kommunen zu stärken und wieder handlungsfähig zu machen ...“

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Jetzt kommt, lieber Herr Kollege Jäger, die Ihnen sicherlich bekannte Pointe: Den Kommunen in Nordrhein-Westfalen ging es noch nie so schlecht wie jetzt. Sie waren noch nie so verschuldet wie im Jahr 2014.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Lieber Michael Hübner, Sie sagen, Sie hätten den Kommunen durch § 76 GO – indem Sie das Ziel des Haushaltsausgleiches auf eine Dekade ausgedehnt haben – Handlungsfreiheit gegeben. Das ist nichts anderes als ein billiger, nicht tauglicher bilanzieller Trick, der die tatsächliche Lage verfälscht. Das ist reine Statistik, hat aber mit der Lebenswirklichkeit nichts zu tun. Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Realität; und das müssen Sie wahrnehmen.

(Beifall von der FDP)

Richten Sie also nicht den Blick auf eine Märchenwelt, sondern schauen Sie, wie es den Städten wirklich geht.

Die Kommunen haben ganz besonders – Herr Kollege Nettelstroth hat darauf hingewiesen – unter den Kassenkrediten zu leiden. Ich mag mir nicht ausmalen, was einmal passiert, wenn wir am Kapitalmarkt eine andere Zinsentwicklung haben. Hat diese Landesregierung, hat Minister Jäger eigentlich ein schlüssiges Gesamtkonzept, eine spürbare Trendwende einzuleiten? Ich habe eher den Eindruck, es läuft nach dem Motto: Augen zu und durch. – Damit kommen Sie nicht weiter, Herr Minister Jäger. Sie kümmern sich aber lieber – das habe ich heute Morgen der Presse entnommen – um Promillegrenzen für Fahrradfahrer. Zum Thema „Kommunalfinanzen“ waren Sie in den letzten Wochen und Monaten relativ schweigsam. Das muss ich an der Stelle auch einmal sagen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Kollege Jäger, da Sie sich gerade so angeregt mit Herrn Körfges unterhalten: Ich habe noch ein schönes Zitat von Ihnen. Und zwar haben Sie im Februar 2011 hier im Landtag – das will ich Ihnen gerne vorhalten; Sie können den Satz gerne noch einmal hören; es war ein kluger Satz, den Sie da ausgesprochen haben – gesagt:

„Aber unser gemeinsames Interesse muss sein – ich hoffe, dass wir uns darin in den nächsten Wochen bei aller Schärfe im Rahmen der Haushaltsdebatten nicht auseinanderdividieren lassen –, dass der Bund stärker, als bis jetzt vereinbart, … Verantwortung übernimmt. … Nur so ist es möglich, dass wir in den nächsten Jahren tatsächlich ausgeglichene Haushalte in den nordrhein-westfälischen Kommunen wiederherstellen können.“

Lieber Herr Minister Jäger, Sie sind von ausgeglichenen Haushalten in den nordrhein-westfälischen Kommunen meilenweit entfernt. Gleichzeitig hat Ihre Partei in Berlin – das wissen Sie ganz genau – eine ganz entscheidende Chance verpasst. Sie haben hier in diesem Hause ganz große Reden geschwungen, der Bund müsse etwas tun, er müsse sich bei der Eingliederungshilfe viel stärker engagieren. – Das, was dabei herausgekommen ist, seitdem Sie in Berlin regieren, ist verdammt wenig. Fragen Sie einmal bei den Landschaftsverbänden nach. Die Landesdirektoren sind allesamt Sozialdemokraten. Sie haben sich in Berlin substanziell nicht durchsetzen können. Eine echte Entlastungswirkung wird es in dieser Bundestagswahlperiode nicht geben. Für die Kommunen und die Sozialhaushalte ist das ein schwerer Schlag. Das ist – dies ist ganz klar – Ihre Achillesferse.

(Beifall von der FDP)

Ich will einfach nur sagen, Herr Minister: Sie müssen – das ist die Schlussfolgerung – sich viel stärker selbst mit neuen Konzeptionen bei den Kommunalfinanzen in Nordrhein-Westfalen auseinandersetzen. Das ist Ihre Verantwortung. Je weniger wir Wunschbildern folgen, desto eher vermögen wir die Realität zu erkennen. Lieber Herr Jäger, Sie sollten die Realität an der Stelle stärker in den Blick nehmen.

Jetzt, Herr Minister – weil in einer guten Debatte dem Wort immer das Widerwort folgt –, will ich etwas zu Ihrer sogenannten Roten Karte sagen.

Das ist ja auch schon ein starkes Stück. Die FiFo-Gutachter haben nicht vorgetragen, dass gestaffelte fiktive Hebesätze Nonsens sind. Sie haben ausschließlich vorgetragen, dass nach Abwägung der Argumente die Wahl von differenzierten Hebesätzen nicht dringlich empfohlen werden kann.

Zugleich haben die Gutachter bezüglich der Höhe der fiktiven Hebesätze zur Berücksichtigung der Steuerkraft Folgendes gesagt: Man sollte am besten – eindeutig sind die Werte wissenschaftlich nicht zu bemessen – in den Probeberechnungen zum Reformmodell einen fiktiven Hebesatz zur Gewerbesteuer von 365 und für die Grundsteuer B von 342 ansetzen.

Herr Minister, davon sind Sie aber mit Ihrem GFG meilenweit entfernt. Ich erkenne ausdrücklich an, dass Sie sich mit dem FiFo-Gutachten auseinandergesetzt haben und dass Sie nach langem Zögern auch gewillt sind, bestimmte wissenschaftliche Erkenntnisse zum Gemeindefinanzierungsausgleich zu berücksichtigen.

Die Themen „Zuschussbedarf“, „Mehrjahresbetrachtungen“ und „Auszahlung aus allgemeinen Deckungsmitteln“ haben Sie genannt.

Im Übrigen: Warum soll eigentlich die Gewerbesteuerumlage da nicht berücksichtigt werden?

Das heißt, Sie machen Rosinenpickerei. Das, was Ihnen politisch in den Kram passt, ziehen Sie raus. Das andere lassen Sie weg. Das ist jedenfalls kein komplett seriöses Gemeindefinanzierungsgesetz, was man eigentlich hätte erwarten müssen, was auch die kommunalen Spitzenverbände erwartet hätten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir können gerne zum Thema „Schüleransatz“, zum Thema „Steuerspirale“ und zu vielen anderen einzelnen auch technischen Details in die Diskussion einsteigen, wenn wir das im Fachausschuss diskutieren. Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, über die wir dort ja auch noch mit externem Sachverstand sprechen werden.

Eines möchte ich Ihnen aber, Herr Minister, noch mit auf den Weg geben. Wir haben ja seit etwas mehr als einer Dekade eine segensreiche Einrichtung in diesem Land. Das ist die Gemeindeprüfungsanstalt. Ich gebe Ihnen den dringenden Tipp: Setzen Sie sich mal mit den Berichten der Gemeindeprüfungsanstalt auseinander!

Vor ungefähr einem Monat gab es einen Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt zu den kleinen kreisangehörigen Kommunen. In dem Bericht heißt es: Die höhere Gewichtung des Soziallastenansatzes im GFG hat für die überwiegend ländlich geprägten kleinen Kommunen zu einem erkennbaren Rückgang der Schlüsselzuweisungen geführt. – Damit war in der Betrachtung das GFG 2011 gemeint.

Das haben Sie ja noch verschlimmbessert. Seither ist viel Zeit vergangen. Es ist noch viel mehr Geld umverteilt worden bei einer Gesamtgemengelage, die unangenehm wird auch für die Kommunen, die derzeit eigentlich noch halbwegs mit ihren Haushalten hinkommen.

Deswegen sage ich Ihnen, Herr Minister: Das GFG 2015 verdient eigentlich kein Lob. Es ist nicht besser als das GFG der Jahre vorher.

Die Teilumsetzung aus dem FiFo-Gutachten ist aus unserer Sicht inkonsequent. Wenn die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren mal stagnieren oder zurückgehen sollten, dann werden Sie erleben, was diese Umverteilungspolitik für Konsequenzen mit sich bringt. Viele Kommunen werden das bitter spüren.

Deswegen können wir Sie dabei nicht unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Krüger das Wort.

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen! Meine Herren! Herr Präsident! Lassen Sie mich erst einmal auf das eingehen, was gerade von Herrn Abruszat vorgetragen worden ist, nämlich auf das Thema „Vergangenheitsbewältigung“. Herr Minister Jäger hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: Ich will nicht auf die Jahre 2005 bis 2010 schauen. – Nur nach dem, was Herr Nettelstroth in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, konnte man gar nicht anders verfahren als hier verfahren worden ist, als Ihnen den Spiegel vorzuhalten, was an Veränderungen hinsichtlich der kommunalen Finanzausstattung vorgenommen worden ist.

Es ist Fakt, dass in Ihrer Regierungszeit durch das Vorenthalten von entsprechenden Steuereinnahmen und der Einspeisung in das Gemeindefinanzierungsgesetz den Kommunen rund 3,5 Milliarden € entgangen sind. Es ist Fakt, dass sich in Ihrer Regierungszeit die Kassenkredite von 10 auf 20 Milliarden € verdoppelt haben. Das muss man sich, wenn man sich zum Anwalt der Kommunen aufspielt, auch immer wieder sagen lassen, auch wenn man das möglicherweise nicht hören möchte.

Herr Abruszat, Sie sprechen von der mangelnden Finanzausstattung der Kommunen und sagen, 9,61 Milliarden € seien viel zu wenig. Sie haben in diesem Zusammenhang an das Bundesteilhabegesetz bzw. die Eingliederungshilfe erinnert und an die entsprechenden Vereinbarungen, die getroffen worden sind. Da teile ich Ihre Einschätzung. Absehbar vor 2018 wird es diese entsprechende Entlastung nicht geben.

Ich habe aber auch nicht den Glauben, dass wir bei einer Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition statt der Großen Koalition mit der FDP einen Anwalt gehabt hätten, der relativ zügig und schleunigst ein Bundesteilhabegesetz eingesetzt hätte mit einer Entlastungswirkung von 5 Milliarden €.

(Zuruf von Kai Abruszat [FDP])

Ich habe noch – dann sind wir beim Thema „Gewerbesteuer“ und deren Entwicklung bezogen auf die Hebesätze – die Diskussion zum Thema „Gewerbesteuerreform“ sehr gut in Erinnerung. Sie haben diese Einnahmequelle abschaffen wollen. Sie waren nicht bereit, Herr Abruszat – das gilt auch für die CDU –, durch eine größere Verbreiterung der Einbeziehung von Freiberuflern, von Architekten, von Ingenieuren, von Ärzten, von Anwälten etc. hier eine größere Bemessungssituation zu haben. Dazu waren Sie nicht bereit.

Hätten wir das damals gehabt, dann würden wir uns wahrscheinlich über die Höhe der Hebesätze und deren Steigerungsraten nicht mehr unterhalten, die wir zum heutigen Zeitpunkt haben.

Dass diese uns nicht gefallen, das ist klar. Aber schauen Sie sich mal die Situation in den einzelnen Städten an! Beispielsweise Wuppertal: Minus 25 Millionen im Zusammenhang mit Steuergestaltungsmodellen. Essen verliert in diesem Zusammenhang entsprechende Einnahmen, die kalkuliert worden sind. Dann bleibt den Kommunen bezogen auf die Frage, wie sie ihre Einnahmesituation gestalten können, gar nichts anderes übrig als die Hebesätze anzuheben.

Wir nehmen mittlerweile die Entwicklung wahr – das gilt insbesondere für den Bereich der Stärkungspaktkommunen –, dass trotz angehobener Hebesätze die Gewerbesteuereinnahmen stagnieren. Sie kennen die Hochrechnung, die die kommunalen Spitzenverbände im Juli bezogen auf die Frage, mit welchen GFG-Zuweisungen zu rechnen ist, gemacht haben. Es ist unter anderem ausgeführt worden, wie sich die Gewerbesteuereinnahmen im Land entwickelt haben. Dabei stelle ich fest – das ist besorgniserregend –, dass die Schere zwischen strukturstarken und strukturschwachen Gemeinden bezogen auf die Gewerbesteuereinnahmen immer größer wird bzw. auseinanderklafft.

Ich möchte Ihnen hier ein paar Beispiele nennen: Bochum hat bezogen auf die zweite Jahreshälfte 2013 und die erste Jahreshälfte 2014 Pro-Kopf-Einnahmen in Höhe von 275 € über die Gewerbesteuer erzielt. Wenn man den mittleren fiktiven Hebesatz zugrunde legen würde, dann wären es nur 238 €. Die Gewerbesteuer-Ist-Einnahmen von Gelsenkirchen liegen bei 191 €. Bei Oberhausen sind es 266 €. Ein letztes Beispiel: Bottrop liegt bei 220 €.

Vergleichen wir das einmal mit anderen Gemeinden: Düsseldorf 1.370 €, Halle in Westfalen 2.360 €, Harsewinkel 1.650 €. Diese Daten beziehen sich alle auf die tatsächlichen Ist-Einnahmen, die in der zweiten Jahreshälfte 2013 und in der ersten Jahreshälfte 2014 erzielt worden sind. Sie machen deutlich, wie groß die Kluft bei den Einnahmen im Bereich der Gewerbesteuer ist.

Insofern ist die Diskussion, inwieweit wir hier zu gestaffelten fiktiven Hebesätzen kommen, die dann auch noch entsprechende Umverteilungseffekte auslösen, völlig kontraproduktiv.

In diesem Zusammenhang würde ich gerne an Ihre Ausführungen anknüpfen, Herr Nettelstroth. Sie hatten den damaligen Verbundsatz mit 28 Punkten – heute sind es 23 Punkte – in Erinnerung gerufen und in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass das einen Mehraufwand von etwa 2,1 Milliarden € ausmachen würde, der den Kommunen vorenthalten würde. Sie müssen Ihrem Fraktionsvorsitzenden einmal erklären, wie er angesichts der Haushaltssituation des Landes zusätzlich 2,1 Milliarden € aus dem Landeshaushalt herausholen will, um die Gemeinden entsprechend auszustatten. Das ist völlig illusorisch.

Wenn Sie eine solche Zahl in die Welt setzen, sollten Sie auch deutlich machen, dass wir bezogen auf die Frage der diversen Förderprogramme damals eine ganz andere Landschaft gehabt haben als zum heutigen Zeitpunkt. Wir bewegen etwa 30 % der Landesmittel in Richtung kommunale Familien. Das läuft über das GFG sowie die verschiedenen Förderprogramme bzw. andere Maßnahmen.

Zum Thema „Kassenkredite“. Herr Abruszat, ich gehe völlig d’accord mit Ihnen, dass wir mit der Entwicklung nicht zufrieden sind wir. Wir sehen aber auch, dass bezogen auf die Frage der Entwicklung der Kassenkredite die großen Zuwächse insbesondere unter Schwarz-Gelb erheblich abgenommen haben. Der Zuwachs ist nicht mehr der, den wir in früheren Jahren kennengelernt haben, und das ist unter anderem eine der Auswirkungen des Stärkungspaktes.

(Kai Abruszat [FDP]: Und das Zinsniveau!)

– Nein, aus dem Stärkungspakt.

Wenn man das Thema „Kassenkredite“ wirksam angehen möchte, greift man auf, was auf der Bundesebene zu diskutieren ist, und zwar zu der Frage: Wie geht es mit dem Soli weiter? Wie kann eine entsprechende Nachfolgeregelung aussehen?

Wir haben uns dafür eingesetzt, dass ein Entschuldungsfonds initiiert wird, in dem der Bund sozusagen die entsprechenden Situationen übernimmt, und dass die Kommunen über übernommene Zinsen entlastet werden. Das wäre eine kluge Antwort, die der Situation Rechnung trägt, wie mit den steigenden Kassenkrediten umzugehen ist.

Mit dem GFG, das heute eingebracht wird, haben wir eine Finanzsumme von 9,61 Milliarden € zu verteilen. Das ist die höchste Summe, die wir jemals hatten. Es ist eine Kraftanstrengung sondergleichen für das Land, diese Gelder bereitzustellen. Durch den Einbruch der Körperschaftssteuer wird es ohne Zweifel wahrscheinlich etwas weniger werden. Wir wissen aber auch, dass es im Bereich der Grunderwerbssteuer Mehreinnahmen gibt. Schauen wir einmal, wie hoch die Summe letztendlich sein wird. Zum Oktober dieses Jahres werden uns genauere Zahlen vorgelegt.

Das wird von den Gemeinden entsprechend anerkannt. Das ist gut so. Die Befrachtungen, die Sie seinerzeit vorgenommen haben, haben wir komplett herausgenommen. Bei der Grunderwerbssteuer haben wir alles so belassen bzw. diese wieder einbezogen. Allein das macht rund 240 Millionen € aus. Das erkennen die Gemeinden an. Insofern freue ich mich auf die Diskussion, die wir in den Fachausschüssen führen werden, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Piratenfraktion spricht der Abgeordnete Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Ich möchte mit einer Entschuldigung beginnen. Denn in der Grußformel meiner letzten Rede habe ich doch tatsächlich den sitzungsleitenden Präsidenten, Herrn Vizepräsident Uhlenberg, vergessen, was ich zutiefst bedaure. Ich möchte mich an dieser Stelle förmlich dafür entschuldigen und bitte Herrn Präsidenten Dr. Papke, ihm dies zu überbringen. Weil er leider nicht im Saal ist, wird er es im Protokoll lesen können. Das ist umso bedauerlicher, als meine erste Rede hier im Plenum unter der Sitzungsleitung von Herrn Uhlenberg stattgefunden hat und meine letzte Rede, so denn mein Name in den Redeprotokollen aufgeführt worden ist, die einhundertste war.

(Minister Guntram Schneider: Zum Thema!)

Wir reden hier über die Einbringung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2015. Hier setzt sich fort, was wir von der Landesregierung bereits zum Haushalt gehört haben. Das ist alles ein bisschen halbgar, und vor allen Dingen ist es kraftlos. Denn die Finanzausgleichsmasse steigt um 1,56 %.

Diese Angaben basieren auf den Einnahmeerwartungen des Landes nach der Mai-Steuerschätzung 2014 und sind insofern noch vorläufig. – Das ist ein Zitat des Ministeriums für Inneres und Kommunales.

In der Zwischenzeit muss der Finanzminister erhebliche Steuereinnahmeeinbrüche in NRW verzeichnen. Davon betroffen sind natürlich auch die Kommunen. Die großen Energieversorger sitzen dabei auch noch in einer Kommune wie Essen. Wir ziehen einmal in Zweifel, dass wir das ganze Ausmaß dieser Ausläufer in dem uns vorliegenden Entwurf zum GFG 2015 widergespiegelt finden können.

Indes rufen die Kommunen in NRW dringend um Hilfe, Herr Minister Jäger. Sie rechnen Ihnen, liebe Landesregierung, wie jedes Jahr vor, dass die ausgezahlten Summen nicht ausreichen, um die ihnen übertragenen Aufgaben sinnvoll auszuführen, ohne dabei in die totale Überschuldung abzurutschen.

Die Zahlen, die das tatsächlich widerlegen könnten, lieber Herr Minister Jäger, werden zur Verschlusssache erklärt. Wie viel Angst müssen Sie vor den Haushaltszahlen dieser Kommunen haben, wenn Sie sie nicht veröffentlichen wollen! Nennen Sie doch bitte einmal die größten Baustellen im Land NRW.

Wir haben im bundesweiten Vergleich in NRW den höchsten Grad an Übertragung von Aufgaben an die Kommunen. Mit der Inklusion haben Sie noch vor der Sommerpause eine weitere Aufgabe weitergegeben – das haben eigentlich wir im Plenum hier getan –, die nun auf die Kommunen zukommt. Ob das dafür bereitgestellte Geld ausreichen wird, erfahren wir wahrscheinlich erst wieder dann, wenn das Kind sprichwörtlich in den Brunnen gefallen ist. In diesem Zusammenhang zeigt sich in meiner Wortwahl, was den Brunnen angeht, tatsächlich die Dramatik der Auswirkung bestimmter Unterlassungen.

Dramatische Auswirkungen ganz anderer Natur erleben wir momentan leider auch bei der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen – ich hatte das Thema vorhin schon angesprochen –, also von Menschen, die nur mit den Dingen, die sie am Körper tragen, zu uns kommen und unsere Hilfe brauchen. Menschenwürdige Unterbringung muss dezentral und modern organisiert sein. Das benötigt Geld, aber weniger Geld als eine unbenutzte Zeltstadt wie in Duisburg. Und egal, worüber wir uns hier demnächst streiten wollen: Daran müssen wir gemeinsam arbeiten.

Nachdem ich Ihnen hier nun zunächst die direkten Auswirkungen auf die Menschen in den Kommunen aufgezeigt habe, dies es zu lösen gilt, kommen wir jetzt zum Aufschrei der Kommunen in Bezug auf die marodierende Infrastruktur. Gleichsam …

(Ulrich Alda [FDP]: Marodierende Infrastruktur?)

– Bitte?

(Christian Lindner [FDP]: Marodierende Infrastruktur?)

– Entschuldigung, marode. Danke, Herr Lindner. Eine Infrastruktur marodiert selbstverständlich nicht.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Ministerin Sylvia Löhrmann: Wie wäre es mit „vagabundierende“?)

– Nein, die bewegt sich nicht. Das ist ja das Problem. Die Infrastruktur ist so desolat, dass eine Bewegung über dieselbe sehr schwer möglich ist. Und wenn das so weitergeht, wird es auch so bleiben.

Aber gleichsam wie im Land verfallen gerade im Bereich Verkehr wichtige Strecken bei den Straßen- und U-Bahnen. Gleichsam reiht sich Verkehrskollaps an Verkehrskollaps aufgrund von Instandsetzungen; das ist nicht nur bei den Landesstraßen so, sondern auch bei den Straßen der Kommunen der Fall. Die flächendeckende Flickschusterei ähnelt einer infrastrukturellen Kleingeisterfahrerei, die aber aufgrund der fiskalpolitischen Gegebenheiten leider vorgeschrieben ist. Hier hätten das Land NRW und damit auch der Gesetzgeber, also wir hier im Hause, die Möglichkeit, etwas zu ändern.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was denn?)

Gucken wir doch einmal, was sich im Vergleich zum letzten Jahr geändert hat, also zum Haushalt 2014, jetzt in Ansehung des GFG 2015. Mehr Städte zahlen den Kommunalsoli. Die Opposition, also wir, würden „Abundanzumlage“ sagen. Manche witzeln auch „die Auswirkungen von Lex Monheim“. Die Landesregierung verfolgt diese Strategie mittlerweile nicht mehr nur in Nordrhein-Westfalen, sondern als Exportschlager auch bundesweit. Die Steuerautonomie soll dabei am besten gleich abgeschafft werden,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das steht im Parteiprogramm der Piraten!)

und wenn es nach dem Willen der SPD geht, dann wird aus allen Kommunen in Deutschland Geld in die SPD-Hochburgen transferiert.

(Minister Ralf Jäger: Wie soll das denn gehen?)

– Das werden wir in den Ausschussberatungen aufzeigen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was denn konkret!)

Außerdem ist das sicherlich eine hypothetische Annahme,

(Minister Ralf Jäger: Ja, aber sehr hypothetisch!)

die aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht so ganz unwahrscheinlich ist und auch schon zu beobachten war.

Auch hier zeigt die Landesregierung nämlich selbst auf, dass es aus ihrer Sicht eben keine Alternative mehr gibt, wie man Politik in NRW flächendeckend gut und sinnvoll gestalten kann. Auch in diesem Teilbereich der Landesregierung zeigt sich also, dass das „Team Kraftlos“ am Werk ist.

Kommen wir jetzt einmal zum FiFo-Gutachten. Eigentlich hatten wir bereits zur Beratung des …

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Nein, das wissen wir auch.

Eigentlich hatten wir bereits zur Beratung des GFG 2014 erwartet, dass die Ergebnisse eingearbeitet werden. Das ist nicht erfolgt. Jetzt, zum GFG 2015, können wir erste Schritte erkennen, aber bei genauerer Betrachtung sieht man auch, dass nicht alle im FiFo-Gutachten angesprochenen Punkte umgesetzt wurden.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ach!)

Herr Minister Jäger, Sie hatten im letzten Jahr eine Kommission zur Umsetzung der Ergebnisse im GFG 2015 eingerichtet. Daher fragen wir Sie: Können Sie uns hier erklären, warum nicht alle Ergebnisse übernommen wurden? Dafür muss es doch einen Grund geben.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das steht in der Begründung des Gesetzes! Das müssen Sie mal lesen! Das ist interessant!)

Bevor wir das GFG abschließend bewerten werden, werden wir penibel auf die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände achten, die nämlich dasselbe Ergebnis, das ich hier gerade vorgetragen habe, feststellten. Im Beratungsverfahren muss klar und deutlich eine Aussage erfolgen, ob Sie, Herr Minister Jäger, die Ergebnisse nicht umsetzen konnten oder einfach nicht umsetzen wollten.

Natürlich stimmen wir der Ausschussüberweisung zu. Ob sich unsere kritische Haltung aufgrund der eben angesprochenen Punkte allerdings ändern wird, bleibt zu bezweifeln. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den gesamten Beratungskomplex aus Haushalt, anderen Gesetzen und GFG.

Ich lasse erstens über die Überweisung des Nachtragshaushaltsgesetzes 2014 abstimmen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/6700 an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer möchte für diese Überweisungsempfehlung stimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich lasse zweitens über die Überweisung des Gesetzes zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen abstimmen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6688 an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer ist dafür? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das ebenfalls einstimmig angenommen und entsprechend überwiesen.

Ich höre gerade per Zuruf – das ist in meiner Vorlage nicht enthalten –, dass interfraktionell verabredet worden war, diesen Gesetzentwurf auch an den Ausschuss für Kommunalpolitik zur Mitberatung zu überweisen. Ist das richtig? – Ich sehe zustimmendes Nicken. Dann erweitern wir die Überweisungsempfehlung entsprechend. Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Damit ist diese erweiterte Überweisungsempfehlung ebenfalls einstimmig angenommen.

Ich lasse drittens über die Überweisung des Haushaltsgesetzes 2015 abstimmen. Nach dem Vorschlag des Ältestenrates soll die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksachen 16/6500 und 16/6710 sowie der Finanzplanung 2014 bis 2018 mit Finanzbericht 2015 des Landes Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/6501 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an die zuständigen Fachausschüsse mit der Maßgabe erfolgen, dass die Aussprache zum Personalhaushalt einschließlich aller personalrelevanten Ansätze im Haushalts- und Finanzausschuss unter Beteiligung seines Unterausschusses „Personal“ erfolgt. Wer möchte unter diesen Bedingungen der Überweisung zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich lasse viertens und letztens über die Überweisung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2015 abstimmen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6502 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer möchte dieser Empfehlung folgen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen..

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe auf Tagesordnungspunkt

2   Betreuung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen in NRW verbessern – Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt muss Vorrang vor öffentlich geförderter Beschäftigung haben

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6681

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Alda das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Ulrich Alda (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe letzte noch verbliebene Zuschauer! Herr Minister, diesen Antrag haben wir schon vor einem Jahr vorbereitet und ihn abwartend in der Schublade liegen lassen – mal schauen, was passiert. Das Ergebnis ist: Rot-Grün hat in Nordrhein-Westfalen nur eine soziale Fassade aufgestellt. Die Situation der Menschen auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich immer mehr, insbesondere die Perspektivlosigkeit. Die Umverteilungsrhetorik bringt den Bürgerinnen und Bürgern in der Langzeitarbeitslosigkeit allerdings keinerlei Chance, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und am Wohlstand teilzuhaben.

(Beifall von der FDP)

Nordrhein-Westfalen gelingt es nicht, die Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern. Jeder dritte Langzeitarbeitslose lebt in NRW. Das sind 300.000 Personen, die eine hohe Last für die öffentlichen Kassen bedeuten. Um das einmal in Zahlen zu fassen: Im Haushalt 2014 waren es 1,3 Milliarden €. Im Haushalt 2015 sind schon 1,4 Milliarden € dafür veranschlagt, also 100 Millionen € mehr. Weniger Geld vom Bund bzw. von der Agentur für Arbeit könnte zu sinkenden Arbeitslosenbeiträgen führen.

Die NRW-Regionaldirektion der Agentur für Arbeit bestätigt dem bevölkerungsreichsten Bundesland eine hohe, verfestigte strukturelle Arbeitslosigkeit.

Maßnahmen für einen sozialen Arbeitsmarkt sind teuer. Dadurch wurden bisher nur 1.100 Stellen geschaffen.

Herr Minister Schneider, Sie rufen da bereits nach mehr Geld. Ihre Feststellung, dass 100.000 Stellen fehlen, ist richtig. Weitere Milliarden des Bundes einzufordern, ist allerdings der falsche Weg. Die Landesregierung muss sich darauf konzentrieren, Langzeitarbeitslose tatsächlich in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. NRW braucht keinen riesigen und teuren Sektor öffentlich geförderter Arbeit.

Laut einer von der FDP veranlassten Forsa-Umfrage meinen 61 % der Bevölkerung, dass die NRW-Landesregierung auf diesem Wege tatsächlich zu wenig tut.

An dieser Stelle darf ich mit Erlaubnis des Präsidenten auch beispielhaft für Hagen, Herr Minister, Ihre verlängerte Werkbank in Hagen, Jochen Marquardt vom DGB, zitieren:

„So bleiben die zahlenmäßigen Rückgänge im Promillebereich und die Situation für die Langzeitarbeitslosen verfestigt sich weiterhin.“

Bei der Landesregierung müssten aufgrund der Sirenen der Gewerkschaften zumindest alle Alarmsignale angehen.

Ein Skandal ist es darüber hinaus, dass in Westdeutschland nur in Nordrhein-Westfalen keinerlei Rückgänge zu verzeichnen sind.

Herr Minister, was halten Sie davon, das zu tun, statt immer neue Programme vorzustellen, die nichts anderes sind als sehr, sehr alter Wein in immer neuen Schläuchen? Damit meine ich nicht die Großindustrie. Sie wird Ihnen in Nordrhein-Westfalen keine Arbeitsplätze mehr schaffen.

Wir haben hier aber glücklicherweise den Mittelstand. Sprechen Sie doch einmal mit den vielen Unternehmen darüber, warum diese keine Menschen aus den Problemgruppen einstellen. Sprechen Sie mit den kleinen und mittleren Unternehmen – aber bitte nicht an der Buffet- oder Cocktailfront; damit meine ich die IHK-Empfänge und die Verbände. Sprechen Sie tatsächlich mit den Unternehmern, um einmal deren Sorgen zu hören.

(Beifall von der FDP)

Die Belastungen der Unternehmen haben deutlich zugenommen: ausgesetzte Senkung des Rentenversicherungsbeitrags; sehr hohe Gewerbesteuer; die Wirtschaft wird von Bürokratie und Abgaben erdrückt und hat keine Ressourcen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Dies wird noch zunehmen – das sage ich Ihnen voraus – durch Mindestlohn, Rente mit 63 und deren ganze Folgen.

Fragen Sie einmal einen Betroffenen, wie es ist, wenn man nur noch für drei Monate Aufträge hat und nicht weiß, wie es danach weitergeht. Fragen Sie einmal nach extremen Kostensteigerungen bei der Energie, die auch hier in Nordrhein-Westfalen zuschlagen, Banken, die trotz niedriger Zinsen, die sie selbst zahlen, die kleinen Unternehmer wegen eventuell fehlender Sicherheiten drangsalieren und Liquiditätsverlust durch vorgezogenen Sozialbeitrag.

Herr Minister, deshalb bitte ich Sie: Gehen Sie an diejenigen heran, die die Last tragen. Wir von der FDP fordern hier ein Umdenken hin zum ersten Arbeitsmarkt, und zwar über die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das ist die zentrale Forderung unseres Antrags. Im Punkt 3 ist sie auch ganz klar definiert.

Wir freuen uns – auch aufgrund der bisherigen Zusammenarbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen – auf die intensive Diskussion im Ausschuss. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Jansen das Wort.

Daniela Jansen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Alda, als ich den Titel des Antrags gelesen habe, war ich eigentlich positiv überrascht und habe gedacht: Wie schön, dass Sie sich auch mal mit Langzeitarbeitslosen beschäftigen. Da kommt ja fast ein bisschen eine sozialliberale Klangfarbe zum Tragen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das kriegen die nicht hin!)

Darüber habe ich mich gefreut. Und da ich ein höflicher Mensch bin, nenne ich erst mal die Dinge, bei denen ich Ihnen vorbehaltlos zustimmen kann.

Zustimmen kann ich Ihnen auf jeden Fall darin, dass wir zu wenig Geld für Maßnahmen haben, die Langzeitarbeitslosigkeit zu beenden. Auch die öffentlich geförderte Beschäftigung ist nur ein kleiner Tropfen auf den sehr heißen Stein Langzeitarbeitslosigkeit. Darin stimme ich Ihnen zu.

Berechtigterweise muss man sagen, dass die Abschmelzung des Eingliederungstitels noch erheblich zu der Schieflage beigetragen hat, die durch die schwarz-gelbe Regierung zu verantworten ist.

(Beifall von Martina Maaßen [GRÜNE])

Da wir das heute schon oft genug gehört haben – Schwarzer Peter hin oder her –, will ich gar nicht so lange darauf eingehen. Der Vollständigkeit halber wollte ich es aber gerne nennen. Wir hoffen nun auf die Bundesebene, dass das Bundesprogramm unserer Arbeitsministerin ein Stück zur Verbesserung der Situation beitragen kann.

Leider war es das schon mit den positiven Dingen; jetzt komme ich zu den negativen Punkten, lieber Herr Kollege. Wenn man den Antrag liest, dann muss man schon sagen, dass da eine – wie soll ich es nennen? – Betonhaltung Ihrer Partei zum Ausdruck kommt. Dort heißt es – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Nur eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt wird daran mittel- und langfristig etwas ändern.“ Ich muss Ihnen ganz klar sagen: Das geht leider an der Realität vorbei.

Ich habe vor einigen Wochen mal eine „TatKraft“-Woche gemacht und war in zwei Sozialunternehmen. Das eine war eine Wäscherei, die ein Projekt zum Thema „öffentlich geförderte Beschäftigung“ hatte, das andere war ein Sozialkaufhaus. In beiden Unternehmen habe ich Menschen kennengelernt, zu denen ich ganz klar sagen muss: Sie sind für eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt nicht geeignet. Das ist einfach so.

Ich habe dort eine Ende 40-jährige Arzthelferin kennengelernt, die ihre Ausbildung gemacht hat, als es noch keine Computer gab. Ihr Arzt hat die Praxis dann leider geschlossen, sie fand keinen Anschluss und ist seit ungefähr 15 Jahren arbeitslos.

Ich habe im Sozialkaufhaus einen Mann getroffen, der einen ganz klar vorstrukturierten Tagesablauf hatte und völlig irritiert war, als die Sozialarbeiterin gesagt hat: Wir gehen mal nach oben in den Raum und sprechen mit Frau Jansen, wie es Ihnen hier geht, was Sie so machen, wie Sie das empfinden. Dieser Mensch war aufgrund der kleinen Intervention, der kleinen Interaktion völlig durcheinander, schaute sich irritiert um und wusste gar nicht mehr genau: „Wie geht denn der Tag für mich weiter?“, bis die Sozialarbeiterin gesagt hat: Ganz ruhig, du kannst gleich wieder an deine Arbeit gehen.

Ich glaube nicht, dass Sie Menschen wie diese in den ersten Arbeitsmarkt entlassen können. Deswegen muss ich sagen, dass Ihr Antrag in dem Fall völlig an einer praktikablen Lösung für die Langzeitarbeitslosen vorbeigeht.

(Beifall von Martina Maaßen [GRÜNE])

Vielleicht muss man auch erwähnen, dass die alte Forderung nach dem Wegfall der Vorverlegung des Fälligkeitstermins, die Sie noch draufpacken, ihr Übriges dazutut, sodass man nicht so ganz ernst nehmen kann, was Sie uns hier als Antrag vorlegen.

Deswegen sage ich Ihnen: Die SPD-Fraktion wird sich ganz sicher nicht verweigern, Konzepte für einen sozialen Arbeitsmarkt zu erarbeiten. Aber das, was Sie vorgelegt haben, entspricht nicht der Wirklichkeit und kann auch nicht dazu beitragen, die Teilhabe von Menschen an der Gesellschaft durch Arbeit zu erreichen.

(Zuruf von Ulrich Alda [FDP])

Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Kerkhoff das Wort.

Matthias Kerkhoff (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Westfalenpost“ titelte Anfang August: „Arbeitslose: NRW führt Statistik an.“ Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man sagen: Endlich hat mal jemand eine Statistik gefunden, in der Nordrhein-Westfalen vorne liegt. Aber, meine Damen und Herren, hinter dieser Überschrift stecken Zahlen und Daten zum Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen und vor allem Menschen, denen es nicht gelingt, in Arbeit zu kommen.

(Beifall von der CDU)

In Nordrhein-Westfalen werden im Jahresdurchschnitt über 770.000 Arbeitslose erwartet. Das sind mehr als 2013. Damit steht Nordrhein-Westfalen als einziges Flächenland in Deutschland am Jahresende wohl mit steigenden statt sinkenden Arbeitslosenzahlen da. Von diesen 770.000 sind mehr als 300.000 Langzeitarbeitslose; Kollege Alda hat eben darauf hingewiesen. Jeder dritte Langzeitarbeitslose, den es bundesweit gibt, lebt in Nordrhein-Westfalen.

Minister Schneider, was ist Ihre Antwort auf diese Entwicklung? – Sie holen das abgegriffene Drehbuch hervor und rufen mal wieder nach der Bundesregierung, die dieses Problem lösen müsse,

(Beifall von der CDU)

wie immer, wenn im eigenen Zuständigkeitsbereich Probleme auftauchen. Minister Schneider fordert Hilfe vom Bund und begründet dies damit, dass NRW wie kein anderes Bundesland in den letzten Jahren Strukturbrüche zu verkraften gehabt hätte.

Ich sage Ihnen Folgendes: Dieses Land muss eine Landesregierung verkraften, die konzeptionslos ist und dabei zusieht, wie Nordrhein-Westfalen in wichtigen Bereichen zurückfällt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann sind wir sehr schnell bei der Debatte von heute Vormittag, in der Armin Laschet auf die McKinsey-Studie „NRW 2020“ hingewiesen hat. Demnach hat NRW allein zwischen 2000 und 2012 eine Wachstumslücke von 8 Prozentpunkten auf den Freistaat Bayern. Ein Schließen dieser Lücke würde 3,2 Milliarden € Steuermehreinnahmen generieren. Aber nicht nur das: McKinsey hat berechnet, dass wir bei gleichem Wachstum wie Bayern heute 300.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr und unsere Arbeitslosenzahlen damit um ein Drittel reduziert hätten.

Meine Damen und Herren, wir unterstützen den Antrag der FDP, weil er mit der Forderung nach Teilqualifizierung, besserer Betreuung, Jobcoaches und dem Work-First-Ansatz wichtige Anregungen enthält.

(Beifall von der CDU)

Hier ist die Landesregierung in der Pflicht. Es geht um schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, um den Übergang von der Schule in den Beruf, um soziale Integration und Prävention und die Bekämpfung von Sucht. Hier gibt es genügend Ansätze, tätig zu werden. Deshalb sind die Forderungen nach einem massiven Ausbau eines sozialen Arbeitsmarktes an dieser Stelle nicht zielführend.

Wir haben noch längst nicht alles getan, um die Situation zu verbessern. Ich bin nicht bereit, an dieser Stelle klein beizugeben, um Menschen für den normalen Arbeitsmarkt abzuschreiben und sie zu Zehntausenden in Programme zu schicken,

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Minister Guntram Schneider)

ganz abgesehen von den immensen Kosten, die ein solches Programm, wie Sie sich das vorstellen, mit sich bringen würde.

Meine Damen und Herren, ich will noch einen Satz zur Kritik an den Kürzungen der Vorgängerregierung sagen, der sogenannten Instrumentenreform. Ziel war es, Mittel des Bundes effektiver und zielgenauer einzusetzen, um Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Pro Kopf sind die Bundesmittel gleich geblieben wie vor der Wirtschaftskrise. Wir brauchen nicht mehr Programme, sondern wir brauchen konzeptionelle Lösungen, um die Ursachen von Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deshalb kann sich Nordrhein-Westfalen diese Tatenlosigkeit nicht mehr leisten. Die Arbeitsmarktzahlen müssen ein Weckruf für Sie sein, die Politik in diesem Land zu ändern. Dazu fordern wir Sie an dieser Stelle auf.

Auf die Beratungen im Ausschuss in der gebotenen inhaltlichen Tiefe freuen wir uns selbstverständlich auch. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Kerkhoff. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Martina Maaßen (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es stimmt, die Zahl der SGB-II-Arbeitslosen in NRW befindet sich nach wie vor unverändert auf einem hohen Niveau. Wir liegen über dem Bundesdurchschnitt. Ja, es ist richtig, dass Qualifizierung ein Schlüssel zur Überwindung von Arbeitslosigkeit ist. Und ja, wir brauchen mehr sozialorientierte Unternehmen, die öffentlich geförderte Arbeitsplätze anbieten. Dies ist aber auch schon alles an Übereinstimmung mit dem FDP-Antrag.

Die FDP will mehr Qualifizierung. – Ich muss Ihnen sagen, Herr Alda, da tun mir aber meine Ohren weh. Denn es war die FDP, die während ihrer Regierungsbeteiligung die Mittel der Jobcenter für die Eingliederungsmaßnahmen massiv zusammengestrichen hat. Die Mittel, Herr Kerkhoff, sind nicht gleich geblieben; sie sind von 6,6 Milliarden € auf 3,9 Milliarden € gekürzt worden.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Die Folge ist weniger Qualifizierung, weniger Weiterbildung und die Einschränkung öffentlich geförderter Beschäftigung.

Die Betrachtung des Arbeitsmarkts und der Situation langzeitarbeitsloser Menschen greift im FDP-Antrag zu kurz. Der deutsche Arbeitsmarkt ist ein Stück weit erstarrt, teilweise von Angst und prekärer Beschäftigung geprägt. Die Angst der Beschäftigten vor Arbeitslosigkeit ist weiterhin da. Um ihren Arbeitsplatz zu erhalten, sind sie zu größeren Opfern bereit. Die Bereitschaft, Arbeitnehmerrechte wahrzunehmen, verringert sich. Niedrige Einstiegslöhne und Befristungen machen Arbeitsgeberwechsel unattraktiv. Nicht beachtet werden auch die Besonderheit des Arbeitsmarkts in NRW und die spezifischen Problemlagen der langzeitarbeitslosen Menschen.

Die vergleichsweise ungünstige Entwicklung der Fallzahlen in Nordrhein-Westfalen ist im Wesentlichen das Ergebnis zweier Faktoren: einer geringeren Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarkts für Arbeitssuchende aus dem SGB II sowie der spezifischen Zusammensetzung der Gruppe der Leistungsberechtigten.

In Nordrhein-Westfalen sind Personengruppen mit einem überdurchschnittlich hohen Risiko zum Langzeitleistungsbezug im SGB II überrepräsentiert. Das betrifft etwa große Bedarfsgemeinschaften mit fünf oder mehr Personen, Ausländerinnen und vor allem Arbeitslose ohne Berufsausbildung.

Hinzu kommt eine geringere Arbeitsmarktdynamik in NRW. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen ist lediglich um 1 % gestiegen, im Bund jedoch um 1,3 %.

Lassen Sie mich zum vorgeschlagenen Work-First-Ansatz kommen. Dies praktizieren die Jobcenter seit Jahren, und das hat aus unserer Sicht zu einer Konzentration auf arbeitsmarktnahe Menschen geführt. Einhergehend mit den massiven Mittelkürzungen hat sich dadurch die Gruppe der Langzeitarbeitslosen mehr und mehr verfestigt.

Zum Schluss möchte ich zur fachlichen Unkenntnis und den schrägen Verknüpfungen im FDP-Antrag kommen. Entgegen der Wahrnehmung der FDP ist beim sozialen Arbeitsmarkt die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt das Endziel. Und es wird zudem individuell betreut und qualifiziert. Arbeitslosenzentren und Erwerbslosenberatungsstellen haben aber nicht die Aufgabe, zu qualifizieren, sondern zu beraten und zu unterstützen. Die Gesellschaften, die sich die Qualifizierung zur Aufgabe gemacht haben, die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, gehen leider wegen der Mittelkürzungen dank Ihrer Mithilfe reihenweise pleite.

Schräg ist die Verknüpfung zur Vorverlegung des Termins für die Sozialabgaben.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Hier einen Zusammenhang zu mehr Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose herzustellen, bleibt allein der Fachlichkeit der FDP vorbehalten.

Die Boston Consulting Group hat der FDP angeraten, lösungsorientiert, optimistisch, mutig und empathisch zu sein. Meine Damen und Herren, dieser Weg der FDP wird kein leichter sein. Dieser Weg ist nach diesem Antrag steinig und schwer. Denn nicht mit vielen werdet ihr euch einig sein, doch dieses Leben bietet so viel mehr. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Sommer.

Torsten Sommer (PIRATEN): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer hier im Saal und natürlich – wie immer – im Stream! Lieber Uli Alda, erst einmal vielen Dank für den Antrag. Man ist von der FDP nicht immer Anträge gewohnt, die die Perspektive von Arbeitssuchenden oder deren Berücksichtigung so in den Mittelpunkt stellen. Ich finde es jedoch gut, dass ihr es diesmal macht.

(Zuruf)

– Man muss das einmal positiv sehen. Man kann eine Geisteswandlung vollziehen, die dann auch zu begrüßen ist. Das möchte ich ausdrücklich tun.

(Daniela Jansen [SPD]: Das ist in dem Antrag nicht drin!)

Es wird im Antrag ehrlich eingestanden, dass es vonseiten der Politik bisher nicht gelungen ist, verfestigte Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, weder von der Bundes- noch von der Landesebene und egal, unter welchem Farbenspiel. Diese verfestigte Arbeitslosigkeit heißt nun einmal so, weil die Menschen, die es betrifft, seit Jahren und teilweise Jahrzehnten auf Jobsuche sind.

Egal welches System – ob Hartz IV oder vor Hartz IV –, es gibt Menschen, die sind eben nicht durch irgendein System dazu qualifiziert worden, am ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden.

Das muss geändert werden. Insofern stimme ich dem Antrag durchaus zu.

Ob der Work-First-Ansatz da der richtige ist, wage ich einmal zu bezweifeln. Kollegin Maaßen hat gerade schon darauf hingewiesen, dass die Jobcenter schon länger damit arbeiten. Der Erfolg ist – ich sage es einmal vorsichtig – nicht immer durchschlagend.

Wir müssen verstärkt dazu kommen, individuell zu fördern und das Ziel der Vermittlung in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt tatsächlich zu verfolgen. In dem einem oder anderen Jobcenter und auch – vorsichtig formuliert – in der Weiterbildungsindustrie gibt es vielfach immer noch das Problem, dass Menschen für drei oder sechs Monate in Lehrgänge geschickt werden, aber hinterher dennoch keinen Anschluss an den ersten Arbeitsmarkt haben.

Da wird auf Zahlen geschaut, da heißt es dann: Okay, im Bereich der Metallverarbeitung fehlen Facharbeiter, lasst uns dafür Leute ausbilden. Dann werden die Menschen am Standort A in dieser Richtung ausgebildet – gerne auch modulweise; das ist übrigens ein guter Punkt in dem Antrag, das möchte ich noch unterstreichen –, gleichwohl gelingt es hinterher nicht, die Menschen, die aus diesen Maßnahmen kommen, in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Das müssen wir wirklich ändern.

Von daher sehe ich den Antrag der FDP als weiteren Anstoß, den Stein ins Rollen zu bringen. Wir müssen flexibler werden. In diesem Zusammenhang spricht die FDP einen wichtigen Punkt an: Wir dürfen das Ganze nicht mehr nur mit gGmbHs betreiben, sondern wir müssen es öffnen für die ganz normalen Unternehmer. Auch der ganz normale Unternehmer muss in die Pflicht genommen werden und sein soziales Scherflein dazu beitragen.

Es gibt – Kollegin Jansen sagte es gerade – Menschen, bei denen das extrem schwer sein wird und solche, bei denen es vielleicht auch nicht funktionieren wird, aber ebenso gibt es Menschen, bei denen es funktionieren kann. Und es gibt auch Arbeitgeber, die das machen möchten. Hier müssen wir auf beiden Seiten helfen, sowohl dem Arbeitnehmer wie auch dem potenziellen Arbeitgeber.

(Beifall von den PIRATEN)

Von daher freue ich mich über jeden Antrag, der diesem Ziel auch nur ein bisschen näherkommt. Deshalb möchte ich diesem Antrag gerne – auch mit all den Punkten, die ich eventuell etwas anders sehe – einfach nur das Positive abgewinnen, nämlich dass wir uns auf den Weg machen können. Das wäre ein schönes Zeichen; das können wir gerne auch gemeinschaftlich machen.

Ich möchte ausdrücklich das Gemeinsame unterstreichen. In den knapp zweieinhalb Jahren habe ich im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales bis jetzt von keinem Fachpolitiker, von keinem der Kollegen in den Fraktionen irgendetwas anderes gehört, als dass er den Menschen helfen möchte.

Gerade diesen Menschen, die extrem viel Hilfe brauchen, müssen wir gemeinsam helfen. Das Thema eignet sich einfach nicht weiter zum Politisieren und zum Auseinanderdividieren, wie es schon seit 20, 25 Jahren der Fall ist. Lassen Sie uns das beenden, und lassen Sie uns diesen Antrag als kleinen Baustein dafür nehmen, hier wirklich im Sinne der Menschen – und zwar aller Menschen – zu handeln. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Schneider das Wort.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich Herrn Sommer nur anschließen: Wir sollten auch in der Arbeitsmarktpolitik einen permanenten Versuch unternehmen, Konsens herbeizuführen.

Allerdings heißt das nicht, dass man Fehler nicht benennen sollte. Ich bin wirklich etwas erstaunt über den vorliegenden Antrag der FDP. Die FDP hat die Langzeitarbeitslosen entdeckt – das ist doch die Nachricht des frühen Abends! Karl-Hermann Flach ist auferstanden.

Wenn man Ihren Antrag aber einmal näher anschaut, Herr Alda, kommt man zu der Einschätzung: So ganz stimmt das alles nicht.

Zunächst will ich Ihnen sagen: Wir tun alles dafür, auch Langzeitarbeitslose auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen. Sie haben ein Anrecht darauf, am Erwerbssystem teilzuhaben; denn ich denke, dass Teilhabe an Erwerbsarbeit eine Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe schlechthin ist.

Wir dürfen nur nicht darüber hinwegsehen, dass von den eben schon genannten 300.000 Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, eine beträchtliche Anzahl aus vielerlei Gründen nicht so ohne Weiteres in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren ist.

Da gibt es vielfältige Hemmnisse, gesundheitlicher Art, auch anderer Art. Da gibt es vor allem auch das Thema „mangelnde Qualifizierung“. Unsere Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen ist gekennzeichnet durch unterschiedlichste Formen beruflicher Qualifizierung.

Ich will nur darauf hinweisen, dass wir auch zweijährige Berufsausbildungen sowie Teilzeitausbildungen anbieten. Das ist übrigens ein Renner im Rahmen unserer Maßnahmen, sehr gut geeignet für Menschen, die schon älter sind und dringend beruflich qualifiziert werden müssen.

Dass wir über 300.000 Langzeitarbeitslose haben, ist natürlich auch Ergebnis und Konsequenz unserer Wirtschaftsstruktur: eines riesigen Strukturwandels, der im Übrigen nicht aufhört. Wir hatten einmal eine Wirtschaftsministerin, die laut posaunte, das Ende des Strukturwandels sei gekommen. In der Marktwirtschaft gibt es aber das Ende des Strukturwandels nicht.

Deshalb haben wir diese Probleme, und wir versuchen, mit unseren bescheidenen Möglichkeiten – hier ist insbesondere die Finanzierung auch durch den Europäischen Sozialfonds gefragt – gegenzuhalten.

Ich kann natürlich nicht darüber hinweggehen, dass die Instrumentenreform, die schon angesprochen worden ist, dazu geführt hat, dass wir für die Arbeitsmarktpolitik von 2010 bis 2013 ein Minus von 660 Millionen € zu verzeichnen hatten. Das ist kein Pappenstiel. Da muss man wirklich rechnen. Das Geld fehlt für eine aktive Arbeitsmarktpolitik.

Viele Menschen werden den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht schaffen. Dafür wollen wir einen sozialen Arbeitsmarkt installieren. Im Moment ist in diesen Maßnahmen die bescheidene Zahl von 1.200 Personen untergebracht. Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung – ja, ich bin sicher, dass sie dies tun wird – hier nachlegen wird. Es gibt die Ziffer von 30.000 bundesweit, und davon benötigen wir eine ganze Anzahl, weil wir das Land sind, das am meisten betroffen ist.

Nun habe ich mich gefreut, dass sich die FDP mit der Langzeitarbeitslosigkeit beschäftigt. Dann hatten Sie wieder einen Rückfall in marktradikale Zeiten. Ihre Absage an einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn hat mit Arbeitsmarktpolitik überhaupt nichts zu tun, es sei denn, Sie konstruieren einen Kausalzusammenhang zwischen geringen Löhnen und dem Aufbau von Beschäftigung. Überall dort, wo versucht wurde, das in Gang zu setzen, ist man gescheitert.

8,50 € bedeutet nun keine grandiose Lohnerhöhung für die Betroffenen. Wenn Sie das auf 40 Stunden umrechnen, werden Sie feststellen, das ist etwas mehr als der Hartz-IV-Satz. Bisher waren wir uns darin einig, dass derjenige, der arbeitet, mehr kriegen muss als derjenige, der nicht arbeitet. Ich kann nur sagen: Dies stellen Sie über das Infragestellen des Mindestlohns auch infrage.

Dass Herr Kerkhoff darauf hinwies, dass die CDU mit dem Antrag mitgeht, heißt: Auch die CDU in diesem Hause stellt den Mindestlohn infrage. Dann müsste man in Berlin besser abklären, was man nun will. Ich dachte eigentlich, wir wären über diese Ebene der Diskussion hinausgekommen. Niemand in diesem Lande ist doch noch ernsthaft der Auffassung, dass der Mindestlohn nicht notwendig ist.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Minister, darf ich Sie auf die Redezeit hinweisen?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Der letzte Punkt – die Rücknahme der Vorverlegung der Zahlungen für die Sozialversicherungen – ist ein alter Hut. Nähmen wir sie zurück, fehlten den Sozialversicherungskassen etwa 14 Milliarden €. Wir wissen – ich habe hier schon darauf hingewiesen –, dass auch die Wirtschaft eine Rücknahme der Vorverlegung gar nicht wünscht.

Sie sind hier in einer exotischen Ecke. Begeben Sie sich aus dieser Ecke heraus, damit wir zu einer wirklich seriösen Politik zurückfinden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die Landesregierung hat die verabredete Redezeit um etwa 40 % – in Zahlen: um zwei Minuten und zwölf Sekunden – überzogen. Das kann sie machen. Selbstverständlich steht diese Zeit dann auch den Fraktionen zur Verfügung. Wer möchte, kann also noch einmal in die Debatte eingreifen. – Herr Kollege Alda hat sich spontan gemeldet und erhält das Wort.

Ulrich Alda (FDP): Danke, Herr Präsident. – Allgemein: Klischees und Prosa haben wir den ganzen Tag über gehört. Darauf gehe ich gar nicht mehr ein; das wird der Sache auch nicht gerecht.

Seien Sie mir nicht böse: Ich habe mir lange überlegt, ob ich das Wort „Mindestlohn“ in die Debatte einbringe – es steht übrigens gar nicht in dem Antrag –, aber, Herr Minister, ich wusste, über welches Stöckchen Sie wieder springen, und da habe ich gedacht: Bring es doch einmal hinein.

Ansonsten möchte ich ganz einfach sagen: Kollege Sommer, schönen Dank. – Das ist wenigstens einer, der uns zugehört hat. Wir sind nämlich überhaupt nicht gegen einen sozialen Arbeitsmarkt – aber nicht nur. Insbesondere mir kann keiner unterstellen, dass ich gegen einen sozialen Arbeitsmarkt sei.

Herr Minister, fragen Sie einmal Ihren Kollegen Kutschaty. – Jetzt ist er weg. Nein, da geht er gerade herum. Hallo! Können Sie sich erinnern, worüber wir beide uns in der Justizakademie Recklinghausen unterhalten haben? Da ging es zum Beispiel um einen Teil dieser Klientel, nämlich um die Vorbestraften. Was machen wir mit ihnen?

Da habe ich Ihrem Kollegen erklärt, wie man sich als Arbeitgeber fühlt: wie man zum Beispiel von Bewährungshelfern behandelt wird in dem Moment, in dem die Kollegen nicht mehr kommen. Man steht mit seinen Maschinen da und ruft dort an, und dann wird einem gesagt: Ja, Ihnen geben wir doch keine Auskunft.

Das sind die Probleme, auf die Sie endlich eingehen sollten – worum ich diese Regierung in der Diskussion intensiv bitte. Prosa können wir uns nach zweieinhalb Jahren sparen. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6681 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 2 und rufe auf:

3   Bauen mit Holz erleichtern – Bauordnung Nordrhein-Westfalens ändern

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6687 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die erste der beiden antragstellenden Fraktionen, nämlich für die CDU-Fraktion, Herrn Kollegen Deppe das Wort. Da steht er schon. Bitte, Herr Deppe, Sie haben das Wort.

Rainer Deppe (CDU): Herr Papke! Meine Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist Schlusslicht beim Bauen mit Holz. Das wollen CDU und FDP ändern. In einer Untersuchung der Bauordnungen der Bundesländer in diesem Sommer durch das Thünen-Institut rangiert Nordrhein-Westfalen beim Bauen mit Holz mit minus 45 Punkten mit riesigem Abstand auf dem allerletzten Platz. Damit Sie das einordnen können: Auf Platz 1 steht Baden-Württemberg mit einem Wert von plus 2. Das ist die Spannweite dieser Untersuchung.

Die Folgen sind auf den Baustellen zu besichtigen.

Während in Baden-Württemberg 27 % der neuen Häuser aus Holz gebaut werden, sind es in Nordrhein-Westfalen gerade einmal 11 %. Bei rund 20.000 Ein- und Zweifamilienhäusern, die im Jahr 2013 in Nordrhein-Westfalen genehmigt wurden, ist es ein Unterschied, ob 2.200 oder 5.400 Häuser in Holzbauweise entstehen.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Und dann haben wir noch gar nicht darüber gesprochen, dass die Landesregierung den wertvollen Baustoff Holz für den Geschosswohnungsbau de facto unterbindet, weil sie mit ihrer Landesbauordnung immer eine Sondergenehmigung verlangt, wenn man Holz oberhalb der zweiten Etage als Baustoff einsetzen will.

Dabei liegen die Vorteile von Holz für den Nutzer auf der Hand. Ich nenne das gesunde Raumklima, den Wohnkomfort, die kurzen Bauzeiten, die fehlenden Trocknungszeiten, die Möglichkeiten zur Eigenleistung und die ausgezeichneten Dämmeigenschaften. Holz atmet, Holz lebt, meine Damen und Herren.

Im Sinne der Allgemeinheit hat das Bauen mit Holz einen weiteren Vorteil, nämlich eine unschlagbare Ökobilanz. Holz speichert, während es wächst, Kohlenstoff und bindet diesen während der gesamten Nutzungsdauer. Jeder verbaute Kubikmeter Holz speichert den Kohlenstoff von einer Tonne Kohlendioxid. Deswegen ist Bauen mit Holz aktiver Klimaschutz.

(Beifall von der CDU)

Herr Remmel – er ist leider nicht da –, lassen Sie doch Ihren wortreichen Sätzen zum Klimaschutz und zum Holzcluster NRW sowie den Ankündigungen im Koalitionsvertrag endlich einmal Taten folgen!

CDU und FDP wollen, dass Nordrhein-Westfalen zum Holzbauland Nummer eins wird. Wir setzen darauf, dass Ihre Ankündigungen nicht nur hohle Worte bleiben, sondern dass Sie mit uns gemeinsam dafür sorgen, die Hemmnisse abzubauen und dem Holzbau in Nordrhein-Westfalen zum Durchbruch zu verhelfen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Deppe. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie der Kollege Deppe schon dargestellt hat: Holz ist ein vielseitiger Rohstoff. Manche Menschen sagen ja anerkennend, es gebe Holzköpfe, weil Holz ein formbares, wertvolles Produkt mit zahlreichen Inhalten ist. Also muss man bei dem ökologisch orientierten Begriff „Holzkopf“ etwas vorsichtig sein und auch die anerkennende Wirkung sehen.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP – Reiner Breuer [SPD]: Es gibt auch Bretter vorm Kopf! – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Ich habe einen Kamin!)

Meine Damen und Herren, Holz – wir bauen schon lange in Holz – ist ein alter, bewährter Baustoff, jedoch – wie Kollege Deppe eben sagte – im Hochbau kaum vorhanden, weil dem in der Vergangenheit viele, auch berechtigte Hindernisse entgegenstanden. Denken wir an das preußische Baupolizeirecht, ein ausgesprochen liberales Recht. Darin gab es Regelungen zu Nachbarschafts- und Brandschutzfragen. Der Nachbar durfte nicht groß gestört werden. Offenes Feuer ist in einem Holzbau nicht ganz so günstig. Es sei denn, man nimmt den Begriff „Flächensanierung“ hinzu, Herr Groschek. „Oberhausen“ sage ich dazu nur; das wäre ein Beispiel.

(Minister Thomas Kutschaty: Was soll das denn? – Lachen von Minister Michael Groschek)

Auch der Brandschutz ist eine ganz wichtige Sache. Das Löschwesen war früher nicht so ausgeprägt wie heute. Aus all diesen Gründen kann Holz im Bau bisher nur begrenzt eingesetzt werden.

Aber heutzutage ist Holz ein High-Tech-Baustoff. Die riesigen Hallen unserer Kohlevergleichsmäßigungsanlagen – für die Kollegen aus dem Revier: das waren diese großen Rundlinge, die weiß angestrichen in der Gegend standen, in denen der damals wertvolle Rohstoff Kohle vermischt wurde, um als homogener Brennstoff verkauft werden zu können – waren aus Brandschutzgründen mit Leimholz gebaut worden. Man hat dafür keinen Stahl genommen, weil die Brandwiderstandskraft von Stahl geringer ist als die von Holz.

Es gibt also viele Gründe, dass man sich dem Holz gegenüber öffnet und von dem vom Kollegen Deppe zu Recht angesprochenen Sonder­geneh-migungsverfahren Abstand nimmt. Meine Damen und Herren, derjenige, der Ja zum Holzcluster sagt, der muss auch Ja zu mehr Holz im Bau und auch Ja zur Vereinfachung sagen.

Da wir hier kein singuläres Problem lösen wollen – das könnte ja als Ausrede gebraucht werden –: Herr Minister, bei Rauchmeldern wollten wir nicht abwarten, bis das in der Bauordnung geregelt ist; da haben wir eine Sonderregelung gemacht. Wenn wir damit den Absatz von Holz steigern können, machen wir auch hier eine Sonderregelung oder verpflichten uns zumindest – wie wir es im Antrag dargestellt haben –, Ja zum Holz zu sagen und Verfahrensvereinfachungen durchzuführen.

Ich würde es begrüßen, wenn die Landesregierung die Möglichkeit ergreifen würde, über die Bundesregierung auf die EU einzuwirken, dass im Sinne eines umfassenden Bauleistungsdienstrechts­verein-fachungsverfahrens auf EU-Ebene dieser Standard EU-weit festgeschrieben wird. Ich glaube, dann wären wir einen Schritt weiter beim Holzabsatz, bei der Verfahrensvereinfachung und bei der Genehmigungspraxis. Und unserer Bauwirtschaft hätten wir auch etwas Gutes getan.

Wer Ja zum Holz sagt, sagt auch Ja zu unserem Antrag. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Philipp.

Sarah Philipp (SPD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst einmal auch im Namen meiner Fraktion ganz herzlich beim Deutschen Holzwirtschaftsrat für den heutigen Antrag bedanken. Wenn man sich den Antrag durchliest und schaut, was der Deutsche Holzwirtschaftsrat auf seiner Internetseite formuliert, sind Parallelen sehr klar zu erkennen. Viele eigene Ideen hat die CDU bei der Formulierung auf jeden Fall nicht einfließen lassen. Das kann man erkennen, wenn man die Pressemitteilung des DHWR vom 20. Mai genau anschaut.

(Reiner Breuer [SPD]: Hört, hört!)

Da erklärt der Geschäftsführer, Dr. Denny Ohnesorge – ich zitiere –:

„Holz hat als Bau- und Werkstoff große ökologische sowie klimapolitische Vorteile gegenüber anderen Materialien und leistet als nachwachsender Rohstoff einen wesentlichen Beitrag zur ressourcenschonenden und nachhaltigen Entwicklung des Bauwesens.“

(Holger Ellerbrock [FDP]: Wo der Mann recht hat, hat er recht!)

Sehr viel mehr als einzelne Wörter wurde im Antrag nicht getauscht. Das gilt auch für weitere Zeilen; aber darauf einzugehen, will ich mir an dieser Stelle sparen.

Allerdings können wir Ihnen auch bei manchen anderen Dingen, die in diesem Antrag stehen, durchaus zustimmen. Denn – da sind wir uns auf jeden Fall einig, das haben die Kollegen auch schon angesprochen – aufgrund nachhaltiger Forstwirtschaft haben wir in Deutschland keine Holznot mehr wie noch vor 200 Jahren. In Deutschland wird mehr Wald angebaut als gerodet. Und Holz wird als Baustoff mit sehr vielen vorteilhaften Nebeneffekten wahrgenommen.

Wir haben die positiven Aspekte zu dem Thema gerade von den Kollegen gehört. Wie gesagt, das ist im weitesten Sinne unstrittig. Die Argumentation ist deswegen auch zu teilen – so weit, so gut, aber – auch das muss man sagen – nichts wirklich Neues.

Wir finden, in Ihrem Antrag lassen sich noch viele Aspekte finden, die nicht ordnungsgemäß oder nicht ausreichend bearbeitet worden sind. Deswegen möchte ich nun einige Punkte aufzählen, bei denen wir noch Diskussionsbedarf haben.

Erstens. Sie schreiben – ich zitiere –: „Wer die Verwendung von Holz im Bau fördert, trägt aktiv zum Klimaschutz bei.“ Wenn Sie auf die klimaschonende Wirkung von Holz hinweisen, dann müssen Sie aber auch betonen, dass diese nur dann zum Tragen kommt, wenn die Wälder nachhaltig bewirtschaftet werden. Und ein Hinweis auf eine Zertifizierung, die anzeigt, ob ökologische, wirtschaftliche oder soziale Standards in der Forstwirtschaft eingehalten werden, hätte die Sache an dieser Stelle richtig rund gemacht. Dieser Aspekt der Nachhaltigkeit fehlt hier in Gänze, sodass Sie am Ende noch Abholzung und Raubbau mit Klimaschutz rechtfertigen könnten, wenn man es auf die Spitze treiben würde.

Zweitens. In der Begründung Ihres Antrags führen Sie mehrfach Baden-Württemberg als Musterknaben bei der Landesbauordnung an. Dass aber die Menge des geschlagenen Holzes im Schwabenland mehr als doppelt so groß ist wie die in NRW und dass der Holzwirtschaft dort deswegen insgesamt eine ganz andere Bedeutung zukommt, das erwähnen Sie leider nicht. Das wäre aber auch ein wichtiger Punkt gewesen.

Drittens. Zu guter Letzt ist der Antrag aktuell überflüssig, weil er sich eben nur – Kollege Ellerbrock hat es gesagt – auf einen Einzelaspekt der Landesbauordnung bezieht, während die Landesregierung schon längst mit einer Überarbeitung der Landesbauordnung insgesamt befasst ist. Das hat Minister Groschek bereits im September 2012 in seiner Regierungserklärung angekündigt. Angekündigt wurde damals auch, dass die Überarbeitung des Gesetzes auch eine Flexibilisierung im Bereich Bauen mit Holz enthalten wird.

Also: Wir warten noch auf den Gesetzentwurf, um die Änderungen im Paket verabschieden zu können. Die Rosinen heute herauszupicken, das kann man sich eigentlich sparen. Wir würden uns gerne gemeinsam mit Ihnen die Energie für die parlamentarischen Beratungen über den eigentlichen Gesetzentwurf sparen.

Wir halten diesen Antrag zum aktuellen Zeitpunkt also für überflüssig, freuen uns aber selbstverständlich auf die Beratung im Ausschuss und stimmen der Überweisung natürlich zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Philipp. – Für die Grünen spricht Frau Kollegin Schneckenburger.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Deppe, ich freue mich sehr, dass die CDU – das hörte sich an diesem Tag eine ganze Zeit lang anders an – den Klimaschutz und die CO2-Vermeidung als wichtiges Ziel der Landespolitik erkannt hat, jedenfalls dann, wenn es um das Bauen mit Holz geht. Das kann man nur ausdrücklich begrüßen.

In der Tat: Bauen mit Holz ist ein Beitrag zum Klimaschutz, ist ein Beitrag zur CO2-Vermeidung. Darum laufen Sie bei uns politisch auch offene Türen ein. SPD und Grüne haben in ihrem Koalitionsvertrag schon 2012 miteinander vereinbart, dass der Einsatz von Holz als Baustoff forciert und erleichtert werden soll. Es ist völlig richtig: Die Bauordnung in Nordrhein-Westfalen muss an dieser Stelle verändert werden. Die Musterbauordnung bietet erheblich mehr Spielräume für das Bauen mit Holz. Wir haben uns politisch dazu bekannt, die Veränderungen in diese Richtung mit vorzunehmen.

Insofern begrüße ich, dass Sie Ihren Antrag jetzt auch zur Beratung in den Ausschuss geben. Eine direkte Abstimmung, wie ursprünglich vorgesehen, wäre in der Sache kontraproduktiv gewesen, weil sie im Ergebnis nur darauf gezielt hätte, jetzt einen bestimmten Effekt zu erreichen und nicht in der Sache miteinander zu diskutieren.

Das Thema „Bauen mit Holz“ wird sich mit Sicherheit in der Novelle der Landesbauordnung wiederfinden. Da braucht es auch keinen Lobbyverband oder Wirtschaftsverband an der Stelle. Das wird sich schon deswegen dort wiederfinden, weil es das gemeinsame Interesse gibt, dem Bauen mit Holz einen größeren Stellenwert einzuräumen und insbesondere bei der Frage der Geschossigkeit zu dem aufzuschließen, was an anderer Stelle in der Bundesrepublik schon Standard ist.

Wir wissen, dass in den nächsten Jahren trotz des demografischen Wandels in Nordrhein-Westfalen vermehrt wird gebaut werden müssen, weil wir weiterhin einen Zuwachs an Haushalten haben werden und/oder weil Abriss und Umbau von abgängigen Gebäuden künftig zunehmen werden. Darum muss gerade an dieser Stelle der Baustoff Holz stärker in unseren Fokus rücken.

Es ist ein nachwachsender Rohstoff – Frau Philipp, Sie haben es richtig gesagt. In der Tat muss man da auch auf eine nachhaltige Bewirtschaftung achten. Aber das gilt natürlich grundsätzlich für die Wirtschaftsweise der Unternehmen insgesamt im Land, nicht nur in Nordrhein-Westfalen.

Über die technischen Einzelheiten sollten wir uns aber verständigen. Das tut man am besten, indem man eine gemeinsame Debatte im Ausschuss führt. Ich glaube, dass wir – auch das ist Ihnen meines Wissens bekannt – in unmittelbaren Zeiträumen mit dem Entwurf einer Novelle der Landesbauordnung zu rechnen haben. Sie wissen, dass es da um komplexe Themenfelder, um unterschiedliche Themenfelder geht, die im gemeinsamen Verfahren zusammengebunden werden.

Es wäre mit Sicherheit weder nachvollziehbar noch produktiv für die parlamentarische Arbeit, wenn man vorgezogen an dieser Stelle in eine Novelle gehen wollte. Das muss man mit der Novelle der Landesbauordnung insgesamt machen. Lassen Sie uns an dieser Stelle in ein gemeinsames ordentliches Verfahren gehen.

Wir sind jedenfalls froh, dass unser Wunsch, mehr Bauen mit Holz zu ermöglichen, auch bei Ihnen aufgenommen wird. In der Sache laufen Sie da offene Türen ein. Nichtsdestotrotz: Der sorgfältige Abwägungsprozess ist an dieser Stelle für die Novelle der Landesbauordnung insgesamt wichtig und richtig. Wir freuen uns insofern auf eine gemeinsame Debatte und die entsprechende Vorlage des Hauses. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneckenburger. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Märchenfreunde! Sicherlich kennen Sie die Geschichte von den drei kleinen Schweinchen – ich meine jetzt niemanden von uns hier, sondern das Märchen –:

(Heiterkeit von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Ein Haus aus Stroh macht froh, ist aber nicht sicher. Ein Haus aus Holz macht stolz, ist aber nicht sicher. Ein Haus aus Stein, das muss es sein. – Es ist klar: Wer bei etwas so Wichtigem wie dem eigenen Heim an der falschen Stelle spart, muss sich nicht wundern, wenn der böse Wolf das Haus einfach wegpustet. Das ist genauso wie beim Landeshaushalt.

(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN)

Jetzt kommt Rainer Deppe mit dem Antrag und sagt: Die Moral funktioniert nicht mehr. Das Schweinchen mit dem Holzhaus lebt doch viel gesünder und ökologischer, hat ressourcenschonend gehandelt und tut außerdem noch etwas für den Klimaschutz. – Und Herr Ellerbrock unterstützt das auch noch. Das schöne Märchen! Hätte das aktuelle Märchen von der schwarzen Null genauso funktioniert, hätte mich das auch gefreut. Aber auch hier haben Herr Deppe und Herr Ellerbrock ja recht. Denn seit 1890 hat sich eine Menge getan.

Bauen mit Holz kann eine Reihe von Vorteilen aufweisen. Holzbauten können in der Brandsicherheit einen Grad erreichen, der problemlos eine Markterweiterung zulässt. Und um eine Markterweiterung geht es ja in diesem Fall. Holz brennt langsam und berechenbar bei gutem Tragverhalten ab. Und der Qualm ist relativ ungefährlich. Dass es dabei einiges zu beachten gilt, ist klar. Das ist wie bei anderen Baustoffen auch.

Bauen mit Holz steht andererseits nicht automatisch für ökologisches und nachhaltiges Bauen. Mit Tropenholz und bestimmten chemischen Imprägnierungen kann ich Ihnen bestimmt schnell das Gegenteil beweisen – was ich an dieser Stelle aber nicht tun möchte.

Der Beitrag zum Klimaschutz ist in Wirklichkeit auch eher gering und nicht dauerhaft. Hier wurde vielleicht etwas zu viel aus der Broschüre des Lobbyverbands zitiert. Darum geht es aber auch nicht.

Holz hat als Werkstoff hervorragende Eigenschaften, die heutzutage Gebäude auf hohem technischem Niveau, auch bezüglich der Nachhaltigkeit, ermöglichen – wenn die Bauordnung es denn zuließe. Und darum geht es. Es gibt nach heutigen Maßstäben keinen Grund, absichtlich an dieser Stelle Hürden aufzubauen. NRW sollte die unnötigen Hürden abbauen und damit anderen Staaten und Bundesländern folgen, die teilweise längst vier- oder sechsgeschossige Holzbauten ohne Sondergenehmigung zulassen. Was jeweils besser ist, kann man an anderer Stelle entscheiden.

Ich bin für diesen Antrag und begrüße es ebenso, den Antrag in den Ausschuss zu schicken, anstatt ihn hier direkt abzustimmen; denn wir befinden uns dazu ja noch – Frau Phillip hat es erwähnt – in einem Prozess.

Und wenn wir schon mal in diesem Prozess sind: Die in diesem Antrag als vorbildlich gelobte Landesbauordnung von Baden-Württemberg sieht auch die pflichtige Anlage von Fahrradstellplätzen, Anreize für Carsharingstellplätze und die Begrünung baulicher Anlagen vor. Auch das ist fortschrittlich. Daran können wir uns ebenfalls ein Beispiel nehmen.

(Beifall von den PIRATEN)

Falls Sie sich jetzt fragen, was aus dem Märchen wird, ich kann meinem Sohn nun Folgendes erzählen: Die Schweinchen verwenden jetzt verschiedene Dämmmaterialien für ihr Haus. Der Wolf hat einen frostigen Atem.

Bis mehrstöckige Häuser aus Stroh der letzte Schrei sind, vergeht noch etwas Zeit. Dann sehen wir uns hier noch mal wieder. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Groschek.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Den Minister freut, dass sich alle Fraktionen gemeinsam auf den Holzweg begeben haben.

(Heiterkeit von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Da wird er nicht zur Seite stehen, sondern mitmarschieren. Ich versichere Ihnen, bis zur nächsten Sitzung unseres Ausschusses dezidiert darzulegen, ob wir dabei bleiben, dieses Problem im Rahmen der Novelle der Landesbauordnung anzugehen oder ob wir vorab novellieren, weil Bauen mit Holz sechsgeschossig auch in Nordrhein?Westfalen so schnell wie möglich erlaubt werden soll. Wenn ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft in diesem Haus generell gelten, haben wir eine Menge für unseren Klimaschutz getan. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU hat Herr Kollege Schemmer um das Wort gebeten. Das bekommt er natürlich auch.

Bernhard Schemmer (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der soeben geführten Diskussion kam ja die Frage der Nachhaltigkeit auf. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass die Nachhaltigkeit in diesem Haus, aber vor allen Dingen auch in der Forstwirtschaft unstrittig ist, sodass wir darüber weniger zu diskutieren brauchen. Wir müssen vielmehr darüber sprechen, warum Nordrhein-Westfalen beim Bauen mit Holz den letzten Platz belegt und wie man im Ergebnis eine Verbesserung erreichen kann.

Wir warten seit 2010, spätestens 2012 auf eine Novellierung der Landesbauordnung. Sie ist lange überfällig, das haben wir gerade an den Zwischentönen gemerkt. Die Rauchmelderpflicht musste sofort kommen, obwohl viele andere Länder sie nicht hatten. Beim Bauen mit Holz jedoch muss man jetzt irgendeine Lösung finden – aber nicht so schnell, weil der Antrag von CDU und FDP kommt. Ich denke, so ist das keine gute Lösung.

(Zuruf von Minister Michael Groschek)

Ich empfehle: Halten Sie sich an Ihren eigenen Koalitionsvertrag! Darin steht:

„Wir wollen eine Steigerung der Holzverwendung aus heimischen Wäldern bei Neubau und im Bestand (Gebäudesanierung) erreichen, z. B. durch eine Novelle der Landesbauordnung.“

Diese Novelle ist lange überfällig. Gerüchteweise hört man von den Verbänden, dass in Ihrem Hause bei der Landesbauordnung mehr daran gearbeitet wird, etwas zu verkomplizieren, anstatt Lösungen zu finden, wie es besser geht. Aber bei dieser Landesregierung wundert sich niemand darüber, wenn die sich fragt: Wie kann man noch ein bisschen mehr Bürokratius hineinbringen?

Im Übrigen will ich in diesem Zusammenhang noch mal an Albert Schweitzer erinnern. Wie viele wissen, hat er Gutes getan. Er hat in Libreville in Gabun gewohnt.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Bernhard Schemmer (CDU): Er hat im Übrigen in einem Holzhaus praktiziert und einmal gesagt – das sollten Sie sich vielleicht merken –: „Keine Zukunft vermag gutzumachen, was du in der Gegenwart versäumst.“

Deswegen: Hören Sie auf, zu versäumen! Arbeiten Sie daran mit, die Landesbauordnung in diesem Punkt in Ordnung zu bringen! – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schemmer. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Das bleibt auch so. Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Alle Fraktionen haben sich zwischenzeitlich – wie Sie in der Debatte gehört haben – darauf verständigt, den Antrag Drucksache 16/6687 in der Fassung des Neudrucks nicht direkt abzustimmen, sondern in Abänderung des Verfahrens an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr zu überweisen. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ist jemand gegen diese Überweisung? – Nein. Enthaltungen? – Auch nicht. Dann werden wir so verfahren.

Ich rufe auf:

4   Vorweggehen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6676

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Schmalenbach das Wort.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! In Norwegen wurden 2013 doppelt so viele E-Autos wie in Deutschland zugelassen, und das, obwohl Deutschland 16-mal so viele Einwohner hat. Neben den dortigen Subventionen ist sicherlich auch die vorhandene Ladeinfrastruktur ein Grund dafür. Wir hängen also wieder mal hinterher. Da stellt sich die Frage: Was können wir tun? Und wir machen uns Gedanken darüber, was für uns möglich ist.

Elektromobilität kommt nicht von alleine voran. Wer sie will, der muss etwas dafür tun. Momentan kann man nicht sagen, dass die Elektromobilität CO2-mäßig vorne liegt. Im Gegenteilt: Das hält sich etwa die Waage mit dem normalen mobilen Individualverkehr. Aber mit Fortschreiten der Energiewende wird sich der Strommix positiv verändern, sodass es einen Vorteil der E-Mobilität geben wird.

Wenn das so kommt – und das wird so kommen –, dann sollten wir dafür gewappnet sein, dann sollten wir diesen Vorteil nutzen. Und wenn wir den Vorteil nutzen wollen, dann sollten wir Einfluss nehmen. Daher rührt dieser kleine, feine Antrag, den wir gerne in den Ausschüssen besprechen wollen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bell.

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Piraten haben aus der Anhörung zum CDU-Antrag „Elektromobilität ermöglichen“ einen Punkt herausgenommen und nun in einen speziellen Antrag gekleidet. Das ist nicht sonderlich originell,

(Beifall von der CDU)

weil es noch nicht mal zu einer Auswertung der Anhörung gekommen ist. Das finde ich ein bisschen problematisch, weil letztlich genau die Aspekte, die Sie hier gerade angesprochen haben, Herr Schmalenbach, in der Anhörung ausführlich zur Sprache gekommen sind und man sich daher im Ausschuss in Ruhe damit befassen sollte – und zwar mit einem ganzheitlichen Blick –, wie man mit dem Thema umgeht. Wir attestieren diesem Antrag also wenig Ernsthaftigkeit, werten ihn eher als einen Versuch, sich populistisch auf dieses Thema draufzusetzen, was wir als wenig hilfreich betrachten.

In der Anhörung selber sind ja einige Fragestellungen aufgeworfen worden, die es lohnt zu vertiefen. Das betrifft zum Beispiel die Frage der Standards von Ladestrukturen oder auch die Frage, inwieweit es Sinn macht, im Vorhinein Infrastruktur zu installieren, wenn hiermit möglicherweise Fehlinvestitionen adressiert werden. Von daher glaube ich, das Thema lohnt eine intensivere Debatte, um eine entsprechende Konzeption für das Land zu entwickeln.

Ich will Ihnen am Beispiel Wuppertals mal deutlich machen, wie absurd eine entsprechende Quote für Landesbehörden wäre. Wenn Sie in Wuppertal-Lichtscheid 10 % der Parkfläche mit Elektromobilitäts­ladezonen verbinden, hat das keinerlei Vorbildcharakter, weil der Publikumsverkehr dort relativ gering ausgeprägt ist und niemand vom Jugendknast in Ronsdorf abends sein Auto zum Laden nach Lichtscheid fahren würde.

Oder nehmen Sie das Finanzamt in Elberfeld, mitten in der Innenstadt, umgeben von Parkhäusern, wo bereits vom örtlichen Energieerzeuger Ladestationen für die öffentliche Nutzung bereitgestellt werden. Insoweit gibt es hier keine Anreize mehr für eine Vorbildfunktion.

Wir werden das Thema im Ausschuss noch intensiver miteinander bewegen können. Herr Kufen, ich bin sehr gespannt, ob wir in der Frage der Anschaffung von Flotten für das Land möglicherweise mal zu einer sachgerechten Einschätzung kommen. Wir hatten ja schon in der Frage des grünen Stroms für Landeseinrichtungen recht heftige Debatten über die Sinnhaftigkeit und die Frage, ob es richtig ist, das zu tun. Wir sehen der Debatte um die Kosten, die damit entstehen würden, entgegen. Ich freue mich auf die Aussprache im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bell. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Kufen.

Thomas Kufen (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat kam uns einiges bekannt vor. Auch die Piraten beschäftigen sich jetzt mit dem Thema „E-Mobilität“. Aber angesichts des vorliegenden Antrags muss ich sagen, dass Sie die Breite der Themen in der sehr umfangreichen Anhörung zum Antrag der CDU-Fraktion vom Januar offensichtlich nicht mitbekommen haben. Eigentlich hätten Sie alle Sachverständigen in der Anhörung fragen können – aus der Wirtschaft, aus der Wissenschaft, Müller, Meier oder Schulze –, alle hätten Ihnen sagen können, dass Ihr Ansatz, nämlich die Schaffung von Parkplätzen für E-Mobilität an landeseigenen Gebäuden quasi planwirtschaftlich mit Festlegung einer Quote, am Ende nicht die gewünschten Erfolge bringen wird.

Das deckt sich übrigens auch mit der Begleitforschung „Infrastruktur und Netze“ im Modellregionenprogramm des Bundesverkehrsministers, an dem Nordrhein-Westfalen mit der Modellregion „Elektromobilität Rhein-Ruhr“ beteiligt ist. Diese Modellregionen zeigen, dass der Aufbau einer Ladeinfrastruktur bedarfsgerecht erfolgen muss. – Genau das widerspricht Ihrem Antrag.

Deshalb können wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen. Es macht nämlich keinen Sinn, beliebig eine Infrastruktur aufzubauen, die möglicherweise gar nicht genutzt wird.

Wir sehen nämlich auch, dass wir bereits in Nordrhein-Westfalen einen großen Anteil von Ladeinfrastruktur durch Steckdosen und Wallboxen – auf privatem, wenn auch auf nicht öffentlich zugänglichem Grund – haben. Damit decken wir den Bedarf. Der zweite Schritt muss jetzt sein, auf privaten, öffentlich zugänglichen Flächen die Ladeinfrastruktur Schritt für Schritt, Hand in Hand auszubauen. Das können zum Beispiel Parkhäuser und Parkplätze bei Einkaufszentren sein. Auch das berücksichtigen Sie in Ihrem Antrag nicht.

Das Elektromobilitätsgesetz, das 2015 in Kraft treten soll, gibt den Kommunen übrigens weitere Hebel in die Hand, mittels einer Privilegierung von elektrifizierten Fahrzeugen entsprechende Lagemöglichkeiten im öffentlichen Raum vorzuhalten. Auch das klammern Sie völlig aus und halten sich starr an eine Quote bzw. ein planwirtschaftliches System. Insofern können wir in dieser Frage nicht mitgehen.

Viel spannender ist doch eigentlich die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit den Erkenntnissen aus der Anhörung vor, die Sie offensichtlich bisher noch nicht wahrgenommen haben? Für Lob in Richtung Landesregierung besteht in der Tat kein Anlass. Deshalb werden wir uns mit den entsprechenden Fragen noch weiter auseinandersetzen müssen. Denn Fakt ist auch: Beim Thema „Elektromobilität“ gibt es aktuell kein wirtschaftliches Geschäftsmodell. Deshalb ist es umso wichtiger, dass auch die öffentliche Hand bzw. die öffentliche Verwaltung eine Vorbildfunktion übernimmt.

Dazu müssen wir feststellen, dass Nordrhein-Westfalen bis 2010 zwar durchaus taktgebend war. Mittlerweile haben uns aber andere Bundesländer ein- bzw. überholt. In Hessen zum Beispiel gibt es eine Unterstützung der dortigen Handwerkskammern. Das betrifft Projekte für Handwerksbetriebe. Die Anschaffung von E-Autos wird erleichtert. In Thüringen und Bayern sowie auch im grün-rot regierten Baden-Württemberg gibt es mehr Engagement und mehr Ideen als in Nordrhein-Westfalen.

Vielleicht kann uns der Landesverkehrsminister gleich einmal einen Überblick geben, wie viele E-Autos in der Landesverwaltung, in den nachgeordneten Behörden und bei der Landesregierung mittlerweile im Einsatz sind. Ich glaube, wir beide sind uns einig: Es sind zu wenig. Deshalb müssen wir an der Stelle mehr tun.

Dabei gibt es, meine Damen und Herren, mittlerweile sehr vielversprechende positive Beispiele auch gerade in Nordrhein-Westfalen. Prof. Dudenhöffer mit seinem Projekt „RUHRAUTOe“ hat schon vor zwei Jahren begonnen. Des Weiteren stellen wir fest, dass Carsharing insgesamt – gerade in den Ballungszentren – durchaus boomt. Ob „Car2Go“ oder „DriveNow“: Der Ausbau von E-Flotten wird dort immer stärker mit einbezogen. Gerade deshalb ist es wichtig, die steigende Fahrzeugzahl auch mit dem Aufbau von privaten und halböffentlichen Ladeinfrastrukturen zu verknüpfen. Das soll, wie gerade erwähnt, zum Beispiel bei Supermärkten oder Parkhäusern – da, wo sie eben gebraucht werden und wo die Fahrzeuge stehen – geschehen. Es sollte eine öffentliche Ladeeinrichtung nicht nur deshalb vorgehalten werden, weil es sich um ein öffentliches Gebäude handelt.

Das Thema „E-Mobilität“ ist nicht nur für die großen Städte von Bedeutung. Wir haben uns sehr gefreut, dass gerade das im ländlichen Raum stattfindende Projekt „E-ifel mobil – E-Carsharing auf dem Land“ im Rahmen des bundesweiten Innovationswettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen 2014“ zu einem der 100 Preisträgern gehört.

Ich finde diese Beispiele sehr ermutigend. Auch die Universität Münster mit ihrem Ladekonzept im privaten Umfeld erprobt Potenziale für Schnellladungen wie den „Tesla Supercharger“ in Kamen. Es gibt viele Bereiche. Leider kommt das alles in Ihrem Antrag nicht vor.

Wir können uns der Überweisung nicht verschließen. Aus meiner Sicht werden Sie mit Ihrem Antrag der Vielfalt der Debatten, die wir gerade bei der Anhörung hier im Landtag erlebt haben, nicht gerecht. Das bedauern wir als CDU-Fraktion sehr. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kufen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Dr. Beisheim.

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich den Einschätzungen der Herren Kollegen Bell und Kufen nur anschließen. Auch ich empfinde diesen Antrag als reinen Aktionismus. Sie haben sich nur einen Teilaspekt dieser großen Anhörung zum Thema „Elektromobilität“ herausgegriffen. Trotzdem haben Sie auch diesen kleinen Einzelfall letzten Endes nicht zu Ende gedacht. Aus meiner Sicht liegt das sicherlich auch daran, dass wir die Anhörung noch nicht ausgewertet und gemeinschaftlich noch nicht darüber diskutiert haben.

Ich möchte an dieser Stelle den Diskussionen im Ausschuss nicht vorgreifen, aber einen Teilnehmer an der Anhörung, und zwar den Deutschen Städtetag, zitieren. Von dem hätten Sie – wenn Sie seine Ausführungen denn gelesen hätten – den entscheidenden Hinweis bekommen können. Er stellte fest, dass die Ladeinfrastruktur sicherlich ein Henne-Ei-Problem ist. Das ist, Herr Kollege Schmalenbach, dort ja diskutiert worden.

Die Ladeinfrastruktur muss koordinativ wachsen. Dieses koordinative Wachstum müssen wir im Prinzip noch sicherstellen. Dazu gehört zum einen die Verständigung über die bloße Ladetechnik, sicherlich aber auch die Verständigung über die Vernetzbarkeit der Systeme. Das gilt insbesondere dann, wenn Sie die Ladeeinrichtungen, wie in Ihrem Antrag geschildert, der Allgemeinheit öffentlich zugänglich machen wollen.

Um Fehlinvestitionen zu vermeiden – das hat auch Herr Kufen angedeutet –, brauchen wir letzten Endes eine Verständigung über eine Strategie beim Ausbau der Ladestruktur, besonders wenn wir flächendeckend denken. Wir müssen aber natürlich auch über Nordrhein-Westfalen hinaus denken. Es darf nichts an den tatsächlichen Bedarfen vorbei geschehen. Das heißt, der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss sich am technischen Fortschritt, bezogen auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, orientieren. Viele andere Dinge müssen aber auch Schritt halten. Das gilt sicherlich auch für die Möglichkeiten, welche die digitale Welt bietet. Letzten Endes geht es aber auch um den Ausbau der E-Mobilität insgesamt.

Ich denke, dass wir dieses Teilproblem – aber auch die anderen wichtigen Dinge, die Herr Kollege Kufen angerissen hat – im Ausschuss diskutieren werden. Die Auswertung der Anhörung steht kurz bevor. Auch ich freue mich auf die Diskussionen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Beisheim. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Brockes.

Dietmar Brockes*) (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schmalenbach, auch ich muss leider sagen, dass der Antrag der Piratenfraktion an der Stelle zu kurz gesprungen ist.

(Zuruf von den PIRATEN: Oh!)

– Das ist ja schon mehrfach gesagt worden. Es wäre gut, wenn Sie sich das auch zu Herzen nähmen und nicht nur in dieser Art und Weise kommentieren würden.

(Beifall von der FDP)

Denn dieser Schnellschuss, der noch schnell zwischen der Vorlage des Protokolls der Anhörung und der Plenardebatte entsprechend der Einreichungsfrist eingebracht wurde, greift wirklich nur einen geringen Teilaspekt der Anhörung und des Themas auf. Deshalb ist Ihr Antrag in der Form auch nicht zustimmungsfähig. Er ist zu kurz gesprungen, und er geht in einem Punkt auch völlig an der Realität vorbei.

Das ist ja schon mehrfach gesagt worden: Wenn wir die Parkflächen einrichten, dann muss dies bedarfsgerecht geschehen und nicht Pi mal Daumen, wie das in Ihrem Antrag vorgesehen ist. Denn man muss ja auch eines sehen – das wird sicherlich auch der Bauminister gleich noch sagen können – : Wir haben nur sehr wenig Parkraum zur Verfügung. Den müssen wir meines Erachtens sehr gut einsetzen. Denn wir müssen und wollen ja auch Behindertenparkplätze einrichten. Wenn wir jetzt für Elektromobilität große Flächen vorhielten, würde nachher unter dem Strich Parkraum kaum noch für den „einfachen“ Bürger zur Verfügung stehen. Das kann eigentlich auch nicht unser Ziel sein.

(Beifall von der FDP)

Was mir an Ihrem Antrag auch gar nicht gefällt – da kann ich auch nicht zustimmen –, ist, dass Sie unter Punkt II fordern, dass das Land Nordrhein-Westfalen selbst die Einrichtung und den Betrieb der Ladestationen vornimmt. Ich meine, der BLB ist mit Sicherheit nicht der geeignete Ladestationenbetreiber.

(Beifall von der FDP)

Wir haben sicherlich andere Unternehmen im Land, Energieversorger und andere, die dazu besser in der Lage sind.

Die Kosten sollten wir auch nicht außer Acht lassen. Man hat die Damen und Herren des Hauses hier schon oft und in der Regel zu Recht dafür kritisiert, dass die Baukosten ins Exorbitante steigen. Wenn wir selbst jetzt neue Forderungen aufstellen, sorgen wir selbst dafür, dass auch in Zukunft entsprechende Vorgaben finanzieller Art nicht eingehalten werden können. Angesichts der heute auch debattierten Haushaltslage wäre das der falsche Ansatz.

Lassen Sie mich zum Schluss zu dem Thema sagen, dass wir meines Erachtens mit der Anhörung und dem Antrag der CDU-Fraktion eine gute Basis für die weitere Beratung haben.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir versuchen würden, eine gemeinsame Position des Landtages zu finden. Wir haben das im Energiebereich vor einigen Jahren schon einmal gemacht zum Thema „Geothermie“. Auch das war relativ unpolitisch. Es ist von allen Seiten gelobt worden, dass man sich dort auf gemeinsame Positionen verständigt hat.

Ich sehe wohl einen kritischen Punkt. Die Forderung in Richtung Bund, dass die Anschaffung von Elektrofahrzeugen subventioniert werden soll, würde wohl hier im Hause nicht die Unterstützung aller finden.

Deshalb: Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, zum Thema „Elektromobilität“ eine Position zu finden, die auf Nordrhein-Westfalen zugeschnitten ist, auf das, was wir hier im Land tun können. Dann, glaube ich, können wir mit einer gemeinsamen Position auch viel nach außen bewirken und das Thema auch wirklich voranbringen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Groschek.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wäre wirklich schön, Herr Kollege Brockes, wenn es zu einer solchen neuen Gemeinsamkeit käme. Denn gerade an dieser Stelle gab es ja auch schon fundamentalen Streit um die Frage: Wer hat zu verantworten, dass wir kein Schaufenster Elektromobilität bekommen haben, sondern jetzt ein etwas anderes Modellprojekt in abgespeckter Version haben? – Von daher: herzlich gerne aus Sicht der Landesregierung mehr Gemeinsamkeit in diesem Punkt.

Ich finde, es ist hinreichend klar geworden, dass der Antrag der Piraten gut gemeint ist, aber zu schnell geschrieben wurde, weil er manche Aspekte der Anhörung überinterpretiert.

Beispielsweise Herr Kiel, der Vertreter des Städtetages, hat ja gerade darauf hingewiesen, dass die Parallelität von Fahrzeugwachstum und Infrastrukturwachstum gewährleistet bleiben muss, damit die öffentliche Hand keine Fehlinvestitionen tätigt. Das finde ich bemerkenswert richtig.

Herr Wilke vom Wuppertal Institut hat ebenfalls – ich zitiere ihn sinngemäß – darauf hingewiesen, dass vorwiegend gerade auf Privatflächen und am Arbeitsplatz Lademöglichkeiten nachgefragt werden und nicht vorrangig im öffentlichen Raum. Auch das ist ein Hinweis, wo Investitionen sinnvoll sind und wo sie möglicherweise weniger nachfrageadäquat sind.

Dr. Baumann von der EnergieAgentur plädiert wiederum für Demonstrationsprojekte. Das ist genau die Frage: Inwieweit kann die öffentliche Hand, also in unserem Fall Kommunen und Land, Vorreiterfunktionen übernehmen?

Die Landesregierung ist dabei, das so zu sondieren, dass es auch praxistauglich ist. Wir haben viel zu sehr darauf gesetzt, dass bei den Verkehrsbetrieben und bei den einzelnen Ministerien, auch in manchen Rathäusern, Vorzeigealibifahrzeuge angeschafft wurden, die dann zwar fotogen waren, aber wenig Kilometer Fahrleistung im Alltag gebracht haben. Das, meine ich, müssen wir noch einmal selbstkritisch reflektieren und nach vorne orientiert sagen, wo solche Demonstrationsprojekte Sinn machen, damit sie auch einen Multiplikatoreffekt haben können.

Die Ergebnisse der Begleitforschung des Bundesverkehrsministers mit unserer Modellregion haben Sie angesprochen, Herr Kufen. Auch da kam ja die Erkenntnis: Die Ladeinfrastruktur wächst eben mit dem Fahrzeugangebot, mit dem Fahrzeugbestand. Das spiegelt sich eigentlich in allen Hinweisen der Experten.

Das neue Elektromobilitätsgesetz der Bundesregierung wird ja auch neue Spielräume für die Kommunen bringen. Wir werden ja dann genau die Diskussionen haben, die Herr Brockes angesprochen hat: Für wen ist denn das Prinzip Platz da vorrangig? Ist das für die Elektromobilität, oder ist das für die Zweirad- bzw. die Nahmobilität?

Aus meiner Sicht ist es bei der Perspektive eines gemeinsamen Standpunktes wichtig, darauf zu achten, dass wir verknüpfen und vernetzen und nicht eindimensional sagen, die Elektromobilität auf vier Rädern sei im Grunde das Zukunftsmodell. Vielmehr sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass der größte Nachfrageschub bei der Elektromobilität in diesem Jahrzehnt ein zweirädriger ist und wahrscheinlich auch bleiben wird. Es gibt durchaus ernst zu nehmende Hinweise, die darauf spekulieren, dass die Elektromobilität von der deutschen Autoindustrie nicht ganz ernst genommen werde, dass es nur ein Schadstoffdämpfer sei und dass es kein wirkliches Massenmobilisierungsmittel sein solle.

In dieser Hinsicht müssten wir sicherer werden, damit wir nicht auf das falsche Pferd setzen. Denn die ersten Autokonzerne haben bereits deutlich gemacht, dass ihre Elektromobilität in Wirklichkeit die Wasserstofftechnologie sein wird, die in zehn Jahren voraussichtlich alltagstauglich sein wird. Bevor wir dann als öffentliche Hand in den blauen Dunst hinein investieren, sollten wir investitionssicherer werden. Wir sollten uns gemeinsam darüber freuen, dass ein innovatives südwestfälisches Unternehmen einmal mehr elektromobile Geschichte geschrieben hat. Der MENNEKES-Stecher …

(Heiterkeit)

Der MENNEKES-Stecker ist …

(Thomas Kufen [CDU]: Keine Gerüchte hier!)

– Ich kenne Herrn Mennekes nicht.

(Heiterkeit – Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Der MENNEKES-Stecker ist der Europa-Standard, und das finde ich ganz toll. Jedenfalls …

(Heiterkeit – Zuruf)

– Noch nicht.

Wir nehmen Ihre Einladung zur Gemeinsamkeit an.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. Ich hätte mir jetzt gerade zum ersten Mal erlaubt, Ihnen zu sagen, dass Ihre Redezeit beendet ist, um Sie aus der Verlegenheit zu holen. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Schmalenbach.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Zunächst einmal vielen Dank für den sympathischen Auftritt, Herr Minister Groschek. Das Thema „MENNEKES-Stecker“ können wir vielleicht noch einmal im Ausschuss vertiefen.

Das Angebot wächst mit dem Fahrzeugbestand, haben Sie gerade gesagt. Ja, verdammt noch mal, genau das ist das Problem: Das Angebot folgt dem Bestand der Fahrzeuge. Und viele Leute – auch das ist ein Problem – kaufen das Auto nicht, weil diese Steckdoseninfrastruktur nicht vorhanden ist. Deswegen sehe auch ich momentan noch davon ab, ein Elektroauto zu kaufen. Also muss man doch versuchen, mit dem Angebot der Infrastruktur vorwegzugehen.

Herr Brockes ist wie immer lustig. Er sagte, das sei ein Schnellschuss gewesen. Nein, das war es überhaupt nicht. Der Antrag lag ungefähr ein halbes bis ein Dreivierteljahr auf Halde. Der Anlass, ihn jetzt einzubringen, war tatsächlich die Podiumsdiskussion des Landesverbandes Erneuerbare Energien, in der dieses Thema noch einmal aufgekommen ist. Danach haben wir uns überlegt, den Antrag doch einzubringen.

(Zuruf: Jawohl!)

Das hatte mit der Anhörung selbst nicht so viel zu tun.

(Thomas Kufen [CDU]: Das merkt man!)

Dass das in der Anhörung klar wurde …

(Zuruf von Dr. Birgit Beisheim [GRÜNE])

– Das ist auch kein Problem. Mir wurde auch vorgeworfen, das sei der Breite der Anhörung nicht gerecht geworden. Das war nicht das Ziel dieses Antrages – überhaupt nicht und zu keinem Zeitpunkt. Das Ziel war es, sich tatsächlich diesen Aspekt zu picken und zu sagen: Da können wir vorweggehen. Da können wir etwas tun. Damit können wir das Ding ein bisschen anschieben. – Das Anschieben – das habe ich gerade schon gesagt – ist ein Problem.

Zur Planwirtschaft. Das ist großartig. Das ist ein tolles Argument, mit dem jeder versucht, alles totzumachen. Wir reden hier aber nicht von Planwirtschaft, sondern wir reden von einem Zubau von 10 % der Parkplätze in fünf Jahren. Also, das ist allenfalls ein Anschub. Wir reden nicht davon, dass wir danach noch weiter gehen. Vielmehr reden wir davon, damit Anreize zu schaffen und zu versuchen, auch die Angestellten zu erreichen. Es wird immer wieder mit Arbeitsplätzen und Firmen argumentiert, wo diese Steckdosen fehlen. Arbeiten beim Land keine Leute, die dort einen Parkplatz hätten und gegebenenfalls ein E-Fahrzeug fahren könnten? – Anscheinend nicht. Hier wird nur mit den Besucherzahlen argumentiert. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Sie sagten, es mache keinen Sinn, Steckdosen aufzustellen. Frau Beisheim hat selbst gesagt, wir hätten ein Henne-Ei-Problem. Wenn wir diese Steckdosen nicht aufstellen, kauft keiner ein E-Fahrzeug bzw. der Verkauf geht langsam voran. Und wenn wir die Fahrzeuge nicht kaufen – das haben Sie gerade gesagt –, dann werden wir auch keine Steckdosen brauchen.

Die Idee mit dem wasserstoffgetriebenen Auto halte ich für einen gangbaren und guten Weg. Ich kann jedoch das eine tun, ohne das andere zu lassen. Deshalb wüsste ich nicht, warum ich sagen sollte, dass ich die Infrastruktur dafür nicht aufbaue.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Weil man dann zwei Infrastrukturen braucht!)

Sie sagten, es gebe überall Ideen. Woanders gebe es mehr Ideen, hat Herr Kufen gesagt. Ja, dann bringen wir diese Ideen doch auf den Tisch. Dann lassen Sie uns das doch einmal umsetzen und vorweggehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Das bleibt offensichtlich auch so. Dann schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/6676 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend – sowie mitberatend an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr. Die abschließende Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Nein. Möchte sich jemand enthalten? – Auch nicht. Dann haben wir auch in diesem Fall so verfahren.

Ich rufe auf:

5   Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Landesfarben, das Landeswappen und die Landesflagge

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6192

erste Lesung

Die Einbringung des Gesetzentwurfes erfolgt nicht mündlich, sondern die Rede von Herrn Minister Jäger wurde zu Protokoll gegeben. (Siehe Anlage 1) Eine Aussprache war sowieso nicht vorgesehen, sodass wir jetzt gleich zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung kommen.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6192 an den Innenausschuss. Möchte jemand widersprechen oder sich enthalten? – Beides nicht. Dann ist der Gesetzentwurf an den Innenausschuss überwiesen worden.

Ich rufe auf:

6   Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das öffentliche Flaggen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6193

erste Lesung

Auch diese Einbringungsrede zum Gesetzentwurf von Herrn Minister Jäger wurde zu Protokoll gegeben. (Siehe Anlage 2) Eine Aussprache war auch in diesem Fall nicht vorgesehen. Deshalb kann ich auch hier sofort zur Überweisungsabstimmung kommen.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/6193 an den Innenausschuss. Ist jemand dagegen oder enthält sich? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir auch hier an den Innenausschuss überwiesen.

Ich rufe auf:

7   Siebtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie zur Änderung weiterer Gesetze

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6194

erste Lesung

Auch diese Einbringungsrede von Herrn Minister Jäger wird zu Protokoll gegeben. (Siehe Anlage 3) Da auch hier keine Aussprache vorgesehen ist, kommen wir direkt zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs 16/6194 an den Innenausschuss. Jemand dagegen? – Enthaltungen? – Nein. Dann haben wir auch das an den Innenausschuss überwiesen.

Ich rufe auf:

8   Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Körperschaftsstatusgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/4151

Unterrichtung
durch die Präsidentin
des Landtags
Drucksache 16/6765

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6753

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/6708

zweite Lesung

Ich möchte Ihnen gerne mitteilen, dass die Fraktion der Piraten, ursprünglich eine der fünf Antragstellerinnen dieses Gesetzentwurfes, ihre Antragstellung mit Schreiben vom 9. September zurückgenommen hat und nicht mehr als Antragstellerin dieses Gesetzentwurfes auftreten möchte.

Nach § 84 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung ist, da bereits der Fachausschuss berichtet hat, eine solche Rücknahme nur zulässig, wenn kein Mitglied des Landtags widerspricht. Deshalb frage ich, ob jemand widersprechen möchte. – Das ist nicht der Fall. Da kein Mitglied des Landtags der Rücknahme der Antragstellung durch die Piratenfraktion widersprochen hat, ist diese zulässig, und es wird veranlasst, dass durch eine Unterrichtung mitgeteilt wird, dass die Piraten nicht mehr Antragsteller des Gesetzentwurfes sind.

Damit eröffne ich die Aussprache zur zweiten Lesung und erteile Herrn Kollegen Töns für die SPD-Fraktion das Wort.

Markus Töns (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir führen heute die zweite Lesung des Gesetzentwurfes zur Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungs-gemeinschaften – kurz: Körperschaftsstatusgesetz – durch. Worum geht es eigentlich in diesem Gesetz? Worum geht es beim Körperschaftsstatus?

Es geht um die Verleihung hoheitlicher Rechte an Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften. Das Interesse an der Verleihung von Körperschaftsrechten ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Es ist zum einen ein Stück Integration der Zugewanderten in unser Land, zum anderen der zunehmenden Pluralität der Glaubensgemeinschaften in unserer Gesellschaft geschuldet.

Bisher sind die Verleihungen nicht durch Gesetz geregelt. Verwaltungsgerichte haben in den letzten Jahren Entscheidungen getroffen. Wir wollen dies aber nun ändern. Wir wollen es nicht den Gerichten überlassen, zu entscheiden, ob Statusrechte verliehen werden oder nicht. Wir wollen gesetzlich regeln, wann und wie Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgemeinschaften verliehen werden können. Wir regeln aber auch – und das muss dazugesagt werden – den möglichen Entzug von Statusrechten. Das ist erstmalig der Fall, und es ist, glaube ich, auch richtig, dass wir das tun. Denn wir wollen es nicht den Gerichten überlassen, dieses zu entscheiden.

Wir bestimmen aber nicht – und das ist ein ganz entscheidender Punkt –, was eine Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft ist. Das ist nicht unsere Aufgabe. Das ist nicht Aufgabe des Parlaments und auch nicht Aufgabe des Staates.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieses Gesetz wird – davon bin ich überzeugt – ein Fingerzeig für andere Bundesländer sein. Ich weiß, dass sie uns schon jetzt bei diesem Gesetzentwurf über die Schulter schauen und gespannt sind, wie wir das regeln. Das ist auch einmalig in der Bundesrepublik.

Was man auch herausstellen sollte und politisch richtig ist, ist insbesondere die mögliche Befassung des Landtags bei der Verleihung, die bei diesem Gesetz vorgesehen ist. Das ist politisch so gewollt, aber es ist eine Kann-Vorschrift, was so viel heißt, dass zum einen die Landesregierung den Landtag damit beschäftigten kann, wenn sie es für richtig hält. Zum anderen hat auch der Landtag die Chance, zu sagen: Wir wollen dieses Verfahren an uns heranziehen, wir wollen darüber reden und debattieren.

Das ist meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Punkt. Denn wir müssen bei diesen Verleihungen, die in den nächsten Jahren vorzunehmen sind, versuchen, einen breiten Konsens herzustellen. Diesen breiten Konsens hatten wir damals bei der Einbringung durch fünf Fraktionen. Wir hatten bei der Beratung und bei der Verabschiedung einen breiten Konsens; jetzt ist dieser zumindest bei vier Fraktionen im Landtag gegeben. Ich sage an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für die Mitarbeit und Arbeit aller Kolleginnen und Kollegen

(Angela Freimuth [FDP]: Die fünfte hat sich enthalten!)

auch der Fraktion, die jetzt nicht mehr dabei ist. Ich sage trotzdem herzlichen Dank. Denn es war eine offene und gute Zusammenarbeit, die noch einmal gezeigt hat, dass dieses Parlament auch dann sehr leistungsfähig ist, wenn es um eine gesellschaftliche Frage geht, über die wir grundsätzlich entscheiden müssen. Dann zerstreiten wir uns nicht in den verschiedenen Fraktionen, sondern wir gehen aufeinander zu und machen das gemeinsam. Insofern ist es, ohne es an dieser Stelle zu überhöhen, eine Sternstunde des Parlaments, wenn wir diesen Gesetzentwurf heute verabschieden.

Dem Änderungsantrag der Piraten werden wir nicht zustimmen, weil er aus unserer Sicht inhaltlich falsch ist und auch nicht unseren politischen Überzeugungen entspricht.

Nichtsdestotrotz werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. Wir werden uns heute nicht zum letzten Mal mit Körperschaftsstatusrechten beschäftigt haben. Denn dieses Gesetz sagt, dass wir es auch zukünftig tun werden. Ich glaube, das ist der richtige Weg, um dieses Thema in unserer Gesellschaft zu verankern. – Ein herzliches Glückauf.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Prof. Dr. Dr. Sternberg.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Land Nordrhein-Westfalen ist das Land der religiösen Vielfalt. Nachgewiesen ist das durch ein Projekt, das unter dem Titel „Bochumer Pluralismus-Projekt“ von 2005 bis 2008 lief, seinerzeit angestoßen von dem Integrationsbeauftragten der damaligen Landesregierung, dem Kollegen Thomas Kufen.

Dort kann man nachlesen, dass es in Nordrhein-Westfalen weit mehr als 228 verschiedene Ströme in Christentum, Judentum, Islam, asiatischen Religionen und religionsnahen Gruppierungen gibt – alle außerhalb der großen Kirchen. Allein 200 buddhistische und 22 hinduistische Gemeinschaften existieren in Nordrhein-Westfalen. Die höchste Dichte herrscht übrigens im Ruhrgebiet und an der Rheinschiene. Da gibt es im Schnitt mehr als eine religiöse Organisation pro Quadratkilometer.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Wie geht man damit um, wenn solche Gruppen und Gruppierungen den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft haben wollen? Auf der Agenda steht ein entsprechendes Gesetz mindestens seit dem 4. März 2005, als das Bundesverfassungsgericht den Zeugen Jehovas die Voraussetzung für die Erlangung des Charakters einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft anerkannt hat. In Nordrhein-Westfalen erging zudem im vergangenen Jahr ein Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg, das dem Land aufgab, den Hindu-Tempel in Hamm-Uentrop als Körperschaft anzuerkennen.

Es ist durchaus nicht eindeutig, wann es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt. Wichtig ist, dass die Religionsausübung und die Pflege der Weltanschauung Hauptzweck sein müssen. Es darf nicht primär um Politik oder die Pflege ethnischer Geselligkeit gehen. Es darf sich auch nicht um eine wirtschaftliche Tarnorganisation handeln.

Wenn man die Frage der Anerkennung von Glaubensgemeinschaften nach Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 Weimarer Reichsverfassung nicht den Gerichten überlassen will, ist der Landesgesetzgeber gefordert. Dann geht es nicht nur um allgemeine Regeln für die Grundlagen der Anerkennung, der Verleihung und des Entzugs des Status. Es geht darum, über den verfassungsrechtlichen Rahmen des Grundgesetzes hinaus Regelungen zu formulieren. Das ist nicht nur möglich, sondern auch geboten. – Dies als Anmerkung zum zweiten Passus des Antrags der Piraten.

Nun sind wir heute in der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs. Wir haben ihn fraktionsübergreifend vorgelegt. In solchen religionspolitischen Fragen gibt es traditionell keine politischen Auseinandersetzungen. Das ist auch gut so. Es gab eine gute Zusammenarbeit.

Wir hatten eine sehr aufschlussreiche und gute Anhörung, aus deren Erkenntnissen Veränderungen hervorgegangen sind. Zudem haben wir mit Verbänden und Organisationen gesprochen. Wir haben mit den muslimischen Organisationen und anderen diskutiert.

Die Voraussetzungen sind konkretisiert worden. So ist bezüglich der Dauerhaftigkeit der Organisationen jetzt davon die Rede, dass sie „generationenübergreifend bestehen sollen und zur Ausübung der ihnen mit der Verleihung übertragenen Rechte im Stande sein müssen“.

Die Mitgliedschaft ist in geeigneter Weise nachzuweisen.

Die Rechtstreue ist als unklarer Begriff auslegungsbedürftig. Zunächst war die Erläuterung dieses Begriffs nur in der Begründung vorgesehen. Jetzt wird sie auch im Gesetzestext stehen. Die Rechtstreue muss sich in der Satzung und im tatsächlichen Verhalten ausdrücken. Das heißt natürlich nicht, dass ein einzelnes Mitglied ständig rechtstreu sein muss. Die Gemeinschaft muss aber die Grundprinzipien des freiheitlichen Staates achten und respektieren.

Der mögliche Entzug der Eigenschaft bezieht sich auf die Insolvenz einer solchen Körperschaft. In diesem Zusammenhang gibt es leidvolle Erfahrungen aus Bayern, wo man allerdings auch Untergliederungen der großen Kirche Körperschaftsrechte zugesprochen hatte.

Strittig ist unter anderem die Verleihung durch das Parlament geblieben. Wenn das Parlament künftig den Abschluss eines rechtlichen Prüfungsverfahrens feststellt, ist das keine Einschränkung, sondern unterstreicht die hohe Bedeutung, die die Verleihung von Körperschaftsrechten hat.

Diskussionen gab es auch um den Bestandsschutz der bestehenden Körperschaften, insbesondere der Kirchen und der jüdischen Kultusgemeinden. Für die jüdischen Gemeinden wird das noch einmal im Änderungsblatt verdeutlicht. Die nationalsozialistischen Maßnahmen waren unwirksam. Wir halten den Bestandsschutz angesichts der Bedeutung der Kirchen und des Judentums für die Geschichte und die Kultur des Landes, für die Grundlegung der Verfassung und für die Gegenwart für eine Selbstverständlichkeit.

Dass sich die Piraten herausgezogen haben, ist schade. In ihrem Änderungsantrag möchten sie die Anerkennung von Gemeinschaften ohne den Nachweis, wen sie eigentlich repräsentieren. Natürlich muss niemand seine religiöse Überzeugung offenbaren. Wenn jemand aber möchte, dass seine Gemeinschaft einen anerkannten Status erhalten soll, dann müssen die Vertreter nicht nur Zahlen nennen, sondern sie auch belegen. Ich zitiere aus der Anhörung:

„Der Staat muss wissen: Wer gehört wozu, und wer spricht für wen? Denn nur so kann er die mit dem Körperschaftsstatus verbundene Kooperationsbeziehung eingehen. Nur so kann etwa das Steuerrecht rechtsstaatlich ausgeübt werden.“

So hat Prof. Dr. Heinig es formuliert. Wenn eine solche Körperschaft ihre Mitglieder zu Religionsgemeinschaftssteuern heranzieht, muss es möglich sein, dass jemand auch sagen kann, dass er nicht Mitglied ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meines Erachtens haben wir hier ein gutes Gesetz für ein plurales und an Religionsgemeinschaften reiches Land vorliegen. Ich denke, dass wir diese breite Unterstützung bekommen werden. Es ist schade, wenn eine Fraktion nicht mitmacht. – Ich danke. Ich danke auch herzlich für die gute Zusammenarbeit.

(Beifall von der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Sternberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Bas.

Ali Bas (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! NRW ist mit seinen rund 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ein buntes und vielfältiges Land. Neben dem Blick auf die verschiedenen kulturellen und nationalen Hintergründe seiner Menschen lohnt sich auch ein Blick auf die Vielfalt von Religion und Weltanschauung.

Wie wir gerade gehört haben, gab es eine Studie der Universität Bochum, bei der sich herausgestellt hat, dass in unserem Bundesland rund 228 verschiedene religiöse Strömungen beheimatet sind, die sich wiederum in über 8.000 Gemeinden abbilden. Dabei zählen sich fast drei Viertel der Menschen einer der vielen Religionsgemeinschaften zugehörig, während ein Viertel wiederum keiner Religionsgemeinschaft angehört.

Das Ihnen vorliegende Gesetz zur Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften reagiert auf diese Glaubensvielfalt in NRW. Das Gesetz geht hier besonders auf den künftigen Status von religiösen Minderheiten in unserem Land ein, zu dem bisher recht unterschiedliche Handhabungen bekannt sind. So bekam die Jüdische Kultusgemeinde die Verleihung der Körperschaftsrechte mittels Verwaltungsakt, während andere Religionsgemeinschaften diese Rechte über ein Gesetz verliehen bekommen haben. Mit dem neuen Körperschaftsstatusgesetz schaffen wir jetzt aber notwendige Vereinheitlichungen.

Das Gesetz schafft aber auch erstmals Transparenz und Verlässlichkeit für alle religiösen Minderheiten in NRW. Es führt aus, welcher Voraussetzungen es bedarf, um den Körperschaftsstatus verliehen zu bekommen. Es führt aber auch aus, was zur Aberkennung des Körperschaftsstatus führen kann.

Hiermit wird die Verleihung des Körperschaftsstatus durch Rechtsverordnung der neue Standard. Dazu gehört auch die Beteiligung des Landtags an diesem Prozess.

Sie sehen, dass wir fast ein Jahr seit der Einbringung des ersten Entwurfs zum Körperschaftsstatusgesetz beraten haben und dazu im März dieses Jahres eine sehr ausführliche Anhörung mit mehreren Experten durchgeführt haben. Dass das Gesetz bis Ende 2021 auf seine Wirksamkeit überprüft werden soll, ist zu begrüßen.

Ganz besonders möchte ich dabei die Beteiligung der Vertreter unter anderem der muslimischen Organisationen hervorheben, die mehrere Stellungnahmen zum Gesetzentwurf eingebracht haben und deren konstruktive Ergänzungsvorschläge in die Beratungen eingeflossen sind. Schließlich sind die muslimischen Religionsgemeinschaften nicht nur die größte religiöse Minderheit in unserem Land, sie werden wahrscheinlich auch unter den Ersten sein, die sich nach dem gerade laufenden Prozess der Anerkennung als Religionsgemeinschaft um die Verleihung der Körperschaftsrechte bemühen werden.

Dadurch, dass wir diesen Prozess transparent gestalten und auch hier im Landtag darüber sprechen, senden wir nebenbei ein Signal für die Vielfalt in unserem Land aus. Letztendlich sind die dann anerkannten neuen Partner unter den Religionsgemeinschaften ein guter Weg, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und um der Radikalisierung an den Rändern die rote Karte zu zeigen.

Nur kurz zu den Einwänden der Piratenfraktion bezüglich der Mitgliederzahl der Religionsgemeinschaften: Hier setze ich darauf, dass der Nachweis der Mitgliedschaft in geeigneter und für alle zufriedenstellenden Form erfolgen wird. Dass Sie nicht mehr mit auf dem Antrag stehen, ist bedauerlich. Den Änderungsantrag der Piratenfraktion werden wir aber auch hier ablehnen.

Insgesamt kann ich von der Grünenfraktion aus die Zustimmung zu diesem Gesetz empfehlen und bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Bas. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch im Namen der FDP-Fraktion möchte ich dafür danken, dass es uns gelungen ist, das sensible und bedeutsame Thema der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religionsgemeinschaften weitestgehend einvernehmlich zu gestalten. Das Ergebnis ist der vorliegende Gesetzentwurf nebst Änderungsantrag von vier Fraktionen.

Meine Damen und Herren, Körperschaftsrechte geben Religionsgemeinschaften institutionelle Sicherheit und ermöglichen zugleich die Ausübung hoheitlicher Kompetenzen. Der letztgenannte Aspekt verlangt deshalb auch, dass Religionsgemeinschaften über ein hohes Maß an Stabilität, Mitgliederstärke und Dauerhaftigkeit verfügen. Zugleich muss sichergestellt werden, dass sie auf dem Boden unserer Verfassung und Rechtsordnung wurzeln, sich also nicht über diese Rechtsordnung und Verfassung stellen oder sie sogar bekämpfen.

Das vorgelegte Gesetz stellt uns die Instrumentarien zur Überprüfung der Einhaltung dieser Voraussetzungen zur Verfügung. Es orientiert sich an der langjährigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ergänzt und präzisiert diese dort, wo es erforderlich ist. Der Änderungsantrag ergänzt die ursprünglichen Formulierungen um einige wenige technische Details.

Unser Bundesland beschreitet damit Neuland. Wir sind das erste Bundesland, das ein Parlamentsgesetz über die Verleihung von Körperschaftsrechten an Religionsgemeinschaften erlässt, und das ist gut.

Rechtsdogmatisch wäre es aus unserer Sicht allerdings konsequenter gewesen, die Verleihung der Körperschaftsrechte durch einen Verwaltungsakt anstelle einer Rechtsverordnung zu vollziehen. Die Rechtsverordnung stellt ein Gesetz der Exekutive dar, also eine abstrakte Regelung für eine Vielzahl von Fällen. Körperschaftsrechte werden jedoch im Einzelfall, gerade an die individuell sie beantragende Religionsgemeinschaft verliehen. Überdies ist das System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht unbedingt auf Klagen im Zusammenhang mit Rechtsnormen ausgelegt. Es ist vielmehr in Wissenschaft und Praxis heftig umstritten, inwiefern ein Verwaltungsgericht überhaupt die Verpflichtung zum Erlass einer Rechtsnorm aussprechen kann. Im Hinblick auf Verwaltungsakte erscheint dies hingegen gänzlich unproblematisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, rechtsdogmatische Fragen sind für meine Fraktion jedoch kein Grund, dem im Übrigen gelungenen Gesetzentwurf die Zustimmung zu verweigern. Wir hätten es lediglich begrüßt, wenn die Verleihung der Körperschaftsrechte anders geregelt worden wäre. Aber es existiert ja eine Evaluierungsklausel, die zwar für rechtsdogmatische Fragen auf den ersten Blick nicht unbedingt sachgerecht erscheint – man wird Rechtsfragen schlechterdings nicht evaluieren können –, aber sie erlaubt immerhin, Probleme im Zusammenhang mit der Verleihungsform zu erkennen. Wenn wir dann im Wege der Evaluierung feststellen, dass hier ein Nachbesserungsbedarf besteht, dann kann das Gesetz in diesem Punkt ja nachträglich geändert werden.

Das gilt im Übrigen auch mit Blick auf die von den Piraten noch geforderten Änderungen, wobei ich Ihnen zurufen möchte: Die Vorschrift über die Landesbeteiligung ist nicht verfassungswidrig. Sie kann vielmehr verfassungskonform auch so ausgelegt werden, dass der Landtag zustimmen muss, wenn eine Religionsgemeinschaft die übrigen Voraussetzungen der Verleihung erfüllt. Sie führen hier also ein Scheingefecht. Es ist sehr bedauerlich, dass Sie nur vor diesem Hintergrund aus dem Konsens aller Fraktionen ausgeschieden sind. Im Ausschuss haben Sie sich noch enthalten. Wie Sie heute abstimmen, bleibt dann abzuwarten. Aber als Antragsteller von dem Antrag wieder zurückzutreten, fand ich schon mehr als merkwürdig. Ich wollte aber nicht nickelig sein, das auch durch das entsprechende Abstimmungsverhalten zum Ausdruck zu bringen.

Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss stellen wir auch klar, dass sich der Erwerb der Körperschaftsrechte als positives Vehikel erfolgreicher Integration darstellen kann, insbesondere wenn es gelingt, auch den zahlreichen islamischen Glaubensgemeinschaften einen Zugang zur körperschaftlichen Verfassung zu eröffnen. Insofern bin ich guten Mutes, dass uns mit dem heutigen Gesetzesbeschluss ein großer Fortschritt im Religionsverfassungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen gelungen ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer hier auf der Tribüne und zu Hause! Frau Kollegin Freimuth, weil Sie es gerade angesprochen haben, antworte ich direkt darauf: Wir haben intern noch relativ lange über den Gedanken geredet, der in unserer Fraktion vorherrschte, ob man nicht von dem Antrag zurücktreten sollte. Wir haben leider erst am letzten Dienstag endgültig darüber abstimmen können, ob wir den Gesetzentwurf noch mittragen oder nicht. Da ist die Abstimmung negativ ausgefallen.

Um Ihre Frage zu beantworten: Die Enthaltung im Ausschuss hat durchaus widergespiegelt, dass wir noch im internen Streit waren. Dass wir jetzt runtergehen, ist Ausdruck dessen, dass wir uns am Ende innerhalb der Fraktion darauf geeinigt haben, dass wir den Gesetzentwurf nicht mehr mittragen wollen. Das zu dieser Geschichte.

Wir haben bis zuletzt tatsächlich konstruktiv an dem Gesetzentwurf zusammengearbeitet. Das möchte ich betonen und fand ich sehr erbauend, weil es einmal eine neue Erfahrung für mich war. Das ist in vielen anderen Bereichen nicht passiert.

Der Vorteil der letzten Rede ist, ich muss nicht mehr erklären, worum es im Ganzen geht. Ich kann also ein bisschen Zeit sparen. Vieles von dem, was wir besprochen haben, ist tatsächlich umgesetzt worden, auch in den letzten Änderungen der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses.

Aber zwei Dinge sind uns trotzdem noch wichtig und die sind uns so wichtig, dass wir den Gesetzentwurf nicht mittragen können.

Erster Punkt. Herr Prof. Sternberg hat gerade gesagt: Wer Mitglied in einer Religionsgemeinschaft ist, das muss klar sein. Wenn Sie mit diesem Argument kommen, muss ich Ihnen sagen: Es ist jetzt auch nicht klar, zum Beispiel namentlich bei den jüdischen Gemeinden, wer Mitglied ist. Das ist auch gut so. Denn Mitglied in einer Religionsgemeinschaft zu sein, ist eines der privatesten Daten, die man haben kann.

Für uns ist es extrem wichtig, dass wir nicht darauf vertrauen – Herr Kollege Bas hat es gerade gesagt –, dass die geeignete Form schon geeignet sein wird, sondern, dass wenn wir so etwas ins Gesetz hineinschreiben, es entweder klar ausformuliert ist oder nur die Anzahl der Mitglieder nachgewiesen werden muss – denn auch das muss in geeigneter Form geschehen – und nicht jedes Mitglied einzeln. Da ist das Missbrauchspotenzial viel zu hoch.

Der zweite Punkt ist der verfassungsrechtliche Anspruch von Religionsgemeinschaften auf den Körperschaftsstatus. Nach § 140 Grundgesetz in Verbindung mit § 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung – diejenigen, die sich damit beschäftigt haben, wissen, wovon ich rede – ist nun einmal dieser Anspruch vorhanden, und der lässt sich nicht wegdiskutieren.

Dann hinzugehen und diesen Vorbehalt des Landtags in den Gesetzentwurf hineinzuschreiben, fanden wir von Anfang an schwierig. Wir haben das angesprochen und haben gesagt: Okay, liebe Leute, dann lasst uns das so machen, aber lasst uns dann bitte die Evaluationsfrist heruntersetzen. Lasst es uns Ende 2017 evaluieren. Dann können wir den Gesetzentwurf mittragen. Das geht dann schnell genug. Das ist leider nicht umgesetzt worden. Stattdessen ist das Datum geändert worden. Sei es drum.

Ich möchte noch einmal klarstellen, dass das Heruntergehen der Piratenfraktion von diesem Antrag nicht negativ ausgelegt werden soll, kein negatives Signal in Richtung Religionsgemeinschaften ist und auch nicht in Richtung derer, die den Körperschaftsstatus demnächst haben wollen, sondern wir wirklich Bedenken haben, dass wir uns zu diesem Thema nicht erst im Jahr „Zweitausendirgendwann“ zusammensetzen, sondern es relativ schnell dazu kommen wird, dass sich Weltanschauungsgemeinschaften um einen Körperschaftsstatus bemühen werden. Den werden wir dann hier im Landtag ablehnen. Dann werden wir leider vor der Frage stehen, wie wir uns vor dem Verfassungsgericht verhalten und wir werden uns zu dem Thema leider hier wiedersehen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Kutschaty.

Thomas Kutschaty, Justizminister: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut so und lang gepflegte Tradition hier im Hause, dass grundsätzliche religionspolitische Fragestellungen und Themen hier in einem parteiübergreifenden, aber auch in einem gesellschaftsübergreifenden Konsens geregelt und diskutiert werden.

Insofern finde ich es auch bedauerlich, dass die Piratenfraktion auf der Zielgeraden noch von der Antragstellung ausgestiegen ist. Denn es ist ein guter Gesetzentwurf hier vorgelegt worden. Das hat schon die Sachverständigenanhörung ergeben. Die intensiven Beratungen im Ausschuss mit den daraus folgenden Änderungsanträgen zeigen, glaube ich, dass man hier sehr intensiv, sehr konsensual diskutiert hat. Allein schon aus diesem Grunde kann Ihnen die Landesregierung nur empfehlen, diesem nunmehr vorliegenden Entwurf mit den Änderungsanträgen zuzustimmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, und wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Wir kommen erstens zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/6753. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/6753 mit Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/6708, den Gesetzentwurf Drucksache 16/4151 mit den von ihm bereits in der Ausschusssitzung beschlossenen Änderungen anzunehmen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung Drucksache 16/6708, die den geänderten Gesetzentwurf enthält. Wer ihr seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann ihr nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/6708 bei Gegenstimmen der Fraktion der Piraten sowie bei Zustimmung aller anderen Fraktionen des Landtags angenommen.

(Angela Freimuth [FDP]: Zwei Enthaltungen!)

– Zwei Enthaltungen. Entschuldigung, habe ich nicht gesehen. Bei zwei Enthaltungen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt eine Vielzahl von Abstimmungen vorzunehmen. Es gibt keine Wortbeiträge mehr, aber es gibt noch zehn, zwölf Abstimmungen, die wir durchführen müssen. Deswegen bitte ich um Ihre Konzentration.

Wir kommen zu:

9   Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6223

erste Lesung

Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 4)

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6223 an den Rechtsausschuss. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

10       Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe?Anerkennungsge-setz – SobAG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6224

erste Lesung

Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 5)

Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6224 an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Wer der Überweisungsempfehlung seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Auch keine Enthaltungen. Damit ist die Überweisungsempfehlung angenommen.

Wir kommen zu:

11       Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen – DSG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6634

erste Lesung

Eine mündliche Einbringung des Gesetzentwurfs ist heute nicht vorgesehen. Die Einbringungsrede von Minister Jäger wird zu Protokoll gegeben. (Siehe Anlage 6) Eine weitere Aussprache ist heute ebenfalls nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6634 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

12       Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz und zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6635

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat Herr Minister Remmel mitgeteilt, dass er seine Rede zu Protokoll gegeben hat. (Siehe Anlage 7) Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen auch hier unmittelbar zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurf Drucksache 16/6635 an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

13       Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/6636

erste Lesung

Eine Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Landesregierung ist heute mündlich nicht vorgesehen. Die Rede von Herrn Minister Schneider wird zu Protokoll gegeben. (Siehe Anlage 8) Eine Aussprache ist heute auch nicht vorgesehen.

Wir kommen auch hier direkt zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6636 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

14       10. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Versorgungswerks der Mitglieder des Landtags Nordrhein-Westfalen und des Landtags Brandenburg

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/6123

Beschlussempfehlung
des Hauptausschusses
Drucksache 16/6690

zweite Lesung

Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/6690, den Gesetzentwurf Drucksache 16/6123 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über diesen Gesetzentwurf selbst, der in seiner ursprünglichen Fassung und damit unverändert angenommen werden soll. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/6690 angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/6123 in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir kommen zu:

15       Steuererhöhungsspirale der Kommunalsteuern beenden – fiktive Hebesätze im kommunalen Finanzausgleich langfristig absenken!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6684

Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6684 an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

16       Auswirkungen der Bevölkerungsschrumpfung abdämpfen – Demografieansatz im GFG stärken

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6685

Auch hier ist eine Aussprache heute nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb direkt zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6685 an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um ein Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung angenommen.

Wir kommen zu:

17       „Schwarze Kasse“ des Innenministeriums zur Bewältigung des kommunalen Problems der Krankheitskosten für Asylbewerber nutzen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/6686

Auch hier ist heute eine Aussprache nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6686 an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung angenommen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es kommen noch einige wichtige Abstimmungen. Ich bitte um Konzentration.

Wir kommen nun zu:

18       Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung des Kreises Paderborn, der Kreisstadt Euskirchen sowie der Stadt Recklinghausen, §§ 17 bis 19 Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG – NRW – vom 10. Januar 2012 (GV. NRW. S. 17) sowie §§ 1 bis 22 Verordnung Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – RVO TVgG – NRW – vom 14. Mai 2013 (GV. NRW. S. 253) verstießen gegen das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung, insbesondere gegen Art. 78 Abs. 3 LV NRW

VerfGH 15/14
Vorlage 16/1965

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/6691

Auch hierzu ist eine Aussprache nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb direkt zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 16/6691, zu dem Verfahren keine Stellungnahme abzugeben. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/6691 angenommen.

Wir kommen zu:

19       Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Vorlage des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zu der Frage, ob die §§ 31, 32 des Hochschulrahmengesetzes in der Fassung des Siebten HRG-Änderungsgesetzes vom 28. August 2004 sowie die Vorschriften der Länder zur Ratifizierung und Umsetzung des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung mit dem Grundgesetz vereinbar sind, soweit sie für den Studiengang Humanmedizin ein Vergabeverfahren vorsehen, bei dem nach Abzug einiger Vorabquoten 20 % der Studienplätze allein nach dem Grad der Qualifikation (unter Bildung von Länderquoten), 60 % der Studienplätze maßgeblich nach dem Grad der Qualifikation (ohne Bildung von Länderquoten) und 20 % der Studienplätze nach Wartezeit (ohne Beschränkung auf Bewerbungssemester) vergeben werden und bei dem die für eine Zulassung in der Wartezeitquote erforderliche Anzahl an Wartesemestern regelmäßig die Dauer eines normalen Studiums übersteigt

1 BvL 5/13 u. a.
Vorlage 16/2069

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/6692

Auch hierzu ist keine Aussprache vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 16/6692, zu dem Verfahren keine Stellungnahme abzugeben. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung Drucksache 16/6692 einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

20       Nachwahl zur Vertreterversammlung für das Versorgungswerk der Mitglieder des Landtags Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
Drucksache 16/6652

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag in Drucksache 16/6652. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Wahlvorschlag Drucksache 16/6652 bei einer Gegenstimme angenommen.

Wir kommen zu:

21       In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 22
gem. § 82 Abs. 2 GeschO
(§ 79 Abs. 2 GO a. F.)
Drucksache 16/6693

Die Übersicht 22 enthält acht Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung an die Ausschüsse zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden, sowie einen Entschließungsantrag. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun abstimmen über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den Ausschüssen entsprechend der Übersicht 22. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem seine Zustimmung nicht geben? – Wer enthält sich? – Damit sind die in Drucksache 16/6693 enthaltenen Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse bestätigt worden.

Wir kommen zu:

22       Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/24

Mit der Übersicht 24 liegen Ihnen die Beschlüsse zu Petitionen vor.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Ist jemand mit den Beschlüssen nicht einverstanden? – Dies ist nicht der Fall. Dann stelle ich gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass damit die Beschlüsse aus der Übersicht 16/24 bestätigt wurden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das war eine Marathonabstimmung. Ich bedanke mich bei Ihnen sehr herzlich für die Disziplin am heutigen Abend. Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung angelangt.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 11. September, um 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen, angenehmen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 19:34 Uhr _______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

Anlage 1

Zu TOP 5 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Landesfarben, das Landeswappen und die Landesflagge“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Mit diesem Gesetzentwurf kommen wir unserer Verpflichtung aus § 6 des Gesetzes nach.

Im Wesentlichen betrifft die Änderung drei Bereiche:

1. Zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit lassen wir ein Landeswappen in vereinfachter Form zu. Bislang gab es dafür noch keine gesetzliche Grundlage.

2. Wir ergänzen und konkretisieren unsere Verordnungsermächtigung, um den Anforderungen des BVerfG gerecht zu werden.

3. Wir lassen die Berichtspflicht entfallen, da dieses Gesetz dauerhaft erforderlich ist.

 

Anlage 2

Zu TOP 6 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das öffentliche Flaggen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Mit diesem Gesetzentwurf kommen wir unserer Verpflichtung aus § 2 des Gesetzes nach.

In diesem Fall nehmen wir Änderungen an zwei Stellen vor:

1. Wir ergänzen den § 1 um die Stiftungen des öffentlichen Rechts und ersetzen den Begriff „Innenministerium“ durch „das für Inneres zuständige Ministerium“

2. Wir lassen die Berichtspflicht entfallen, da dieses Gesetz dauerhaft erforderlich ist.          

 

Anlage 3

Zu TOP 7 – „Siebtes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie zur Änderung weiterer Gesetze“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Dieser Gesetzentwurf hat zwei ganz pragmatische Ziele:

1. Zum einen wollen wir die Regelungen, die sich eindeutig bewährt haben, von einer Befristung im Gesetz befreien.

2. Zum anderen wollen wir die Befristungen bei den Regelungen, die noch evaluiert werden müssen, verlängern.

Der Gesetzentwurf umfasst die Änderung gesetzlicher Befristungen von 13 Gesetzen, die redaktionelle Anpassung des Gebührengesetzes an Bundesrecht und eine inhaltliche Änderung des Justizgesetzes.

Bei den entfristeten Gesetzen handelt es sich u. a. um das Fraktionsgesetz, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz, das Polizeigesetz und auch Ordnungsbehördengesetz.

Auf der anderen Seite verlängern wir sowohl das Fachhochschulgesetz öffentlicher Dienst als auch das Zensusgesetz 2011.

Ich will an dieser Stelle nicht auf jedes einzelne dieser Gesetze im Detail eingehen – das würde wohl den zeitlichen Rahmen dieser Debatte locker sprengen.

Bezüglich des Justizgesetzes ist mir jedoch ein Hinweis wichtig:

Das Widerspruchsverfahren in Nordrhein-Westfalen ist nach derzeitiger Rechtslage in den meisten Bereichen bis zum 31.12.2014 befristet ausgesetzt.

Das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Justizgesetzes sieht eine partielle Wiedereinführung des Widerspruchsverfahrens grundsätzlich zum 1. Januar 2015, jedoch bezüglich Kommunalabgaben/Real-steuern erst zum 1. Januar 2016 vor.

Dieses Gesetzgebungsverfahren kann frühestens im Dezember 2014 abgeschlossen werden.

Gesetzt den Fall, dass das nicht gelingt, würde zum 01.01.2015 die vor der Aussetzung des Widerspruchsverfahrens geltende Rechtslage wieder aufleben.

Auch gegen Verwaltungsakte im Bereich Kommunalabgaben/Realsteuern müsste dann bereits ab dem 01.01.2015 wieder ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden.

Um dieses Szenario vorsorglich zu verhindern, wurde in die Änderung des Justizgesetzes eine vorläufige Regelung aufgenommen. Danach wird die befristete Aussetzung des Widerspruchverfahrens gegen Verwaltungsakte im Bereich der Kommunalabgaben und Realsteuern bis zum 31.12.2015 verlängert.

Dies geschieht im Interesse unserer Kommunen.

Die Kommunen versenden jedes Jahr im November die Grundbesitzabgabenbescheide für das Folgejahr.

Daher benötigen sie bereits im Oktober 2014 Gewissheit über die Rechtslage bezüglich der Rechtsbehelfe im Jahr 2015.

Dies ist nur durch ein Gesetz gewährleistet, das bereits Ende Oktober 2014 in Kraft tritt.

Deshalb muss der Zeitplan für diesen Gesetzentwurf aus Sicht der Landesregierung unbedingt gehalten werden.

Die Entfristung der Gesetze bzw. die Streichung von Berichtspflichten bedeutet nicht, dass wir als Landesregierung zukünftig auf die Prüfung und Evaluierung dieser Gesetze verzichten.

Ganz im Gegenteil: Auch künftig werden wir die Gesetze in unserem Land sorgfältig beobachten.

Sollte sich daraus der Bedarf für notwendige Änderungen und Reformen ergeben, werden wir diese im Dialog auf den Weg bringen    .

 

Anlage 4

Zu TOP 9 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Thomas Kutschaty, Justizminister:

Der vorgelegte Entwurf regelt die Verlängerung des Gesetzes zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2009. Hintergrund der vor fünf Jahren eingeführten gesetzlichen Regelungen war unter anderem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. August 2009, in der hervorgehoben wurde, dass Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, welches durch den Einsatz von Videotechnik tangiert wird, im überwiegenden Allgemeininteresse einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, die den Eingriff bereichsspezifisch, präzise und normenklar festlegt.

Das nur aus drei Paragrafen bestehende Gesetz enthält seitdem die rechtliche Grundlage für den Einsatz von technischen Geräten zur Störung der Telekommunikation auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalten, sogenannten Mobilfunkblockern, und ermöglicht die Beobachtung mittels Videotechnik.

Die Störung der Telekommunikation durch technische Geräte dient der Verhinderung der illegalen Nutzung von Mobilfunkgeräten durch Gefangene in der Anstalt und ergänzt die regelmäßig durchzuführenden Durchsuchungen der Gefangenen, ihrer Hafträume und der dort befindlichen Gegenstände im Hinblick auf das Mitführen und Verstecken von Handys. Hierzu sind fast alle Anstalten mit mobilen Handydetektionsgeräten ausgestattet, die eine unerlaubte Telekommunikation anzeigen, diese aber nicht verhindern können. Durch entsprechende Störsender kann jedoch der Handyempfang auch unterdrückt und damit einer unkontrollierten Kontaktaufnahme der Gefangenen zu Personen außerhalb der Anstalt gezielt entgegengewirkt werden.

Darüber hinaus sieht das Gesetz die Beobachtung des Anstaltsgeländes sowie des Inneren der Gebäude vor, soweit Gründe der Sicherheit oder der Ordnung dies erfordern. Im Außenbereich dienen beispielsweise sensorische Kamerasysteme dazu, technische Sicherheitsvorkehrungen wie Lichtschranken oder Bewegungsmelder sinnvoll zu ergänzen.

Die Regelung ermöglicht zudem die Videobeobachtung von Gefangenen in besonders gesicherten Hafträumen, allerdings nur, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für das Leben oder erheblichen Gefahren für die Gesundheit der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. Eine solche Beobachtung kommt insbesondere bei akut suizidgefährdeten Gefangenen in Betracht.

Durch eine kontinuierliche optische Überwachung werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des allgemeinen Vollzugsdienstes in die Lage versetzt, die gefährdeten Gefangenen jederzeit zu kontrollieren und mögliche Risikoanlagen frühzeitig zu erkennen. Bei Bedarf können schnellstmöglich primäre Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder medizinische Versorgungsmaßnahmen eingeleitet werden. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass besonders gefährdeten Gefangenen ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit zuteil wird.

Das Gesetz sieht in § 3 eine Befristung bis zum 31. Dezember 2014 vor. Es ist jedoch über diesen Zeitraum hinaus für einen Übergangszeitraum von maximal zwei Jahren noch erforderlich.

Es ist nämlich beabsichtigt, die Regelungen des Gesetzes schrittweise in sämtliche Vollzugsgesetze des Landes Nordrhein-Westfalen – teils mit Modifikationen – zu implementieren. Nur auf diesem Wege wird sichergestellt, dass die Vollzugspraxis so weit wie möglich mit Rechtsgrundlagen aus einem Guss arbeiten kann. Erst sobald die Regelungsinhalte des Gesetzes aber auch tatsächlich in allen Bereichen des Vollzuges in die bestehenden Vollzugsgesetze implementiert sind, wird das Gesetz vollständig entbehrlich und kann in Gänze aufgehoben werden.

So finden sich entsprechende Regelungen bereits im Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen und im Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen, die jeweils im Jahr 2013 hier im Landtag verabschiedet worden sind. Auch im Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Strafvollzugsgesetz, der am 9. April 2014 in den Landtag eingebracht worden ist und derzeit in den Ausschüssen beraten wird, sind die erforderlichen Rechtsgrundlagen bereits enthalten.

Für das Jugendstrafvollzugsgesetz aus dem Jahr 2007 und das Untersuchungshaftvollzugsgesetz aus 2009 sind die Anpassungen aber noch nicht abgeschlossen, weil den laufenden parlamentarischen Beratungen zum Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen nicht vorgegriffen werden soll

Die Landesregierung legt großen Wert darauf, Vollzugsgesetze aus einem Guss zu schaffen. Dies erfordert aber, Abweichungen bei den gesetzlichen Standards der verschiedenen Vollzugsbereiche möglichst zu vermeiden. Die notwendigen und geplanten Änderungen in den Bereichen Jugendstrafvollzug und Untersuchungshaft, durch die auch das Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit seine Erforderlichkeit abschließend verliert, sollen aus diesem Grunde aber auch erst nach dem Inkrafttreten des neuen Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht werden.

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht daher allein zur Vermeidung temporärer Regelungslücken eine Prolongation des geltenden Gesetzes um zwei Jahre bis zum 31. Dezember 2016 vor. Temporäre Regelungslücken durch den Verfall des Gesetzes könnten unnötige Sicherheitslücken in den Anstalten eröffnen, die aus Gründen der Sicherheit der Allgemeinheit dringend zu vermeiden sind. Inhaltliche Änderungen des Gesetzes sind mit der Prolongation daher bewusst nicht verbunden worden         .

 

Anlage 5

Zu TOP 10 – „Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe-Anerkennungsgesetz – SobAG)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport:

Im Zuge des Bachelor-Reformprozesses sind in den vergangenen Jahren die meisten Studiengänge an Hochschulen auf Bachelor- und Masterabschlüsse umgestellt worden. Ein zentrales Ziel dieser Reform war und ist eine bessere Qualifizierung von Fachkräften durch das Einrichten vergleichbarer Studienstrukturen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen nun erstmals landesrechtlich einheitliche Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung von Sozialberufen mit Bachelorabschluss im Land Nordrhein-Westfalen geschaffen werden.

Erst die staatliche Anerkennung eröffnet den Absolventinnen und Absolventen im Bereich der sozialen Arbeit den Zugang zu wesentlichen Teilen des Arbeitsmarktes. Denn der Akt der staatlichen Anerkennung gewährleistet, dass die Ausbildung bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllt, auf die Studierende und Arbeitgeber gleichermaßen vertrauen können.

Die staatliche Anerkennung der Bachelor-Absolventinnen und Absolventen erfolgt in den Studiengängen der Sozialen Arbeit in NRW bislang unmittelbar durch die jeweilige Hochschule – nach eigenen Ordnungen ohne gesetzliche Grundlage. In den bundesweit noch relativ neuen Studiengängen der Kindheitspädagogik ist in NRW bislang noch keine staatliche Anerkennung erfolgt. Um landesweit eine vergleichbare Ausbildungsqualität der Studiengänge zu erreichen, werden mit dem Sozialberufe-Anerkennungs-gesetz künftig einheitliche Mindeststandards für die staatliche Anerkennung gelten.

Für Träger und andere Arbeitgeber wird dadurch eine größere Sicherheit geschaffen.

Bereits 2008 hat sich die Jugend- und Familienministerkonferenz auf einheitliche Anforderungen zur staatlichen Anerkennung von Bachelor-Studiengängen im Bereich Soziale Arbeit verständigt.

2011 folgten Vereinbarungen zur staatlichen Anerkennung von Absolventinnen und Absolventen von Bachelor-Studiengängen im Bereich der Bildung und Erziehung in der Kindheit.

Das vorliegende Gesetz schafft jetzt eine – auch mit anderen Ländern vergleichbare – gesetzliche Reglementierung für das Berufsbild von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen.

Außerdem wird erstmals auch die staatliche Anerkennung des Berufsbildes der Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen in NRW geregelt und die Berufsbezeichnung „Kindheitspädagogin“ bzw. „Kindheitspädagoge“ begründet.

NRW folgt damit zahlreichen anderen Bundesländern bei der Etablierung und Professionalisierung dieses noch jungen Berufszweiges und erkennt dessen Bedeutung gerade angesichts des Ausbaus frühkindlicher Betreuungsangebote an.

 

Anlage 6

Zu TOP 11 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen – DSG NRW)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Die Umstellung auf den Digitalfunk bringt unseren Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben viele Vorteile:

Neben einer störungsfreien Kommunikation ist einer dieser Vorteile auch die Möglichkeit, die digitalen Geräte per GPS zu orten.

Diese Ortung bringt uns zusätzlichen Nutzen:

Wir gewinnen durch sie einen Überblick über die aktuelle Kräfteverteilung. So können wir gezielt Einsatzkräfte zum nächstgelegenen Einsatzort steuern oder betroffenen Einsatzkräften schnelle Hilfe und Unterstützung zukommen lassen.

Das ist nicht nur im Sinne der Allgemeinheit, sondern kommt auch denjenigen Einsatzkräften zugute, die im besonderen Maße Gefahren durch den Einsatz selbst oder durch mögliche Angriffe Dritter ausgesetzt sind.

Um diese Möglichkeiten nutzen zu können, brauchen wir eine Ergänzung in unserem Datenschutzgesetz NRW.

Bisher dürfen mobile personenbezogene Datenverarbeitungssysteme nur mit Einwilligung der betroffenen Person und nach vorheriger umfassender Aufklärung eingesetzt werden.

Eine solche Einholung der Einwilligung ist mit den dienstlichen Gegebenheiten vor Ort nicht in Einklang zu bringen.

Deshalb wollen wir den § 29a Datenschutzgesetz im Sinne des Gesetzentwurfs und unter Beachtung strenger datenschutzrechtlicher Voraussetzungen ergänzen.

Mit der ergänzten Regelung bestimmen wir einzelne Sicherheitsbehörden auf Landes- oder Kommunalebene, die dem Anwendungsbereich des § 2 des DSG NRW unterfallen und die ausnahmsweise ohne Einwilligung der betroffenen Person eine Datenverarbeitung beim Einsatz mobiler Datenverarbeitungssysteme durchführen dürfen. Darüber hinaus sind andere technische Mittel zulässig, z. B. der Mobilfunk.

Der Landesbeauftragte für Datenschutz ist über diesen Gesetzentwurf unterrichtet worden, die Verbändeanhörung ist ebenfalls durchgeführt worden und hat zu Änderungen im Wortlaut und in der Begründung geführt.      

 

Anlage 7

Zu TOP 12 – „Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz und zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz“ – zu Protokoll gegebene Rede

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz:

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz und zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz wird das Berufsbild der Veterinärassistentin bzw. des Veterinärassistenten geschaffen. Dieser „amtstierärztliche Assistenzdienst“ soll künftig die beamteten Tierärzte unterstützen und von Routineaufgaben entlasten.

Bei vielen Amtshandlungen müssen amtliche Tierärzte auch Aufgaben erfüllen, für die eine tierärztliche Qualifikation nicht zwingend erforderlich ist. Durch Schaffung des Assistenzdienstes werden qualifizierte Kapazitäten frei, die für eine qualitativ verbesserte Überwachung und Beratung eingesetzt werden können. Hier sind insbesondere auch die neuen Anforderungen an die Veterinärbehörden, die sich aus der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes mit dem Ziel der drastischen Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes ergeben, zu nennen.

Der tierärztliche Assistenzdienst wird vornehmlich bei den Kreisordnungsbehörden zum Einsatz kommen; eine Beschäftigung auf Landesebene beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz ist aber auch denkbar.

Die Ausbildung wird zentral vom Land gesteuert und auch bezahlt werden.

Wir verändern zudem die Beihilferegelung bei der Beseitigung von Falltieren (im Betrieb verendeten oder tot geborenen Tieren), um die beseitigungspflichtigen Kreise und kreisfreien Städte zu entlasten.

So sollen künftig die Kosten zwischen Nutztierhaltern und den beseitigungspflichtigen Kreisen und kreisfreien Städten hälftig statt bisher 10 % Nutztierhalter, 90 % beseitigungspflichtige Kommunen aufgeteilt werden. Es wird eine Obergrenze eingeführt, oberhalb derer ein Nutztierhalter die Beseitigungskosten gänzlich zu tragen hat.

Damit berücksichtigen wir, dass die einzelbetrieblichen Kosten der Falltierbeseitigung maßgeblich von den Haltungsbedingungen und dem Betriebsmanagement abhängen. Insgesamt entlasten wir die beseitigungspflichtigen Kreise und kreisfreien Städte damit um mehr als 3,7 Millionen €. Insbesondere die Kommunen im ländlichen Raum profitieren davon.

Wir stellen ferner klar, dass insbesondere Pferde zwar der Beseitigungspflicht unterliegen, aufgrund ihrer überwiegenden Nutzung zu Hobby- und Freizeitzwecken aber nicht mehr unter die Beihilferegelung für Falltiere fallen.

Auch die Kosten für die Beseitigung von Tieren, die durch Schadensereignisse umgekommen sind, sind von den Besitzern künftig vollständig zu tragen. Das finanzielle Risiko kann durch private Ertragsschadensversicherungen abgedeckt werden.

Tiergesundheitliche Frühwarnsysteme sind ein effektives Instrument in der Tierseuchenbekämpfung. Ein wesentlicher Baustein sind zeitnahe und belastbare Daten über die Anzahl der Falltiere in den landwirtschaftlichen Betrieben. Daher werden die Beseitigungsunternehmen dazu verpflichtet, Informationen über die Anzahl der Falltiere in den landwirtschaftlichen Betrieben an die Tierseuchenkasse zu übermitteln.

Am 1. Mai 2014 ist das Tiergesundheitsgesetz in Kraft getreten. Es löst das frühere Tierseuchengesetz ab. Daher wurden entsprechende Anpassungen an das neue Tiergesundheitsgesetz erforderlich.

 

Anlage 8

Zu TOP 13 – „Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales:

Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringem Einkommen sind bei der Förderung von Bildung und Teilhabe auf staatliche Unterstützung angewiesen. Zum Beispiel wäre eine Lernförderung für die betroffenen Eltern nicht bezahlbar. Das gilt ebenso für ein gemeinsames Mittagessen in der Schule, die Teilnahme an Schulausflügen, Fahrtkosten zur Schule und die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben.

Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) werden genau diese Leistungen finanziert. Es trägt damit dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 Rechnung, in dem die Förderung von Kindern und Jugendlichen im Bereich Bildung und Teilhabe als zwingender Bestandteil des Existenzminimums festgeschrieben wurde.

Seit 2011 gibt es das Bildungs- und Teilhabepaket. Die Finanzmittel stellt der Bund den Kommunen über die Länder zur Verfügung. Für die Umsetzung sind die Kommunen verantwortlich.

Für die Jahre 2011 und 2012 hatte der Bund den je nach Land gewährten Prozentsatz zu den Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II um einen pauschalen Beitrag für die Aufgaben aus dem Bildungs- und Teilhabepaket erhöht (5,4 %).

Analog dazu sieht das Ausführungsgesetz für NRW derzeit ebenfalls eine pauschale Weiterleitung der Bundesgelder an die Kommunen vor. Sie erfolgt damit unabhängig von den tatsächlichen Kosten der einzelnen Kommunen für Bildungs- und Teilhabeleistungen.

Diese Regelung halten wir für überholt!

Im letzten Jahr ist der Bund erstmalig von der Pauschalregelung abgewichen und hat per Rechtsverordnung eine länderspezifische Quote eingeführt. Grundlage für diese Quote sind die von uns an das Bundesarbeitsministerium gemeldeten Ausgaben der Kommunen in NRW des Vorjahres.

Die Ausgaben für Bildungs- und Teilhabeleistungen in unseren Kommunen sind unterschiedlich hoch. Daher führt die pauschale Weiterleitung zu finanziellen Ungleichgewichten. Die bereitgestellten Gelder weichen somit von den tatsächlichen Ausgaben für das Bildungs- und Teilhabepaket vor Ort ab.

Das führt zum Nachteil für diejenigen Kreise und kreisfreien Städte, die überdurchschnittliche Ausgaben für die Beteiligung der betroffenen Kinder und Jugendlichen an Bildung und sozialer Teilhabe haben.

Mit unserem Gesetzentwurf will das Land genau dies verhindern. Wir greifen damit auch eine Forderung der Kommunen und ihrer Spitzenverbände auf, die sich für eine bedarfsgerechte Mittelverteilung ausgesprochen haben.

Unser Gesetzentwurf sieht die pauschale Weiterleitung durch eine ausgabenorientierte Verteilung der Bundesmittel an die Kreise und kreisfreien Städte vor.

Die Kommunen erhalten danach eine Beteiligung für Bildung und Teilhabe entsprechend ihres Anteils an den Gesamtausgaben im Vorjahr. Das bedeutet: Wenn die Ausgaben einer Kommune für BuT im Vorjahr 4 % an den Gesamtausgaben für BuT in NRW betragen haben, erhält sie im Folgejahr monatlich einen Anteil in Höhe von 4 % an der Bundesbeteiligung.

Der Anteil für BuT wird vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales ermittelt und jährlich angepasst. Ergibt sich aufgrund dessen eine Über- oder Unterzahlung für die Kommune, wird diese mit der laufenden Bundesbeteiligung zeitnah ausgeglichen.

Im zweiten Jahr in Folge liegt NRW auch im Jahr 2013 mit seiner Länderquote über dem Bundesdurchschnitt.

Auch dies ist ein Zeichen dafür, dass sich die Kreise und kreisfreien Städte in NRW für die Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit geringem Einkommen einsetzen. Der Gesetzentwurf ist damit ein wichtiges Signal für die Zukunft!