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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/58

16. Wahlperiode

14.05.2014

58. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 14. Mai 2014

Mitteilungen der Präsidentin. 5701

1   Gründe für überraschendes Ausscheiden des Portigon-Vorstandsvor-sitzenden weiter unklar – Finanzminister Dr. Walter-Borjans besichtigt Jagdschloss Granitz auf Rügen statt den Landtag zu informieren

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5842. 5701

Christian Möbius (CDU) 5701

Ralf Witzel (FDP) 5702

Martin Börschel (SPD) 5704

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 5705

Dietmar Schulz (PIRATEN) 5706

Robert Stein (fraktionslos) 5708

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 5709

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 5710

Stefan Zimkeit (SPD) 5712

Ralf Witzel (FDP) 5713

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 5714

Dietmar Schulz (PIRATEN) 5715

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 5716

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 5717

2   Bundesregierung soll heimliche Steuererhöhungen umgehend zurücknehmen: Steuerzahler durch Abbau der kalten Progression entlasten – Leistungsgerechtigkeit für Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen wiederherstellen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5752. 5718

Ralf Witzel (FDP) 5718

Stefan Zimkeit (SPD) 5719

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 5720

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 5722

Dietmar Schulz (PIRATEN) 5723

Robert Stein (fraktionslos) 5724

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 5725

Ergebnis. 5727

3   Demografiefeste Gesetze, Richtlinien und Verordnungen in Nordrhein-Westfalen!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5761. 5727

Hendrik Schmitz (CDU) 5727

Markus Herbert Weske (SPD) 5728

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 5729

Marcel Hafke (FDP) 5729

Michele Marsching (PIRATEN) 5730

Ministerin Barbara Steffens. 5731

Ergebnis. 5732

4   Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/5751

erste Lesung. 5732

Marc Herter (SPD) 5732

Sigrid Beer (GRÜNE) 5733

Ina Scharrenbach (CDU) 5734

Yvonne Gebauer (FDP) 5735

Monika Pieper (PIRATEN) 5735

Ministerin Sylvia Löhrmann. 5736

Ergebnis. 5737

5   Effektiver Nichtraucherschutz: Toleranz und Akzeptanz statt Bevormundung und Ideologie

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5753

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5871. 5737

Susanne Schneider (FDP) 5737

Serdar Yüksel (SPD) 5739

Walter Kern (CDU) 5740

Arif Ünal (GRÜNE) 5741

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 5741

Ministerin Barbara Steffens. 5742

Ergebnis. 5744

6   Einführung von Kumulieren und Panaschieren im Kommunalwahlrecht

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5500. 5744

Torsten Sommer (PIRATEN) 5744

Stefan Kämmerling (SPD) 5745

Ralf Nettelstroth (CDU) 5747

Mario Krüger (GRÜNE) 5748

Kai Abruszat (FDP) 5749

Minister Ralf Jäger 5749

Torsten Sommer (PIRATEN) 5750

Ergebnis. 5750

7   Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) darf nicht Spielball innerkoalitionären Streits werden

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5767

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5865. 5750

Thomas Kufen (CDU) 5750

Rainer Schmeltzer (SPD) 5751

Wibke Brems (GRÜNE) 5752

Dietmar Brockes (FDP) 5753

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 5754

Minister Johannes Remmel 5754

Ergebnis. 5756

8   Entscheidungsunfähigkeit oder Entscheidungsunwilligkeit?
Neuausrichtung des Bau- und Liegenschaftsbetriebs endlich vorantreiben

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5758. 5756

Hendrik Schmitz (CDU) 5756

Dirk Wedel (FDP) 5757

Stefan Zimkeit (SPD) 5759

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 5761

Dietmar Schulz (PIRATEN) 5762

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 5763

Ergebnis. 5765

9   Fragestunde

Drucksache 16/5780

In Verbindung mit:

Schadstoffbelastung in der Gesamtschule Kierspe und in der Grundschule Neschen in Odenthal

Kleine Anfrage 2096
der Abgeordneten
Olaf Wegner, Monika Pieper und
Lukas Lamla (PIRATEN)
Drucksache 16/5257. 5766

Ministerin Sylvia Löhrmann. 5766

Mündliche Anfrage 38

der Abgeordneten
Ingola Schmitz (FDP)

Die schulische Integration nicht gefährden – Wie bewertet Schulministerin Löhrmann in Anbetracht der vielfachen kritischen Äußerungen zu angeblich der Gülen-Bewegung nahestehenden Bildungseinrichtungen in den letzten Monaten die Planungen des Rhein-Ruhr-Bildungsvereins, dem ebenfalls eine Nähe zur Gülen-Bewegung nachgesagt wird, in Essen zukünftig ein Gymnasium in freier Trägerschaft zu betreiben?  5767

Ministerin Sylvia Löhrmann. 5768

Mündliche Anfrage 39

des Abgeordneten
Ulrich Alda (FDP)

Hat der Arbeitsminister den Landtag umfassend über alle Veranstaltungen seiner Pressesprecherin informiert?  5770

In Verbindung mit:

Mündliche Anfrage 40

des Abgeordneten
Peter Preuß (CDU)

Nebentätigkeiten der Sprecherin von Minister Schneider 5771

Minister Guntram Schneider 5771

Mündliche Anfrage 41

des Abgeordneten
Ralf Witzel (FDP)

Machtkampf in der Stiftung Museum Schloss Moyland – Wie bewertet die Landesregierung die nun aktuellen Vorgänge und Handlungen, darunter insbesondere auch das erkennbar parteiische Agieren ihrer zur Neutralität der Aufgabenwahrnehmung klar verpflichteten Stiftungsaufsicht?  5777

Ministerin Ute Schäfer 5778

10 Verantwortung für die Bevölkerung wahrnehmen – PCB-betroffene Lehrkräfte, Eltern und Schüler nicht alleine lassen!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5744. 5782

Lukas Lamla (PIRATEN) 5782

Michael Scheffler (SPD) 5783

Peter Preuß (CDU) 5785

Hans Christian Markert (GRÜNE) 5786

Susanne Schneider (FDP) 5787

Minister Michael Groschek. 5788

Monika Pieper (PIRATEN) 5789

Ergebnis. 5789

Ergebnis
namentliche Abstimmung,
s. Anlage 1. 5790

11 Bürokratie abbauen und Liquidität von Handwerk und Mittelstand verbessern – Vorverlegung des Fälligkeitstermins für Sozialabgaben rückgängig machen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5468. 5790

Ulrich Alda (FDP) 5790

Marion Warden (SPD) 5791

Matthias Kerkhoff (CDU) 5792

Martina Maaßen (GRÜNE) 5792

Daniel Schwerd (PIRATEN) 5793

Minister Guntram Schneider 5793

Ulrich Alda (FDP) 5794

Minister Guntram Schneider 5794

Ergebnis. 5795

12 Professionelles Management für Autobahnbaustellen einführen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5765. 5795

Bernhard Schemmer (CDU) 5795

Achim Tüttenberg (SPD) 5796

Arndt Klocke (GRÜNE) 5797

Christof Rasche (FDP) 5799

Oliver Bayer (PIRATEN) 5799

Minister Michael Groschek. 5800

Ergebnis. 5801

13 Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen muss jetzt die Bereichsausnahme für den Rettungsdienst schaffen – Ehrenamtliche Strukturen im Rettungsdienst sichern!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5759. 5801

Ina Scharrenbach (CDU) 5801

Michael Scheffler (SPD) 5802

Arif Ünal (GRÜNE) 5803

Marc Lürbke (FDP) 5804

Lukas Lamla (PIRATEN) 5805

Ministerin Barbara Steffens. 5805

Ergebnis. 5807

14 Augenhöhe zwischen Bergbauunternehmen und Betroffenen: Rechtlichen Rahmen verbessern, Position der Betroffenen und Anwohnerschutz stärken

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5750

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5851. 5807

Peter Münstermann (SPD) 5807

Josef Wirtz (CDU) 5808

Gudrun Elisabeth Zentis (GRÜNE) 5809

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 5810

Dietmar Brockes (FDP) 5811

Minister Guntram Schneider 5812

Ergebnis. 5813

15 Fehlerhafter Erfassung rechter Gewalt ein Ende setzen: Die Notwendigkeit einer Reformierung des Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität-rechts“ (PMK-rechts) anerkennen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5748. 5813

Birgit Rydlewski (PIRATEN) 5813

Nadja Lüders (SPD) 5814

Daniel Sieveke (CDU) 5815

Verena Schäffer (GRÜNE) 5816

Dr. Robert Orth (FDP) 5817

Minister Ralf Jäger 5818

Ergebnis. 5818

16 Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP darf die kulturelle Vielfalt in NRW nicht gefährden!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5742. 5818

Lukas Lamla (PIRATEN) 5818

Andreas Bialas (SPD) 5819

Thorsten Schick (CDU) 5820

Oliver Keymis (GRÜNE) 5821

Ingola Schmitz (FDP) 5823

Minister Guntram Schneider 5824

Ergebnis. 5825

17 Auf jede Stimme kommt es an: Europawahl am 25. Mai 2014 nutzen, um die gemeinsame Zukunft zu gestalten

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5775

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5864

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/5852

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5875. 5826

Ilka von Boeselager (CDU) 5826

Markus Töns (SPD) 5827

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 5828

Dr. Ingo Wolf (FDP) 5828

Nicolaus Kern (PIRATEN) 5829

Minister Guntram Schneider 5830

Ergebnis. 5831

18 Zweites Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich der Ministerpräsidentin

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5411

Beschlussempfehlung
des Hauptausschusses
Drucksache 16/5779

zweite Lesung. 5831

Elisabeth Müller-Witt (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Werner Jostmeier (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Dirk Wedel (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Michele Marsching (PIRATEN)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Minister Ralf Jäger
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Ergebnis. 5831

19 Zweites Gesetz zur Änderung von landesrechtlichen Vorschriften aus Anlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes und zur Vornahme weiterer Änderungen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5303

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/5781

zweite Lesung. 5831

Sven Wolf (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Jens Kamieth (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Dagmar Hanses (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Dirk Wedel (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Dietmar Schulz (PIRATEN)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Minister Thomas Kutschaty
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Ergebnis. 5832

20 Gesetz zur Modernisierung des Verwaltungsverfahrensgesetzes und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5230

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/5782

zweite Lesung. 5832

Falk Heinrichs (SPD) 5832

Kirstin Korte (CDU) 5832

Matthi Bolte (GRÜNE) 5832

Dr. Robert Orth (FDP) 5833

Frank Herrmann (PIRATEN) 5833

Minister Ralf Jäger 5834

Ergebnis. 5835

21 Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Bundesausbildungsförderungsgesetz

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5545 – Neudruck

erste Lesung. 5835

Ministerin Sylvia Löhrmann
zu Protokoll
(siehe Anlage 4)

Ergebnis. 5835

22 Gesetz über die Zulassung von Zentren und über die Einrichtung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in Nordrhein-Westfalen (Präimplantationsdiagnostikgesetz Nordrhein-Westfalen – PIDG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5546

erste Lesung. 5835

Ministerin Barbara Steffens
zu Protokoll
(siehe Anlage 5)

Ergebnis. 5835

23 Gesetz zur Änderung des Archivgesetzes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5774

erste Lesung. 5835

Ministerin Ute Schäfer
zu Protokoll
(siehe Anlage 6)

Ergebnis. 5835

24 Sexuelle Gewalt an Frauen und Männern mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung konsequent bekämpfen!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5555

erste Lesung. 5835

Ergebnis. 5835

25 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 4. Quartal des Haushaltsjahres 2013 sowie Überschreitungen unter 25.000 Euro im gesamten Haushaltsjahr 2013

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2 LV
Vorlage 16/1823

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/5783. 5836

Ergebnis. 5836

26 Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Stadt Ahaus sowie weiterer 13 Städte und Gemeinden §§ 8 Abs. 3 und 5 des Gesetzes zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2013 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 – GFG 2013) vom 21. März 2013 (GV.NRW. S. 167 ff.) verletzten die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung

VerfGH 7/14
Vorlage 16/1816

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/5784. 5836

Ergebnis. 5836

27 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 19
gem. § 82 Abs. 2 GeschO
(§ 79 Abs. 2 GeschO a. F.)
Drucksache 16/5785. 5836

Ergebnis. 5836

28 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/21. 5836

Ergebnis. 5836

Anlage 1. 5837

Namentliche Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/5744TOP 10 (Verantwortung für die Bevölkerung wahrnehmen – PCB-betroffene Lehrkräfte, Eltern und Schüler nicht alleine lassen!)

Anlage 2. 5845

Zu TOP 18 – Zweites Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich der Ministerpräsidentin – zu Protokoll gegebene Reden

Elisabeth Müller-Witt (SPD) 5845

Werner Jostmeier (CDU) 5845

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 5845

Dirk Wedel (FDP) 5846

Michele Marsching (PIRATEN) 5846

Minister Ralf Jäger 5846

Anlage 3. 5847

Zu TOP 19 – Zweites Gesetz zur Änderung von landesrechtlichen Vorschriften aus Anlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes und zur Vornahme weiterer Änderungen – zu Protokoll gegebene Reden

Sven Wolf (SPD) 5847

Jens Kamieth (CDU) 5847

Dagmar Hanses (GRÜNE) 5847

Dirk Wedel (FDP) 5848

Dietmar Schulz (PIRATEN) 5848

Minister Thomas Kutschaty. 5848

Anlage 4. 5851

Zu TOP 21 – Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Bundesausbildungsförderungsgesetz – zu Protokoll gegebene Reden

Ministerin Sylvia Löhrmann. 5851

Anlage 5. 5853

Zu TOP 22 – Gesetz über die Zulassung von Zentren und über die Einrichtung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in Nordrhein-Westfalen (Präimplantationsdiagnostikgesetz Nordrhein-Westfalen – PIDG NRW) – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Barbara Steffens. 5853

Anlage 6. 5855

Zu TOP 23 – Gesetz zur Änderung des Archivgesetzes Nordrhein-Westfalen – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Ute Schäfer 5855

Entschuldigt waren:

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Minister Garrelt Duin    
(ab 18 Uhr)

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren

Reiner Breuer (SPD)     
(bis 11:30 Uhr)

Inge Howe (SPD)

Rainer Christian Thiel (SPD)     
(ab 16 Uhr)

Ibrahim Yetim (SPD)    
(ab 14 Uhr)

Gregor Golland (CDU)

Winfried Schittges (CDU)

Bernhard Tenhumberg (CDU)    
(ab 16 Uhr)

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE)           
(ab 19 Uhr)

Rolf Beu (GRÜNE)       
(ab 18 Uhr)

Dagmar Hanses (GRÜNE)        
(bis 11 Uhr)

Daniela Schneckenburger (GRÜNE)      
(ab 16 Uhr)

Karlheinz Busen (FDP)

Angela Freimuth (FDP
(ab 17:30 Uhr)

Daniel Düngel (PIRATEN)

Dirk Schatz (PIRATEN)

 


Beginn: 10:05 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen, 58. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sieben Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir wie immer dem Protokoll beifügen.

Entgegen der sonstigen Übung will ich, weil die Abmeldung sehr kurzfristig heute Morgen eingegangen ist, die Kolleginnen und Kollegen darüber informieren, dass die Ministerpräsidentin erkrankt ist und deshalb an der Sitzung nicht teilnehmen kann.

Mit diesen Vorbemerkungen steige ich in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1   Gründe für überraschendes Ausscheiden des Portigon-Vorstandsvorsitzenden weiter unklar – Finanzminister Dr. Walter-Borjans besichtigt Jagdschloss Granitz auf Rügen statt den Landtag zu informieren

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5842

Die Fraktionen von CDU und FDP haben mit Schreiben vom 12. Mai 2014 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktionen Herrn Kollegen Möbius das Wort.

Christian Möbius (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von CDU und FDP haben für heute eine Aktuelle Stunde zu den Gründen des überraschenden Ausscheidens des Vorstandsvorsitzenden der Portigon AG beantragt, weil die Gründe für das plötzliche Ausscheiden von Herrn Voigtländer bis heute immer noch unklar sind. Daran hat auch die Aktuelle Viertelstunde im Haushalts- und Finanzausschuss am 8. Mai nichts geändert, wo die Oppositionsfraktionen vorab einen Fragenkatalog an die Landesregierung übermittelt hatten. Die Fragen blieben trotz aller Nachfragen unbeantwortet.

Die einzige Erklärung, die die Landesregierung, vertreten durch Herrn Staatssekretär Dr. Messal, im Ausschuss abgab, war, dass man sich nicht über die Vertragsmodalitäten für den Vertrag von Herrn Voigtländer bei der Portigon Financial Services, der PFS, einigen konnte. Überzeugen konnte diese Darstellung nicht. Denn das Gehalt von Herrn Voigtländer als wesentliches Merkmal des Arbeitsvertrages konnte gar nicht strittig sein, weil es eine gesetzliche Höchstgrenze für Gehälter bei staatlich gestützten Banken gibt.

Es bleibt daher der begründete Verdacht, dass es andere Gründe als die behaupteten für das Ausscheiden von Herrn Voigtländer gibt.

(Zuruf von der CDU: So ist das wohl!)

Waren es Meinungsverschiedenheiten über das Funktionieren des Geschäftsmodells der PFS zwischen Herrn Voigtländer und dem Aufsichtsrat, dem Sie, Herr Finanzminister, als Vertreter des 100%igen Eigentümers Land Nordrhein-Westfalen angehören? War es die Frage, wie die Leistungen der PFS für die Erste Abwicklungsanstalt, die Bad Bank der früheren WestLB, zu vergüten sind?

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Oder spielte die Ablehnung der Gründung von Tochtergesellschaften der PFS im europäischen Ausland durch die EU-Kommission eine Rolle, die als wünschenswert angesehen wurde bei der Akquise von Kunden für die PFS? Welche Rolle hat der erst seit wenigen Wochen amtierende neue Aufsichtsratsvorsitzende der Portigon AG gespielt? Auch stellt sich die Frage, welche Aktivitäten Sie, Herr Finanzminister, als Eigentümervertreter entwickelt haben. Zu all diesen Fragen hätten wir gerne Antworten.

Auch das „Handelsblatt“ sprach am Tag nach der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses wörtlich von einem „Düsseldorfer Rätsel“. Genau dieses Rätsel, das bis heute besteht, erfüllt uns mit großer Sorge. Denn schließlich sollte unter Führung von Herrn Voigtländer die PFS als Dienstleister entwickelt werden, der anderen Banken bei der Abwicklung problematischer Investments und Assets hilft.

Der Zeitdruck ist groß. Der Verkaufsprozess für die PFS sollte eigentlich bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Bis Ende 2016 muss die PFS laut Vorgaben der Europäischen Kommission privatisiert sein, oder es droht die Abwicklung. Das ist für die Mitarbeiter alarmierend. Das wäre für die Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen ein Risiko in Milliardenhöhe.

Die Zukunft der Portigon insgesamt erscheint angesichts des Ausscheidens von Herrn Voigtländer ungewisser denn je. Vertrauensbildend ist dieser in jeder Hinsicht überraschende Schritt auch für mögliche Kunden der PFS nicht. Noch im Februar dieses Jahres hat Herr Voigtländer im Haushalts- und Finanzausschuss wörtlich erklärt:

„Ich will in diesem Kreis ganz offen sagen, dass ich persönlich meine Zukunft in der Verantwortung der PFS GmbH

– also der Portigon Financial Services –

„sehe.“

Und weiter:

„Ich kann hier sagen, weil ich es auch den Mitarbeitern im Sommer letzten Jahres sehr klar erklärt habe: Ich stehe mit auf der Brücke und bin zuversichtlich, dass das funktioniert. – Das ist wichtig für die Mitarbeiter. Wenn sie sich entscheiden müssen, in die PFS zu gehen, dann fragen sie natürlich: Wer geht mit? Daher war es wichtig für mich, auch vor dem Hintergrund der Verantwortung, die ich zum 1. Juli 2008 übernommen habe, dorthin zu gehen.“

Vor dem Hintergrund dieser Aussagen stellen sich natürlich Fragen, die wir in der Aktuellen Viertelstunde gerne mit dem Verantwortlichen der Landesregierung, dem Finanzminister, erörtert hätten – angesichts der Sorgen der Mitarbeiter und der Milliardenrisiken für den Landeshaushalt ein durchaus legitimes Anliegen.

Nun hatten Sie, Herr Finanzminister, sich bereits vor Monaten für die Ausschusssitzung mit Hinweis auf die Finanzministerkonferenz entschuldigt. Das ist grundsätzlich in Ordnung. Wenn aber ein so außergewöhnlicher und überraschender Vorgang eintritt, hätte man erwarten können, dass Sie sich erst nach der Aktuellen Viertelstunde im Haushalts- und Finanzausschuss auf den Weg zur Finanzministerkonferenz machen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Um Ihre Anwesenheit hatten die Oppositionsparteien bei der Beantragung der Aktuellen Viertelstunde ausdrücklich gebeten.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Sie, Herr Finanzminister, haben dieses Ansinnen abgelehnt und mit Ihrer zwingenden Anwesenheit bei der zweitägigen Finanzministerkonferenz begründet. Schaut man sich jedoch das so wichtige Programm der Finanzministerkonferenz an, das Sie, Herr Finanzminister, am vergangenen Donnerstag auf sich nehmen mussten,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Zurufe von der CDU)

darf man über Ihre Entschuldigung schon erstaunt sein. Die „Stralsunder Zeitung“ bezeichnete es schon in der Überschrift mit den Worten – ich zitiere wörtlich –: Finanzchefs im Entspannungsmodus.

Weiter heißt es in dem Artikel vom 9. Mai 2014:

Wenn man die Finanzchefs der ganzen Republik auf einen Schlag beisammen hat, kann man ihnen doch zeigen, wie schön unser Land ist. So dachte es sich die Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern und ging mit ihren Amtsbrüdern und ?schwestern auf Ausflugstour nach Rügen, also beste Stimmung beim Besuch des Jagdschlosses Granitz. Die Gäste besichtigten das Speisezimmer, den Damensalon und den Rittersaal, über die gusseiserne Treppe ging es auf den Turm, und dann kam sogar die Sonne raus.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Und Sie durften nicht mit!)

– Nein, es geht noch weiter: Hören Sie ruhig zu!

Mit dem Rasenden Roland fuhr die muntere Gesellschaft schließlich nach Putbus, und eine Bootsfahrt mit der MS „Hanseblick“ fehlte auch nicht im Programm.

Die gastgebende Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern wird in dem Artikel mit den Worten wörtlich zitiert:

Ich habe schon gesagt, das ist Kurzurlaub aktiv.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von den PIRATEN: Oh!)

Herr Finanzminister, ich persönlich gönne Ihnen jeden Kurzurlaub. Aber angesichts der immensen wirtschaftlichen Bedeutung des Themas der Aktuellen Viertelstunde halte ich es für vollkommen unangemessen, dass Sie sich der politischen Verantwortung im Ausschuss für ein touristisches Programm in Stralsund entzogen haben.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Deshalb erwarten wir hier und heute im Plenum von Ihnen Antworten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Möbius. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt bei diesem Thema des Portigon-Vorstandsvorsitzenden Fragen über Fragen, und Sie, Herr Finanzminister, müssen nun vor diesem Hause Antworten geben.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Hat er doch! Sie waren doch dabei, Herr Witzel!)

Vor wenigen Wochen hat der Vorstandsvorsitzende eines großen Unternehmens, das sich zu 100 % im Landeseigentum befindet, vor den Fachpolitikern seine Perspektiven für das Unternehmen und seine ganz persönliche Zukunft dargelegt und seine Rolle bei diesem Unternehmen beschrieben – mit all dem, was mein Vorredner gerade erwähnt hat –, mit dem klaren Signal, wie wichtig für Kunden und für Beschäftigte Stabilität ist. Denn er selber sagt: Ich vertraue nach schwierigen Jahren, die den Steuerzahler Milliarden gekostet haben, dass es eine Perspektive gibt, jetzt auch etwas zu erlösen.

Jetzt müssen wir in die Phase eintreten, in der das Geschäft auch einmal entsprechend etwas abwirft.

(Beifall von der FDP)

Dann kommt urplötzlich dieser Rücktritt. Dann müssen Sie, Herr Finanzminister, für die Entlassung, wie man es auch immer sieht, Gründe liefern. Sie müssen Licht ins Dunkel bringen. Ziehen Sie sich nicht darauf zurück, dass Sie sagen, Sie könnten keine Tatsachenfeststellung aus Aufsichtsratssitzungen tätigen. Das ist klar.

Noch haben Sie das Steuergeheimnis ja nicht abgeschafft. Wenn ich mir anschaue, dass Sie überhaupt kein Problem haben, jedes Detail des Steuersachverhalts von Uli Hoeneß in jeder Parlamentsdebatte, in jeder Talkshow, in den Medien zu diskutieren, dann werden Sie in der Lage sein, so auch im Rechtsrahmen dessen, was zulässig ist, vor dem Parlament Erklärungen abzugeben, warum Ihr Vorstandsvorsitzender nicht mehr im Amt ist.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Es fällt auf, dass das erkennbar anders ist als bei der zweiten Veränderung bei einem Topbanker, dem zweiten Spitzenbanker der Förderbank, der NRW.BANK. Da hat es wenige Tage zuvor auch eine Veränderung gegeben. Da gibt es eine abgestimmte Erklärung zwischen Eigentümer und Bank, die Sie veröffentlichen.

Der scheidende Vorstandsvorsitzende bietet an, mit den Fraktionsvorsitzenden, den haushaltspolitischen Sprechern, den Gremienmitgliedern der NRW.BANK gerne im persönlichen Gespräch auch alle Fragen zu beantworten, die sich in dem Zusammenhang stellen. Nichts davon hier bei der Portigon AG.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist doch ist nicht wahr!)

Sie haben nur berichtet, dass der Aufsichtsrat den Vorstandsvorsitzenden abberufen hat – offenbar als Vertrauensentzug –, dass der Anstellungsvertrag noch läuft und Sie bis zum heutigen Tag eine Entscheidung treffen wollen, wie damit weiter umzugehen ist. Und das bedarf der Aufklärung.

Damit man die Ereignisse in der Chronologie richtig einsortieren kann, alles das, was innerhalb eines Monats passiert ist:

10. April: sofortiger Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden, wahrscheinlich in Abstimmung mit dem Finanzminister;

16. April: Es gibt einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Portigon AG, Dr. Plogmann, der nicht auf dem Wege einer üblichen Wahl per regulärer Sitzung ins Amt gekommen ist, sondern per Abstimmung im Umlaufverfahren.

Es gibt bis heute keine Presseinformation zu dieser Umbesetzung, keinen aktualisierten Internetauftritt, in dem der Aufsichtsratsvorsitzende und der Aufsichtsrat in seiner Zusammensetzung bis zum heutigen Tag entsprechend zu finden wären, jedenfalls nicht bis heute Morgen.

Am 30. April gibt es dann den Rückzug des Vorstandsvorsitzenden, völlig unerwartet und plötzlich, nachdem, was er, wie gesagt, vor wenigen Wochen noch im Haushalts- und Finanzausschuss hier im Hohen Hause erklärt hat. Dass das, Herr Finanzminister, natürlich Spekulationen anheizt, selbstverständlich auch Politiker und Medienvertreter dazu bringt, das ergründen zu wollen, Überlegungen anzustellen, was plausibel ist, das ist mehr als nachvollziehbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt potenziell viele Gründe, warum es Personalveränderungen auch in Spitzenpositionen geben kann. Da kann es persönliche Gründe, gesundheitliche Gründe geben. All das liegt hier ganz offensichtlich nicht vor. Damit stellen sich Fragen des Geschäfts. Hat jemand möglicherweise Zweifel, seine geschäftlichen Ziele noch erreichen zu können? Hat jemand Zweifel, dass er das, was er an Perspektiven für das Unternehmen angekündigt hat, bei den Rahmenbedingungen im Benehmen mit dem Eigentümer möglicherweise nicht mehr so realisieren kann?

Die von Ihnen gegebene Erklärung, man sei sich in Vertragsfragen nicht einig, ist völlig unplausibel. Es gibt einen laufenden Vorstandsbestellungsvertrag, der noch dreieinhalb Jahre läuft, der vor anderthalb Jahren neu paraphiert wurde, als jeder wusste, wie sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Er hat noch eine gültige Laufzeit von dreieinhalb Jahren.

Wenn ein solcher Vertrag dreieinhalb Jahre vor seiner Beendigung dieses Ende finden soll, dann muss es Gründe dafür geben. Die können auch nicht darin begründet sein, dass man sich in vertraglichen Details nicht einig ist, wenn es nichts zu regeln gibt, weil die FMSA den Deckel auf die Verträge bei öffentlichen Institutionen, die mit Geld der Steuerzahler gerettet worden sind, ausdrücklich gelegt hat.

Was die Kernfragen angeht, sind wir uns auch in der Bewertung einig. Die Leitplanken für diese Vertragsausgestaltung stehen alle. Wie gesagt, es gibt einen gültigen Vertrag über dreieinhalb Jahre, der entsprechend erfüllt werden kann.

Deshalb müssen Sie hier auch die Frage nach der geschäftlichen Zukunft von Portigon beantworten, ob dieser Schritt des Vorstandsvorsitzenden möglicherweise auch so zu sehen ist, dass sich da wesentliche Rahmenbedingungen geändert haben. Geben Sie hier im Parlament klar die Aussage zu Protokoll, dass Sie weiter an den Prozess so glauben, wie er eingeleitet worden ist, dass es ohne weitere Subvention, ohne Flugbenzin gelingt, den Schritt der Gründung der Servicegesellschaft auch innerhalb des Zeitplans so zu vollziehen. Legen Sie hier vor dem Landtag dar, dass der Schritt des Vorstandsvorsitzenden ausdrücklich aus Ihrer Sicht nicht so zu werten ist, dass zusätzliche Kosten auf den Steuerzahler zukommen.

Und beantworten Sie vor diesem Parlament die Frage, warum hier öffentlich über einen Aufhebungsvertrag spekuliert wird, wenn Sie sich selber nichts vorzuwerfen haben, wenn der Eigentümer das Vertragsverhältnis fortsetzen wollte. Wenn es also eine Eigenkündigung des Vorstandsvorsitzenden war, warum soll ein solcher Schritt auch noch vonseiten des Landes vergoldet werden? Das haben Sie hier vor dem Parlament darzulegen. Bringen Sie Licht ins Dunkel! Das hat dieser Landtag von Nordrhein-Westfalen nach den Milliarden-Verlusten bei der WestLB in den letzten Jahren wahrlich verdient.

(Beifall von der FDP, der CDU, Dietmar Schulz [PIRATEN] und Robert Stein [fraktionslos])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Börschel.

Martin Börschel*) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Vorredner von CDU und FDP. Ich traue Ihnen wirklich eine Menge zu. Aber dass Sie in dieser Art und Weise heute versuchen, einen Popanz aufzubauen und Dinge zu skandalisieren, die Ihnen bereits mehrfach erklärt worden sind, das hätte ich selbst Ihnen nicht zugetraut.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte deswegen an dieser Stelle darauf eingehen.

Zunächst einmal zu den angeblichen Informationsdefiziten. Ich glaube, man kommt nicht umhin, noch einmal sorgfältig hintereinander zu bringen, was der Finanzminister, was der Staatssekretär Dr. Messal und was der Aufsichtsratsvorsitzende, Herr Plogmann, Ihnen gegenüber in den vergangenen Tagen an Informationen gegeben haben. Es hat auf Bitten und Veranlassung des Finanzministers am 6. Mai eine Obleuterunde gegeben, in der dieser und der Aufsichtsratsvorsitzende, Herr Plogmann, alle Fragen beantwortet haben, die Sie und die wir zu diesem Zeitpunkt gestellt haben.

Es ist von Ihnen am Ende der Obleuterunde keine einzige Frage als ungeklärt oder unbeantwortet gekennzeichnet worden. Zum Ende dieser Obleuterunde ist von Ihnen nicht artikuliert worden, dass Sie die Anwesenheit des Ministers in der zwei Tage später stattfindenden Haushalts- und Finanzausschusssitzung wünschen,

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

sondern diese Sitzung ist so zu Ende gegangen, wie ich es gerade geschildert habe.

Dann tagte zwei Tage später der Haushalts- und Finanzausschuss. Sie haben, Herr Kollege Möbius, eben zu Recht angemerkt, dass der Finanzminister seit Monaten angekündigt hatte, dass er bei dieser Sitzung wegen der Tagung der Finanzminister, deren Vorsitzender er ist, abwesend sein würde.

Daraus machen Sie eine Riesennummer und sagen: Es kann doch nicht wahr sein, dass der Finanzminister nicht anwesend ist. Er sollte anwesend sein, um über Ihr Stöckchen zu springen. Das sollte im Rahmen eines Fragenkatalogs geschehen, in dem Fragen stehen, die Sie schon in der Obleuterunde gestellt haben oder hätten stellen können. Die wollten Sie beantwortet haben, darüber wollten Sie informiert werden. Das hat übrigens Herr Staatssekretär Dr. Messal in dieser Haushalts- und Finanzausschusssitzung getan, soweit er das rechtlich darf. Sie wissen, dass es wegen der privatrechtlichen Organisationsform Grenzen gibt. In der Summe aber hat er das getan.

Nun versuchen Sie, dem Finanzminister eine angebliche Lustreise zur Finanzministerkonferenz zu unterstellen. – Jetzt will ich Ihnen, Herr Kollege Möbius – eigentlich ist es nicht meine Art, in Reden wie diesen persönlich zu werden – eines sagen: Wer – wie Sie, Herr Kollege Möbius – als Vorsitzender des Haushaltsausschusses als Ausschussreise eine interkontinentale Reise vorschlägt und nur mit Mühe von den Kollegen davon abgebracht werden kann, sollte sich nicht auf ein so hohes Ross setzen und den Finanzminister hier in einer solchen Art und Weise verunglimpfen. Das ist eine Unverschämtheit und, wie ich finde, eines Parlamentarierkollegen nicht würdig, Herr Kollege.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Möbius [CDU])

– Möchten Sie etwas sagen, Herr Möbius? Möchten Sie das bestreiten?

(Zuruf von Christian Möbius [CDU] – Gegenrufe von der SPD)

– Damit hätten wir das auch geklärt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo sollte der Finanzminister sonst sein? Er ist auch Vorsitzender einer Finanzministerkonferenz, zu der er eingeladen hat und der er vorsteht. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wären es doch gewesen, die im umgekehrten Fall den Finanzminister beschimpft hätten, dass er nicht die Interessen Nordrhein-Westfalens im Konzert der übrigen Finanzminister vertritt, dass er nicht für einen gerechten Länderfinanzausgleich eintritt, dass er nicht für eine gerechte Steuerpolitik eintritt und dass er nicht dafür eintritt, dass Nordrhein-Westfalen im Konzert der übrigen 15 Bundesländer ein angemessenes Gewicht erhält. – Das genau erwarten wir und Sie sonst zu Recht vom Finanzminister, und nichts anderes tut er, wenn er als Vorsitzender einer solchen Konferenz an dieser teilnimmt.

Sie wissen doch ganz genau, dass es bei solchen Konferenzen – das ist bei Fraktionsklausuren, Parteiveranstaltungen und Regierungskonferenzen doch immer das Gleiche – nicht nur auf offizielle Tagesordnungspunkte ankommt, sondern darauf, dass man auch in informellen Gesprächen für Positionen eintritt und wirbt, dass man in diesen Gesprächen dafür wirbt, Verbündete zu finden. Genau das hat Finanzminister Walter-Borjans getan. Das erwarten wir von ihm, und deshalb ist es richtig, dass er als Vorsitzender an diesen Konferenzen teilnimmt.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte allerdings gerne das angebliche inhaltliche Informationsdefizit noch kurz zur Sprache bringen. Mehr und mehr bedienen sich CDU und FDP einer durchschaubaren und immer wiederholten Taktik. Sie tragen selbst dazu bei, dass bestimmte haltlose Spekulationen in die Öffentlichkeit kommen bzw. über Medien verbreitet werden. Wenn dann die Medien die von Ihnen mit lancierten Spekulationen, Überlegungen und Ideen tatsächlich aufgegriffen und veröffentlicht haben, sind Sie es, die mit treuherzigem Augenaufschlag und Krokodilstränen in den Augen sagen: Erfüllt von großer Sorge, in tiefem Unbehagen müssen wir das, was jetzt in den Medien steht und an die Öffentlichkeit gekommen ist, aufgreifen, um Schaden von Nordrhein-Westfalen und seinen Bürgerinnen und Bürgern abzuwenden.

Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, in hohem Maße heuchlerisch. Sie selbst bringen haltlose Spekulationen in die Welt und tun dann so, als müssten Sie den Retter der Nation und des Landes spielen. Das ist absolut unter der Würde dieses Parlament, und ich bitte Sie ganz eindringlich: Beenden Sie dieses unwürdige Spiel.

Der Finanzminister wird zum Inhalt – auch zum weiteren Verfahren mit Ausscheidensvereinbarungen – selbst besser Stellung nehmen können als ich. Sie bauen hier einen Popanz auf, skandalisieren und setzen sich auf ein hohes Ross. Meine herzliche Bitte an Sie ist, von dem schnellstens herunterzukommen. Das würden Sie auch machen, wenn Sie sich ernsthaft prüfen würden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Börschel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal kommt man sich vor wie in „Täglich grüßt das Murmeltier“. Ich habe mir gestern Abend die Mühe gemacht, die Sitzung des HFA noch einmal auf DVD anzuhören.

(Zuruf: Da gab es ein Fußballspiel!)

– Das habe ich hinterher gemacht! – Exakt wortgleich hat Herr Witzel heute wieder das vorgetragen, was er letzte Woche Donnerstag gesagt hat. Der Unterschied zu heute – zu „Täglich grüßt das Murmeltier“ – ist, dass man da noch die Aussicht hatte, Andie MacDowell im Park zu treffen. Hier sieht man nur Herrn Witzel wieder.

(Beifall und Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Börschel hat vorhin vorgetragen, wie es sich mit der Ausschussreise für den HFA verhalten sollte.

Ich möchte noch eines hinzufügen: Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat in seiner Weisheit auch vorgeschlagen, die nächste Haushaltsklausur auf Schloss Krickenbeck stattfinden zu lassen. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Na und? Warum soll sich die Finanzministerkonferenz nicht in einem Schloss und in Stralsund treffen können? Sie suggerieren doch hier dem Parlament und vor allem der Öffentlichkeit – darum geht es doch am Ende des Tages –, es hätte da eine Lustreise stattgefunden. Ich weiß, dass zum Beispiel die Finanzministerin von Schleswig-Holstein Gespräche – und zwar über inhaltliche Dinge – mit unserem Finanzminister geführt hat.

Da wird es dann interessant. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Unser Finanzminister hat sich in dieser Woche aus meiner Sicht sehr zutreffend zur Frage des Länderfinanzausgleichs etwas ausgeführt. Da wurden Punkte angesprochen, die ich für sehr bedenkenswert halte, nämlich zum Beispiel die Frage der Transparenz des Länderfinanzausgleiches, die Frage, inwieweit die Kommunen in unserem Land im Hinblick auf dieses Thema ausreichend berücksichtigt werden und inwieweit die zurückgehenden Gelder, die der Bund für den Ost-Soli aufwenden muss, künftig im vertikalen und im horizontalen Finanzausgleich verwendet werden.

Das mag Sie alles nicht interessieren. Oder Sie schicken Herrn Kampeter vor, der sagt – ich habe mir das aufgeschrieben –: Es ist ein Treppenwitz, dass sich der Finanzminister um diese Fragen bemüht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie machen sich um NRW nicht verdient, sondern Sie treten mit Ihrem Verhalten die Interessen Nordrhein-Westfalens mit Füßen. Das kann ich Ihnen an dieser Stelle nur mitgeben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich war in der Obleuterunde am 6. Mai dabei. Der Finanzminister hat – genauso wie der Vorsitzende des Aufsichtsrates – ausführlich Stellung bezogen. Es gab auch kein Zeitlimit. Man hätte weitere Fragen stellen können. Man hätte die Erörterung im HFA auch erneut aufnehmen können. Herr Messal stand ausdrücklich zur Verfügung. Wir haben – ich habe mir das auf besagter DVD gestern noch einmal angeguckt – eine Stunde und zehn Minuten lang über diesen Sachverhalt beraten. Dort sind keine zusätzlichen Fragen aufgekommen.

Aber Sie haben etwas anderes gemacht, worauf Herr Börschel eben schon hingewiesen hat, Herr Kollege Witzel: Sie haben, obwohl Sie es besser wussten, die alten Spekulationen in den Raum gestellt – genauso wie heute Morgen.

Es geht einzig und allein um die Frage: Soll Herr Voigtländer zu Bedingungen, die die Geschäftsleitung ihm vorgelegt hat, einen neuen Vertrag bekommen?

(Ralf Witzel [FDP]: Er hat doch einen!)

Soll er ihn annehmen? Oder soll er andere Konditionen bekommen? – Herr Voigtländer hat dieses Angebot abgelehnt. Insofern hat der Aufsichtsrat aus meiner Sicht die einzig logische Konsequenz gezogen und gesagt: Dann trennen wir uns eben voneinander, denn wir sind nicht bereit, auf diesem Weg höhere Konditionen bereitzustellen.

Lieber Kollege Witzel, so viel – ich sage mal – Intelligenz und so viel Kombinationsgabe haben auch Sie, dass Sie wissen: Ein Vertrag, der zwischen zwei Parteien ausgehandelt wird – bei dem es um die Frage einer höheren Bezahlung ging – hat auch über den Zeitpunkt des Besitzes durch das Land Nordrhein-Westfalen hinaus Bestand. Wenn er höhere Konditionen erhalten würde, müsste der neue Eigentümer die bezahlen. Und das drückt den Preis. Dass man das bei Verhandlungen mit ins Kalkül zieht, – zumindest stelle ich mir das so vor –, sollten auch Sie kombinieren können.

Insofern ist das Verhalten – zumindest so, wie es uns berichtet wurde – in keiner Weise zu bemängeln. Denn wir als Land, PFS, Portigon und die EAA können sich nicht nur mit dem Hinweis, dass Zeitdruck besteht oder man anderer Auffassung ist, von einzelnen Leuten Konditionen aufdrücken lassen.

Das ist genauso, wie wenn ein Fußballspieler keinen neuen Vertrag bekommt, obwohl er gut zum Verein passt. Weil man sich über die Konditionen nicht einigen kann, hat Herr Voigtländer das Angebot, das ihm gemacht wurde, abgelehnt. Insofern ist die Konsequenz gezogen worden, dass man sich trennt.

Ich möchte noch eines hinzufügen: Wir haben in zehn Tagen Kommunal- und Europawahl. Das Verhalten von CDU und FDP steht da in einem ganz besonderen Licht. Sie haben – worüber in den nächsten Tagen möglicherweise auch noch zu sprechen sein wird – gestern eine Klage in Sachen Effizienzteam eingereicht, obwohl Ihnen der Sachverhalt seit über anderthalb Jahren bekannt ist und wir uns in den Gremien vor einem dreiviertel Jahr ausführlich unterhalten haben. Aber natürlich haben Sie den Zeitpunkt „zehn Tage vor der Wahl“ abgewartet.

Sie haben heute eine Debatte, die man im Wesentlichen in nichtöffentlicher Sitzung in den Gremien führen muss, weil es um Personal- und Finanzierungsfragen geht, die der Geheimhaltung unterworfen und auch strafrechtlich bewehrt sind, wenn man gegen sie verstößt, neu aufzuwärmen versucht, nur um eines zu tun: Es geht Ihnen nicht um die Sache, sondern es geht Ihnen einzig und allein darum, hier ein Gefecht zu führen, um der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass irgendetwas faul ist, weshalb man bei der Kommunal- und der Europawahl CDU und FDP wählen müsse. Das ist, finde ich, schändliche Parteipolitik. Und das passt sehr gut zu Ihrem inhaltslosen Wahlkampf,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

den Sie in den letzten Wochen geführt haben. Ich glaube aber, der wird nicht aufgehen. Ich verwahre mich gegen Ihre Art und Weise, Politik zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und am Stream! Es ist ganz klar, was hier passiert: Hier soll vonseiten der regierungstragenden Fraktionen abgelenkt werden von der Verantwortlichkeit und dem Einstehen-Müssen des Herrn Finanzministers

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

für Auskünfte, auf die die Öffentlichkeit einen Anspruch hat.

Es geht hier auch nicht darum, irgendwelche Persönlichkeitsschutzrechte oder Vertragsschutzrechte zu wahren, sondern es geht hier um die Besetzung oder Nichtbesetzung der Position einer im Eigentum des Landes stehenden Gesellschaft.

Das ist deshalb von Bedeutung, weil in dieser Gesellschaft finanzielle Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen gebündelt werden und weil von dieser Gesellschaft auch die Schicksale dieser finanziellen Interessen geleitet werden, für die das Land Nordrhein-Westfalen sowie die Bürgerinnen und Bürger Milliardenbeträge aus dem Steuersäckel aufbringen müssen. Darum geht es hier ganz maßgeblich.

Ich will gar nicht auf die „Lustreise“ und die Tatsache der Abwesenheit des Finanzministers in der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses abheben, denn er wurde ja von seinem Staatssekretär vertreten. Ich muss allerdings ganz ehrlich sagen: Staatssekretär Dr. Messal hat in jener Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 8. Mai weniger beauskunftet als in der Obleuterunde, von der hier die Rede ist. Das müssen wir einmal festhalten.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Aber er hat einen ganz entscheidenden Punkt – letztendlich allerdings auch nur auf meine insistierende Nachfrage – geäußert,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

nämlich auf die Frage: Wer hat hier eigentlich wem den Laufpass gegeben? – Und dies war in öffentlicher Sitzung zu erklären, und zwar in öffentlicher Sitzung deshalb, weil die Zitierfähigkeit bestimmter Äußerungen aus der Obleuterunde einfach nicht gegeben war. Also musste nachgefragt werden.

Diese Nachfrage hat Folgendes ergeben: Aufgrund von Vertrags­verhandlungen bezüglich einer Gesellschaft, die eben nicht die Portigon AG, sondern eine Tochtergesellschaft der Portigon AG ist, nämlich die PFS, ist es dazu gekommen, dass – das wurde auch schon gesagt – Herr Voigtländer, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Portigon AG, das Vertragsangebot, das ihm unterbreitet worden ist, abgelehnt hat.

Aufgrund dieser Tatsache – so wurde es begründet – ist vonseiten des Aufsichtsrats der Portigon AG der Vorstandsvorsitzende der Portigon AG abberufen worden. Das ist ein ganz wesentlicher, formaljuristischer Akt.

Darüber hinaus ist er aus der Geschäftsführungstätigkeit bei der PFS GmbH abberufen worden.

Das heißt mit anderen Worten: Aufgrund von Vertragsverhandlungen bezüglich der PFS GmbH, einer Tochter, die überhaupt erst seit ein paar Monaten im Handelsregister eingetragen ist, ist dem wesentlichen Protagonisten für die Abwicklung der Portigon als Nachfolgegesellschaft der desaströsen WestLB der Laufpass gegeben worden. Es wurde somit einer Person der Laufpass gegeben, die – und so wurde es mehrfach sowohl von den regierungstragenden Fraktionen, den Mitgliedern des HFA, von Herrn Finanzminister persönlich und insbesondere von Herr Voigtländer im Ausschuss betont – maßgeblich mit dem Schicksal der PFS, der Abwicklung der Portigon und der Privatisierung der PFS, aber auch mit möglichen Vertragsverhandlungen mit der Ersten Allgemeinen Abwicklungsanstalt verbunden war.

Man muss sich das einmal vorstellen: Wir, die Mitglieder des HFA, rufen gestern bei der Portigon AG an, ringen um Auskünfte bezüglich dieser Position, ringen um Auskünfte bezüglich des Vertragsverhältnisses, des Anstellungsverhältnisses auf der einen Seite und der formalen Stellung als Organ der Aktiengesellschaft in den Ausschüssen und Obleuterunden auf der anderen Seite. – So weit, so gut. Wir brauchen also eigentlich nur bei der Portigon AG anzurufen und erhalten dann von irgendeinem Telefonisten oder irgendeiner Telefonistin folgende Auskunft – nach Rücksprache im Hause, die Pausenmusik läuft, und als Antwort kommt –: Herr Voigtländer arbeitet nicht mehr bei uns. – Das heißt mit anderen Worten: Er ist nicht nur abberufen worden, sondern er arbeitet auch nicht mehr dort ?

(Heiterkeit von der SPD)

ein Mann, der auf einen sehr lukrativen Vertrag schaut, der ihm ein Salär von deutlich über 500.000 € pro anno zusichert.

Ja, Herr Finanzminister, Sie staunen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Das ergibt sich aus den Geschäftsberichten der Portigon. Da sind für 2012 fixe Bezüge in Höhe von rund 574.000 € ausgeführt. Für 2013 handelt es sich um fixe Bezüge in Höhe von 534.000 € – plus jährliche Bezüge für die Altersversorgung in deutlicher Millionenhöhe.

Dieser Mann wird also abberufen.

Eines steht jedenfalls fest – das muss ich Ihnen persönlich ganz ehrlich sagen –: Ich würde nicht einfach die Brocken hinschmeißen, nur weil mir eine Tochtergesellschaft möglicherweise kein lukrativeres Angebot macht.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Aber die 500.000 € einstecken! Das ist klar!)

– Ja, selbstverständlich, Herr Mostofizadeh!

Der entscheidende Punkt ist doch folgender: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Auf der einen Seite wird die Moralkeule im Zusammenhang mit den Landesfinanzen, den Bundesfinanzen und vor allen Dingen mit der Steuerehrlichkeit der Bürger geschwungen. Auf der anderen Seite stehen das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und die entsprechende Verordnung, die besagen: Vergütungen über 500.000 € gelten grundsätzlich als unangemessen.

Man muss sich also ernsthaft fragen: Was für ein Spiel wird hier eigentlich gespielt? Diese Frage haben wir gestellt, aber die Antwort darauf haben wir nicht bekommen.

Heute ist der Tag, Herr Finanzminister, an dem Sie endlich einmal erklären müssten, was die wahren Gründe dafür sind, dass Herr Voigtländer nicht mehr Vorstandsvorsitzender der Portigon AG ist. Das kann aus meiner Sicht unmöglich eine Vertragsverhandlung bezüglich der PFS sein. Erklären Sie der Öffentlichkeit und diesem Parlament einmal, was dazu geführt hat, dass diese doch so wichtige Gallionsfigur in der Abwicklung der WestLB nunmehr von Bord gehen musste!

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Wie kommt das, Herr Finanzminister? Beantworten Sie diese Frage hier vor der Öffentlichkeit. Darum bitte ich Sie, aber auch die anderen Fraktionen der Opposition eindringlich.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ich denke, dass wir damit im öffentlichen Interesse arbeiten. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Jetzt spricht der fraktionslose Abgeordnete Stein.

Robert Stein (fraktionslos): Vielen Dank. – Herr Mostofizadeh, Sie werfen hier wie gewohnt mit Nebelkerzen. Ich verwahre mich ausdrücklich davor, in Ihrer Art und Weise Politik zu machen. Zum Glück haben wir heute nicht hören müssen, warum wieder alles schizophren sein soll.

Eines interessiert mich nach Ihrer Rede aber doch: Wie war es denn jetzt genau? Hat Herr Voigtländer sein Amt dort niedergelegt, oder wurde ihm zuerst vom Aufsichtsrat gekündigt? Diese Frage haben Sie gerade aufgeworfen. Darauf möchte ich gleich vom Finanzminister eine Antwort hören. Denn jetzt ist schon wieder eine neue Spekulation entstanden. Und hier muss endlich mal für Transparenz gesorgt werden.

Bevor ich jetzt näher auf diesen Sachverhalt eingehe, möchte ich auf das faktische Fehlen des Finanzministers im Haushalts- und Finanzausschuss zu sprechen kommen. Dabei handelt es sich nämlich nicht um einen Einzelfall, sondern um ein fast zur Gewohnheit gewordenes Phänomen in dieser Legislaturperiode.

Ich stelle fest:

25. Oktober 2012: Der Finanzminister fehlt. 6. Dezember 2012: Der Finanzminister fehlt. 21. Februar 2013: Der Finanzminister fehlt. 16. Mai 2013: Der Finanzminister fehlt. 9. Juli 2013: Der Finanzminister fehlt. 7. November 2013: Der Finanzminister fehlt. 12. November 2013: Der Finanzminister fehlt. 23. Januar 2014: Der Finanzminister fehlt. 13. Februar 2014: Der Finanzminister fehlt. Und zu guter Letzt: 8. Mai 2014: Der Finanzminister fehlt.

Das sind gut ein Drittel aller regulären Ausschusssitzungen.

(Zuruf: Oh!)

Die Anhörungen habe ich dabei außen vor gelassen.

Im aktuellen Fall fehlt der Finanzminister, wie wir der Presse entnehmen konnten, wegen der scheinbar so wichtigen Besichtigung des Jagdschlosses Granitz,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Und Sie meinen, zu sagen, wie andere Politik machen!)

anstatt den Haushalts- und Finanzausschuss über die Ursachen und Auswirkungen des Ausscheidens von Herrn Voigtländer bei Portigon mit seinen gravierenden Folgen zu informieren. Stattdessen war Herr Messal anwesend. Aber Herr Messal verweigerte in der Ausschusssitzung wirklich jede tiefergehende Auskunft; er hat sich hinter rechtlichen Gründen versteckt. Das müssen wir jetzt einfach akzeptieren. Ich glaube aber nicht, dass das sinnvoll und gut ist. Denn die Spekulationen, die nun mal entstanden sind, die tragen Sie mit.

In der heutigen Zeit, in der man Informationen eigentlich gar nicht mehr zurückhalten kann, ist es doch töricht, zu schweigen, wie Sie das tun. Die Medien spekulieren, die Menschen im Land spekulieren, die Abgeordneten spekulieren. Sie verursachen Unsicherheit. Und das bedeutet hinterher einen größeren Schaden für das Land NRW, als wenn Sie einfach klar sagen würden, was Sache ist.

Eines möchte ich Ihnen auch noch sagen: Sie und Ihre Regierung reden häufig von Open Government. Zum Open Government gehört nun mal Transparenz. Und diese Transparenz wird wiederholt – nicht nur in dieser Angelegenheit; in Sachen Effizienzteam haben wir ja gestern Klage eingereicht – nicht eingehalten. Da muss man bei Ihnen eher von „Closed Government“ und „Bürgerferne“ sprechen als davon, was Sie nach außen plakativ vorgeben wollen.

Die Spekulationen, die jetzt entstanden sind, verantworten Sie mit. Ich möchte gerne wissen: Warum hat Herr Voigtländer diesen Schritt getan? Wusste er, dass das zum Scheitern verurteilt ist – die Abwicklung der Portigon, der Verkauf der PFS? Oder wie sieht es denn nun aus?

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Robert Stein (fraktionslos): Ich komme gleich zum Ende.

Den letzten Sachverhalt: Wird der Vertrag jetzt aufgelöst? Befürworten Sie eine Auflösung des Vertrages? Oder wird jetzt auf Kosten der Steuerzahler weitergezahlt? – Darauf können Sie jetzt bitte Antworten geben, Herr Finanzminister. Die Öffentlichkeit wartet dringend darauf. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Finanzminister Walter-Borjans.

(Zurufe von der CDU)

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Stein, ich höre selten von Ihnen so bedeutungsvolle Sätze wie den: Heute ist schon wieder eine neue Spekulation entstanden.

(Beifall von Robert Stein [fraktionslos])

Genau darum geht es Ihnen.

(Robert Stein [fraktionslos]: Lesen Sie das mal im Protokoll nach!)

Und genau darum geht es der CDU und der FDP bei dieser Aktuellen Stunde. Es geht Ihnen doch nicht um die vorgetäuschte Seriosität und die Sorge um die Beschäftigten von Portigon. Es geht Ihnen darum, Unruhe zu stiften.

Sie hatten doch schon vorher die Botschaft fertig, dass hier wieder Steuergelder verschwendet werden, weil es eine Trennung von einem hochbezahlten Manager gibt. Und das wollen Sie sich nicht kaputt machen lassen.

Sie hätten die Überschrift der heutigen Aktuellen Stunde viel weniger polemisch formulieren können. Sie hätten einfach fragen können: Warum war der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz der Länder bei der Jahreskonferenz der Finanzminister der Länder?

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie müssen dem Parlament Auskunft geben!)

Das hätte allerdings den intellektuellen Tiefgang Ihrer Frage sehr offengelegt, und das wollten Sie nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

– Wenn Sie jetzt wenigstens zuhören könnten, dann können wir das Ganze vielleicht ein bisschen kürzer gestalten.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Tourismus!)

Ich will jetzt gar nicht weiter bewerten, was Sie sich da leisten. Ich könnte noch sagen: Während wir unsere Gespräche auf Schloss Granitz hatten, schipperte draußen ein Bötchen um Rügen herum. Darin saßen Frau Merkel und Herr Hollande.

(Martin Börschel [SPD] [lachend]: Skandalös!)

Machen Sie jetzt eine Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag, warum die Bundeskanzlerin Herrn Hollande die Untiefen ihrer Heimat gezeigt hat, statt über die Klippen der Politik in Berlin zu reden?

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Sie würden diejenigen für durchgeknallt halten, die eine solche Frage stellen würden.

Ich will Ihnen die Antwort geben, warum ich in Stralsund und auf Schloss Granitz war:

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

weil sich das für den Vorsitzenden der Veranstaltung so gehört – er hat eingeladen, und zwar für beide Tage – und weil das von den Gastgebern, von den Teilnehmern und auch von den Medien erwartet wird, die sich dort eingefunden haben

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Haben Sie keinen Stellvertreter?)

und die die anwesenden Politiker nach den wichtigen Themen gefragt haben: Wie weit seid ihr mit den „Selbstanzeigen“? – Das stand Wochen vorher in der Zeitung. – Wie sieht es aus mit der Steuerschätzung? Was ist mit dem Thema „kalte Progression“? – Das waren doch alles Themen, die in Granitz schon auf der Tagesordnung standen. Und dazu wollen die Anwesenden auch vom Vorsitzenden etwas wissen.

Jetzt kam diese Jahres-FMK, wie Herr Möbius ja selbst gesagt hat, nicht plötzlich; sie war monatelang vorher angekündigt. Auch die HFA-Sitzung kam nicht plötzlich. Deshalb habe ich zwei Tage vorher die Obleute eingeladen und sie über die Umstände der Trennung von Herrn Voigtländer informiert. Es gab keine weiteren Fragen. Ich habe angekündigt, an dem Donnerstag nicht dabei sein zu können. Es gab keinen Protest. Das, was Sie wollten, war vielmehr, eine Überschrift zu suchen, mit der Sie anschließend in die Zeitungen gehen. Sie wollten keine ernsthafte Auseinandersetzung. Das muss man doch mal festhalten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin als Mitglied des Aufsichtsrats zum Stillschweigen über den Inhalt der mit Herrn Voigtländer getroffenen Vereinbarung verpflichtet. Ich sage ganz ausdrücklich: Leider! – Ich hätte nicht ein einziges Problem damit, Ihnen hier jedes einzelne Detail dieser vertraglichen Vereinbarung zu nennen und zu begründen. Dass ich das nicht darf, ist doch das, was Sie als Chance nutzen für das, was Herr Stein „neue Spekulationen“ nennt. Mit jedem fehlenden Detail erfinden Sie sich eine Welt, die nicht besonders von Sachkenntnis geprägt ist.

Beispiele dafür sind die Äußerungen von Herrn Möbius und Herrn Witzel dazu, es könne doch gar keine Debatten über die Höhe von Gehältern gegeben haben. Ich will hier nicht in die Details gehen, aber theoretisch hat Herr Mostofizadeh es ja angesprochen: Man kann sehr wohl in einem Vertrag Elemente haben, die bei einem Unternehmen, das 2016 verkauft wird, erst nach 2016 wirksam werden und deswegen nicht der FMStFG unterliegen, die aber den Kaufpreis verändern können und die dann sehr wohl etwas mit dem Steuerzahler zu tun haben. Wir haben auch eine Institutsvergütungsverordnung, die auf das Wollen der Politik hin strenger gefasst worden ist und die deshalb auch Anpassungen von Verträgen notwendig gemacht hat.

Mehr will ich dazu gar nicht sagen. Ich will nur eines sagen – das wiederhole ich; das habe ich Ihnen auch in dem Obleutegespräch gesagt –:

Es musste Verhandlungen geben. Es hat Verhandlungen gegeben. Diese Verhandlungen sind von beiden Seiten, von Herrn Voigtländer und seinen Begleitern genauso wie vom Aufsichtsratsvorsitzenden – nicht vom Finanzminister –, und zwar schon vom vorigen und vom gegenwärtigen Aufsichtsratsvorsitzenden, geführt worden. Sie waren von beiden Seiten professionell. Aber auch wenn beide Seiten professionell verhandeln, kann man trotzdem zu dem Ergebnis kommen: Es gibt keine Einigung.

Diese Professionalität hat sich dann – das muss ich sagen – auch in der Art der Vereinbarung über diese Trennung fortgesetzt. Ja, es stimmt tatsächlich: Der Aufsichtsrat hat mit sofortiger Wirkung die Bestellung von Herrn Voigtländer widerrufen. Deswegen – oh Wunder! – ist danach Herr Voigtländer auch nicht mehr zur Arbeit erschienen.

Ich kann Ihnen sagen – darüber habe ich mich ausdrücklich juristisch beraten lassen, weil ich so viel wie möglich sagen will –: Ich habe selten eine vertragliche Trennungsvereinbarung mit einem Banker erlebt, von der man sagen muss: Sie war fair – das rechne ich Herrn Voigtländer hoch an –, und sie hat, was Sie gerade ein bisschen insinuieren wollten, um möglichst bei den Menschen Unruhe zu schaffen, im Vergleich zu allem, was ich bisher in anderen Bereichen erlebt habe, eben nicht viel Steuergeld gekostet. Sie hat in einem geringen Umfang Steuergeld gekostet, weil es schließlich um eine vertragliche Regelung, um einen Vertrag ging, der Gültigkeit hatte, und um eine Einigung, weil eine Fortsetzung dieses Vertrages, eine Übertragung dieses Vertrages nicht zustande gekommen ist.

(Robert Stein [fraktionslos]: Ist denn ein Vertrag da?)

Ich kann Ihnen hier sagen: Es gibt keine Abfindung. Es gibt keine Einmalzahlung. Es gibt keinerlei Vereinbarungen, die in die Zukunft hineinwirken. Nennen Sie mir mal irgendwelche anderen Auflösungen von Verträgen, die noch eine Restlaufzeit von dreieinhalb Jahren hatten, bei denen das der Fall war.

Vor dem Hintergrund der Debatte, die wir hatten und über die ich Stillschweigen zu bewahren habe, halte ich das für einen richtigen und angemessenen Schritt. Er ist auch nicht das Eröffnen einer Baustelle, wie es Herrn Optendrenk in die Welt setzen wollte. Jeder hier weiß doch – auch die Zuhörerinnen und Zuhörer –, dass nicht dieser Finanzminister jetzt eine Baustelle WestLB oder Portigon eröffnet hat.

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Vielmehr geht es darum, eine Baustelle zu bearbeiten, sie möglichst schonend für den Landeshaushalt und den Steuerzahler abzuwickeln und das Ganze weiterzuentwickeln. Das tun wir.

Deswegen kann ich zum Schluss die Frage von Herrn Witzel wie folgt beantworten: Ja, ich bin der Überzeugung, dass innerhalb der Planungen und der immer wieder notwendigen Anpassungen an die veränderten Rahmenbedingungen der Weg von Portigon jetzt mindestens genauso beherzt weitergegangen werden kann, wie wir ihn bisher gegangen sind. Die Trennung ist lediglich aufgrund einer nicht zum Abschluss gekommenen Verhandlung über eine Vertragsanpassung erfolgt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Optendrenk.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie berechtigt die Kritik am Verhalten des Finanzministers ist, hat sich an dem großartigen Klamauk der Redner der Regierungsfraktionen aus meiner Sicht sehr plastisch gezeigt.

(Beifall von der CDU – Zurufe von Dietmar Bell [SPD] und Martin Börschel [SPD])

Hier haben zwei Abgeordnete gesprochen, von denen nur einer die Gelegenheit hatte, an der Obleuterunde teilzunehmen. Der andere weiß also gar nicht, was dort besprochen worden ist – es sei denn, jemand hat es ihm erzählt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ja! Wir reden miteinander!)

Dann wird argumentiert: Sie sind ja in der Obleuterunde unterrichtet worden. – Ich frage Sie alle: Wir sind 237 Abgeordnete des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mit der Abwicklung der alten WestLB, mit der Portigon geht es um eine der wichtigsten finanziellen Fragen des Landes Nordrhein-Westfalen, was zukünftige Risiken betrifft. Und da soll ein Obleutegespräch, also Hinterzimmerpolitik, ersetzen, dass sich ein Gremium des Parlaments offiziell damit beschäftigt und der Minister dort auch persönlich Verantwortung übernimmt?

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Liebe Kollegen Börschel und Mostofizadeh, die Argumente, die Sie gebracht haben, lauten doch einfach: Am liebsten hätten wir, dass das Thema kleingekocht und möglichst intransparent behandelt wird, weil da keiner mehr Fragen stellen sollte.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wir haben Gesetze!)

Sie haben das Wort „Transparenz“ 57 Mal in Ihrem Koalitionsvertrag stehen. Das sollten Sie noch ein paar Mal lesen, bis Sie es verstanden haben.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos])

Herr Minister, wir hatten im Vorfeld der Beantragung der Aktuellen Viertelstunde im HFA auch schriftlich die Bitte geäußert, die ursprüngliche Vereinbarung, dass die Tagesordnung des HFA so gestrickt wird, dass Ihre vollständige Anwesenheit in Stralsund möglich ist, aufgrund eines aktuellen Vorgangs noch einmal zu überdenken. Im Lichte der Situation und im Lichte des Informationsbedürfnisses haben wir darum gebeten, dass derjenige, der im Kabinett politisch dafür verantwortlich ist, sich gegenüber dem HFA dazu äußert. Das ist weder unzumutbar, noch ist es überfallartig auf Sie zugekommen.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos])

Als Eigentümervertreter und Aufsichtsratsmitglied haben Sie an der Herbeiführung dieser Situation ja selbst durch eine Entscheidung mitgewirkt. Wenn dann beantragt wird, der Minister möge als Eigentümervertreter – 100 % der Portigon gehören dem Land Nordrhein-Westfalen, und zwar mit allen damit verbundenen Risiken – doch bitte einen Tagesordnungspunkt lang selbst anwesend sein und erst danach die Reise nach Stralsund antreten …

(Minister Dr. Norbert Walter-Borjans: Sie haben doch gehört, dass das gar nicht geht!)

– Natürlich geht das! Haben Sie kein Dienstfahrzeug? Das ist doch nicht wahr.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Minister, diese Bitte haben wir schriftlich an Sie gerichtet. Wenn Sie dann endgültig entscheiden, dass Sie es anders machen, sagen Sie aber bitte nicht, das gehe gar nicht anders. Ich weiß aus früherer Zeit, dass Finanzminister, selbst wenn sie Vorsitzende der FMK und des Finanzausschusses des Bundesrates waren, auch schon mal erst abends zum ersten Teil gefahren sind und vorher den stellvertretenden Vorsitzenden – er ist genau dafür gewählt worden, Sie zu vertreten – haben repräsentieren lassen. Auch damals ging es um die WestLB.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos])

Herr Minister, es stellt sich auch die Frage, ob es nicht eine wesentliche Gabe eines guten Politikers ist, große und kleine Kartoffeln zu unterscheiden.

(Beifall von der CDU – Martin Börschel [SPD]: Ja, da haben Sie recht!)

In der akuten Situation, in der wir sind, gehört die Abwicklung der Portigon zu den größeren Kartoffeln. Die langfristigen Prozesse, die auf der FMK besprochen worden sind – bei einer Jahres-FMK werden nämlich alle anderen Tagesordnungspunkte in der Regel einstimmig behandelt, und zwar freitags morgens –, können Sie auch in einem anderen Rahmen besprechen – notfalls per Telefon. Die direkte Verantwortlichkeit eines Ministers im Parlament hat Vorrang gegenüber einer Aufgabe in der FMK. Davon bringen Sie mich auch nicht ab.

Wenn wir uns noch einmal vor Augen führen, worum es bei der Portigon denn geht, stellen wir fest, dass die Frage des Kollegen Witzel sehr viel berechtigter ist, als Sie hier den Anschein erwecken.

Wir haben im Sommer 2012 in diesem Landtag das Restrukturierungs­gesetz behandelt. Dieses Gesetz ist mit den Stimmen der Koalition verabschiedet worden. Wir haben uns damals der Stimme enthalten.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Beim zweiten Versuch haben Sie sich enthalten!)

Damals haben unsere Sprecher unsere Zweifel daran deutlich gemacht, dass das im Restrukturierungsgesetz angelegte Modell tragfähig ist. Auch damals ging es schon um die Abwicklung über eine PFS, die allerdings noch nicht so hieß; seinerzeit lautete der Arbeitstitel „SPM-Bank“. Damals war klar: Wenn das nicht sehr sorgfältig gehandhabt wird, können Milliardenrisiken zusätzlich auf den Steuerzahler von Nordrhein-Westfalen zukommen. Und bei Milliardenrisiken muss man besonders vorsichtig sein, gerade wenn es sich um das Geld anderer Leute, nämlich der Bürgerinnen und Bürger, handelt. Deshalb ist dieser Punkt fundamental wichtig.

Wenn die Identifikationsfigur eines solchen Prozesses – wir haben das ja in der öffentlichen Sitzung des HFA am 13. Februar 2014 auch mit Herrn Voigtländer diskutiert – von Bord geht, obwohl diese vorher erklärt hat: „Mein Platz ist bei der PFS; ich stehe dort mit auf der Brücke, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Investoren wissen, mit welchem Gesicht sie es auch nach der Privatisierung zu tun haben“, können Sie nicht sagen: Wir reden jetzt ja nur über eine Auflösungsvereinbarung, die getroffen wurde, weil wir uns über das Geld nicht geeinigt haben; ansonsten geht der Prozess so weiter wie bisher. 

Wie weltfremd ist das denn? Marken haben doch auch etwas mit Gesichtern zu tun. Sie als ehemaliger Regierungssprecher, der so viel Wert auf Image, Markenbildung und auf Selbstvermarktung legt, wissen doch ganz genau, wie wichtig das ist. Das neidet Ihnen sogar der eine oder andere, ich persönlich nicht, aber ich respektiere sehr, wie Sie das machen. Aber Sie dürfen darüber die wichtigen Aufgaben des Landes nicht vergessen.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos])

Hier reicht es nicht, zu sagen: Ach, das behandeln die Obleute und da habe ich ja gesagt, dass ich nicht kommen kann.

Ich habe es – ehrlich gesagt – nicht für möglich gehalten, dass Sie es sich nicht noch einmal überlegen, ob große und kleine Kartoffeln bei Ihnen im Garten nicht anders anzubauen sind.

(Zuruf von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans)

Die WestLB steht in Nordrhein-Westfalen vor dem spannendsten Abwicklungsprozess insgesamt, den es bei einer Landesbank deutschlandweit gibt. Das Risiko ist das höchste, und das wissen wir alle.

Selbst wenn das Ding jetzt Portigon heißt, haben wir eine hohe gemeinsame Verantwortung. Die Tatsache, dass es überhaupt keine Äußerungen durch den Finanzminister und durch die regierungstragenden Fraktionen gibt, wie der Prozess, der jetzt stattfinden soll, nämlich die Privatisierung dieser Tochtergesellschaft mit der Sicherung von Beschäftigung und der Begrenzung des Haftungsrisikos für das Land, erfolgen soll, zeigt, wie „ernsthaft“ das angegangen wird.

Dass in einer Ausschusssitzung alles das, was der Minister meint gesagt zu haben und was angeblich auch verbindlich ist, durch den Herrn Staatssekretär nicht zu Protokoll wiederholt wird, ruft genau die von Herrn Kollegen Witzel angesprochenen Fragen hervor. Genau das haben Sie in dieser ersten Runde nicht deutlich gemacht.

Wir erwarten von Ihnen, Herr Minister, dass Sie eine Erklärung dazu abgeben: Wie geht es weiter mit dem Prozess der Privatisierung der PFS? Zu welchen Konditionen wird das gestartet? Wer ist auf der Kommandobrücke? Wie geht es weiter? Das haben die Bürgerinnen und Bürger erwartet. Denn es geht um ihr Geld und nicht um eine Reise nach Stralsund. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Zimkeit.

Stefan Zimkeit (SPD): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Optendrenk, was Sie gerade vorgetragen haben, waren ganz kleine Kartoffeln.

Sie haben im HFA vergeblich versucht, einen Skandal herbeizureden, sind damit weder inhaltlich noch in den öffentlichen Medien durchgedrungen und versuchen nun, das hier zu wiederholen. Dabei schrecken Sie auch nicht vor falschen Behauptungen zurück. Sie stellen die ganze Zeit in den Raum, Ihre Fragen wären nicht beantwortet worden. Dabei sind diese Fragen beantwortet worden. Es ist klargestellt worden, warum es die Trennung gegeben hat.

Ich gebe die Frage einmal an Sie zurück: Wären Sie, Herr Witzel, denn bereit gewesen, Herrn Voigtländer – koste es das Land, was es wolle – jegliche Forderung zu erfüllen?

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das kann doch nicht der Weg sein. Wenn das der Weg gewesen wäre, dann hätten wir heute die Aktuelle Stunde mit dem Titel „Der Finanzminister wirft Herrn Voigtländer Steuergelder hinterher“ gehabt. Das ist doch Ihre Art und Weise, wie Sie mit dem Thema umgehen.

(Beifall von der SPD)

Die Frage zum Zeitplan ist beantwortet worden. Die Frage nach den wirtschaftlichen Auswirkungen ist beantwortet worden, und zwar zweimal, einmal in der Obleuterunde und einmal im Ausschuss.

Es ist doch so: Wenn Ihnen die Antworten, die Sie bekommen, nicht passen, weil sie Ihnen nicht in Ihre politische Strategie passen, dann können Sie doch nicht behaupten, Sie hätten die Antworten nicht bekommen. Sie haben die Antworten, Sie verdrehen hier die Tatsachen.

Das sieht man auch an die gewählten Formulierungen. Man versteckt sich bei der Nichtauskunft hinter Gesetzen. Das ist im Prinzip die Aufforderung zum Rechtsbruch. Einer solchen Aufforderung kann und will die Landesregierung nicht folgen. Das ist auch richtig so. Wir halten uns an Gesetze. Wenn Sie es anders halten wollen, ist das Ihre Angelegenheit.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Sie hätten die Gelegenheit gehabt, wenn es noch offene Fragen gegeben hätte, diese zu stellen, und zwar insbesondere im Obleutegespräch – das ist hier zu kurz kommen – an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats, der für die entsprechenden Verhandlungen zuständig ist, der Ihnen Ihre Fragen hätte am besten beantworten können.

Doch Sie haben ihn nicht gefragt. Warum? – Weil es Ihnen nicht um Aufklärung geht, sondern darum – um Sie, Herr Optendrenk, zu zitieren –, politischen Klamauk aufzuführen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Dann will ich einmal den Begriff der Moralkeule aufgreifen. Denn wenn hier die Moralkeule geschwungen wird, dann doch von den Kolleginnen und Kollegen der Opposition. Was sich hier in der Frage der Abwesenheit des Ministers bei der besagten Sitzung abspielt, ist aus meiner Sicht ein Skandal. Sie werfen mit populistischen Begriffen um sich – Dienstwagen, Schlossbesuch, Lustreise –, obwohl Sie genau wissen, dass es anders ist.

Wirklich moralisch verwerflich, Herr Optendrenk, ist: Sie, Herr Witzel, Herr Stein und Herr Schulz haben die Aussage des Ministers im Obleutegespräch, dass er nicht anwesend sei, nicht kritisiert. Sie haben nicht gesagt, dass Sie erwarten, dass er hier ist, als er erklärt hat, er habe wichtige Gespräche zu führen. Das zeigt wiederum: Es geht Ihnen nicht um die Sache, sondern darum, hier Schlagzeilen zu produzieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist die entscheidende Frage: Worum geht es Ihnen? Sie treten hier auf, als wenn es Ihnen um die Interessen des Landes, der Portigon und der Steuerzahler geht. Aber die Art und Weise, wie Sie hier vortragen, und dass Sie immer wieder auf die Frage der Abwesenheit kommen müssen, weil Ihnen die inhaltlichen Argumente fehlen, macht deutlich, worum es Ihnen geht. Es geht Ihnen – wie gesagt – um Schlagzeilen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Antworten!)

Ihnen geht es darum, einen Finanzminister anzugreifen, der wichtige Themen für NRW erfolgreich in die Diskussion bringt. Dabei sind Ihnen augenscheinlich die Interessen dieses Landes völlig gleichgültig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welche Erwartungshaltung wir als FDP-Landtagsfraktion haben, kann ich Ihnen sagen, nämlich dass Sie mit dem Sachverhalt so umgehen, wie wir es zur schwarz-gelben Regierungszeit auch gemacht haben.

(Horst Becker [GRÜNE]: Um Gottes willen!)

Denn wie es der Zufall will: Herr Voigtländer ist Vorstandsvorsitzender – damals der WestLB, dann der Portigon AG – geworden, weil sich sein Amtsvorgänger Heinz Hilgert wegen anderer Auffassungen entschieden hat, seine Tätigkeit vorzeitig zu beenden. Dann gab es eine abgestimmte Erklärung, in der das für die Öffentlichkeit transparent dargestellt wurde.

Es ist mit Bestätigung des Betroffenen glasklar gesagt worden: Es gibt keine zukünftigen Ansprüche, auch nicht für Pensionen. Es werden keine Abfindungszahlungen geleistet. – Das ist alles zum Zeitpunkt der Bekanntgabe – fast auf den Tag genau ist es fünf Jahre her – am 18. Mai 2009 so publiziert worden und für jedermann entsprechend transparent.

Genau diese Fragen haben wir deshalb in der Ausschusssitzung gestellt, und genau diese Fragen – egal, ob an den Minister oder den Staatssekretär –, ob sie das auch so handhaben will, sind von der Landesregierung nicht beantwortet worden.

Wie läuft es denn, wenn es einen gültigen Vertrag über die Vorstandsbestellung für fünf Jahre gibt, der erst im August 2012 mit Herrn Voigtländer geschlossen worden ist? Darin war die Ausgründung der Servicegesellschaft als geschäftliche Perspektive angelegt. Insofern muss ich doch unterstellen, dass der Eigentümer einen Wiederbestellungsvertrag mit einem Vorstand macht, in dem steht:

Wenn sich in weiterer Zukunft genau das, was geschäftliche Strategie ist, als Frage stellt und als Fall eintritt, gehört es, wenn der Eigentümer das will, mit zur Verpflichtung des AG-Vorstandes, die Leitung dieser Servicegesellschaft mit zu übernehmen. Und das regelt man dann, wenn alles bekannt ist, nämlich im August 2012. Der Gesetzgeber hat da klare Leitplanken eingezogen. Wir sind uns da in der rechtlichen Bewertung auch völlig einig; an dem Deckel von 500.000 € Fixum kann man nichts ändern. Auch die Pensionsansprüche sind klar.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Und nach der Privatisierung?)

Diese haben Sie mit 3,5 Millionen quantifiziert; das ist der aufgelaufene Anspruch. Wenn man ausscheidet, hat man dann den Anspruch auf diese 3,5 Millionen. Das alles ist in den Geschäftsberichten nachlesbar.

Herr Voigtländer persönlich hat bereits am 1. November des Jahres 2009 eigenhändig unterschrieben, dass er selbstverständlich die gesetzlichen Grundlagen für die Vorstandsbestellung nach Maßgabe der Finanzmarktaufsicht und der Finanzmarktstabilisierung in eigener Angelegenheit für die Zukunft akzeptiert. Das wurde mit eigenhändiger Unterschrift und Datum vom 1. November 2009, also noch zu schwarz-gelber Regierungszeit, veranlasst. Das alles liegt entsprechend vor.

Die Zahlen liegen also auf dem Tisch.

So viel einmal zu den gesetzlichen Grundlagen: Gesetzliche Grundlage ist das Vergütungstransparenzgesetz und nicht nur die Finanzmarktstabilisierung. Danach sind die Bezüge von Gremienmitgliedern in Leitungsfunktionen, in Führungsfunktionen von Gesellschaften, bei denen das Land zu 100 % Eigentümer ist, im Geschäftsbericht zu publizieren. Es gibt also für einen Vorstand gar nicht die Möglichkeit zu sagen, er hätte es nicht gerne, dass seine Abfindungshöhe, wenn sie gezahlt würde, veröffentlicht werde, weil das automatisch in den folgenden Geschäftsbericht mit hineingehört. Und dieses Gesetz haben alle Fraktionen im vorletzten Landtag so beschlossen. Insofern ist völlig klar: Die gesetzliche Grundlage ist die Vergütungstransparenz.

An dieser Stelle haben Sie, Herr Minister – das ist ja schon ein Fortschritt im Vergleich zu letztem Donnerstag –, für Klarheit gesorgt, indem Sie deutlich erklärt haben, es gebe hier keine Ansprüche, keine Abfindungszahlungen, da sei auch für zukünftige Sonderleistungen nichts verabredet worden.

Dieser Fall ist nämlich anders, als Sie es früher bei anderen Vorständen der WestLB und Portigon AG gehandhabt haben. Da haben wir uns nämlich vor etwas über einem Jahr über die Frage unterhalten, wie das bei dem Finanz- und Risikovorstand gelaufen ist, wo sehr wohl große Abfindungszahlungen verabredet worden sind.

Genau deshalb ist die Frage mehr als berechtigt, wie Sie das an dieser Stelle handhaben wollen, weil es auch die Frage der Kausalität beantwortet. Wenn Herr Voigtländer gegen den Willen seines Eigentümers sagt, er sei nicht bereit, einen für dreieinhalb Jahre gültigen Vertrag zu erfüllen, dann bekommt er ein Problem mit der BaFin und so schnell wahrscheinlich keine weitere Anstellung mehr in der Branche, wenn er in einer der entscheidendsten Phasen des Unternehmens einfach hinwirft.

Deshalb sind diese Fragen, welche der Seiten ein Interesse hatte, dieses Verhältnis zu beenden, wichtige Indikatoren, die Licht ins Dunkel bringen. Die Beantwortung ist im Rahmen dessen notwendig, was sowieso gesetzliche Grundlage ist, das nämlich hier vor dem Parlament zu erklären.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen haben mittlerweile seit Jahrzehnten immer darauf hingewiesen, dass Reisen, die Ausschüsse machen – seien sie in der Kommune oder im Landtag –, gut begründet sein müssen. Sie müssen ein inhaltliches Programm haben, sie müssen zielgerichtet sein, und sie sollten gut vorbereitet sein.

Der Finanzminister hat nach meiner Erinnerung bereits vor Monaten, mindestens bei der Aufstellung der Terminplanung des HFA, auf alle seine Abwesenheiten hingewiesen, hat dies schriftlich mitgeteilt, und die Obleute sind darüber informiert worden.

Die Finanzministerkonferenz ist nach dem, was ich weiß, intensiv vorbereitet worden; der Finanzminister hat entsprechende inhaltliche Punkte vorgetragen. Das unterscheidet sich von dem, was im HFA geplant war, nämlich eine Ausschussreise zu machen, für die man zunächst das Ziel festlegt und sich dann die inhaltlichen Programmpunkte überlegt.

(Christian Möbius [CDU]: So ein Blödsinn!)

Das unterscheidet sich im Übrigen auch, Herr Kollege Witzel, von dem, wie wir früher damit umgegangen sind, als zum Beispiel Frau Kollegin Brunn den Haushalts- und Finanzausschuss geleitet hat. Dort haben wir zum Beispiel sehr ausführlich eine Reise nach Stockholm vorbereitet, wo unter anderem der kommunale Finanzausgleich in Schweden untersucht wurde, der sich fundamental von dem unterscheidet, was hier in Nordrhein-Westfalen bzw. in Deutschland passiert. Man hat sich die Steuerbehörde und die Erfassung von Steuern angeschaut und sich insbesondere mit der Frage befasst, wie man mit dem Steuergeheimnis umgeht. Viele dieser Punkte diskutieren wir auch dank der Initiative unseres Finanzministers ja jetzt sehr intensiv. Das hat auch zu einigen Veränderungen in Deutschland geführt bezüglich der Fragen von Selbstanzeigen und Bankgeheimnis sowie anderer damit zusammenhängenden Fragen.

Ich habe eben schon das Beispiel Krickenbeck angeführt. Warum soll der Haushalts- und Finanzausschuss nicht auch auf Schloss Krickenbeck tagen können, wenn diese Tagungsstätte zur Verfügung steht und dort inhaltlich wichtige Punkte verhandelt werden wie zum Beispiel den Landeshaushalt 2015.

Sie führen nun an, dass der Finanzminister auf Schloss Granitz bzw. auf bedeutenden Schlössern in Stralsund war und sich dort um wichtige inhaltliche Punkte, unter anderem um den Länderfinanzausgleich, den ich eben angeführt habe – andere Punkte hat der Finanzminister vorgetragen –, kümmert, die für Nordrhein-Westfalen von weitreichender Bedeutung sind.

Sie versuchen, das mit Schmutz zu bewerfen. Für sich nehmen Sie wie selbstverständlich in Anspruch, in angemessenen Räumen zu tagen und einen Fahrer zur Verfügung zu haben. Ich selbst würde es vielleicht anders machen und mal mit dem Fahrrad fahren. Ich weiß, dass zum Beispiel Herr Murrack, der Büroleiter des Finanzministers, regelmäßig mit dem Fahrrad zum Landtag kommt, weil er damit schneller ist als mit dem Auto. Das ist doch so kleines Karo.

Sie fragen, wer wann mit dem Schiff wo entlanggefahren ist. Stellen Sie demnächst jemanden vor das Haus des Finanzministers in Köln, um zu prüfen, wann er morgens losgeht und wann er im Büro des Finanzministeriums ist? Prüfen Sie, ob er es vielleicht zwischendurch noch hätte schaffen können, den finanzpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion anzurufen, um eine wichtige Mitteilung durchzugeben? So können wir nicht miteinander umgehen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das macht er aus dem Auto!)

Wenn es der Finanzminister in einer Krise des Landes, wo die WestLB vor dem Zusammenbruch steht, vorgezogen hätte, eine Lustreise zu machen, wie Sie es suggerieren, wären wir mit Sicherheit die ersten gewesen, die ihm die Ohren langgezogen hätten. Dafür gibt es aber überhaupt keinen Anlass.

Die Frage der Zukunft der PFS können wir stundenlang in Sondersitzungen herauf- und herunterberaten. Die Frage, wie der Finanzausgleich ausgestaltet werden soll, haben wir hier mehrfach in langen Sitzungen und Anhörungen erörtert.

Herr Kollege Witzel, Sie haben jetzt dreimal die Spekulation in den Raum gestellt, es würde überhaupt nicht stimmen, was der Finanzminister vorträgt, ob er es von Stralsund aus, von hier aus oder im Sitzungssaal der CDU sagt. Wenn Sie ihm nicht glauben wollen, dann tun Sie es eben nicht. Wenn Sie Spekulationen in den Raum stellen wollen, die zu weiteren Spekulationen führen, dann tun Sie es eben. Das machen Sie, seitdem Sie im HFA angetreten sind. Darin unterscheiden Sie sich unangenehm von Ihrer Vorgängerin. Das wissen Sie auch. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, Sie unterscheiden sich massiv von einer sachgerechten und zielgerichteten Haushalts- und Finanzpolitik.

Herr Kollege Stein, Sie sitzen möglicherweise auch noch drei Jahre im Ausschuss. Sie betteln darum, bei der CDU aufgenommen zu werden, und wollen unbedingt in diese Fraktion. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich kann nur sagen: Viel Spaß und viel Erfolg mit diesem Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, was Ihre Reise bzw. Ihre Stellung als Vorsitzender der Finanzministerkonferenz angeht, haben Sie hier eine Art Rechtfertigungslimbo vollführt. Das ist Ihr gutes Recht. Aber dessen bedurfte es meines Erachtens überhaupt nicht.

Wir wissen, es sind sicher wichtige Gespräche geführt worden. Aber Sie müssen die Frage beantworten, wozu es eigentlich einen Stellvertreter des Vorsitzenden der Finanzministerkonferenz gibt. Das ist Ihr werter Kollege Thomas Schäfer aus Hessen. Er hätte Sie für die vier bis sechs Stunden Ihrer Abwesenheit sicherlich würdevoll vertreten. Das zum einen.

Zum anderen stellen Sie sich hier an das Rednerpult und sagen: Alles ist gut. Wir haben im Rahmen der Portigon AG gut gehandelt. Wir haben auch im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Herrn Vorstandsvorsitzenden Voigtländer gut gehandelt. Es gibt keine Abfindung. Es ist alles super, alles toll.

Fakt ist: Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es keine Abfindung gibt, liegt irgendwo zwischen null und 100 %. Das ist alleine schon deshalb der Fall, weil gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung keine rechtlich nicht gebotenen Abfindungen bezahlt werden dürfen. Das steht noch gar nicht fest. Die Sache ist überhaupt noch nicht vom Tisch. Zunächst einmal ist Herr Voigtländer nur abberufen worden. Von einer Kündigung des Anstellungsvertrages zwischen Voigtländer und der Portigon haben wir bisher noch gar nichts gehört.

Wir müssen also davon ausgehen, dass zwischen der letzten HFA-Sitzung und heute bereits ein Rechtsakt gesetzt worden ist, der die Frage auslöst, ob eine Abfindung bezahlt werden muss oder nicht. Die Abberufung als solche von der organschaftlichen Stellung als Vorstandsvorsitzender löst das keineswegs ohne Weiteres aus.

Herr Finanzminister, Sie hatten die Gelegenheit und haben sie nach wie vor, hier den wahren Grund für die Auseinandersetzung zu erklären, die dazu führte, dass diese Abberufung vonseiten des Aufsichtsrats erfolgte. Sich selbst kann Herr Voigtländer nicht abberufen. Er kann einzig und allein sein Amt niederlegen und dann den Anstellungsvertrag seinerseits kündigen. Beides ist aber offensichtlich nicht erfolgt. Das wissen wir mittlerweile.

Ich komme auf die Situation der Obleuterunde zu sprechen. Herr Zimkeit hat gesagt, es habe keiner widersprochen. Ich habe noch sehr genau im Ohr, dass Herr Kollege Dr. Optendrenk sehr deutlich – wenn auch vielleicht etwas indirekt – gesagt hat, es gehe um die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalens und die Viertelstunde im Haushalts- und Finanzausschuss sei damit nicht vom Tisch. Damit hat er eigentlich auch indirekt zu verstehen gegeben, dass zumindest die CDU-Fraktion sehr wohl Wert auf die Anwesenheit des Ministers legt. Dem haben sich die FDP und die Piraten angeschlossen. Darüber hinaus wurde die Anregung, dass der Finanzminister oder der Aufsichtsratsvorsitzende Plogmann bereit seien, der Obleuterunde Auskunft zu geben, ausdrücklich schriftlich mit dem Hinweis darauf aufgenommen, dass weitere Zugeständnisse nicht gemacht würden. Das bezieht selbstverständlich die Anwesenheit des Ministers im Haushalts- und Finanzausschuss ein.

Herr Finanzminister, die wirklichen Gründe für die Abberufung kennen wir immer noch nicht. Hier wird zwar die Nebelkerze geworfen, es ginge um Vertragsverhandlungen und irgendwelche geldlichen Dinge mit der PFS.

Aber ein Grund könnte auch darin liegen, dass es Herrn Voigtländer möglicherweise nicht gelungen ist, bis heute private Investoren in dem Umfang zu finden, wie sich dies der Finanzminister gewünscht hat. Da bleiben wir wieder bei Spekulationen, die Sie hier nicht durch Auskunft beenden, Herr Finanzminister.

Dabei spielt der Finanzminister möglicherweise selbst eine entscheidende Rolle. Möglicherweise hat er Rahmenbedingungen für die Bad Bank EAA, die Portigon AG und die Portigon Financial Services GmbH gesetzt, die nicht erfüllbar sind, die Herr Voigtländer vielleicht nicht erfüllen kann. In der „FAZ“ von vor ungefähr einer Woche heißt es nämlich, es müssten dahingehend Überlegungen mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Franzmeyer angestellt werden, ob die Strategie in Bezug auf die PFS überhaupt aufrechterhalten werden könne.

Der neue Vorstandsvorsitzende der Portigon AG, Herr Franzmeyer, ist bereits berufen und sitzt möglicherweise auf einem Schleudersitz. Wir wünschen ihm Fortune und eine gute Hand, vor allen Dingen auch im Hinblick auf die Privatisierung der PFS und die weitere Abwicklung der Portigon.

Aber eines ist aus unserer Sicht entscheidend: Das Land darf nicht weiter finanziell belastet werden aufgrund von Managementfehlern der ehemaligen WestLB, heute Portigon.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Und dazu zähle ich auch den Aufsichtsrat und den Finanzminister dieses Landes, der Mitglied dieses Aufsichtsrates ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schulz, was Sie gesagt haben, macht deutlich, dass es zwecklos ist, den Versuch zu unternehmen, Sie davon abzubringen, Spekulationen in die Welt zu setzen. Das gilt für Sie, das gilt für die anderen, und das wird so weitergehen. Das tut Portigon nicht gut, das tut am Ende auch dem Verfahren und dem Prozess nicht gut. Aber wir müssen uns damit abfinden, dass das Ihre Vorstellung von Oppositionspolitik ist. Dann ist das eben so.

(Zuruf von den PIRATEN: Dann sagen Sie doch, was Sache ist!)

Recht haben Sie in einem Punkt: Es kann nicht angehen, dass Managementfehler den Steuerzahler belasten. Deswegen hat ein Aufsichtsrat seine Aufsichtspflicht wahrzunehmen. Allerdings hat weder ein Aufsichtsrat noch das Aufsichtsratsmitglied Norbert Walter-Borjans als Finanzminister das operative Geschäft zu übernehmen. Vielmehr ist genau das die Sache des Managements. Das hat das Management zu tun, und daran entscheidet sich, ob sich die Zusammenarbeit in der Gegenwart oder in der Zukunft fortsetzt und wie sie sich gestaltet.

Im Übrigen sollten Sie vielleicht alle noch einmal ins Aktienrecht schauen: Das Aufsichtsratsmitglied Finanzminister hat im Aufsichtsrat nicht die Landesinteressen zu vertreten, sondern die Interessen des Unternehmens. Die Landesinteressen hat er an anderer Stelle zu vertreten, aber nicht im Aufsichtsrat dieses Unternehmens.

Wenn ich Ihnen eines sagen darf – das möchte ich noch hinzufügen zu dem, was ich eben gesagt habe –: Gelegentlich habe ich Einfluss genommen, und da decken sich die Interessen des Vertreters „Finanzminister“ als Eigentümervertreter und Aufsichtsratsmitglied: Ich stehe dazu, dass es mit dem Finanzminister Norbert Walter-Borjans nicht zu machen ist, wenn zwischen zwei Verhandlungspartnern eine Einigung nur möglich wäre, indem man noch einmal das Scheckbuch zückt, um damit die Lücke zu schließen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen noch einmal: Sie wollten Antworten, Sie haben die Antworten bekommen. Es gibt keinen Bonus, keine Abfindung, keine Einmalzahlung. Herr Witzel, Sie wollten wissen, was mit dem Flugbenzin ist; ich solle erklären, dass kein Flugbenzin gebraucht wird. Natürlich wird Flugbenzin gebraucht! Wenn geflogen werden soll, muss auch Flugbenzin her.

Aber es ging ja gerade darum, am Anfang des Verfahrens das Unternehmen so auszustatten, dass das Flugbenzin darin ist, um den Wandel vollziehen zu können. Wir haben immer gesagt, dass wir das aufgefangen haben, was an Wandel nötig war, weil sich Rahmenbedingungen verändert haben. Das hat immer dazu geführt, dass die Strategie angepasst werden musste. Das wird vermutlich auch in Zukunft so sein.

Ich sage Ihnen aber auch noch eines, Herr Witzel – das ist mir vorhin entgangen, als ich schon einmal am Rednerpult gestanden habe –: Was ich auch nicht mit mir machen lasse, ist, dass sich hier jemand hinstellt und behauptet, ich hätte im Fall Hoeneß das Steuergeheimnis immer wieder missachtet und hätte alle Einzelheiten …

(Ralf Witzel [FDP]: Stimmt doch gar nicht! – Gegenruf von Stefan Zimkeit [SPD]: Oh doch!)

– Das können wir ja nachher im Protokoll nachlesen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das sagen Sie hier in dieser Öffentlichkeit nicht, ohne dass ich Ihnen widerspreche und darauf hinweise, dass das eine unverschämte Unterstellung ist, die ich mir nicht bieten lasse.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

– Er hat gesagt, dass ich keine Möglichkeit ausgelassen habe, den Steuerfall Hoeneß in all seinen Einzelheiten aufzublättern, und er hat mir hier gesagt, dass das Steuergeheimnis ja noch gilt, obwohl ich mich immer wieder dazu geäußert habe. Das können wir ja nachlesen. Sie können anschließend versuchen, Ihre Interpretation wieder unter die Menge zu bringen. Ich glaube, es haben genügend Leute gehört, was hier gesagt worden ist.

An die Adresse von Herrn Optendrenk: Ich kann zwischen dicken und dünnen Kartoffeln unterscheiden, und Portigon ist eine dicke Kartoffel. Aber die Art und Weise, wie Sie mit der Sache umgehen und wie Sie versuchen, das alles in einem Ausschuss zu missbrauchen und anschließend auch hier wieder – da handelt es sich um ein Kartöffelchen,

(Zurufe von der CDU)

und da ist die Kartoffel, die wir in Stralsund zu bearbeiten hatten, eine Nummer größer gewesen. Deswegen sage ich Ihnen: Das war eine Entscheidung, zu der ich stehe.

Im Übrigen: Sie nennen es im Haushalts- und Finanzausschuss zwar „Aktuelle Viertelstunde“, aber fragen Sie doch mal erstens, wie lange die Viertelstunde gedauert hat, und zweitens, welche Chancen Sie dann hätten, als Mitgastgeber zu einem auch am ersten Tag wichtigen Termin zu erscheinen. Ich fasse das mal so zusammen: Es ging nicht darum, ob man etwas früher oder eine Viertelstunde später kommt, sondern es ging um Granitz oder gar nichts. Zu der Entscheidung, die ich getroffen habe, stehe ich.

Ich glaube, Sie sollten sich mit dem Thema „Portigon“ weiter beschäftigen. Aber tun Sie es bitte im Sinne des Landeshaushaltes, vermeiden Sie hier Belastungen, und tun Sie es auch um Sorge um die Beschäftigten, die da arbeiten. Aber treiben Sie hier kein Schindluder. Denn das, was Sie daraus machen, und was sich dann in ganz bestimmten Berichterstattungen niederschlägt, ist nicht der erkennbare Versuch, das Ganze zu einem seriösen Ergebnis zu führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Dr. Optendrenk das Wort.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich möchte Ihr Angebot, dass wir auf einer sachlichen Ebene sehr zeitnah die weiteren Fragen im Zusammenhang mit der Portigon vertiefen, gerne annehmen. Ich gehe davon aus, dass wir uns am 22. Mai im HFA auf Antrag unserer Fraktion deshalb auch mit diesem Punkt in Ihrer Anwesenheit ausführlich beschäftigen können.

Herr Minister, wir haben Sorge, dass es Ihnen möglicherweise nicht so ganz klar ist, dass an dieser Stelle und in diesen Wochen die entscheidenden Weichen dafür gestellt werden, dass die PFS ans Fliegen kommt. Wir haben die große Sorge, dass in der Art und Weise, wie sich Ihr Kalender darstellt, möglicherweise Sie als Finanzminister zu wenig Energie und zu wenig persönliches Flugbenzin einsetzen dafür, dass dieser Flug auch stattfinden kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das hat dann ganz wesentlich mit dem Interesse des Steuerzahlers zu tun, nämlich den Schaden für den Steuerzahler zu minimieren, und das hat ganz wesentlich mit dem Interesse der Beschäftigten zu tun, sicher zu sein, dass man bei dem eigenen Eigentümer in guten Händen ist und dass er alles dafür tut, dass die Beschäftigungschancen auf Dauer erhalten bleiben.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja ein Schauspiel!)

Wenn Sie einmal die Frage stellen, wie Sie denn damit umgehen, dann möchte ich Ihnen einen Punkt, der am Rande der Ausschusssitzung auf einmal doch etwas mehr Bedeutung bekam, etwas deutlicher machen. Da könnte vielleicht einer der tieferen Gründe für die Beantwortung der Frage liegen – ohne dass wir das bisher hätten vertiefen können –, wie erfolgreich denn aus Sicht des früheren Vorstandvorsitzenden das Projekt noch gewesen ist.

Auf Seite 13 einer Vorlage von Ihnen zu Punkt 13 der Tagesordnung ist nur angegeben, die Kommission habe auf das Schreiben des Ministers leider erklärt, dass die Gründung einer Auslandstochter oder einer Niederlassung der PFS in Spanien leider nicht genehmigt werden könne.

Dies haben Sie uns irgendwo auf einer hinteren Seite zu einem letzteren Tagesordnungspunkt geschildert. Wir haben in der Ausschusssitzung nachgefragt. Ich habe Sie gebeten, uns das entsprechende Schreiben von Herrn Almunia zur Verfügung zu stellen.

Wir haben auch am 3. April – fast zwei Wochen, nachdem das Schreiben von Herrn Almunia bei Ihnen eingegangen ist – das Thema PFS im Ausschuss behandelt, und Sie haben es nicht angesprochen. Sie haben uns eine wesentliche Frage nach den Chancen des Privatisierungsprozesses, insbesondere was die Aktivitäten in anderen europäischen Ländern angeht, unter diesem Tagesordnungspunkt nicht beantwortet. Insofern haben Sie – natürlich auch jetzt im Nachgang – bei uns den Eindruck erweckt, dass das, was Sie da machen, entweder nicht sorgfältig genug ist oder Sie uns Dinge verschwiegen haben, die vielleicht doch etwas mit dem Abgang mit Herrn Voigtländer zu tun haben.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte einige wenige Bemerkungen zu dem Thema „Ausschussvorbereitungen durch Obleute und Vertraulichkeit“ machen. Wenn wir möchten, dass bestimmte Verabredungen über Verfahren dieses Parlamentes und seiner Arbeitsweise in Zukunft in vernünftiger Weise ablaufen, müssen wir uns die Frage stellen, in welcher Weise wir Gedankenaustausch aus diesen Runden, die organisatorischer Art sind, in die Öffentlichkeit zerren, wenn man sonst keine Argumente mehr hat.

Wir müssen uns ebenfalls die Frage stellen, ob das, was in einem Obleutegespräch auch in der Vergangenheit über die WestLB besprochen worden ist – was gerade an der Schnittstelle zu der Vertraulichkeit liegt, die der Minister angesprochen hat –, wirklich in öffentlicher Sitzung behandelt werden soll. Deshalb kann ein Gespräch zwischen den Obleuten eine Beratung im HFA oder im Plenum des Landtages nicht ersetzen.

Ich komme auf den letzten Punkt zu sprechen, den der Kollege Mostofizadeh ausgeführt hat. Wir haben einen Vorschlag des Vorsitzenden unseres Ausschusses, eine Klausurtagung des HFA zur Beratung des Haushaltsentwurfs 2015 der Landesregierung auf Schloss Krickenbeck durchzuführen – einer Bildungseinrichtung, die nicht teurer als jedes Hotel ist, in dem wir sonst tagen, sondern eher preiswerter.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sie haben gesagt, Frau Brunn hätte das alles etwas anders gemacht.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sagen Sie die Wahrheit, Herr Kollege!)

– Einen Moment, Frau Brunn – und das möchte ich explizit hinzufügen – hat uns seinerzeit 2007 auch zu einer solchen Klausurtagung nach Krickenbeck eingeladen, und zwar zum Arbeiten. Es ging nicht um die Frage, ob der Minister nicht auf Schloss Granitz auch gearbeitet hat …

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Doch! – Zuruf von der SPD: Überhaupt nicht! – Weitere Zurufe)

– Nein, Herr Kollege, es geht exakt um die Frage …

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Es geht exakt um die Frage – und das habe ich eben mit dem Thema große und kleine Kartoffeln zum Ausdruck gebracht –, ob es wichtiger war, an dem Donnerstag zum Besuchsprogramm der FMK zu fahren oder ob es richtig gewesen wäre, hier im Plenum im Landtag zu erscheinen.

(Beifall von der CDU)

Dazu habe ich meine Meinung gesagt. Dabei bleibe ich.

(Anhaltender Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Beratung zu Tagesordnungspunkt 1.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

2   Bundesregierung soll heimliche Steuererhöhungen umgehend zurücknehmen: Steuerzahler durch Abbau der kalten Progression entlasten – Leistungsgerechtigkeit für Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen wiederherstellen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5752

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Kollegen Witzel das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant, was man an dem heutigen Tag in der „Rheinischen Post“ lesen darf, nämlich ein langes Interview mit dem Vorsitzenden der SPD, Sigmar Gabriel, mit der Überschrift „Die kalte Progression ist sozial ungerecht“. Besser hätte Herr Gabriel die Argumentation für seine Kollegen der SPD im Landtag Nordrhein-Westfalen als Tagesauftakt gar nicht intonieren können.

Nur: Was erleben wir beim Thema „kalte Progression“: ausschließlich heiße Luft um die Zukunft der eiskalten Progression. Der Bundesfinanzminister will sie angeblich abschaffen, Bundeskanzlerin Angela Merkel offenbar nicht, die CSU möglicherweise schon, aber ein bisschen später. Bei der SPD gibt es höchst widersprüchliche Auskünfte zu dem Thema – je nachdem, wer gerade mit wem spricht.

Sie haben ein Reformtempo in dieser Diskussion an den Tag gelegt, das eher dem einer Schnecke entspricht. Umgekehrt kann es nicht schnell genug gehen, die Spendierhosen anzuziehen, so in Bezug auf die Rente mit 63 Jahren, die Mütterrente und all die Maßnahmen, die einen vielfachen Milliardenbetrag an Mehrkosten über die nächsten Jahre zulasten der Arbeitnehmerschaft und der Sozialversicherungssysteme zur Folge haben werden als die kalte Progression.

Die Mechanik ist eindeutig: Wenn die Einkommen steigen, wachsen auch die Einnahmen aus der Einkommensteuer. In einem progressiven Steuersystem steigt dabei das Aufkommen der Einkommensteuer überproportional im Vergleich zu den Einkommen. Starke Schultern tragen ohnehin mehr als schwächere Schultern – absolut und prozentual.

Steuerzahler bemerken die Wirkung der kalten Progression vor allem dann, wenn es um eine Anpassung des eigenen Gehalts geht. Steigt der ausgezahlte Bruttolohn in gleichem Maße wie die durchschnittliche Preisentwicklung, kann sich der Steuerzahler von seinem Nettogehalt am Ende weniger leisten. Das, meine Damen und Herren, ist schreiend ungerecht.

(Beifall von der FDP)

Wenn Arbeitnehmer in unserem Land Lohnsteigerungen als Inflationsausgleich erhalten, damit ihr Warenkorb nicht kleiner wird, oder als Leistungsprämie, weil auch sie ihren gerechten Anteil am Aufschwung und an dem bekommen sollen, was sie selbst erarbeitet haben, darf das durch den Effekt der kalten Progression nicht zerstört werden. Denn ein wachsender Teil des zusätzlichen Lohns wandert bei Ihrem heutigen System an den Staat. Auf diese Weise steigt das Einkommensteueraufkommen bereits bei real konstanten, also inflationsbereinigten Löhnen und Gehältern, überproportional an.

Diese Ungerechtigkeit gilt es, nun zu beseitigen. Das sagt nicht nur der Präsident des Bundes der Steuerzahler Reiner Holznagel. Das sagen nicht nur die Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Jahresgutachten 2014 mit dem Zitat: „Eine Korrektur des Tarifs ist mittlerweile überfällig“. Das sagt DGB-Chef Reiner Hoffmann. Das sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel, wie gerade dargestellt, der sich jetzt Sorgen macht, dass die SPD ihr Ansehen in der Arbeitnehmerschaft völlig ruiniert. Und das sagt auch Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit dem Zitat:

„Der Staat erhält über die kalte Progression Steuergelder, die eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern zustehen. Dieses Geld müssen wir ihnen wieder zurückgeben.“

Wo der Mann recht hat, hat er recht. Aber er muss jetzt handeln. Taten statt Worte sind gefragt.

(Beifall von der FDP)

Die Erkenntnisse, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind nicht neu – die kann man ja dem Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb aus dem Jahr 2012 entnehmen – mit den beiden Zielen: Grundfreibetrag anheben und Tarifverlauf anpassen. Beides beseitigt nur diesen Effekt. Wir haben Lösungen für die Abmilderung von potenziellen Steuerausfällen für die Länder angeboten. Das wissen Sie auch, Herr Dr. Walter-Borjans.

Was ist das Resultat des Vermittlungsausschusses? – Die Anpassung des Grundfreibetrages, die die Länder im Wesentlichen das Geld kostet, machen Sie mit. Aber da, wo der Bundesfinanzminister Ihnen in der letzten Legislatur für eine Anpassung des Tarifverlaufs Kompensationen auf Länderseite angeboten hat, da wird das eben gerade nicht verabredet.

Je nachdem, wie man rechnet, ob man den Gesamteffekt des Jahres 2010 nimmt oder erst bei 2014 anfängt zu rechnen, haben wir nach Rechnung des Bundesfinanzministers ein Volumen von entweder 28 Milliarden € oder seit dem letzten Anpassungszeitpunkt 2010 von über 55 Milliarden €, die hier den Arbeitnehmern fehlen.

Unser Motto ist: Leistung muss sich lohnen! Menschen, die mehr Geld verdienen, die sich beruflich entwickeln, die Inflationsausgleich kriegen, dürfen das, was sie sich da selber erstritten oder hart erarbeitet haben, nicht vom Staat auf dem anderen Wege wieder kalt aus der Tasche gezogen bekommen.

Deshalb: Sorgen Sie jetzt dafür, dass wir beim Thema der eiskalten Progression nicht nur heiße Luft haben. Wir müssen diese Ungerechtigkeit im Steuersystem abschaffen – im Interesse der Arbeitnehmer und im Interesse von mehr Leistungsgerechtigkeit in unserem Land!

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Zimkeit.

Stefan Zimkeit (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Witzel, das war ja beeindruckend vorgetragen. Nur: Wer war es denn, der eine Anpassung bei der kalten Progression verhindert hat? – Das war die FDP.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von der FDP)

Der Vorschlag der SPD und anderer lag auf dem Tisch, die kalte Progression abzumildern und dies durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes gegenzufinanzieren, gerecht und solide.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben das verhindert.

Das zeigt doch, um was es Ihnen dabei geht. Ihnen geht es wieder mal um die politische Schlagzeile, aber bestimmt nicht um die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Man merkt ja auch an den Bemerkungen: Es ist Wahlkampf. Es ist ja bekannt, dass die FDP im Wahlkampf ihre bisherigen Positionen gerne mal über Bord schmeißt und das Gegenteil dessen behauptet, was sie noch vor Kurzem behauptet hat. Die FDP auf Bundesebene, die FDP im NRW-Landtagswahlkampf und Herr Witzel in jeder Sitzung des HFA verkünden immer: Die Priorität muss auf dem Schuldenabbau liegen. – Herr Witzel nennt als Dogma im HFA immer wieder den Satz: Zusätzliche Finanzeinnahmen müssen zum Schuldenabbau genutzt werden.

Jetzt stellt er sich hin – ich zitiere ich Sie – mit den Spendierhosen und will Wahlkampfgeschenke verteilen. – Das ist eine nicht stringente Politik.

Ja, es gibt Ungerechtigkeiten im Steuersystem. Lassen Sie uns darüber diskutieren! Lassen Sie uns die anpassen! Was ist mit der ungerechten Vermögensverteilung im Land? Was ist mit der ungerechten Abgeltungsteuer, die Besserverdiener bevorteilt? Was ist mit den Kosten der Bankenrettung, an denen sich die Banken nicht beteiligen? Was ist mit der zu geringen Steuerbelastung für Großverdiener? Was ist mit der fehlenden Besteuerung großer Erbschaften? – Das sind alles wichtige Themen im Bereich der Steuergerechtigkeit, die angepackt werden müssen. Aus populistischen Gründen beschränkt sich die FDP wieder mal auf einen Punkt.

Da muss man doch wirklich deutlich machen: Wem nutzt es? – Jemand, dessen Einkommen im Jahr 10.000 € beträgt, profitiert von Ihren Vorschlägen im Umfang von 2,70 € im Monat. Jemand mit 250.00  € Einkommen hat 25 € im Monat.

Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund, dass Sie eine Refinanzierung durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes abgelehnt haben, zu sagen, Sie wollen hier was für Geringverdiener tun, ist schlicht und einfach absurd.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn sich die FDP dann plötzlich als Kronzeugen den DGB nimmt, dann gucken Sie sich das Steuerkonzept des DGB doch mal an: Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Einführung der Vermögensteuer, eine höhere Erbschaftsteuer, Finanztransaktionssteuer. – Das sind gute Vorschläge. Wann kommt denn der FDP-Antrag, diese Teile des DGB-Gesamtkonzeptes im Bundesrat einzubringen? Darauf werden wir wohl vergeblich warten. Das zeigt doch deutlich, in welche Richtung es läuft.

Wir bleiben dabei, dass es nicht darum gehen kann, im Wahlkampf die Spendierhosen anzuziehen, sondern dass es darum gehen muss, im Interesse des Landes und insbesondere der Kommunen in NRW zu handeln.

Wir hätten riesige Steuerausfälle in NRW bis zu 500 Millionen € im Jahr. Wir hätten eine Belastung der Kommunen in NRW von 90 Millionen €. Die Kommunen profitieren nicht von den höheren Steuereinnahmen, die jetzt prognostiziert werden.

Vor diesem Hintergrund wollen Sie Ihre Steuergeschenke zulasten der Kommunen finanzieren. Sie wollen Ihre Steuergeschenke finanzieren, indem Sie für die Schließung von Hallenbädern und von Bibliotheken sind. Das werden wir so nicht mitmachen.

(Beifall von der SPD)

Aus unserer Sicht braucht es ein finanzpolitisches Gesamtkonzept für mehr Steuergerechtigkeit, die angemessen alle Einkommensarten einbezieht, eine Finanzausstattung, die es sowohl Ländern als auch Kommunen ermöglicht, in die Zukunft zu investieren, in Infrastruktur, in Bildung, und eine solide Finanzpolitik, die den Schuldenabbau im Blick behält. All das wird von diesem vorliegenden Antrag ausgeblendet.

In einem solchen Gesamtkonzept ist es auch notwendig und richtig, über die Frage der kalten Progression zu reden. Aber sich ausschließlich auf diesen Punkt zu beschränken, ist populistisch und ist nicht im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und erst recht nicht im Interesse der Kommunen und des Landes Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Dr. Optendrenk.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Steuerschätzung, die zeitgleich zur Finanzministerkonferenz stattfand, sagt 19,3 Milliarden € zusätzliche Einnahmen des Staates bis 2018 voraus. Allein für das Jahr 2018 sollen es 3,2 Milliarden € sein: Also für alle, die einen Haushalt zu verwalten haben, ein Grund der Freude. Auch NRW erwartet einen zusätzlichen, vermutlich und hoffentlich bisher unter Soliditätsgesichtspunkten nicht eingeplanten zusätzlichen Geldsegen. Vorsichtig geschätzt werden es zwischen 2014 und 2018 etwa 1,8 Milliarden € mehr sein.

Das zeigt erneut, wir haben in Nordrhein-Westfalen, wir haben bundesweit kein Einnahmenproblem; wir haben ein Ausgabenproblem.

(Beifall von der CDU)

Die Steuereinnahmen steigen jedes Jahr stärker als das Wirtschaftswachstum. 1990 – dem Jahr der Wiedervereinigung – hatten wir in Nordrhein-West-falen Steuereinnahmen von 27 Milliarden €. 2018 werden es nach der Prognose der Steuerschätzer gut 54 Milliarden € sein, also doppelt so viel. In der Bundesrepublik werden es 740 Milliarden € sein. Das sind 100 Milliarden € mehr als noch 2014.

Wer angesichts solcher Zahlen behauptet, der Staat könne nicht genug in Bildung, Infrastruktur oder Zukunftstechnologien investieren, der verdrängt die Wirklichkeit

(Zuruf von der SPD: Sie verdrängen die Wirklichkeit!)

oder versteht die Grundrechenarten nicht. Die Bürgerinnen und Bürger wissen ganz genau, dass wir kein Einnahmenproblem haben und dass wir immer noch viel zu viel neue Schulden machen und jeden Tag über 10 Millionen € nur für Zinsen zahlen. Deshalb ist dieses Leben auf Pump, das wir veranstalten, ein Riesenproblem für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

(Beifall von der CDU)

Das noch mit der Behauptung zu kombinieren, das würde man alles für Zukunftsinvestitionen ausgeben müssen, und deshalb seien diese Schulden gute Schulden, ist eine Mogelpackung der ganz besonderen Art. Deshalb gehören eine Begrenzung und ein Abbau der Neuverschuldung, eine Tilgung von Schulden und eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bei Steuern zusammen. Es ist ein Zeichen von ganz besonderer Entscheidungsunwilligkeit und ?fähigkeit dieser Regierung seit 2010, den Steuerzahler die Nichtveränderung von Strukturen und das Unterlassen von Aufgabenkritik bezahlen zu lassen. Das ist dann rot-grüne Sozialdialektik.

Herr Finanzminister, Sie werden an diesem Rednerpult noch viel öfter über zu kurze Finanzdecken klagen können, wenn draußen längst Hochsommer ist. Das bringt nichts, wenn Sie als rot-grüne Landesregierung Ihre Politik, Ihre Art, dieses Land zu führen, nicht verändern. Es kann gar keine hinreichend lange Decke geben, wenn man sich nicht anstrengt und sich nicht wie alle anderen dem Wettbewerb stellt, sondern immer nur jammert.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Kollege Zimkeit hat seinen Bundesvorsitzenden Gabriel offensichtlich auch nicht so ganz verstanden,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Och! – Christian Lindner [FDP]: Offensichtlich!)

der andeutet, die Blockade gegen die Abschaffung der kalten Progression aufzugeben. Wenn Sie dann zur Aufgabe der Blockade bereit sind, ohne sie immer mit dem Mantra „Aber dann müssen andere mehr Steuern zahlen, weil wir zu wenig Steuern haben“ zu verbinden – das ist Quark, wie wir eben gesehen haben –, ist das vielleicht ein Punkt, an dem wir auch mit diesem FDP-Antrag wirklich ernsthaft gemeinsam umgehen könnten.

Deshalb ist es gut, wenn der Antrag in den Ausschuss überwiesen wird, um darüber nachzudenken, in welchen Schritten man denn tatsächlich verantwortlich unter Nutzung von Spielräumen, die uns diese Steuerschätzung gerade aufseiten des Landes Nordrhein-Westfalen geben könnte, in einen Dialog kommen könnte und wie diese Schritte aussehen könnten.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich bin gespannt, ob Sie das, was Herr Gabriel angedeutet hat, auch hier im Landtag Nordrhein-Westfalen umsetzen wollen. Ich kann nur sagen, die finanzpolitischen Sprecher der CDU-Landtags-fraktion haben dazu gesagt: Wir schaffen es auch nicht sofort. Aber wir wollen schrittweise vorgehen. – Deshalb ist das Grundanliegen richtig. Herr Gabriel sagt es auch, Herr Zimkeit sieht es offensichtlich anders.

Ich will Ihnen abschließend noch ein kurzes Beispiel nennen, wie die kalte Progression wirkt. Wenn Sie 2009 ein nominales Einkommen von 24.000 € hatten und anders als die Beamten in Nordrhein-Westfalen jedes Jahr 2 % mehr verdient hätten, blieben Ihnen von diesen 2 % netto nur 1,44 % mehr im Portemonnaie. Das ist der Effekt der kalten Progression. Davon müssen Sie auch noch die Preissteigerung finanzieren. Das Finanzamt hat durch die kalte Progression prozentual mehr verdient als der Steuerzahler. Das ist weder fair noch motivierend. Deshalb treten wir dafür ein, das zu ändern.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das war neu! Das müssen Sie noch mal nachrechnen!)

Ich bin sehr gespannt, ob wir darüber reden können, das, was in den Kassen des Staates ist, zu nutzen, um diesen unfairen Weg zu beenden, ohne zu sagen: Andere sollen mehr bezahlen. – Der Staat soll mit dem Geld der Bürger auskommen und sich nicht im Wettbewerb der Steuererfindung und der Finanzierung durch Steuererhöhungen überbieten.

Herr Zimkeit, das ist ein Armutszeugnis. Ihre Rhetorik ist auch seit 2010 unverändert. Denken Sie mal über einen neuen Redebaustein nach!

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sagt der Richtige!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Optendrenk, vielleicht gucken Sie öfter mal Nachrichten, damit Ihnen auffällt, dass in Berlin CDU und SPD regieren. Wenn ich den Antrag richtig lese – ich hoffe, das richtige Exemplar bekommen zu haben –, steht darin, die Bundesregierung wird aufgefordert, für die kalte Progression einen Ausgleich zu schaffen, sie abzubauen und das künftig immer wieder zu tun. Warum Sie jetzt Herrn Zimkeit anjammern, dass das nicht gemacht wird, ist mir ein bisschen unklar.

Rufen Sie Frau Merkel an oder vielleicht auch Herrn Kampeter, wenn Sie bei Merkel nicht durchkommen, und machen Sie den Vorschlag, Sie hätten sich zusammengesetzt und seien der Auffassung, man könnte die kalte Progression abschaffen. Das wäre alles kein Problem und kostete eigentlich nichts. – Das ist wieder Methode CDU: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. – Und dann setzen wir das im Bund durch. Dass die CDU, die seit 2005 regiert, jetzt andere anjammert, dass die kalte Progression nicht abgeschafft wird, finde ich einigermaßen lächerlich, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zum Stichwort „Spendierhosen“ kann ich Herrn Kollegen Zimkeit nur ausdrücklich zustimmen. Man muss sich schon fragen, wie das finanziert wird. Sie legen sich fest, 730 Millionen € bei der Besoldung drauflegen zu wollen. Sie legen sich fest, 450 Millionen € bei der Grunderwerbsteuer gegenfinanzieren zu wollen. Sie legen sich fest, 150 Millionen € bei dem Förderprogramm gegenfinanzieren zu wollen. Sie finden den Soli nicht in Ordnung. 90 Millionen € kostet die Gegenfinanzierung, 250 Millionen € Ihre bisherigen Wünsche bei der Inklusion. Kalte Progression: letzte Schätzung, 350 Millionen €.

Wenn wir einmal weiter rechnen – das haben Sie eben auch ausdrücklich gemacht, das fordert auch der FDP-Antrag –, dann sind wir 2017 schon bei 700 Millionen € für Nordrhein-Westfalen. Die fehlen in der Kasse.

Natürlich kann man das gegenfinanzieren, natürlich kann man den Spitzensteuersatz anheben. Aber das muss man dann auch dazusagen, Herr Kollege. Dann müssen Sie nämlich den Spitzenverdienern sagen: Wir, CDU, sind der Auffassung, dass 42 % nicht ausreichen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Wir haben die Schuldenbremse in der Verfassung, Herr Kollege Witzel, oder? Da sind wir uns doch einig. Und die Schuldenbremse muss eingehalten werden. Also muss man beide Tatbestände gegenrechnen.

Was ich schon amüsant finde, Herr Kollege Dr. Optendrenk, ist, dass Sie jetzt die prognostizierten Steuermehreinnahmen aufgrund der jetzt ergangenen Mai-Steuerschätzung schon wieder dreimal verfrühstücken. Das halte ich für einen, der sich immer hier hinstellt und predigt „wir müssen aber den Haushalt noch viel, viel schneller ausgleichen“, einigermaßen beeindruckend.

Ich kann für die grüne Fraktion nur sagen: Herr Kollege Witzel, ich finde es auch nicht in Ordnung, dass Sie die Rente mit 63 machen, dass Sie die Mütterrente einführen, ohne gegenzufinanzieren. Anders herum kann ich Ihnen sagen: Mir sind diese Punkte dreimal lieber als die Verschonung der Vermögenden, wie Sie es seit Jahrzehnten in dieser Bundesrepublik Deutschland vortragen.

(Beifall von den GRÜNEN und Stefan Zimkeit [SPD])

Zu einem soliden Finanzminister gehört auch dazu, zu fragen: Wo kommt die Kohle denn her bzw. wie finanziere ich es um? Da bleiben Sie jede Antwort schuldig, Herr Kollege Witzel und Herr Kollege Dr.  Optendrenk.

Aber eines möchte ich auch noch einmal sagen: Warum verhalten Sie sich nicht zu dem Antrag, Herr Kollege Dr. Optendrenk? Sie sind in der Bundesregierung, und zwar seit mittlerweile fast neun Jahren. Dann machen Sie doch etwas! Dann setzen Sie es durch. Sie haben im Bundesrat alle Möglichkeiten. Sie können auch nicht sagen, Rot-Grün

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

will jetzt den Sturz der Bundesregierung im Bundesrat herbeiführen. Es ist ein lächerliches Schauspiel, das Sie hier aufführen. Herr Kollege Witzel, dass die FDP mangels …

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Herr Kollege, wir hatten einen klaren Vorschlag im Bundesrat auf dem Tisch liegen. Die FDP wollte keine Gegenfinanzierung bei den Besserverdienenden mitmachen,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

weil sie Ihre Klientel schützen wollte. Mittlerweile stellt sich heraus, dass diese Klientel bei 2 bis 3 % liegt.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Sie hätten damals die kalte Progression abschaffen können, aber in einem Konzept, das die Bundesländer und eben auch die Kommunen geschont hätte.

Wenn Sie – Herr Kollege Abruszat ist im Raum – immer sagen, wer bestellt, bezahlt, und Sie einem solchen Konzept folgen wollen, müssen Sie uns, wenn Sie diese Nummer bestellen, schon mitteilen, wer es bezahlt, und dürfen sich nicht billig vom Acker machen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lindner zulassen?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Von wem?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vom Kollegen Lindner.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Eigentlich nicht. – Na ja, bitte schön.

Christian Lindner (FDP): Niemand soll Herrn Mostofizadeh zwingen, Zwischenfragen zu beantworten. Trotzdem vielen Dank, dass Sie es gestatten.

Herr Kollege, sind Sie erstens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der damalige Vorschlag der schwarz-gelb getragenen Bundesregierung Nordrhein-Westfalen von Einnahmeausfällen durch die Dämpfung der kalten Progression freigestellt hätte,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Stimmt ja nicht!)

weil Herr Schäuble seinerzeit eine Kompensation bei der Umsatzsteuerverteilung vorgeschlagen hat? – Das stimmt.

Zweitens: Sind Sie bereit, außerdem zur Kenntnis zu nehmen, dass der SPD-Bundesvorsitzende und Vizekanzler Gabriel inzwischen ebenfalls darauf verzichten will, kompensatorisch beispielsweise den Spitzensteuersatz zu erhöhen, um die kalte Progression zu dämpfen, insoweit die SDP die ideologische Geiselhaft, in die Geringverdiener genommen worden sind, aufgehoben hat?

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ich habe es relativ einfach, Herr Kollege Lindner. Was die SPD mit Geiselhaft etc. zu tun hat, möge bitte der Finanzminister gleich erklären. Ich werde auch nur den ersten Teil Ihrer Frage beantworten. – Ich bin der Auffassung, dass das, was der Finanzminister letzte Woche gesagt hat, richtig ist, dass man, wenn man die kalte Progression abflachen will, eine Gegenfinanzierung machen will.

Im Übrigen, Herr Kollege Witzel, möchte ich in dem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass wir schon Grenzsteuersätze haben und dass wir eine Progressionslinie haben. Sie haben versucht zu suggerieren, dass, wenn man mehr Geld bekommt, man weniger zur Verfügung hätte. Das ist schlicht falsch. Die Frage ist, ob der Durchschnittssteuersatz ansteigt oder nicht. Aber natürlich bleibt mehr übrig, weil die Steuer ein Prozentsatz von einem Mehr ist.

Jetzt zu der Frage eins, Herr Lindner, die mich am meisten interessiert. – Nein, Herr Dr. Schäuble, hat kein Konzept vorgelegt, das Nordrhein-Westfalen von Einnahmeausfällen freigestellt hätte. Er hat sehr wohl einen höheren Anteil angeboten. Aber das Konzept war nicht gegenfinanziert. Deswegen war es richtig, im Bundesrat dieses Konzept so nicht durchzuwinken.

Aber wir haben einen anderen Vorschlag gemacht, den Herr Dr. Schäuble und die schwarz-gelbe Bundesregierung damals hätten annehmen können. Das haben Sie ausdrücklich nicht gewollt, weil Sie sich von einem Nein parteipolitisch davon etwas versprochen haben, was außerordentlich in die Hose gegangen ist, was ich ausdrücklich begrüße, was zumindest den Teil für die FDP anbetrifft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Antrag der FDP kann man auch überschreiben mit den Worten „Im Westen nichts Neues“. Sie frischen die alten Kamellen immer wieder auf, aber sagen nie, wie gegenfinanziert werden soll. Insofern lehnen wir diesen Vorschlag, so wie er jetzt ist, ab. Wir halten es aber durchaus für richtig, darüber zu reden – deswegen stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss auch zu –, wie man das Steuersystem gerechter machen kann. Dabei wird die FDP aller Voraussicht nach allerdings nur wenig hilfreich sein können.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Abgeordnete Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Die Sache ist relativ einfach. Der Antrag wird in den Ausschuss überwiesen. Er soll nicht direkt abgestimmt werden, sodass die FDP – das möchte ich einmal aufgreifen – wohl hier und heute keine Wahlgeschenke wird verteilen können.

Von daher begrüßen wir vonseiten der Piratenfraktion natürlich, dass das im Ausschuss einmal beraten wird. Denn in der Tat: Das, was Herr Gabriel der Presse gegenüber geäußert hat, dass die kalte Progression sozial ungerecht ist, steht wohl außer Frage. Das wird seit Jahr und Tag diskutiert und moniert. Insofern kann man auch den Antrag der FDP begrüßen, weil man darüber einmal diskutieren sollte.

Ja, ich greife das Argument von Herrn Zimkeit auf, der sagt: Wir brauchen ein finanzpolitisches Gesamtkonzept. In Deutschland hört man seit 30 Jahren, dass da mal irgendetwas geschehen soll. Bis heute geschieht nichts. Es wird immer rumgewerkelt und rumgefrickelt an irgendwelchen kleineren und größeren Stellschrauben. Das hier ist auch so eine Geschichte.

Allerdings muss man sagen: Von der kalten Progression werden die sogenannten mittelhohen Einkommen erfasst – also alles das, was jenseits von 8.354 € an jährlich zu versteuerndem Einkommen liegt. Dieser Betrag stellt das Existenzminimum dar. Sie reicht dann bis 52.882 € an jährlich zu versteuerndem Einkommen. Alles, was darüber hinausgeht, wird fix besteuert: 42 % plus Solidaritätszuschlag. Jenseits von 52.882 € schlägt die kalte Progression nicht zu.

Wir reden also hier von Einkommenssituationen, die, wie ich denke, nahe 80 bis 90 % der Bevölkerung betreffen. Das ist in der Tat ein Punkt, den wir auch einmal in einem nordrhein-westfälischen Ausschuss besprechen können und sollten. Gleichwohl wird die Angelegenheit nicht in Nordrhein-Westfalen geklärt werden. Deshalb zielt der Antrag auch darauf hin, dass die Landesregierung aufgefordert werden möge, im Bundesrat eine Gesetzinitiative einzubringen.

Auch ich bin der Meinung – das kam hier schon zur Sprache –, dass vonseiten der SPD- und CDU-geführten Bundesregierung vielleicht einmal ein Vorstoß im Hinblick auf das finanzpolitische Gesamtkonzept gewagt werden sollte. Ob das allerdings in dieser Legislaturperiode passieren wird, wage ich zu bezweifeln; denn die Auffassungen bezüglich der einzelnen Punkte des Steuerkonzeptes sind sicherlich zu unterschiedlich.

Ich denke auch, dass wir im Landtag Nordrhein-Westfalen nicht zu einer einheitlichen Linie kommen werden. Wir brauchen gar nicht darüber zu diskutieren, ob und inwieweit jetzt die Steuermehreinnahmen ausreichen oder nicht. Fakt ist jedenfalls, dass Nordrhein-Westfalen selbstverständlich von Steuereinnahmen im Bund abhängig ist. Das, wovon wir hier reden – auch die Steuereinnahmen, die über die kalte Progression hereinkommen –, sind Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen, die vom Bund abgeleitet werden.

Deshalb wird man sich Gedanken darüber machen müssen, wie eine Kompensation dieser dann durch den Wegfall der kalten Progression eintretenden Mindereinnahme stattfinden werden soll. Ob das möglicherweise durch Anheben des Spitzensteuersatzes, Wiedereinführung der Vermögensteuer oder Anheben der – das wird immer wieder, auch vonseiten der SPD, gefordert – Reichensteuer geschieht – jenseits von 250.000 € muss ein geringfügig höherer Steuersatz gezahlt werden –, wird diskutiert werden müssen.

Wir können das aber nicht im Haushalts- und Finanzausschuss des Landes Nordrhein-Westfalen diskutieren. Ich denke, da haben wir eine andere Bühne im Bund zu bespielen. Wir Piraten können das momentan leider nur im Hintergrund und nicht im Bundestag. Die FDP teilt im Moment jedenfalls das gleiche Schicksal wie wir. Deswegen haben wir vonseiten der Piratenfraktion durchaus Verständnis für diesen Antrag und freuen uns auf die Beratung der Frage des Abbaus der kalten Progression im Haushalts- und Finanzausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Nun spricht der fraktionslose Abgeordnete Stein. Bitte schön, Herr Kollege Stein.

Robert Stein (fraktionslos): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und zu Hause! Die Diskussion um die kalte Progression ist nicht neu. Neu ist allerdings der Bruch zwischen dem nordrhein-westfälischen Finanzminister und Sigmar Gabriel. Sigmar Gabriel – das haben wir gerade schon in den Vorreden gehört – hat jüngst erklärt, er könne sich vorstellen, die kalte Progression auch ohne Steuerhöhungen abzubauen. So hat er sich beispielsweise in der „FAZ“ am 6. Mai geäußert.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Dr. Walter-Borjans hingegen widersprach am 08.05. gegenüber der „WAZ“ dem Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler, indem er sagte, das Plus sei nicht so hoch, um gleichzeitig Schulden abzubauen und Steuern zu senken. Dazu kommen aus anderen Ecken der Partei noch Murren und eher zweifelhafte Vorschläge wie eine Sonderabgabe für Autofahrer.

Heute Morgen konnte man dann noch den neu gewählten Vorsitzenden des DGB, Herrn Reiner Hoffmann, auf „Deutschlandfunk“ hören. Er sagte dort, er habe mit vielen Bundestagsabgeordneten der SPD gesprochen. Auch diese hätten den Abbau der kalten Progression – und zwar ohne Gegenfinanzierung – für gut gehalten. Woraufhin der Moderator erwiderte, er habe wiederum mit vielen SPD-Bundestagsabgeordneten gesprochen, die den Abbau der kalten Progression ohne Gegenfinanzierung nicht gutheißen.

Wir sehen also: In der SPD wird anscheinend gestritten. Dabei sollte eine sozial ausgerichtete Partei ein großes Interesse am Abbau der kalten Progression haben, da diese insbesondere die niedrigen und mittleren Einkommen belastet.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Wer heute eine Lohnerhöhung in Höhe der Inflationsrate erhält, hat aufgrund der kalten Progression bzw. der Inflation in der Regel real weniger als vorher in der Tasche.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Natürlich! Wenn Sie die Inflation mit einbeziehen, ist das so. Das habe ich auch gesagt. Hören Sie zu! – Diese kalte Progression im engeren Sinne will der Finanzminister aber offensichtlich nicht abbauen. Er will diese versteckte Steuererhöhung beibehalten. Das in Zeiten, in denen quasi jeden Monat aufs Neue eine Rekordsteuereinnahme die nächste jagt.

Auf „wdr.de“ konnten wir am 08.05. nachlesen, dass Bund, Länder und Kommunen allein bis 2018 mit fast 20 Milliarden € an Steuermehreinnahmen rechnen können. Das sind, gemittelt, jährlich rund 4 Milliarden €. Doch der nordrhein-westfälische Finanzminister lehnt Entlastungen für die Bürger aus rein ideologischen Gründen ab. Ich behaupte: Er ist nicht nur nicht fähig, Schulden abzubauen und zu sparen, nein, der notwendige Wille fehlt ganz deutlich. Sein Effizienzteam ist ja nicht durch Zufall gescheitert.

Nun will er doch eben über die Hintertür an das wohlverdiente Geld der Bürgerinnen und Bürger. Er weiß, direkte Steuererhöhungen sind unpopulär. Also wird es indirekt über die kalte Progression mitgenommen. Ich finde, dass das gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nicht fair ist. Sie sollten den Bürgern ganz offen sagen, dass Sie auf Mehreinnahmen setzen und nicht mit den gegebenen Mitteln auskommen können. Ich finde, da haben Sie einfach ein Manko. Sie sollten lernen, mit diesen Rekordsteuereinnahmen endlich auszukommen, anstatt die Hand immer weiter aufzuhalten. – Danke sehr.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Stein. – Nun spricht für die Landesregierung der Finanzminister, Herr Dr. Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Offenheit von Herrn Schulz ist frappierend. Er sagt wenigstens, wie es ist: Dieses Thema, das hier auf der Tagesordnung steht, muss deswegen behandelt werden, weil man keine Gelegenheit hat, das im Bundestag zu tun. Es wäre schön, wenn sich die FDP dazu durchringen würde, zu sagen: Der Grund, weswegen man hier einen Ersatzschauplatz braucht, ist, dass der Bundestag nicht zur Verfügung steht.

(Beifall von der SPD)

Es ist gleichwohl – wenn der richtige Akzent gesetzt wird – überhaupt keine Frage, dass man über dieses Thema auch in einem Landtag beraten kann und muss; denn am Ende betrifft das ganz erheblich auch den Landeshaushalt.

Mehrausgaben und Mindereinnahmen haben nun einmal gemeinsam, dass sie Geld kosten und die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben vergrößern und die Konsolidierung erschweren.

Zwar sieht es die FDP immer wieder anders, aber wir wie auch die Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne wissen: Es gibt auch Mehrausgaben, die Sinn machen und notwendig wären, über die wir zum Beispiel Straßen reparieren und Bildung verbessern könnten. Wir müssen aber feststellen: Zurzeit ist das nicht machbar, wenn es keine Gegenfinanzierung gibt.

Genauso gibt es wünschenswerte Korrekturen bei den Einnahmen, auch solchen, die wir als ein Gebot der Gerechtigkeit empfinden würden. Voraussetzung ist aber eine Antwort auf die Frage: Wer zahlt die Rechnung?

Wer dafür eintritt, dass man eine Antwort auf die Frage bekommt, wie das finanziert wird, der muss Vorschläge machen. Der Fehler des schwarz-gelben Vorschlags der früheren Bundesregierung war, den Menschen die Illusion zu vermitteln, man könne sie entlasten, es gebe genügend Möglichkeiten, das zu bezahlen, ohne dass neue Lücken auftreten und die Menschen auf etwas verzichten müssen.

Dazu kann ich nur sagen: Die Menschen im Land wissen es besser. Sie wissen, dass – wenn man auf Einnahmen verzichtet – an anderer Stelle das Geld fehlt. Deswegen hat in einer Umfrage in der vergangenen Woche die ganz große Mehrheit der Menschen gesagt: Wenn es über Steuern Mehreinnahmen gibt, möchten wir, dass die Schulden zurückgeführt und wichtige Aufgaben des Staates erledigt werden, bevor darüber nachgedacht wird, wo Steuern gesenkt werden.

Wir haben heute schon so viel über die Finanzministerkonferenz in Stralsund und auf Schloss Granitz gesprochen. Genau dort hat mich die Nachricht ereilt, dass die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister angesichts der doch sehr revidierten Steuerschätzung gesagt haben, dass es einen Spielraum für die Absenkung der kalten Progression bzw. der inflationsbedingten Progression eben nicht gebe. Ich finde es interessant, dass Herr Optendrenk darauf gar nicht hingewiesen hat.

Noch einmal: Ich bin nicht gegen den Abbau dieser inflationsbedingten Progression, bei der dann – wenn man einen Prozentsatz X mehr verdient – etwas mehr als X Prozent an Steuern abgezogen wird.

Aber dann stellt sich sofort wieder die Frage: Woher kommt die Gegenfinanzierung? – Man muss sich fragen: Was haben wir mitgemacht? Was haben wir nicht mitgemacht? – Herr Witzel hat die Frage gestellt: Wieso machen Sie beim Grundfreibetrag mit, aber bei den anderen Themen nicht?

Antwort: Der Grundfreibetrag, der das Existenzminimum steuerfrei stellt, leitet sich aus einem verfassungsrechtlichen Auftrag ab, der erfüllt werden muss. Ich will Ihnen einmal sagen, was das gekostet und bewirkt hat:

Die Erhöhung des Grundfreibetrags auf rund 8.300 € hat genau den Teil der Menschen, die dann steuerfrei gestellt wurden, um 10 bis15 Millionen € entlastet. Er hat gleichzeitig zu Steuermindereinnahmen von 2,6 Milliarden € geführt. 2,59 Milliarden € entlasten überhaupt nicht die, für die der Grundfreibetrag erhöht worden ist.

Sondern alle in den darüber liegenden Einkommensgruppen haben davon nicht nur genauso, sondern sogar mehr profitiert als die Gruppe, um die es laut Etikett ging. Das war das Ergebnis.

Auch dazu sage ich noch einmal: Das ist in Ordnung, weil damit schon ein Teil der kalten Progression abgebaut worden ist. Es sind dann nämlich jeweils alle darüber liegenden schon ein Stück weit, nämlich um 2,59 Milliarden €, entlastet worden.

Jetzt kommt die Frage, was man als Nächstes hätte tun können. Es gab zwei Vorschläge: Man verschiebt um 300 € alle weiteren Tarifeckwerte. Das hätte noch einmal 2 Milliarden € gekostet. Oder man macht es sogar gestreckt für die höheren noch ein bisschen mehr. – Genau das war der Teil, bei dem der Bundesfinanzminister gesagt hat: Das würde ich auf meine Kappe nehmen! – Er hat nicht die 2 Milliarden € kalten Progressionsabbau, der wirklich den unteren Teil betroffen hätte, gemeint, sondern er hat uns ködern wollen, noch etwas für die Hochverdienenden zu tun, für weitere 2 Milliarden €, um dann zu sagen: Ich übernehme diesen Teil!

Das haben wir nicht mitgemacht. Aus diesem Grunde ist das damals gescheitert. Ich sage deshalb auch heute: Wir können über den Abbau der kalten Progression reden. Man muss dann fragen, woher die Gegenfinanzierung kommt.

Eine mögliche Antwort ist im Übrigen heute in einem Artikel in der „Rheinischen Post“ genannt worden: Man kann über die Frage reden, warum es so ist, dass Einkommensmillionäre den größten Anteil ihres Einkommens aus Kapitalanlagen haben und dafür 25 % Steuern zahlen. An solche Fragen muss man sich dann heranwagen.

Ich glaube nicht, dass hier oben jemand sitzt, der jedes Jahr Millioneneinkommen hat, weil man ihm Aktienpakete oder andere Kapitalanlagen zur Verfügung stellt, und der dann mit 25 % davonkommt.

Das halte ich für ungerecht. Wenn wir aber „Gerechtigkeit“ als Paket nehmen, haben wir einen Teil, in dem wir etwas senken können, während wir in dem anderen Teil etwas nach oben korrigieren. Wir haben nämlich kein Ausgabenproblem – Nordrhein-Westfalen hat die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben unter allen Ländern –, sondern wir haben ein Verteilungsproblem. Wir müssen darüber reden, wie wir die Einnahmen, auf die wir auf der einen Seite verzichten wollen, auf der anderen Seite wieder hereinholen. Wenn wir das schaffen, kann man auch an die Frage der kalten Progression herangehen. Dann bin ich mit Sigmar Gabriel absolut einig. Aber Sigmar Gabriel hat auch bundespolitische Interessen zu vertreten, ich hingegen landespolitische Interessen. – Danke!

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank. – Herr Minister, bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt eine von Herrn Witzel angemeldete Kurzintervention von der FDP-Fraktion. Jeder hat 90 Sekunden. Herr Witzel beginnt. Bitte schön!

Ralf Witzel (FDP): Herr Finanzminister, ich muss heute Morgen unbedingt noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, weil ich eben aufgrund der Abläufe nicht mehr die Gelegenheit hatte, Stellung zu nehmen. Sie haben in Ihrem letzten Betrag angedeutet, ich hätte Ihnen in punkto Steuergeheimnis gegebenenfalls eine Straftat vorgeworfen. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. Ich möchte Sie herzlich bitten, sich meine Formulierung im Wortprotokoll noch einmal anzuschauen. Ich habe das nicht getan und würde das auch nicht tun, weil ich das nicht für den richtigen Stil halte.

Richtig habe ich zwei Sachen gesagt: Ich habe gesagt, dass es zum Glück ein Steuergeheimnis gibt. Das bezog sich auf meine Nachfrage an Ihr Haus und Sie, wie Sie zu der dpa-Meldung stehen, die SPD-Länder wollten das Steuergeheimnis abschaffen.

Daraufhin kam von Ihnen und Ihrem Haus die Antwort, derzeit gebe es keine entsprechenden Pläne.

Außerdem habe ich am „Fall Hoeneß“ in punkto der Frage, die wir zum Thema „Vorstände“ diskutiert haben, deutlich machen wollen, dass Sie bei Sachverhalten, die an sich grundsätzlich der Vertraulichkeit unterliegen, an anderer Stelle auch Wege gefunden haben, Ihre Haltung deutlich zu machen, wie ich sie mir auch in der Portigon-Frage gewünscht hätte.

Für mich ist das ganz wesentlich, damit kein falscher Eindruck im Raum stehen bleibt. Sie haben zu Recht angesprochen, dass es nicht das Ergebnis parlamentarischer Debatten sein darf, dass es Unklarheiten gibt.

Meine Bitte: Nehmen Sie das so auf und zur Kenntnis, wie ich es Ihnen dargestellt habe! Versichern Sie sich auch noch einmal anhand des Wortprotokolls, dass das zutreffend ist, was ich hier sage, ich Ihnen also keine Straftaten vorwerfen würde.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister!

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Erstens gibt es dazu Mitschnitte, die man sich angucken kann. Zweitens. Wenn Sie es jetzt so sagen und meinen, wie Sie es sagen, dann ist damit gegebenenfalls selbst eine anders lautende Einlassung von eben erledigt. Das ist überhaupt keine Frage.

Allerdings muss ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, den Sie jetzt verwechselt haben. In der dpa-Meldung stand nicht, dass die SPD das Steuergeheimnis abschaffen will, sondern darin ging es um das Bankgeheimnis. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Das Bankgeheimnis beschäftigt sich mit der Frage, ob Banken verpflichtet werden, Kapitalerträge an die Steuerbehörden zu melden. Denn wenn sie das nicht tun, wird der Betrug geschützt. Beim Steuergeheimnis hingegen muss sichergestellt werden, dass das, was die Steuerbehörden wissen, nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Das zu verletzen wäre eine Straftat, muss eine Straftat bleiben, und es ist richtig, dass es bestraft wird, wenn es herauskommt. Genau darum geht es.

Wenn Sie die Verwechslung möglicherweise eben auch vorgenommen haben, dann erklärt sich sowieso alles. Aber Tatsache ist: Die dpa hat das nicht gesagt. Ich weiß, dass über das Bankgeheimnis geredet worden ist und nicht über das Steuergeheimnis. Und das ist meines Wissens auch richtig berichtet worden. – Danke.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister Dr. Walter-Borjans. – Damit sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5752 an den Haushalts- und Finanzausschuss mit abschließender Abstimmung dort in öffentlicher Sitzung. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist einstimmig so überwiesen.

Wir kommen zu:

3   Demografiefeste Gesetze, Richtlinien und Verordnungen in Nordrhein-Westfalen!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5761

Ich erteile Herrn Schmitz für die CDU-Fraktion das Wort.

Hendrik Schmitz (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! 2014 ist ein besonderes Jahr. Es ist ein Jubiläumsjahr. Denn wir feiern den 1200. Todestag Karls des Großen, 600 Jahre Konstanzer Konzil, 100 Jahre Rhein-Herne-Kanal, und – das ist dem einen oder anderen vielleicht auch wichtig – vor 60 Jahren wurde in Deutschland, und zwar in Duisburg, die erste Parkuhr aufgestellt.

(Heiterkeit)

Aber in diesem Jahr 2014 wird auch der geburtenstärkste Jahrgang, den es in Deutschland je gegeben hat, 50 Jahre alt. Das heißt, wir alle hier im Raum werden hoffentlich auf viele Geburtstagsfeiern eingeladen.

Aber, meine Damen und Herren, man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass dieser Jahrgang in 13 bis 17 Jahren in seine verdiente Rente oder in den Ruhestand gehen wird. Bereits vorher werden die so genannten Babyboomer-Jahrgänge, also diejenigen Jahrgänge, die seit Mitte der 50er-Jahre geboren wurden, in Rente und Ruhestand gegangen sein.

Das werden nicht nur einschneidende Veränderungen in individuelle Biografien sein, nein, meine Damen und Herren, wir alle, die gesamte Gesellschaft, werden dabei eine einschneidende Veränderung erleben. Denn wir werden spüren, welche Folgen der demografische Wandel wirklich hat.

In der abstrakten Theorie herrscht über diesen demografischen Wandel seit Langem, vor allem in der Politik, ein breiter Konsens. Man ist sich im Prinzip einig, dass durch die Bevölkerungsentwicklung große Probleme und Herausforderungen auf unsere Gesellschaft zukommen werden.

In wenigen Jahren aber ist dieser demografische Wandel nicht mehr nur graue Theorie für Zukunftsforscher, Arbeitskreise in der Politik oder Enquetekommissionen. Zu Beginn der 2020er-Jahre erleben wir hautnah den Praxistest, ob die politischen Entscheidungen, die wir heute treffen, langfristig gedacht, generationengerecht geplant und nachhaltig sind.

Dann, meine Damen und Herren, wird sich beweisen, ob die Sozialsysteme so aufgestellt sind, dass sie einer rasch alternden Bevölkerung Sicherheit geben, ohne dabei die jungen Menschen im Generationenvertrag zu überfordern. Dann wird sich beweisen, ob die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass Familienleben und Berufsplanung Hand in Hand gehen und wir heute für junge Menschen eine familienfreundliche Politik gestaltet haben. Und dann wird sich beweisen, ob Bildungswege so angelegt sind, dass sie den Anforderungen an qualifizierte Fachkräfte genügen.

Verehrte Damen und Herren, in wenigen Jahren werden wir sehen, ob die öffentliche Verwaltung den demografischen Praxistest besteht. Finden wir dann noch genügend Personal für den öffentlichen Dienst, in einer Phase, in der auf dem Arbeitsmarkt der Wettbewerb um motivierte, gut ausgebildete junge Menschen regiert? Spätestens im Jahr 2025 wissen wir, ob die Pläne von Land und Kommunen bei Infrastruktur und öffentlichen Investitionen zukunftsorientiert oder aber nur kurzfristige Effekte waren.

Wenn wir schon den ganzen Morgen über die Finanzen reden, dann möchte ich Ihnen auch noch Folgendes sagen: Haben wir im Jahr 2025 überhaupt noch Geld in den Haushaltskassen? Sind wir nachhaltig und finanziell klug mit den öffentlichen Mitteln umgegangen? Für alles das, meine Damen und Herren, kommt am Ende der nächsten Legislaturperiode der Praxistest.

Heute haben wir deswegen zwei Möglichkeiten: Entweder wir lassen diese Entwicklung auf uns zukommen, das heißt, wir stellen uns blind, blöd und taub, oder aber wir machen das Gegenteil. Wir werden aktiv und nehmen schon jetzt die richtigen Weichenstellungen vor.

Und das bedeutet konkret, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir richten heute bereits ein Instrumentarium ein, um alle neuen Gesetzesvorhaben und Gesetzesänderungen, alle Richtlinien und Verordnungen auf ihre Demografieverträglichkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen. Einen Demografiecheck als politische und parlamentarische Selbstverpflichtung – das fordern wir.

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Große Koalition festgelegt, genau das für den Bund einzuführen. Dabei geht es vor allem darum, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Politik und Verwaltung für die demografierelevanten Auswirkungen Ihrer Entscheidung und für mögliche Zielkonflikte noch stärker zu sensibilisieren als in der Vergangenheit.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die im Bund neu entwickelten Prüffragen dieses Checks helfen zunächst einmal bei der Analyse eines Gesetzesvorhabens auf Demografierelevanz und die Auswirkungen auf kommende Generationen. Es ist mir wichtig, in diesem Zusammenhang auch noch einmal zu betonen, dass darin die Belange aller Generationen berücksichtigt sind.

Insgesamt leistet dieser Check einen entscheidenden Beitrag, um politische Entscheidungen in Deutschland aus der Begrenzung auf Legislaturperioden herauszulösen. Die Tatsache, dass die Bundesregierung beispielsweise ihr Rentenpaket daran wird messen lassen müssen, steht auf einem anderen Blatt. Entscheidend ist, dass die Zielrichtung stimmt. Deswegen frage ich mich, lieber Kollege Hafke: Warum soll es dann nicht auch einen Demografiecheck für Landesgesetze geben?

Die rot-grüne Landesregierung – um Ihnen ein Beispiel zu nennen und Ihnen damit vielleicht die Entscheidung zu erleichtern – in Rheinland-Pfalz hat 2012 genau das gemacht. Sie hat einen Demografiecheck für Landesgesetze eingeführt. Deshalb bin ich guten Mutes, dass der vorliegende Antrag von einer breiten parlamentarischen Mehrheit getragen wird.

Wir sind gerne bereit – das sage ich an der Stelle auch –, in einem zweiten Schritt mit allen Fraktionen hier im Haus zu beraten, wie genau die Kriterien für einen nordrhein-westfälischen Demografiecheck aussehen sollen.

Meine Damen und Herren, ein Demografiecheck ist nach Ansicht unserer Fraktion entscheidend, um die Zukunft in Nordrhein-Westfalen richtig zu gestalten. Deswegen bitte ich Sie an dieser Stelle: Stimmen Sie für unseren Antrag, für die Einführung eines nordrhein-westfälischen Demografiechecks! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Schmitz. – Nun wollen wir mal hören, wie die SPD-Fraktion die Sache sieht. Herr Kollege Weske hat das Wort. Bitte schön.

Markus Herbert Weske (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmitz, mir ist der 60. Geburtstag der Parkuhr immer noch nicht Anlass genug, heute diesen Antrag zu beschließen. Mir ist der Zeitpunkt völlig unklar.

Der Hintergrund ist, dass wir das, was Sie richtigerweise im ersten Bereich formulieren, vor einem Jahr hier bereits diskutiert haben. Wir haben auch Konsens in diesem Thema erzielt und gesagt: Wir wollen eine Enquetekommission einrichten, die sich zwei Jahre mit dem Thema beschäftigt und uns am Ende Handlungsempfehlungen gibt. Eine Handlungsempfehlung könnte dann ja auch sein, einen solchen Demografiecheck immer durchführen zu lassen.

Das Problem ist aber –das stellen wir ja auch in der Arbeit der Kommission fest –: Es fehlen noch die meisten Instrumente, um das auch wirklich zu tun. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Sie fordern am Ende Ihres Beschlusstextes, man möge dies nach Kommunen, Regionen usw. spezifisch unterteilen. Wir diskutieren aber gerade doch erst noch in der Kommission, nach welchem Cluster wir eigentlich die Kommunen zuordnen wollen. Erst dann, wenn man die Instrumentarien dafür hat, kann man natürlich auch erst spezifische Ergebnisse herausfinden. Denn auch die Wissenschaft hat ja noch Lücken. Deswegen beraten wir gerade darüber, welche Gutachten wir noch erstellen lassen.

Insofern ist der Zeitpunkt leider sehr, sehr schlecht. Wenn man die Arbeit der Kommission ernst nimmt, muss man heute diesen Antrag ablehnen. In einem Jahr werden wir uns, denke ich, bei den Handlungsempfehlungen durchaus darüber unterhalten, ob wir einen solchen Demografiecheck in Nordrhein-Westfalen haben wollen und mit welchen Instrumenten er ausgestattet wird. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kollege Weske. – Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Schmitz hat eben vorgetragen, wir könnten uns entweder blind, blöd oder taub stellen oder jetzt diesem Antrag zustimmen. So ist meine Zusammenfassung an dieser Stelle.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Das ist verkürzt!)

Ich frage mich, Herr Kollege Schmitz: Haben Sie sich bisher blind, blöd und taub gestellt und deswegen nie bei den CDU-Anträgen darüber nachgedacht, sie im Hinblick auf die Aspekte der Demografiefähigkeit und der Nachhaltigkeit zu untersuchen?

(Hendrik Schmitz [CDU]: Alter Hut!)

Das finde ich ein bisschen erstaunlich. Vielleicht nur der Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung: Danach ist es zwingend, wenn man Ausgaben macht, dass die Kostenfolgen dieser Ausgaben zum Beispiel bei einer Gesetzesinitiative entsprechend zu beschreiben sind. Ich weiß, dass Sie mit Ihrem Antrag etwas mehr wollen. Aber dann müssen Sie auch sagen, was Sie wollen, Herr Kollege. Denn nur zu fordern: „Wir müssen da was machen“, ist ein bisschen wenig. Das muss nämlich genau definiert werden.

Ich habe mir zutragen lassen bzw. wir haben auch hier im Parlament darüber debattiert: Wir haben auf Ihren Vorschlag hin eine Enquetekommission eingerichtet. Diese Enquetekommission befasst sich genau mit der Frage: Wie ist Nachhaltigkeit, wie ist Demografiefestigkeit zu definieren? Es wird ja in manchen haushaltspolitischen Debatten hier im Plenum immer wieder deutlich, dass möglicherweise die CDU-Fraktion eine andere Auffassung hat als die grüne Fraktion.

Ich halte es zumindest nicht für nachhaltig – das bezieht sich auf das Beispiel der kalten Progression von eben –, einen Vorschlag zu machen, die kalte Progression jetzt abzuschaffen und, wenn wir der FDP folgen würden, das in den Folgejahren immer linear anzugleichen. Dann hätten wir einen Einnahmeausfall von 700 Millionen €. Sie beschreiben aber nicht den nachhaltigen Effekt dieser Vorgehensweise, und Sie beschreiben auch nicht, wie sich das demografisch in den Folgejahren auswirkt.

Der Kollege Kruse fordert zum Beispiel immer wieder mehr Polizistinnen und Polizisten. Wir haben aber – das wissen wir – in den nächsten Jahren viel weniger Menschen. Da muss man sich schon fragen: Warum fordert er das denn trotzdem? Weil es gerade Spaß macht oder weil er sich blind, blöd oder taub stellt, um das an der Stelle mit Ihren Worten zu charakterisieren?

Mein Vorschlag, Herr Kollege, ist folgender: Arbeiten Sie in der Enquetekommission an diesem wichtigen Thema intensiv weiter! Ziehen Sie keinen Aspekt scheinheilig – aus meiner Sicht – voreilig heraus, sondern legen Sie ein Konzept auf den Tisch, das das nachvollziehbar macht, was mit diesen Worten zu verbinden ist!

Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel, um zu illustrieren, wo es eventuell handfest wird. Zur Frage der Altersfinanzierung haben wir in den 90er-Jahren immer gehört: Ja, die Demografie, es wird alles schlimm und schwierig; wir haben mehr alte Menschen, und deswegen sind die Sozialsysteme nicht mehr zu bezahlen. – Tatsächlich war es so, dass sich die Zahl der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in den Jahren zwischen 1995 und 2010 nicht verändert hat. Das liegt schlicht daran, dass früher mehr Kinder da waren, weil die Menschen mehr Kinder hatten

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

– lassen Sie mich bitte ausreden; das können Sie ja dann möglicherweise nachvollziehen –, und jetzt diejenigen, die Rentenbezieher sind, langsam mehr werden. Insofern war es bei dem Vorgang, der dort beschrieben worden ist, ein konjunkturelles Problem.

Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Sie müssen sehr dezidiert beschreiben, wohin Sie wollen. Einfach nur zu sagen: „Wir haben Demografie, wir haben das Thema Nachhaltigkeit“, das sind schlichte Überschriften. Sie müssen das mit Leben füllen, zumindest mit einem Konzept, und dann kann man einen Antrag daraus machen. Das, was Sie hier auf den Tisch legen, sind Überschriften.

Mein Vorschlag ist, wie gesagt: Arbeiten Sie in der Enquetekommission ein vernünftiges Konzept aus, und dann können wir uns darüber unterhalten. Aber schlicht Überschriften zuzustimmen, fällt uns ausgesprochen schwer.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der demografische Wandel stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Obwohl der demografische Wandel mittlerweile ja fast Allgemeingut in jeder politischen Rede ist, müssen wir doch immer wieder feststellen: Die Konsequenzen, die eine alternde Gesellschaft erfordert, sind noch lange nicht gezogen. Die massiven Folgen insbesondere für unsere Sozialsysteme, für Infrastruktur, Bildung und andere Bereiche sind noch lange nicht im Bewusstsein und im politischen Handeln angekommen.

Es ist deshalb sehr richtig gewesen, dass dieses Parlament auf Antrag der Union eine Enquetekommission eingesetzt hat, die genau dieses Bewusstsein und diese Herausforderung für das politische Handeln zum Gegenstand macht.

Genauso richtig finde ich das Anliegen des vorliegenden Antrags. In der Tat benötigen wir eine größere Sensibilität für das Thema „demografischer Wandel“. Und in der Tat müssen wir jede heute getroffene Entscheidung darauf abklopfen, ob sie demografiesensibel ist oder ob sie den ohnehin arg strapazierten Generationenvertrag noch weiter belastet. Das ist eine Aufgabe, der wir uns als Landespolitiker bei jeder Entscheidung stellen müssen.

Das beginnt natürlich bei soliden Finanzen. Dass diese in Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün gerade vollkommen ohne jede Sensibilität für die Lasten der nachfolgenden Generationen gestaltet werden, haben wir hier in diesem Haus schon oft diskutiert. Drei verfassungswidrige Haushalte sprechen ja für sich.

Aber auch in Berlin wird die Last des demografischen Wandels momentan komplett den nachfolgenden Generationen aufgehalst.

(Christian Lindner [FDP]: So ist es!)

Insofern ist es natürlich schon ein Stück weit bemerkenswert, dass die CDU heute hier für mehr Demografiesensibilität wirbt – und dann auch noch in einer Rede, in der der Bund als großes Beispiel angeführt wird. In Berlin ist von SPD und CDU, die dort gemeinsam in Regierungs­verantwortung stehen, von Verantwortung gegenüber künftigen Generationen nicht viel zu spüren. Als Beispiel erinnere ich nur an die Pläne für die Rente mit 63 und die Mütterrente. Da werden Milliarden über Milliarden den zukünftigen Generationen aufgehalst, ohne dass es gegenfinanziert ist und ohne dass dort ein Demografiecheck nachvollzogen wurde. Deswegen ist das eine sehr unfaire Politik.

Damit komme ich auch zu dem Forderungsteil des hier vorliegenden Antrags der Union. Ob eine formale Ausweisung in einem Antrag oder einem Gesetzentwurf tatsächlich die Lösung ist, möchte ich bezweifeln und infrage stellen. Hier in Nordrhein-Westfalen möchte ich das noch viel stärker infrage stellen, weil es viele Gesetze gibt, die überhaupt nichts mit Demografie zu tun haben, beispielsweise Gesetze zum Tierschutz. Dann braucht man auch keinen Demografiecheck vorzunehmen.

Weiterhin möchte ich daran erinnern, dass wir in all unseren Gesetzentwürfen schon jetzt die beiden Punkte „Kosten“ und „Alternativen“ aufführen. Das wird aber ad absurdum geführt; denn unter diesen Punkten steht meistens nicht sonderlich viel. Man beschäftigt sich nicht großartig damit, ob es Alternativen gibt und wie die Kostensituation aussieht. Dieses Instrument ist wirkungslos.

Daher glaube ich, dass man hier eher Showpolitik betreibt, indem man einen Demografiecheck beantragt.

Besser wäre meines Erachtens eine generelle Befristung von Gesetzen und Vorhaben; denn dann muss man den Bürger alle paar Jahre neu überzeugen und kann hier im Parlament kein Gesetz dauerhaft einführen.

Meine Damen und Herren, die Problembeschreibung des Antrags teilen wir ohne Frage. Die Forderung nach einer größeren Demografiesensibilität teilen wir ebenfalls. Die Frage eines Demografie-TÜVs, um es einmal so zu bezeichnen, habe ich gerade kritisch beurteilt. Trotzdem ist es nach meiner Meinung sehr wichtig, dass wir das Ganze in der Enquetekommission weiter ausdiskutieren und uns damit beschäftigen. Vielleicht gibt es ja aufgrund dieses Antrags spannende Ideen, wie man das verbindlicher gestalten kann.

Deswegen werden wir heute für den Antrag und die Überweisung stimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Ministerin Barbara Steffens: Wir stimmen doch direkt darüber ab!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hafke. – Für die Piratenfraktion hat nun Herr Marsching das Wort.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier auf der Tribüne und zu Hause! Ich lese selten Zeitung. Seitdem ich auf dem Dorf wohne, mache ich das allerdings ein bisschen öfter. Ganz oft fehlt mir darin der Link zu mehr Informationen. Ich würde einfach gerne weiterklicken.

Bei diesem Antrag ist es ähnlich. Das ist ein guter Ansatz. Sicher ist der demografische Wandel wichtig. Und natürlich müssen wir uns immer Gedanken machen: Wie wirken sich Gesetze überhaupt aus? Die Idee, den demografischen Wandel in den Blick zu nehmen und sich jedes Mal auch die Demografieeffekte anzugucken, ist eine gute Idee.

Das ist aber viel zu wichtig für einen Antrag, den man hier einbringt und direkt zur Abstimmung stellt, liebe Kollegen von der CDU, lieber Kollege Schmitz. Unsere Fraktion hat ja bei Ihnen angefragt, ob man das Ganze nicht in den Ausschuss geben könne. Das haben Sie leider abgelehnt.

Im Ausschuss hätten wir darüber reden können, was wir denn bei Gesetzen machen, die keinen direkten Effekt auf die Demografie haben. Man hätte darüber reden können, wie kleine Fraktionen – das betrifft Ihre Fraktion zwar nicht, aber drei Fraktionen in diesem Haus auf jeden Fall – überhaupt so eine komplette Untersuchung bewerkstelligen sollen.

Sie wollen direkt über Ihren Antrag abstimmen. Das finde ich persönlich – um jetzt bei Ihren Worten zu bleiben – blind, blöd und taub. Vielleicht ist das auch nur ein schlechter Versuch, hier noch einen populistischen Antrag einzubringen, um ein bisschen Wahlkampf zu machen.

Wir finden die Idee gut. Da Sie Ihren Antrag nicht in den Ausschuss überweisen lassen wollen, enthalten wir uns aber bei der Abstimmung. Unsere Zustimmung können Sie dafür nicht bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Marsching. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Steffens das Wort.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schmitz, wir haben die Enquetekommission, die sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Sie wird auch abwägen müssen, welche Faktoren und welche Maßnahmen sinnvoll sind.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es mich, dass Sie diesen Antrag sozusagen vorabziehen; denn am Ende könnte bei der Enquetekommission auch herauskommen, dass das System, das Rheinland-Pfalz und der Bund jetzt eingeführt haben, überhaupt nicht zielführend ist. Dahinter stehen viele Fragezeichen. Deswegen weise ich darauf hin. Dann hätten Sie mit einem tierischen bürokratischen Aufwand ein Instrument eingeführt, das am Ende gar nicht zielführend ist. Das kann ich gerade bei Ihnen nicht verstehen.

Daher halte auch ich es für richtig und sinnvoll, dass das, was Sie als Diskussionsinput haben, in die Enquetekommission eingespeist wird und dort im gesamten Kontext diskutiert wird.

Noch etwas verstehe ich nicht. Sie haben auch in Ihrem Input hier ein Stück weit versucht, durch die Babyboomer-Generation, also diejenigen, die jetzt 50 werden, zu beschreiben, was 2020/2025 passiert. Das klingt so, als wirke sich die demografische Entwicklung erst 2020/2025 aus. Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung spüren wir an ganz vielen politischen Stellen aber schon heute. Was Sie hier fordern, ist also schon Alltag der politischen Arbeit. Wir müssen die demografischen Entwicklungen in allen Bereichen berücksichtigen – nicht nur bei Gesetzesvorlagen, sondern auch bei der Entwicklung von politischen Strategien. Deswegen greift das, was Sie sagen, viel zu kurz.

Ich will nur ein Beispiel auf kommunaler Ebene nennen. Sie können sich im Kommunalwahlkampf vor Ort mal bei Ihren Gesundheitsämtern informieren: Das Problem, Ärzte und Ärztinnen für die Gesundheitsämter zu finden, ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen die demografische Entwicklung bereits zugeschlagen hat. In zahlreichen anderen Fachbereichen stehen wir ganz genauso vor der Aufgabe, dass wir schon heute Strategien entwickeln müssen.

Und dazu brauchen wir kein Vorblatt, sondern die Fakten, die auf dem Tisch liegen, müssen schon heute angegangen werden. Also, es greift zurück mit einer solchen Formulierung.

Die Einschätzung, die Sie haben, dass die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen zurückgeht, stimmt. Da gibt es einen breiten Konsens, da gibt es keine Fragen.

Bis 2050 wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen verdoppeln – nur um noch ein Eckdatum zu nennen. Wir werden dann 1,5 bis 1,6 Millionen Menschen mit Unterstützungsbedarfen haben. Gleichzeitig haben wir 25 % weniger Erwerbspersonen. Das heißt, wir müssen heute Konsequenzen ziehen und festlegen, wie wir die Strukturen, die Entwicklungen und die Auswirkungen bekämpfen.

Das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen“ beispielsweise ist nicht einfach nur eine Idee, wir wollen nicht einfach irgendetwas tun, sondern es geht darum, dass vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung jedes Kind bestmöglich im Arbeitsmarkt und auch in unserer Gesellschaft ankommen kann. Es geht darum, diese Ressourcen nicht zu verschwenden. – Das gilt auch für die Entwicklung der Altenpolitik.

Klar ist: Wir werden nicht nur Demografiegewinne haben, sondern wir werden in zahlreichen Bereichen auch Demografieverluste haben und damit ein Mehr an Bedarfen, ein Mehr an Personen, zum Beispiel in der Pflege.

Wir werden allerdings auch Strukturen und Bereiche haben, in denen die Eindimensionalität der Entwicklung überhaupt nicht zum Tragen kommt, weil aufgrund eines veränderten Bevölkerungsverhaltens, aufgrund veränderter Strukturen ganz andere Faktoren eine Rolle spielen.

Ich habe am Beispiel meines Ministeriums ganz zu Anfang mal eine Studie machen lassen, welche Auswirkungen die demografische Entwicklung auf die einzelnen Bereiche in meiner Zuständigkeit hat. Auch dabei war klar: Diese eindimensionale Betrachtung reicht nicht aus, wir müssen unterschiedliche Faktoren zusammenziehen.

Wir haben neue gesellschaftliche Herausforderungen. Ein Punkt, den wir immer diskutieren, ist die Inklusion auf Grundlage der UN-Behindertenrechts-konvention. Auch das sind Faktoren, die wir einbeziehen müssen, die gegen Eindimensionalität sprechen.

Klar ist für uns: Wir brauchen mehr als nur die Zahlengrundlage. Die hilft auch heruntergebrochen auf die Regionen in vielen Fällen nicht. Wir brauchen sehr viel mehr Wissen über Hintergrund und Fakten.

Ich will noch ein Beispiel geben; es ist immer praktisch, wenn die Beispiele in der eigenen Zuständigkeit liegen. Wenn wir die Zahl der Pflegebedürftigen hochrechnen, haben wir im Jahr 2050 – gemäß Prognosen –1,6 Millionen Menschen mit Unterstützungsbedarf. Gleichzeitig haben wir dann nur noch 6,6 Millionen Erwerbspersonen. Das heißt, mit den heutigen Strukturen werden wir Babyboomer 2050 nicht mehr versorgt werden können. Wir werden uns auch nicht von den dann 6,6 Millionen Erwerbspersonen – den heutigen Jugendlichen – finanzieren lassen können.

Das heißt, wir müssen heute die Weichen stellen, um die Strukturen zu verändern. Die Strukturen müssen nachhaltig verändert werden, und zwar nicht in Form eines Formblatts, sondern in Form von Konzepten. Da sind wir auf dem Weg. Das machen wir in allen Bereichen.

Deswegen würde ich mir wünschen, dass Sie in die inhaltliche, konzeptionelle Arbeit mit einsteigen. Bringen Sie Ihr Formblatt in die Enquetekommission ein. Wir werden begleiten und beobachten, was in Rheinland-Pfalz und im Bund passiert. Doch es überzeugt uns im Moment noch nicht. Ich glaube, konzeptionell tun wir sehr viel mehr an der Stelle, als bürokratisch ein weiteres Formblatt zu machen. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Steffens. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Damit stimmen wir ab; direkte Abstimmung auf Antrag der CDU-Fraktion. Wer stimmt dem Inhalt dieses Antrags Drucksache 16/5761 zu? – Die CDU-Fraktion und Herr Stein, fraktionslos.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Völlig überraschend!)

Wer stimmt dagegen? – SPD und grüne Fraktion sind dagegen. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die Piratenfraktion und die FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag Drucksache 16/5761 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

4   Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/5751

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Herter das Wort.

Ich darf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten, leise im Saal zu verbleiben oder ihn noch leiser zu verlassen, damit Kollege Herter am Mikrofon die Gelegenheit hat, die Position seiner Fraktion zu dem Gesetzentwurf vorzutragen.

Bitte schön, Herr Herter, Sie haben das Wort.

(Unruhe – Glocke)

Marc Herter (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. Wir treten heute ein in die Diskussion über die gesetzesförmige Ausformulierung der Vereinbarung zwischen der Landesseite und den kommunalen Spitzenverbänden über die Flankierung der schulischen Inklusion.

Wir haben hier schon in zwei Unterrichtungen darüber diskutiert und haben uns während der letzten Unterrichtung davon überzeugen können, dass eine gute Lösung für die Flankierung der schulischen Inklusion gefunden worden ist, dafür, wie Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sowie das Land diese Aufgabe gemeinsam stemmen können.

Ich will hier kurz die drei wesentlichen Punkte des Gesetzentwurfs, den die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebracht haben, skizzieren und darlegen, wie die Regelungen funktionieren sollen.

Erstens. Wie soll mit den Schulträgeraufgaben umgegangen werden? Also: Wie werden die Schulgebäude fit gemacht dafür, dass schulische Inklusion dort stattfinden kann? – Die Konnexität soll anerkannt werden. Eine zunächst pauschalierte Summe soll den Kommunen kurzfristig zur Verfügung stehen. Diese Summe setzt sich aus dem zusammen, was Herr Prof. Klemm als gemeinsamer Gutachter der kommunalen Spitzenverbände und der Landesregierung für diesen Kostenblock vorgeschlagen hat.

Zweitens. Es soll eine Inklusionspauschale gezahlt werden für alle weiteren flankierenden Maßnahmen mit nicht lehrendem Personal, die notwendig sind, damit Inklusion gelingt. Diese Inklusionspauschale, die hier auf 10 Millionen € festgesetzt ist, ist ein Beitrag, um insbesondere Sonderpädagogen, insbesondere diejenigen, die sich mit Schulpsychologie beschäftigen, als systemische Unterstützung in die Schulen zu bringen.

Es gibt einen dritten Teil, der den kommunalen Spitzenverbänden sehr wichtig war – wir haben ihn am Ende einvernehmlich miteinander vereinbart –, nämlich dass im Rahmen einer Überprüfung der befürchteten Dynamik, die sich bei den Integrationshelfern ergeben kann, selbstverständlich auch die eben genannte Inklusionspauschale überprüft und gegebenenfalls angepasst wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dieser Regelung, der Pauschalierung der Summen, der kurzfristigen und eng gestaffelten Überprüfung und der gegebenenfalls notwendigen Anpassung, haben wir Rechtssicherheit und finanzielle Sicherheit vor Inkrafttreten des 9. Schul­rechtsänderungsgesetzes auf den Weg gebracht. Wir haben klare Rahmenbedingungen für die schulische Inklusion geschaffen. Und man kann wohl mit Fug und Recht sagen: Da ist eine kommunalfreundliche Lösung gefunden worden.

(Beifall von der SPD)

Sie ist Grundlage dafür, dass Stadt und Land die schulische Inklusion gemeinsam voranbringen können. Das ist kein Erfolg der Landesseite, kein Erfolg der kommunalen Seite. Es ist ein gemeinsamer Erfolg für die Kinder in den Schulen, für die Eltern und für die Lehrer. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Herter. – Für die grüne Fraktion hat das Wort nun Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Anfang will ich doch noch mal die Bemerkung machen, dass es erstaunlich ist, wie viel „Resonanz“ es bei diesem Leistungsgesetz zur Unterstützung der kommunalen Familie, zur Unterstützung des Inklusionsprozesses gerade innerhalb der Oppositionsfraktionen gibt. Das Interesse für dieses Thema – das haben wir eben auch am Lautstärkepegel bemerkt – scheint in diesen Reihen nicht sehr ausgeprägt zu sein. Das will ich zu Anfang ausdrücklich festhalten.

Nach den intensiven und erfolgreichen Verhandlungen, die in der Beschlussfassung zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz angelegt waren und dann aufgenommen wurden, haben die Koalitionsfraktionen nun unverzüglich das der Vereinbarung entsprechende Gesetz vorgelegt. Sie können die Vereinbarung in dem Gesetzentwurf eins zu eins nachlesen. Es ist uns wichtig, dass das entsprechend transportiert wird.

In der Tat ist es so, wie es mein Kollege Marc Herter schon gesagt hat: Das ist der Ausweis der Verlässlichkeit, der Rechtssicherheit und der Kommunalfreundlichkeit nicht nur der Regierungsfraktionen, sondern auch der Landesregierung über die gesamte Legislatur – so, wie wir handeln, und so, wie wir miteinander umgehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Leistungsgesetz ist noch einmal Ausdruck des gemeinsamen Willens, die UN-Behindertenrechts-konvention zum Wohle der Kinder und Jugendlichen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung zum Erfolg zu führen. Das ist nie Dissens innerhalb der kommunalen Familie und zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesseite gewesen. Für dieses Ziel haben wir, beide Seiten, bewusst Maximalpositionen aufgegeben und immer wieder Kompromisslinien gesucht.

Worum ging es? Keine Prinzipienreiterei zum Wohle der Kinder! Allerdings – das will ich auch noch mal deutlich sagen – war das sehr zum Leidwesen derer, die das Thema schon als Würze für ihr Wahlkampf­süppchen vorgesehen hatten. Da musste vor Ort – das wurde ganz deutlich – das Rad an einigen Stellen wieder etwas zurückgedreht und eingepackt werden. Aber das ist gut, weil es um die Kinder geht und nicht um die Frage, wer an welcher Stelle im Wahlkampf welche Punkte macht.

Rot-Grün investiert in den nächsten Jahren über 1 Milliarde € in den Inklusionsprozess. Das ist 1 Milliarde € neben den Personalinvestitionen, die wir bereits über den Schulkonsens fest vereinbart haben, wodurch sich die Rahmenbedingungen von Schule ändern.

Was steckt in dieser 1 Milliarde €? Das sind insgesamt 3.200 Lehrer­stellen – neben den schon erwähnten anderen Personalinvestitionen –; das sind 750 Millionen €, die sich im Landeshaushalt wiederfinden; das sind 100 Millionen € Fortbildungsmittel; das sind – das will ich auch noch mal sagen – 2.300 zusätzliche Studienplätze, 2.500 Plätze für Zusatzqualifikationen für Sonderpädagogik und ein systematisch aufgestelltes neues Fortbildungs- und Unterstützungssystem für die Schulen auch in dieser Frage.

Hinzu kommen die 175 Millionen € über die Legislatur hinaus, fest zugesagt durch Rot-Grün, die der Unterstützung der kommunalen Schulträger dienen. Und auch die Ersatzschulträger werden im Gesetz berücksichtigt.

Das ist ein im Inklusionsprozess sehr wirksames und gegenüber der Haushaltspolitik des Landes verantwortungsvolles Ergebnis, das wir miteinander tragen können und das zukunftsweisend ist. Es ist verlässlich gegenüber den Kommunen und zum Wohle der Kinder.

Jetzt appelliere ich an Sie, liebe Opposition, auch an die Mitglieder des Landtages, die jetzt nicht im Saal sind – Sie werden es hoffentlich weitertragen ?: Verhalten Sie sich bitte in den Haushaltsverhandlungen entsprechend und unterstützen Sie dieses Ergebnis! Wir warten immer noch darauf, dass Sie „Butter bei die Fische“ tun und sagen: Ja, wir stehen dazu, dass diese Mittel für die Inklusion investiert werden. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Beer. – Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Kollegin Scharrenbach das Wort.

Ina Scharrenbach (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Inklusion bedeutet aus Sicht der Kommunen nicht „all inclusive“. Insofern haben Sie nach einem langen und zähen Ringen mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf anerkannt, dass das 9. Schulrechtsänderungsgesetz, das Sie auf den Weg gebracht haben, konnexitätsrelevant ist und die Kommunen Gelder benötigen, um die schulische Inklusion überhaupt umsetzen zu können. Das ist ein Meilenstein, den Sie in Ihrem Erkenntnisprozess in den letzten Wochen und Monaten gesetzt haben.

Doch: Wenn Sie im Gesetz unter dem Punkt G „Finanzielle Auswirkungen auf die Unternehmen und privaten Haushalte“ ausführen, das Gesetz diene vor allem baulichen Investitionen der Kommunen, dann wäre es gut gewesen, wenn Sie auch anerkannt hätten, dass insbesondere auf die Schulträger in den nächsten Jahren und Jahrzehnten laufende Betriebskosten zukommen. Derer nehmen Sie sich nicht umfänglich an. Sie setzen da eher auf die Überprüfungsfristen, insbesondere im Hinblick auf die Inklusionshelfer, die dringend benötigt werden.

Kommunen, Verwaltungen, ehrenamtliche Rats- und Kreistagsmitglieder sind engagiert bei der Sache, wenn es um die Frage geht: Wie stellen wir denn unser Schulsystem zum und ab dem 1. August 2014 auf? In etlichen Diskussionen beschäftigen sie sich mit Eltern, Vereinen und Verbänden, um sich den Fragen zu nähern: Was machen wir mit dem Förderschulangebot vor Ort? Welche Investitionen müssen wir zum 1. August in Schulgebäuden vornehmen? Welche Lehr- und Lernmittel müssen wir zur Verfügung stellen? Und: Wie viel zusätzliches Personal benötigen wir, um Kindern mit einer Behinderung den Schulbesuch geregelt zu ermöglichen?

Das Ansinnen, Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam zu unterrichten, kann letztendlich nicht politisch verordnet werden, sondern es muss gelebt werden. Um es zu leben, hätte man in diesem Prozess allerdings von Anfang an deutlich machen müssen, dass eine Landesregierung an der Seite der Kommunen steht. Das haben Sie aber nicht getan. Sie haben den Kommunen bei der Umsetzung der schulischen Inklusion zusätzliche Steine in ihren Rucksack gelegt, statt welche herauszunehmen. Letztlich waren diese zähen Verhandlungen, die Sie geführt haben: „Konnexität, ja oder nein? Wenn ja, wie viel und wie lange? Wann überprüfen wir es?“, im Grunde dem gesamten Prozess abträglich und seiner eigentlich auch unwürdig.

(Beifall von der CDU)

Das resultiert aus Ihrer ursprünglichen Einschätzung, die Sie sehr lange aufrechterhalten haben, die Kommunen müssten gar nicht mehr investieren, weil sich am Ende alles rechne und gegeneinander aufhebe. Sie hätten den Kommunen von Anfang an Sicherheit geben müssen, damit sich Kommunen, Räte, Verwaltungen und Kreistage verlässlich auf den Weg hätten machen können. Das haben Sie aber nicht getan.

Ihr heute vorliegender Gesetzentwurf – das gestehen wir zu – ist durchaus diskussionswürdig. Es ergeben sich dennoch viele Fragen in diesem Zusammenhang. Diese möchten wir gern in dem anhängenden Verfahren mit Ihnen besprechen.

Es geht zum Beispiel um die Frage des zusätzlichen Personals, insbesondere die Inklusionshelfer. Sie nehmen die Zahlungen für die Inklusionshelfer aus der Inklusionspauschale heraus und schreiben in einem weiteren Ansatz, mögliche Mehrkosten sollten erhoben und überprüft werden; je nach Ergebnis solle es dann eine Anpassung der Inklusionspauschale geben. Zuvor haben Sie aber ausgeschlossen, dass Kosten für Inklusionshelfer übernommen werden.

Solche Fragen müssen wir diskutieren.

Dazu gehört auch die Verteilung der Inklusionspauschale auf Kreise, kreisfreie Städte und den kreisangehörigen Raum. Man muss gucken, welche Wirkungen dieses Verteilungsgesetz letztendlich entfaltet.

Über eines – damit möchte ich zum Abschluss kommen – kann der heutige Gesetzentwurf allerdings nicht hinwegtäuschen: Die Debatten, die in den vergangenen Wochen und Monaten zwischen Landesregierung, regierungstragenden Fraktionen und kommunalen Spitzenverbänden geführt worden sind, haben dazu beigetragen, dass über einen Punkt dem Grunde nach gar nicht mehr politisch gestritten wurde – und das ist die Frage der Qualität im Schulsystem ab dem 1. August 2014, die Versorgung der Regelschulen mit Förderschullehrerinnen und Förderschullehrern. Es wäre es wert gewesen, weiter über die Qualität des Systems zu streiten;

(Beifall von der CDU)

denn am Ende des Tages – ich denke, darüber sind sich alle in diesem Hause einig – geht es um die Zukunft von Kindern, und zwar mit Behinderung, aber auch ohne Behinderung. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Scharrenbach. – Für die FDP-Fraktion hat nun Frau Kollegin Gebauer das Wort.

Yvonne Gebauer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Herter, ich würde gern auf einen Aspekt eingehen. Sie haben von einer guten Lösung gesprochen, die zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung getroffen worden sei. Dazu sage ich: Ob das eine gute Lösung war, ob das eine gute Lösung ist und vor allen Dingen ob das eine gute Lösung in der Zukunft sein wird, wird sich in den folgenden Monaten bzw. Jahren erst noch herausstellen.

In den vergangenen Monaten und Jahren haben wir um die Inklusion, um die Ausgestaltung des Inklusionsprozesses und auch um die notwendige Finanzierung sehr heftig gestritten. Über diesen Streit ist viel Zeit ins Land gegangen. Wertvolle Zeit ist verstrichen, in der die notwendigen Vorbereitungen in den Kommunen nicht getroffen werden konnten.

Die GEW hat zu Recht die Feststellung getroffen, es sei utopisch, in den verbleibenden vier Monaten bis zum Beginn des neuen Schuljahres die notwendigen Umbauten durchzuführen und das notwendige Fachpersonal einzustellen oder die entsprechenden Fortbildungen zu leisten. Wenn man auf das vor uns liegende Schuljahr 2014/2015 blickt, muss man sich angesichts des bisher nachlässigen und unstrukturierten Vorgehens große Sorgen machen.

Gleichwohl ist es gut, dass es zu dieser Lösung mit den kommunalen Spitzenverbänden gekommen ist und Sie von Rot-Grün uns zeitnah einen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Allerdings darf man sich auch nicht täuschen; denn in vielen Kommunen rumort es gewaltig, nachdem man dort angefangen hat, intensiv zu rechnen. Bei nüchterner Betrachtung sehen die verabredeten Beträge im Lichte der riesigen Herausforderungen in den einzelnen Kommunen tatsächlich deutlich anders aus. Hier stellt sich die Frage, von wo aus man in das Fernglas blickt und die Ergebnisse betrachtet.

Es ist von uns aus positiv zu vermerken, dass Sie heute und auch beim letzten Mal nicht den Versuch gemacht haben, sich sozusagen als strahlende Gönner zu präsentieren. Bei der letzten Unterrichtung hat man ja schon ein bisschen darauf gewartet, dass Sie von SPD und Grünen gleich behaupten würden, Sie hätten die Kommunen immer unterstützen wollen und es seien die Kommunen, die partout nichts haben wollten. Das haben Sie Gott sei Dank nicht getan.

(Marc Herter [SPD]: Jetzt müssen Sie schon auf Dinge zurückgreifen, die nicht gesagt worden sind!)

Insofern ist die weitgehend nüchterne Umsetzung in Form dieses Gesetzentwurfs mit der finanziellen Vereinbarung auch von unserer Seite aus zu begrüßen. Die Schulträger brauchen nämlich dringend finanzielle Unterstützung.

(Beifall von der FDP)

Es kommt nun darauf an, ob die langfristigen Bedürfnisse der Schulträger entsprechend gesichert werden können. So ist das Verfahren, das jetzt noch ansteht, von großer Bedeutung; denn es darf nicht jedes Jahr zu einem erneuten Fingerhakeln kommen.

Das heißt: Für die Kommunen ist in diesem Zusammenhang wichtig, nach welchen Verfahren die Daten von wem erhoben werden, wer die Kosten trägt und welche Aspekte evaluiert werden. Das alles gilt es in den Fachausschüssen zu beraten. Wir stimmen daher der heutigen Überweisung zu. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Gebauer. – Nun spricht für die Piratenfraktion Frau Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Es ist gerade mehrfach gesagt worden: Dieses Gesetz setzt jetzt um, was die Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart hat. Das ist ein wichtiger Schritt, um den Schulen zeitnah Unterstützung zu geben. Der Prozess muss jetzt zügig weitergehen, damit die Schulen zeitnah die notwendigen finanziellen Hilfen erhalten.

Wenn wir mal ehrlich sind, hätten wir das alles viel früher haben können. Wenn man es etwas zügiger angegangen wäre, wenn man die Konnexität anerkannt hätte, dann wäre das Geld heute unter Umständen schon vor Ort. Ich glaube, das hätten den Menschen sehr viel mehr geholfen.

(Beifall von den PIRATEN)

Es gibt einige Regelungen im Gesetzentwurf, die finde ich richtig gut, aber es gibt auch einige Kritikpunkte. Ich finde zum Beispiel, dass die Vergabe des Geldes nach dem Gießkannenprinzip der Sache nicht gerecht wird. Frau Ministerin Löhrmann, Sie haben häufiger gesagt, dass wir in NRW bei der Inklusion an ganz unterschiedlichen Stellen stehen. Die Entwicklung ist ganz unterschiedlich weit fortgeschritten. Da muss man schauen, welche Schule, welche Kommune wie weit ist, und dann muss das Geld dort hin, wo es gebraucht wird. Es einfach auf die Kommunen zu verteilen, egal was dann damit getan wird, halte ich für falsch.

(Beifall von den PIRATEN)

Zum Kostenblock II, den Maßnahmen zur Unterstützung der schulischen Inklusion: Mir ist bewusst, dass das Land hier – rechtlich betrachtet – freiwillige Unterstützung leistet. Dennoch habe ich Sorge, ob die 10 Millionen € ausreichen werden. Ich denke nicht. Hier geht es um Personalkosten, um Schulsozialarbeit, um Psychologen und um den Ausbau des Ganztags.

Die Kosten hierfür werden in den nächsten Jahren garantiert eher steigen. Ich glaube nicht, dass wir da mit 10 Millionen € hinkommen werden. Da braucht man kein Hellseher zu sein, um jetzt schon zu sagen, dass man da wird aufstocken müssen.

Im Ausschuss haben wir über Förderkonzepte und über Modelle wie RTI geredet. Ich weiß, Frau Ministerin, Sie werden sich hüten, solche Konzepte flächendeckend einzuführen. Dann sind wir nämlich sofort wieder bei der Konnexitätsfrage. Aber im Moment wuselt eben jede Schule für sich herum und guckt, was sie machen oder leisten kann; unterschiedliche Konzepte werden getragen.

Ich finde, man muss ganz genau prüfen, wohin das Geld tatsächlich fließen muss. Mittelfristig, wenn alle Schulen Konzepte haben, glaube ich, dass wir viel mehr Geld brauchen, um – wie es auch Frau Gebauer sagte – die Inklusionsassistenten und weiteres Personal zu bezahlen. Da sind 10 Millionen € ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ich möchte noch etwas Positives herausstellen – das ist ein bisschen untergegangen –, und zwar steht das hinten im Gesetzentwurf. Das Land sieht eine Bundesratsinitiative vor, welche die Bündelung von Integrationshelfern mit der Poolbildung an Schulen nach dem SGB VIII und XII erleichtert.

Wir sprechen also darüber, dass nicht wie jetzt ein Integrationshelfer nur für einen Schüler da ist, sondern dass er für mehrere Schüler tätig sein kann. Das finde ich ganz hervorragend, und ich finde es toll, dass die Kommunen diesen Weg mitgehen. Nur, wir stehen wieder vor dem gleichen Problem: Es geht jetzt los. in 2014, es muss jetzt schnell gehen, es muss jetzt etwas passieren.

Das zweite Problem ist: Wenn es darum geht, dass ein Schüler Unterstützung durch einen Integrationshelfer bekommt, dann sind das Verfahren, die oft über ein Jahr dauern. Eltern sind verzweifelt und wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen. Kollegen haben überhaupt keine Ahnung, wie sie dabei unterstützend tätig werden können, weil sie nicht wissen, was für Gutachten sie eigentlich schreiben müssen, damit das Kind den Anspruch erhält.

Ich befürchte, dass da wieder ein bürokratisches Monster aufgebaut wird. Deshalb möchte ich darum bitten, dass man, wenn man es denn beschließt, dafür sorgt, dass klar definiert wird, welcher Schüler einen Anspruch hat, wie er ihn durchsetzen kann und wie die Lehrer Unterstützung erhalten können. Da sehe ich auch Sie, die Landesregierung, in der Pflicht, für entsprechende Informationen und für Fortbildung zu sorgen, damit die Lehrer in der Lage sind, helfend einzugreifen.

Wir respektieren die Vereinbarung mit den Kommunen. Wir sind dafür, dass das Ganze jetzt schnell in den Ausschuss geht, damit endlich etwas passiert. Jeder Tag, an dem nichts geschieht, ist ein verlorener Tag. Das ändert nichts an unserer grundsätzlichen Kritik am 9. Schulrechtsänderungsgesetz. Trotzdem sagen wir: Ab in den Ausschuss damit, zügig beraten und dann umsetzen. – Danke sehr.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Löhrmann das Wort.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht verwundern, dass die Landesregierung den von den Fraktionen von SPD und Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion ausdrücklich begrüßt.

Dieser Gesetzentwurf dient der Umsetzung der in den gemeinsamen Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden erzielten Ergebnisse über die Beteiligung des Landes an den kommunalen inklusionsbedingten Kosten. Es ist schon gesagt worden, ja, wir haben das Parlament umfänglich darüber unterrichtet.

Immerhin, Frau Pieper: Zum Zeitablauf: in der letzten Sitzung vor Ostern berichtet, heute, am ersten Plenartag nach der Osterpause, erste Lesung – ich glaube, schneller ging es nicht. Wir wollten dafür ja keine Sondersitzung in den Osterferien durchführen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit der Vorlage dieses Regelwerkes erfüllt die Landesseite das Versprechen, das sie den kommunalen Spitzenverbänden gegenüber gegeben hat, und schafft für die getroffenen Vereinbarungen Rechtssicherheit, und zwar auch für die Leistungen, die wir ausdrücklich als freiwillige Leistungen bereitstellen. Zugleich bekräftigt die Landesseite bewusst nochmals den gefundenen Kompromiss und signalisiert der kommunalen Familie damit Verlässlichkeit. Wir halten Wort.

Die 175 Millionen €, die wir mit diesem Gesetz zur Unterstützung der Kommunen aufwenden, sind ja längst nicht alles, was das Land für die Inklusion in Nordrhein-Westfalen investiert.

Ich nenne die Daten noch einmal:

Es sind 750 Millionen € für zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer. Es sind 100 Millionen € für Sonderpädagogik, für Fortbildung und für Weiterqualifizierung. Das ist ein umfassendes Gesamtkonzept. Insgesamt liegen wir mit den Aufwendungen bei über 1 Milliarde €. Andere Bundesländer würden sich wünschen, so systematisch daran zu gehen. Das können wir mit Fug und Recht behaupten.

Frau Scharrenbach, noch einmal: Die Integrationshelfer oder Inklusionshelfer, auf die die Kinder individuell einen Anspruch haben, gehen auf das Bundessozialgesetz zurück. Sie gehen nicht auf das Schulrecht zurück. Deswegen können wir hier keine Verpflichtung eingehen. Das sieht im Übrigen die Kollegin Kurth in Sachsen genauso. Das sieht der Kollege Spaenle in Bayern genauso, und das sieht auch der Kollege Lorz in Hessen genauso. Fragen Sie die doch einmal. Mit all denen ringen wir darum, von Bundesseite hier eine Beteiligung zu erhalten oder eine andere Lösung zu finden. Das würde die Kommunen entlasten und die Verantwortlichkeit klarmachen.

Für das, was auf das Sozialgesetzbuch des Bundes zurückgeht, können wir als Land nicht in die Verantwortung gehen. Das wäre unverantwortlich und nicht sachgerecht. Das machen wir in anderen Fällen auch nicht, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will ein Weiteres sagen: In den letzten Jahren ist viel passiert. Das ist passiert, weil wir trotz der Auseinandersetzung um diese Frage schon immer eine im Grundsatz sehr gute Kooperation mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Kommunen bei der Umsetzung der Inklusion hatten und auch weiterhin haben werden. Sonst wäre doch gar nicht erklärlich, dass wir im laufenden Schuljahr – wie heute Morgen von IT.NRW veröffentlicht – inzwischen 30 % der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen haben. Obwohl das Gesetz noch gar nicht gilt, haben wir schon diese hohe Zahl erreicht.

Sie wollen ja immer die Regierung treffen, aber Sie würden die Menschen treffen, die das jetzt schon vor Ort tun. Für die Qualität sorgen die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen, und für die Qualität sorgen schon jetzt die Kommunen. Wir sollten froh sein, dass sie das alles schon auf den Weg gebracht haben, nicht nur in den letzten Jahren, sondern schon ganz lange. Denn das gemeinsame Lernen hat in Nordrhein-Westfalen eine über 30?jährige Tradition. Denn: Wir fangen nicht bei null an. Die Eltern würden das gemeinsame Lernen doch nicht für ihre Kinder wählen, wenn sie nicht davon überzeugt wären, dass es gut ist.

Also: Bitte nach vorne schauen und sich nicht an etwas abarbeiten, was nicht einmal gesagt worden ist, um das irgendwie zu kritisieren, weil man das Haar in der Suppe finden will.

Meine Damen und Herren, der Anpassungsprozess und der Umsetzungsprozess laufen. Alle Beteiligten arbeiten daran. Ich appelliere an die Opposition – CDU, FDP –, konstruktiv mitzugehen. Die Piratenfraktion hat das immer getan. Es geht um die Kinder, für die wir das gut gestalten wollen. Daran sollten wir alle mitwirken. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung dieses guten Ergebnisses für unsere Kommunen und für die Kinder in den Schulen. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe somit die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/5751 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

5   Effektiver Nichtraucherschutz: Toleranz und Akzeptanz statt Bevormundung und Ideologie

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5753

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5871

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende FDP-Fraktion Frau Kollegin Schneider das Wort.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gesundheit wird als ein wichtiges und in vielen Belangen und Bereichen schützenswertes Gut angesehen. Für mich und die FDP-Fraktion im Landtag gelten aber auch immer die Prinzipien des Rechts auf freie Entfaltung des Einzelnen und das Prinzip der Eigenverantwortung, und zwar in allen Politikbereichen – auch in der Gesundheitspolitik.

Genau auf diesen Prinzipien der Eigenverantwortung, der Entfaltung des Einzelnen – des Kneipengängers und des Kneipiers gleichermaßen – gründete das Nichtraucherschutzgesetz der schwarz-gelben Landesregierung. Es fand einen sinnvollen und geachteten Ausgleich zwischen dem Wunsch vieler Menschen, nach Feierabend in der Stammkneipe an der Ecke eine Zigarette zu rauchen, und den berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die im Restaurant ihr Essen ohne lästigen Zigarettengestank genießen wollten.

Niemand stellte ernsthaft diese bewährte Regelung infrage – niemand, bis zu den Zeitpunkt, an dem die personifizierten Moralapostel, also die grüne Landtagsfraktion, ein rigoroses Antirauchergesetz in Nordrhein-Westfalen durchboxen wollten, auch gegen Widerstände beim roten Koalitionspartner.

Dass die Politik des erhobenen Zeigefingers Ihnen – den Kolleginnen von Bündnis 90/Die Grünen – gehörig auf die Füße gefallen ist, scheinen einige Ihrer Berliner Kollegen mittlerweile schon festzustellen.

(Zuruf von der SPD)

Trotzdem kann man sich nur die Augen reiben, wenn dieselben Personen, die noch vor einem halben Jahr massiv an der Steuer- und Abgabenschraube drehen und unser Land mit einer Verbotswelle überziehen wollten, nun in einem Parteileitpapier verkünden, dass Freiheit grün sei. Das Rauchen gehört dazu natürlich nicht, wohl aber, wie vom Spitzenpersonal der Grünen im Bund gefordert, der Konsum von Cannabis, der flächendeckend legalisiert werden soll. Alles nachzulesen auf Ihrer Homepage.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, nach Verabschiedung Ihres Nichtraucherschutzgesetzes haben sich unglaublich viele Menschen an mich gewandt, die wie ich die Novellierung für völlig unverhältnismäßig und überzogen halten. Die traditionelle Kneipenkultur wird in Gefahr gesehen. Wirte berichten mir von empfindlichen Umsatzeinbußen. Auch die DEHOGA verzeichnete schon kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes ein Kneipensterben. In meiner Heimatstadt schloss bereits wenige Wochen nach Inkrafttreten dieses Rauchverbots die erste Eckkneipe. Dies alles drückt eine Tendenz aus.

Gerade deshalb fordern wir in unserem Antrag, dass die Landesregierung nun endlich eine umfassende Evaluierung ihres Nichtraucherschutzgesetzes auf den Weg bringen muss.

(Beifall von der FDP)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, eine aktuelle und repräsentative Umfrage aus den letzten Tagen ließ aufhorchen: 63 % der Befragten würden das ausnahmslose Rauchverbot in Kneipen ablehnen.

Frau Ministerin Steffens, in Ihrer Rede vom 21. Juni 2013 berichteten Sie stolz, dass in einer Umfrage der Zuspruch für Ihr rigoroses Gesetz bei 82 % läge.

(Ministerin Barbara Steffens: Genau!)

Was zeigt uns das? – Entweder war die von Ihnen zitierte Umfrage falsch oder die Unterstützung für Ihre Regelung lässt rapide nach.

Es wird also Zeit, dass Sie sich aufmachen und prüfen, ob Ausnahmen vom Rauchverbot in Einraumkneipen oder Festzelten nicht doch wünschenswert sind.

(Beifall von der FDP)

Denn in derselben Rede hatten Sie in der Erwiderung auf meinen Fraktionschef Christian Lindner ja eine Evaluation nach einem Jahr angeboten.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, es ist zweifellos Aufgabe des Staates, politische Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen vor gesundheitlichen Risiken geschützt werden. Ausdruck gesellschaftlicher Liberalität muss es aber auch sein, unseren Bürgern und Bürgerinnen möglichst große Freiräume in der persönlichen Entfaltung zu geben.

Es ist und bleibt richtig, das Rauchen in öffentlichen Gebäuden, zum Beispiel in Krankenhäusern, Schulen usw., zu untersagen. Hier hat man keine Wahl, ob man eintreten möchte oder nicht.

In einer Eckkneipe sieht es da schon anders aus. Hier suchen die Menschen Entspannung und Geselligkeit mit oder ohne Zigarette. Niemand wir hier einen Kindergeburtstag feiern oder eine Krabbelgruppe veranstalten. An der Tür steht oder vielmehr stand: Hier wird geraucht. – Jeder konnte selbst entscheiden, ob er diese Kneipe betritt oder nicht.

Jetzt rauchen die Menschen vor der Tür unter Heizpilzen. Aber die wollen Sie ja auch noch verbieten.

Warum soll es solche Eckkneipen nicht mehr geben, Frau Ministerin? Warum entzieht man hier Wirten, die jahrelang brav ihre Steuern gezahlt haben, ihre Existenzgrundlage?

In anderen gesundheitspolitischen Debatten kämpfen Sie stets für den mündigen Patienten. Durch Ihr Nichtraucherschutzgesetz, durch das rot-grüne Bevormundungsgesetz, wird allerdings das Gegenteil erreicht: die Entmündigung vieler Bürgerinnen und Bürger.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Liberale wollen keinen Staat, der uns vorschreibt, was wir wann zu essen haben, wann wir Auto fahren dürfen oder wann wir was einkaufen sollen. Sprich: Wir wollen keinen Staat, der vorschreibt, wie wir unser Leben zu leben haben. Getreu dem Motto „Verbote verbieten“ stehen wir Liberale für die tolerante Bürgergesellschaft und für das Recht auf Selbstbestimmung. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Yüksel das Wort. Bitte schön.

Serdar Yüksel (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Schneider, ich freue mich, dass Ihre Fraktion dieses Thema rund ein Jahr nach der Verabschiedung der Novellierung des Nichtraucherschutzgesetzes heute wieder auf die tagespolitische Agenda stellt. Ich habe auch vollstes Verständnis dafür, dass Ihre Partei bei den derzeitigen Umfrageergebnissen versucht, sich nach jedem Strohhalm zu recken. Aber eines können Sie mir glauben: Ihr Ritt auf diesem toten Pferd wird Ihnen kurz vor der Kommunal- und Europawahl wenig nützen. Ihre Argumentation war damals falsch, und sie bleibt auch jetzt falsch.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bevor ich auf den Inhalt Ihres Antrages eingehe, lassen Sie mich erst einmal mit den Formalien beginnen. Und das ist auch noch der gute Teil. Mit Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes 2013 hat das MGEPA doch zugesagt, die Auswirkungen der Gesetzesnovellierung nach einem Jahr zu überprüfen. Von daher weiß ich überhaupt nicht, was Ihr Vorstoß hier soll. Er ist schlichtweg überflüssig.

Vor einem Jahr hat der Landtag endlich die Grundlagen für einen adäquaten Schutz von Nichtrauchern in Gaststätten und Kneipen geschaffen.

Das Nichtraucherschutzgesetz von 2007 war ein erster wichtiger Anfang, allerdings von Anfang an lückenhaft. Wir sehen es als unsere Pflicht an, Menschen vor den Gefahren des aktiven und passiven Rauchens zu schützen.

Das, was die FDP, liebe Frau Schneider, beschwört 2– hier möchte ich auf den inhaltlichen Aspekt eingehen –, sind Floskeln aus einer uralten Ramschkiste.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was sind denn die Alternativen zu einem Nichtraucherschutzgesetz? Die Rückkehr zu undurchsichtigen Ausnahmeregelungen, die dann in jedem Bundesland anders aussehen? Nein, die Regierungskoalition aus SPD und Grünen wird sich nicht wieder an der Schaffung eines undurchsichtigen gesetzlichen Flickenteppichs beteiligen, zumal sich die Frage stellt, wer die effiziente Durchsetzung der Verbote und deren Kontrolle organisieren soll bei diesem Flickenteppich. Die Kommunen jedenfalls können eine solche Mehrbelastung nicht tragen.

Nichtraucher, die sich hier effektiv um ihre Gesundheit sorgten, blieben vor der Novellierung nur zwei Möglichkeiten: Entweder man beschwert sich und wird als Denunziant gebrandmarkt oder man lässt es. Sie sprechen davon, dass die Landesregierung die Menschen gegeneinander ausspielt. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Eine neulich veröffentlichte Studie der Gesellschaft für Konsumforschung hat ergeben, dass sich fast 82 % der Bundesbürger für ein striktes Rauchverbot in Gaststätten aussprechen. Selbst eine klare Mehrheit der Raucher von 60 % ist für ein Rauchverbot in Gaststätten. Im neuesten NRW-Trend sprechen sich 62 % der Bürgerinnen und Bürger für unser Nichtraucherschutzgesetz in Gaststätten aus. So viel zu Ihren Umfragen, die Sie präsentiert haben. „Westpol“ hat am Sonntag eine andere Umfrage präsentiert.

Selbst – liebe Frau Schneider, das sollte Sie aufhorchen lassen – 77 % Ihrer Parteianhänger befürworten einen konsequenten Nichtraucherschutz in Kneipen. Da fragt man sich doch, für wen Sie hier eigentlich Politik machen. Anscheinend nicht für Ihre Partei und definitiv nicht für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Klar ist: Wir machen Politik für alle Menschen in diesem Land. Was die FDP hier als Freiheit des Verbrauchers anpreist, erleben die meisten Konsumenten als das, was es ist, eine Abhängigkeit, die schwerwiegende Folgen für die eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer Menschen hat. Die schädliche Wirkung von Passivrauchen ist hinlänglich bekannt und erforscht und wird hoffentlich von Ihnen auch nicht angezweifelt werden, Frau Schneider. Wenn doch, dann empfehle ich der FDP-Fraktion ein Seminarwochenende am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Da können Sie die schrecklichen Folgen dieses Giftcocktails eingehend mit den dortigen Expertinnen und Experten diskutieren.

Nicht zuletzt muss das Nichtraucherschutzgesetz immer wieder als Sündenbock für die Umsatzeinbußen von gastronomischen Betrieben herhalten. Das haben Sie hier, Frau Schneider, gerade auch noch mal gesagt. Dass dieser Vergleich mehr als hanebüchen ist, interessiert Sie nicht im Geringsten. Selbst Thorsten Hellwig von der DEHOGA NRW gab in einem WDR-Interview zu, dass das sogenannte Kneipensterben nicht durch das Rauchverbot bedingt ist. Vielmehr scheint das derzeitige Kneipensterben unvermeidbar. Das Geschäftsmodell der Eckkneipe scheint nicht mehr zukunftsfähig und zieht junge Leute nicht mehr an. Viele Kneipen verändern daher auch ihr Konzept.

Liebe Mitglieder der FDP-Fraktion, es gibt noch Regelungsbedarf im Bereich des WHO-Abkommens zur Eindämmung des Tabakkonsums, das auch Deutschland 2003 unterschrieben hat. Da sind wir sozusagen noch in einem Bereich, in dem dringend Handlungsbedarf herrscht. Sie wissen, einiges müsste noch geregelt werden, wie zum Beispiel Außenwerbung, Zigarettenautomaten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss: Rot-Grün sorgt ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes für einen effektiven Nichtraucherschutz. Ich bin davon überzeugt, dass die Überprüfung des Ministeriums diese positiven Effekte, die auch kommuniziert worden sind, belegt. Der Antrag der FDP ist und bleibt der untaugliche Versuch, ein totes Pferd kurz vor den Wahlen zum Leben zu erwecken. Ihr Antrag ist in der Sache überflüssig und in seinen Forderungen unsachgemäß. Daher lehnen wir diesen Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Kern das Wort.

Walter Kern (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Nach einer WDR-Umfrage finden 62 % der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens das Rauchverbot gut. Als überzeugter Nichtraucher kann ich das nachvollziehen. Als Demokrat empfinde ich Ihr Gesetz als intolerant und bevormundend.

(Beifall von der CDU)

Deshalb kommt der FDP-Antrag zur Evaluation zum richtigen Zeitpunkt.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Seit einem Jahr gibt es den verschärften Nichtraucherschutz in Nordrhein-Westfalen. Die meisten NRW-Bürger sind für Nichtraucherschutz. Das waren sie aber bereits zu Zeiten des Nichtraucherschutzgesetzes der schwarz-gelben Regierung. Auch dieses Gesetz schützte die Nichtraucher wirksam. Das aktuelle Nichtraucherschutzgesetz der derzeitigen Landesregierung ist für mich der sichtbare Beweis für mangelnde Toleranz gegenüber Andersdenkenden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie bevormunden die Menschen Nordrhein-Westfalens und halten nichts von Eigenverantwortung und Verantwortungsübernahme durch die Bürger. Sie vertrauen den Bürgerinnen und Bürgern nicht. Das unterscheidet uns.

Das Nichtraucherschutzgesetz aus der 14. Legislaturperiode war angemessen, ausreichend tolerant gegenüber Rauchern, aber konsequent beim Schutz der Bevölkerung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber es hatte aus Ihrer Sicht den falschen Briefkopf und musste deshalb abgeschafft werden.

Bereits in der damaligen Anhörung zum Gesetz hatte die DEHOGA auf drohende Betriebsschließungen und Umsatzrückgänge hingewiesen. Sie haben diese Hinweise so berücksichtigt, wie es dem Gebaren Ihrer Landesregierung entspricht – gar nicht.

Sie haben diese Einwände unberücksichtigt gelassen und damit Existenzen vernichtet. Mit Genehmigung des Präsidenten zitiere ich Klaus Hübenthal, Hautgeschäftsführer der DEHOGA in Nordrhein-Westfalen:

„Das absolute Rauchverbot hat sich auf viele Betriebe, insbesondere auf die klassische Eckkneipe, verheerend ausgewirkt. War die wirtschaftliche Situation vor Einführung angespannt, ist sie jetzt desolat.“

Kurz: Vielen Kneipen ging es vor dem Gesetz nicht gut, und Sie haben ihnen den Todesstoß versetzt. Gerade im dörflichen Bereich geht durch den Verlust von kleinen Gaststätten ein Stück Kultur und Heimat verloren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Gäste, die sich regelmäßig nach Feierabend freundschaftlich treffen, um bei Doppelkopf, Bier, Dart oder Übertragung der Bundesliga und einer Zigarette zu entspannen, haben seit der Gesetzesverschärfung dazu kaum noch Möglichkeiten.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das stimmt nicht!)

Ihr Verfahren ist inzwischen bei Anhörungen konsequent so, dass Sie sagen: All das, was die Experten sagen, mag zwar stimmen, aber wir sehen das anders.

Ich will noch einmal festhalten: Zum aktiven Nichtraucherschutz gibt es keine Alternative. Wir von der CDU sind der Überzeugung, dass unser Nichtraucherschutzgesetz die Eckkneipe, den dörflichen Treffpunkt erhalten hätte und ein tolerantes Miteinander gefördert hat.

(Beifall von der CDU)

Das, meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, ist jetzt nicht mehr der Fall. Die Wahrheit ist, dass 80 % der Wirte in Nordrhein-Westfalen an Umsatzeinbußen leiden und bei über 60 % von bedeutsamen Rückgängen gesprochen werden muss.

Ich will daran erinnern, dass bei der seinerzeitigen Abstimmung selbst 18 SPD-Abgeordnete schriftlich ausdrücklich begründet haben, dass ihnen das Gesetz zu weit geht. Hieran erkennt jeder, wer bei Ihrem Regierungshandeln die Federführung hat: Grün. Deshalb kann ich heute festhalten, dass wir keine rot-grüne, sondern eine gron-rüte,

(Heiterkeit)

eine grün-rote Landesregierung haben.

Der Antrag der FDP fordert unmittelbar eine Evaluierung des Nichtraucherschutzgesetzes.

Er fordert die Rückkehr zu begründeten Ausnahmen, um weitere Existenzvernichtungen zu vermeiden.

Er fordert zum Dritten eine Befristung des Gesetzes und eine Evaluierung.

Das unterstützen wir. Vor einer Überprüfung des Gesetzes sollte niemand Angst haben. Deshalb sollten auch die Regierungsfraktionen Ja zu einer Evaluation sagen. Selbst wenn Sie diese Evaluierung heute ablehnen, werden wir das wohl 2017 machen können, da Ihre Gesetze in letzter Zeit nicht mehr tragfähig sind.

Ich komme zum Schluss. Zwei Dinge stehen fest: Rauchen schadet der Gesundheit, Grün-Rot dem Land. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Abgeordneten Ünal das Wort.

Arif Ünal (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, trat das neue Nichtraucherschutzgesetz am 1. Mai 2013 in Kraft, da das alte Gesetz mit vielen Ausnahmeregelungen keinen ausreichenden Schutz vor den gefährlichen Auswirkungen des Passivrauchens bot. Dabei ging es nie darum, wie es die Opposition der Landesregierung immer wieder gebetsmühlenartig unterstellt, die Menschen zu bevormunden und das Rauchen gänzlich zu verbieten, sondern die Bevölkerung in öffentlich zugänglichen Räumen wie Gaststätten vor dem Passivrauchen und seinen gesundheitlichen Folgen zu schützen.

In dem Antrag der FDP steht unter anderem die Forderung an die Landesregierung, das Gesetz rückgängig zu machen und erneut Ausnahmeregelungen zuzulassen. Ich weiß, dass wir die Opposition nicht mit Argumenten überzeugen können. Aber ich möchte noch einmal versuchen, Ihrem Antrag mit Argumenten zu begegnen, warum das nicht notwendig ist.

Vor der Novellierung des Gesetzes wurde das Rauchverbot häufig ignoriert oder durch geschicktes Nutzen von Ausnahmeregelungen umgangen, sodass man kaum von einem funktionierenden Nichtraucherschutz sprechen konnte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Vorwurf, dass das Gesetz angeblich nicht verfassungskonform ist, ist nicht haltbar. Mit seiner Entscheidung im Jahre 2010 hat das Bundesverfassungsgericht den ausnahmslosen Nichtraucherschutz als verfassungskonform bestätigt.

Deshalb forderten auch damals sehr viele Wirtinnen und Wirte, eine Gesetzgebung einfach, lückenlos und konsequent umzusetzen, um damals vorhandene Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der vorliegende Antrag problematisiert darüber hinaus, wie Sie auch eben erwähnt haben, Umsatzeinbußen und Kneipensterben.

Ich versuche noch einmal, Sie mit den Zahlen zu überzeugen. Die Auswertung der amtlich erhobenen Daten von IT – das soll man jetzt nicht sagen, das habe ich heute Morgen gelernt – IT.NRW über den Umsatz in der getränkeorientierten Gastronomie ergaben nämlich keinerlei Hinweise auf generelle Umsatzeinbußen durch das Nichtraucherschutzgesetz.

Im ersten Quartal 2013 betrug der durchschnittliche Umsatzrückgang 4,85 %. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes reduzierte sich dieser Rückgang sogar minimal auf 4,61 %. Daran wird deutlich, dass der Umsatzrückgang in der getränkeorientierten Gastronomie eben nicht mit dem Nichtraucherschutzgesetz zu tun hat; vielmehr ist der Umsatz in den letzten zehn Jahren rückläufig. Das muss man einfach akzeptieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher ist mittlerweile zu einem wichtigen Anliegen aller Menschen in unserem Land geworden. Viele Kollegen haben erwähnt, dass 62 % der Bevölkerung in NRW für ein konsequentes Nichtraucherschutzgesetz sind.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich noch einmal so wie bereits in meiner Rede am 29.11.2012 auf einen Appell des ehemaligen gesundheitspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, des jetzigen Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Henke, verweisen. Er sagte – ich zitiere –: Die nordrhein-westfälischen Ärztekammern

„appellieren an die Abgeordneten sämtlicher im Landtag vertretenen Parteien, gemeinsam für ein Rauchverbot ohne Ausnahmen zu stimmen. Tragen Sie dazu bei, dass das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands vom Schlusslicht zum Vorreiter bei der Prävention des Passivrauchens wird. Ein ‚Gesundheitsland NRW‘ gibt es nur bei einem konsequenten Nichtraucherschutz.“

Zitatende.

Deshalb werden wir als grüne Fraktion den Antrag der FDP und auch den Änderungsantrag der Piraten ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Schmalenbach das Wort.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer! „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“ – Das ist wohl der treffendste Satz, wenn es um Umfragen und Statistiken zum Nichtraucherschutzgesetz geht. Emotional aufgeladen, hoch manipulativ ist quasi alles, was man dazu vernehmen kann.

So geht die DEHOGA mit ihren Zahlen zu ihren Umfragen und Statistiken hausieren ebenso wie es die Grünen mit einer Umfrage von infratest dimap tun, die zu einem komplett gegenteiligen Ergebnis kommen. Man kommt nicht umhin, zu der Erkenntnis zu gelangen: alles Quatsch!

Die Frage ist doch: Wen frage ich bei solchen Umfragen, oder besser noch, wen sollte ich denn fragen? Denn abhängig davon, wen ich befrage, erreiche ich das Ergebnis, das ich mir gewünscht habe. Oder wie ich eingangs sagte: Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!

Fragen Sie die Betroffenen, also die Menschen, die Kneipen regelmäßig besuchen! Fragen Sie doch dort! Fragen Sie gleich viele Raucher wie Nichtraucher, oder fragen Sie von mir aus statistisch angemessen ein Drittel Raucher und zwei Drittel Nichtraucher. Dann schauen wir einmal weiter. Bis dahin halten wir uns besser alle zurück mit interessengesteuerten Umfragen. Denn diese Umfragen sind alles, aber nicht repräsentativ für die Gastronomie.

Was hat uns das Nichtraucherschutzgesetz gebracht? Die DEHOGA sagt, Umsatzeinbußen bei 81 % aller Gastwirte. Sie legt zudem weitere Zahlen vor, die dem Gesetz aus Sicht der Gastwirte keine gute Note bescheinigen. Aber auch hier gilt: Ich wüsste es gerne konkret. Ich wüsste sehr gerne ganz genau, was das neue Nichtraucherschutzgesetz wirklich gebracht hat. Deswegen kann man dem Antrag der FDP nur zustimmen.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Dies nicht zu tun, bedeutet: Man will die Wahrheit gar nicht wissen. Man will lieber in seiner eigenen Info-Bubble rumschwimmen und die Augen vor der Realität verschließen. Der Antrag hat uns gut gefallen. Wir werden ihm zustimmen.

Leider wollte die FDP uns nicht dabei haben, was ich schade finde. Sei es drum, dann halt nicht. Dabei hätten wir gerne das fehlende Element, nämlich die E-Zigarette, nachgetragen, was wir nun mit unserem Änderungsantrag versuchen. Die E-Zigarette hat Rot-Grün letztes Jahr schwuppdiwupp einfach dazugepackt – ohne jeden Beleg, ohne jeden ersichtlichen Grund, einfach weil man das kann, denn: Man ist ja Regierung.

Entschuldigung, ich muss da fragen, liebe SPD: Gegen was habt ihr das Nichtraucherschutzgesetz im Tausch eigentlich ausgekungelt? Ich hoffe, es war wirklich etwas Großes. Denn die Menschen, die sich bevormundet fühlen, sehen da nicht nur die Grünen, sondern auch und vor allem die SPD, die das mitgetragen hat.

(Zuruf von der SPD)

– Nicht alle von euch. – Bei denen, die sich bevormundet fühlen, bilden die Dampfer eine Fraktion von Menschen, die sich sehr genau mit ihren Dampfern auseinandergesetzt haben und das Verbot in die gleiche Liga schieben wie den Globuli-Eso-Kram. Die packen sich draußen an den Kopf und fragen sich, welche Fähigkeiten man als Politiker wohl haben muss oder auf wie viele Fähigkeiten man locker verzichten kann. Ich kann Ihnen sagen: Das Ergebnis sieht nicht gut aus für die Politik. Schauen Sie sich in diesen Kreisen einmal um!

Viele Dampfer haben die Zigaretten zum großen Teil oder ganz weggepackt und freuen sich darüber, dass Sie sich und ihrer Umwelt weniger schaden und dass sich die Nichtraucher in ihrer Umgebung selten bis gar nicht daran stören.

Bitte beenden Sie diesen Feldzug gegen die E-Zigarette! Kommen Sie zurück zu belegbaren Fakten und nehmen Sie die Anträge an! – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Steffens das Wort.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele der Redebeiträge – das sage ich gerade auch in Ihre Richtung, Herr Kern – hake ich einfach einmal unter dem Motto „Wahlkampf“ ab; denn ich glaube, Sie selbst wissen, dass von dem, was Sie gesagt haben, erstens verdammt viel nicht stimmt. Zweitens würden Sie, wenn Sie auf Ihre eigenen Experten hören würden, zu einer ganz anderen Meinung kommen. Auch das, was Sie am Ende polemisch gesagt haben, könnte ich umdrehen und, bezogen auf den Gesundheitsschutz, genauso polemisch antworten. Ich glaube nur, dass wir damit nicht weiterkommen.

Vorab eines: Betreffend Umfragen und das, was repräsentativ ist, gibt es klare Regeln. Ich glaube, dass wir mit der Umfrage von infratest dimap, die im Auftrag des WDR durchgeführt worden ist, mit Blick auf eine Stelle, Herr Kern, ganz klar eine andere Botschaft als die erhalten haben, die Sie hier vorgetragen haben.

Seit einem Jahr gilt dieses Nichtraucherschutzgesetz. Die Frage war nicht: Wollen Sie einfach einen Nichtraucherschutz? Vielmehr lautete die Frage: Finden Sie dieses strenge Nichtraucherschutzgesetz gut oder nicht gut? Zu dieser im Rahmen der Umfrage gestellten Frage, ob dieses strenge Gesetz gut ist, haben 62 % geantwortet: Ja, wir finden es gut. Damit ist klar, dass es hier nicht um eine grüne, rot-grüne oder irgendeine andere Ideologie geht, sondern die Mehrheit der Bevölkerung wollte Ihr Gesetz nicht, weil es lückenhaft war und die Menschen nicht geschützt hat. Die Mehrheit wollte ein starkes, strenges und wirklich effektives Nichtraucherschutzgesetz.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen ist es egal, ob Sie oder Frau Schneider immer wieder das Mantra „Verbotspartei“ vor sich hertragen. Das machen Sie ja gerne.

Beim Verbieten hängen Sie Ihr Fähnchen im Übrigen immer nach dem Wind. Wir hatten gerade jetzt mit Ihrer Partei – und vorher auch mit der FDP – eine Diskussion bezüglich der Pille danach. Dabei ging es gar nicht darum, ob die Gesellschaft gefährdet wird, sondern darum, dass die Frauen in Deutschland das gleiche Recht wie die Frauen in den meisten europäischen Ländern bekommen sollen. Dazu sagen Sie: Nein, das dürfen die nicht. Die Verbotspartei sind also in ganz vielen Fragen Sie. Auch an anderer Stelle verbieten Sie Menschen den gleichberechtigten Zugang zu Partnerschaften und allem Möglichen. Deswegen sollten wir, finde ich, bei der Sache bleiben und nicht immer versuchen, mit solchen Mantras vom Inhalt abzulenken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben auch da eben wieder – da wird völlig durcheinander argumentiert – völlig abstruse Zahlen gehört. An verschiedenen Stellen haben Sie eben wieder in dieser Weise versucht darzulegen, wie das mit dem angeblichen Kneipensterben ist.

Herr Kern, Sie können Statistiken lesen und sich über Hintergründe informieren. Gucken Sie sich das im Ernst an: Die DEHOGA hat bei ihren 40.000 Mitgliedern eine Abfrage durchgeführt. Davon haben 3 % geantwortet. Was heißt es denn, wenn nur 3 % antworten und alle anderen nicht? Von diesen 3 % sagen 81 %, sie hätten Probleme mit den Einnahmen. Alle anderen sagen das nicht. Das heißt, 97 % sahen es noch nicht einmal für notwendig an, zu antworten. Deswegen auch da: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

IT.NRW hat noch einmal Zahlen vorgelegt. 2004 gab es einen Umsatzrückgang von 5,79 %. Vor dem konsequenten Nichtraucherschutz – also bei Ihrem Gesetz – gab es einen Umsatzrückgang von 4,85 %. Jetzt, mit dem konsequenten Gesetz, gibt es einen Umsatzrückgang von 4,61 %. Wenn ich jetzt andersherum so polemisch argumentieren würde wie Sie, würde ich sagen: Der Umsatzrückgang hat sich verringert, seit wir einen konsequenten Nichtraucherschutz haben. Das wäre aber genauso falsch wie Ihre Argumentation; denn der Umsatzrückgang entsteht durch andere Dinge wie unser verändertes gesellschaftliches Verhalten.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Ministerin, entschuldigen Sie bitte. Würden Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Schneider zulassen?

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Aber klar.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bitte, Frau Kollegin.

Susanne Schneider (FDP): Frau Ministerin, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben jetzt unterschiedliche Zahlen präsentiert. Die einen sind Ihrer Meinung nach gut, die anderen schlecht. Warum folgen Sie dann nicht einfach dem FDP-Antrag und sagen: Wir führen eine vernünftige Evaluation durch, wie Sie es am 21. Juni letzten Jahres zugesagt haben? – Danke.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Noch einmal: Da habe ich keine Evaluierung zugesagt. Das kann man gerne hin- und herdrehen. Vielmehr habe ich gesagt: Wir werden das überprüfen. Das haben wir auch gemacht, Frau Schneider.

Wir haben diejenigen, die vor Ort für die Umsetzung dieses Gesetzes verantwortlich sind, gefragt, wie hoch die Akzeptanz ist und wie die Umsetzung erfolgte. Das heißt: Wir haben bei den Bezirksregierungen die vor Ort gesammelten Ergebnisse abgefragt.

Das Ergebnis dieser Abfrage sagt ganz deutlich, dass die Akzeptanz überwiegend sehr groß ist und dass wir an der Stelle kaum noch Probleme mit dem Nichtraucherschutzgesetz haben.

Und wir haben sämtliche Daten, die mittlerweile vorliegen, ausgewertet. Deswegen halten wir eine Evaluierung für überflüssig. Dabei würde letztendlich auch nichts anderes herauskommen als die uns von IT.NRW präsentierten Zahlen und die Antworten, die wir von den Bezirksregierungen haben. – Wir haben die Überprüfung also durchgeführt.

Wir haben auch noch andere Bewertungen und Auswertungen zu dieser Einjahresbilanz. So haben Sie in den vorherigen Debatten zum Beispiel die Auswirkungen auf den Karneval und die Brauchtumsveranstaltungen in Grund und Boden geredet und prophezeit, durch den Nichtraucherschutz würde insofern nichts mehr funktionieren.

Die erste Karnevalssaison brachte selbst aus Sicht der DEHOGA eine positive Bilanz. Das heißt, all das, was an Schwarzmalerei vorhanden war, hat sich letztendlich in der Praxis nicht bewahrheitet. Vielmehr ist die Bilanz überwiegend positiv.

Klar ist, dass diejenigen, die mit einer Eckkneipe vor Ort – da brauchen wir die Probleme auch nicht wegzureden – Umsatzeinbußen haben – bei denen findet vielleicht, wie von der DEHOGA formuliert, die Beschleunigung eines negativen Prozesses statt –, sich beschweren und dieses Gesetz weiterhin rückgängig machen wollen.

Wir aber als Regierung und Sie als Parlament sind doch dafür verantwortlich, die unterschiedlichen Interessen gegeneinander abzuwägen.

Sehen wir uns die aktuellen Studien an. Am 28.03. gab es eine dpa-Meldung zu einer internationalen Studie. Diese Studie kann auch abgerufen werden. Sie ergab, dass es seit der konsequenten Rauchverbote bzw. des konsequenten Nichtraucherschutzgesetzes weniger Frühgeburten, weniger Asthmaerkrankungen und andere Erkrankungen bei Kindern sowie weniger Herzinfarkte und Angina-Pectoris-Fälle gibt. Daher frage ich Sie im Umkehrschluss, ob Ihnen das alles völlig egal ist.

Eingangs habe ich gesagt, Herr Kern: Wenn ich genauso polemisch wie Sie argumentieren würde, könnte ich sagen, dass Ihnen all diese positiven Auswirkungen – zum Beispiel Rückgang der Frühgeburten und der Herzinfarkte – des konsequenten Nichtraucherschutzes völlig egal sind. Ich unterstelle Ihnen das nicht. Genauso erwarte ich, dass Sie Ihre Unterstellungen vielleicht ein Stück weit zurücknehmen; denn auch Sie müssen die Interessen der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalens vertreten.

Denn: 62 % der Bevölkerung – Sie haben es eben noch einmal vom Kollegen Yüksel gehört; das betrifft auch die Menschen, die Ihre Partei und Sie gewählt haben und die Sie vertreten – wollen einen konsequenten Nichtraucherschutz.

Vielleicht erinnern Sie sich einmal an Ihr Gesetz. Wegen dieses Gesetzes ist, weil es nicht dem Gesundheitsschutz entsprach, sogar ein Staatssekretär zurückgetreten. Von daher würde ich an Ihrer Stelle wieder zu den Inhalten zurückkommen. Vielleicht finden Sie dann zu einer anderen Position. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Redezeit um eine Minute 26 Sekunden überzogen. Ich darf deshalb fragen, ob es weitere Wortmeldungen vonseiten der Fraktionen gibt. – Das sehe ich nicht. – Dann schließe ich die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Erstens stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 16/5871. Ich darf fragen, wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte. – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt gegen den Antrag? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. – Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/5871 abgelehnt.

Ich lasse – zweitens – über den Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/5753 abstimmen. Die antragstellende FDP-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen deshalb über den Inhalt des Antrags ab. Wer dem FDP-Antrag seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von FDP, CDU und Piraten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Stimmenenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der 0Antrag Drucksache 16/5753 mit dem festgestellten Ergebnis abgelehnt.

Ich schließe die Aussprache und Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 5 und rufe auf:

6   Einführung von Kumulieren und Panaschieren im Kommunalwahlrecht

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5500

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Sommer das Wort. Bitte sehr.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, wer glaubt, den Saal jetzt unbedingt verlassen zu müssen, der möge das doch bitte absolut geräuscharm tun, damit wir in der Debatte fortfahren können. Herr Kollege Sommer, Sie haben das Wort.

Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, schade, dass Sie gehen, denn wir kommen jetzt zu einem sehr spannenden Thema, nämlich einem bisschen Fortentwicklung unserer Demokratie im Kommunalen. Es würde uns allen ganz guttun, dabeizubleiben. Aber, das Essen ruft. Das kenne ich.

(Zurufe von der SPD – Ministerin Barbara Steffens: Immer wenn der kleine Hunger ruft!)

– Ich denke, die Kollegen sind auf dem Weg zum Essen. Ich hoffe doch wenigstens.

(Weitere Zurufe)

– Also haben die noch etwas anderes zu tun, als hier der Plenarrunde zu folgen. Das ist sehr schade.

Kommen wir zum Thema zurück. – Im traditionellen Kommunalwahlrecht hat der Wähler eine Stimme, um eine Liste zu wählen, und eine Stimme, um seinen Bürgermeister oder Oberbürgermeister zu wählen.

Die Partei, die die Leute aufstellt, hat das Recht, die Rangfolge zu bestimmen. Das ist der aktuelle Stand. Der Modus kann auch für diejenigen, die sich nicht weiter mit Wahlrecht beschäftigen wollen, gerne so bleiben.

Wir möchten aber zusätzlich ermöglichen, dass der Wähler, also unser Souverän, mehr Einfluss auf die ganze Sache hat. Zu dem Zweck möchten wir als zusätzliche Option Kumulieren und Panaschieren einführen, dass also ein einzelner Wähler mehrere Stimmen hat, die er auf die Kandidaten verteilen kann, und dass er diese mehreren Stimmen auf einzelne Kandidaten zusammen kumulieren kann. Das wäre heutzutage Stand der kommunalen Demokratie, wie sie in anderen Bundesländern üblich ist. NRW, das Saarland und Berlin hinken hier gnadenlos hinterher. Alle anderen Bundesländer haben das bereits mehr oder weniger und praktizieren das sogar sehr erfolgreich. Deshalb verstehe ich nicht, warum wir in NRW noch nicht so weit sind.

(Beifall von den PIRATEN)

Durch dieses Kumulieren und Panaschieren erhöhen sich die Einflussmöglichkeiten des Wählers. Das Wahlergebnis spiegelt den Willen des Wählers, unseres Souveräns, sehr viel genauer wider. Das ist eine Sache, die eigentlich für uns alle total sinnvoll sein müsste. Aber anhand der geringen Interessentenzahl hier im Plenum erkenne ich schon, dass das nicht bei allen Kollegen so empfunden wird, was ich – wie gesagt und wiederholt – sehr schade finde.

(Zuruf von den PIRATEN: Schade!)

– Das ist wirklich sehr schade. Aber ich habe gerade gehört, dass die Kollegen noch nicht einmal zum Essen sind, sondern irgendetwas anderes Lustiges machen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie haben gar nichts gehört! Sie glauben, etwas gehört zu haben!)

– Ich habe das gerade gesagt. Und Sie haben gesagt: Nee, sind sie nicht!

(Weitere Zurufe von der SPD)

– Doch, habe ich! Sie hören mir nicht zu, oder? Das finde ich ganz nett.

Ich kann es Ihnen noch einmal erklären: Kumulieren und Panaschieren haben Sie verstanden bis dahin? – Hört sich schwierig an, ist es aber gar nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Zwischenrufe helfen bei diesem Thema übrigens an der Stelle so nicht. Aber Sie sind ja nicht daran interessiert, den Wählerwillen präziser abzufragen. Wir schon! Wir möchten schon ganz gerne von unserem Souverän wissen: Möchten Sie den einen Kandidaten weiter oben auf der Liste haben oder den anderen? Wir möchten das nicht mehr nur grundsätzlich den Parteien überlassen.

Dass ich gerade von der Dortmunder SPD so viel Widerspruch höre, kann ich verstehen. Dort findet ja nun einmal viel nichtöffentlich statt.

(Beifall von den PIRATEN – Beifall von Dr. Stefan Berger [CDU] – Widerspruch von der SPD)

– Das ist sehr schade! Das finde ich auch.

(Weitere Zurufe von der SPD)

– Der Dortmunder SPD habe ich zugestimmt? Interessant! Das glaube ich nicht. Dem Modell kann ich kaum zustimmen.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

– Einfach vielleicht mal eine Zwischenfrage stellen. Dann kommt es auch genau an. Nicht einfach nur reinbrüllen! – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Die einzige kleine Einschränkung, die Kumulieren und Panaschieren mit sich bringen, ist die, dass die Auszählung etwa ein bis zwei Tage länger dauert. Aber damit hat man hinterher ein viel genaueres Abbild des Wählerwillens. Dann kann ich auch ein oder zwei Tage länger warten, da die Mandatsträger bei uns im Land normalerweise fünf Jahre im Amt verbleiben. Bei der nächsten Wahl sind es sogar sechs Jahre.

Wir denken aber, dass wir das Ganze für die nächsten Kommunalwahlen noch nicht einführen können. Das wäre zu früh. Wir möchten es jetzt anstoßen, um es in den Kommunalwahlen danach anzuwenden.

Ich denke, dass wir unseren Wählern auf keinen Fall zu viel zumuten. In fast allen Bundesländern ist das schon gang und gäbe. Wir sollten es einfach tun. Ich bedanke mich für Ihre Zustimmung, nicht nur Ihre Zwischenrufe. Danke sehr.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Kämmerling das Wort.

Stefan Kämmerling (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Kollege Sommer, vielen Dank für den sympathischen und gewinnenden Vortrag. Das ist eine bemerkenswerte Vorgehensweise, wenn man Menschen für einen Antrag mit einem Anliegen gewinnen will. Hierfür herzlichen Dank!

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sicherlich sind wir – auch wenn die hier vertretenen Fraktionen unterschiedliche Wahlsystematiken präferieren – alle der Meinung, dass schon das bisherige Wahlrecht geeignet ist, den Wählerwillen abzubilden.

Ich respektiere, dass die Fraktion der Piraten der Meinung ist, dass ein aus ihrer Sicht besseres System als das derzeit praktizierte anzuwenden sei.

Aktuell wird die Hälfte eines Kommunalparlaments per Mehrheitswahl und die andere Hälfte nach Listen bestimmt. Die Entscheidung für einen Wahlkreisbewerber ist derzeit auch die Entscheidung für eine Reserveliste. Diese Reserveliste ist in einem demokratischen Verfahren zuvor durch die Parteien und Wählergruppen aufzustellen.

Die Parteien und Wählergruppen können also dem Anspruch einer ausgewogenen Liste Rechnung tragen.

In meiner Partei ist ein Anspruch an eine ausgewogene Liste beispielsweise der, dass Frauen und Männer hierauf gleichermaßen vertreten sein sollen. Dass diese Berücksichtigung beider Geschlechter richtig ist, ist eine Meinung, der sich selbstverständlich nicht zwangsläufig jeder anschließen muss. Ich bin der Meinung, diese Berücksichtigung ist richtig. Die SPD ist aus ihrem Selbstverständnis heraus – wie in meinem Beispiel dargelegt –, dass Frauen und Männer gleichermaßen an politischer Willensbildung mitwirken sollten, der Meinung, dass sich dies auch in Kommunalparlamenten abbilden sollte. Das ist auch bekannt. Der Wähler weiß, welche Art der Liste er bekommt, wenn er die SPD in ein Kommunalparlament wählt. – Für die anderen demokratischen Parteien gilt dies entsprechend.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich möchte weiterhin ausgewogene Reservelisten. Darüber hinaus möchte ich weiterhin, dass Parteien sie definieren dürfen. Parteien sind selbstverständlich – und das schon aus Eigeninteresse – gehalten, das Verfahren und die Kriterien ihrer Listenaufstellung transparent zu machen und ihre Beweggründe offensiv zu kommunizieren.

Klar ist, dass den Parteien mit der Aufgabe der Listenzusammensetzung eine herausragende Rolle zukommt. Dass den Parteien nach Art. 21 Grundgesetz eine herausragende Rolle bei der Verwirklichung parlamentarischer Demokratie zugedacht ist, beschreiben die Antragsteller in ihrem Antrag im Übrigen auch selbst.

Ich habe ausgeführt, warum ich das bisherige System präferiere. Um dieses bewährte System zu verlassen, bedarf es sehr guter Argumente, und es bedarf Vorteilen für unsere Demokratie. Und exakt diese sind aus meiner Sicht nicht gegeben. Ich möchte das auch begründen.

Sie führen aus, dass Sie die Demokratie stärken wollen, und unterstellen, Bürgerinnen und Bürger würden kumulieren und panaschieren wollen. Und weil sie dies wollten, würden sie es tun, wenn sie es denn könnten. Ob die Bürgerinnen und Bürger denn kumulieren und panaschieren wollen, ist nach meiner Kenntnis empirisch bislang nicht erfasst. Ob sie aber kumulieren und panaschieren, wenn der Wahlzettel dies hergibt, ist sehr wohl erfasst.

Die Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen, dass vom Recht der sozusagen mehrfachen bzw. differenzierten Stimmabgabe von einem erheblichen Teil der Wählerinnen und Wähler kein Gebrauch gemacht wird. Wenn Gebrauch davon gemacht wird, dann in der Regel in sehr kleinen Kommunen, bei denen alle Bewerberinnen und Bewerber vor Ort in der gesamten Bevölkerung bekannt sind.

Betrachten wir den Variantenreichtum bei den Größenordnungen von Kommunen in unserem Land, dürfte eine solche Bekanntheitsdichte in Nordrhein-Westfalen wohl kaum die Regel sein. Ein überwiegender Teil der Mitglieder der kommunalen Familie dürfte hierfür schlicht zu bevölkerungsreich sein.

Und die 28 nordrhein-westfälischen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern und bis zu 90 Vertretern, die für die Kommunalparlamente zu wählen sind, möchte ich hier nicht einmal als alleinigen Grund dafür anführen, dass ich nicht glaube, dass große Teile der Wählerinnen und Wähler bis zu 90 Bewerberinnen und Bewerber überhaupt kennen können. Die gegenteilige Annahme widerspricht schlicht der Lebenswirklichkeit.

Auch ein ganz praktischer Grund lässt mich Ihrem Anliegen sehr skeptisch gegenübertreten. Wahlzettel, die die Ausmaße von über einem Meter Länge annehmen, sind aus meiner Sicht nicht geeignet, Bürgerinnen und Bürgern das Wählengehen schmackhafter zu machen.

Ich führte zu Beginn aus, dass nur gewichtige Vorteile für die Demokratie ein Grund sein sollten, das in der Bevölkerung akzeptierte und bekannte Wahlsystem bei Kommunalwahlen zu verändern. Ihr Antrag führt nicht überzeugend aus, dass dies bei einer Umsetzung der Fall wäre. – Ich freue mich auf die weiteren Beratungen in den zuständigen Ausschüssen und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. Ich konnte Ihnen nicht mehr die Frage stellen, ob Sie die Zwischenfrage des Kollegen Sommer noch zulassen würden. Wollen wir das noch einmal abfragen?

Stefan Kämmerling (SPD): Ja.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Sommer, möchten Sie die Frage noch stellen?

Torsten Sommer (PIRATEN): Ja, gerne.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Und Sie sind bereit, die Frage zu beantworten. – Herr Kollege Sommer, bitte.

Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, lieber Kollege, dass Sie die Frage noch zulassen. – Sie sagten gerade, dass Wahlzettel von über einem Meter Länge die Bevölkerung nicht unbedingt dazu bringen würden, vermehrt wählen zu gehen. Dazu meine Nachfrage: Ist Ihnen bekannt, wie hoch die Wahlbeteiligung bei den Wahlen bisher war, zum Beispiel bei den Kommunalwahlen in Dortmund? Es waren knapp 33 %. Ich glaube, wenn wir weiterhin diesen Weg gehen und nichts verändern,…

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Stellen Sie bitte Ihre Frage. Jetzt.

Torsten Sommer (PIRATEN): Ja, mache ich. Danke. – Sind Sie meiner Meinung, dass wir, wenn wir nichts verändern, bessere Chancen haben, die Leute davon zu überzeugen, zur Wahl zu gehen?

Stefan Kämmerling (SPD): Vielen Dank für die Nachfrage. Würden Sie entsprechend argumentieren und mich davon überzeugen können, dass sich die Wahlbeteiligung bei der Umsetzung Ihres Vorschlages automatisch erhöht, dann würde ich Ihnen folgen.

Fakt ist aber: Das Land Bremen hat bei der letzten Landtagswahl 2011 das von Ihnen vorgeschlagene System eingeführt, und in der Folge ging dort die Wahlbeteiligung im Vergleich zu der vorangegangenen Wahl sogar noch einmal deutlich zurück. Das ist der erste Aspekt, den ich Ihnen entgegenhalten möchte.

Der zweite Aspekt ist folgender: Die Wählerinnen und Wähler machen dort, wo sie die Möglichkeit haben, in der Wahlkabine maximal zu 50 % vom Kumulieren und Panaschieren Gebrauch.

Diese beiden Fakten, die, glaube ich, auch von Ihnen nicht bestritten werden, führen dazu, dass ich nicht der Meinung bin, dass Ihr Vorschlag uns weiterbringt.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herzlichen Dank an beide Kollegen für die nachgereichte Frage und deren Beantwortung. Wir fahren fort, und ich erteile für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Nettelstroth das Wort. Bitte sehr.

Ralf Nettelstroth (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nunmehr sollen wir uns wieder mit der Änderung des Kommunalwahlrechts in Nordrhein-Westfalen befassen, und zwar mit dem Ziel, das Kumulieren und Panaschieren in das Kommunalwahlrecht einzuführen.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass mit der Veränderung des Wahlrechts die eine, bislang maßgebliche Wahlstimme nachhaltig differenziert würde.

In meiner Heimatstadt Bielefeld hätte ein Wähler sodann 66 Stimmen und damit genau so viele, wie der Gemeinderat Sitze hat. Diese Stimmen könnten anschließend auf alle antretenden Parteien und Wählervereinigungen verteilt werden. Damit würde ein hochkomplexes Wahlsystem entstehen, das höchste Anforderungen an die Wahldurchführung stellt und mit einem vermehrten Organisations- und Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

Erschwerend käme hinzu, dass jedem Kandidaten bis zu drei Stimmen gegeben werden können. Bei Ausschöpfung des Stimmpotenzials – am Beispiel meiner Heimatstadt Bielefeld – könnte ich also maximal 66 Bewerbern, bei voller Ausschöpfung des Stimmpotenzials von drei Stimmen maximal 22 Bewerbern meine Stimme geben. Damit würde die Stimmdifferenzierung erheblich erweitert. Erschwerend käme weiter hinzu, dass kleine Parteien oder Gruppen noch nicht einmal so viele Listenbewerber hätten.

Im Endeffekt würde hier ein äußerst kompliziertes Wahlverfahren stehen mit riesig langen Stimmzetteln zwecks Aufnahme sämtlicher Listenkandidaten, die sich um ein Amt bewerben. In Bielefeld treten bei dieser Wahl allein 329 Direktkandidaten an, die noch um weitere Kandidaten ohne Direktmandat ergänzt werden müssen. So können schnell bis zu 400 Kandidaten auf einem Stimmzettel aufgeführt werden.

Der Gedanke des Piratenantrages liegt im Wesentlichen darin, die von den Parteien und Gruppen selbst aufgestellten Listen in ihrer Listenplatzreihenfolge verändern zu lassen. Das setzt zum einen voraus, dass man erhebliche Zweifel an der richtigen Listenaufstellung durch die Parteien hegt, die gemäß Art. 21 Grundgesetz nun gerade an der politischen Willensbildung mitwirken sollen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Gerade in den Parteien besteht jedoch die persönliche Nähe zu den Kandidaten, um deren Bedeutung für eine Wahl einschätzen und gewichten zu können. Der Wahlbürger in den Großstädten wird jedoch diese Nähe zu sämtlichen Bewerbern einer Wahlliste nicht haben, sodass es dem einzelnen Wähler schwer fallen dürfte, die Listenplätze insgesamt neu zu gewichten und zuzuordnen.

Zum anderen würde ein so hochkomplexes System viele Bürger auch irritieren mit der Folge, dass sie ihre Wahlmöglichkeiten nicht voll ausschöpfen oder wegen falscher Stimmenzuordnung den Wahlzettel gar ungültig machen. Empirische Untersuchungen bestätigen dies, in denen festgestellt wurde, dass in Wahlsystemen mit Kumulieren und Panaschieren die Quote der ungültigen Stimmzettel teilweise doppelt so hoch ist wie bei dem derzeitigen NRW-Wahlsystem. Außerdem könnte die Komplexität des Wahlsystems viele Bürger davon abhalten, ihre Stimmzettel überhaupt abzugeben, was die Quote der Wahlbeteiligung weiter negativ beeinflussen würde.

In dem Zusammenhang hilft es auch wenig, dass die Piraten auch die Stimmabgabe für eine Partei alternativ erhalten wollen, da der Stimmzettel grundsätzlich für das hochkomplexe Wahlsystem ausgelegt sein muss. Wenn dann auch noch einzelne Kandidaten auf der angekreuzten Liste durchgestrichen werden können, so wird diese Differenzierung noch unübersichtlicher.

Im Ergebnis sehen wir daher eine Änderung des Wahlrechts im Sinne des Piraten-Antrages äußerst kritisch. Wir freuen uns dennoch auf eine intensive Diskussion im Fachausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Nettelstroth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen, meine Herren! Herr Präsident! Herr Nettelstroth, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Sie haben ein Bild an die Wand gemalt für Bielefeld allein mit 400 Wahlmöglichkeiten, und das bekämen wir, um die Worte von Herrn Kämmerling aufzugreifen, wahrscheinlich nur auf einem Wahlzettel untergebracht, der einen Meter lang ist. Insofern sei das kein Verfahren, das sich bewährt habe, bzw. ein Verfahren, das die Wählerinnen und Wähler überfordert.

Fakt ist: Wir haben solche Formen der direkten Demokratie – Kumulieren und Panaschieren – mittlerweile in 13 Bundesländern. Ich nehme nicht wahr, dass die Wählerinnen und Wähler in diesem Zusammenhang überfordert sind.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wenn ich sehe, welche Anforderungen beispielsweise an Steuerbürger im Rahmen der Einkommensteuer- und Lohnsteuererklärung gestellt werden – die übrigens einmal jährlich vorzulegen ist und bei der sie auch nicht die Möglichkeit haben, sich nicht zu beteiligen –, dann denke ich schon, dass in diesem Zusammenhang durchaus die Kenntnis vorhanden ist, wie man mit solchen Instrumenten umgeht.

Und zu der Furcht vor einer geringeren Wahlbeteiligung: Schauen Sie sich einmal an, welche Wahlbeteiligung wir in Nordrhein-Westfalen haben, und vergleichen Sie sie einmal mit anderen Bundesländern! Dann können Sie feststellen, dass wir uns in diesem Zusammenhang weiß Gott nicht auszeichnen, sondern dass es einen entsprechenden Handlungsbedarf gibt.

Insofern – das einmal in Richtung Torsten Sommer gesprochen – ist das ein guter Antrag, der hier gestellt wird. Aber, so ist das nun einmal mit Anträgen, er muss natürlich auch entsprechende Mehrheiten finden. Insofern hätte ich mir gewünscht, nicht nur auf die großen Fraktionen einzuhauen mit der Maßgabe „Wo seid ihr eigentlich?“, sondern zu versuchen, sie auch ein Stück weit zu gewinnen.

Warum ein guter Antrag? – Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Es wird letztendlich ein grünes Anliegen aufgegriffen. Ich freue mich auch, dass Sie fleißig in unserem Landtagswahlprogramm gelesen haben respektive gelesen haben, was wir in der vorvorigen Legislaturperiode dazu gemacht haben, als wir nämlich einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht haben.

Nur werden Sie auch wissen: Wir haben das zum Gegenstand der Verhandlungen über einen Koalitionsvertrag für die Periode 2010 bis 2012 und für die Periode 2012 bis 2017 gemacht, und Sie wissen auch, dass wir das nicht umsetzen konnten. Das ist ein dickes Brett, was gebohrt werden muss.

Wir stehen natürlich zu der Überzeugung, dass wir uns für mehr Formen der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung einsetzen wollen, respektive auch entsprechende Instrumente umsetzen wollen. Wir haben das auch getan. Ich nenne nur die Wiedereinführung der Stichwahl – mittlerweile abgearbeitet –, die Einführung der Abwahl von Hauptverwaltungsbeamten – mittlerweile eingeführt und auch schon praktiziert –, Erleichterungen bei Bürgerentscheiden und Bürgerbegehren – miteinander vereinbart und so auch umgesetzt – und natürlich auch die Wiedereinführung der verbundenen Wahl zum Rat bzw. Kreistag und der Hauptverwaltungsbeamten, was wir erstmalig 2020 machen werden.

Insofern bohren wir weiter an diesen Brettern. Wir haben, lieber Herr Fraktionsvorsitzender, 2017 die Möglichkeit

(Reiner Priggen [GRÜNE] lacht.)

– dann wird er möglicherweise nicht mehr dabei sein; man weiß das nicht genau –,

(Heiterkeit von Reiner Priggen [GRÜNE])

das noch einmal in Angriff zu nehmen. Ich hoffe, ich habe damit auch im Sinne unseres Herrn Priggen gesprochen, und das Thema der Intervention ist entbehrlich. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. Ihr Hinweis auf weitergehende Spekulationen ist ungewöhnlich, aber durchaus möglich. – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Abruszat nun das Wort, der sich sicherlich auch diesem Thema zuwendet.

Kai Abruszat (FDP): Nur zu diesem Thema. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der Piraten trifft im Kern auf Zustimmung der FDP-Fraktion in diesem Hause. Wir haben selbst bereits 2011 eine entsprechende Initiative ergriffen. Sie ist seinerzeit ohne Mehrheit geblieben. Mutmaßlich wird das bei Ihrem Antrag auch so sein.

Das ist ganz einfach deshalb so, weil SPD und CDU ihre Rolle als Platzhirsche in der Kommunalpolitik in Gefahr sehen. Sie haben kein Interesse daran, dass engagierte Bewerber aus kleineren Parteien in einem individualisierten Wahlverfahren Vorteile bekommen. Deswegen wollen sie dieses Wahlsystem nicht.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Kumulieren und Panaschieren ist fair. Es ist fairer als das jetzige antiquierte System. Das antiquierte System starrer Listen bietet nicht die Möglichkeit von mehr Demokratie zugunsten der Bürgerinnen und Bürger. Gerade im kommunalen Bereich sollen doch die Kandidaten in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Wer vor Ort durch seine Persönlichkeit überzeugt, soll sich auch profilieren können. Das ist übrigens auch eine Form von Leistungsgerechtigkeit.

(Dennis Maelzer [SPD]: Inhalte spielen keine Rolle?)

Sie wollen lieber die starren Listen, die Sie auf Ihren Parteitagen wählen, en bloc den Bürgerinnen und Bürgern vorsetzen. Das ist ein anderer Denkansatz. Aus Ihrer Sicht mag das nachvollziehbar und vertretbar sein, weil es um Ihre Interessen geht. Dann sollten Sie es aber auch so sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich will einen weiteren Aspekt nennen, der durchaus noch zu berücksichtigen ist und vielleicht auch im weiteren Beratungsverfahren diskutiert werden könnte. Wir haben uns hier an anderer Stelle schon einmal darüber ausgetauscht, dass die Frage der Unregierbarkeit von Räten – Stichworte: Sperrklauselproblematik und Ausgleichs- und Überhangmandate, die zu großen Räten führen – ebenfalls angepackt werden soll. Mit dem Kumulieren und Panaschieren erreicht man mehr Effizienz; denn es gibt keine Direktkandidaten mehr, sodass auch keine teuren Ausgleichs- und Überhangmandate mehr entstehen können. Das heißt, dass die Größe der Kreistage und Räte konstant bleibt. Auch diesen Gesichtspunkt sollten wir uns noch einmal vor Augen führen.

Meine Damen und Herren, insgesamt gilt: Die Vorteile des Kumulierens und Panaschierens sind vielfältig und gut, die Risiken eher gering. Wie der Kollege Krüger zu Recht gesagt hat, ist das in vielen anderen Bundesländern erprobt – außer in Schleswig-Holstein, in Berlin und im Saarland, glaube ich. Diese drei Länder sollten uns aber in mehrerlei Hinsicht kein Vorbild sein.

Deswegen sollten wir ergebnisoffen über diesen Antrag diskutieren. Wir freuen uns darauf, dass wir das dann im Ausschuss für Kommunalpolitik tun können. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Piraten hat zum Ziel, das Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich zu ändern – weg vom Einstimmenwahlsystem, hin zum Kumulieren und Panaschieren. Wir haben gemeinsam festgestellt, dass dieses Thema nicht neu ist. Es ist ein bisschen wie beim Ungeheuer von Loch Ness – jetzt schon im Mai.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Wann denn sonst? Im September?)

Wir haben eine Tradition, wenn nicht sogar schon das Brauchtum entwickelt, zu diesem Thema im Landtag zu diskutieren.

(Nadja Lüders [SPD]: UNESCO-Welterbe!)

Diese Diskussion haben wir zuletzt im Jahr 2011 geführt, seinerzeit auf Antrag der FDP-Fraktion. Was ich damals schon gesagt habe, sage ich heute auch. Das Einstimmenwahlsystem hat sich bewährt. Daran sollten wir festhalten. Es war damals richtig, meine Damen und Herren, und ist auch heute richtig.

Herr Abruszat, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang einen Hinweis. Die CDU/FDP-Regie-rungskoalition der Jahre 2005 bis 2010 hat insbesondere bei der Änderung der Kommunalverfassung und des Kommunalwahlrechts im Jahre 2007 den Vorschlag von Kumulieren und Panaschieren nicht aufgegriffen. Ich stelle fest – bei der retrograden Betrachtung Ihrer Regierungszeit wird es nicht oft vorkommen, dass ich das sage; genießen Sie es deshalb –: Das war eine kluge Entscheidung, Herr Abruszat.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Obwohl es in beiden Parteiprogrammen stand, haben sie es nicht gemacht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt gute Gründe dafür, an dem bewährten Einstimmensystem festzuhalten. Die Erfahrung zeigt, dass in Ländern, in denen kumuliert und panaschiert wird, häufig nur die Hälfte der Menschen, in Großstädten sogar nur 40 %, von diesem Instrument Gebrauch machen. Alle anderen Wählerinnen und Wähler lassen die Liste unverändert.

Das hat unterschiedliche Gründe. Ein Grund ist sicherlich der fehlende Bekanntheitsgrad von Kandidatinnen und Kandidaten. Ein anderer Grund kann die Größe des Stimmzettels sein. Das ist hier schon im Detail dargestellt worden. Es gilt der Grundsatz: je umfangreicher der Stimmzettel, desto unüberschaubarer. Bei einem Wahlsystem, das auf Kumulieren und Panaschieren ausgerichtet ist, müssten sämtliche Bewerberinnen und Bewerber aller Parteien und aller Wählergruppen in einem Wahlbereich auf dem Stimmzettel aufgeführt werden. In meiner Heimatstadt Duisburg wären das 472 Namen auf einem Stimmzettel.

Die Bürgerschaftswahl 2011 in Bremen, bei der erstmalig kumuliert und panaschiert wurde, hat gezeigt, dass es keinen wirklichen demokratischen Zugewinn gegeben hat. Im Gegenteil: Die Wahlbeteiligung ist gesunken. Ein Wahlsystem darf aber die Wählerinnen und Wähler nicht verschrecken. Es muss einfach, verständlich, überschaubar und für die Wahlbeteiligten attraktiv sein.

Das Wahlsystem, das wir in Nordrhein-Westfalen haben, auch aufgrund der Größe unserer Gebietskörperschaften, hat sich bewährt. Die Menschen verstehen es. Sie wollen es. Es ermöglicht den Wählerinnen und Wählern vor Ort, direkt nach Fähigkeit, Qualifikation und Bekanntheitsgrad ihre Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen, statt sich auf arithmetische Besonderheiten eines unüberschaubaren Wahlsystems verlassen zu müssen.

Ich freue mich auf die Beratungen im Fachausschuss. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die Fraktion der Piraten hat sich der Kollege Sommer noch einmal gemeldet.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Ganz entspannt! Keine Kurzintervention! – Gegenruf von Minister Ralf Jäger: Ich bin immer entspannt, Herr Sommer! Tiefenentspannt!)

Torsten Sommer (PIRATEN): Das ist sehr schön, Herr Minister. – Lassen Sie mich noch einmal kurz klarstellen, dass es mir keinesfalls darum ging, irgendjemanden blöd dastehen zu lassen. Ich möchte wirklich gerne mit Ihnen zusammen das Thema „Kumulieren und Panaschieren“ voranbringen. Da sind wir auch gesprächsbereit. Wir sind keine Fraktion, die ihre Anträge eins zu eins umsetzen muss. Wenn wir im Ausschuss für Kommunalpolitik gemeinsam eine bessere, für NRW gut passende Lösung schaffen können, bin ich immer verhandlungsbereit.

Wenn 40 bis 50 % der Menschen in anderen Bundesländern Kumulieren und Panaschieren anwenden, halte ich das für eine Erfolgsgeschichte. Dass die Hälfte der Bevölkerung direkt mitmacht, finde ich super. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5500 an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer kann dem seine Zustimmung geben? – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

7   Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) darf nicht Spielball innerkoalitionären Streits werden

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5767

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5865

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Kufen das Wort.

Thomas Kufen (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als bevölkerungsreichstes Bundesland, als das größte Industrieland Deutschlands, als größter Stromerzeuger, als größter Stromverbraucher, als größter Nettozahler beim EEG-Länderausgleich spielt die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für uns eine besonders wichtige Rolle. Es geht für uns um sehr viel. Hier gelingt die Energiewende oder sie scheitert. Aktuell werden in Düsseldorf, in Berlin und in Brüssel für das Gelingen die Weichen gestellt.

Deshalb ist es wichtig, und es war gut, dass sich die Ministerpräsidentin genauso wie der Landesvorsitzende der CDU Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, in den Koalitionsverhandlungen in die Arbeitsgruppe „Energie“, eingebracht haben. Das unterstreicht die Bedeutung Nordrhein-Westfalens als Energieland Nummer eins.

Wir sind auch der wichtigste Standort für die energieintensive Industrie. Wir profitieren überproportional von den Erleichterungen bei der EEG-Umlage. Allein 660 Unternehmen und Unternehmsteile von den insgesamt 2.100 bundesweit haben ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen.

Doch gerade bei der energieintensiven Industrie vertreten SPD und Grüne oft abweichende Positionen. Das schadet dem Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Das schafft das Gegenteil von Verlässlichkeit und Planbarkeit. Die unterschiedlichen Positionen bei der Realisierung von Großprojekten haben wir sowie bei der Mitgestaltung zur EEG-Reform gesehen, ob bei Datteln 4 oder bei BoAplus, beim Braunkohletagebau im Rheinischen Revier. Es ist also nicht so, dass Rot-Grün immer gleich läuft.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Die Bundesländer im Norden und im Süden sind viel klarer in der Formulierung ihrer Ziele. – Frau Schulministerin, schön, dass Sie auch als Schulministerin dieser Energiedebatte beiwohnen.

Deshalb ist die Frage, jetzt, wo wir in die entscheidende Phase kommen, auch beim Erneuerbare-Energien-Gesetz: Wo ist das robuste Verhandlungsmandat dieser Landesregierung, wo ist die Strategie der Administration, wo liegen die Schwerpunkte, wo ist die Abgrenzung? Das wird aus unserer Sicht bei Rot und Grün nicht immer klar.

Denn unmittelbar vor der Beratung der EEG-Reform im Deutschen Bundestag und im Bundesrat legt der grüne Koalitionspartner notabene einen Beschluss des Landesvorstands vor, und die Latte für die Zustimmung wird damit immer höher. Eine Liste von Forderungen an das neue EEG wird formuliert, ohne eine entsprechende Priorisierung vorzunehmen.

Übrigens: Es werden plötzlich Forderungen erhoben, die am 1. April mit der Runde der Ministerpräsidenten mit dem Energieminister und der Bundeskanzlerin schon längst abgehakt waren. Es gibt einen Beschluss des grünen Landesvorstands, der damit endet: Die Landesregierung soll ihr Handeln im Bundesrat an diesen Zielen ausrichten.

Und das nicht allein. Am Ende sehen wir, welche Tonalität die Grünen in Nordrhein-Westfalen mit Blick auf die Reform des EEG anschlagen, wenn wir den Kollegen Krischer im Deutschen Bundestag am 8. Mai in der 33. Sitzung hören. Er ist nordrhein-westfälischer Bundestagsabgeordneter aus dem Kreis Düren.

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Sehr guter Mann! Hervorragender Mann!)

– Am Ende ist das auch Ihre Denke.

Er sagt ganz klar an Herrn Gabriel gerichtet:

„Sie machen damit aus der Energiewende eine Braunkohlewende.“

Er sagt:

„Dieser Gesetzentwurf“

– Zitat Krischer weiter –

„ist ein Anschlag auf die Energiewende, ist ein Anschlag auf die Arbeitsplätze, ist ein Anschlag auf den Klimaschutz.“

Deshalb werden sie das Abwürgen der Energiewende in dieser Form nicht mittragen. Also ist die Frage: Wo steht Rot-Grün bei der Reform? Gilt das, was die Ministerpräsidentin ausgehandelt hat, oder das, was der kleine Koalitionspartner kurz vor Ende der Verhandlung deutlich macht?

(Beifall von der CDU)

Diese Frage muss beantwortet werden.

Wir brauchen eine Energiepolitik in Nordrhein-Westfalen aus einem Guss. Das Gelingen der Energiewende hängt von der erneuerbaren Energie genauso wie von den konventionellen Kraftwerken in Nordrhein-Westfalen ab. Wir haben den Eindruck, Sie versuchen wieder, sich mit kleinem Koalitionskaro über die Runden zu retten. Die Frage ist aber: Tritt das EEG am 1. August in Kraft, ja oder nein? Gilt das, was Herr Krischer, was die Grünen im Landesvorstand beschlossen haben, oder gilt das, was die Frau Ministerpräsidentin mit allen Ministerpräsidenten zugesagt hat, dass das EEG auf den Weg geht.

(Beifall von der CDU)

Deshalb geht es am Ende darum, hier Farbe zu bekennen. Wollen wir die Weiterentwicklung des EEG oder wollen wir hier nur eine Hängepartie mit Blick auf Rot-Grün, weil die sich nicht einigen können? – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kufen. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Schmeltzer.

Rainer Schmeltzer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zum wiederholten Male zum Thema „Energiewende – EEG-Reform“, Herr Kollege Kufen, absolut viel Richtiges. Wen sollte es auch verwundern, wo doch das, was in Berlin auf der Basis eines schwarz-roten Koalitionsvertrags auf den Weg gebracht wurde?

Doch warum zum dritten Mal hier im nordrhein-westfälischen Landtag, am 29. Januar im Rahmen einer Aktuellen Stunde – Basis waren damals die Eckpunkte –, am 28. März hier auf Antrag zu dem Thema Stellungnahme der Oberbürgermeister aus dem Ruhrgebiet und heute zum dritten Mal das Thema, wo versucht wird, zum wiederholten Mal zwischen Rot-Grün einen Spaltpilz zu treiben? Man fragt sich tatsächlich, ob man sich ärgern oder freuen soll. Dieser Antrag ist so lieblos und lustlos geschrieben, dass man nicht nachvollziehen kann, auf welcher Grundlage wir überhaupt debattieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Rot-Grün ist immer klar, Herr Kollege Kufen. Sie haben es schon mehrfach versucht, Sie sind mehrfach mit diesen Versuchen gescheitert. Schauen Sie in den Koalitionsvertrag dieser rot-grünen Landesregierung, dieser rot-grünen Koalition, dann wissen Sie, wohin die Reise geht.

Wenn ich eben gesagt habe, ich wüsste nicht, ob ich mich ärgern soll, weil wir schon zum dritten Mal über dieses Thema debattieren zu einem Zeitpunkt, zu dem wir uns mitten im Verfahren auf der Bundesebene befinden, oder ob ich mich freuen soll. Ich habe mich dazu entschieden, ich freue mich.

(Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

– Herr Kufen, wenn wir Ihnen für Ihren Essener Kommunalwahlkampf eine Bühne bieten können, immer wieder gern. Mich wundert es übrigens, dass Sie in Essen zu jedem Thema plakatiert haben, nur nicht zur Energiepolitik.

Ich habe mich also entschieden, dass ich mich freue, damit wir Ihnen schon einmal darlegen können, wohin denn die Entwicklung seit unserer Debatte am 29. Januar tatsächlich gegangen ist.

Eigentlich ist dieser Antrag überhaupt nicht notwendig. Wir befinden uns auf der Bundesebene im laufenden Verfahren. In dieser Woche sind die abschließenden Beratungen in sechs Ausschüssen des Bundesrates. Federführend ist dort der Wirtschaftsausschuss, beteiligt der Agrar- und Verbraucherschutzausschuss, der Innenausschuss, der Umweltausschuss, der Verkehrsausschuss und der Finanzausschuss. Sie und ich kennen die Ergebnisse aus diesen Ausschussberatungen definitiv noch nicht. Aber zu dem Verfahren komme ich gleich noch einmal.

Sie fordern uns in Ihrem Antrag auf, die NRW-Interessen aufzugreifen. Ich glaube, wir haben sie mehrfach aufgegriffen. Die Ministerpräsidentin hat am 29. Januar hier in der Aktuellen Stunde unter anderem angekündigt, dass für die energieintensiven Unternehmen Ausgleichszahlungen notwendig sein werden, insbesondere der Unternehmen hier in Nordrhein-Westfalen – Sie haben das richtigerweise dargestellt –, da wir sie für die Wertschöpfungskette benötigen. Sie müssen allerdings wirklich international wettbewerbsfähig sein. Das war in den Eckpunkten damals so nicht aufgegriffen worden. Wie Sie wissen, hat die Intervention der Ministerpräsidentin dieser Landesregierung Früchte getragen. Das ist erledigt; es steht im Gesetzentwurf.

Zur Windenergie: Natürlich wollen wir weiter die Ausbauziele erreichen. In Klammern: Es kann Ihnen aber der Vorwurf nicht erspart bleiben, wie Sie diese fünf Jahre verhindert haben. – Die Windenergie wollen wir auch an guten Standorten in Nordrhein-Westfalen gesichert haben und nicht nur an der Küste. Das haben wir eingebracht und steht im Gesetzentwurf. Das ist auch erledigt.

Wir haben bezüglich Eigenstrom durch die Ministerpräsidentin im Januar angekündigt, dass natürlich bestehende eigene Energieproduktionen Vertrauensschutz genießen müssen. Das haben wir eingebracht und steht auch im Gesetzentwurf. Also auch erledigt. Insofern: Vielen herzlichen Dank für Ihren Antrag heute!

Sie wollen des Weiteren dargelegt haben, wie NRW-Interessen im Energiebereich auf Bundesebene gesichert werden, wissend, dass im Gesetzentwurf – ich habe das gerade beispielhaft erwähnt – bereits NRW-Interessen deutlich ihren Niederschlag gefunden haben.

Und Sie wissen, dass zeitgleich die Beratungen in den Bundesratsausschüssen stattfinden und dieses Gesetz natürlich so beraten wird, wie es aus den Ausschüssen herauskommt.

Sie kennen doch das übliche Verfahren, Herr Kufen. Es hat sich ja nicht seit 2010, seitdem Rot-Grün Gott sei Dank wieder hier regiert, auf Bundesebene geändert. Das übliche Verfahren sieht vor, dass die Ergebnisse aus den Beratungen der Bundesratsausschüsse zusammengetragen werden. Diese zusammengetragenen Ergebnisse bilden dann die Grundlage für die plenare Debatte im Bundesrat, und auch mit diesen Ergebnissen wird es erst eine Beratung hier in Nordrhein-Westfalen geben können. Diese bilden dann die Grundlage für die Beratungen im Kabinett und somit die Grundlage für die Beratungen im Bundesrat. Von daher ist alles das, was Sie zum Stimmverhalten im Bundesrat darlegen, ebenso wie in dem Antrag der Piraten, frei aus der Luft gegriffen.

Ich freue mich, dass wir die Erfolge darlegen konnten. Ich bedanke mich dafür ganz herzlich bei Ihnen, Herr Kufen, und freue mich auf die weiteren Wortbeiträge. – Herzlichen Dank.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Schmeltzer. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe CDU-Fraktion, als ich Ihren Antrag mit der Überschrift „EEG darf nicht Spielball innerkoalitionären Streits werden“ dachte ich: Der Antrag gehört doch eigentlich gar nicht hierhin. Den haben Sie am falschen Ort gestellt. Sie wollten ihn eigentlich im Bundestag einbringen und an die Bundesregierung richten. Denn dieser Streit ist genau das, was wir dort beobachten können. Ich glaube, die Feststellung in der Antragsüberschrift ist an dieser Stelle einfach komplett falsch.

(Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

– Wenn Sie meinen. Ansonsten hatte Kollege Schmeltzer schon einmal darauf hingewiesen: Wenn Sie unsere Ebene hier meinen sollten, dann habe ich das Gefühl, dass wir uns nur wiederholen. Wo waren Sie eigentlich in den letzten Wochen, als wir schon mehrmals miteinander diskutiert haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Kurioserweise nicht da!)

Offensichtlich haben Sie zu viel Wahlkampf gemacht und sich nicht mit Ihren eigentlichen Aufgaben, nämlich hier im Landtag zu sein und die Arbeit zu machen, beschäftigt.

Noch einen wichtigen Aspekt: Die Kolleginnen und Kollegen, die bei Ihnen wirklich den Ausbau der erneuerbaren Energien wollen, wovon es in Ihrer CDU-Fraktion ein paar gibt, die Ahnung von diesem Thema haben, fordern genau die gleichen Änderungen, wie wir es tun.

Ich gehe gerne darauf ein, weil Sie die NRW-Interessen im Energiebereich angesprochen haben. Herr Kufen, Sie sind weder in Ihrem Antrag noch eben in Ihrer Rede darauf eingegangen, welche Interessen das sind und welche Interessen das auch aus Ihrer Sicht sind. Für uns ist ganz klar: Wir haben im rot-grünen Koalitionsvertrag miteinander vereinbart, bestimmte Ausbauziele, beispielsweise den aktuellen Stand der Windenergie bis zum Jahr 2020 zu verfünffachen auf 15 %.

Es liegt im NRW-Interesse, genau das zu erreichen. Es ist auch NRW-Interesse, unsere Ausbauziele für Windenergie, für erneuerbare Energien zu erreichen. Es liegt auch im Interesse von NRW, beispielsweise beim Eigenstromprivileg eine Lösung zu finden, die für große sowie für kleine und mittlere Unternehmen, aber für auch Privatpersonen verlässliche Rahmenbedingungen setzt. An der Stelle ist der Entwurf des EEG gerade sehr zu kritisieren.

Ich gehe nicht noch einmal länger auf das Thema der besonderen Ausgleichsregelung ein. Auch das haben wir hier schon mehrmals miteinander diskutiert und mehrmals verdeutlicht, dass wir an dieser Stelle die NRW-Interessen gemeinsam vertreten und sagen: Ja, es muss Ausnahmen geben, aber nicht in überbordendem Maße, sondern für Firmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und energieintensiv sind.

Lieber Herr Kufen, zu guter Letzt sind Sie, finde ich, einfach naiv, wenn Sie glauben, dass wir Ihnen in einem laufenden Verfahren, wie es Kollege Schmeltzer schon dargestellt hat, unsere Strategie ganz konkret erzählen werden. Ich glaube, dann müssen Sie, wie wir anderen auch, schauen, was die entsprechenden Verfahren und Verhandlungen in den nächsten Tagen bringen. Dann können wir das Ganze noch einmal rauf und runter diskutieren. Immer wieder gerne! – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Brockes.

Dietmar Brockes (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zum wiederholten Mal das Thema „Erneuerbares-Energien-Gesetz“ hier im Plenum auf der Tagesordnung. Zum wiederholten Male kommt vonseiten der Koalitionsfraktionen das Motto: „Lassen Sie uns das nicht hier diskutieren, das wird im Moment in Berlin besprochen!“ Offensichtlich hat man die Sorge, dass man ansonsten hier mal Farbe bekennen muss.

Das ist nämlich genau der Punkt: Es ist angebracht, dass wir die NRW-Position klar formulieren, wenn parallel im Bundestag und Bundesrat diskutiert wird. Und da genau liegt der Knackpunkt: Es gibt keine einheitliche NRW-Position. – Frau Kollegin Brems, das wird schon in den Bundesratsausschüssen deutlich werden, wenn die Position des Wirtschaftsausschusses, die vom SPD-Wirtschaftsminister vorgegeben wird, eine andere sein wird als die Position des Umweltausschusses, die vom grünen Umweltminister vorgegeben wird.

(Zuruf von Wibke Brems [GRÜNE])

Dieser Disput liegt offenkundig auf dem Tisch. Deshalb ist es richtig, dass wir hier heute darüber beraten, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die EEG-Reform geht zwar in die richtige Richtung, aber noch längst nicht weit genug. Die jetzige Position ist in weiten Teilen schwierig für Nordrhein-Westfalen. Deshalb ist es richtig, wenn wir der Landesregierung klare Handlungsempfehlungen mit auf den Weg geben und sagen, was wir als Parlament wollen. Das geht aber nicht, weil Sie in der Koalition zwei völlig unterschiedliche Interessenslagen haben.

Das ist ja auch an dem Beschluss deutlich geworden, den die grüne Partei auf Landesebene gefasst hat. Darin sagt sie klar, dass sich die Landesregierung bei diesen Punkten an der Position der Grünen orientieren muss, ansonsten gibt es keine Zustimmung der Grünen im Bundesrat – und damit muss sich Nordrhein-Westfalen enthalten. Das, meine Damen und Herren von der SPD, kann ich nun wirklich nicht verstehen.

Ich habe noch einige Kritikpunkte an der EEG-Reform. Aber Ihre Ministerpräsidentin hat sich sehr massiv in die Verhandlungen eingebracht. Es ist nicht erträglich – das sage ich Ihnen voraus –, wenn sich Nordrhein-Westfalen als Energieland Nummer eins am Ende des Tages bei den Beratungen im Bundesrat enthält und wir nicht sagen können, ob wir zu den wichtigen Reformen stehen oder nicht. Das ist leider das traurige Ergebnis: Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist sich nicht einig und wird das leider auch in Berlin dokumentieren.

Meine Damen und Herren, dass die Grünen in der Koalition die Energiepolitik diktieren – das werden wir gleich wieder erleben; denn wieder einmal wird nicht der Energieminister der Landesregierung zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen, sondern der Umweltminister –, schadet Nordrhein-Westfalen. Deshalb ist es richtig, wenn wir über den Antrag der CDU heute nicht nur diskutieren, sondern auch darüber abstimmen. Wir werden ihn unterstützen;

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

denn wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen in der Energiepolitik endlich mit einer Stimme spricht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schmalenbach.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! „NRW ist Energieland Nummer eins und soll es auch bleiben“ – das ist das Lied, das wir beinahe in jedem Plenum singen. Es ist ein wichtiges Bekenntnis zum Industriestandort NRW; denn NRW erzeugt nicht nur sehr viel Energie, sondern verbraucht diese auch. Energie ist für NRW so wichtig wie die Luft zum Atmen. – So weit zum Konsens mit dem CDU-Antrag.

Leider schwingt wie üblich in jeder Zeile mit, dass es um ein Festhalten an den vorhandenen Strukturen, Kraftwerken und Ressourcen geht. Wenn CDU und FDP dazu Anträge einbringen, geht es wie immer darum, die Position der Energieriesen zu halten oder gar zu stärken. Das ist nicht das Anliegen der Piraten in NRW.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir wollen den Wechsel. Wir wollen ein Braunkohleausstiegsgesetz. Wir wollen weg von der fossilen Energiegewinnung – hin zu einer dezentralen Energiegewinnung aus erneuerbaren Ressourcen. Dazu sind aber ganz andere Schritte notwendig, als sie der CDU hier vorschweben. Dazu ist es erforderlich, die Erneuerbaren zu stärken, ihren Ausbau zu forcieren und nicht, den Ausbau zu bremsen. Insbesondere jetzt, da die Erneuerbaren in den Bereich der Wirtschaftlichkeit auch ohne Förderung vorstreben, sind Ausbaukorridore und -deckel kontraproduktiv. Sie hemmen ganz bewusst und unnötig den Ausbau.

Wenn man die Stromkosten senken will, kann man das sehr einfach tun: Man kann die Ausnahmen für die Industrie zurückfahren; denn die Industrie profitiert längst von den veränderten Marktpreisen. Wir halten es für absolut möglich und nur für fair, die Industrie mindestens in dem Maße zu beteiligen, in dem sie am Preisverfall für Strom an der Börse profitiert hat. Man könnte die Steuer auf den Strompreis deckeln oder auf die extrem teuren Offshore-Projekte verzichten. Man könnte auch die HGÜ-Trassen infrage stellen, auf alle bis auf Sued.Link, von der wir aktuell glauben, dass es die einzig notwendige Trasse sein wird, verzichten.

All das wären Zeichen dafür, dass man sich um die Probleme mit den steigenden Energiepreisen kümmern will und zu einer dezentralen Energiewende in Bürgerhand steht. Stattdessen werden gerade die Bürger benachteiligt, und es wird weiterhin auf zentrale und industrielle Stromproduktion gesetzt.

Die Piraten in NRW wollen, dass NRW sich stark macht für einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren. Die Piraten wollen, dass die Zukunft der Energie so dezentral wie möglich ist. Wir glauben, dass wir die industrielle Gewinnung von Strom auf ein Mindestmaß zurückfahren können und müssen. Wir wollen, dass die Braunkohle, also der schmutzigste fossile Rohstoff, sehr früh verzichtbar wird.

Weil NRW einer von zwei großen Braunkohlestandorten ist, halten wir es für zwingend erforderlich, dass gerade NRW vorweggeht bei den Erneuerbaren, vorweggeht beim Ausbau der Netze auf der unteren Ebene, vorweggeht bei der Speichertechnologie und bei dem Versuch, auf fossile Energie zu verzichten, um sich davon unabhängig zu machen, so schnell es eben geht.

Dafür machen wir uns stark. Das erwarten wir von NRW. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brockes, ich muss Sie am Anfang auf die Geschäftsordnung und die Zuständigkeiten innerhalb der Landesregierung hinweisen: Nach Organisationserlass der Ministerpräsidentin ist der Klima- und Umweltminister für das Erneuerbare-Energien-Gesetz zuständig.

Aber ich hätte überhaupt keine Sorge – um das an dieser Stelle zu sagen –, dass, wenn ich jetzt meine Rede beenden und der Kollege Duin für mich weitersprechen würde, irgendetwas anderes gesagt werden würde.

(Beifall von der CDU)

Denn es gibt diesen konstruierten Konflikt innerhalb der Landesregierung einfach nicht! Das wird heute auch noch mal anhand Ihrer Reden deutlich: Sie haben keinen einzigen Beweis dafür, dass es irgendeinen Konflikt innerhalb dieser Landesregierung gibt!

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Keinen einzigen Beweis: kein Zitat, gar nichts!

(Thomas Kufen [CDU]: Aber der Beschluss des Landesvorstandes!)

– Ja, mein Gott! Der Landesvorstand kann selbstverständlich Beschlüsse fassen. Ich danke dem Landesvorstand sogar, dass er Beschlüsse gefasst hat. Wo ist denn der Beschluss Ihres Landesvorstandes?

(Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

Unser Landesvorstand beschließt zumindest! Sie haben ja überhaupt keine Position. Das ist offensichtlich das Ergebnis der Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Selbstverständlich ist es gut, dass wir Abgeordnete in Berlin haben wie Herrn Krischer, der sich für die Belange Nordrhein-Westfalens einsetzt. Ich frage: Wo sind Ihre Abgeordneten in Berlin, die sich für die Belange Nordrhein-Westfalens einsetzen? Das ist doch das Thema.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Nein, ich möchte den Gedanken ausführen, wir können die Zwischenfrage gerne danach zulassen.

Sie haben offensichtlich einen Antrag gestellt, in dem Sie spekuliert haben. Sie haben darauf gewettet, dass es irgendeinen Streit gibt. Den gibt es aber nicht. Und jetzt stehen Sie blank da. Ihre Strategie, mit dem Finger auf andere zu zeigen, nach dem Motto „weil sie sich wohl streiten werden, brauche ich keine eigene Position zu entwickeln“ ist gescheitert.

Sie haben nämlich keine eigene Position! Wo ist Ihre Position im Interesse Nordrhein-Westfalens bei der aktuellen Debatte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes?

(Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

Die hätte ich gerne gehört. Wie stehen Sie zum Windenergieausbau in Nordrhein-Westfalen? Wie ist das mit der Bremse: Ja oder nein? Was ist Ihre Position? Wie stehen Sie zu der Frage der besonderen Ausgleichsregelungen? Wo waren Sie in Brüssel, als es darum ging, für die Interessen der Industrie in Nordrhein-Westfalen zu streiten?

Wie stehen Sie zu der Frage nach dem Eigenstrom und den entsprechenden Möglichkeiten auch für die Handwerkerinnen und Handwerker? Da hätte ich gerne Ihre Position gehört, Herr Kufen. Aber nichts, null, gar nichts! Die CDU fällt aus in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Würden Sie jetzt eine Zwischenfrage zulassen?

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Jetzt lasse ich die Zwischenfrage zu.

Thomas Kufen (CDU): Herr Minister, vielen Dank. Sie haben sich ja gerade schon mit Herrn Krischer solidarisch erklärt und ihn ausdrücklich gelobt. Teilen Sie auch seine Aussage, mit der er dem Bundeswirtschaftsminister vorwirft, dass er sich nur dort für Arbeitsplätze einsetzt, wo der IG-BCE-Organisationsgrad am höchsten ist? Ist das auch Ihre Auffassung?

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich teile mit Herrn Krischer die Auffassung, dass der Windenergieausbau in Nordrhein-Westfalen vorangehen muss. Da sind wir nämlich zurück. Das ist auch Ihr Vermächtnis, das wir da sozusagen zu verwalten haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich teile mit Herrn Krischer die Auffassung, dass wir beim Eigenstrom in Nordrhein-Westfalen vorankommen müssen; denn das ist sowohl eine Möglichkeit für unsere Industrie als auch für die Handwerker und die Privatleute.

Und ich teile mit Herrn Krischer die Position, dass wir in Nordrhein-Westfalen besondere Sorgfalt darauf legen sollten, unsere energieintensive Industrie nicht zu beschädigen.

Das sind die drei Punkte, die die nordrhein-westfälische Landes­regierung – im Übrigen können Sie es nachlesen: Stellungnahme vom 2. April 2014 – in die Debatte eingebracht hat. Ich finde, hier sind wir bis zum heutigen Tage ausgesprochen erfolgreich gewesen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann habe ich noch Sorge – Herr Kufen, damit ich das hier auch zum Ausdruck bringen kann –: Wenn Sie die Regierung schon angreifen, dann sollten Sie sich zumindest mit den Verfahren auskennen. Das gilt im Übrigen auch für Herrn Brockes.

Es geht im Moment gar nicht um die Frage des Stimmverhaltens im Bundesrat. Das steht erst dann an, wenn der Bundestag beschlossen hat. Der Bundestag muss ja erst mal beschließen. Im Moment geht es darum, zu einem Entwurf der Bundesregierung Stellung zu nehmen.

(Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

Und da würde mich schon interessieren, wie denn Ihre Stellungnahme zum Entwurf der Bundesregierung aussieht. Wo bringen Sie die Interessen Nordrhein-Westfalens ein? Wir haben die Interessen Nordrhein-Westfalens artikuliert, das ist unsere Aufgabe. Ich vermisse Ihren Einsatz für Nordrhein-Westfalen und unseren Standort.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Sehr dünn, Herr Minister, sehr dünn!)

Dann wird das Ganze am 23. Mai 2014 in der Stellungnahme des Bundesrates zusammengebunden werden. Danach geht es in den Bundestag. Da würde ich mir schon wünschen, dass der eine oder andere Kollege von Ihnen sich dann auch für Forderungen einsetzt, beispielsweise bei den Fragen: Wie geht es weiter mit Bürgerenergiewindprojekten? Wie geht es weiter mit Genossenschaftsprojekten?

(Thomas Kufen [CDU]: Da sind ja auch noch die Kollegen von der SPD!)

Wie können wir die Bioenergie flexibel gestalten?

Da hat selbst Ihr Kollege in Thüringen, Herr Reinholz, eine klare Position, nämlich dass wir insbesondere im Bereich Eigenstromprivilegierung zu Veränderungen kommen müssen. Wir haben also eine breite Mehrheit in anderen Bundesländern, auch über die Parteigrenzen hinweg.

Leider finden wir in Nordrhein-Westfalen bei der Opposition nicht die ausreichende Unterstützung, die ich mir wünschen würde. Vielleicht überlegen Sie es sich noch mal. Da ist noch Luft, da können wir noch gemeinsam etwas tun. Und dann diskutieren wir gemeinsam den Entwurf der Bundesregierung, der dann vom Parlament beschlossen wird. Danach kommt der nächste Schritt. Dann werden wir auch das gemeinsam hinkriegen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/5865. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/5865 abgelehnt mit Stimmen von SPD, CDU, Grünen und FDP bei Zustimmung der Fraktion der Piraten.

Wir kommen – zweitens – zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU; das ist die Drucksache 16/5767. Die antragstellende Fraktion der CDU hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt dieses Antrags. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/5767 abgelehnt mit Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der Piraten gegen die Stimmen der CDU, der FDP und des fraktionslosen Abgeordneten Stein.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

8   Entscheidungsunfähigkeit oder Entscheidungsunwilligkeit?
Neuausrichtung des Bau- und Liegenschaftsbetriebs endlich vorantreiben

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5758

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Schmitz das Wort.

Hendrik Schmitz (CDU): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes wurde 2001 gegründet, um den staatlichen Hochbau effizienter zu gestalten. Man entschied sich damals für ein teilrechtsfähiges Sondervermögen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der damaligen Gesetzesbegründung:

„Hiermit soll die Bau- und Liegenschaftsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen grundlegend reformiert und ein modernes betriebswirtschaftlich orientiertes Immobilienmanagement eingeführt werden.“

Der Entwurf – und das ist das Entscheidende – orientiert sich an Beispielen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung. Weiter finden sich dort die Worte: unternehmerisches Handeln im Wettbewerb und Erträge erwirtschaften. – Das war vor 14 Jahren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alles wissen, wo der BLB heute steht.

Der Landtag arbeitet derzeit in einem Untersuchungsausschuss die öffentlich gewordenen Einzelprobleme auf. Doch auch nach Einrichtung dieses Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind weitere Einzelprojekte bekannt geworden, die umfangreiche Kostensteigerungen aufweisen.

In der letzten Woche konnten wir das wieder in der Zeitung lesen: Bei der Fachhochschule Bielefeld laufen die Kosten aus dem Ruder. Gegenüber den ursprünglichen Planungen von 160 Millionen € im Herbst 2009 liegen die Gesamtkosten inzwischen bei rund 260 Millionen €. Das ist eine Kostensteigerung von 100 Millionen €. Das Finanzministerium hat inzwischen den Wirtschaftsprüfer PwC um eine Prüfung gebeten. Der Landesrechnungshof prüft ebenso.

Beim Gesundheitscampus in Bochum sieht es nicht besser aus. Dort gibt es Bauzeitverzögerungen, die ebenfalls zu Mehrkosten im zweistelligen Millionenbereich führen werden.

Das zeigt doch deutlich, werte Damen und Herren: 13 Jahre nach seiner Einrichtung weist der Bau- und Liegenschaftsbetrieb ein erhebliches strukturelles Veränderungspotenzial auf.

Die 2008 eingeleiteten Schritte der internen Modernisierung waren nur der Anfang auf dem Weg zu einem wirtschaftlicheren Umgang mit dem Vermögen des Landes. Aber: Im zweiten wichtigen Schritt passiert nichts. Seit über drei Jahren hat die rot-grüne Landesregierung hier nichts zustande gebracht.

(Beifall von der CDU)

Mehrfach haben wir deswegen im Unterausschuss „Landesbetriebe und Sondervermögen“ nach der geplanten Neuausrichtung des BLB gefragt. Wir bekommen aber immer wieder dieselben Antworten: Konkretes könne man noch nicht sagen; man befinde sich immer noch in der ressortinternen Abstimmung. – Das höre ich seit Monaten. Wann diese Abstimmung endlich abgeschlossen sein wird und die Landesregierung die Neuausrichtung endlich in Angriff nehmen wird, das wissen wir leider nicht.

Gestern hat der Verwaltungsrat des BLB in einer Sondersitzung getagt.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, was das Problem ist und wo die wahren Gründe Ihrer ausweichenden Antworten liegen. Sie scheuen die internen Konflikte mit den Besitzstandswahrern. Denn alle Kostensteigerungen in der Vergangenheit haben folgende strukturellen Probleme:

Erstens. Es fehlt überwiegend immobilienwirtschaftliches Know-how im Verwaltungsrat.

Zweitens. Der Verwaltungsrat berät und unterstützt zwar, kann die Geschäftsführung aber nicht effektiv kontrollieren.

Drittens – und das ist der entscheidende Punkt –: Die Fachministerien als Kunden des BLB sitzen selbst im Verwaltungsrat. Und so, mit diesen Strukturen, bringen Sie Ihre eigenen Ideen noch nicht einmal durch das Kabinett, da die Ressortchefs kein Interesse an Veränderungen haben. Vermutlich kommen Sie sogar bald auf die Idee, noch ein weiteres Gutachten zu erstellen. Das würde mich nicht wundern. Aber es löst das Problem nicht.

An dieser Stelle möchte ich auch noch mal deutlich sagen: Es gibt kein Erkenntnisproblem. Das haben wir nicht. Seit Jahren haben wir das nicht. Es gibt an anderer Stelle aber ein Entscheidungsproblem in dieser Landesregierung. Entweder wollen Sie nichts ändern oder Sie können es nicht. Aber eines ist klar und für die CDU-Fraktion ziemlich deutlich: Dieser Zustand muss beendet werden.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Wir haben unsere Ideen bereits in einem Fachantrag vorgestellt. Nun warten wir auf Ihren Gestaltungswillen, auf den Gestaltungswillen der Landesregierung, endlich die Strukturen anzupassen.

Ich fordere Sie von dieser Stelle klar auf: Legen Sie uns Ihre Ideen auf den Tisch! Lassen Sie uns darüber reden, wie der BLB endlich strukturell neu aufgestellt werden kann! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Wedel.

Dirk Wedel (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie aktuellen Pressemeldungen zu entnehmen ist, sind zu der langen Reihe der in die Kritik geratenen Bauprojekte des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW zwei weitere dazugekommen.

Erst Mitte letzter Woche titelte die „Rheinische Post“: „Wer stoppt den Landes-Baubetrieb?“ Und: „Landesbetrieb versenkt 100 Millionen“. Laut der Zeitung werde das FH-Gebäude in Bielefeld gut 100 Millionen € mehr kosten, als vor fünf Jahren geplant. Ein Betrag in Höhe von 52 Millionen € werde auch vom BLB konzediert.

Zudem wurde am 10. Mai 2014 berichtet, dass wegen neuer Schwierigkeiten beim BLB nun auch der Umzug der Hochschule für Gesundheit in Bochum geplatzt sei. Laut BLB komme es diesbezüglich zu – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – „gewissen Mehrkosten“, was immer das auch heißen mag.

Als Obmann der FDP-Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum BLB kommt mir das Muster der dargestellten Kostensteigerungen bekannt vor. Auch der Untersuchungsausschuss befasst sich im Vordergrund mit der Aufklärung von teilweise enormen Kostenexplosionen im Rahmen der Realisierung von mehreren BLB-Projekten.

Die enorme Höhe der in der öffentlichen Diskussion stehenden Kostensteigerungen und die Anzahl der in die Kritik geratenen Projekte des BLB müssen auch dem letzten Anhänger dieser Organisationsform die Augen öffnen. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Nur eine tiefgreifende Neuausrichtung und eine Änderung der Systematik und Kontrolle des BLB können der ungebremsten Verschwendung von Steuergeldern Einhalt gebieten.

Insbesondere in Anbetracht der bereits vom Landesrechnungshof erbrachten Vorarbeit im Rahmen der Prüfung von BLB-Projekten ist die diesbezügliche Untätigkeit der Landesregierung nicht nachvollziehbar.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

So formuliert der Landesrechnungshof NRW beispielsweise in seinem Bericht über den Neubau des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf vom 2. April 2013 explizite einzelfallübergreifende Handlungsempfehlungen an die Landesregierung. Genannt werden dort unter anderem die Verbesserung der Planungs- und Kostensicherheit sowie der Kontrolle des BLB und die Einführung einer Unterbringungsrichtlinie.

Von diesen Handlungsempfehlungen hat die Landesregierung bislang offensichtlich keinen Gebrauch gemacht. Die im Antrag zitierte Ankündigung des Finanzministers vom 13. Juli 2011, die notwendigen Änderungen aufgrund der nützlichen Hinweise des Landesrechnungshofs zügig vorzunehmen, war offensichtlich nur eine leere Versprechung.

Auch das im September 2013 angekündigte Eckpunktepapier lässt weiterhin auf sich warten. Das in diesem Zusammenhang oftmals geäußerte Argument, man solle doch zunächst die Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ab-warten, bevor man die Neuausrichtung des BLB vorantreibe, kann in Anbetracht der dargestellten Ergebnisse des Landesrechnungshofs nicht überzeugen.

(Beifall von der FDP)

Aufgrund der enormen Kostensteigerungen, welche hier im Raume stehen, besteht vielmehr die dringende Notwendigkeit, zeitnah durch eine Neuausrichtung des BLB weitere Millionengräber zu verhindern. Zudem ist mit einem Bericht des Untersuchungsausschusses …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mostofizadeh zulassen?

Dirk Wedel (FDP): Gerne, ja.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Wedel, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. ? Es ist eine Verständnisfrage. – Sie haben eben vorgetragen – allerdings ohne einen Bezug herzustellen –, dass gesagt worden sei, dass man erst den Untersuchungsausschuss abwarten wolle, bevor man Handlungsschritte vollziehe. Sie haben aber vorhin auch selbst den Finanzminister zitiert, der ja angekündigt hat, dass man Reformschritte will, und zwar unabhängig von der Frage des Untersuchungsausschusses.

Können Sie mir und den Kolleginnen und Kollegen bitte sagen: Wer hat denn die Behauptung in den Raum gestellt, dass man erst die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses abwarten wolle, um dann strukturelle Änderungen vorzulegen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Wedel, bitte schön.

Dirk Wedel (FDP): Sehr geehrter Kollege Mostofizadeh, Sie sind ja an den Verhandlungen im Untersuchungsausschuss nicht beteiligt. Das Bild ist an der Stelle meines Erachtens nämlich nicht ganz vollständig. Vor allen Dingen: Wenn Sie sich mal die Reihenfolge ansehen, in der der Untersuchungsausschuss die Dinge abarbeitet, dann ergibt sich doch ein ganz eindeutiges Bild.

(Zurufe von Reiner Priggen [GRÜNE] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Nach Auffassung der FDP-Fraktion wäre es nämlich wesentlich sinnvoller gewesen, zunächst den Aufbau und die Strukturen des BLB zu untersuchen und sich anschließend mit dem überschaubaren Sachverhalt des Projektes „Schloss Kellenberg“ zu befassen. Dann würden bereits jetzt erste Erkenntnisse und Ergebnisse vorliegen.

Auch der Bund der Steuerzahler fordert, es müsse unverzüglich mit der Analyse der Strukturen des BLB begonnen, die Missstände müssten abgestellt werden.

Nach alledem herrscht beim BLB im übertragenen Sinne Gefahr im Verzug. Es müssen bereits bekannte und offensichtliche Mängel beim BLB unverzüglich durch die Landesregierung abgestellt werden.

Zur Wahrung ihrer eigenen Glaubwürdigkeit fordere ich daher insbesondere die Regierungsfraktionen auf, diesem Antrag zuzustimmen. Auch Sie sind den Steuerzahlern und damit den Wählern verpflichtet. Um deren Geld geht es hier schließlich. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. Würden Sie noch einen Moment hierbleiben? Es gibt eine Kurzintervention des Herrn Abgeordneten Priggen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Herr Kollege Wedel, Sie haben eben – jedenfalls bei mir – folgenden Eindruck erweckt: Irgendjemand hätte behauptet, man müsse erst die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses abwarten, bevor man strukturell beim BLB Reformen macht und was ändert. – Das ist aus unserer Sicht völliger Unfug.

(Beifall von der SPD)

Dann hat der Kollege Mostofizadeh Sie gebeten, Ross und Reiter zu nennen, von wem das komme. Denn dass das in der Sache Quatsch ist, erschließt sich einem sofort: Der Untersuchungsausschuss wird bei dem Programm noch lange Zeit brauchen, aber Strukturänderungen sind dringend notwendig. Nur, wenn Sie diesen Eindruck erwecken und genau das sagen, dann nennen Sie hier bitte auch Ross und Reiter und sagen, von wem das kommt. Sie sind der Frage ausgewichen. Jetzt ist die Bitte in einer Kurzintervention, das klar zu benennen oder mir zu sagen, dass ich Sie möglicherweise missverstanden habe; dann ist es auch ausgeräumt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Wedel.

Dirk Wedel (FDP): Herr Kollege Priggen, Sie kennen das Verfahren, das der Untersuchungsausschuss an der Stelle beschlossen hat, genau. Dieses Verfahren spricht Bände: wenn man nämlich mit dem Einzelprojekt Landesarchiv, das an der Stelle das komplizierteste Projekt ist, anfängt,

(Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD])

und zu den Strukturfragen somit noch nicht kommt. Wenn Sie den Bund der Steuerzahler nehmen: Das ist mittlerweile ein anerkannter Kritikpunkt, dem auch Sie sich stellen müssen,

(Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD])

weil Ihre Fraktion ebenfalls entsprechende Beiträge dazu geleistet hat.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD: Das ist keine Antwort!)

Deswegen, Herr Kollege Priggen: Sie müssen sich an dem Handeln dann auch schon festhalten lassen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Das ist auf die Frage keine Antwort! Kein Ross und Reiter genannt! Politik mit Unterstellungen! So geht das nicht!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion spricht nun der Herr Kollege Zimkeit.

Stefan Zimkeit (SPD): Herr Wedel, ich finde es bemerkenswert und sehr, sehr schade, dass Sie sich jetzt den Politikstil von Herrn Witzel zu eigen machen, nämlich hier Behauptungen in den Raum zu stellen und auf die Nachfrage, wer so was denn behauptet hat, keine Antwort zu wissen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist kein Stil, mit dem wir hier miteinander umgehen sollten.

Ich hatte eigentlich erwartet, dass Herr Schmitz uns erklärt, wie es denn zu den Widersprüchlichkeiten zwischen dem Antrag kommt, den wir heute vorliegen haben, und dem CDU-Antrag zum gleichen Thema, den wir in der letzten Plenarsitzung behandelt haben.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ellerbrock zulassen?

Stefan Zimkeit (SPD): Aber klar doch.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege, Sie hatten gerade im Zusammenhang mit meinem Kollegen Witzel Behauptungen aufgestellt, die der Beweisführung bedürfen. Könnten Sie die bitte mal eben anführen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Stefan Zimkeit (SPD): Die können Sie in zahlreichen Protokollen nachlesen. Wir haben es erst heute wieder beim ersten Tagesordnungspunkt erlebt, wo Herr Witzel behauptet hat, zahlreiche Fragen wären nicht beantwortet worden, man im Protokoll des HFA aber nachlesen kann, dass sie beantwortet worden sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Insofern kann ich den Beweis jederzeit führen.

(Ralf Witzel [FDP]: Können Sie nicht lesen?)

– Das ist das Niveau der Auseinandersetzung, das Sie pflegen: Andere können nicht lesen, andere können nicht rechnen. – Der Punkt ist: Sie behaupten in Debatten regelmäßig die Unwahrheit. Und das ist schädlich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich wollte zum Widerspruch zwischen den beiden Anträgen kommen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Versuchen Sie es mal mit Zuhören. – In dem jetzigen Antrag steht:

„Die Landesregierung hat allerdings in den letzten drei Jahren keinerlei Entscheidungen getroffen“.

Das steht im gemeinsamen Antrag von FDP und CDU. Im CDU-Antrag steht zur Landesregierung noch:

„In der ersten Stufe wurden Sofortmaßnahmen zur Beseitigung akuter Mängel entwickelt, deren Umsetzung bereits erfolgt ist.“

Es sind also Maßnahmen erfolgt, die umgesetzt worden sind. So schreibt die CDU allein es richtigerweise.

Gemeinsam mit der FDP schreiben Sie: Es ist nichts geschehen. – Ich glaube, da haben Sie sich mal wieder von der FDP über den Tisch ziehen lassen.

Die Wahrheit ist nämlich: Der erste Schritt der Maßnahmen ist erfolgt.

(Beifall von der SPD)

Dann müssen wir zur geschichtlichen Betrachtung zurückkommen. Denn das, was hier an Geschichtsklitterung betrieben worden ist, ist schon bemerkenswert. Hier wird gesagt: Wir haben 2008 als alte Landesregierung gehandelt. Danach war alles gut, und jetzt muss die neue Landesregierung handeln.

Nun blenden Sie fünf Jahre der Geschichte des BLB aus. All das, was in diesen fünf Jahren passiert ist, ist ja im Untersuchungsausschuss besprochen worden. Schloss Kellenberg, Polizeipräsidium Köln-Kalk, Vodafone-Gebäude Düsseldorf und als Gipfel das Landesarchiv in Duisburg sind politische Projekte, die Sie verantwortet und bei denen Sie Hunderte von Millionen an Landesgeldern verbrannt haben. Dies geschah unter Ihrer politischen Verantwortung, und nun sagen Sie, während Ihrer Regierungszeit war beim BLB alles gut, und andere müssen handeln.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Sie hatten in diesen fünf Jahren die politische Verantwortung, und Sie haben in diesen fünf Jahren strukturell nichts geändert und werfen dies jetzt einer anderen Landesregierung vor. Das nimmt Ihnen doch kein Mensch ab.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Gipfel ist, gerade jetzt das Thema „Bielefeld“ anzusprechen. Bielefeld ist doch Ihre politische Verantwortung. Sie hatten doch 150 Millionen € zur Verfügung, die Sie ausgeben konnten, und haben bei der ersten Benennung gesagt: Das Projekt darf nicht teurer werden. Das war ein Planungsfehler aus 2009 – in Ihrer politischen Verantwortung. Jetzt auf diese Landesregierung zu zeigen, ist mehr als unredlich.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Optendrenk zulassen?

Stefan Zimkeit (SPD): Klar.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Kollege, ich bedanke mich, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade vorgetragen, es sei in der Wahlperiode 2005 bis 2010 strukturell nichts verändert worden. Darf ich davon ausgehen, Ihnen ist entgangen, dass das BSL-Gutachten 2008 umgesetzt worden ist mit einer kompletten Restrukturierung im Innenbereich und insbesondere die Projekte, die Sie eben genannt haben – zum Beispiel Schloss Kellenberg, Köln-Kalk –, dazu geführt haben, dass nicht nur der Rechnungshof sich damit beschäftigt hat, sondern seinerzeit auch insbesondere Veränderungen innerhalb der Landesregierung herbeigeführt worden sind, und sich jetzt sicherlich der Untersuchungsausschuss mit der Aufarbeitung beschäftigt?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege.

Stefan Zimkeit (SPD): Der Untersuchungsausschuss befasst sich mit der Aufarbeitung. Darüber sind wir sehr froh. Ich möchte mich entschuldigen, vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Ich wollte die politische Aussage tätigen: Sie haben in Ihrer Regierungszeit keine strukturellen Änderungen vorgenommen, die diese Skandale verhindert haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich halte es für notwendig, dass wir uns entsprechend auseinandersetzen, wenn die Vorschläge vorliegen. Die CDU geht ja folgendermaßen vor: Wir stellen erst einen Antrag, in dem wir die Lösung präsentieren, und stellen heute einen zweiten Antrag, in dem wir verlangen, Eckpunkte vorzulegen, um sie zu diskutieren. – Das ist nicht unbedingt eine glaubwürdige Vorgehensweise. Aber das Entscheidende ist – damit sollten wir uns gemeinsam sehr ernsthaft auseinandersetzen –, wie in unserem Interesse die politische Begleitung des BLB organisiert werden soll.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Die CDU hat in ihrem letzten Antrag durchaus diskussionswerte Vorschläge gemacht, den wir noch in einer Anhörung darstellen wollen. Ich glaube, es ist wichtig, in diese Richtung zu gehen, weil es unser gemeinsames Interesse sein muss, den BLB vernünftig politisch zu begleiten.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Um weitere Skandale, wie sie in Ihrer Regierungszeit vorkamen, zu verhindern, um ein neues Bielefeld zu verhindern, ist es richtig, dass wir zügig die zweite Stufe der Neuausrichtung brauchen. Ich gehe davon aus, dass diese Eckpunkte in absehbarer Zeit vorgelegt werden. Dann sollten wir uns sachlich damit auseinandersetzen, damit nicht wieder dasselbe wie zu Ihrer Regierungszeit passiert. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich zumindest für unsere Fraktion zwei Dinge klarstellen.

Erstens. Wir werden uns einem plumpen BLB-Bashing nicht anschließen. Wir haben dort 1.900 Beschäftigte, die ein Anrecht darauf haben, anständig behandelt zu werden. Ich halte es für unzumutbar, alles, was im Baubereich falsch gelaufen ist, auf deren Rücken abzuladen.

(Zuruf von der FDP: Wir auch!)

Zweitens. Ich finde es einigermaßen abenteuerlich, wie die FDP glaubt, sich aus der Affäre ziehen zu können und zu behaupten – wörtlich Herr Witzel –, der größte Bauskandal in der Geschichte Nordrhein-Westfalens ist geschehen, und die FDP hat damit nichts zu tun.

(Jochen Ott [SPD]: Ja!)

Ich kann Ihnen nur ins Stammbuch schreiben, der Untersuchungsausschuss hat bereits jetzt nach den Protokollen, die mir zugänglich sind, ermittelt, dass das Fehlverhalten der Aufsicht und das Fehlverhalten insbesondere des Kabinetts mit dazu beigetragen hat, dass Millionen an Geldern verschleudert worden sind.

(Zuruf von der FDP)

Da lege ich mich auch fest. Herr Kollege Wedel, man muss den Finanzminister bitten und auffordern, die Reformschritte zügig auf den Tisch zu legen – wir haben verabredet, dass das schnell geschehen soll –, damit das, was wir als Landesregierung als Auftrag an den BLB geben, zügig und sorgfältig kontrolliert wird und vom BLB abgewickelt werden kann.

Nach dem, was man in der Zeitung lesen kann, scheint es so zu sein, dass man in Bielefeld die Hochschulbauten bis 2013 zügig fertiggestellt haben wollte und in der Planungsphase, die 2007 anfing, möglicherweise nicht in dem Maße geguckt hat, ob das auch funktionieren kann. Das werden die Untersuchungen ergeben. Möglicherweise wird sich der Untersuchungsausschuss und ganz sicher werden sich der Landesrechnungshof und die Gremien des Landtags mit dieser Frage befassen.

Mir geht es aber um etwas anderes. CDU und die FDP versuchen zu suggerieren, es sei eine Systemfrage – ist es eine Anstalt des öffentlichen Rechts oder ein Vermögen des Landes Nordrhein-Westfalen –, zum Beispiel Bauskandale, Kostenüberschreitungen zu verhindern. Das ist mitnichten der Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Es ist ein Versagen von handelnden Personen in ganz erheblichem Maße festzustellen. Dazu gehört möglicherweise auch das Versagen von Kabinettsmitgliedern. Dazu wird uns der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses eventuell entsprechende Hinweise geben. Ich will dem nicht vorgreifen. Ich bin aber relativ sicher, dass wir erhebliche Erkenntnisse bekommen werden.

Die Strategie der CDU – auch gegenüber den Medien – „Wir müssen den BLB nur abräumen, dann ist die Frage geklärt“, halte ich für alles andere als sachgerecht. Ich will an dieser Stelle sagen: Ich ärgere mich maßlos über diese Kostenüberschreitungen.

Als haushaltspolitischer Sprecher finde ich es auch ungemein schwierig, einerseits in die Fraktion gehen zu müssen und zu sagen, dass 100 Millionen € Kostenüberschreitung in Bielefeld – zumindest liest man das in der Zeitung – zu sehen sind, und andererseits die Fachkollegen quasi dazu zu treiben, kleinere Einsparungen in den Haushalten zu machen. Das ist schwer zu erklären. Das können wir uns auch nicht weiter leisten. Das will ich an dieser Stelle klipp und klar sagen – ich nehme an, da werden die Kolleginnen und Kollegen von der SPD keinesfalls anderer Auffassung sein –: Das müssen wir dringend in den Griff bekommen.

Wenn Sie aber billig politisches Kapital daraus schlagen wollen, haben Sie uns nicht an Ihrer Seite.

Wo Sie uns an Ihrer Seite haben, Kolleginnen und Kollegen – da bedurfte es aber nicht der Aufforderung –, ist die Frage, dass wir zügig Reformen beim BLB bekommen müssen. Ich wiederhole noch einmal die Stichworte, die ohnehin vorgetragen worden sind: Wir brauchen eine klare Immobilienstrategie. Dazu gehört im Übrigen auch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass man vielleicht auf das eine oder andere lieb Gewordene verzichten muss, und nicht, wie es jeder Bürgermeister und jeder Kommunalpolitiker der CDU vor Ort macht, noch mehr und noch mehr zu fordern.

Dazu gehört auch, dass man sich im Klaren sein muss, wo man politisch hin will, und dass man nicht immer nur mehr, sondern vielleicht auch einmal weniger in diesem Lande macht.

Wir wollen eine Unterbringungsrichtlinie, die klarstellt, welchen Raumbedarf wir dafür haben. Wir wollen eine klare Strategie, wo dieses Land haushaltspolitisch und immobilienpolitisch hin will. All das haben Sie nicht nur nicht in Ihrer Regierungszeit angefangen, sondern Sie haben auch erhebliche Fehler in der Umsetzung gemacht. Und das müssen wir jetzt in Ordnung bringen.

Ich sage dazu: Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass wir bereits in einem Beratungsprozess sind. Ich ermuntere die Landesregierung ausdrücklich, jetzt zügig zu handeln, damit wir genau diese Fragen behandeln können und dies auch sachgerecht machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir werden uns aber nicht an einem Bashing beteiligen, sondern wir wollen die Sachfragen abarbeiten. Wir wollen keinesfalls, dass so etwas, was in Bielefeld geschehen ist, noch einmal passiert. Wir werden alles tun, um so etwas zu verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Bleiben Sie bitte am Redepult. Herr Kollege Wedel hat sich nämlich zu einer Kurzintervention gemeldet.

Dirk Wedel (FDP): Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. Wenn Sie uns hier vorwerfen, wir wollten billig politisches Kapital aus den Vorgängen schlagen, dann kann ich das mehr als zurückgeben an der Stelle. Sie haben gerade behauptet, Sie hätten den Protokollen, die Ihnen vorliegen würden, der Sitzungen des Untersuchungsausschusses entnehmen können, dass das Kabinett oder Mitglieder des Kabinetts der schwarz-gelben Regierung von 2005 bis 2010 dazu beigetragen haben, dass die Sachen damals so aus dem Ruder gelaufen sind.

Bevor ich zu der Frage komme und Sie auffordere, einmal Ross und Reiter an der Stelle zu nennen – denn ich war bei allen Sitzungen des Untersuchungsausschusses anwesend und kann mich an so etwas nicht erinnern –,

(Beifall von der FDP)

bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass auch für Sie, Herr Kollege Mostofizadeh, das Verbot aus dem PUA-Gesetz gilt, nämlich das Verbot der vorgezogenen Beweiswürdigung. Nichts anderes haben Sie hier an der Stelle getan. Das war aus meiner Sicht völlig unzulässig und ist für den Stil des Hauses mit Sicherheit nicht stilbildend. – Danke.

(Beifall von der FDP und Marc Olejak [PIRATEN])

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege, ich hatte Vorberatungen. Möglicherweise müsste ich da noch einmal nachsehen. Ich bin zumindest fest davon überzeugt.

(Dirk Wedel [FDP]: Sie können es nicht belegen, Herr Kollege!)

Wir hatten Ausschussberatungen bereits in der vorhergehenden Legislaturperiode, also bevor der Untersuchungsausschuss eingesetzt worden ist, in denen es darum ging, wer zum Beispiel beim Landesarchiv in Duisburg Verantwortung für die Entscheidungen trägt, als klar war, die Kostenüberschreitung ist da, wobei deutlich wurde, dass das schwarz-gelbe Kabinett – da kam der Hinweis namentlich von Herrn Grosse-Brockhoff, und zwar nicht im Untersuchungsausschuss, sondern in einer normalen Ausschusssitzung – unbedingt wollte, dass weitergebaut wurde, weil man die Fertigstellung noch vor der Kommunalwahl erreichen wollte. Man hat dann zwar allenfalls einen Spatenstich erreicht – das wissen wir –, aber die Kostenüberschreitung haben wir heute am Hals.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Piraten spricht der Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Der Antrag der FDP-Fraktion und der CDU-Fraktion findet in Richtung meiner Fraktion jedenfalls die Empfehlung der Zustimmung.

(Beifall von der CDU)

Ich sage Ihnen auch, aus welchem Grund. Herr Kollege Mostofizadeh hat eben mit Recht und aus sicherlich gutem Grunde 1.900 Beschäftigte des BLB, des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW, benannt, die nach Möglichkeit unter den parlamentarischen Debatten oder auch unter den Ereignisse innerhalb des BLB oder unter der Ägide des BLB wie die zahlreichen Projekte des Landesbetriebes, unter anderem aktuell der Bau der Fachhochschule Bielefeld, nicht leiden sollen. Das ist richtig.

Aber, meine Damen und Herren, der Fisch stinkt in der Regel vom Kopf. Wenn wir vom Kopf reden, dann reden wir in der Tat von strukturellen Fragen. Dann reden wir auch von Führungsaufgaben innerhalb des BLB, innerhalb der Ressorts, innerhalb des Kabinetts und der Entscheidungswege und auch der Weisungslinien, die dort gefahren werden. Wir hörten – das ist nun einmal Fakt –, dass alle Ministerien einen Vertreter im Verwaltungsrat, also in einem wesentlichen Entscheidungs-, Beratungs- und Mitbestimmungsgremium des Bau- und Liegenschaftsbetriebes, sitzen haben, abgesehen von dem ansonsten innerhalb der Fraktionsverteilung bestehenden Proporz.

Ich höre aber auch Herrn Mostofizadeh, der hier steht und im Prinzip sagt, der Finanzminister bräuchte eigentlich nicht mehr zu reden, weil er schon alles gesagt habe. Und zwar hat Herr Mostofizadeh gesagt: „Wir als Landesregierung“.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Da muss ich betonen, lieber Herr Kollege Mostofizadeh – bitte fassen Sie es nicht als Angriff auf –: Sowohl die Grünen als auch die SPD und auch die Opposition hier im Landtag sind ein Kontrollorgan innerhalb des Landtags Nordrhein-Westfalen. Das ganze Parlament ist ein Kontrollorgan bezüglich des BLB.NRW,

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

weil der BLB.NRW respektive unter der Ägide des Finanzministeriums, der Fachaufsicht und Dienstaufsicht des Finanzministeriums, das Vermögen aller Bürgerinnen und Bürger mit zu verwalten hat und damit umzugehen hat – und das nach Möglichkeit richtig und gut, damit eben kein Schaden, auch kein Schaden an den 1.900 Beschäftigten entsteht.

In der Tat ist es so, dass seit Jahren über die Strukturfragen, die in den Anträgen der CDU und der FDP aufgeworfen werden, gesprochen wird. Es kann nicht sein, dass wir heute immer noch – nach drei Jahren Regierungszeit von SPD und Grünen – auf ein Eckpunktepapier warten.

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

– Entschuldigung, Frau Löhrmann, selbstverständlich sind es vier Jahre Regierungszeit. Seit vier Jahren warten wir auf ein Eckpunktepapier, das wir mal langsam sehen wollen; denn gerade auch Bielefeld zeigt aktuell, dass ganz dringend die Notwendigkeit besteht, strukturelle Veränderungen insbesondere in den Entscheidungs- und Leitungsgremien des BLB herbeizuführen, weil hier erhebliche Defizite zu erkennen sind.

Der Kollege Zimkeit hat das eben bezogen auf Bielefeld sehr deutlich gesagt. Er stellte fest, dass es 2009 – da war noch Schwarz-Gelb an der Regierung – hieß, dass Bielefeld nicht teurer als 150 Millionen € werden durfte. Ist das so richtig wiedergegeben, Herr Kollege Zimkeit?

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Wenn dem so ist, wurde etwas bestätigt, was wir jüngst erfahren durften, dass nämlich die Kosten, die heute prognostisch bei 252 Millionen € stehen – die wurden schon damals, wie wir aus den Zeitungen entnehmen konnten, vom BLB Bielefeld mit 207 Millionen € kalkuliert –, wissentlich und sehenden Auges so weit heruntergerechnet wurden, dass sie dem Budget nach dem Hochschulmodernisierungsplan entsprachen. Das Ministerium, welches damals unter einer anderen Führung stand, sagte: Wir wollen das Ding haben.

Man hatte dann aber vier Jahre Zeit, zu sagen: Was vor fünf Jahren, nämlich 2009, galt, war falsch, liebe Bürgerinnen und Bürger, liebes Parlament, weil schon zu der Zeit feststand, dass die Kosten deutlich über 200 Millionen € liegen würden. Das haben wir aber nicht gehört, sondern wir haben dann von einer Kostenexplosion gehört. Fakt ist jedenfalls: Bereits 2009 stand fest, dass die Gebäude nie zu diesem Preis errichtet werden konnten.

Wir sind dafür, dass hier ganz schnell strukturelle Veränderungen – auch im Rahmen des Risikomanagements und der Vertragsbegleitung seitens des BLB – Platz greifen. Dafür brauchen wir die Eckpunktevereinbarung bzw. das Eckpunktepapier.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Jawohl, Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Von daher stimmen wir diesem Antrag von CDU und FDP zu. Eile ist geboten. Wir können uns nicht noch ein Gebäude oder noch ein Projekt leisten, welches möglicherweise schon begonnen wurde, bei dem eine weitere Kostenexplosion zu einem weiteren Schaden für NRW führt. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal den Abgeordneten dankbar, die deutlich gemacht haben, dass beim BLB fast 2.000 Menschen arbeiten, die jeden Tag versuchen, den bestmöglichen Job abzuliefern, und die für das Land und die Immobilienentwicklung im Land eine Menge geleistet haben.

(Beifall von der SPD)

Wir alle wissen, wo ein Problem liegt, das nur schwer aufzulösen ist. Mit dem muss man sich beschäftigen; es ist aber mit Sicherheit nicht mit einem Schritt zu ändern. Der BLB ist durch die Zusammenfassung der Staatshochbauämter zu Recht gegründet und zu einer unternehmerischen Einheit geworden, die allerdings ein Problem hat, das sie nicht auflösen kann: Sie hat als einzigen Kunden ihren Eigentümer. Das, was normalerweise der Fall ist – man tut etwas für seinen Eigentümer, und der Kunde hat das Nachsehen; oder man muss, umgekehrt, aus der Marktsituation heraus auf die Kunden eingehen, woraufhin möglicherweise der Eigentümer ein Problem hat –, stellt hier einen Kreis dar, der nicht ganz einfach aufzulösen ist.

Wenn ich das lese und höre, was Sie von der Opposition zum BLB sagen, habe ich den Eindruck, dass Sie immer noch dabei sind, die Umzugskartons von 2010, als Sie die Regierung verlassen haben, auszupacken. Und jetzt stellen Sie beim Durchsehen der alten Akten fest: Man könnte noch einmal eine Frage stellen; denn wir haben in den fünf Jahren, in denen wir regierten, nicht das auf den Weg gebracht, was wir heute gerne als Ergebnis sehen wollen.

(Beifall von der SPD)

Ich will nicht nur sagen, was schon alles getan worden ist, sondern wo die Ursachen Ihrer heute zu behandelnden Skandale liegen. Der größte Klops, über den immer wieder geschrieben und gesprochen wird – damit beschäftigt sich auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuss –, ist das Landesarchiv in Duisburg. Jeder weiß: Da hat der BLB nicht einfach nur versagt, sondern da gab es ganz klare politische Vorgaben, ein Luxusprojekt für das Landesarchiv aufzubauen.

(Beifall von der SPD)

Dasselbe Spiel haben wir mit Bielefeld: Das wurde Hals über Kopf – mit einer völlig unrealistischen Kostenschätzung – gemacht. Das sieht man schon daran, dass die explodierten Kosten, vor denen wir heute stehen, ungefähr im Durchschnitt dessen liegen, was andere Fachhochschulen in ähnlicher Ausstattung gekostet haben. Es war völlig klar, dass das mit dem niedrigen Kostenansatz so nicht ging. Es musste aber gehen; und der Leidtragende war im Nachhinein der BLB.

(Beifall von der SPD)

Ich komme zum nächsten Punkt: Wir haben sehr schnell – 2010, 2011 – festgestellt, dass dieser BLB in seinen Strukturen nicht richtig aufgestellt war. Sie waren so, dass sie, wenn personelles Fehlverhalten dazu kam, ausgenutzt werden konnten. Herr Möbius, das muss ich ehrlich sagen: Es gibt nichts Billigeres, als nachzufragen, wer von denen eigentlich welches Parteibuch gehabt hat. Wir können jetzt bei Portigon und allen anderen einmal durchgehen und schauen, wen die eigentlich wählen bzw. welches Parteibuch sie haben, um daraus etwas zu machen, was auf eine billigere Art nicht darzustellen ist.

Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Der Mensch mit dem SPD-Parteibuch, den Sie ansprechen, hat meine Regierungszeit noch ungefähr einen Monat miterlebt. Dann habe ich ihn wegen dem, was im Raum stand, vom Amt entbunden. Vorher hat da niemand überhaupt irgendeinen Schritt unternommen. Das war der erste wichtige Schritt, den wir unternommen haben: Wir haben einen Geschäftsführer von seiner Tätigkeit entbunden, dessen Verhalten jetzt auch Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ist und über den sich mittlerweile auch der Untersuchungsausschuss auslässt.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach zwei Zwischenfragen. Die erste kommt von Herrn Kollegen Berger, die zweite von Herrn Kollegen Dr. Optendrenk.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich möchte gerne noch das ausführen, was wir bereits unternommen haben. Anschließend können Fragen gestellt werden, und ich kann sie beantworten.

Wir haben aufgrund dieses ganz klar erkennbaren Fehlverhaltens erst einmal zwei Untersuchungen machen lassen, ob das möglicherweise auch in Fehlstrukturen begründet sein kann. Die Antwort war: Ja!

Deswegen haben sich die Gremien des BLB ganz schnell damit beschäftigt und erste Schritte unternommen: Eine verbesserte Dokumentation von Prozessen und Entscheidungen ist eingeführt worden. Es sind umfassende Entscheidungsgrundlagen bei Grundstücksankäufen und -verkäufen festgelegt worden, die es vorher nicht gegeben hat. Es sind Alternativüberlegungen einzubeziehen, weil wir wollen, dass der BLB nicht immer nur das beste Ergebnis für sich hat, wenn er neu baut und selbst baut, sondern ebenso Alternativen einbezieht und fragt, ob möglicherweise Lösungen auch anderswo am Markt realisiert werden können.

Es werden Standardinformationen bei Verwaltungsratsbefassungen aufbereitet. Das gab es vorher nicht. Es geht dabei um Projekte, die der BLB vorhat, Projektrisiko, Alternativen, Kosten- und Wertermittlungsdarstellung. Es gibt eine Anpassung des Controllings und des Risikomanagements zur frühzeitigen Erfassung von Entwicklungen, die den Betriebserfolg gefährden könnten. Das sind alles Dinge, die bereits umgesetzt und kommuniziert worden sind.

Als nächster Schritt werden die Eckpunkte besprochen und vereinbart. Dabei beziehen wir natürlich die Kunden, die Teil des Eigentümers sind – ich meine die Ressorts – ein. An der Stelle gibt es ein Abstimmungsproblem. Das dauert. Aber auf längere Sicht wollen wir eine gute Grundlage haben, vor allem eine, die die Erfolgskriterien für den BLB anders definiert, dass nämlich nicht mehr nur dann Erfolg gegeben ist, wenn möglichst üppig, möglichst groß und teuer gebaut wird, weil dann der Umsatz größer ist, was aber dem Kunden Land, der auch der Eigentümer ist, wiederum schadet.

Wir wollen also, dass wirtschaftlich und zweckentsprechend gebaut wird und dann viel größere Möglichkeiten bestehen, dass Kostenkalkulationen eingehalten werden. In den Jahren 2005 bis 2010 ist das – abgesehen von ein paar Punkten – nicht angepackt worden. Jetzt sortieren Sie Ihre alten Akten aus und stellen fest, dass es sich um ein Versäumnis gehandelt hat, das Sie jetzt dem BLB an die Backe kleben möchten, am besten mit dem Label: „rot-grüne Landesregierung“. Das wird fehlschlagen, weil jeder weiß, wo die Ursprünge für dieses Fehlverhalten liegen.

Jetzt können Sie Fragen stellen, die ich beantworte, wenn das noch notwendig sein sollte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister.

Meine erste Anmerkung: Der Herr Minister hat seine Redezeit um eine Minute und 27 Sekunden überzogen. Diese Zeit bekommen die Fraktionen selbstverständlich auf ihr Redekontingent.

Da der Minister so freundlich war, statt einer Zwischenfrage am Ende seiner Rede Fragen zuzulassen, möchte ich zunächst Herrn Berger die Gelegenheit geben, seine Frage zu stellen.

Dr. Stefan Berger (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Finanzminister, ich bin – das möchte ich Ihnen an dieser Stelle sagen – Mitglied des Verwaltungsrates des BLB. Sie haben eben wiederholt, dass Sie den Grund für die Kostensteigerung um die FH Bielefeld in der Tatsache sehen, dass unter der schwarz-gelben Regierung ein zu geringes Budget angesetzt worden sei.

Ich frage Sie jetzt in Ihrer Eigenschaft als Finanzminister: Glauben Sie, dass das die Ursache ist, oder glauben Sie nicht vielmehr, dass es noch weitere Gründe innerhalb des BLB gibt, die eine Rolle gespielt haben könnten, auch in Kenntnis der Tatsache, dass es dazu Untersuchungsberichte gibt?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich glaube ganz eindeutig, dass das eine Ursache ist. Ich behaupte nicht, dass das die alleinige Ursache ist, sondern wir sind uns wohl einig, dass dazu das kommt, was ich angesprochen habe: Es gibt strukturelle Mängel. Es gab eine Menge Dinge, die zwischenzeitlich abgestellt worden sind, und weitere, die noch abgestellt werden müssen. Das ist überhaupt keine Frage.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Dr. Optendrenk stellt Ihnen die zweite Frage.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Ich hatte mich gemeldet, als Sie darüber gesprochen hatten, dass die Reformen aus Ihrer Sicht zügig umgesetzt werden.

Ich wollte Sie fragen: Sind Sie ernsthaft der Meinung, dass Sie es als „schleunigst“ empfinden, wenn Sie in einer durchaus krisenhaften Situation des BLB 2011 Eckpunkte vorlegen, wir uns aber inzwischen Mitte 2014 befinden? Welches Tempo, meinen Sie, müsste die Umsetzung Ihrer Eckpunkte haben? Das müsste zunächst noch in Gesetzgebungs- oder sonstiges Handeln übersetzt werden. Mir geht es um den Zeithorizont. Ich bitte um Auskunft.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Mir geht es nicht um „schleunigst“, sondern mir geht es um „zügig“ und darum, dass das solide und mit dauerhafter Wirkung umgesetzt wird. Das ist der Punkt.

(Beifall von der SPD)

Wir haben genügend Schnellschüsse gehabt, die uns an diesem Punkt heute noch Probleme bereiten.

(Jochen Ott [SPD]: Die haben wir erlebt!)

Das ist das, worum es mir geht.

Ich wiederhole es: Es ist jetzt schon eine ganze Reihe von Punkten umgesetzt worden, von denen viele das verhindern, worüber wir jetzt noch reden und deren Ursachen früher liegen. Jetzt geht es darum, dass wir weiter überlegen müssen, was der BLB alles leisten muss. Warum hat ein Land überhaupt einen Bau- und Immobilienbetrieb? Welche Ziele muss dieser Betrieb erfüllen? Das sind doch Fragen, die eine Diskussionsgrundlage bilden.

Die Feuerwehr, die notwendig war, um die Brände zu löschen, die wir zu Beginn festgestellt haben, funktioniert schon. Wir befinden uns nicht an einem Punkt, dass das dauert, dauert, aber nicht kommt.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Das bleibt so. Ich schließe die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen damit zu dieser direkten Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/5758. Wer möchte diesem Antrag seine Zustimmung geben? – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und Piraten sowie der fraktionslose Abgeordnete Stein. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 16/5758 abgelehnt worden.

Ich rufe auf:

9   Fragestunde

Drucksache 16/5780

In Verbindung mit:

Schadstoffbelastung in der Gesamtschule Kierspe und in der Grundschule Neschen in Odenthal

Kleine Anfrage 2096
der Abgeordneten
Olaf Wegner, Monika Pieper und
Lukas Lamla (PIRATEN)
Drucksache 16/5257

Ich weise Sie gerne darauf hin, dass die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zwischenzeitlich mit Drucksache 16/5803 vorliegt. Gleichwohl rufe ich die Kleine Anfrage 2096 auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir dieses Verfahren zum ersten Mal in dieser Periode gemeinsam durchführen, möchte ich gerne noch einmal an die Regeln erinnern und Ihnen in Erinnerung rufen, dass nach § 93 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung der Präsident, die Präsidentin eine Kleine Anfrage immer dann auf die Tagesordnung setzen kann, wenn die Antragstellerin, der Antragsteller das nach Ablauf der in § 92 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung vorgesehenen Frist von vier Wochen für die Beantwortung beantragt.

Mit anderen Worten: Die Beantwortung war verfristet, auch wenn sie zwischenzeitlich eingegangen ist. Die Antragstellerinnen haben darum gebeten, die Kleine Anfrage und die Antwort der Kleinen Anfrage unter dem Tagesordnungspunkt „Fragestunde“ auf die heutige Tagesordnung zu setzen.

Nach § 93 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung ist eine allgemeine Beratung über den Inhalt der Kleinen Anfrage allerdings nicht zulässig. Die Fragestellerin bzw. der Fragesteller kann lediglich das Wort zur Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Das ist den Piraten mitgeteilt worden und somit auch bekannt. Gleichzeitig bedeutet es für die übrigen Kolleginnen und Kollegen und Fraktionen, dass – entgegen der sonstigen Gepflogenheiten und Regeln bei der Fragestunde – für sie nicht die Möglichkeit besteht, sich munter einzuschalten und dazu Fragen zu stellen.

Ich werde vielmehr den drei Fragestellern der Piraten die Möglichkeit eröffnen, jeweils eine entsprechende Frage zur Berichtigung oder Ergänzung vorzunehmen.

Mit all diesen Vorbemerkungen erteile ich zunächst Frau Ministerin Löhrmann das Wort zur Beantwortung der Kleinen Anfrage. Bitte schön.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da die Frage inzwischen federführend von meinem Haus und im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz sowie der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet ist und ich davon ausgehe, dass alle des Lesens mächtig sind, möchte ich nur noch einmal das Wesentliche zu den Fragen 4 und 5 vortragen.

Die Frage 4 impliziert, dass es an der Gesamtschule Kierspe und der Grundschule Neschen in Odenthal infolge der PCB-Exposition zu Gesundheitsschädigungen bei Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie den Beschäftigten des Schulträgers gekommen ist. – Davon hat die Landesregierung bisher keine Kenntnis. Auch liegen bisher keine Anhaltspunkte dafür vor.

Über die gemessenen PCB-Werte, über erfolgte Sofortmaßnahmen und die weiteren Sanierungsschritte haben die Schulträger alle Betroffenen vor Ort durch Elternbriefe, Informationsveranstaltungen und eine ausführliche Darstellung auf der Homepage der Gesamtschule Kierspe sowie der Homepage der Gemeinde Odenthal offen und umfassend informiert und Beratung angeboten. Die Unfallkasse NRW sowie die zuständigen Gesundheitsämter und Bezirksregierungen sind einbezogen. In Kierspe gilt dies außerdem für den Arbeitsmedizinischen Dienst für die Lehrkräfte.

Die verantwortlichen Stellen werden die Betroffenen vorsorglich und bei Bedarf auch über Möglichkeiten der Anerkennung als Berufskrankheit durch die Unfallkasse NRW oder – soweit es sich um beamtete Lehrkräfte handelt – als Dienstunfall durch die zuständige Bezirksregierung informieren.

Anhaltspunkte dafür, dass es bei den Betroffenen infolge der Raumluftbelastung bei der beruflichen Tätigkeit zu einer Erkrankung oder Gesundheitsschädigung gekommen sein könnte, liegen den verantwortlichen Stellen allerdings nicht vor.

Soweit der Beitrag zu den Ausführungen in der Kleinen Anfrage, in denen es um die Sorgen der Eltern sowie der Beschäftigten und Kinder, die diese Schulen besuchen, geht.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Kollege Lamla mit der ersten Frage.

Lukas Lamla (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Frage bezieht sich auf Frage 3. Darin fragten wir, ob die Nutzungsgenehmigungen für die Gebäude der Gesamtschule Kierspe und der Grundschule Neschen entzogen worden seien. Sie antworten darauf, dass Ihnen die Informationen nicht vorlägen. Ich wüsste gerne, woran das liegt. Wieso haben Sie diese Informationen nicht? Wieso haben Sie es in den letzten zwei Monaten nicht geschafft, in Erfahrung zu bringen, ob die Nutzungsgenehmigungen für diese Gebäude noch bestehen oder ob sie entzogen worden sind?

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrter Herr Kollege, ich habe ausgeführt, dass der Schulträger und die Gemeinden gegenüber den Betroffenen tätig geworden sind und diese umfassend informiert haben. Und meines Wissens liegt auch gar kein Antrag beteiligter Eltern, Schulträgern oder Lehrerinnen und Lehrern vor, dass die Schule außer Nutzung genommen wird. Das hätte aber im Übrigen auch nicht das Land zu entscheiden, sondern das hätte natürlich der Schulträger zu entscheiden, weil das nach unserer Verfassungsordnung so geregelt ist.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank. – Es ist lange darüber geredet worden, dass es nicht in der Verantwortung der Landesregierung liegt. Ich frage mich aber, ob die Landesregierung sich nicht, wenn sie die Eltern, Lehrer und Schüler ernst nimmt, aktiv in ein solches Verfahren einschalten sollte, um dies zu begleiten und den Betroffenen zu helfen. Ich hätte gerne gewusst, wie Sie das sehen.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Frau Pieper, nach dem Subsidiaritätsprinzip und dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung unterliegen wir einer klaren Zuständigkeitsordnung.

Verschiedenste Gebäude in Nordrhein-Westfalen befinden sich in Landesbesitz oder in kommunaler Trägerschaft. Darüber hinaus gibt es flächendeckend im ganzen Land Nordrhein-Westfalen Bundesbehörden, etwa die Arbeitsagenturen. Für all diese Gebäude sind jeweils die Träger verantwortlich. Und wir wollen, dass alle Menschen, seien es Kinder, Eltern oder Beschäftigte, diese Gebäude nutzen können, ohne dass sie Gefahren ausgesetzt werden.

Aber niemand käme auf die Idee, dass das Land alle Informationen über die jeweiligen Gebäude zusammentragen müsste und einen Generalverdacht gegenüber allen aussprechen würde, dass man dort Gefährdungen ausgesetzt ist. Niemand käme auf die Idee, von uns oder dem Arbeitsminister zu verlangen, über alle Arbeitsagenturen in Nordrhein-Westfalen Informationen einzufordern. Vielmehr handeln wir nach folgendem Prinzip: Die zuständigen Stellen holen die Informationen ein, wenn Gefahr im Verzug ist oder entsprechende Sachverhalte vorliegen.

Wir haben keinen Zweifel daran, dass die zuständigen Stellen das dann auch jeweils tun, so wie das in diesem Fall auch passiert ist, was ich ja eben vorgetragen habe.

Sie unterstellen, es gäbe eine Regelungslücke für den Fall, dass ein Problem entsteht. Die Landesregierung sieht diese Regelungslücke nicht.

(Zustimmung von der Regierungsbank)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Dann stelle ich fest, dass wir diesen Teil der Fragestunde erledigt haben.

Ich rufe die in der Drucksache 16/5780 vorliegenden Mündlichen Anfragen 38 bis 41 auf; und zwar zunächst die

Mündliche Anfrage 38

der Frau Kollegin Schmitz von der Fraktion der FDP:

Die schulische Integration nicht gefährden – Wie bewertet Schulministerin Löhrmann in Anbetracht der vielfachen kritischen Äußerungen zu angeblich der Gülen-Bewegung nahestehenden Bildungseinrichtungen in den letzten Monaten die Planungen des Rhein-Ruhr-Bildungsvereins, dem ebenfalls eine Nähe zur Gülen-Bewegung nachgesagt wird, in Essen zukünftig ein Gymnasium in freier Trägerschaft zu betreiben?

In den vergangenen Monaten ist die sogenannte Gülen-Bewegung insbesondere durch die Auseinandersetzungen in der Türkei wieder verstärkt in den Fokus geraten. Diese ist dort auch im Bildungsbereich aktiv. Auch in der Bundesrepublik soll die Bewegung rund 300 Bildungseinrichtungen betreiben beziehungsweise sollen diese ihr nahestehen.

Oftmals ist die Betrachtungsweise dieser Bewegung unterschiedlich. Während von der einen Seite die Förderung von Bildungsaspirationen und auch die Offenheit bei der Kommunikation nach außen positiv betont wird, werden von anderer Seite die religiös-politischen Überzeugungen, Methoden und Intransparenz kritisiert.

In den vergangenen Monaten haben sich viele Medien (beispielsweise SPIEGEL Online vom 7. Februar 2014: „Politiker fordern Aufklärung über Gülen-Netzwerk“) intensiv mit der Gülen-Bewegung beschäftigt, und dort ist auch deutliche Kritik laut geworden.

So wurde zum Beispiel einer Schule, die Ereignisse sowie eine Nähe zur Gülen-Bewegung bestreitet, unter anderem vorgeworfen, dass Mädchen aufgrund ihres „modernen Lebensstils“ von Mitschülern geschlagen und ausgegrenzt worden seien, ohne dass die Schulleitung hierauf reagiert habe. Eine Schülerin sei zum Tragen des Kopftuchs genötigt worden. Auch würde zur Teilnahme an Religionskursen der Gülen-Bewegung gedrängt. Pädagogen hätten erst nach der Einstellung von der Nähe der Schule zur Gülen-Bewe-gung erfahren.

Auch an anderen Bildungseinrichtungen wird demnach über „Gehirnwäsche, Mobbing und Gewalt“ geklagt. Der baden-württembergische Verfassungsschutz warne demnach – offenbar intern – vor der Bewegung. Sie verfolge einen „türkischen Nationalismus“ mit „islamistischen Komponenten“.

Von einer anderen Schule, die der Bewegung nahestehen soll, wird berichtet, dass ein Geschäftsführer ein Buch von Darwin aus der Bibliothek entfernt habe, da Gülen die Evolutionslehre ablehne. Auch sei erklärt worden, dass Homosexualität die Strafe für Mörder und Kinderschänder sei. Von wiederum einer anderen Schule, der eine solche Nähe unterstellt wird, wird wiederum berichtet, dass bei Klassenfahrten Jungen und Mädchen streng getrennt zu sitzen hätten. Aus anderen Bildungseinrichtungen, bei denen eine Verbindung bestehen soll, wird von Medien über Gewalt berichtet.

Laut Medien erklärte ein Vertreter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, dass Gülen die Scharia über das Grundgesetz stelle. Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeord­nete Lale Akgün wird dazu im Portal von Zeit-Online mit der Aussage zitiert:

     „Ich verstehe nicht, dass Politiker, bei denen zum Beispiel bei Scientology alle Alarmleuchten angehen, bei Gülen meinen, es handle sich um eine fromme Truppe“.

Bereits 2012 ist Schulministerin Löhrmann zur möglichen Gründung einer Schule in freier Trägerschaft, seinerzeit in Duisburg, durch einen potentiellen Träger befragt worden, bei der mancherorts eine Nähe zur Gülen-Bewegung angenommen wird. Die Schulministerin hatte hierbei unter anderem auf die bestehende Rechtslage, eine nicht herzustellende Nähe zur Gülen-Bewegung, die Zuständigkeit der Bezirksregierung sowie eine offenbar nicht bestehende Beobachtung durch den Verfassungsschutz verwiesen.

Laut verschiedener Berichte von NRZ und WAZ aus den letzten Tagen plant der auch bei der Mündlichen Anfrage 2012 betroffene Rhein-Ruhr-Bildungsverein, der nach eigener Aussage die Gülen-Lehren schätze, aber eigenständig sei, in Essen die Errichtung eines Gymnasiums in Trägerschaft des Vereins. Hieran entzündet sich vor Ort nun deutliche Kritik. Daher wäre es wichtig zu erfahren, wie die Schulministerin in jeder Hinsicht diese Planungen nun in Anbetracht der Entwicklungen und vielfältigen Berichte der letzten Monate bewertet. Das Ziel einer größtmöglichen schulischen Integration darf nicht durch neue Separationsbewegungen gefährdet werden.

Wie bewertet Schulministerin Löhrmann in Anbetracht der vielfachen kritischen Äußerungen zu angeblich der Gülen-Bewegung nahestehenden Bildungseinrichtungen in den letzten Monaten die Planungen des Rhein-Ruhr-Bildungsvereins, dem ebenfalls eine Nähe zur Gülen-Bewegung nachgesagt wird, in Essen ein Gymnasium in freier Trägerschaft zu betreiben?

Ich bitte Frau Ministerin Löhrmann um Beantwortung.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Rhein-Ruhr-Bildungsverein e. V. hat am 18. April 2011 einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Gymnasiums bei der Bezirksregierung Düsseldorf gestellt. Der Antrag wird von der Bezirksregierung Düsseldorf bearbeitet und geprüft. Der letzten Aufforderung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 21. März 2013, weitere erforderliche Unterlagen nachzureichen, ist der Antragsteller bisher nicht nachgekommen.

Die Errichtung und der Betrieb privater Ersatzschulen ist grundgesetzlich garantiert gemäß Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz. Allerdings steht dieses Grundrecht unter einem staatlichen Genehmigungsvorbehalt. Dieser Genehmigungsvorbehalt dient nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu, die Schülerinnen und Schüler privater Ersatzschulen vor unzureichendem Unterricht zu schützen.

Genehmigungsvoraussetzung ist dabei insbesondere, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichts gewährleistet wird. Hierzu zählt zum einen, dass das Lehrpersonal qualitativ und quantitativ gleichwertig zu dem der öffentlichen Schulen ist. Zum anderen muss ein geeignetes Schulgebäude nachgewiesen werden.

Bisher scheiterte die Genehmigung der besagten Schule unter anderem daran, dass der Antragsteller keine Nutzungsrechte an einem geeigneten Schulgebäude nachweisen konnte. Dass der Antragsteller nunmehr ein Schulgebäude in Essen sucht, wurde der Bezirksregierung Düsseldorf seitens des Antragstellers bislang nicht angezeigt.

Zu den Genehmigungsvoraussetzungen gehört auch, dass der Ersatzschulträger die Gewähr dafür bietet, dass er nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt und die persönliche Zuverlässigkeit besitzt. Das ist in § 101 Abs. 5 Schulgesetz geregelt. Grundlage der Überprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit eines Schulträgers bildet eine Auskunft des Bundeszentralregisters.

Sobald eine Antragstellerin oder ein Antragsteller die Erfüllung aller Genehmigungsvoraussetzungen für den Betrieb einer Ersatzschule glaubhaft gemacht hat, ist die begehrte ersatzschulrechtliche Genehmigung zwingend zu erteilen. Die Verwaltung hat hierbei keinen Ermessensspielraum. Das ist eine sogenannte gebundene Entscheidung, an die die Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen wiederum gebunden sind.

So weit meine Antwort auf Ihre Anfrage.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die erste Nachfrage kommt von Frau Kollegin Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank zunächst für Ihre Antwort. – Ich habe eine Nachfrage. Inzwischen gibt es in unterschiedlichen Bundesländern wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz Bestrebungen, auch den Verfassungsschutz bei der Gülen-Bewegung sozusagen genauer hinsehen zu lassen. Wie steht hierzu die nordrhein-westfälische Landesregierung?

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Ich komme gerne zur Antwort. – Die Gülen-Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen wird von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder nicht als extremistische Bestrebung beobachtet. Die Bewegung verfolgt zwar zum Teil demokratiefeindliche Vorstellungen, tritt in Deutschland aber nur als religiöse Organisation auf, ohne nachweisbar politische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes zu verfolgen.

Das ist eine Information, die mir natürlich seitens des Innenministeriums so zugeleitet worden ist.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin Löhrmann, wir haben in der Vergangenheit hier häufig diskutiert, was wir vonseiten der Landespolitik tun können, um die Integration gerade von Kindern mit Migrationshintergrund in unserem Schulbetrieb zu verbessern. Diesem Hintergrund gilt auch meine folgende Frage.

Der Essener Schuldezernent hat sich klar öffentlich gegen die Planungen zur Einrichtung einer Schule im Zusammenwirken mit der Gülen-Bewegung gewandt, weil dies gerade den Integrationsbemühungen der Stadt entgegenstehe und sogar integrationsfeindlich sei. Ich möchte Sie fragen, wie Ihre politische Einschätzung ist: Teilen Sie die Sorge, dass das Vorhaben eher ein Rückschritt als ein Fortschritt für die Integration ist?

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrter Herr Witzel, die Vorgeschichte ist ja bekannt. Wir haben auch schon vor einigen Jahren über genau diesen Sachverhalt gesprochen. An der Rechtslage hat sich für die Landesregierung nichts geändert.

Es geht hier nicht darum, welche Meinung ich zu möglichen Ersatzschulträgern habe und ob Sorgen bestehen, sondern die rechtsstaatliche Entscheidung hat sich allein an den Verfassungsgütern zu orientieren und ist entsprechend vorzunehmen. Ohne dass belegbare und nachweisbare Begründungen der Verfassungsfeindlichkeit gegeben wären, kann die Genehmigungsbehörde hier nicht anders, als nach geltendem Recht verfahren.

Sie wissen es selbst: Die Ersatzschulgründung steht unter dem Schutz des Grundgesetzes, sie steht unter dem Schutz der Landesverfassung, und viele, viele rechtsstaatliche und auch juristische Auseinandersetzungen haben diese Ersatzschulfreiheit stets sehr hochgehalten und sehr gestärkt. Ohne den Nachweis, und zwar den aktenkundigen Nachweis auf einen konkreten Träger bezogen, sind den Behörden hier die Hände gebunden.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Schmitz, Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Ingola Schmitz (FDP): Danke schön. – Sehr geehrte Frau Ministerin, in der Vergangenheit hatte es in Nordrhein-Westfalen Probleme bei christlichen Vertretern unter dem Aspekt der Kreationismus gegeben. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das bei christlich-fundamentalistischen und evangelikalen Kräften in den USA verbreitet ist. Da in Artikeln auch berichtet wurde, dass die Gülen-Bewegung die Evolutionslehre ablehnt und ein Buch von Darwin aus einer Bibliothek entfernt worden ist, frage ich Sie: Wie stellt in Nordrhein-Westfalen – unabhängig von der jeweiligen Religionsgemeinschaft – die Schulaufsicht sicher, dass so etwas nicht passiert?

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrte Frau Schmitz, die Schulaufsicht stellt das wie folgt sicher: Immer, wenn es bezogen auf den Betrieb oder aber die Genehmigung einer Ersatzschule konkrete, handfeste Belege für die Verfassungsfeindlichkeit oder die Missachtung etwa des Beutelsbacher Konsenses – er beinhaltet, dass Schülerinnen und Schüler nicht einseitig indoktriniert werden dürfen – gibt, schreitet sie konkret ein.

So etwas jetzt auf Verdacht zu beurteilen, wäre nicht rechtmäßig. Deswegen kann die Regierung bzw. die Bezirksregierung Düsseldorf hier nicht so agieren.

Hinzu kommt, dass im Moment überhaupt noch kein – allein von den Grundsätzen her – genehmigungsfähiger Antrag vorliegt.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Frau Kollegin Schmitz hat als Fragestellerin drei Möglichkeiten zur Nachfrage. Die dritte Möglichkeit gebe ich ihr hiermit.

Ingola Schmitz (FDP): Vielen Dank für die vorherigen Antworten, Frau Ministerin. – Meine letzte Frage lautet: Sie hatten 2012 erklärt, Schulen könnten unter integrationsspezifischen Gesichtspunkten kritisch gesehen werden, wenn sie sich speziell an Schüler bestimmter Herkunft richteten. Dies könne aber einer Genehmigung nicht im Wege stehen, wenn alle anderen rechtlichen Anforderungen erfüllt seien. Welche integrationsspezifischen Gesichtspunkte sehen Sie hier insbesondere als kritisch an?

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrte Frau Schmitz, ich kann noch einmal darauf verweisen, dass der Bezirksregierung Düsseldorf zurzeit kein genehmigungsfähiger Antrag vorliegt, weil eine der wesentlichen Voraussetzungen nicht gegeben ist, nämlich der Nachweis eines angemessenen Gebäudes durch den Schulträger. Insofern möchte ich mich hier nicht in Spekulationen ergehen, die möglicherweise sogar an anderer Stelle beäugt werden könnten, sodass uns später vorgeworfen werden könnte, dass wir hier willkürlich agiert hätten. Jedwede Entscheidung muss frei von Willkür sein und sich allein an den rechtsstaatlichen Voraussetzungen für die Genehmigung von Ersatzschulen, die ich eben dargestellt habe, orientieren.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Herr Kollege Witzel stellt seine zweite und damit letzte Nachfrage.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin Löhrmann, Sie haben in Ihrem letzten Antwortbeitrag noch einmal darauf hingewiesen, dass Sie es für notwendig halten, in diesem Verfahren streng nach Recht und Gesetz vorzugehen und sich dabei an den Sachverhalten und Tatbeständen zu orientieren, die Ihnen vorliegen.

Ich frage Sie, ob es im Kontext dieser Schulgründung – die ja die Annahme des Trägers voraussetzt, mit seinem Angebot auch auf Nachfrage zu stoßen – nicht auch eine politische Dimension für die Wertung solcher Angebote gibt. Nach Medienberichten lassen sich angeblich auch unterschiedliche Repräsentanten Ihrer Partei, zum Beispiel Ministerpräsident Kretschmann, bei der Eröffnung von Schulen sehen, die ebenfalls der Gülen-Bewegung nahestehen. Werden aus Ihrer Sicht damit nicht möglicherweise falsche öffentliche Signale für die Eltern- und Schülerschaft gesetzt?

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrter Herr Witzel, ich sage noch einmal: Die Genehmigungsbehörde hat keinen Gestaltungsspielraum jenseits der genannten Kriterien.

Außerdem haben wir uns immer ganz konkret zu jedem Einzelfall zu verhalten. Ich kann auch nicht Einzelfälle in anderen Bundesländern beurteilen. Schulen ähnlicher weltanschaulicher Prägungen, etwa Waldorfschulen oder Schulen in evangelischer oder katholischer Trägerschaft, haben manchmal etwas unterschiedliche Ausprägungen. Deswegen ist jeder Einzelfall ganz konkret zu betrachten.

Ich bin dabei streng an Recht und Gesetz gebunden. Deswegen kann es hier keine auf Verdacht geäußerten politischen Ausführungen geben, die möglicherweise sogar von einem Ersatzschulträger als Beleg dafür ins Feld geführt werden könnten, dass ein Antrag nicht nach Recht und Gesetz geprüft worden wäre.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann stelle ich fest, dass die Mündliche Anfrage 38 inklusive der Nachfragen beantwortet ist.

Ich rufe auf:

Mündliche Anfrage 39

des Herrn Abgeordneten Ulrich Alda von der FDP:

Hat der Arbeitsminister den Landtag umfassend über alle Veranstaltungen seiner Pressesprecherin informiert?

Die Pressesprecherin von Minister Schneider hatte in der Vergangenheit wiederholt nebenberufliche Moderationstätigkeiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und bei weiteren Veranstaltungen übernommen. Die FDP-Landtagsfraktion hatte das Thema im Arbeitsausschuss am 7. Mai 2014 beantragt und um Aufklärung gebeten. Dort berichtete der Minister von drei Moderationen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und acht weiteren Moderationen unter anderem für das Zentrum für Türkeistudien, dessen Träger das Ministerium selber ist.

Ungeklärt ist die Frage, ob diese Darstellung im Ausschuss abschließend gewesen und die Sache für den Minister nun abgeschlossen ist oder Informationen über weitere Veranstaltungen vorliegen.

Hat der Arbeitsminister umfassend über alle Veranstaltungen seiner Pressesprecherin informiert?

In Verbindung mit:

Mündliche Anfrage 40

des Herrn Abgeordneten Peter Preuß von der CDU:

Nebentätigkeiten der Sprecherin von Minister Schneider

In der Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 7. Mai 2014 hat Minister Schneider mehrere Nebentätigkeiten seiner Sprecherin D. M. bestätigt, darunter sieben Moderationen bei Veranstaltungen, Tagungen und Kongressen.

Trifft es zu, dass Kunden im Rahmen der Nebentätigkeit der Ministeriumssprecherin D. M. Zuwendungsempfänger des MAIS oder anderer Landesministerien sind?

Da die beiden Fragen sich auf denselben Komplex beziehen, werden sie auch gemeinsam aufgerufen und beantwortet.

Dazu erteile ich jetzt Herrn Minister Schneider die Antwortmöglichkeit.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich nehme zunächst zur Frage des Abgeordneten Alda Stellung.

Grundsätzlich schützt das Grundgesetz die Freiheit des Einzelnen, eine nebenberufliche Tätigkeit zu ergreifen. In dieses Grundrecht greift bei Tarifbeschäftigten – um eine solche handelt es sich hier – die Anmeldepflicht einer Nebentätigkeit nach § 3 Abs. 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder in zulässiger Weise ein. Nur bei berechtigtem Interesse des Arbeitgebers ist eine Beschränkung dieses Rechtes möglich.

Hinsichtlich der Moderatorentätigkeit wurde grundsätzlich kein Interessenkonflikt gesehen.

Im AGS am 7. Mai 2014 wurde ich gefragt, ob ich über die Moderatorentätigkeit der Pressesprecherin für den WDR informiert gewesen sei. Ich habe gegenüber dem Ausschuss erklärt, dass ich darüber informiert war. Ich habe den Ausschuss darüber hinaus informiert, dass die Pressesprecherin neben der Moderatorentätigkeit für den WDR noch acht weitere Moderatorentätigkeiten durchgeführt bzw. angemeldet hatte.

In der heutigen Mündlichen Anfrage fragt Kollege Alda weitergehend, ob ich über alle Veranstaltungen informiert habe.

Gegenstand der Behandlung im AGS am 7. Mai 2014 waren – wie eben schon ausgeführt – Moderatorentätigkeiten. Neben diesen bereits erläuterten Terminen hat die Pressesprecherin noch drei weitere Nebentätigkeiten angezeigt: die Seminarleitung eines Journalistenseminars, einen Workshop der Initiative „Mach meinen Kumpel nicht an“ und eine Referatstätigkeit bei einem Diversity-Workshop der Gewerkschaft IG BCE. Weitere Nebentätigkeiten hat die Pressesprecherin nicht angezeigt. – Vielen Dank.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die erste Nachfrage von Herrn Kollegen Alda.

Ulrich Alda*) (FDP): Danke. Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Schneider, bei all Ihren Antworten im eben zitierten AGS waren Ihre Aufzählungen Veranstaltungen, bei denen Frau M. engagiert war. Es ging um Themenkomplexe im Bereich „Integration“, also in Ihrem ureigenen Bereich.

Sehen Sie es als Staatsferne an, Herr Minister, wenn Ihre Pressesprecherin in diesem Bereich – ich wiederhole es noch einmal: Ihrem ureigenen Bereich – als Journalistin tätig ist?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Dazu kann ich sagen, dass sich nicht alle angezeigten Nebentätigkeiten der Pressesprecherin auf die Integrationspolitik des Landes bezogen haben. Bei den in Rede stehenden Aktivitäten beim WDR handelt es sich um eine Gesprächsrunde, die in erster Linie mit der Skizzierung des Lebenswegs des zu Interviewenden zu tun hat. Dass dabei ein- oder zweimal Menschen mit Migrationshintergrund Gegenstand der Betrachtungen waren, hat nichts damit zu tun, dass hier integrationspolitische Initiativen entwickelt oder transportiert wurden.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. Herr Minister, bevor Herr Nückel Ihnen die erste Nachfrage stellen kann, würde ich Sie gern fragen, ob Sie für sich entschieden haben, doch die Frage von Herrn Preuß anschließend abarbeiten zu wollen. Denn Sie hatten angekündigt, dass Sie zunächst die Frage von Herrn Alda beantworten wollen. Dann würde ein „danach“ folgen.

Ich habe mich gerade noch einmal vergewissert. Das haben wir jetzt nicht gehört. Wir können es auch gern so strukturieren. Ich will nur Klarheit für das Parlament schaffen. Deshalb frage ich jetzt Sie, wie Sie es gern in der Beantwortung handhaben wollen.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Ich kann sehr gern, wenn es gewünscht wird, auch die Antwort auf die Anfrage von Herrn Preuß geben.

Präsidentin Carina Gödecke: Dann würde ich Folgendes vorschlagen: Herr Nückel, sind Sie einverstanden, wenn wir die Antwort dazwischenschieben, oder möchten Sie erst die Frage stellen?

Dann würde ich Herrn Minister bitten. Dann haben wir den Gesamtkomplex, und es können auch die Fragen dazu gestellt werden.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Dann komme ich zur Beantwortung der Mündlichen Anfrage von Herrn Preuß.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die meisten Veranstalter, bei denen die Pressesprecherin des MAIS eine Nebentätigkeit ausgeübt hat, irgendeine Form der Zuwendung des Landes erhalten. Besonders augenfällig ist dies am Beispiel der Stadt Dortmund, die sicherlich von den verschiedensten Ressorts der Landesregierung genauso wie andere Städte auch Zuwendungen erhält. Das MAIS kann diese Zuwendungen nicht im Einzelfall überprüfen. Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen mitteilen, welche Organisationen durch das MAIS institutionell gefördert werden bzw. welche der in Rede stehenden Veranstaltungen durch das MAIS direkt gefördert worden sind.

So werden die Dokumentationszentren und das Museum über die Migration in Deutschland, DOMiD, und das „Zentrum für Türkeistudien und Integration“ institutionell gefördert. Die Pressesprecherin hat allerdings für ihre Nebentätigkeit bei der Tagung von DOMiD auf ein Honorar verzichtet. Die von ihr angezeigte Moderation einer Tagung des „Zentrums für Türkeistudien und Integration“ hat sie letztendlich nicht ausgeübt. Sie hat also hier auch kein Honorar erhalten.

Die beiden Integrationskongresse der Stadt Dortmund sind nicht aus Mitteln des Landes finanziert worden.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Jetzt Herr Kollege Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Herr Minister, in der von Ihnen erwähnten Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales haben Sie von der Teilnahme Ihrer Pressesprecherin als Moderatorin an einer Lesung für ein Kulturbüro in 2012 gesprochen.

Können Sie uns sagen, um welches Kulturbüro es sich da handelt?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Nach meinen Unterlagen handelt es sich um das Kulturbüro der Stadt Wuppertal. Hier ging es um die Moderation einer Lesung. Eine Förderung dieser Veranstaltung durch das MAIS fand nicht statt.

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Herr Kollege Preuß.

Peter Preuß (CDU): Herr Minister Schneider, mir geht eine Erklärung durch den Kopf, die Sie im Ausschuss abgegeben haben. Da möchte ich noch einmal nachfragen.

Sie haben sich dahin gehend geäußert, dass derlei Diskussionen entbehrlich seien und sie nicht früher reagiert hätten, weil vorher die Diskussionen nicht stattgefunden haben. Können wir davon ausgehen, dass Sie auch in Zukunft erst dann reagieren, wenn Diskussionen geführt werden bzw. Ärger ins Haus steht?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Preuß, meine Einlassung bezog sich auf die drei in Rede stehenden Moderationen einer Sendung im WDR.

Ich habe in meinen Antworten darauf hingewiesen, dass ich diese Moderationstätigkeit, weil sie weitgehend unpolitisch war und keinen Einfluss auf die redaktionelle Tätigkeit des WDR nahm – darauf hat auch der Westdeutsche Rundfunk hingewiesen –, für durchaus akzeptabel hielt.

Von anderen Veranstaltungen, die die Pressesprecherin moderiert hat oder auf denen sie referierte, war ich im Einzelnen nicht informiert. Dafür gibt es eine Stelle im Ministerium.

Ich kann Ihnen sagen: Um mich wirklich auf die wichtige politische Arbeit zu konzentrieren, würde ich eine solche Moderationstätigkeit beim WDR, um auch nur den Anschein einer Einflussnahme nicht aufkommen zu lassen, zukünftig unterbinden.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Nückel, die zweite und für Sie dann auch letzte Nachfrage.

Thomas Nückel (FDP): Herr Minister, Sie haben gerade auf meine erste Frage bezüglich des Kulturbüros die Stadt Wuppertal genannt. Bleiben Sie bei der Aussage, dass es sich nur um die eine Veranstaltung gehandelt hat?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Nach den Unterlagen, die mir vorliegen, geht es um eine Veranstaltung beim Kulturbüro der Stadt Wuppertal, und zwar am 14. Juni 2012. Dies sind die mir vorliegenden Daten.

Bezogen auf Wuppertal gab es dann noch eine Veranstaltung des Katholischen Bildungswerkes. Mehr ist mir nicht bekannt.

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Post.

Norbert Post*) (CDU): Herr Minister, wie beurteilen Sie es persönlich, wenn Ihre Pressesprecherin nebenberuflich Moderationen bei Veranstaltungen ausübt, die von Ihrem Haus oder einem entsprechenden anderen Ressort, gefördert worden sind?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Post, ich habe doch eben darauf hingewiesen, dass nach einer wirklich akribischen Nachforschung festgestellt worden ist, dass keine der Veranstaltungen, bei denen die Pressesprecherin als Moderatorin oder als Referentin tätig war, durch das MAIS gefördert worden ist.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Oder andere Ministerien!)

– Schauen Sie, ich habe doch auf die Stadt Dortmund verwiesen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Jede Kommune in Nordrhein-Westfalen bekommt über die Landesregierung und die einzelnen Ressorts in einem sehr großen Ausmaß Zuwendungen. Es ist nicht möglich, innerhalb einer Woche diese Prozesse bezogen auf alle Ministerien der Landesregierung nachzuvollziehen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Zu einer zweiten Frage hat sich der Kollege Preuß gemeldet.

Peter Preuß (CDU): Vielen Dank. – Herr Minister, es geht um das Friedensfest, das in Dortmund nach meinen Informationen am 3. September 2011 stattgefunden hat. Die Mitarbeiterin hat auf dieser Veranstaltung moderiert und Ihnen auch Fragen gestellt.

Laut einer Pressemitteilung vom 7. September 2011 ist dann diese Mitarbeiterin als Ihre Pressesprecherin bestellt bzw. angekündigt worden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Veranstaltung „Friedensfest“ am 3. September 2011 und der Pressemitteilung vier Tage später am 7. September?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Ich kann Ihnen an dieser Stelle im Nachhinein keinen Zusammenhang bestätigen. Ich kann Ihnen bestätigen, dass auch dieses Friedensfest nicht durch Mittel des MAIS mitfinanziert wurde. Nach meinen Informationen hat die Stadt Dortmund die Pressesprecherin gebeten, die Moderation zu übernehmen, weil ja wohl sehr positive Erfahrungen vorliegen. Ich war selbst weder Veranstalter noch hervorgehobener Mitwirkender bei diesem Fest. Ich war mehr oder weniger anwesend, weil es darum ging, im Stadtteil Dorstfeld Veranstaltungen der Neonazis abzuwehren, und bin in diesem Zusammenhang mit zwei, drei Fragen, die politisch nun wirklich nicht bedeutend waren, konfrontiert worden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Als Nächstes hat sich Herr Kollege Alda gemeldet.

Ulrich Alda*) (FDP): Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister Schneider, Sie sprachen von insgesamt acht Veranstaltungen zuzüglich zu den drei Tischgesprächen für den öffentlich-rechtlichen Sender, bei denen die besagte Pressesprecherin freiberuflich tätig war. Mit der soeben vom Kollegen Nückel angesprochenen Veranstaltung in Wuppertal kommen wir nun rechnerisch auf neun Veranstaltungen. Damit ist im Ausschuss bereits nicht umfassend informiert worden. Daher meine abschließende Frage: Gibt es noch weitere Veranstaltungen über Wuppertal hinaus, die wir in diesem Hause noch nicht kennen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Noch einmal: Bei der Diskussion im Ausschuss handelt es sich um die drei Moderationstätigkeiten, die im Rahmen der WDR-Reihe „Tischgespräch“ ausgeführt worden sind. Ich habe dann darauf hingewiesen, dass es noch weitere Moderationstätigkeiten gab. Und in meiner eben zuerst verlesenen Antwort auf Ihre Anfrage habe ich darauf verwiesen, dass es drei weitere angezeigte Nebentätigkeiten gibt, die aber eben nicht Moderationstätigkeiten sind, sondern sich auf eine Referatstätigkeit im Rahmen von drei Veranstaltungen beziehen. Ich kann sie Ihnen noch einmal mitteilen, wenn gewünscht. Das war eine Veranstaltung bei der „Gelben Hand“, ein Workshop bei der Initiative „Mach meinen Kumpel nicht an!“, die Referententätigkeit bei einem Workshop der IG BCE und die Seminarleitung bei einem Journalistenseminar.

Ich mache aber schon den Unterschied – deshalb habe ich diese drei Veranstaltungen im Ausschuss nicht genannt – zwischen der Moderationstätigkeit und einer freien Referententätigkeit. Weitere Tätigkeiten sind dem Ministerium nicht angezeigt worden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Zu einer Frage hat sich Kollege Kerkhoff gemeldet.

Matthias Kerkhoff (CDU): Herr Minister, können Sie ausschließen, dass Frau Milutin diese oder andere Moderations- oder Referententätigkeiten auch deshalb bekommen hat, weil sie Mitarbeiterin im zuständigen Ministerium ist? Gibt es Fälle, in denen Sie Ihre Mitarbeiterin an entsprechende Stellen als Moderatorin/Referentin empfohlen haben?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Ich habe Frau Milutin in keinem Fall für irgendetwas außerhalb ihrer dienstlichen Aufgaben empfohlen. Frau Milutin ist eine sehr angesehene Journalistin, die viele Jahre als freie Mitarbeiterin für den Westdeutschen Rundfunk gearbeitet hat. Sie genießt einen sehr guten fachlichen Ruf und ist auch bei vielen Kommunen in Nordrhein-Westfalen bekannt. Über diesen Weg sind diese Aktivitäten zustande gekommen. Es gibt hier keinerlei Einflussnahme durch den Minister.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Nun hat sich Frau Kollegin Güler gemeldet.

Serap Güler (CDU): Herzlichen Dank. – Herr Minister, auf dem Kinderforum 2007 hat der Sohn eines Pressesprechers – nicht der Pressesprecher selbst – dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers Fragen gestellt. Von der Opposition gab es damals harsche Kritik. Es wurde in den Raum geworfen, es handele sich um einen „bezahlten Fake“, um den „Untergang der politischen Kultur“. Vor allem die SPD kritisierte das Ganze und stellte die Frage, ob Jürgen Rüttgers Angst vor Fragen habe. Gilt die Kritik, die die SPD damals gegenüber Rüttgers geäußert hat, heute nicht mehr?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Verehrte Frau Kollegin, da verwechseln Sie einiges.

(Zuruf von der CDU)

– Nun bleiben Sie doch ruhig.

Nach meiner Kenntnis muss ich zuerst einmal feststellen, dass die Pressesprecherin keinen Sohn hat. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist, es handelt sich nach meiner Erinnerung bei dem von Ihnen aufgerufenen Vorgang darum, dass der Sohn eines Sprechers im Hinblick auf eine Gesprächsrunde mit Herrn Ministerpräsidenten Rüttgers vorbereitet war. Ich kenne die Einzelheiten nicht. Mir ist nicht bekannt, dass hier in irgendeiner Weise Verbindungen zur Tätigkeit der Pressesprecherin zu ziehen sind.

Sie würden mir damit unterstellen, ich hätte die Pressesprecherin gebeten, mir in einem Fall, nämlich auf dem Marktplatz in Dortmund-Dorstfeld, vorbereitete Fragen zu stellen. Wir kennen uns nun einige Jahre. Sie können sicher sein, dass ich gerade in diesem Feld nicht auf vorbereitete Fragen angewiesen bin. Insofern hinkt Ihr Vergleich.

(Zuruf von der CDU)

– Na ja. Wenn es um neonazistische Tätigkeiten in meiner Heimatstadt geht, braucht mir niemand vorbereitete Fragen zu geben. Da kenne ich mich schon ein bisschen aus, Herr Oppositionsführer.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön, Herr Minister. – Nun hat das Wort Herr Prof. Dr. Sternberg.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, es wurde kein Interessenkonflikt gesehen. Sehen Sie die Unabhängigkeit des WDR gewährleistet, wenn die Sprecherin einer Regierung oder eines Ministeriums gleichzeitig für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig ist, der eigentlich die Aufgabe hat, die Regierung kritisch zu begleiten? Zudem muss man wohl davon ausgehen, dass sie für ihre Tätigkeit dienstliche Informationen nutzen konnte, die ein anderer für diese Tätigkeit nicht vorfinden könnte. Sehen Sie das anders?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Sie haben aus meiner Sicht die Aufgabenstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks richtig beschrieben.

Ich hätte eine Interessenkollision gesehen, wenn über die Tätigkeit der Pressesprecherin mittelbar oder unmittelbar Einfluss auf das Programm oder die Programmausrichtung des WDR oder gar auf Inhalte des Programms genommen worden wäre.

Sie können sich die drei in Rede stehenden Tischgespräche anhören. Sie werden feststellen, es geht vor allem um die Vita und die Darstellung des Lebenslaufes der Befragten. Einmal handelt es sich um einen Rockmusiker aus Zagreb, wenn ich mich richtig erinnere. Er hat auch einmal in Deutschland gelebt. Außerdem ging es um zwei andere Personen, die mir jetzt nicht einfallen.

Wie durch ein Interview mit solchen Persönlichkeiten Einfluss auf die Politik und Ausrichtung des Westdeutschen Rundfunks Einfluss genommen werden kann, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich war einige Jahre im Rundfunkrat des WDR. Sie sind jetzt im Rundfunkrat des WDR, wenn ich richtig informiert bin. Wir wissen, wie Einflussnahme abläuft. Dies geschieht nicht in Form einer dreistündigen Interviewtätigkeit innerhalb von drei Jahren. Wenn dies der Fall wäre, wäre es um den WDR schlecht bestellt. Aus meiner Sicht ist es um ihn gut bestellt, sehr gut bestellt. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich morgens WDR 5 anmachen kann.

(Zuruf von der CDU: WDR 4!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Nun hat sich der Kollege Witzel gemeldet.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Minister Schneider, ich hatte Sie gerade so verstanden, dass es sich bei weiteren Engagements Ihrer Sprecherin nicht um Moderatorentätigkeiten gehandelt habe.

Mir liegt die Einladung ins DGB-Tagungszentrum Hattingen vom 29./30. November 2013 zur Aktion Gelbe Hand „Mach meinen Kumpel nicht an!“ vor. Dort hat es eine Podiumsdiskussion mit zwei Abgeordneten gegeben, und zwar mit Herrn Sebastian Edathy, den man aus anderen Zusammenhängen sehr präsent hat, und mit Frau Verena Schäffer, also mit Vertretern von SPD und Grünen.

In der Einladung ist Ihre Sprecherin ausgewiesen mit der Funktion „Journalistin und Moderation“. Möchten Sie Ihre Aussage von vorhin korrigieren?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Diese Einladung ist mir nicht bekannt. Sie wiesen darauf hin, dass die Pressesprecherin in der Einladung als Journalistin ausgewiesen ist. Das ist sie in der Tat.

Wenn dort eine Moderationstätigkeit ausgeübt wurde und keine Referententätigkeit, dann nehme ich in diesem Punkt meine Aussage von eben zurück und bitte, das große Versehen zu entschuldigen. Denn die Bundesschule Hattingen lügt nie, Herr Witzel.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun hat sich der Kollege Hegemann gemeldet.

Lothar Hegemann*) (CDU): Herr Minister, das freie Arbeitsverhältnis zwischen Ihrer Mitarbeiterin und dem WDR ruht. Warum, wenn alles in Ordnung war? Und welche Gespräche hat es zwischen dem WDR und Ihrem Hause über die Modalitäten des Ruhens gegeben?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Hegemann, es gab kein freies Arbeitsverhältnis 

(Lothar Hegemann [CDU]: Zum WDR?)

– zum WDR –, sondern Frau Milutin wurde von der Wellenleitung WDR 5 gebeten, diese drei Moderationen in drei Jahren durchzuführen und zu gestalten. Sie hat in jedem Fall diese Tätigkeit angezeigt. Wie ich eben ausgeführt habe, müssen Tarifangestellte lediglich eine Anzeige von Nebentätigkeiten vornehmen. Wenn es dann sehr gewichtige Gründe für ein Haus gibt, diese Nebentätigkeiten abzulehnen, dann muss eine Lösung gefunden werden.

In diesen drei Punkten – auch aufgrund der Struktur und des Inhalts der drei in Rede stehenden Sendungen – waren und wurden Interessenkollisionen nicht bekannt. Sie sind aus meiner Sicht auch nicht vorhanden. Nachdem dieser Vorgang in der Behauptung mündete, Frau Milutin habe über ihre dreistündige Tätigkeit in drei Jahren maßgeblichen Einfluss auf den WDR genommen, haben sowohl der WDR als auch ich erklärt – um auch nur den Anschein einer Einflussnahme zu verhindern –, die Zusammenarbeit zu beenden, solange Frau Milutin als Pressesprecherin in unserem Hause tätig ist.

Das ist der Sachstand. Darüber hat es keine direkten Gespräche mit dem WDR gegeben. Beide Seiten sind unabhängig voneinander zu dieser Einschätzung und Entscheidung gelangt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Eine Zusatzfrage hat der Kollege Kerkhoff.

Matthias Kerkhoff (CDU): Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass Sie im Bereich der Nebentätigkeit für die Tischgespräche Interessenkonflikte ausschließen. Gilt das für alle weiteren Nebentätigkeiten von Frau Milutin ebenfalls?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Ich habe doch darauf hingewiesen, dass es nicht darum geht, dass ich irgendetwas ausschließe. Ich habe gesagt: Bezogen auf diese drei Moderationen sah ich keine Einflussnahme der Landesregierung auf den WDR. Der WDR hat dies auch bestätigt. Aus seiner Sicht ist dies auch so.

Ich glaube, jeder, der die in Rede stehenden Sendungen anhört, wird sich dieser Beurteilung anschließen. Ich kann Ihnen jetzt nicht pauschal sagen, dass ich bei irgendeiner Nebentätigkeit keine Einflussmöglichkeiten sehe. Hier muss man im Einzelfall überprüfen, worum es geht, welche Nebentätigkeit ausgeübt werden soll, an welcher Stelle, in welcher Dimension.

Eine pauschale Beurteilung findet aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang nicht statt, weil sie nicht stattfinden kann.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Nun hat sich die Frau Kollegin Milz gemeldet.

Andrea Milz (CDU): Herr Minister, können Sie ausschließen, dass Frau Milutin in Ihrem Hause auf ihre Nebentätigkeit vorbereitet worden ist?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Ich weiß ja nicht alles über mein Haus, aber ich weiß, dass wir dort keine Moderatoren ausbilden.

(Zuruf von der CDU)

Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass Frau Milutin eine sehr angesehene Journalistin und Moderatorin ist. Es ist keinerlei Vorbereitung im Ministerium im Hinblick auf die in Rede stehenden Nebentätigkeiten erfolgt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Nun liegt mir eine Frage der Frau Kollegin Middendorf vor.

Claudia Middendorf (CDU): Eine Ergänzung zu der Frage von Frau Milz: Wurden mit Hilfe Ihres Hauses, mit dem Ministerium, vielleicht Vorbereitungen für die Moderationen erstellt?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Nein, nach meiner Kenntnis ist dies nicht geschehen. Das ist eine ausschließlich außerdienstliche Angelegenheit der Pressesprecherin.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Eine dritte Frage – das ist als Antragsteller möglich – hat der Kollege Preuß.

Peter Preuß (CDU): Vielen Dank. Herr Minister, ich habe eine dritte Frage: Haben Sie sichergestellt, dass die angemeldeten Nebentätigkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses unabhängig und ohne Interessenkollision ausgeübt werden, und zwar unabhängig von den von Ihnen zitierten tarifrechtlichen Regelungen?

Gibt es also strukturelle Maßnahmen, die sicherstellen, dass wenn Nebentätigkeiten ausgeübt werden, diese unabhängig und ohne Interessenkollision stattfinden? Wie haben Sie das gemacht?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Für die Kenntnisnahme der angezeigten Nebentätigkeiten bzw. der Nebentätigkeiten, die genehmigt werden müssen, wenn es sich um Beamte handelt, ist eine Stelle in der Zentralabteilung des Ministeriums zuständig. Dies wird in allen Häusern so ähnlich sein.

Hier gibt es vielfältige Erfahrungen und einen großen Sachverstand, der dazu führt, dass mögliche Interessenkollisionen erkannt werden. Dann reagiert das Ministerium; der Minister wird nur in Einzelfällen über diese Dinge informiert. Über die drei Moderationstätigkeiten der Pressesprecherin beim WDR bin ich direkt von der Pressesprecherin informiert worden, und ich habe das zur Kenntnis genommen.

Ich glaube schon, dass wir über sehr qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lage sind, zu erkennen, ob es zu Interessenkollisionen oder zu nicht akzeptablen Einflussnahmen kommt, in welche Richtung auch immer.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Für eine Zusatzfrage hat sich Frau Kollegin Güler gemeldet.

Serap Güler (CDU): Herr Minister, können Sie definitiv ausschließen, dass Frau Milutin keinerlei Bezahlung für ihre Moderatorentätigkeiten auf einer Veranstaltung, die vom Ministerium gefördert wurde, bekommen hat?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Wie ich eben schon mitgeteilt habe, fand keine Honorierung der Tätigkeiten der Pressesprecherin im Rahmen ihrer Aktivitäten bei vom Ministerium geförderten Veranstaltungen statt. Das ist eine eindeutige Aussage. Das beinhaltet nicht – das könnten wir nicht leisten –, dass Träger von Veranstaltungen nicht durch irgendein Haus, durch irgendeine Regierungsstelle gefördert werden. Sagen Sie mir eine Kommune in Nordrhein-Westfalen, die nicht in irgendeiner Weise Zuwendungen der Landesregierung erhält.

(Zuruf von Serap Güler [CDU])

Nein, noch einmal: Wir haben dies bezogen auf Veranstaltungen. Frau Milutin hat kein Honorar für Tätigkeiten bei einer Veranstaltung bekommen, die in irgendeiner Weise durch das MAIS mitfinanziert wird. Das ist doch eine klare Aussage.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Herr Kollege Schemmer hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort zu Ihrer Frage.

Bernhard Schemmer (CDU): Sie hatten uns gerade mitgeteilt, in welcher Form Sie anzuzeigende Nebentätigkeiten in Ihrem Hause institutionell abwickeln, wie das also abläuft.

In einem weiteren Statement haben Sie gerade mitgeteilt, dass Ihnen die Pressesprecherin direkt mitgeteilt habe, dass sie diese Nebentätigkeit wahrnehmen wolle. Gibt es noch andere Leute in Ihrem Hause neben der Pressesprecherin, die an der zuständigen Abteilung vorbei dem Minister direkt mitteilen, welche Nebentätigkeiten sie ansonsten wahrnehmen? Wie ist die rechtliche Begründung dafür, dass diese Dame das nicht ganz hierarchisch der Abteilung mitgeteilt hat, sondern Ihnen als Minister persönlich?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Schemmer, hier liegt, glaube ich, ein Irrtum vor. Natürlich hat Frau Milutin auch den normalen Weg begangen, der darin besteht, dass man Nebentätigkeiten bei Veranstaltungen, wie sie hier in Rede stehen, anmeldet. Selbstverständlich ist dies geschehen. Das ist ja nicht wie bei Hofe.

Mir ist nur gesagt worden, hör einmal Dienstag oder Donnerstag Radio in der übernächsten Woche oder wann auch immer. Das ist ganz interessant. Wie man das so sagt. Aber der normale Behördengang ist natürlich eingehalten worden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Es gibt eine Frage von Frau Kollegin van Dinther.

Regina van Dinther (CDU): Herr Minister, gibt es weitere Anfragen zur Übernahme von Nebentätigkeiten Ihrer Pressesprecherin an das Ministerium, die Sie nicht genehmigt haben?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Solche Veranstaltungen sind mir nicht bekannt. Im Moment liegen überhaupt keine Benachrichtigungen oder Meldungen über Nebentätigkeiten vor.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Alda.

Ulrich Alda*) (FDP): Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister Schneider, Sie sprachen gerade davon, dass Frau Milutin keine Honorare von den entsprechenden Stellen bekommen habe. Können Sie aber auch sicherstellen, dass nicht von Ihrem Hause Fahrgeld gezahlt, Dienstzeitfreistellungen, Sonderurlaub oder Ähnliches gewährt worden ist?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Dies kann ich definitiv sicherstellen. Es sind weder Fahrtkosten noch sonst irgendwelche Auslagen durch das Ministerium erstattet worden.

Wenn Sie sich mit der Struktur eines Ministeriums beschäftigen, werden Sie wissen, dass hier sehr exakt nachvollzogen wird, welche Leistungen durch ein Haus erbracht werden müssen und welche nicht.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Frau Kollegin Milz hat sich zu einer Zusatzfrage gemeldet.

Andrea Milz (CDU): Herr Minister, sind weitere Interviews mit Ihnen speziell von Frau Milutin geplant?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Ich kann das definitiv ausschließen, Frau Milz.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr für diese Mündlichen Anfragen 39 und 40 vor.

Ich rufe auf die

Mündliche Anfrage 41

des Herrn Abgeordneten Witzel von der Fraktion der FDP. Thema:

Machtkampf in der Stiftung Museum Schloss Moyland – Wie bewertet die Landesregierung die nun aktuellen Vorgänge und Handlungen, darunter insbesondere auch das erkennbar parteiische Agieren ihrer zur Neutralität der Aufgabenwahrnehmung klar verpflichteten Stiftungsaufsicht?

Das idyllische Wasserschloss Moyland in der Nähe von Bedburg-Hau beherbergt seit einem knappen Vierteljahrhundert die Kunstsammlung der Brüder Hans und Franz van der Grinten, die diese in über fünfzig Jahren zusammengetragen und in die Stiftung Museum Schloss Moyland eingebracht haben, die am 11. Juli 1990 von drei Partnern ins Leben gerufen worden ist.

Die umfassende Sammlung enthält zahlreiche Exponate aus dem 19. sowie 20. Jahrhundert, darunter schwerpunktmäßig eine Sammlung des weltweit größten Bestandes von nahezu 5.000 Werken von Joseph Beuys. Insgesamt rund 200.000 Archivalien und Dokumente zu Wirken, Arbeiten und Leben dieses weltberühmten Künstlers werden in einem eigenen Joseph Beuys Archiv aufbewahrt.

Die dreiköpfige Vorstandsstruktur repräsentiert die drei Akteursgruppen der Stiftung Museum Schloss Moyland: Das Land finanziert den überwiegenden Anteil des laufenden Betriebs sowie anlassspezifisch Instandhaltungskosten, die Brüder van der Grinten sind die Stifter der Kunstsammlung, des Joseph Beuys Archivs und der Museumsbibliothek sowie die Familie von Steengracht als Stifter des schönen Schlosses. Der Vorstand ist das satzungsgemäß zuständige Organ zur Umsetzung der zuvor vom Stiftungskuratorium gefassten Beschlüsse.

Die Stiftungsaufsicht des Landes hat für diese Stiftung Museum Schloss Moyland ebenso wie für alle anderen auch als reine Rechtsaufsicht über die formale Ordnungsmäßigkeit zu wachen, also insbesondere darüber, ob der Stifterwillen beachtet wird und keine Entscheidungen in einer Weise getroffen werden, die die Existenz der Stiftung gefährden oder nachhaltig schädigen. Diese hoheitliche Befugnis rechtfertigt nach herrschender Meinung ganz ausdrücklich nicht eine Einmischung in interne Angelegenheiten der Stiftungsgremien oder gar ein Agieren der Stiftungsaufsicht zur Durchsetzung der eigenen Interessen des Landes als einem der Akteure.

In der zurückliegenden Zeit ist es bereits etliche Male zu grundlegenden Interessenkollisionen zwischen den in Leitungsgremien vertretenen Partnern der Stiftung gekommen. Offenbar gibt es in mehreren wichtigen Fragen substantielle Auffassungsunterschiede der Beteiligten dieser Stiftung.

Völlig unüblich ist es in derlei Angelegenheiten, wenn sich die Stiftungsaufsicht dabei in interne Belange einmischt, eigene Auffassungen selbst mit Sitzungsteilnahme an Stiftungskuratoriumssitzungen oder auf dem Wege schriftlicher Verfügungen vertritt sowie Satzungsbestimmungen ihrerseits meint anweisend auslegen zu können. Dadurch dürfte auch rein rechtlich betrachtet ein Fall von eindeutiger Kompetenzüberschreitung gegeben sein.

Nach den der FDP-Landtagsfraktion vorliegenden Erkenntnissen scheint das Land hierbei eine höchst unrühmliche Rolle im Rahmen seiner Doppelfunktion als einerseits Stiftungsbeteiligter und andererseits hoheitliche Rechtsaufsicht zu spielen.

Gemäß der geltenden Entscheidungslage dieser Landesregierung nimmt die Ministerpräsidentin ihre Rolle als Kuratoriumsvorsitzende persönlich dauerhaft nicht wahr und hat diese Aufgabe als permanente Vertretung an die Kulturministerin im Kabinett delegiert.

Die Landesregierung muss zu den streitigen Vorgängen aus den zurückliegenden Monaten nun dem Parlament darlegen, wie sie die Rolle und Handlungen ihrer Stiftungsaufsicht bewertet und welche eigene Agenda sie bei den aktuellen Auseinandersetzungen im weiteren Umgang mit der Stiftung Museum Schloss Moyland verfolgt. Für Insiderkreise in der nordrhein-westfälischen Kulturszene ist es bereits heute fraglich, ob die Landesregierung überhaupt eindeutig das Ziel eines dauerhaften Erhalts der Stiftung in ihrer heutigen Struktur und Bedeutung verfolgt oder andere Absichten hegt.

Wie bewertet die Landesregierung die aktuellen Vorgänge und Handlungen in der Stiftung Museum Schloss Moyland, darunter insbesondere auch das erkennbar parteiische Agieren ihrer zur Neutralität der Aufgabenwahrnehmung klar verpflichteten Stiftungsaufsicht?

Ich bitte Frau Ministerin Schäfer um Beantwortung.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Witzel! Ich erlaube mir, Ihre Frage in zwei Teilen zu beantworten. Zum einen werde ich auf die Frage antworten: Wie bewertet die Landesregierung die aktuellen Vorgänge und Handlungen in der Stiftung.

Das Land Nordrhein-Westfalen steht zu der Stiftung Museum Schloss Moyland und setzt sich dafür ein, den Bestand dieses einzigartigen Ortes mit seinem Museum, Beuys-Archiv und Schlosspark zu sichern. Die Landesregierung leistet im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten alles zur Förderung der Stiftung. Das umfasst nicht nur die regelmäßige institutionelle Förderung, sondern immer wieder auch notwendige Investitionen zur Erhaltung der Bausubstanz und zur Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten des Hauses.

Im Vorfeld der Sitzung des Kuratoriums der Stiftung Schloss Moyland am 10. Mai 2014 hat es in den vergangenen Monaten Auseinandersetzungen zu verschiedenen Verfahrensweisen und Abläufen mit dem bisherigen Sprecher des Vorstandes Gerhard van der Grinten gegeben. Die Zusammenarbeit mit ihm gestaltet sich äußerst schwierig. Im Ergebnis sind dadurch die Geschäfte des Vorstands blockiert. Der Vorstand ist weitgehend handlungsunfähig gemacht worden. Dies hat auch die Zusammenarbeit mit der Museums- und Verwaltungsleitung und mit dem Kuratorium erheblich beeinträchtigt.

Als stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende und im Rahmen der inhaltlichen Begleitung der Stiftung als fachlich zuständige Ressortministerin hat mich die Ministerpräsidentin gebeten, stellvertretend für sie – was die Satzung ausdrücklich zulässt – auch die Pflichten und Rechte des Kuratoriumsvorsitzes wahrzunehmen.

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Herr van der Grinten offenbar Schwierigkeiten hatte und hat, dies zu akzeptieren.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wie bewertet die Landesregierung das erkennbar parteiische Agieren ihrer zur Neutralität der Aufgabenwahrnehmung klar verpflichteten Stiftungsaufsicht?

Ich habe das Ministerium für Inneres und Kommunales gebeten, zu Ihrem Vorwurf eine Stellungnahme abzugeben, die da lautet:

Die oberste Stiftungsbehörde ist Teil der Landesverwaltung und nimmt ihre Aufgaben im Rahmen der §§ 80 bis 88 BGB und des Stiftungsgesetzes Nordrhein-Westfalens wahr. Die pauschale Darstellung des Abgeordneten Witzel im Hinblick auf die Neutralität bei der Aufgabenwahrnehmung – Seite 2, zweiter Absatz – ist für die Stiftungsbehörde selbstverständlich und geübte Praxis. Im Rahmen dieser Aufgabenwahrnehmung übt sie die Rechtsaufsicht über das Handeln der Stiftungen aus.

Die maßgeblichen Regelungen des Stiftungsgesetzes besagen hierzu in § 6 Abs. 2 – ich zitiere –:

„Aufgabe der Stiftungsaufsicht ist es, zu überwachen und sicherzustellen, dass die Organe der Stiftung den in Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung zum Ausdruck kommenden Willen der Stifterin und des Stifters beachten und die Tätigkeit der Stiftung im Einklang mit Recht und Gesetz steht.“

In § 7 Abs. 3 heißt es:

„Liegen der Stiftungsbehörde Anhaltspunkte dafür vor, dass bei der Verwaltung der Stiftung gegen gesetzliche Bestimmungen oder die Satzung verstoßen wurde, kann sie hierzu Auskunft und die Vorlage von Unterlagen zur Einsichtnahme verlangen sowie im erforderlichen Umfang eine weitergehende Prüfung vornehmen oder auf Kosten der Stiftung vornehmen lassen.“

In § 8 Abs. 1 bis 3 ist sodann das Beanstandungs- und Anordnungsrecht sowie die Ersatzvornahme geregelt.

§ 9 gibt der Stiftungsbehörde weitergehende Befugnisse, wenn ein Mitglied eines Stiftungsorgans sich einer groben Pflichtverletzung schuldig gemacht hat oder zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner der Stiftung gegenüber bestehenden Pflichten nicht in der Lage ist. Hierzu kann auch die Einsetzung eines Sachwalters gehören.

Im Rahmen dieser Aufgabenwahrnehmung ist es der Stiftungsbehörde nicht erlaubt, sich in Streitigkeiten innerhalb von Stiftungsorganen einzumischen. Sie ist allerdings zur Prüfung verpflichtet, wenn zum Beispiel Handlungen der Organe oder auch einzelner Organmitglieder Stiftungsgeschäft und Satzung verletzen oder zu verletzen drohen. Selbstverständlich muss sie dabei, sofern erforderlich, zum Beispiel Regelungen der Satzungen auslegen.

Da es sich bei Moyland um eine privatrechtliche Stiftung, also um eine juristische Person des Privatrechts, handelt, in der Privatpersonen als sogenannte Treuhänder für die Stiftung handeln, ist es der Stiftungsbehörde grundsätzlich verwehrt, zu konkreten Vorgängen öffentlich Stellung zu nehmen.

Ohne auf den konkreten Einzelfall einzugehen, lässt sich für alle Stiftungen in schwieriger Lage sagen, dass die Stiftungsbehörde

1.    ihre Aufsichtsfunktion mit äußerster Zurückhaltung wahrnimmt und gerade keine Zweckmäßigkeitserwägungen im Hinblick auf die innere Führung einer Stiftung anstellt,

2.    Hinweise zu möglichem rechtswidrigem Verhalten gibt – derartige Hinweise reichen in den meisten Fällen aus, aufgetretene Probleme abzustellen –,

3.    zunächst die Stiftung bittet, selbst das Erforderliche zu veranlassen, um wieder eine rechtskonforme Situation herzustellen,

4.    in diesem Rahmen auch die Organe berät und im Ausnahmefall, wenn der Wunsch besteht und die Regularien der Stiftung es zulassen, vor Ort Stellung nimmt.

Dies galt und gilt für alle Stiftungen gleichermaßen, also auch für sogenannte Landesstiftungen und dabei auch für Stiftungen, bei denen die öffentliche Hand, zum Beispiel das Land, Hauptstifter war.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nun gibt es einige Fragen, zunächst von Herrn Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie mir die Gelegenheit zu einer ersten Rückfrage geben.

Frau Ministerin Schäfer, vielen Dank für Ihre Antwort. Sie haben im letzten Teil ja auch Bezug auf die Rechtsgrundlagen genommen. Denen gilt auch meine erste Nachfrage.

Nach § 4 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen obliegt die Verwaltung einer Stiftung allein den Stiftungsorganen. Stiftungen unterliegen gemäß § 6 einer reinen Rechtsaufsicht des Landes. Aufgabe der Stiftungsaufsicht ist es dabei, zu überwachen und sicherzustellen, dass die Organe der Stiftung den in Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung zum Ausdruck kommenden Willen des Stifters beachten.

Ich frage Sie daher: Ist es nach Auffassung der Landesregierung mit dieser soeben zitierten Rechtsgrundlage vereinbar, dass sich die Stiftungsaufsicht um die Abstimmung einer Tagesordnung für Kuratoriumssitzungen bemüht?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ich sage an dieser Stelle, dass sie das nicht gemacht hat. Vielmehr kümmert sie sich darum, dass die Organe einer Stiftung ihren grundsätzlichen Aufgaben nachkommen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Es gibt eine Frage der Frau Kollegin Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Sehr geehrte Frau Ministerin Schäfer, Sie haben die Aufgaben der Stiftungsaufsicht schon sehr differenziert dargelegt. Trotzdem habe ich dazu noch eine Nachfrage.

Ist es beispielsweise Aufgabe der Stiftungsaufsicht, zu der Frage Stellung zu nehmen, wer Kompetenzen als Arbeitgeber innerhalb der Stiftung wahrnimmt?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Das ist nicht die Aufgabe der Stiftungsaufsicht. Die Stiftungsaufsicht beaufsichtigt die Stiftungen und achtet darauf, dass die Organe ihre Aufgaben verantwortlich wahrnehmen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Es liegt eine Frage vom Kollegen Alda vor.

Ulrich Alda*) (FDP): Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Ministerin Schäfer, nach der Satzung der Stiftung entscheidet der Vorstand ja zum Beispiel auch über arbeitsrechtliche Fragen. Hinsichtlich der zu treffenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die die Künstlerische Direktorin betreffen, ist bekanntlich der einstimmige Vorstandsbeschluss nicht zustande gekommen. Der Vorstandssprecher hat daraufhin in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 3 der Stiftungssatzung die Frage dem Kuratorium vorgelegt.

Meine Frage ist: Was ist der Grund dafür, dass sich die stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende nun offenbar weigert, über diesen Punkt zu beraten? – Danke.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Der Sprecher des Vorstandes hat unautorisiert einen Umlaufbeschluss des Kuratoriums eingefordert oder erwirken wollen. Das kann er laut Satzung und Geschäftsordnung nicht.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Nun hat sich Herr Kollege Nückel gemeldet.

Thomas Nückel (FDP): Vielen Dank. – Frau Ministerin, ist es Aufgabe der Stiftungsaufsicht des Landes NRW, unter Fristsetzung die Einberufung von Organsitzungen zu fordern, weil nach Auffassung der Stiftungsaufsicht eine Neuwahl des Vorstandssprechers stattzufinden hat?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Es steht mir als Landesministerin nicht zu, diese Sachen zu kommentieren. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass die Stiftungsaufsicht unabhängig ist. Ich kann nach wie vor nur immer wieder darauf hinweisen, dass die Stiftungsaufsicht in ihrer aufsichtlichen Funktion darauf achten muss, dass die Zwecke der Satzung und der Stiftungszweck ordnungsgemäß wahrgenommen werden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön,  Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Zuruf: Doch!)

– Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Die FDP-Landtagsfraktion hat die Information erreicht, dass der Vorwurf besteht, dass in einer Präsentation der Stiftung Museum Schloss Moyland über Monate hinweg ungenehmigt urheberrechtlich geschütztes Filmmaterial gezeigt worden sein soll. Es soll auch ein Rechtsgutachten geben, das sich mit Aspekten dieser möglichen Urheberrechtsverletzung auseinandersetzt. Was ist Ihnen und der Stiftungsaufsicht zu diesem Sachverhalt bekannt?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Mir ist zu diesem Sachverhalt bekannt, dass der Sprecher des Vorstandes unautorisiert ein Rechtsgutachten mit Folgekosten für die Stiftung in Auftrag gegeben hat.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Kollege Nückel gemeldet.

Thomas Nückel (FDP): Vielen Dank. – Mich würde noch interessieren, ob es nach Auffassung der Landesregierung Aufgabe der Stiftungsaufsicht ist, an Organsitzungen einer Stiftung teilzunehmen, an der das Land selbst in organschaftlicher Funktion beteiligt ist.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ich hatte eben vorgelesen, dass die Stiftungsbehörde in diesem Rahmen die Organe berät und im Ausnahmefall, wenn der Wunsch besteht und die Regularien der Stiftung es zulassen, vor Ort Stellung nimmt. Die Regularien der Stiftung lassen es zu.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Kollege Witzel hat sich als Antragsteller zu einer dritten Frage gemeldet.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie mir Gelegenheit zu einer letzten Nachfrage geben.

Frau Ministerin Schäfer, ich wollte auf einen Aspekt zurückkommen, den Sie vorhin gestreift haben. Nach der Satzung der Stiftung Museum Schloss Moyland ist die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen kraft Amtes als Vorsitzende Mitglied des Kuratoriums. § 9 Abs. 2a der Satzung regelt dies. Nach § 9 Abs. 2b der Satzung ist das für Kulturfragen zuständige Mitglied der Landesregierung ebenfalls Kuratoriumsmitglied und stellvertretender Vorsitzender dieses Gremiums.

Meine Frage lautet: Hält es die Landesregierung für mit der Stiftungssatzung vereinbar, dass Sie, Frau Ministerin Schäfer, die Ministerpräsidentin in der Wahrnehmung der Kuratoriumsaufgaben dauerhaft vertreten, da es eine entsprechende Kompetenzvereinbarung außerhalb der Stiftungsorgane in der Landesregierung gibt? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die Ministerpräsidentin das Amt kraft Stiftungssatzung eigentlich regulär wahrzunehmen hat und durch Sie nur im Verhinderungsfall vertreten werden sollte?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Herr Witzel, die Frage beantworte ich gerne. Sie erinnern sich vielleicht, dass es zu der Zeit, als Sie in der Regierungsverantwortung waren, ebenfalls so war, dass Herr Dr. Rüttgers qua Satzung der Vorsitzende war, aber ständig durch Herrn Grosse?Brockhoff vertreten wurde. Sie wissen, wie vielfältig die Aufgaben einer Ministerpräsidentin sind. Sie hat mir generell ihre Vertretung zu diesem Bereich übertragen. Und dies ist auch mit der Satzung vereinbar.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Eine zweite Frage von Herrn Kollegen Alda.

Ulrich Alda*) (FDP): Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Ministerin Schäfer, ist es Aufgabe und Befugnis der Stiftungsaufsicht, unter Verweis auf § 8 Abs. 2 des Stiftungsgesetzes NRW den Versand von Einladungen zu Sitzungen von Stiftungsgremien anzuordnen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Es ist Aufgabe der Stiftungsaufsicht, darüber zu wachen, dass die Organe der Stiftung ordentlich arbeiten. Zu einer ordentlichen Arbeit gehört, dass die Organe der Stiftung eingeladen werden.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön. – Nun liegen mir zur Mündlichen Anfrage 41 keine Wortmeldungen mehr vor. – Ich bedanke mich bei Frau Ministerin Schäfer für die Beantwortung dieser Mündlichen Anfrage.

Ich rufe auf:

10       Verantwortung für die Bevölkerung wahrnehmen – PCB-betroffene Lehrkräfte, Eltern und Schüler nicht alleine lassen!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5744

Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion der Piraten dem Kollegen Lamla das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Heute geht es um die Gesundheit unserer Kinder und auch die der Lehrkräfte. Es geht mal wieder um die PCB-Belastung an Schulen.

Wir haben knapp zwei Jahre daran gearbeitet, die unterschiedlichen Problemlagen aufzudecken und zu analysieren. Wir haben mit Betroffenen, mit Lehrervertretern, mit Gewerkschaften, mit Juristen gesprochen und zusammengearbeitet.

Diese intensive Auseinandersetzung mit der Thematik hat gezeigt, dass es immer noch zahlreiche Probleme gibt: Messergebnisse werden zurückgehalten, Lehrkräfte werden unter Druck gesetzt und mundtot gemacht, Gutachten verschwinden still und leise in der Schublade.

Das größte Problem ist immer wieder die mangelnde Transparenz in den unterschiedlichen behördlichen Bereichen. Da wir Transparenz dringend benötigen, stellen wir heute diesen Antrag.

Inzwischen sollte jedem von uns hinreichend bekannt sein: PCB ist eine hoch toxische, gefährliche Substanz, PCB macht krank. Wir alle hier haben die gesellschaftliche Pflicht, alles zu tun, um Erkrankungen, die mit PCB-Belastungen im Zusammenhang stehen, zu verhindern: ab heute, ab jetzt, für die Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, wieso ist es bis zum heutigen Tage nicht überall möglich, zu erfahren, ob die Schule, auf die mein Kind geht, unter PCB-Verdacht gestanden hat oder vielleicht noch steht? Diese Informationen müssen den Eltern ohne Umwege zugänglich gemacht werden. Alles andere ist ein Skandal.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Zugang zu diesen Informationen ist in vielen Kommunen allerdings nicht möglich. Hier fehlt die notwendige aktive Transparenz.

Daher fordern wir die Landesregierung auf, alle Informationen über mögliche PCB?Belastungen zusammenzutragen und zentral zu veröffentlichen. Damit meine ich Messungen, Messergebnisse, Sanierungsmaßnahmen und alles, was dazu gehört.

Angeblich – so hörten wir in der Anhörung letztes Jahr – haben die Kommunen ja bereits alles untersucht und ordnungsgemäß abgearbeitet. Was spricht also dagegen, all diese Informationen zu sammeln und an einer zentralen Stelle zu veröffentlichen?

Das betrifft nicht nur die Schülerinnen und Schüler. Jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang haben Lehrerinnen und Lehrer in verseuchten Schulgebäuden unterrichtet. Bis heute schickt die Landesregierung ihre Beamten und Beamtinnen in diese Räumlichkeiten, möchte von den PCB-Belastungen scheinbar nichts wissen; die Spätfolgen sind auch egal. Wo kämen wir denn da hin: Nachher müsste man vielleicht tatsächlich was unternehmen! Am liebsten also Ohren und Augen zu; vielleicht erledigt sich das Problem von alleine. – Nein, so darf es nicht weitergehen!

(Beifall von den PIRATEN)

Wir sagen: Die Lehrkräfte, die erkrankt sind, müssen Renten- und Berufsunfähigkeitsansprüche geltend machen können. Dabei sind sie auch auf die Unterstützung der Politik und auf Informationen über mögliche PCB-Belastungen für die spätere Beweisführung angewiesen.

Und es geht ja weiter: Die Landesregierung ist gesetzlich sogar dazu verpflichtet, auf die Beseitigung der Mängel hinzuwirken – natürlich sofern sie davon weiß. Aha! Vielleicht liegt gerade hier der Hase im Pfeffer. Meine Damen und Herren, daher ist es einfach unumgänglich, diese Informationen zu sammeln, sie aufzubereiten und zu veröffentlichen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Lage ist nicht wirklich kompliziert. Ich fasse es noch mal zusammen. Die Landesregierung muss aus drei Gründen alle PCB-Informationen und PCB–Daten sammeln und veröffentlichen: erstens damit sich die Bürger informieren können; zweitens damit die Lehrkräfte unterstützt werden und drittens damit die Landesregierung auf die Beseitigung von PCB-Mängeln hinwirken kann.

Meine Damen und Herren, aus diesem Grunde gehe ich einfach davon aus, dass der Antrag hier eine breite Zustimmung erhalten wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Scheffler.

Michael Scheffler (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im November vorletzten Jahres habe ich hier zu einem Antrag der Piratenfraktion zum Thema „PCB-Belastung“ Stellung genommen. Auf Initiative oder auf Antrag der Piraten fand dann im Sommer des vergangenen Jahres eine Anhörung von Sachverständigen zu diesem Themenkomplex statt. Darin wurde Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, vom Vertreter der kommunalen Spitzenverbände wiederholt, wie ich meine, sehr glaubwürdig erläutert, dass die Thematik vor 20 Jahren hochaktuell gewesen ist, das Problem aber inzwischen abgearbeitet ist.

Die Kommunen haben in den vergangenen Jahren eine systematische Untersuchung der von ihnen betriebenen Gebäude vorgenommen, im Übrigen auch unheimlich viele Sanierungen veranlasst und durchgeführt und – das will ich auch noch einmal betonen – dafür auch sehr viel Geld in die Hand genommen, meine Damen und Herren.

Wenn seit 2009 lediglich neun Fälle bekannt geworden sind, kann man wohl kaum von einem flächendeckenden Problem sprechen. Im Gegenteil: Bei 396 Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen kann man und muss man diese neun Fälle als bedauerliche Ausnahme bezeichnen. Die kommunalen Spitzenverbände haben im Übrigen auch nie ausgeschlossen, dass es zu weiteren Fällen kommen kann.

Herr Kollege Lamla, wenn Sie sagen: „Ab heute, ab jetzt und für die Zukunft muss gehandelt werden“, kann ich nur unterstreichen, dass Sie ein bisschen spät dran sind, weil in den Städten und Gemeinden und auch in den Gebäuden des Landes seit Jahrzehnten so vorgegangen wird, im Übrigen transparent vorgegangen wird. Ich glaube, hier macht niemand die Augen zu und hat auch in der Vergangenheit niemand die Augen zugemacht.

(Beifall von der SPD)

Ich glaube, dass Sie völlig zu Unrecht versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass hier etwas vertuscht und verschwiegen wird.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass das eine ziemlich unfeine Unterstellung auch gegenüber den Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen ist, die sich in Umweltausschüssen und in anderen Gremien, die für Bauen zuständig sind, sehr bemühen, dass zeitnah Maßnahmen ergriffen werden. Im Übrigen wird auch dafür gesorgt, dass es den Eltern, den Lehrern und anderen Gruppen gegenüber sehr viel Transparenz gibt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sommer von der Fraktion der Piraten zulassen?

Michael Scheffler (SPD): Aber gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Sommer.

Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, lieber Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Ich war ja bei der Anhörung im AGS dabei.

(Michael Scheffler [SPD]: Ich auch!)

 – Weiß ich, danke. – Und ich habe noch sehr gut im Ohr, dass die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände Ähnliches sagten wie Sie: Wir haben schon alles getan, wir haben schon alles überprüft.

Was mich an der Stelle nur immer wieder umtreibt, ist Folgendes: Wenn das alles getan worden ist, was ich auch wirklich gerne glauben möchte: Warum wird nicht einfach veröffentlicht, welche Gebäude im Land NRW untersucht worden sind – wenn das alle Gebäude waren, die in dem Gefährdungszeitraum errichtet oder umgebaut worden sind? Was hindert Sie daran, diese Gebäude alle aufzulisten?

(Beifall von den PIRATEN)

Michael Scheffler (SPD): Herr Kollege, Sie müssen sich vielleicht mal vergegenwärtigen, dass wir im Land Nordrhein-Westfalen eine Arbeitsteilung haben, dass wir eine kommunale Selbstverwaltung haben, dass das Land für ganz bestimmte Dinge zuständig ist.

Ich weiß nicht, warum das Land in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen sollte, wenn genau diese Daten von den Kommunen in der überwiegenden Zahl der Fälle auf der jeweiligen Homepage veröffentlicht worden sind, wenn Eltern informiert worden sind und, wie ich es aus meiner eigenen Stadt weiß, da mit sehr viel Transparenz gearbeitet worden ist. Ich glaube, an vielen Stellen gibt es da keinen Nachholbedarf.

Ich will das auch mal an dem Beispiel deutlich machen, das Frau Ministerin Löhrmann eben dargestellt hat, das Sie in Ihrem Antrag aufgegriffen haben, nämlich den letzten Fall, der in Kierspe, in dem Kreis, aus dem ich komme, aufgetreten ist. Politik und Verwaltung haben sehr zeitnah reagiert, haben Versammlungen für das Kollegium in der Gesamtschule durchgeführt, haben die Eltern unterrichtet, haben einen Gutachter beauftragt. Es sind Sanierungspläne erarbeitet worden, die jetzt auch zeitnah umgesetzt werden, meine Damen und Herren.

Ich kann nur sagen: Das, was Sie zum Teil behaupten, ist schlichtweg eins, nämlich falsch.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Scheffler, es liegt eine weitere Frage vor, und zwar vom Kollegen Wegner von der Fraktion der Piraten. Möchten Sie die zulassen?

Michael Scheffler (SPD): Herzlich willkommen!

Olaf Wegner (PIRATEN): Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Sie hatten gerade auf die Antwort von meinem Fraktionskollegen geantwortet: die überwiegende Zahl der Kommunen. – Genau da liegt vielleicht der Hase im Pfeffer: nicht alle. Und das ist jetzt die Frage: Haben Sie einen Vorschlag, wie man mit den Kommunen umgehen könnte, die ihre Zahlen eben nicht veröffentlichen? Uns geht es ja nicht um die Kommunen, die die Zahlen veröffentlichen. Es geht ja um die Kommunen, die die Zahlen nicht veröffentlichen. Die sind ja – sage ich jetzt mal – der Dorn im Auge.

Michael Scheffler (SPD): Herr Kollege, ich kann mich nur wiederholen: Auch wenn eine Kommune etwas nicht veröffentlicht, werden dadurch die kommunale Selbstverwaltung und die kommunale Verantwortung nicht ausgehebelt.

Vor Ort gibt es auch immer noch die Politik, die beschließen kann, dass sich die Verwaltung auf die Socken macht und diese Zahlen ins Internet stellt, diese Zahlen veröffentlicht.

Am 25. Mai wählen wir die Räte und Kreistage, die für solche Fälle zuständig sind. Ich gehe davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen, die gewählt werden, in dieser Hinsicht eine hohe Verantwortung haben und so viel Mann bzw. Frau sind, dass sie dafür sorgen, dass der Bevölkerung diese Daten zur Verfügung gestellt werden.

Vielleicht haben Sie ja die Möglichkeit – weil auch Sie an vielen Stellen für die Räte kandidieren –, da in Zukunft selber Einfluss zu nehmen. Im Moment sieht das nach den Umfragen zwar nicht ganz so gut aus; aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Meine Damen und Herren, ich kann nur noch einmal deutlich machen, dass die kommunalen Spitzenverbände gesagt haben: Ihre Anfrage kommt 20 Jahre zu spät. Es gibt noch Einzelfälle, die bisher noch nicht saniert worden sind. Das gilt im Übrigen auch für Gebäude des Landes, die saniert werden, sofern sie mit Schadstoffen belastet sind.

Trotz dieser Zusicherung sind, glaube ich, nach der Anhörung noch Fragen offen geblieben, welche aber ebenfalls umgehend geklärt wurden. So offenbarte sich beispielsweise, dass es bei der Landesunfallkasse keinerlei Schadensmeldungen von Lehrerinnen und Lehrern wegen einer PCB-Vergiftung oder PCB-Schäden gegeben hat. Nicht eine einzige!

(Zurufe von den PIRATEN)

Für die seltenen Fälle, meine Damen und Herren, bei denen trotz allem noch PCB in der Raumluft eines Gebäudes festgestellt wurde, stellt das Land mit den Bezirksregierungen und den übergeordneten Aufsichts­behörden, die für Arbeitsschutz und Umweltüberwachung zuständig sind, eine kompetente und flächendeckende Infrastruktur zur Verfügung. Dabei wird sowohl technische als auch gesundheitliche Hilfestellung geleistet.

Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren: Wir haben eine funktionierende, kompetente Infrastruktur in diesem Land, die für die Behebung von eventuellen Gefahren für die öffentliche Gesundheit zuständig ist.

Der Landtag ist darüber hinaus Ihrem Antrag nachgekommen und hat sich der Sache angenommen. Es wurde meines Erachtens nachgewiesen, dass unsere öffentlichen Stellen gut funktionieren.

Anscheinend wünschen Sie sich herbei, dass hier doch an der einen oder anderen Stelle etwas nicht nach den Regeln verläuft. Dazu kann ich nur sagen: Ich bin dankbar dafür, dass die Regeln und die Spielregeln hier eingehalten werden.

Auch will ich deutlich machen, dass ich kein Verständnis dafür habe, dass Sie in dieser Plenarsitzung einen Antrag aufwärmen, den wir gewissermaßen schon beraten und abgeschlossen haben. Man könnte auch – um im Umweltbereich zu bleiben – sagen, dass Sie Ihren Antrag recycelt haben. Ich habe schon ein bisschen das Gefühl, als wäre ich hier in der bekannten Komödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Ich glaube, Ihnen ist nicht so sehr viel Neues eingefallen. Wir hier im Landtag sind aber nicht dafür da, irgendwelche fadenscheinigen politischen Skandalgeschichten zu produzieren. Wir kümmern uns sehr seriös und mit dem gebotenen Ernst um das, was für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wichtig ist. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

Ich weise auch noch einmal ganz klar und deutlich zurück, dass die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in unserem Land sich nicht um die Belange und die Gesundheit der Bevölkerung – zum Beispiel die der Kinder in den Schulen – kümmern. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir dieses Thema heute abschließen können.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Scheffler. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Preuß.

Peter Preuß (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag befasst sich heute erneut mit der PCB-Problematik. Bis Anfang des Jahres hatten wir uns annähernd anderthalb Jahre intensiv mit der PCB-Schadstoffbelastung in öffentlichen Gebäuden befasst und das Thema eingehend erörtert. Wir haben auch eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Diese Anhörung und auch die Diskussionen in den Ausschüssen haben keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass über das bereits Veranlasste und Abgeschlossene hinaus Handlungsbedarf besteht.

Wie bekannt ist, wurde PCB früher in unterschiedlichen Baustoffen eingesetzt. Aufgrund der hochgiftigen Wirkung des PCB – die erwähnten Baustoffe gelten heute als krebserregend und erbgutschädigend – ist es seit 1989 verboten.

In den Jahren 1996 bis etwa 2003 sind in öffentlichen Gebäuden der Kommunen – insbesondere in Schulgebäuden; mein Vorredner hat darauf hingewiesen – Untersuchungen, zum Beispiel Raumluftmessungen, systematisch durchgeführt und Sanierungskonzepte entwickelt worden, die auch ihren Abschluss gefunden haben.

In der Expertenanhörung im Juni des vergangenen Jahres wurde sehr deutlich, dass wir uns schon damals im Prinzip 20 Jahre zu spät mit dem Thema befasst haben. Heute sind die Maßnahmen weitestgehend abgeschlossen. Es ist nicht fair – wenn ich das so sagen darf – zu unterstellen, dass das immer noch ein großes Problem wäre und die Kommunen an der Stelle nichts täten. Wenn weitere Fälle von PCB-Belastungen bekannt werden, muss selbstverständlich sofort gehandelt werden. In diesen Fällen müssen zügig Überprüfungen und Sanierungen vorgenommen werden.

Die Belastung mit jeglichen Schadstoffen darf nicht verharmlost werden – vor allen Dingen dann nicht, wenn es eine Kombination mit anderen Schadstoffen gibt.

Allerdings wird mit dem vorliegenden Antrag suggeriert, dass Nachforschungen über PCB-Belastungen lückenhaft seien, unsystematisch durchgeführt worden seien und es noch eine große Anzahl unentdeckter Fälle gebe. Für eine solche Behauptung, die in den Raum gestellt wird, fehlt jeglicher Beweis.

Meine Damen und Herren, es ist auch von Transparenz …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lamla zulassen?

Peter Preuß (CDU): Ja, bitte.

Lukas Lamla (PIRATEN): Herr Kollege, Sie sagten gerade, das alles seien nur Unterstellungen. Ich möchte Sie mit einem Fall aus der Grundschule Vorst im Rhein-Kreis Neuss konfrontieren. Der Stadt war seit 1999 eine Belastung des Gebäudes mit PCB bekannt. Das Gutachten lag 13 Jahre lang in der Schublade. Wie erklären Sie sich so was? Wie wollen Sie so was in Zukunft verhindern?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege.

Peter Preuß (CDU): Das verhindere ich nicht dadurch, dass ich Messergebnisse veröffentliche, sondern das ist Bestandteil des Sanierungskonzeptes. Ich habe ja nicht gesagt, dass es völlig ausgeschlossen ist – das haben auch die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung nicht behauptet –, dass solche Einzelfälle vorkommen. In meiner Rede eben habe ich auch gesagt, dass, wenn sie vorkommen, sofort gehandelt werden muss. Ich denke, da kann überhaupt kein Zweifel bestehen.

Es geht hier um die Frage der Transparenz. Diese Transparenz fordern wir als CDU-Fraktion. Auch unsere Kolleginnen und Kollegen im Umweltausschuss fordern ständig Transparenz. Aber wir müssen auch erkennen, dass wir nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen können. Darauf hat mein Vorredner schon hingewiesen.

Wir können dem Antrag auch deshalb nicht folgen, weil die allermeisten Kommunen jedenfalls offen und transparent mit den Messergebnissen und Sanierungsmaßnahmen umgegangen sind und umgehen und die Informationen jederzeit abrufbar sind.

Ich möchte das ergänzen, was mein Vorredner über die Diskussion im Ausschuss gesagt hat: Grundlage für die Ablehnung Ihres vorherigen Antrags im federführenden Ausschuss AGS im Januar 2014 war der Hinweis der kommunalen Spitzenverbände vom 3. Dezember 2013 auf das Fachportal Innenraumluft NRW.

Das genannte Portal ist vor einem Monat online gegangen. Es wurde vom Umweltminister gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet und bietet zum Thema „Schadstoffbelastung“ umfassende Informationen für die Bürgerinnen und Bürger, Städte, Gemeinden und Kreise. Hierauf kann jederzeit zurückgegriffen werden. Dieses Portal richtet sich eben an Leitungen und Träger von Schulen, Kitas und anderen öffentlichen Gebäuden, wo man sich auch informieren kann.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter, es gibt eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Lamla.

Peter Preuß (CDU): Ja, bitte.

Lukas Lamla (PIRATEN): Herr Kollege, vielen Dank. Ich muss Sie kurz stören, nachdem Sie das Innenraumportal angesprochen haben. Ich habe mir das Portal angeschaut. Dort stehen ein paar Adressen, Ansprechpartner und Telefonnummern, aber keine Messergebnisse.

Wenn Sie dort anrufen, werden Sie abgewiesen und abgewimmelt. Das ist weder eine Lösung noch ein Ersatz, auch nicht das, was wir wollen. Das, was da geschaffen wurde, ist ein Nichtinformationsportal, eine Alibiveranstaltung, um sagen zu können: Hey, wir machen etwas! – Aber es ist nichts wert.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Preuß.

Peter Preuß (CDU): Darüber kann man natürlich trefflich streiten. Ich stehe auch nicht hier, um den Umweltminister zu verteidigen, sondern habe nur darauf hingewiesen, wie die Diskussion im Ausschuss verlaufen ist. Dort ist auf dieses Portal hingewiesen worden, das jetzt online ist. Man kann und muss jetzt natürlich bewerten, ob es die Informationen bringt, die man benötigt.

Allerdings ist auch klar, dass dieses Portal keine Messergebnisse zeigt, die sich insbesondere auf einzelne öffentliche Gebäude beziehen.

In dem Zusammenhang ist auch auf das Umweltinformationsgesetz verwiesen worden, das auch Gegenstand der Ausschussberatung war. Danach hat jeder die Möglichkeit, bei den Kommunen solche Informationen abzurufen.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund sind die gesetzlichen Regelungen klar. Es kommt jetzt darauf an, dieses Internetportal entsprechend mit Leben zu füllen.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Ergebnisse!)

Man kann natürlich sagen: Wenn die Informationen vorliegen – bei den meisten Gemeinden liegen sie vor –, dann können sie auch veröffentlicht werden. Letztendlich gibt es ja auch nichts zu verbergen. Warum soll man also nicht veröffentlichen? Gleichwohl haben wir kaum die Möglichkeit, die Kommunen tatsächlich anzuweisen, entsprechend zu handeln. Man kann allerdings vonseiten des Ministeriums auf die Kommunen einwirken und dafür sorgen, dass die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt werden.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Um nichts anderes geht es!)

Wir werden diesen Antrag nicht ablehnen, ihm aber auch nicht zustimmen, sondern uns enthalten.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Kollege Preuß. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Markert.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorredner haben darauf hingewiesen: Die Schadstoffkonzentrationen in Innenräumen sind in der Tat in ihrer Vielfältigkeit sicherlich ein Problem, das oft unterschätzt wird. Insofern ist es sinnvoll, dass wir uns in diesem Hohen Haus grundsätzlich mit dieser Frage auseinandersetzen.

Ich darf daran erinnern: Jeder Mensch verbraucht täglich 12 m³ Luft. Einen großen Teil unserer Tage verbringen wir in Innenräumen; etwa 90 % eines jeden Tages sind wir in Innenräumen – wie auch heute in diesem Raum.

Unsere Häuser sind immer besser gedämmt. Der natürliche Luftaustausch wird immer schlechter. Damit haben wir sehr häufig eine Schadstoffkonzentration, die obendrein noch nicht mal Grenzwerten wie die Luft draußen in der freien Natur unterliegt. Insofern ist es aller Ehren wert, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Allerdings richten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, mit der heutigen Debatte erneut den Blick auf die schlimmen Folgen der PCB-Anwendung in der Vergangenheit. Eben ist schon darauf hingewiesen worden: Diese polychlorierten Biphenyle wurden in der Vergangenheit in Transformatoren, elektrischen Kondensatoren, aber eben auch in Weichmachern und Lacken verwendet. Man hat allerdings seit den 80er-Jahren – auch darauf hat der Kollege Preuß hingewiesen – Erkenntnisse gewonnen und Konsequenzen gezogen: PCB ist nicht nur in Deutschland verboten, sondern gehört zum „Dreckigen Dutzend“ und ist seit Mai 2001 gemäß der Stockholmer Konvention verboten. Wir reden also über einen Stoff, der bei heutigen Neubauten nicht mehr zur Anwendung kommt. Wir reden damit über ein Problem aus der Vergangenheit, das uns immer wieder zu Debatten führt.

Die Kolleginnen und Kollegen haben eben darauf hingewiesen, dass vor dem Hintergrund, dass es sich um einen gefährlichen und krebserregenden Stoff handelt, von der Landesregierung ein umfangreiches Kataster erstellt wurde. Man darf nicht vergessen, dass die Behörden vor Ort zuständig sind. Beispielsweise haben die Schulträger sukzessive die notwendigen Sanierungsmaßnahmen ergriffen, zum Teil die entsprechenden Weichmacher aus den Dichtungsfugen herausgenommen und Sanierungen vorgenommen. So etwas dauert seine Zeit und kostet Geld. Insofern geht das nur schrittweise voran.

Wir haben uns im Vorfeld dieser Debatte noch einmal die Zahlen vorlegen lassen. Bis auf einige Restanten scheint es so zu sein, dass die Sanierung im Land flächendeckend angegangen wurde oder zumindest in Kürze angegangen wird.

Liebe Piratenfraktion, Sie haben vollkommen recht: Dort, wo das nicht geschieht, muss man vor Ort in den Kommunalparlamenten politisch darauf hinweisen. Herr Lamla, Sie hatten den Fall aus meiner Heimatstadt Kaarst bzw. Vorst angesprochen. Dort ist in der Tat 13 Jahre lang keine Sanierung ergriffen worden, obwohl nachweislich die grüne Fraktion vor Ort immer wieder darauf hingewiesen hat. Die CDU-Mehrheitsfraktion hat es auf die lange Bank geschoben, möglicherweise deshalb, weil es eben auch mit hohen Kosten verbunden ist. Die Grundschule in Vorst wird allerdings inzwischen saniert. Insofern ist auch dies ein Beispiel, bei dem man sich trefflich darüber streiten kann, was in der Vergangenheit war. Jedenfalls ist es jetzt angefasst worden.

Vielleicht sollte man auch noch einmal einen Blick auf die Frage werfen – auch das haben Sie zu Recht angesprochen, Herr Lamla –, wie wir eigentlich mit den Betroffenen umgehen, die es in der Tat sehr schwer haben, als Berufserkrankte anerkannt zu werden. Das hat natürlich auch etwas mit Kausalketten zu tun. Man kann das durch die Vielfalt der Giftstoffe, die uns umgeben, nicht immer ganz genau auf die Innenraumlufthygiene zurückführen.

Ich hätte mir gewünscht und würde mir auch mit Blick auf zukünftige Probleme wünschen, dass wir das Verursacherprinzip im Umweltrecht stärker anwenden und dass diejenigen, die solche Stoffe auf den Markt bringen oder in der Vergangenheit auf den Markt gebracht haben – das wäre in dem Fall die Baustoffindustrie –, in einen Fonds einzahlen sollten, um die Auswirkungen ihres damaligen Handelns auszugleichen und den Betroffenen tatsächlich zu helfen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Problem Ihres Antrags ist – bei aller Sympathie dafür, sich mit dem Thema der Raumlufthygiene und dem zunehmenden Problem immer dichterer Häuser auseinanderzusetzen –, dass Sie hier den Föderalismus erneut ausblenden und, wie es schon in den Anträgen zuvor, die Verantwortlichkeiten nicht an der richtigen Stelle suchen.

Das Land kann den Schulträgern zwar Hinweise geben, ist aber finanziell nicht in der Verantwortung. Deswegen wird es Sie, mit Verlaub, auch nicht wundern, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können. Das Land kann eine Verantwortung, die es nicht hat, auch nicht übernehmen. Das ist im Föderalismus so. Wir unterliegen der Subsidiarität: Viel zu oft bedauern wir, dass sie nicht konsequent angewendet wird. Hier muss sie entsprechend angewendet werden. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wir sind aber gerne bereit, weiterhin mit Ihnen intensiv über dieses Thema zu diskutieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Markert. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wird das Thema „PCB-Belastung von Schulgebäuden“ durch die Piratenfraktion erneut in den Landtag eingebracht. Stellvertretend für meine Fraktion kann ich vorab erklären, dass das Thema, welches lange Zeit im Gesundheitsausschuss beraten wurde und auch Gegenstand einer gemeinsamen Sachverständigenanhörung von Gesundheits- und Kommunalausschuss war, eigentlich seine gebührende und genügende Aufmerksamkeit erfahren haben sollte.

Wenn ich die vergangenen Beiträge richtig verstanden habe, sehen das wohl auch die anderen Fraktionen so. Nur Sie, liebe Kollegen von der Piratenfraktion, sehen weiteren Beratungsbedarf. Dabei unterscheidet sich der vorgelegte Antrag nur in Nuancen von Ihrem ersten Antrag, der, wie eben dargelegt, bereits ausführlich mit Expertenmeinung beraten wurde. Neben der schon bestehenden Forderung nach einer vollumfänglichen Datenbasis bei PCB-belasteten Gebäuden wollen Sie nun, dass eine Krankheit aufgrund von PCB-Belastungen als Berufskrankheit anerkannt wird.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die kommunalen Spitzenverbände als Träger vieler öffentlicher Gebäude, darunter natürlich auch die meisten Schulgebäude, haben in der Anhörung deutlich gemacht, dass nach Erlass der nordrhein-westfälischen PCB-Richtlinie 1996 die großen Fälle bis zum Jahr 2003 abgearbeitet worden sind. Diese Aussage scheinen Sie mit Ihrem Antrag infrage zu stellen.

Ich erlaube es mir aber, die kommunalen Spitzenverbände an dieser Stelle zu verteidigen. Sie sind nach dem Urteil der großen Mehrheit des federführenden Gesundheitsausschusses ihrer Informationspflicht gegenüber uns Abgeordneten hinreichend nachgekommen. Ihre Abfrage bei den Kommunen hat ergeben, dass es höchstens noch Einzelfälle gebe, in denen zuvor kein PCB vermutet werden konnte. Sie kritisieren, dass Lehrer, die wegen Schadstoffen krank würden, vergeblich um eine Anerkennung als Berufskrankheit kämpfen. Vor Gericht hätten Betroffene keine Chance, nachzuweisen, dass ihre Beschwerden mit Schadstoffen im Schulgebäude zusammenhingen.

Sie fordern daher eine öffentliche Datensammlung und dadurch eine Umkehr der Beweislast. Denn wenn Schadstoffbelastungen im Gebäude und gesundheitliche Beeinträchtigungen festgestellt wurden, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass sie dort nicht entstanden sind. Eine gerichtliche Feststellung hielten die Experten in der durchgeführten Anhörung allerdings für faktisch aussichtslos. Denn ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich aus der Raumluft kommen oder über andere Kanäle, ist nicht nachzuweisen.

Wir wissen, dass es in der Innenraumluft bis zu 300 Substanzen gibt. Für den Großteil davon gibt es bisher keine gesundheitliche Bewertung. Diese Tatsache macht auch ihre Forderung nach Anerkennung als Berufskrankheit so schwierig. Gleichwohl ist und bleibt es richtig, dass PCB-Belastungen systematisch angegangen wurden und dort, wo sie heute noch entdeckt werden, schnellstmöglich beseitigt werden müssen.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, indirekt bestätigen die Piraten im vorliegenden Antrag ein wichtiges Faktum. Die Landesregierung hat im Fall von Schulsanierungen tatsächlich keinerlei Handlungsbefugnis. Das kann man schlecht finden. Es ist aber jahrzehntelange Tradition, dass die Kommunen für die Schulinfrastruktur Verantwortung tragen. Diese wollen wir den Kommunen auch nicht nehmen. Weil öffentliche Gebäude des Landes nicht explizit erwähnt werden, ist der Antrag zu einseitig ausgerichtet. Deshalb können wir diesem auch nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneider. – Und nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Groschek.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass der Landtag im Wesentlichen das wiederholt hat, was schon Gegenstand der Erörterungen in den letzten anderthalb Jahren war, nämlich dass das Problembewusstsein fraktionsübergreifend ist, dass man ein eher aktionsorientiertes Handeln jedoch für wenig nachhaltig hält.

Ich freue mich auch, dass signalisiert wurde, dass der Antrag auch aus Sicht der übrigen Fraktionen als überflüssig und deshalb ablehnenswert empfunden wird, wenngleich die CDU jetzt nicht mehr Nein, sondern nur noch Jein sagt. Das ist wohl offensichtlich der neuen Laschet-Offensive geschuldet,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

aber das soll nicht mein Problem sein.

(Lachen und Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– So habe ich Herrn Preuß verstanden, Herr Hovenjürgen, aber es kann ja ein Missverständnis sein.

Zur Sache selbst: Mitte der 80er-Jahre ist PCB problematisiert worden, Ende der 80er-Jahre schon als Inhaltsstoff von Baustoffen verboten worden. Seit 1996 haben wir eine PCB-Richtlinie. Unsere NRW-Richtlinie ist deutlich strenger als die vieler anderer Bundesländer. Es gibt sogar drei Bundesländer, die bislang gänzlich darauf verzichtet haben, Landesrichtlinien, Ge- und Verbote zum Umgang mit PCB auszusprechen. – Seitdem ist klar: Der jeweilige Bauherr oder Eigentümer ist in der Pflicht. Übertragen auf Schule heißt das: Der Schulträger ist in der Pflicht.

Ich komme zurück auf die Anhörung im letzten Jahr. Ja, die kommunalen Spitzenverbände habe unisono erklärt: Unsere Mitgliedsgemeinden und ?kreise haben zwischen 1996 und 2003 umfangreich und systematisch dem Sanierungsgebot entsprochen. – Dies darf man nicht unter Generalverdacht stellen und auch nicht ohne konkrete Zweifel im Grunde bezweifeln. Nachträgliche Einzelfälle bleiben das, was sie sind: nachträgliche Einzelfälle und kein flächendeckendes Verdachtsmoment.

Herr Lamla, ich glaube, dass Sie nicht von Wahlkampftaktik getrieben sind, sondern von ernsthafter Sorge; denn der Umgang mit Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, mit Bevölkerungsgesundheit ist ein gravierender politischer Vorgang. Deshalb fand ich es schade, dass bei Ihrer Rede der Eindruck entstehen konnte, dass Sie eher in Räuberpistolenmanier Gefahren für Kinder, Lehrerinnen und Lehrer an die Wand malen wollten.

Was den Vorwurf der Untätigkeit angeht, will ich Sie darauf hinweisen, dass neben den Sachverhalten, die die Vorredner geschildert haben, auch das aktive Handeln des Landes in Gemeinschaftsinitiative mit der Hansestadt Bremen und anderen jetzt zu einer Bundesratsbehandlung führt mit dem Ziel, dass die Beweislast umgekehrt wird, dass also künftig die Arbeitgeber bei entsprechenden Krankheitsverläufen nachweisen müssen, dass die PCB-Belastung nicht ursächlich ist. Das würde den Betroffenen ein gänzlich neues Recht verschaffen.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das zeigt, dass Nordrhein-Westfalen nicht die Hände in den Schoß legt, sondern aktiv tätig wird, um eine betroffenenfreundliche Regelung hinzubekommen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Des Weiteren will ich auf etwas hinweisen, was neu an Ihrem Antrag ist: das Bemühen, eine Garantie von Auskunftsrechten festzulegen, und die Verpflichtung zur Aufbereitung der Daten. – Natürlich haben wir alle das gleiche Bedürfnis nach Transparenz und nach Sicherheit auch in Gebäuden. Aber letztendlich ist der Antrag überflüssig, weil wir nicht nur das Umweltinformationsgesetz mit seinen weitreichenden Informationsmöglichkeiten haben, sondern auch das Informationsfreiheitsgesetz. Jeder Betroffene kann in diesem konkreten Fall direkt an die jeweiligen Schulträger herantreten und sich umfänglich informieren lassen. Es gibt eben keine Chance auf Geheimniskrämerei bei denjenigen, denen Sie ein Bedürfnis nach Geheimniskrämerei unterstellen.

Deshalb, glaube ich, ist auch das Beispiel Kierspe mit der transparenten Darstellung durch die Schulen selbst ein eher schlechtes Beispiel dafür, die Informationsverpflichtung noch weiter zu verstärken. Ich meine, wir haben ein vernünftiges Maß zwischen Aufwand und Ertrag, zwischen bürokratischem Aufwand und dem Informationsfluss. Es ist bewusst im Informationsfreiheitsgesetz darauf verzichtet worden, eine Verpflichtung zur kollektiven, abstrahierenden Datenaufbereitung vorzusehen, weil dann natürlich viel Missbrauch denkbar wäre.

Insofern ist das Informationsfreiheitsgesetz ein gutes Gesetz und auch anwendbar in diesem konkreten Fall. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister Groschek. – Herr Groschek, es gibt eine Kurzintervention. Wenn Sie so freundlich werden, den Platz noch einmal einzunehmen, Herr Minister. – Vielen Dank. Die Piraten haben die Kurzintervention beantragt. Herr Kollege Lamla, Sie haben das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Groschek, Sie haben eben das Informationsfreiheitsgesetz angesprochen. Der Bundesbeauftragte für Informationsfreiheit hat in seinem Tätigkeitsbericht vom 6. Mai 2014 festgestellt, dass immer mehr Fragenstellern die Auskunft nach dem IFG verweigert wird. Es ist von einer Zunahme um 40 % die Rede. Sind Sie also wirklich der Meinung, dass es dem Zufall überlassen wird, ob sich die Betroffenen darüber informieren können oder nicht?

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Nein, ganz und gar nicht. Ich kann den Betroffenen nur empfehlen, sich darauf zu besinnen, dass wir in einem Rechtsstaat leben, und die rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, die dieser Rechtsstaat bietet. Ich finde, ein unrechtes Verhalten staatlicher oder öffentlicher Behörden muss zwingend geahndet werden, weil gerade Behörden im Umgang mit Recht und Gesetz vorbildlich agieren müssen. Für alles andere habe ich nicht nur kein Verständnis, sondern ich habe die dringende Bitte: Sorgen Sie mit dafür, dass solches Verhalten rechtlich sanktioniert wird!

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister Groschek. – Nun habe ich noch eine Rednerin auf der Liste. Frau Pieper von den Piraten will das Wort ergreifen. Bitte schön, Frau Kollegin Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das alles kein Problem ist, dann fragen Sie doch einmal in den Schulen nach. Warum sitzen denn da die Kollegen und haben Sorge? Und wenn sie krank werden, können sie nicht nachweisen, dass es von PCB kommt.

Herr Kollege Scheffler, Sie sagen, die Probleme würden abgearbeitet. Dann veröffentlichen Sie doch die Ergebnisse! Dann haben die Lehrer Ruhe und Sicherheit und brauchen keine Angst mehr zu haben.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Herr Preuß hat gerade einen sehr guten Vorschlag gemacht: dass sich die Landesregierung einmal mit den kommunalen Spitzenverbänden in Verbindung setzt und etwas erarbeitet. Wir haben heute gehört: Bei dem Prozess der Inklusion hat das funktioniert, auch wenn es rechtlich nicht verpflichtend war. Ich sehe nicht, warum das in diesem Falle nicht möglich sein sollte.

(Beifall von den PIRATEN)

Und, liebe Susi Schneider: Wir haben keinen Beratungsbedarf, wir haben Handlungsbedarf!

(Zurufe von den PIRATEN: Richtig!)

Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Pieper.

Wir sind am Schluss der Beratungen und kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der Piraten hat gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu dem Antrag Drucksache 16/5744 beantragt. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei dem Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

(Unruhe)

– Ich darf darum bitten, dass wir das Ganze möglichst leise miteinander absolvieren. Das ist nicht ganz einfach, weil man sich in der Tat etwas zu sagen hat. Ich bitte Sie aber, dass wir, wenn Frau Kollegin Korte jetzt den Namensaufruf vornimmt, einen entsprechend niedrigen Lärmpegel einhalten, damit wir uns gegenseitig verstehen. Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar. – Frau Abgeordnete Korte, rufen Sie bitte die Namen auf.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage 1])

Meine Damen und Herren, herzlichen Dank. Haben damit alle Abgeordneten, die im Raum sind, ihre Stimme abgegeben? – Nein, ich sehe die ersten Meldungen.

(Einzelne Namen werden erneut aufgerufen.)

Jetzt sehe ich keine Hände mehr oben. Damit haben alle Abgeordneten, die anwesend sind, ihre Stimme abgegeben. Wenn das der Fall ist, schließe ich die Abstimmung, bitte die Schriftführer um die Auszählung und darf um einen Moment Geduld bitten, bis wir ausgezählt haben.

(Die Auszählung erfolgt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da sind wir wieder.

(Allgemeiner Beifall)

Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Präsidium, die ausgezählt haben, haben gründlich nachgezählt. Durch die Nachmeldung war es ein bisschen komplizierter, da musste man noch einmal überprüfen, ob auch alle das Richtige notiert hatten. Aber jetzt schreiten wir voran. Da wir im Moment sowieso eine Stunde und 25 Minuten über der Zeit sind, kommt es auf die drei Minuten jetzt auch nicht mehr an.

 

Wir haben ein Ergebnis der namentlichen Abstimmung. Ihre Stimmen abgegeben haben 220 Abgeordnete, mit Ja stimmten 17 Abgeordnete, mit Nein stimmten 139 Abgeordnete, und 64 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag Drucksache 16/5744 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir sind am Ende unserer Beratung und der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 10.

Wir kommen nunmehr zu:

11       Bürokratie abbauen und Liquidität von Handwerk und Mittelstand verbessern – Vorverlegung des Fälligkeitstermins für Sozialabgaben rückgängig machen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5468

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an die FDP-Fraktion und hier an Herrn Kollegen Alda. Bitte schön.

Ulrich Alda (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge war zur Stabilisierung des Rentenversicherungssystems in 2005 von der rot-grünen Bundesregierung umgesetzt worden, um eine Illiquidität der Rentenversicherung zu vermeiden – ich betone: Rentenversicherung.

So stand man vor der Entscheidung, entweder die Beiträge zu erhöhen und damit die Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu belasten oder das Problem der Illiquidität einseitig auf die Arbeitgeber zu verlagern. So mussten damals die Unternehmen in einem aufwendigen Verfahren über mehrere Monate zwei Meldungen abgeben, um eine Doppelzahlung an Sozialabgaben zu vermeiden. Danach wurde umgeschaltet auf das bis heute bestehende System.

Ich bitte Sie: Lassen Sie uns das Ganze aus der Praxis der Betriebe betrachten, insbesondere der kleineren. Ich hoffe, dass meine nachfolgenden Redner und vor allem Rednerinnen das auch so machen werden.

Zunächst gilt: Am drittletzten Bankarbeitstag werden die Beiträge fällig, also 15 Tage früher als vorher. Der drittletzte Bankarbeitstag kann aber zum Beispiel auch der 23. Dezember sein. Das heißt: Die Meldung muss, wenn man am Beitragseinzugsverfahren teilnimmt, schon zwei Werktage vor der Fälligkeit bei den Sozialversicherungen eingegangen sein. Anderenfalls muss das Geld zwei Tage vorher überwiesen werden.

Aber – und jetzt kommt der Knackpunkt – das gilt nicht nur für die Rentenversicherung, um die es ja eigentlich ging, sondern auch für die Krankenkassen und für die Arbeitslosenversicherungen, wo allerdings keinerlei Bedarf bestand und auch jetzt nicht besteht.

Dies bedeutet in der Praxis: Im Grenzfall schon zehn Tage vor Erreichen des Monatsendes verlässt Liquidität die Unternehmen für Arbeitsstunden und Aufträge, die weder geleistet noch fakturiert sind. Dies bedeutet für große personalintensive Firmen große Summen und für kleine personalintensive Firmen im Verhältnis noch größere Summen. Die Banken freuen sich beim Kontokorrent, und, wie man vernimmt, immer häufiger auch die Insolvenzverwalter.

Das Schlimme ist aber, dass der Grund für dieses bürokratische – ich nenne es mal – finanztechnische Affentheater längst weggefallen ist. Die Rentenkassen sind voll, die Krankenkassen und die Arbeitslosenversicherung haben ebenfalls keine Probleme, sondern denken eher in andere Richtungen.

Die Große Koalition in Berlin ändert im Schweinsgalopp das Gesetz, welches eine Senkung des Beitrags bei der Rentenversicherung vorschreibt, und verschenkt die Milliardenguthaben für Wohlfühlmomente der Metallgewerkschaft. Dabei stände es ihr wenigstens jetzt gut zu Gesichte, diejenigen von Bürokratie und Kosten zu entlasten, die Menschen in Arbeit bringen.

Das unterstreiche ich hier: Wer nur Roboter und Computer beschäftigt hat, lächelt hierüber. Wer aber überwiegend Menschen beschäftigt hat und damit personalintensive Betriebe führt, der kann deswegen nicht mehr lächeln. Die Unbeliebtheit dieses Systems bei den Firmeninhabern und den Mitarbeitern, die das alles in der komischen Auslegung des Systems auch noch durchführen müssen, rangiert auf der Beliebtheitsskala ungefähr nach der GEMA und dem Beitragsservice, früher bekannt als GEZ. Das sagt eigentlich alles.

Die derzeitige Regelung entzieht den Unternehmen Finanzmittel, die sie für Investitionen dringend benötigen. Es gefährdet Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen, denn noch sind wir hier tatsächlich personalintensiv.

Im Interesse der nordrhein-westfälischen Unternehmen und der dort arbeitenden Menschen muss die Landesregierung im Bundesrat tätig werden, um die Bürger und Unternehmen zu entlasten.

Ich bitte daher um Ihre Unterstützung und freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Warden.

Marion Warden (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ulrich Alda! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Ulrich Alda hat gerade gesagt, wir sollten das Thema möglichst kleinteilig diskutieren. Wir sehen auch, dass wir hier die Frage eines Liquiditätsproblems haben und möglicherweise ebenfalls das Thema Bürokratieabbau behandeln. Ich würde vorschlagen, dieses Thema genauer im Ausschuss anzugehen.

Heute an dieser Stelle muss ich für meine Fraktion erklären, dass wir Ihrem Antrag in der Form so nicht zustimmen werden. Wir werden ihn aber im Ausschuss diskutieren.

Sie von der FDP-Fraktion fordern die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, die Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge aus dem Jahr 2005 zurückzunehmen. Sie möchten damit das Handwerk und den Mittelstand entlasten und – wie gerade gesagt – von zusätzlicher Bürokratie befreien.

Einem solchen Ansinnen kann man grundsätzlich nichts entgegensetzen. Für meine Fraktion ist klar, dass wir die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, insbesondere Mittelstand und Handwerk, in ihrer Leistungsfähigkeit in jeder Form unterstützen möchten.

Denkt man aber heute Ihre Forderung weiter, müssten die Sozialabgaben – Ihre Ausführungen gingen schon ein bisschen in diese Richtung – zukünftig erhöht werden, denn die damalige Verschiebung und Vorverlegung des Fälligkeitstermins durch die seinerzeitige rot-grüne Bundesregierung hatte die Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung auf 20 % verhindert. Es ging um die Frage: 0,5 Prozentpunkte rauf oder runter. 0,5 Prozentpunkte belasten Arbeitnehmer und Arbeitgeber jährlich in Millionenhöhe. Das ist wahrlich keine Kleinigkeit.

Ich komme auf Ihre Antragsbegründung zu sprechen: Würde man jetzt zur alten Regelung zurückkehren, würden im Jahr der Umsetzung nur noch elf Monatsbeiträge bei den Sozialkassen eingehen. Das hätte zur Folge, dass es zu einer massiven Beeinträchtigung der Liquidität käme und die Nachhaltigkeitslücke auf die Hälfte reduziert würde. Eine Beitragserhöhung mit den eben beschriebenen Folgen wäre unumgänglich. Damit würde kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht geholfen werden.

Zu dem von Ihnen genannten Thema Bürokratieabbau möchte ich sagen, dass sich eine Mehrbelastung für die Unternehmen aus dem jetzigen Verfahren nach unserer Feststellung bisher nicht erkennen lässt. Der neue Rhythmus hat sich eingespielt. Weder Handwerk noch die Vertreter der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen haben eine ernsthafte Kritik an dem Verfahren geäußert. Ein Jahr nach Änderung des Fälligkeitstermins für die Sozialabgaben gab es eine Anfrage bei den Arbeitgeberverbänden in Nordrhein-Westfalen. Es gab keine Rückmeldung, dass das Verfahren wieder geändert werden sollte.

Die Höhe der Sozialabgaben ist nicht abhängig davon, ob Kunden ihre Rechnung pünktlich bezahlen oder nicht, sondern abhängig vom Monatsgehalt der Beschäftigten. Das bedeutet, dass das eben beschriebene Liquiditätsproblem nicht auf die Sozialabgaben zurückzuführen ist. Ebenso muss nicht jeden Monat spitz abgerechnet werden, sondern man könnte sich auch am durchschnittlichen Mittel orientieren.

Ich möchte gern noch einen Punkt ansprechen, der mir bei der Recherche zu Ihrem Antrag aufgefallen ist. Denselben Antrag haben die Fraktionen der CDU und der FDP im Sächsischen Landtag und in anderen Landtagen bereits 2012 gestellt. Zu der Zeit saß Ihre Fraktion noch mit am Tisch des Bundeskabinetts. Ich habe mich gefragt, wenn Sie vom Inhalt Ihres Antrags überzeugt sind, warum Sie die Vorverlegung des Fälligkeitstermins nicht rückgängig gemacht haben, denn damals hatten Sie die Möglichkeit dazu im Bundestag.

Wir werden den Antrag im Ausschuss noch intensiv beraten. Der Überweisung werden wir selbstverständlich zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Warden. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Kollege Kerkhoff.

Matthias Kerkhoff (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was der Kollege Alda ausgeführt hat, ist inhaltlich in der Tat in vielen Teilen schlüssig. Wir unterstützen dies auch in weiten Bereichen. Es ist schon ein Stück weit politisch verwegen, denn die eigene Regierungszeit in Berlin liegt noch nicht so lange zurück, als dass man sagen könnte: Damit haben wir uns nicht beschäftigen können.

Meiner Ansicht nach war die Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialabgaben im Jahr 2005 ein Fehler. Man hätte auch andere Wege finden können, die Sozialbeiträge stabil zu halten. Es ist so, dass das, was damals mehr eingenommen wurde, jetzt – im Grunde wie im richtigen Leben auch – verfrühstückt ist. Das ist weg. Man hatte sich damals 13 statt zwölf Monatseinnahmen genehmigt.

Zum Thema Bürokratie lassen Sie mich sagen, dass schon damals ab 2006 ein vereinfachtes Verfahren gewählt worden ist. Seitdem ist die Zahlung des Beitragsvorschusses in der Höhe des abgerechneten Vormonatsergebnisses zulässig und nicht mehr, wie davor, die Zahlung der voraussichtlichen Beitragsschuld. Mit einem solchen pauschalierten Verfahren kann die Entgeltabrechnung insgesamt auf einen Termin konzentriert werden. Die Schätzung der voraussichtlichen Beitragsschuld ist seither entbehrlich.

Was das Thema der Liquidität angeht, teile ich in der Tat das, was Sie gesagt haben. Weil das aber nicht einmal eben zu korrigieren ist, ist es weder der ersten Großen Koalition 2005 bis 2009 noch Schwarz-Gelb im Anschluss gelungen, dies zu korrigieren. Diese Korrektur hätte 25 Milliarden € gekostet. Aus dem gleichen Grund ist es nicht Teil der Koalitionsvereinbarung der zweiten Großen Koalition in Berlin, selbst wenn es auch aus meiner Sicht sicherlich ein wünschenswerter Punkt gewesen wäre.

Auch wenn ich mir persönlich das wünsche, bleibt doch festzuhalten, dass eine Korrektur die Finanzausstattung der Sozialversicherungen massiv verschlechtern würde. Allein für die Rentenversicherung würden dies 14 Milliarden € weniger an Einnahmen bedeuten, für die Krankenversicherung gut 8,5 Milliarden €, für die Pflegeversicherung rund 1 Milliarden € – und das zu einer Zeit, in der wir richtigerweise die Situation der Pflegenden verbessern wollen. Für die Arbeitslosenversicherung wären es 1,6 Milliarden € weniger an Einnahmen. Ich sage aber auch: Es ist richtig, an diesem Thema dranzubleiben. Deshalb ist es gut, wenn wir den Antrag heute überweisen und im Ausschuss noch einmal darüber sprechen.

Kollege Alda, wir sollten das Thema vielleicht auf die Liste der Punkte setzen, auf der all die Dinge stehen, die wir vielleicht gemeinsam umsetzen würden, wenn wir zusammen noch einmal in Berlin regieren. Ich glaube, das wäre nicht nur aus dem Grund eine gute Geschichte. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Kerkhoff. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Martina Maaßen (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kerkhoff, diese Vision teile ich nicht. Das hätten wir nicht so gern.

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

– Bitte?

(Ulrich Alda [FDP]: Das beruhigt ihn!)

– Das beruhigt ihn? Ach so, ein Schwarz-Grüner ist er nicht. Das können wir hier einmal feststellen. Okay.

(Zurufe)

– Oder gerade. Gut. Jetzt aber kommen wir in eine Diskussion, die uns von dem Antrag wegführt. Ich möchte ohnehin nur kurz reden. Daher haben wir noch genug Redezeit für solche Geplänkel.

Lieber Ulrich Alda, ich – wie auch meine anderen Kollegen – sehe das ähnlich wie Frau Warden. Sie hätten in der schwarz-gelben Regierung die Zeit und die Chance gehabt. Ich meine auch, in meiner Recherche erkannt zu haben, dass Sie in Sachsen noch mit in Regierungsverantwortung sind und dort eine Bundesratsinitiative mit auf den Weg gebracht haben – gerade noch zur rechten Zeit, weil es im August dort auch vorbei ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte aber jetzt zum Inhalt kommen. Wir können dem einiges Bedenkenswertes abgewinnen. Dennoch sind wir der Auffassung, dass wir intensiv prüfen müssen, welche Auswirkungen das auf die Sozialversicherungsträger hat. Aber ich sehe auch Ihr Argument, das Sie jetzt auch noch einmal vorgebracht haben, dass man die Belastungen der Arbeitgeber sehen muss. Von daher sollten wir das ausgiebig im Ausschuss beraten, weil es da unterschiedliche Facetten und unterschiedliche Auswirkungen gibt.

Ich muss aber dazu sagen, dass ich einen direkten Handlungsdruck – den würde ich auch ein Stück erwarten von den Kammern, vom Handwerk, von den kleinen und mittleren Unternehmen – so nicht erkennen kann. Es gibt einige Stellungnahmen. Mich hat in letzter Zeit eine von der IHK erreicht. Vielleicht haben Sie das auch zum Anlass genommen, diesen Antrag zu formulieren. Aber dass das massiv eingefordert wird und die Problemlagen uns auch über diese Einrichtungen verdeutlicht werden, kann ich so nicht sehen. Von daher haben wir noch stärkeren Beratungs- und Informationsbedarf.

Wir sehen auch die Problematik gerade bei Unternehmen, die mit variablen Entgelten zu tun haben. Da müssen wir schauen, ob wir da Lösungen finden oder die kritischen Umstände nehmen, um dann festzustellen, dass wir tatsächlich das ganze System umkrempeln müssen. Dieses Meinungsbild haben wir derzeit noch nicht. Von daher freuen wir uns auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrtes Publikum! Meine Vorrederinnen und Vorredner sind bereits auf die Vorgeschichte dieses Antrages eingegangen. Insofern brauche ich das nur noch ganz kurz zu skizzieren.

Um die klammen Sozialkassen zu entlasten, entschied die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2005, in die Trickkiste zu greifen. Zukünftig sollten Sozialabgaben ein paar Tage früher bezahlt werden.

Was nach einer banalen Änderung klingt, hatte zwei Konsequenzen. Erstens müssen Unternehmen nun zwei Abrechnungen anfertigen, eine vorläufige und eine finale. Der Verwaltungsaufwand hat also zugenommen. Zweitens profitieren die Sozialkassen von der Bilanzkosmetik. Ihre Rücklagen erhöhten sich deutlich durch die Umstellung, da ihnen durch den früheren Zahlungstermin mehr Liquidität zur Verfügung steht. Das sind keine Peanuts. Das ist ein zweistelliger Milliardenbetrag. Inzwischen sind die Sozialkassen gut durchfinanziert. Grund ist dieser Einmaleffekt sowie die gute Konjunkturlage. Ende 2013 betrugen die Rücklagen der Rentenversicherung knapp 32 Milliarden €.

Was soll nun mit diesem Geld passieren? Die einfachste und fairste Lösung scheint keine Lobby zu haben, nämlich die Beiträge zu senken. Stattdessen gibt es andere Pläne. Die Große Koalition in Berlin möchte ihr Rentenpaket durch die Rücklagen der Rentenversicherung querfinanzieren. Am schönsten sind die Wahlgeschenke, die man nicht selber bezahlen muss.

Der Wirtschaft wäre es lieber, wenn der seit dem 1. Januar 2006 geltende Fälligkeitstermin zurückgenommen wird, da es ja nun diesen Finanzierungsspielraum gibt. Diesen Wunsch drückt der vorliegende Antrag aus.

Wir Piraten sympathisieren mit diesem Antrag und der zugrunde liegenden Idee. Warum sollte man den kleinen und mittelgroßen Unternehmen die Doppeltabrechnung nicht ersparen? Warum muss man ihnen unnötigerweise Liquidität entziehen?

Die Sache hat nur einen Haken. Das Rentenpaket und die Änderung des Zahlungstermins zugleich sind wohl nicht finanzierbar.

Ich meine, dass der federführende Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Aufgabe übernehmen sollte, einen nachhaltigen Finanzierungsspielraum für diesen Vorschlag aufzuzeigen.

Denn bei aller Sympathie für diesen Antrag steht für uns fest: Es ist nicht akzeptabel, dass der Zahlungstermin der Sozialversicherungsabgaben in jedem Konjunkturzyklus nach Gusto vor- oder zurückgeändert wird. Die daraus entstehenden Anpassungs- oder Bürokratiekosten wären deutlich größer als der intendierte Entlastungseffekt. Also müssen wir uns langfristig für eine Option entscheiden. Die nachhaltige Finanzierung der Sozialkassen darf dabei nicht gefährdet werden.

Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Schneider das Wort.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Beginn des Jahres 2006 gibt es Änderungen in den Bestimmungen zur Fälligkeit der Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Davor wurden die Sozialversicherungsbeiträge spätestens bis zum 15. des Folgemonats zur Zahlung gebracht. Ab 2006 werden die Sozialversicherungsbeiträge spätestens bis zum drittletzten Bankenarbeitstag des laufenden Monates entrichtet. Steht die tatsächliche Beitragsschuld wegen schwankender Entgelte nicht fest, so ist sie zu schätzen.

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass das Arbeits- und Sozialministerium 2007 bei den Arbeitgebervereinigungen einschließlich der Handwerksverbände in NRW nachgefragt hat, ob seitens der Unternehmen Bedarf nach Änderungen besteht. Grundlage für diese Befragung, war eine mögliche Initiative über den Bundesrat.

Die Unternehmensverbände haben übereinstimmend festgestellt, dass es keinen Änderungsbedarf gibt. Dies hat dazu geführt, dass die Landesregierung weitere Initiativen über den Bundesrat unterlassen hat.

Die Unternehmen haben darauf hingewiesen, dass die derzeitige Regelung natürlich eine gewisse Belastung für die Unternehmen beinhaltet – Zahlen sind ja genannt worden –, aber dass sich die Unternehmen zwischenzeitlich an die neue Vorgehensweise gewöhnt haben und deshalb keine Veränderung der Zahlungsmodalitäten anstreben.

Des Weiteren muss man darauf hinweisen, dass allein in der Rentenversicherung bei einer Rückkehr zum alten Zahlungsmodus eine Erhöhung der Beiträge anstehen würde. Damals ging man von 0,5 Prozentpunkten aus, und man wäre über diese Anhebung zu Lohnnebenkosten von über 20 % gekommen. Das wollte man nicht, weil die Lohnnebenkosten gerade in arbeitsintensiven Unternehmen bremsend für die Beschäftigung sein können, wenn man den Bogen überspannt. Dies will natürlich niemand.

Im Laufe der Zeit wurden auch Zahlungsvereinfachungen umgesetzt, die Unternehmen mit schwankenden Entgelten die Beitragszahlungen erleichterten. Dies ist für das Handwerk aufgrund sehr vieler säumiger Kunden ein sehr wichtiger Punkt. Die Rücknahme der Vorverlegung der Fälligkeit würde bedeuten, die Sozialversicherungsträger massiv zu belasten, da – auch darauf ist schon hingewiesen worden – im betreffenden Jahr nur elf Monatsbeiträge entrichtet würden. Außerdem wäre eine abermalige Umstellung mit einer Umstellung der Abrechnungssysteme verbunden. Auch dies kostet Zeit und Geld.

Wenn gefragt wird: „Was machen die Sozialversicherungsträger mit den hohen Beständen?“, kann ich nur antworten: Perspektivisch brauchen wir jeden Cent. Denken Sie an die demografische Entwicklung, an die damit verbundenen Konsequenzen für alle Sozialversicherungssysteme, die auf einer Beitragsbezogenheit beruhen, ausgehend von den Bruttolohnsummen! Das Dümmste wäre, jetzt eine breite Diskussion über die Senkung der Beiträge zu führen. Hierzu gibt es keine Spielräume.

Im Übrigen muss ich Ihnen sagen: Wahlgeschenke sind nicht vergeben worden. Wer die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren als Wahlgeschenk bezeichnet, versündigt sich an der Würde der Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben. Das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall von Achim Tüttenberg [SPD])

Die haben dafür doch Beiträge gezahlt. Wo sind denn da die Geschenke? Ich glaube, da ist einiges in den Köpfen verquer angekommen.

(Beifall von Christof Rasche [FDP] – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Herr Kerkhoff, ich kann Ihnen nur sagen, ich freue mich auf Ihre Positivliste, die Sie für eine mögliche CDU/FDP-Regierung zusammenstellen wollen. Allerdings merke ich an, Schwarz-Gelb funktioniert bekanntlich nur im Dortmunder Westfalenstadion. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN – Zuruf von den PIRATEN: In Aachen funktioniert das auch!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die FDP hat sich noch einmal Herr Kollege Alda zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Ulrich Alda (FDP): Herr Präsident, schönen Dank, dass ich noch einmal reden darf. – Herr Minister, Sie sind der Einzige, den ich vom Lob ausnehmen muss. Ich darf mich bei allen bedanken. Ich hatte den Eindruck, dass man sehr konstruktiv an die Sache herangegangen ist. Bis auf einen meines Erachtens fachlichen Fehler – ich sagte ja, ich spreche aus der Praxis – habe ich nur die Bereitschaft gefunden mitzureden. Dass das nicht einfach ist, kann ich Ihnen auch aus der Praxis bestätigen.

Ich frage Sie aber, Herr Minister, 13 Beiträge sind kassiert worden. Elf fehlen plötzlich. Wo sind die denn? Die sind verfrühstückt worden. Das ist das Problem. Genau das ist der Punkt, bei dem ich Ihnen sage: Je mehr Sozialversicherungsbeiträge Sie kassieren, je mehr Sie die Beiträge erhöhen, desto mehr verschwinden in einem unendlichen Schlund. Das wird definitiv alles verfrühstückt und ist dann weg.

Trotzdem wollte ich meinen Redebeitrag nicht mit bösen Worten beenden, sondern möchte nur sagen: Diejenigen, die die Last tragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, stöhnen nicht bei den IHKs und den Verbänden, die weinen leise untereinander und hoffen, dass sie mit ihren Banken überleben. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Minister Guntram Schneider steht noch in der Nähe des Rednepults.)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das war keine Kurzintervention, sondern ein regulärer Debattenbeitrag.

(Minister Guntram Schneider: Darf ich noch mal?)

Wenn die Regierung das Wort ergreifen möchte, hat sie immer das Recht dazu. Bitte.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Alda, drei Anmerkungen:

Erstens. Ich glaube, unsere Rentenversicherung und die Sozialversicherung insgesamt sind so verantwortungsvoll, dass sie kein Geld verfrühstücken.

Zweitens. Ich vertraue auch in diesem Punkt den Verbänden der Wirtschaft und den Kammern und glaube, dass sie das wiedergeben, was in den Unternehmen gedacht wird.

Drittens. Ich bin auch der Auffassung, dass wir im Ausschuss darüber nachdenken müssen, wie man arbeitsintensive Unternehmen weiterhin entlastet. Dies ist eine Selbstverständlichkeit. – Danke schön.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5468 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

12       Professionelles Management für Autobahnbaustellen einführen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5765

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Schemmer das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Bernhard Schemmer (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist auf vielen Gebieten Schlusslicht, zum Beispiel bei der Haushaltskonsolidierung. Die PISA-Ergebnisse sehen nicht besser aus. Bei den Arbeitslosenquoten der westdeutschen Bundesländer sind wir auch Schlusslicht. Wir haben mehr als doppelt so viele Arbeitslose als Bayern und Baden-Württemberg und fast doppelt so viele wie Hessen oder Rheinland-Pfalz.

Und wo sind wir Spitze? Bei den Staus. In keinem Land sind die Straßen so verstopft wie in Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen war 2013 wieder Stauland Nummer eins, und in 2014 wird kräftig daran gearbeitet, diesen Spitzenplatz zu halten.

Zwar kommen wir nach den offiziellen Zahlen nur auf 57.000 km Stau im Jahr, geschönt vom Ministerium. Der ADAC spricht von 221.000 km. Ich glaube, das ist deutlich näher an der Wirklichkeit.

Alleine durch Baustellenstaus entsteht jährlich ein gewaltiger volkswirtschaftlicher Schaden. Weltmeister waren wir im Stausommer 2013 wegen der unkoordinierten und nicht abgestimmten Baustellenplanung. Ich erinnere an das Verkehrschaos durch die Teilsperrung A 52 Ruhrtalbrücke Essen – Düsseldorf.

2014 sieht das Ganze aber nicht besser aus. Gucken wir es uns an: Westkreuz A 40 Essen – Bochum, Fertigstellung war 2014 geplant. Wir kommen locker wieder einmal in das Jahr 2015 oder – da fahre ich laufend her – die A 31 vom Ruhrgebiet Richtung Nordsee. Seit drei Jahren wandert wöchentlich der Stau, und der Fotoapparat am Straßenrand wandert mit.

Die Sperrung der A 40 und der A 52 dauerte viel länger als ursprünglich angekündigt. Autobahnausfahrt am Westkreuz der A 40, Bochumer Westkreuz Richtung Dortmund. A 59: Gucken wir uns das Desaster derzeit an. Kurzum: Chaos allerorten. Die Landesregierung steht dem hilflos gegenüber, sieht eher aus wie eine Laienspielschar.

Die Gründe für die vielen Staus sind schlicht verkehrte Planungen durch die rot-grüne Landesregierung. Wir hatten den Planungsstopp im Jahre 2011 durch den Staatssekretär Becker. Der damalige Minister hat mitgemacht, ob er es gemerkt hat, weiß ich nicht.

2013 haben Sie 40 Millionen € an den Bund zurückgegeben. Sie hätten sich einmal ansehen sollen, wie das in den Jahren 2008 bis 2010 war, als wir noch 143 Millionen € zusätzlich vom Bund bekommen haben.

Die Fehlplanungen gehen voran. Nun bin ich sehr viel unterwegs wie andere wahrscheinlich auch. Wenn man an so einer Baustelle auf der A 31 vorbeifährt, dann arbeitet da, wie gesagt, immer nur ein Mann, nämlich derjenige, der die Blitze aufstellt. Von Effizienz bei der Baustellenplanung keine Spur.

Bei manchen Baustellen hat man eher das Gefühl, dass die dort arbeitenden Menschen bereits in der dritten Generation tätig sind. Beeinträchtigungen muss es natürlich immer geben. Aber würde man vernünftige Planungen machen, käme man sicherlich auch deutlich weiter und besser voran.

Unsere Forderungen: professionelles Baustellenmanagement, um die Bauzeiten deutlich zu verkürzen, das Ganze etwas bündeln und nicht nebeneinanderher laufen lassen, also wenn die Autobahn eine Baustelle hat, soll die parallel laufende Bahnstrecke nicht gleichzeitig auch eine haben. Ausnutzen der Tageshelligkeit von April bis Oktober, Sechs-Tage-Woche, häufiger bei den stark befahrenden Straßen auch Nacht- und Wochenendarbeit, insbesondere aber für die Firmen Bonus und Malus, und zwar vertraglich geregelt. So könnte man den volkswirtschaftlichen Schaden deutlich reduzieren.

Als dann erstmalig im April dieses Jahres die Ministerpräsidentin sagte „ich stehe dauernd im Stau“, da kann ich nur sagen: Wenn sie dann doch noch einmal festgestellt hat – das hat zwar lange gedauert, vier Jahre –, dass es diese vielen Staus hier gibt, dann sollte das vielleicht ein Ansporn für Rot-Grün sein, das Ganze zu beseitigen. Ich habe sie hier heute nicht gesehen, weil sie krank ist. Ich wünsche und hoffe, dass sie zuhause besser genesen wird, als sie genesen würde, wenn sie laufend im Stau stünde. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schemmer. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Tüttenberg.

Achim Tüttenberg (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem frenetischen Beifall der CDU fällt es mir natürlich jetzt schwer, hier einzusteigen. Immerhin, Herr Kollege Schemmer, nachdem Sie wieder auf dem Platz sitzen, ist Ihre Fraktion wieder zweistellig vertreten. Das ist immerhin auch bemerkenswert –

(Widerspruch von der CDU – Christof Rasche [FDP]: Unverschämtheit!)

bei einem Antrag, den Sie hier eingebracht haben. Es ist ja Ihr Antrag, über den gesprochen wird. Ihre magere Anwesenheit zeigt doch, wie ernst Sie selbst Ihren Antrag nehmen.

(Beifall von der SPD)

Staus auf den Autobahnen, auch das Vorbeifahren an Baustellen, verschmälerte Fahrbahnen sehen wir natürlich, sofern wir berufstätig sind, im Alltag nicht selten. Wir ärgern uns darüber. Das ist ganz normal. Aber man fragt sich doch: Gibt es diese Staus deswegen, Herr Schemmer, wie Sie versucht haben zu suggerieren, weil eine rot-grüne Landesregierung dieses oder jenes nicht tut?

Dann fragt man sich doch: Warum gab es ebenfalls nicht enden wollende Staumeldungen im Radio, als der Herr Lienenkämper, der Mitantragsteller ist, der jetzt wohlfeile Forderungen an seinen Nachfolger stellt, Minister war?

(Bernhard Schemmer [CDU]: Das war deutlich besser als heute!)

Dann hätte er immerhin zumindest den Mut haben können, selbst bei dieser Diskussion anwesend zu sein. Dann hätten wir ihm die eine oder andere Frage stellen können. Dass während seiner gesamten Amtszeit die Gesamtstaulänge kürzer war als bei anderen, lag allerdings nur daran, dass er nur kurz im Amt war, weil er ja vom Bürger abgewählt worden ist.

Herr Schemmer, Sie begründen Ihren Vorstoß unter anderem damit, dass in NRW die Staulänge am größten von allen Bundesländern ist. Dieses Argument ist allerdings relativ inhaltsleer, weil NRW mit seiner größten Bevölkerungszahl aller Bundesländer, den meisten Großstädten aller Bundesländer und daher mit dem größten Verdichtungsraum und dem engmaschigsten Autobahnnetz aller Bundesländer logischerweise auch das größte Staurisiko aller Bundesländer aufweist, das sich dann im Alltag auch realisiert.

Bezogen auf die tatsächlichen Autobahnkilometer sind in NRW aber beispielsweise weniger Staus als in Baden-Württemberg. Um es anders herum zu vergleichen: Wir haben zwar doppelt so lange Staus wie Niedersachsen aber dreimal so viel Autobahnlänge. Oder wir haben vier- bis fünfmal so lange Staus wie das CDU-Paradies Sachsen, aber auch achtzehnmal so viel Autobahnkilometer.

Deswegen sind Ihre einfachen Zahlen ebenso wenig aussagekräftig wie es zum Beispiel – wir stellen einen solchen Vergleich ja nicht an, ich will es nur persiflieren – die Aussage wäre, die NRW-Landes-regierung sei deswegen die erfolgsreichste aller Landesregierungen, weil in Nordrhein-Westfalen die meisten Menschen wohnen möchten. Ich meine, sie ist die erfolgreichste, aber nicht deswegen, sondern wegen der erfolgreichen Politik der Herren Minister.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Tüttenberg, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Schemmer zulassen?

Achim Tüttenberg (SPD): Nein, das möchte ich dem Haus nun wirklich nicht zumuten. Ich möchte allerdings seine Ausführungen aufgreifen. Er schreibt in seinem Antrag – ich vermute, dass er der Mentor des Antrages ist –, es müsse ein professionelles Baustellenmanagement eingeführt werden. Also läuft es nach Ihrer Einschätzung jetzt unprofessionell.

Was halten Sie denn von dem großen Landesbetrieb Straßen.NRW, der dafür zuständig ist und dem Sie mit, Herr Schemmer, in Ihrer Regierungszeit einen spitzenbezahlten Hauptgeschäftsführer gegeben haben, der Ihrer Partei angehört? Hat der das nicht im Griff? Beim BLB haben wir eben ganz andere Argumentationsketten der CDU gehört, wer da für was zuständig ist. Oder wollen Sie ernsthaft suggerieren, dass der Minister jetzt persönlich in Abend- und Nachtarbeit die Baustellen zu organisieren hat?

Wie kommen Sie eigentlich dazu, dem ausgerechnet von Ihnen brutal zusammengestrichenen Landesbetrieb und dessen Beschäftigten, die trotz hohen Arbeitsdrucks kompetent und qualifiziert arbeiten, so kaltschnäuzig die Professionalität abzuerkennen? Ich finde, das ist ungeheuerlich. Das disqualifiziert Sie auch für politische Führung. Sie gehen einfach sehr vordergründig und oberflächlich mit diesem Thema um.

Ginge es Ihnen um fundierte Beratung, Herr Schemmer, dann würden Sie doch eine solche Beratung im Fachausschuss beantragen. Aber das wollen Sie ja gar nicht. Sie wollen heute eine Direktabstimmung über ein vermeintliches Wahlkampfthema der CDU: „Baustellen sind rot-grüne Baustellen, daher CDU wählen“. Glauben Sie wirklich, dass Ihnen das irgendeiner glaubt?

Es gab mal einen CDU-Verkehrsminister in NRW, der das Thema „Stau“ auch zum Dauerthema der Politik gemacht hat. Das war der Minister Wittke. Dessen politisches Schicksal ist bekannt. Das endete hier in NRW mit einem Fiasko nach dem anderen – weil ihm keiner glaubte.

Wenn sie an der Sache interessiert sein wollen: Wieso haben Sie denn die mehrmaligen Angebote des Ministeriums ausgeschlagen, sich das professionelle Management von Baustellen einmal vor Ort von den Experten des Landesbetriebes erläutern zu lassen? Haben Sie Angst, dass Sie danach Ihren Antrag wegwerfen müssen, weil er sich als Unsinn herausstellt?

Also buchen wir das Ganze einfach mal als Versuch, aus dem Problem hochverdichteter Verkehrsräume, ständigen Ausbaus und ständiger Sanierung von Autobahnen einen Wahlkampfballon aufzublasen, auf dem steht: Wählt CDU, und die Staus kommen weg. – Niemand wird Ihnen das abnehmen.

Die Leute erwarten eine effiziente Verkehrslenkung, ein effizientes Baustellenmanagement. Beides besteht.

Deshalb ist übrigens auch Ihr Hinweis auf volkswirtschaftlichen Schaden durch Zeitverschwendung ein Eigentor; denn auch die halbe Stunde Befassung des Hauses mit diesem Antrag ist weit entfernt von irgendeinem volkswirtschaftlichen Nutzen. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Tüttenberg. Bleiben Sie noch einen Moment bei uns, Herr Kollege, denn Herr Kollege Schemmer hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Nachdem er sich eingedrückt hat, erhält er für 90 Sekunden das Wort. Bitte.

Bernhard Schemmer (CDU): Vielen Dank. – Der Landesbetrieb kann wenig dafür, denn er arbeitet nach den politischen Vorgaben. Die Sechs-Tage-Woche und die Arbeitszeiten sind ja keine ureigenen Entscheidungen des Landesbetriebes. Es war auch keine Entscheidung des Landesbetriebes, während der Wittke-Zeit 143 Millionen € mehr vom Bund verbaut zu haben und nicht 40 Millionen € zurückzugeben.

Sie haben vorhin gesagt, dass wir pro Einwohner weniger Staus hätten als andere Bundesländer. Frage: Arbeiten Sie mit den zusammengestrichenen 57.000 km aus dem Ministerium, die neben der Wirklichkeit sind? Oder arbeiten Sie mit den 221.000 km für 2013, die der ADAC ermittelt hat?

Achim Tüttenberg (SPD): Herr Kollege Schemmer, ich habe nicht „pro Einwohner“ gesagt, sondern „pro Autobahnkilometer“. Das ist der entsprechende Maßstab. Mit Einwohnern hat das nichts zu tun. Bezüglich Einwohner hatte ich nur den anderen, persiflierenden Vergleich gezogen, dass, wenn es bei der Bemessung der Popularität nach der Einwohnerzahl von Bundesländern ginge, NRW das populärste sein müsste.

Es geht also um die Staukilometer. Und bei den Staukilometern liegt NRW gemessen an der Gesamtzahl der Autobahnkilometer sicherlich im Mittelfeld; es belegt keinen „Spitzenplatz“ in negativem Sinne.

Im Übrigen interessiert mich auch die Logik in Ihrem Vorwurf, dass eigentlich mehr Baumaßnahmen an Autobahnen durchgeführt werden müssten. Das ist sicherlich richtig; wir unterstützen das auch. Dass das aber zu weniger Baustellen führen würde, erschließt sich mir von der Logik her jetzt nicht. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Tüttenberg. Soweit die Kurzintervention und die Entgegnung darauf. – Als nächster Redner spricht nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe CDU-Fraktion! Schade, Herr Schemmer, Ihre Frage hätte ich gerne beantwortet! Denn mit ADAC-Zahlen zu argumentieren, das ist in diesem Jahr – wie soll ich sagen? –

(Zuruf von der SPD: Populär!)

ein mutiges Unterfangen, was die Seriosität angeht. Das kann man aber natürlich machen.

Ich werde jetzt ernst. Wir könnten dieses Thema in zwei Sätzen bearbeiten, indem wir sagen: Die Reduzierung von Baustellenstaus, flüssiger Verkehr und ein vernünftiges Vorankommen hier im Land sind in unser aller Interesse. Da sollten wir alle miteinander an einem Strang ziehen und entsprechende Verbesserungen auf den Weg bringen.

So wie Sie das machen – das hat der Herr Kollege Tüttenberg gerade gesagt –, kann man klar infrage stellen, dass das mit ernster Absicht geschieht. Wir haben im Ausschuss ja schon viele Anhörungen und viele Sachverständigengespräche durchgeführt. Ich frage mich: Warum wollen Sie bei diesem Thema heute eine direkte Abstimmung durchführen? Um das Thema schnell wieder vom Tisch zu bringen? Warum führen wir nicht miteinander ein vernünftiges Sachverständigengespräch im Ausschuss und erörtern mal die verschiedenen Zahlen, die sie auf den Tisch gelegt haben, oder die verschiedenen Problemsituationen? Das wäre doch möglicherweise erhellend, um in dem Punkt ein bisschen voranzukommen.

Ich kann nur vermuten, dass es sich um eine Wahlkampfgeschichte handelt. Wenn man sich aber umguckt, sieht man, dass die Presse- und die Zuschauertribüne leer sind. Auch die Abgeordnetenreihen, insbesondere die der antragstellenden Fraktion, sind leer. Das Thema hat hier also nicht richtig verfangen.

Zu den Zahlen hat der Kollege Tüttenberg eben auch das Richtige gesagt. Auf einem ähnlichen Niveau wie Ihre Aussage, Herr Schemmer, dass wir das staureichste Bundesland sind, wäre jetzt vielleicht noch die Aussage, dass NRW das geburtenstärkste Bundesland ist.

In Ihrem Antrag fordern Sie ein professionelles Baustellenmanagement. Dazu sage ich klar: Das haben wir seit vielen Jahren, auch wenn es möglicherweise hier und da Mängel und Probleme gibt.

(Bernhard Schemmer [CDU] schüttelt den Kopf.)

– Sie schütteln den Kopf. Ich würde Ihnen aber selbst für Ihre Regierungszeit zugute halten, dass es das bei Straßen.NRW gegeben hat.

Es gab in dieser Woche einen interessanten Beitrag in der „Aktuellen Stunde“ genau zu diesem Thema, genau zu dieser Fragestellung. Darin kam ein leitender Mitarbeiter von Straßen.NRW zu Wort.

(Zuruf von der CDU: Leitender?)

– Er wurde so betitelt. Den Namen müsste ich noch mal nachgucken.

(Zuruf von der CDU: Leidender!)

– Leidender möglicherweise auch. Das weiß ich nicht, so gut kenne ich ihn nicht. – Dieser Mitarbeiter stellte auf jeden Fall fest, dass der hohe Sanierungsbedarf in Nordrhein-Westfalen daran liegt, dass die Infrastruktur hier seit vielen Jahren vernachlässigt worden ist und dass wir dringend mehr Geld für die Infrastruktursanierung brauchen.

(Zuruf von der CDU)

– Ja, also bitte! Berlin, Große Koalition! Bodewig-Kommission: 7 Milliarden Unterfinanzierung bei der Sanierung pro Jahr! – Was macht die Große Koalition? Gibt nicht mal 1,5 Milliarden. Und bei diesen 1,5 Milliarden € moniert der Bundesrechnungshof jetzt auch noch, dass sie hauptsächlich in den Neubau gesteckt werden. Das ist doch der Fehler, den Sie machen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie können das in Berlin doch alles durchsetzen. Sie stellen dort doch das entsprechende Ministerium.

Jetzt wieder sachlich! – Wie oft haben wir schon das Thema „Nachtbaustellen“ diskutiert? Ich bin vier Jahre im Landtag, und das ist in dieser Zeit bestimmt unsere vierte oder sogar fünfte Debatte zum Thema „Nachtbaustellen“.

Ich würde jetzt gerne mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren. Ihr Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur schreibt in „Mögliche Fragen zum Thema Baustellenmanagement“: Dem möglichen Einsatz von Nachtbaustellen und Nachtarbeit sind Grenzen gesetzt.

„Zudem stellen Nachtbaustellen, vor allem in Ballungsgebieten, eine erhöhte nächtliche Ruhestörung durch den erforderlichen Baumaschineneinsatz … dar. Allgemein erhöht sich bei Nachtarbeit das Unfallrisiko für die Verkehrsteilnehmer sowie das Baustellenpersonal.“

(Zuruf: Weicheier!)

Das schreibt Ihr Bundesministerium! Naja: Klare Antwort schon gegeben, warum wir das nicht intensiver machen.

Es gibt in Ihrem Antrag aber durchaus auch ein paar sinnvolle Punkte, zum Beispiel die Informationswege – sowohl digital als auch über den Verkehrsfunk – und die Bonus-Malus-Regelung bei den Verträgen. Das könnte man durchaus mal intensiver erörtern, wenn Sie uns dazu im Ausschuss die Zeit gäben.

Für SPD, Grüne wie auch für die Landesregierung ist klar, dass wir da Verbesserungen durchführen wollen. Wir haben die Verkehrsleitzentrale in Leverkusen dafür entsprechend eingerichtet. Sie kann auch noch aufgestockt werden, um intensiver wirksam zu werden.

Ihres Antrags hätte es nun wirklich nicht bedurft, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Das Thema ist uns allen bekannt. Daran wird gearbeitet. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Eine intensive Diskussion hätte man machen können. Die aber hätten Sie entsprechend beantragen müssen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Rasche das Wort.

Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Groschek, wir reden in Nordrhein-Westfalen in der Verkehrspolitik ja von den sogenannten So-da-Brücken: Die stehen so da rum in der Landschaft in Nordrhein-Westfalen, und das über Jahrzehnte. Ganz so schlimm ist es bei den Baustellen nicht. Aber So-da-Baustellen, die einfach so herumstehen, haben wir natürlich auch.

Zu Recht spricht die CDU das Baustellenmanagement an. Auch da sind wir uns doch im Grunde einig: Natürlich kann man etwas verbessern. Da gibt es die eine oder andere Stellschraube. Sie mögen sagen, die ist ein bisschen kleiner. Wir sagen, die ist ein bisschen größer. Verbessern können wir die Situation. Im Antrag sind dazu einige Punkte aufgeführt, unter anderem Nachtbaustellen, die bessere Zeitausnutzung von April bis Oktober. Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese zu nutzen.

Arndt Klocke hat natürlich recht: Da gibt es auch Grenzen. Einverstanden! Aber hier ausgerechnet den Verkehrsminister aus Bayern zu zitieren – Herr Minister Groschek freut sich und lacht sich ins Fäustchen –: Ich weiß nicht, ob das so klug ist. Das holt einen immer wieder ein. Denn in der Regel kritisieren Sie diesen Verkehrsminister. Jetzt auf einmal loben Sie ihn. Lieber Herr Kollege Groschek, Sie müssen sich mal entscheiden, ob Sie den Kollegen Dobrindt aus Bayern – und auch seinen Vorgänger im Ministeramt – loben oder kritisieren. In der Regel kritisieren Sie ihn.

Meine Damen und Herren, unnötige Baustellen verursachen unnötige Staus. Es sollte Ziel dieses Hohen Hauses sein, diese zu vermeiden.

Hauptursache für die Staus in Nordrhein-Westfalen sind aber die Engpässe auf unseren Straßen. Herr Schemmer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die rot-grüne Regierung einen Planungsstopp erlassen hat, ohne dafür Gründe zu nennen. Planungsstopps wurden einfach verhängt. Erst recht vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Verkehrsprognosen führt das zu erheblich mehr Staus. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, der zu mehr Staus führt, ist die Politik der Großen Koalition, die die Vorschläge der Bodewig-Kommission nicht angenommen hat. Die Bodewig-Kommission hat klar dargelegt – mit der Stimme von Herrn Minister Groschek in den Abstimmungsgesprächen –, was notwendig ist. Aber die Große Koalition hat das nicht übernommen.

Es gibt viele Ursachen für Staus. Wenn wir uns einig sind, dass wir die Staus gemeinsam bekämpfen wollen, wären wir schon mal einen Schritt weiter. Wenn wir dann auch noch damit anfangen, wären wir sogar zwei Schritte weiter. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer, auch im Stream! Vor den Sommermonaten ist ein Antrag zu diesem Thema ja bereits gute Tradition – lange ist es ja auch nicht mehr hin –, doch die Lösungsvorschläge sind mindestens seit 2011 immer gleichlautend. Es sind überwiegend Vorschläge, an denen die Fachbehörden und Straßenexperten bereits arbeiten.

Staus haben viele unterschiedliche Gründe. Einleuchtend ist zunächst, dass es oft Baustellen sind, die zu einem Stau führen. In der Verkehrswissenschaft wird das „Sättigungsproblem“ als häufigste Ursache für Staus angesehen: Auf einem Kilometer Straße ist nur ein begrenzter Raum vorhanden, der von den Autos genutzt werden kann. Das Sättigungsproblem liegt vor, wenn die Nachfrage nach dem Verkehrsraum größer ist als das Raumangebot. Klar: 50 % aller Staus entstehen durch Überlastung des Straßennetzes. Wenn wir auf der A 40 den Sicherheitsabstand einhalten würden, dann hätten wir ein noch viel größeres Problem.

Es werden verschiedene Instrumente vorgeschlagen – neben dem, den Sicherheitsabstand geringer zu machen. Die sind aber entweder fachlich nicht sinnvoll oder politisch nicht durchsetzbar – vor allem deswegen nicht durchsetzbar, weil die Landesregierungen der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte Personalabbau bei Straßen.NRW betrieben haben.

Die CDU will die Ausbau- und Neubaupolitik der letzten Jahrzehnte fortführen, obwohl dieses Konzept mit unendlich viel Geld gar nicht mehr funktioniert. Der Stau nimmt dann auch nicht ab, sondern nach einer Gewöhnungsphase erwiesenermaßen zu. Außerdem bringt der Umbau eines Flaschenhalses wie der eines Autobahnkreuzes – wenn man schon mal an Baumaßnahmen herangeht – mehr als zum Beispiel nur mehr Straßen.

Sie schlagen in Ihrem Antrag vor allem kurzfristige Maßnahmen vor, die bereits vor einigen Jahren – unter anderem beim Mobilitätskongress – vorgestellt worden sind.

Es sind zwar ganz nette Ideen dabei, zum Beispiel die Seitenstreifennutzung, die umstritten ist und zu Unsicherheit führt, aber generell machbar ist.

Baustellenmanagement – klar wäre es gut, wenn wir erst dann mit einer Baustelle anfangen würden, wenn alle anderen fertig sind.

Nacht- und Samstagsbaustellen: Nachtbaustellen sind wunderbar, vor allem dann, wenn Lärmschutz, Sicherheit und Budget es mitmachen und es nicht zulasten der Facharbeiter geht. – Übrigens: Punkt 7 Ihrer Forderungen würde ich an die Bundesregierung richten.

Wir können also vielleicht insgesamt etwas optimieren. Die schlechte Nachricht ist jedoch: Es wird weiterhin Staus geben. Selbst mit der besten Steuerung kommen wir nicht weiter, wenn der gesamte Kurs, auf dem wir uns befinden, falsch ist.

Kapazitätsprobleme in Staus, die eben nicht durch Aus-, Neu- oder Umbau gelöst werden können, bleiben allein mit Kurzfristmaßnahmen bestehen. Ein langfristiger Ansatz fehlt in dieser Hinsicht.

Airlines überbuchen ihre Flugrouten regelmäßig. So macht es jetzt auch die Landesregierung: Sie überbucht unsere Straßen wie eine schlechte Airline; denn es funktioniert am Ende nicht. Pendler und Urlauber teilen sich somit die Straßen mit dem zunehmenden Güterlastverkehr. Und natürlich entstehen dann Staus. Die Baustellen sind ja nicht nur Verursacher von Staus, sondern auch Folge dieser ganzjährigen Überlastung.

Natürlich müssen die Straßen dann irgendwann saniert werden. Die Ferienzeit bzw. die Sommermonate sind dafür ehrlicherweise ein vernünftiger Zeitpunkt. Auch die Straßen brauchen mal Urlaub.

Und in der Zwischenzeit sollten wir über bessere Lösungen nachdenken. Aus Sicht der Piraten kann der öffentliche Personenverkehr für mehr Menschen eine Alternative zum Stau werden. Der öffentliche Personenverkehr muss ganzjährig so attraktiv werden, dass mehr Pendler die Möglichkeit sehen, das Auto stehen zu lassen. Dazu brauchen wir ein substanziell verbessertes Angebot durch Innovation und Investition in diesem Bereich.

Mit solchen ganzheitlichen Maßnahmen bekommen wir die Stauschäden, die natürlich auch enorme Wirtschaftsschäden bedeuten, besser in den Griff als mit Mitteln, die seit Jahren keine substanzielle Verbesserung mehr bringen. Das gilt vor allem im Alltag, also jeden Tag und nicht nur an den Urlaubstagen.

Leider bringen Sie den Antrag nicht in den Ausschuss. Trotzdem können wir im Ausschuss gerne überprüfen, ob noch das eine oder andere Detail kurzfristig verbessert werden kann. Es bleibt jedoch bei Details. Wir müssen bei der ganzen Sache aber endlich langfristig denken. Schauen Sie sich dazu mal unseren Antrag aus dem Dezemberplenum an. Aber dazu haben wir noch eine Anhörung, sodass es auch im Ausschuss behandelt wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Minister Groschek das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Lieber, werter Herr Schemmer, da kann ich nur sagen: Spekulationsblase geplatzt! Denn einen so oberflächlichen Antrag konnten Sie mit Ihrer Expertise von zwei Jahrzehnten verkehrspolitischer Landtagstätigkeit nur in der Hoffnung einbringen, dass wir bei der A-59-Baustelle ein Verkehrschaos erleben, das das ganze Land stillgelegt hätte. Und dann wären Sie Messias gleich über das Wasser gewandelt und hätten gesagt: Seht, welchen Ausweg wir euch präsentieren können!

(Heiterkeit von der SPD)

Pustekuchen! Statt der Trompeten von Jericho gibt es jetzt nur ein paar Wahlkampfposaunen, die aber doch etwas schräg klingen. Warum? – Weil sie in Ihrem Antrag fordern, was Ihre Verkehrsminister auf Landesebene schon jeweils stolz, schulterklopfend verkündet hatten: 2008 der Kollege Wittke und 2010 der Kollege Lienenkämper.

(Bernhard Schemmer [CDU]: Gute Leute!)

Die haben sich auf die Schulter geklopft und haben gesagt: Nachtbaustellen in NRW? – Klar! Wochenendbaustellen in NRW? – Klar!

Von daher braucht es gar nicht der Ermahnung: Sie waren ja live dabei, als die CDU-Verkehrsminister diesen Schritt zum Baustellenstauabbau gemacht haben.

Was Herrn Dobrindt angeht – der Kollege Rasche hat sich, wie angekündigt, leider zu einem anderen Termin begeben müssen –: Der ist für mich erst mal noch auf Bewährung. Ich habe noch kein abschließendes Urteil gefällt, bis auf den Kappes zur Ausländermaut.

Was mich aber dazu gebracht hat, „Weicheier“ zu rufen, ist die Tatsache, dass ich eine solche dysfunktionale Einstellung zu Nachtbaustellen und Wochenendbaustellen wie das Bundesverkehrsministerium nicht habe. Denn für mich gilt: Verkehrspolitik muss Verkehrsfluss erhalten und gestalten. Das ist primär und hat Vorrang vor allem anderen. Das sollte sich auch das Bundesverkehrsministerium vornehmen. Das ist meine klare Aussage.

(Beifall von der SPD – Bernhard Schemmer [CDU]: Die dürfen doch gar nicht!)

Zweite Anmerkung. Warum sind Sie nicht mit mir stolz auf das, was unsere Fachleute – ich habe die gar nicht alle eingestellt; das waren zum Teil ja Sie – auf den Baustellen leisten?

A 52, despektierlich und diskriminierend! – Alles Quatsch! Die A 52 ist in Wahrheit ein handwerkliches Meisterstück gewesen: weil diese Baumaßnahme ein Jahr vorgezogen werden musste und die Kolleginnen und Kollegen trotzdem – zum Teil bis zur Erschöpfung, die sie ins Krankenhaus gebracht hat – malocht und diese Baumaßnahme glänzend und vorzeitig bewältigt haben.

(Oliver Bayer [PIRATEN]: Zu wenig Personal!)

Deshalb sage ich hier und heute noch mal: Chapeau dem Landesbetrieb für diese Maßnahme!

(Beifall von der SPD)

A 59: Frau Schaber, inzwischen Ehrenbürgerin des Ruhrgebietes, war da Projektleiterin und hat sich bei dreijähriger Planungsvorbereitung wissenschaftlichen Sachverstandes bedient. Deutschlandweit wird diese Baumaßnahme im Baustellenmanagement als alternativlos gefeiert und das technische Know-how betont, das Maßstäbe setzt. Was sagen Sie? Chaos? – Chaos wäre, wenn die Stadt Duisburg nicht mitgespielt hätte. Deshalb danke schön an die Stadt Duisburg und die Duisburger Verkehrsbetriebe! Hand in Hand bauen wir nämlich Stau ab, der baustellenbedingt möglicherweise größer wäre. Den Duisburger Abgeordneten – Ralf Jäger ist nicht hier – ein herzliches Dankeschön für die tolle Zuarbeit und Mitarbeit bei dieser Baustelle!

(Beifall von der SPD)

Wir könnten jetzt die weiteren Baustellen durchgehen. Ich glaube, wir sollten aufgreifen, was Sie gesagt haben, Herr Schemmer: Wo sind wir spitze? Wo sind wir Nachzügler? – Wir waren unter Schwarz-gelb in der Tat absolute Spitze, deutscher Meister. Wissen Sie wo? – Beim Personalabbau der Verkehrsplaner! Da waren Sie deutscher Meister! Das ist Teil der Misere, die wir heute ausbaden müssen!

(Beifall von der SPD)

Deshalb sind Sie doch einer derjenigen, bei denen man fassungslos staunt, welch dicke Pflastersteine Sie aus dem Glashaus schmeißen. Bewundernswert! Bewundernswert als physische Leistung!

(Beifall von der SPD)

Zur Sache selbst: Es ist unumstritten, dass in NRW mehr als ein Drittel aller Tagesbaustellen inzwischen in der Nacht absolviert wird. Das, was Sie unter „Pönalisierung“ fordern, wird vom Bund verboten. Der Bund hat uns verboten – Ihr „Ramses“ vorweg, Dobrindt in Folge –, bei Vertragsabschlüssen nur mit Bonuszahlungen zu agieren, weil der Bund meint, das sei nicht wirtschaftlich.

Da kann man seine Zweifel haben, aber leider Gottes sind wir noch an die Weisungen des Bundes gebunden. Straßenverwaltung könnten wir uns auch anders vorstellen. Losgelöst von diesen Fesseln und mit angemessenem Geld ausgestattet würden wir Berge versetzen. Aber das werden wir noch gemeinsam erleben.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lebhafte Zurufe von Bernhard Schemmer [CDU])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Groschek. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind somit am Ende der Aussprache angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende CDU-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Zu der kommen wir nun, und zwar über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/5765.

(Jochen Ott [SPD]: Keiner da bei der CDU!)

Wer dem Antrag der CDU-Fraktion zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. –

(Minister Johannes Remmel: Einige wenige Abgeordnete! – Jochen Ott [SPD]: Die anderen besichtigen die Baustellen!)

Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnetenkollege Stein. Wer stimmt gegen den Antrag? – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenfraktion. Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 16/5765 mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

13       Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen muss jetzt die Bereichsausnahme für den Rettungsdienst schaffen – Ehrenamtliche Strukturen im Rettungsdienst sichern!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5759

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion als erster Rednerin Frau Kollegin Scharrenbach das Wort. Bitte sehr.

Ina Scharrenbach (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns vor knapp einem Jahr schon einmal mit der Bereichsausnahme für den Rettungsdienst beschäftigt, weil wir sie als CDU-Fraktion gebeten haben, diese endlich zu schaffen.

Wir haben Ihnen aufgeführt, dass das Europäische Parlament sehr weit ist in seiner Diskussion, diese Bereichsausnahme für den Rettungsdienst für das Submissionsmodell, das in Nordrhein-Westfalen Anwendung findet, zu verankern. Am 5. September 2013 hatte der EU-Binnenmarkt­ausschuss entsprechend beschlossen, und am 17. April 2014 ist in nahezu unveränderter Fassung die Richtlinie für die Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden.

Seit dieser Zeit hat sich wenig getan auf der Regierungsbank in Fragen der Bereichsausnahme im Rettungsdienst. Wir haben als CDU schon erwartet, dass Sie die Diskussionen, die auf europäischer Ebene zuhauf und intensiv geführt worden sind, nutzen, um in der Zwischenzeit mit dem Bund und den betroffenen Interessengruppen Gespräche zu führen, wie man denn eine Bereichsausnahme in Nordrhein-Westfalen umsetzen und rechtmäßig ausgestalten kann. Das haben Sie nicht getan.

(Ministerin Barbara Steffens: Doch, haben wir!)

Sie haben in der Zwischenzeit, in der Osterpause, angefangen, mit den Verbänden das Gespräch wieder aufzunehmen, auch in der Frage der Bereichsausnahme. Das sind zumindest unsere vorliegenden Informationen, Frau Ministerin, aber das werden Sie ja gleich aufklären; davon gehe ich fest aus.

Wir haben Ihnen in der Zwischenzeit immer wieder Kleine Anfragen zum Thema „Rettungsdienst“, zum Erhalt rettungsdienstlicher Strukturen, zur Versorgungssicherheit im Katastrophen- und Zivilschutz gestellt. Wir haben Sie auch mehrfach darum gebeten, die Erlasslage aus Ihrem Hause, Frau Ministerin, klarer zu fassen, um die kommunale Verunsicherung im Bereich „Ausschreiben“ zu beenden, das komplett in die kommunale Trägerschaft zu übernehmen und Vergleichbares zu ändern. Das haben Sie leider auch nicht getan.

(Ministerin Barbara Steffens: Das kann ich auch nicht!)

In diesen Tagen beschäftigen sich viele juristische Berater mit der Frage: Wer ist denn eigentlich zuständig für das Schaffen der Bereichsausnahme? Sind es die Länder, materiell-rechtlich betrachtet? Oder ist es der Bund, der im Rahmen einer konkurrierenden Gesetzgebung von seinem abschließenden Recht Gebrauch machen kann?

Die Feststellung, dass der Bundesgerichtshof bereits ausgeführt habe, dass eine Gesetzgebungskompetenz der Länder für Ausnahmetatbestände im Bereich des Rettungsdienstes nicht bestehe, weil der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht habe, ist jedenfalls insoweit unzutreffend, als es bei der Umsetzung der Bereichsausnahme um materiell-rechtliche Regelungen für den Rettungsdienst geht, für die eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder besteht. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus aktuellen Ausführungen der Europäischen Kommission in Beantwortung einer Abgeordnetenanfrage aus Rheinland-Pfalz zur inhaltlichen Reichweite der europäischen Ausnahmeregelungen.

Wir haben in der Zwischenzeit auch Kontakt mit der Bundesregierung aufgenommen, so wie Sie das auch getan haben, in unterschiedlichster Konstellation. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie bereit ist, vor der zweijährigen Umsetzungsfrist als Gesetzgeber tätig zu werden. Nur am Ende des Tages entbindet das nicht diesen Landtag und nicht die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen davon, ein Ausführungsgesetz auf den Weg zu bringen, weil Sie die Regelungen des Bundes zusammenbringen müssen mit Ihrem Tariftreue- und Vergabegesetz.

Deswegen ist es aus Sicht der CDU-Fraktion unverändert sinnvoll, dass Sie sich aufmachen, eine Bereichsausnahme für den Rettungsdienst zur Sicherstellung des ehrenamtlichen Engagements im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes auf den Weg zu bringen.

Am Ende erlauben Sie mir bitte dies: Vielleicht hängt die neue Schnelligkeit beim Thema „Rettungsgesetz“ und bei der Novellierung des Rettungsgesetzes, die Sie in den letzten Wochen an den Tag gelegt haben, auch mit den immer noch fehlenden Regelungen für die Notfallsanitäter zusammen. Die müssen in Nordrhein-Westfalen nämlich auch dringend auf den Weg gebracht werden, weil hier in vielfacher Weise Rechtsunsicherheit besteht bei denen, die sich mit der Notfallsanitäter­ausbildung beschäftigen.

In diesem Sinne bitten wir Sie heute erneut um Zustimmung zu unserem Antrag, damit in Nordrhein-Westfalen aus dem Reden ein Machen wird und am Ende des Tages den vielen guten Wünschen von Abgeordneten sämtlicher Couleur an Feuerwehrleute, an Mitarbeiter im Rettungsdienst, an Ehrenamtliche im Zivil- und Katastrophenschutz, das sie unverzichtbar sind in diesem Land, auch Taten folgen und es im Gesetz verankert wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Scheffler das Wort.

Michael Scheffler (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Scharrenbach, Sie können sicher sein, dass die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen dann tätig werden, wenn die Rahmenbedingungen klar sind. Sie können aber nicht von uns verlangen, dass wir im Blindflug Dinge auf den Weg bringen, die hinterher keinen Bestand haben. Davon würden auch die Organisationen, die ehrenamtlich im Rettungsdienst unterwegs sind, nichts haben. Genauso wenig wie die Berufsfeuerwehr hätte die freiwillige Feuerwehr, die uns unterstützt, etwas davon.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Meine Damen und Herren, wir freuen uns darüber, dass das Europäische Parlament und der Ministerrat die Bereichsausnahme für den Rettungsdienst gebilligt haben. Dafür haben wir uns in den letzten Monaten – man kann schon fast sagen: in den letzten Jahren – sehr intensiv eingesetzt; denn für uns sind die Rettungsdienste ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge. Deswegen haben wir uns ausdrücklich gegen eine Liberalisierung und eine Privatisierung der Rettungsdienste ausgesprochen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin der Auffassung, dass diesen besonderen Strukturen der Notfallrettung Rechnung getragen werden muss. Deswegen legen wir Wert darauf, dass eine hochwertige, qualitativ gute und allzeit zur Verfügung stehende Versorgung gewährleistet bleibt. Damit hatten wir auch Erfolg; denn die Bereichsausnahme ist in Brüssel so beschlossen worden.

Für das Land Nordrhein-Westfalen und für uns als Koalitionsfraktionen gilt nach wie vor das, was im Koalitionsvertrag steht. Ich will das – wie schon im November, als Sie diesen Antrag das erste Mal gestellt haben – zitieren. Im Koalitionsvertrag heißt es:

„Um gesundheitliche Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist ein funktionierendes aufeinander abgestimmtes Rettungswesen erforderlich. Dazu soll der Rettungsdienst weiterhin mit den Katastrophenschutzbehörden bei der Bewältigung von Großschadensereignissen und Katastrophen zusammenwirken.“

Lassen Sie mich noch auf eines deutlich hinweisen. Es hat natürlich keinen Stillstand der Rechtspflege gegeben, seit das Europäische Parlament und der Ministerrat entschieden haben. Wir haben vielmehr die Ministerin gebeten, sich auch auf Bundesebene zu erkundigen und schlauzumachen, welche Vorgehensweise dort geplant ist. Sehr aktuell hat Bundeswirtschaftsminister Gabriel mitgeteilt, dass er auf Bundesebene Handlungsbedarf sieht und in den nächsten Monaten dieses Thema aufgreifen wird –

(Ministerin Barbara Steffens: Er, nicht wir! Wir nicht!)

unter anderem unter Beteiligung des Bundesrates in einem engen Dialog mit den beteiligten Kommunen.

Deswegen sollten wir hier keine Anträge stellen, die letztendlich nur dazu beitragen, die Organisationen und diejenigen, die im Rettungswesen tätig sind, zu verunsichern. Wir sollten ihnen Rechtssicherheit geben, sobald wir auf allen Ebenen Klarheit haben. Dann werden Sie uns an Ihrer Seite haben, wenn es darum geht, ein vernünftiges Gesetz zu verabschieden, in dem ausgeschlossen wird, dass der Rettungsdienst mit Lohndumping betrieben wird, und sichergestellt ist, dass das Tariftreue- und Vergabegesetz so angewendet wird, dass die vor Ort tätigen Kolleginnen und Kollegen etwas davon haben. Wir wollen nicht, dass sie – wie das bei einem Anbieter, der aus dem Norden Europas kommt, der Fall ist – auf einmal 500 € im Monat weniger in der Tasche haben, weniger Urlaub bekommen und geringere Überstundenvergütungen erhalten.

Wir wollen vernünftige Strukturen für den Rettungsdienst in Nordrhein-Westfalen. Dafür werden wir so bald wie möglich sorgen, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Scheffler. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Ünal.

Arif Ünal (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Hilfsorganisationen leisten mit ihren Rettungsdiensten und ihren vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in NRW eine unverzichtbare Arbeit. Die Rettungsdienste in NRW sind Teil eines Gesamtsystems aus Zivilschutz, Katastrophenschutz und alltäglicher Gefahrenabwehr, das vor allem durch das Zusammenwirken der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Helferinnen und Helfer der Feuerwehren und Hilfsorganisationen, getragen wird. Sie können daher sicher sein, dass wir uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Hilfsorganisationen weiterhin erfolgreich arbeiten können und ehrenamtliche Strukturen im Rettungsdienst gesichert bleiben.

Das Europäische Parlament hat am 15. Januar 2014 neue Richtlinien beschlossen. Demnach sehen die europäischen Vorgaben jetzt eine Bereichsausnahme für den Rettungsdienst vor. Rettungsdienste können künftig also wieder außerhalb der strengen EU-Vergaberichtlinien oder der entsprechenden Regelungen beauftragt werden.

Die CDU irrt jedoch, wenn sie glaubt, dass die europäische Bereichsausnahme für den Rettungsdienst direkt nach dem Inkrafttreten unmittelbar durch die Länder und ihre Rettungsgesetzgebung übernommen werden kann. Vielmehr müssen die Mitgliedstaaten diese Richtlinien zunächst in ihr nationales Recht umsetzen. Notwendig ist also zuerst eine entsprechende Änderung im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen seitens des Bundes. Die EU-Mitgliedstaaten haben hierfür zwei Jahre Zeit. Bis zur Umsetzung der Richtlinie gelten natürlich die vergaberechtlichen Regelungen des Bundes weiter. Die Länder können auch nicht von diesen bundesrechtlichen Regelungen abweichen.

Allerdings ist der Beratungsprozess des Rettungsgesetzes NRW wieder aufgenommen worden. Wir gehen davon aus, dass der Entwurf des Rettungsgesetzes NRW in Kürze vorgelegt wird und eine Verbändeanhörung eingeleitet werden kann. Ziel ist ein rechtssicheres, verlässliches Gesetz, in dem die bestehenden Rahmenbedingungen des Rettungswesens qualitativ und patientinnen- und patientenorientiert weiterentwickelt werden. Dabei werden durch die Novellierung des Rettungsgesetzes NRW ehrenamtliche Strukturen keineswegs zerschlagen.

Schon seit geraumer Zeit besteht deshalb seitens der regierungstragenden Fraktionen und der Landesregierung ein intensiver und konstruktiver Austausch sowohl mit den Hilfsorganisationen als auch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Wir werden zusammen mit den Hilfsorganisationen im Rahmen des Rettungsgesetzes NRW eine Lösung finden, mit der die Hilfsorganisationen weiter wie bisher arbeiten können. Deswegen werden wir den CDU-Antrag heute ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die Fraktion der FDP spricht Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Täglich grüßt das Murmeltier“, kann man bei der Debatte den Eindruck bekommen. Wir haben bereits vor einem Jahr – Frau Scharrenbach hat es gesagt – zu dem Thema debattiert. Sie hat die Historie auch aufgezeigt. Deswegen ist die viel spannendere Frage an der Stelle: Was ist wirklich seitdem passiert, was hat sich seitdem bewegt? Mein Eindruck ist: die Landesregierung jedenfalls nicht. Denn immer noch herrscht Unsicherheit, immer noch herrscht Klarstellungsbedarf über die Vergabepflichtigkeit in Nordrhein-Westfalen. Eigentlich ist es nicht nur Klarstellungsbedarf, sondern es herrscht tatsächlich auch Rechtsunsicherheit in dieser Frage.

(Zuruf von Ministerin Barbara Steffens)

– Doch, Frau Ministerin. Denn mit dem Erlass, den Sie in das Land gebracht haben, haben Sie vor allen Dingen eines gemacht: Sie haben Unsicherheit bei den Kommunen, bei den Aufgabenträgern über die Vergabepflichtigkeit geschaffen, und diese Rechtsunsicherheit besteht bis zum heutigen Tag.

Verehrte Vertreter insbesondere der SPD, Ihre Partei tönt im Europawahlkampf immer, die EU-Kommission müsse zu einer „echten Regierung“ werden. Die EU-Kommission ist keine Regierung, aber seit dem 17. April gibt es eine Richtlinie. Dieses Vorhaben ist also Realität geworden mit der Richtlinie. Doch Sie dagegen gehören zu einer echten Regierung, zu einer Landesregierung, bekommen es jedoch nicht hin, hier eine Gesetzesnovelle auf den Weg zu bringen, wohlgemerkt eine Gesetzesnovelle für das Rettungswesen, eine der bedeutendsten Säulen unserer Zivilstruktur.

Da mag man sich schon ein wenig wundern, denn Sie stehen nun wahrlich nicht in dem Verdacht, etwas gegen staatliche Regelungsbestrebungen zu haben. Das Rettungsgesetz in Nordrhein-Westfalen ist über 20 Jahre alt. Es besteht Modernisierungsbedarf in vielerlei Hinsicht, an vielen Ecken und Enden. Im Prinzip verpassen Sie hier eine wunderbare Gelegenheit, sich bei einer zu regelnden Materie einmal so richtig auszutoben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der interessierte und mit der Materie halbwegs vertraute Zuhörer wird sich fragen: Warum muss die Landesregierung nicht nur zur Vorlage der Novelle getragen, sondern auch noch extra dazu aufgefordert werden, eine Bereichsaufnahme aufzunehmen? Die EU – wir haben es mehrfach gehört – gibt diese ja seit Kurzem vor.

Der Grund ist doch, dass Sie sich auf den Standpunkt stellen, zuerst sei der Bundesgesetzgeber mit einer Veränderung des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen gefragt. Sie müssten nicht direkt das Landesrettungsrecht ändern. Sie haben auch Angst vor einer Klatsche vor dem EuGH. Ich frage mich: Warum an dieser Stelle so zögerlich? Herr Scheffler hat es sogar angesprochen. Beim Tariftreue- und Vergabegesetz sind Sie doch auch so flott vorangeprescht, ohne besondere Kompetenzbedenken zu berücksichtigen.

(Ministerin Barbara Steffens: Das haben wir!)

– Gut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns in der Sache klar machen, worüber wir reden und was hier vor allen Dingen auf dem Spiel steht.

(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])

Es geht um nichts weniger als um die ehrenamtlichen Strukturen im Rettungswesen und im Katastrophenschutz. Es ist – gelinde gesagt – höchst fraglich, ob die Aufgaben, die bislang ehrenamtliche Helfer wahrgenommen haben, insbesondere im Sanitätsdienst, im Betreuungsdienst, auch bei vermehrten Kommunalisierungen, mit hauptamtlichen Kräften weiterhin erfüllt werden können.

(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])

Auch wenn Kommunen und Kreise den Rettungsdienst weiterhin förmlich ausschreiben, müssen wir diesem Problem ins Auge sehen, weil die Erfüllung der Aufgaben des Rettungsdienstes noch nicht hinreichend an die Katastrophenschutzhilfe geknüpft ist. Ohne Klarstellung der Rechtsnorm, am besten über die Formulierung einer Bereichsausnahme, werden die Aufgabenträger jedoch nachvollziehbarerweise versucht bleiben, zu rekommunalisieren oder förmlich auszuschreiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir wollen ehrenamtliche Strukturen erhalten. Aber einen letzten Punkt gilt es dennoch zu erwähnen: Qualität ist bei alledem, über das wir hier reden, das oberste Gebot. Das gilt insbesondere im Rettungsdienst. Aber wer diese Qualität, diese Leistung bietet, der darf unserer Meinung nach nicht ausgeschlossen werden. Denn es gilt, auch Privatunternehmungen eine Chance auf dem Gebiet des Rettungsdienstes ebenso wie des Katastrophenschutzes zu geben, wenn sie diese Leistung, diese Qualität bringen.

(Ministerin Barbara Steffens: Was wollen Sie denn?)

Auch private Unternehmen haben sich vielerorts in vielen Kommunen bewährt, und auch sie können zum Katastrophenschutz beitragen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Was wollen Sie?)

Kurzum: Frau Ministerin, verehrte Vertreter der Landesregierung, fassen Sie sich ein Herz und legen Sie endlich, insbesondere im Dienst der vielen ehrenamtlichen Helfern im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz eine Gesetzesnovelle, idealerweise mit einer Bereichsausnahme, vor. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Ministerin Barbara Steffens: Die Erde ist keine Scheibe!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Lamla.

Lukas Lamla (PIRATEN): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich habe ein Déjà-vu, auch ich habe das Gefühl, schon einmal darüber gesprochen zu haben. Und ich habe auch das Gefühl, alles wurde schon gesagt.

Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen, trotzdem noch meine Kritik an dem jetzigen System zu äußern. Herr Lürbke sagte es eben ganz richtig: Das System, so, wie wir es jetzt haben, ist halt jahrzehntealt, und es ist bei Weitem nicht gut. Denn es bietet sehr viele Regelungslücken, und es wird tatsächlich missbraucht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Ein großer Kritikpunkt ist, dass wir momentan eine Kultur des Ausnutzens von ehrenamtlichem Engagement haben. Auch in NRW sind heute tagtäglich, besonders am Wochenende, Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von ehrenamtlichen Rettungsdienstlern im Regelrettungsdienst eingesetzt.

Sie können sich das so vorstellen: eine Fahrzeughalle, eine Garage, zwei Fahrzeuge mit jeweils zwei Personen, die einen Notfallsanitäter oder Rettungsassistenten nach TVöD bezahlt mit Wochenendzuschlägen, die anderen ehrenamtliche Kräfte, zwar genauso ausgebildet, doch diese bekommen nur eine Aufwandsentschädigung von 50, 60 oder 70 €. Die machen eine 24-Stunden-Schicht und fahren im Wechsel raus und fahren auch die gleichen Einsätze. Das kann es nicht sein. Das ist falsch.

(Beifall von den PIRATEN)

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind im Vergleich zum TVöD zudem noch strengeren und schlechteren Tarifverträgen unterworfen und müssen deutlichere Abzüge verzeichnen. Einige der Privatanbieter hingegen schließen in ihren eigenen Haustarifverträgen deutlich mitarbeiterfreundlichere Verträge ab.

Die Anwendung des Tariftreuegesetzes ist da grundsätzlich zwingend notwendig, kann aber momentan von Hilfsorganisationen zum Beispiel durch eigene Flächenverträge umgangen werden. Das wird auch schamlos gemacht. Auch das ist nicht richtig.

Zudem haben wir noch das Problem, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel von den Johannitern oder Maltesern dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfen sind und dadurch deutlich zurückgesetzte Arbeitsrechte haben. Zum Beispiel sind da zu erwähnen der Zwang zur Kirchenmitgliedschaft, die Kündigung bei Scheidung oder Homosexualität. All diese Dinge, meine Damen und Herren, sind nicht mehr zeitgemäß. Und das können wir hier ändern.

(Beifall von den PIRATEN – Marc Olejak [PIRATEN]: Peinlich ist das!)

Ein letzter Appell: Wir brauchen Transparenz vor allem im Vergabeverfahren, weil das viele der entstandenen verkrusteten Strukturen aufbrechen würde. Profitieren würden davon die Mitarbeiter. Insofern der Appell an die Landesregierung: Arbeiten Sie auch mit den Hilfsorganisationen zusammen!

(Ministerin Barbara Steffens: Ja, das machen wir doch!)

– Ich weiß, Sie tun es, Frau Ministerin. – Wir haben hier eine einmalige Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich tatsächlich zu verbessern; denn sie sind bei Weitem nicht gut. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN und Marc Lürbke [FDP])

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Steffens.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorab sagen, dass mir die Hilfsorganisationen und das, was wir in Nordrhein-Westfalen an Strukturen haben, wirklich am Herzen liegen. Es ist wichtig, dass wir innerhalb dessen, was wir rechtlich können, unsere Strukturen auch wirklich erhalten.

Ich habe leider das Gefühl, dass gerade von Ihnen, Frau Scharrenbach, versucht wird, die Hilfsorganisationen im Wahlkampf zu instrumentalisieren. Sie als CDU-Mitglied sind Bestandteil einer Großen Koalition, und es wäre Ihnen ein Leichtes gewesen, statt hier einen Antrag zu stellen, in dem Sie Unwahrheiten behaupten, sich gleich bei Ihrer Bundesregierung zu erkundigen.

Auch Sie, Herr Lürbke, treten genau da hinein und sagen: Das Land kann das mal eben machen, das ist alles kein Problem. – Wir haben viele Stellungnahmen und Gutachten erhalten. Wenn ich eine Bereichsausnahme landesgesetzlich hätte regeln können, hätten wir dies gemacht. Deswegen bin ich an den Bundeswirtschaftsminister herangetreten und habe ihn gefragt, wie das denn so ist. Ich möchte Ihnen gerne aus dem Schreiben nur einen Satz zitieren – Sie können das Schreiben gleich gerne haben; ich übergebe es Frau Scharrenbach, damit sie es nachlesen kann, und Sie können, Herr Lürbke, gleich noch mit hineinschauen –:

Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit obliegt es dem Bundesgesetzgeber, die wesentlichen Vorgaben der drei Vergaberichtlinien im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung zu verankern.

Es geht noch weiter, nämlich so weit, dass er schreibt:

Die Umsetzung der Vergaberechtsmodernisierung in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

Sehr geehrte Damen und Herren, was ist das anderes als Polemik, was Sie hier heute an den Tag gelegt haben! Es ist eine Irreführung der Hilfsorganisationen, und das hilft ihnen keinen Schritt weiter.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde es einfach eine Sauerei; denn es ist wichtig, dass die Hilfsorganisationen Strukturen bekommen, in denen ihre Aufgaben und ihre Tätigkeiten erhalten werden. Deswegen haben wir einen langen, schweren Prozess hinter uns.

Ich möchte mich daher auch ganz herzlich bei den Hilfsorganisationen für diesen Prozess bedanken; denn wir werden zügig einen Gesetzentwurf einbringen. Es wird aber ein Gesetz sein, mit dem diese Bereichsausnahme noch nicht umgesetzt werden kann. Denn das können wir, wie Sie gerade gehört haben, erst dann, wenn der Bundesgesetzgeber die Rahmenbedingungen dafür schafft. Trotzdem haben wir versucht, das, was wir an Strukturen brauchen, innerhalb unserer Gesetzgebungsmöglichkeiten umzusetzen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass das eine Gratwanderung ist zwischen dem, was die Bedarfe der Hilfsorganisationen sind, was wir gesetzlich im Sinne des Vergaberechts gestalten können und was letztendlich die Kommunen wollen.

Ich bin froh darüber, dass wir einen Konsens darüber haben, wie wir es jetzt auch umgesetzt bekommen. Ich hoffe – Frau Scharrenbach, Sie können sich auf Bundesebene ja dafür einsetzen –, dass die Große Koalition möglichst zügig die Rahmenbedingungen im Bund schafft, damit ich endlich die Handlungskompetenzen habe.

Es ist schön, dass Herr Gabriel zumindest hineinschreibt, dass er die Länder auch mit einbeziehen will. Ich weiß, dass ihm dies ein ernsthaftes Anliegen ist. Vielleicht können Sie sich da auch über Ihre Strukturen mit einbringen.

Mir ist es wichtig, dass wir das, was wir hier in Nordrhein-Westfalen haben, wirklich erhalten können. Deswegen noch einmal: Es nützt nichts, wenn Sie immer wieder Anträge stellen, die an der Stelle falsch sind. Deswegen kann diesem Antrag niemand zustimmen, wenn man Entscheidungen nach Recht und Gesetz treffen möchte. Deswegen wäre es die geschickteste Entscheidung von Ihnen, Ihren Antrag spontan zurückzuziehen. Ich glaube nämlich nicht, dass die CDU rechtswidrige Beschlüsse fassen möchte, mit denen sie die Landesregierung auffordert, Dinge zu tun, die wir nicht tun dürfen.

Was wir jetzt mit der Novellierung des Rettungsgesetzes machen, ist nicht nur die Aufnahme des Prozesses und der Versuch, mit den Hilfsorganisationen und allen anderen gemeinsam eine rechtliche, verlässliche Gesetzesgrundlage vorzulegen, sondern wir haben auch – das stimmt – die Dinge mit aufgenommen, die wir mittlerweile in die Novellierung mit aufnehmen können und müssen, nämlich das zwischenzeitlich bundesgesetzlich in Kraft getretene Notfallsanitätergesetz, das für Nordrhein-Westfalen umzusetzen ist. Auch das ist ein intensiver Prozess.

Im Gegensatz zu manch anderer Regierung versuchen wir wirklich, diese Gesetze partizipativ umzusetzen. Wir versuchen eine Einbeziehung. Ich weiß, dass das immer wieder mal knirscht und knarzt, aber diese Einbeziehung ist die dahinterstehende Absicht. Das hat allen Seiten viele Stunden gekostet. Deswegen auch herzlichen Dank an der Stelle für die intensive Beteiligung und das Einbringen der Dinge, die von außen gekommen sind.

Ich denke, dass wir uns demnächst wieder mit dem Thema befassen werden, aber dann nicht auf der Grundlage von Polemik, nicht auf der Grundlage von Wahlkampfgetöse, sondern dann auf der Grundlage eines sachlich-praktischen Gesetzentwurfs, der mit allen Akteuren abgestimmt ist. Ich hoffe, dass Sie dann einem solchen Gesetzentwurf mit dem gleichen Engagement hier zustimmen und sich auch für die Umsetzung einsetzen können. Dann wäre in den Strukturen etwas gewonnen. Gleichzeitig beschleunigen Sie bitte das Verfahren im Bund. Dann können wir auch die Bereichsausnahme in Nordrhein-Westfalen zügig umsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Frau Kollegin Scharrenbach hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Ina Scharrenbach (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, ich frage mich gerade, in welcher Debatte Sie eigentlich waren und ob Sie wirklich zugehört haben.

(Ministerin Barbara Steffens: Ja!)

Offen gesagt, habe ich außerhalb Ihres Beitrages keine Polemik von den anderen Rednern in dieser Frage gehört. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie verstanden, dass wir sehr wohl Kontakt mit der Bundesregierung haben und die Bundesregierung angekündigt hat, das entsprechende Verfahren vor der zweijährigen Umsetzungsfrist auch durch den Bundestag und die Länderkammer zu bringen. Dass eine Beteiligung der Länder vorgesehen ist, ist insofern absolut nachvollziehbar, weil nämlich nicht alle das Submissionsmodell fahren, sondern einige Bundesländer auch das Konzessionsmodell haben, das entsprechend abgebildet werden muss.

Wir schlagen Ihnen vor, dass im Rettungsdienst Nordrhein-Westfalen eine Bereichsausnahme definiert wird. Deshalb hätte ich von Ihnen gerne die Frage beantwortet, ob Sie der Auffassung sind, dass Sie in einem Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen ohne eine Bereichsausnahme hinkommen. Sie werden zwangsläufig die Verbindung mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz herstellen müssen. Insofern werden Sie im Rettungsgesetz eine Bereichsausnahme zu definieren haben.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Frau Scharrenbach, ich habe eben vorgelesen, was Herr Gabriel bzw. der Bundesgesetzgeber sagt. An der Stelle sagt er ganz klar, wir dürfen in Nordrhein-Westfalen keine Bereichsausnahme gesetzlich verankern, wie sie von der EU vorgesehen ist, bevor der Bundesgesetzgeber dies getan hat. In dieser Lage befinden wir uns derzeit. Wir werden daher über andere Wege versuchen, unsere Anliegen durchzusetzen, um den Katastrophenschutz in NRW sicherzustellen und die bestehenden Hilfsorganisationen in der Form zu erhalten. Dafür werden wir einen Gesetzentwurf vorlegen.

Ich habe Ihnen sehr genau zugehört und Ihren Antrag sehr genau gelesen. Sie schreiben, es bestünde die Möglichkeit, eine Bereichsausnahme von der Vergabepflicht im neuen Rettungsgesetz in Nordrhein-Westfalen umzusetzen, bevor der Bundesgesetzgeber tätig geworden sei. Das geht eindeutig nicht, Frau Scharrenbach. Damit kann Ihr Antrag in der Form leider überhaupt nicht relevant sein, weil er nicht umgesetzt werden kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der CDU hat eine direkte Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/5759 beantragt. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und den Piraten. Wer möchte sich der Stimme enthalten? – Niemand. Damit ist der Antrag Drucksache 16/5759 der Fraktion der CDU mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

14       Augenhöhe zwischen Bergbauunternehmen und Betroffenen: Rechtlichen Rahmen verbessern, Position der Betroffenen und Anwohnerschutz stärken

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5750

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5851

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Münstermann von der SPD das Wort.

Peter Münstermann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem hier vorliegenden Antrag schaffen wir die Grundlage zur Herstellung von Augenhöhe zwischen Betroffenen und Bergbauunternehmen bei Bergschadensfällen.

So sollen unter anderem die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bergschadensfälle im Interesse der Betroffenen und der Anwohner verbessert werden. Dies soll etwa dadurch geschehen, dass die Bergschadensvermutung für den Braunkohletagebau gelten soll, die Beweislast also wie bei der Steinkohle umgekehrt werden soll. Die Unabhängigkeit der Markscheider bei der Anwendung ihrer Fachkunde soll weiter gestärkt werden.

Die erfolgreich angelaufenen Schlichtungs- und Anrufungsverfahren sollen verbreitert und weiterentwickelt werden mit dem Ziel, eine einheitliche Schlichtungsstelle für alle Bergbaubetroffenen einzurichten, die dann auch den Salzbergbau beinhaltet. Dies sind nur einige wichtige Punkte des Antrags.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, über ein halbes Jahr haben wir, CDU, FDP, Grünen, Piraten und SPD, also alle Parteien, versucht, einen konsensfähigen Antrag zu erstellen. Dabei war es für mich zu jeder Zeit klar, dass bei diesen Anträgen Abstriche gemacht werden müssen. Sehr bedauerlich finde ich es daher, dass sich die FDP diesem Antrag nun doch nicht anschließt und ihren eigenen Entschließungsantrag bringt.

Herr Brockes, Sie schreiben in einer Mail an uns, bereits der erste Absatz in der Einleitung des Antrags sei auf erwartete Bedenken in der Fraktion gestoßen. Was steht nun in diesem ersten Absatz? Darin steht – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„Bergbau war stets und ist auch noch heute mit Belastungen für Umwelt und Klima, die Umgebung und die dort lebenden Menschen verbunden.“

Weiter heißt es:

„Deshalb müssen Effizienzsteigerungen im Kraftwerkspark bzw. Stilllegung von Altanlagen besonders in der Braunkohle mit den Klimaschutzzielen und -plänen auf europäischer Ebene, Bundes- und Landesebene in Einklang gebracht werden. Will NRW seine Klimaschutzziele erreichen, wird auch die Braunkohlegewinnung und -verstromung ihren Reduktionsbeitrag leisten müssen.“

Was heißt denn das? – Das heißt doch nichts anderes, als dass der Kraftwerksbetreiber sein Kraftwerkserneuerungsprogramm weiter umsetzen muss. RWE muss also die noch ausstehende BoAplus-Anlage bauen und durch diese neu installierten Leistungen gleichzeitig Altanlagen gleicher Leistung vom Netz nehmen. Damit werden nämlich 30 % CO2 – bezogen auf Altanlagen – eingespart. Nichts anderes heißt das. Das ist ökologisch und ökonomisch richtig, also gut für die Menschen und gut für die Umwelt.

Deshalb ist es mir völlig unklar, warum Sie jetzt diesen Entschließungsantrag einbringen. Unklar sind mir auch die neuen Punkte, die Sie darin aufnehmen. Sie hatten ein halbes Jahr Zeit und haben diese Punkte nicht eingebracht. Ich frage mich, warum das so war. Der vorliegende gemeinsame Antrag von CDU, SPD, Grünen und Piraten ist ein richtiger, guter und wichtiger Schritt, um die Rechte der Bergschadensbetroffenen gegenüber den Bergunternehmen zu verbessern.

Abschließend: Der Kollege Hovenjürgen sagte in der Plenarsitzung am 26. September 2013, dass der damals gestellte Antrag von SPD und Grünen nicht auf Augenhöhe gewertet werden könnte, sondern maximal auf Kniehöhe. – Wir denken, zur damaligen Zeit befanden wir uns bereits auf Nasenhöhe, und jetzt mit diesem gemeinsamen Antrag sind wir mit Sicherheit auf Augenhöhe.

An die Adresse der FDP gerichtet: Ihrem Entschließungsantrag werden wir nicht zustimmen, denn so kurz vor Schluss steigt man nicht aus einem Zug aus. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Münstermann. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Wirtz.

Josef Wirtz (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute vorliegenden Antrag von vier Fraktionen könnte uns endlich der große Wurf gelingen, damit Betroffene und Bergbauunternehmen zukünftig wirklich auf Augenhöhe miteinander auskommen. Diese Forderung geht zurück auf einen Antrag der CDU-Fraktion vom Dezember 2012.

Schon seit vielen Jahren reden wir in diesem Hause darüber, wie wir vor allem die Positionen der Anwohner rund um den Bergbau verbessern und die negativen Begleiterscheinungen minimieren können. Doch dass wir heute einen so umfassenden Antrag beschließen wollen, ist das bisher stärkste Signal und wahrscheinlich auch das nachhaltigste.

Das ist auch dringend nötig, um das vielzitierte Akzeptanzproblem des Bergbaus in Nordrhein-Westfalen zu lösen. Kurz nach der Absichtserklärung der Landesregierung, den Tagebau Garzweiler zu verkleinern, hat dieser Antrag, wie ich finde, auch noch eine zusätzliche Bedeutung bekommen.

Wir unterstreichen hier und heute, dass wir den Bergbau noch einige Zeit brauchen und ihn auch wollen, um im Rahmen der Energiewende eine zuverlässige und bezahlbare Stromversorgung sicherzustellen.

Die wohl wichtigste Maßnahme für die Zukunft wird die angestrebte Bundesratsinitiative zur Ausweitung der Bergschadensvermutung sein; der Kollege Münstermann sprach das gerade auch an. Es ist längst überfällig, dass eine Gleichbehandlung der vom Braunkohletagebau Betroffenen mit den Betroffenen des Untertagebergbaus erfolgt.

Bei der Steinkohle gibt es bereits die Bergschadensvermutung. So ist das Unternehmen in der Beweispflicht, wenn bergbautypische Schäden auftreten. Im Bereich des Braunkohletagebaus sind die Betroffenen noch selbst in der Beweispflicht. Das Ganze ist auch mit einem finanziellen Risiko verbunden.

Wir fordern in unserem Antrag die Landesregierung auf, endlich eine Bundesratsinitiative zu starten mit der Zielsetzung, hier gleiches Recht für alle zu schaffen.

Als weitere Maßnahme fordern wir die Ausweitung der Sicherheitslinien an den Tagebauen Inden und Garzweiler. Denn trotz der im Vergleich zu Hambach geringeren Abbautiefe sollen auch in Inden und Garzweiler die Abstände zur Wohnbebauung von 100 auf 200 Meter ausgeweitet werden. Dadurch würden die Belastungen der Anwohner nachweislich verringert und zusätzlicher Raum für einen verbesserten Infrastrukturausbau geschaffen.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kommt es im Bereich des Bergbaus immer wieder auch zu Schäden an öffentlichem und privatem Eigentum. Diese müssen natürlich vom verursachenden Unternehmen reguliert werden.

Hier spielt die Schlichtungs- und Anrufungsstelle eine wichtige Rolle zur Beilegung von möglichen Streitigkeiten. Uns ist aber auch klar, dass es in diesem Zusammenhang noch weiteren Optimierungsbedarf gibt. Daher wollen wir die Arbeit dieser beiden Stellen noch effizienter gestalten.

Die Grundlage für die Bewertung von Bergschäden ist die Einbindung von unabhängigen Sachverständigen, denn es darf doch wohl nicht sein, dass Sachverständige herangezogen werden, die in einer Abhängigkeit zu den Bergbauunternehmen stehen. Ich kann ja auch nicht selbst beim TÜV die Untersuchung für mein Auto durchführen. Deshalb ist es eigentlich selbstverständlich, dass es unabhängige Sachverständige sein müssen.

Um die Notwendigkeit dieser Unabhängigkeit sicherzustellen, wollen wir die Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden ausweiten. Wir schaffen damit endlich den rechtlichen Rahmen und die notwendige Transparenz, wie es für den Bergbau im 21. Jahrhundert angemessen ist. Heute könnte deshalb – im positiven Sinne, wie ich finde – ein historischer Tag in der Geschichte der nordrhein-westfälischen Bergbautradition werden.

Aus eigener Erfahrung sage ich Ihnen: Die wertvollsten Beschlüsse in Bergbauangelegenheiten sind immer die, die von einer großen Mehrheit getragen werden.

(Beifall von der CDU, der SPD und den PIRATEN)

Lassen Sie mich deshalb auch kurz auf den Entschließungsantrag der FDP eingehen. Der Entschließungsantrag, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist im Beschlussteil weitgehend identisch mit dem Antrag der übrigen vier Fraktionen. – Sie nicken. Lieber Dietmar Brockes, gerade weil Einigkeit – ich sprach gerade davon – in Bergbaufragen immer schon ein hohes Gut war, würden wir uns freuen, …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Josef Wirtz (CDU): … wenn wir diesmal einen gemeinsamen Antrag verabschieden würden und nicht über zwei Anträge abstimmen müssten. Sollten Sie Ihren Antrag aufrechterhalten, würde sich die CDU-Fraktion bei Ihrem Entschließungsantrag der Stimme enthalten.

Ich komme zum Schluss. Unser Ziel in der Sache, die Rechte der Betroffenen zu stärken, ist parteiübergreifend. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Wirtz. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Zentis.

Gudrun Elisabeth Zentis (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird endlich gut, heißt es in einem Sprichwort. Es hat in der Tat lange gedauert, bis wir uns auf der Grundlage der vorliegenden Anträge von SPD und Grünen, Piraten und CDU auf diesen Antrag verständigen konnten.

Unsere unterschiedlichen Sichtweisen und Einschätzungen zu vielen Problematiken und Folgen des Bergbaus wurden sehr deutlich. Dieser Antrag ist ein Kompromiss der antragstellenden Fraktionen, getragen von der Überzeugung, wie es auch Kollege Wirtz sagte, dass es insbesondere gegenüber dem Bund für die Betroffenen vorteilhaft ist, geschlossen aufzutreten, wenn es darum geht, im Rahmen einer Bundesratsinitiative das Bundesbergrecht, insbesondere § 120, zu ändern.

Die FDP-Fraktion hat diesen langen Weg am Ende der Strecke verlassen, weil sie den Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Braunkohleverstromung nicht teilt. Wer Klimawandel immer noch verneint, wer immer noch keinen Zusammenhang zwischen Abbau, Verstromung und Auswirkungen auf das Klima sieht, hat sein Wissen nicht erweitert oder ignoriert Tatsachen zugunsten wirtschaftlicher Interessen Einzelner.

(Beifall von den GRÜNEN)

Klimaschutz ist mit uns nicht verhandelbar. Uns geht es um eine Verbesserung der Gesamtsituation der vom Bergbau betroffenen Menschen. Dazu zählen gute Luft, sauberes Wasser, wenig Lärm genauso wie eine liebens- und lebenswerte Natur, in der der Mensch Erholung findet, beispielsweise durch Grünvernetzungen und durch größere Abstände zur Tagebaukante. Von den Standards, die bei Windkraftanlagen gefordert werden, ist der übertägige Abbau weit entfernt.

Auch im Steinkohlebereich ist es gelungen, uns gemeinsam auf Verbesserungen für die Betroffenen zu verständigen. So müssen, wie bereits in der Transparenzinitiative festgehalten, die Interessen der Betroffenen auch nach dem Auslaufen des Steinkohlebergbaus 2018 gesichert bleiben.

Zudem haben wir die Diskussion zum erweiterten Betrachtungszeitraum des Markscheidewesens und zur Risswerkführung aufgegriffen.

Wir sind nicht diejenigen, die Einzelinteresse Privilegierter vertreten. Nein, wir wollen die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes vertreten, unabhängig vom Geldbeutel.

Deshalb gilt es, die Position und die Rechte von Bergbaugeschädigten in Schieds- und Anrufungsstelle zu stärken, damit sie tatsächlich auf Augenhöhe mit dem Bergbauunternehmen verhandeln können und es nicht eine Auseinandersetzung zwischen David und Goliath gibt – nicht zu vergessen, dass David am Ende als Sieger vom Platz ging.

Selbst gutwillige Beteiligte zeigen an, dass es hier insbesondere in der Anrufungsstelle für Betroffene aus dem Braunkohlerevier erhebliche Defizite gibt. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Ich bitte, dass sich das zuständige Ministerium umgehend dieses Problems annimmt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die vertraglichen Vereinbarungen der Transparenzinitiative sind einzuhalten, wenn das Unternehmen nicht weiter an Glaubwürdigkeit verlieren will.

Wir begrüßen die rot-grüne Koalitionsvereinbarung zur Beweislastumkehr, die für uns eine Sache der Gerechtigkeit zwischen den Betroffenen des über- und untertägigen Abbaus ist, dass diese rot-grüne Koalitionsvereinbarung eine große Mehrheit in diesem Parlament findet sowie die Sicherung der Interessen der Betroffenen des Steinkohleabbaus nach 2018.

Ich danke allen, die sich an diesem Antrag beteiligt haben, die konstruktiv bis zum Schluss mitgearbeitet haben und nicht kurzfristig ausgestiegen sind mit Änderungswünschen, die gar nicht mehr einzuarbeiten und umzusetzen waren. Damit haben Sie sich selbst ins Abseits gestellt und sich selbst ein Knock-out versetzt. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Zentis. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schmalenbach.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer – keine mehr da. Ich überlege gerade, ob ich vorlese, was hier steht. Ich bin gerade etwas enttäuscht darüber, wie das alles gelaufen ist.

Ja, es gibt viele Gemeinsamkeiten in diesem Antrag. Wir alle müssen Kompromisse machen. Das alles ist komplett richtig. Mir wäre auch sehr daran gelegen gewesen, diesen Antrag mit fünf Fraktionen einzureichen und zu verabschieden.

Dass das nicht passiert ist – und das ist der Tenor, den ich überhaupt nicht nachvollziehen kann –, liegt eben nicht daran, dass die FDP-Fraktion mal eben so ausgestiegen ist. Ich bin in Energiefragen wirklich kein Freund der FDP. Fragen Sie die Jungs. Das können sie Ihnen locker bestätigen.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von der FDP: Das stimmt!)

Es liegt tatsächlich daran, dass die FDP-Fraktion in der letzten Obleute-Runde ganz klar kommuniziert hat, dass sie in diesem Absatz den Klimaschutzplan liest. Sie haben der CDU nachgegeben, was das Revier betrifft. Den Revierbegriff haben wir gestrichen. Sie haben der FDP nicht nachgegeben. Die FDP ist danach ausgeschert.

(Beifall von der FDP)

Ich finde, es ist ihr verdammtes Recht, danach auszuscheren, nachdem man nicht in der Lage war zu sagen: Okay, wir haben mit diesem Absatz Probleme, und dann nehmen wir ihn eben heraus. Was soll das? Ich verstehe tatsächlich nicht, warum das nicht gemacht wurde.

(Zuruf von den GRÜNEN – Beifall von der FDP)

Es ist vor allen Dingen für diesen Antrag, der lautet, Augenhöhe für Betroffene zu schaffen, nicht relevant, ob der Klimaschutzplan in irgendeiner Verklausulierung drinsteht. Das ist einfach nicht relevant. Das ist einfach total unnötig.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Nicht die FDP hat da den Konsens gebrochen. Sie haben den Konsens gebrochen! Rot-Grün hat an der Stelle den Konsens gebrochen. Ich finde das total daneben.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von den GRÜNEN)

Ich wollte ein Loblied auf den Antrag singen. Das ist mir jetzt unmöglich geworden.

Nachdem die FDP gesagt hatte, wir sind nicht dabei, kam eine gemeinsame Pressemitteilung von Rot-Grün. Ich hätte mir vorgestellt: Vier Fraktionen verabschieden den Antrag. Dann gibt es eine Pressemitteilung von vier verschiedenen Fraktionen zu diesem Thema. Nein, es gab eine Pressemitteilung von Rot-Grün. Und was macht Herr Münstermann in dieser Pressemitteilung? Ich zitiere ihn:

„Die FDP unterstützt den Antrag allerdings nicht. Sie ist also nicht bereit, ihr angebliches Engagement für Bürgerrechte gegenüber Bergbauinteressen auf eine verlässliche Basis zu stellen.“

Das ist eine Frechheit. Das ist eine absolute Frechheit!

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Ich finde, das ist einfach eine absolute Sauerei, an der Stelle zu unterstellen, die FDP hätte den Konsens deswegen verlassen. Nein, sie widerlegt es ja mit dem Entschließungsantrag, der für den Bürger sogar noch weitergeht. Deswegen werden wir den auch unterstützen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP – Ralf Witzel [FDP]: Das ist die Arroganz der Macht!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Für die FDP hat Herr Kollege Brockes das Wort.

Dietmar Brockes*) (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kai Schmalenbach, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie hier so ehrlich gesprochen haben und der Geschichtsklitterung, die hier versucht wurde, widerstanden haben.

Denn, meine Damen und Herren, die Beratung des Plenarantrages zur Änderung des Bergrechts hätte nun wirklich eine Sternstunde für die Arbeit des Unterausschusses Bergbausicherheit in dieser Legislaturperiode werden können. Aber dazu ist es eben leider nicht gekommen.

Im Unterausschuss hat uns Abgeordnete bis vor Kurzem vor allem das Ziel geeint, gemeinsam für die berechtigten Anliegen der Bergbaubetroffenen einzutreten und erst dann über Parteifarben nachzudenken.

Aus dieser Grundhaltung ist auch der zur Abstimmung stehende Antrag geboren worden.

Als die CDU die ersten Plenaranträge einbrachte, war es auch mir ein selbstverständliches Anliegen, dass wir alle Fraktionen mit ins Boot holen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Das Bergrecht ist ein starkes Recht. Um hier Änderungen durchzusetzen, braucht man einen langen Atem. In Berlin wird Nordrhein-Westfalen vor allem dann erfolgreich sein, wenn sich der Landtag einig ist und mit einer Stimme spricht.

Ein Antrag, den alle Fraktionen unterschreiben könnten, lag uns eigentlich im März schon vor. Aber dann wurde dieser Konsens aufgekündigt: von der grünen Fraktion durch die Kollegin Zentis. Das, meine Damen und Herren, war ein wirklich bitterer Moment. Plötzlich sollte es nicht mehr nur um die Bergbaubetroffenen gehen. Nein, die klimapolitischen Ziele der Grünen und damit verzahnt die Zustimmung zur Garzweiler-Entscheidung der Landesregierung wurden ebenfalls zum Gegenstand des Antrags gemacht und als unverhandelbar bezeichnet, meine Damen und Herren.

Einen Mehrwert für die Betroffenen hat der Antrag dadurch aber nicht erhalten. Im Gegenteil, es war allen Beteiligten klar, dass meine Fraktion diesen Irrsinn nicht mitgehen konnte. Einziges trauriges Ergebnis war somit: Die gemeinsame Arbeit im Unterausschuss wurde von Ihnen aufgekündigt.

Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs bereits erwähnt. Ich hatte mich in den Verhandlungen immer für einen gemeinsamen Antrag stark gemacht, um das Verbindende zu betonen und nicht das Trennende. Deshalb haben wir uns von vornherein mit Forderungen, die nicht von allen Fraktionen unterstützt werden, zurückgehalten. Diese Zurückhaltung besteht nun nicht mehr.

Deshalb haben wir in unseren Entschließungsantrag auch spürbare und substanzielle Verbesserungen der Rechtsstellung der Bergbaubetroffenen mit eingebaut und sechs Punkte gegenüber dem Antrag der vier anderen Fraktionen dort mit eingearbeitet.

Dies sind Punkte, meine Damen und Herren – das sehen Sie ja gleich auch an der Ablehnung –, die Rot-Grün den Bergbaubetroffenen verweigert.

Meine Damen und Herren, wir wollen erstens, dass die Landesregierung den Dialog mit den Bergbaubetroffenen und ihren Verbänden verbessert. Aufgrund der guten Erfahrungen mit der AG Risswerkführung schlagen wir vor, dass ein Beirat für Bergbaufragen beim Ministerium eingerichtet wird, dem auch Bergbaubetroffenenverbände angehören.

Zweitens. Die vom Steinkohlebergbau ausgelösten Erdbeben: Die Betroffenen in Nordrhein-Westfalen erwarten hier endlich und zu Recht Hilfe von der Landesregierung. Zwar läuft zurzeit ein Musterprozess – daher ist Zurückhaltung geboten –, aber klar ist auch, dass die für die Gerichte zur Verfügung stehenden und auf Tatsachen basierenden Bewertungsgrundlagen, welche Bergbauerschütterungen entschädigungspflichtig sind, dürftig sind. Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, nachzubessern.

Drittens. Die Überschreitung der Nulllinien bei Prosper-Haniel und bei anderen Bergwerken: Die FDP will eine gerichtsfeste Lösung. Dazu gehört, dass Prognosen über Einwirkungsbereiche auch laufend überprüft werden,

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

ob sie noch stimmen, und notfalls auch angepasst werden.

(Beifall von der FDP)

Es kann in unserem Rechtsstaat, meine Damen und Herren, doch nicht sein, dass alles, worauf sich Anwohner verlassen sollen, ein entsprechender Brief der Ruhrkohle AG an die Bergbehörden ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Viertens. Die Fälle in den Schlichtungsverfahren zeigen immer wieder ganz deutlich, dass die Reduzierung der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 auf drei Jahre im Bergbau keinen Sinn macht. Bergsenkungen können noch erheblich später eintreten.

Fünftens. Die Zusammenführung der Schlichtungsstellen reicht nicht aus. Wir müssen auch den Zugang zu den Gerichten verbessern. Eine einvernehmliche Lösung zu erzielen ist zwar immer besser, aber den Rechtsweg dürfen wir nicht beschränken.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Brockes*) (FDP): Notwendig sind gut ausgebildete und fachlich im Bergbau versierte Richter, meine Damen und Herren.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

(Beifall)

Der sechste Punkt ist die Bergschadensvermutung in § 120 Bundesberggesetz. Ganz grundsätzlich muss dies überprüft werden.

Daher, meine Damen und Herren, Herr Kollege Münstermann, war es auch völlig unangebracht, dass Sie der FDP mangelnde Verlässlichkeit für die Bergbaubetroffenen vorgeworfen haben.

Wir lassen uns nicht – wie Sie beim Thema „Garzweiler“ – durch die Manege treiben. Wir stehen zu unserem Wort und zu den Bergbaubetroffenen und werden deshalb hier unseren Antrag heute zur Abstimmung stellen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Kollege Brockes. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schneider in Vertretung für Herrn Minister Duin.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bergbau in Deutschland und gerade hier in Nordrhein-Westfalen steht heute für weltweit führende Spitzentechnologie. Er steht für Wertschöpfung, für eine sichere und preiswerte Versorgung mit Rohstoffen und für die Beschäftigung von vielen Tausend Menschen.

Bergbauliche Vorhaben sind aber trotz allen technischen Fortschritts auch unvermeidlich mit nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt und die Lebensbedingungen der Menschen verbunden.

Verständlicherweise üben die betroffenen Anwohner Kritik an diesen Auswirkungen. Heute gilt mehr denn je, dass Bergbauvorhaben nur dann eine Perspektive haben, wenn sie den Interessen der betroffenen Anwohner und Kommunen ernsthaft und umfassend Rechnung tragen. Dafür müssen bergbauliche Vorhaben so ausgestaltet werden, dass nachteilige Auswirkungen minimiert und auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Hierzu und zum Zwecke von mehr Transparenz und eines fairen Ausgleichs zwischen den Interessen der Bergbaubetroffenen und der Unternehmen hat Wirtschaftsminister Duin im Februar dieses Jahres mit den Vorständen der Unternehmen RAG und RWE Power eine Vereinbarung geschlossen. Darin sind bereits viele Aspekte, die in den vorliegenden Anträgen thematisiert sind, angesprochen und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Bergbaubetroffenen formuliert. Dies betrifft insbesondere die Emissionssituation und die Abläufe und Instrumente zur Bergbauschadensregulierung.

Die Landesregierung begrüßt die Ausführungen von heute und die Forderung des von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten gestellten Antrags ausdrücklich. Der Antrag hebt insbesondere die Bedeutung der Schlichtungs- und Anrufungsstelle für Bergschadensangelegenheiten hervor. Der im Antrag formulierten Bitte um Aufnahme von Gesprächen mit den Beteiligten zwecks weiterer Optimierung der Arbeit beider Stellen wird die Landesregierung gerne nachkommen. Erste Gespräche dazu sind bereits geführt. Ziel ist es, über die im Antrag formulierten Punkte Einvernehmen zwischen den Betroffenen zu erreichen. Denn nur so kann die hohe Akzeptanz der Verfahren erhalten und die vollständige und langfristige Finanzierung durch die Bergbauunternehmen gesichert werden.

Der Landesregierung ist es zudem ein besonderes Anliegen, die Position der Bergschadensbetroffenen insgesamt und insbesondere – im rheinischen Braunkohlerevier – davon war auch schon die Rede – weiter zu stärken. Dazu wird die Landesregierung die im Antrag geforderte Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, um die Vorschriften zur Risswerkführung zu novellieren und die Beweislastumkehr zugunsten der Schadensbetroffenen auch im Bereich des Braunkohlebergbaus einzuführen.

Sie wird auch die Möglichkeit prüfen, die fachaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse der Bergbehörde und die Unabhängigkeit der sogenannten Markscheider weiter zu stärken.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung bedauert außerordentlich, dass sich die FDP-Fraktion nicht in der Lage sah, dem Antrag, der heute zur Verabschiedung vorliegt, beizutreten. Wir werden aber insbesondere die eben von Herrn Brockes dargestellten sechs Punkte sehr genau prüfen und in unsere Überlegungen einbeziehen.

Ein einmütiger Beschluss des Landtags ist nicht zustande gekommen. Umso wichtiger ist jetzt, dass alle Fraktionen und die Landesregierung gemeinsam handeln, um die Möglichkeiten unseres Bergbaus zu verbessern und die Geschädigten in ihrer Rechtssituation zu stärken.

Die Bedeutsamkeit eines modernen Bergbaus mit moderner Bergbautechnologie zeigt das fatale Unglück, das gestern in der Türkei passiert ist. Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, dass unser Bergbau weiterhin weltweit technologisch führend ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Schneider. – Weitere Wortmeldungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten Drucksache 16/5750 ab. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Piraten, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und der fraktionslose Abgeordnete Stein. Wer stimmt dagegen? – Die FDP-Fraktion. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der gemeinsame Antrag Drucksache 16/5750 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Ich lasse zweitens über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5851 abstimmen. Wer möchte dem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben? – FDP-Fraktion, Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete Stein. Wer stimmt dagegen? – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion. Wer möchte sich der Stimme enthalten? – Die CDU-Fraktion. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/5851 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14.

Ich rufe auf:

15       Fehlerhafter Erfassung rechter Gewalt ein Ende setzen: Die Notwendigkeit einer Reformierung des Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität-rechts“ (PMK-rechts) anerkennen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5748

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Kollegin Rydlewski das Wort.

Birgit Rydlewski (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Wie viele Muslime wurden in NRW Opfer rechter Gewalt? Wie viele Sinti und Roma wurden in NRW Opfer rechter Gewalt? Wie viele Menschen wurden aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Opfer rechter Gewalt? Wie viele Menschen wurden aufgrund ihrer sozialen Stellung oder einer Behinderung Opfer rechter Gewalt? Wie viele Menschen wurden in NRW von Neonazis ermordet? Wir wissen es nicht.

Warum wir das nicht wissen, dafür gibt es viele Gründe, die ich hier kurz vorstellen möchte.

Seit vielen Jahren reißt die Kritik am polizeilichen Meldewesen zur Erfassung von politisch motivierten Straftaten nicht ab. Einerseits wird zivilgesellschaftlicher Protest in Form von Sitzblockaden zum Beispiel gegen Neonazi-Demos akribisch erfasst und als PMK-links gebrandmarkt.

Andererseits beklagen Verbände für Opfer rechter Gewalt, dass für Menschen wirklich bedrohliche rechtsideologisch motivierte Gewalt unentdeckt und unerfasst bleibt. Besonders erschreckend anschaulich wird dies bei der Diskrepanz zwischen der Zählung von Todesopfern rechter Gewalt durch die staatlichen Behörden und durch unabhängige Organisationen und Journalistinnen und Journalisten.

Die offizielle Polizeistatistik spricht von 63 rechtsextrem motivierten Tötungsdelikten seit 1990. Recherchen durch die Amadeu Antonio Stiftung ermittelten eine weitaus höhere Zahl, nämlich 182 Todesopfer. Das führt in NRW dazu, dass 14 der 21 entdeckten Fälle aus NRW keine Berücksichtigung in der PMK-rechts fanden.

Nach dem Bekanntwerden der Morde des NSU wurde allen klar, dass die Dunkelziffer von Morden durch Neonazis sehr hoch sein muss. Deshalb überprüfen die Landeskriminalämter zurzeit 746 Tötungsdelikte mit 849 Opfern auf ein rechtes Tatmotiv. Das ist ein Anfang, reicht aber nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Denn nicht nur bei den rechtsideologisch motivierten Tötungsdelikten wird das Ausmaß verzerrt. Hassdelikte werden seit Jahrzehnten nicht ausreichend als solche erkannt. Im Antrag wird schon auf die Auswertung von Gerhard Piper zu Anschlägen auf Moscheen verwiesen. Er zählt wesentlich mehr Anschläge als die Polizeistatistik.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie zum Beispiel der Soziologe Roland Eckert sagen, dass die Zahlen, die von Staatsschutzabteilungen der Landeskriminalämter ermittelt, vom Bundeskriminalamt zusammengestellt und von der Bundesregierung bekanntgegeben werden, einfach nicht realistisch seien.

Aber wieso wird rechtsideologisch motivierte Gewalt nicht erkannt und spezifiziert? Und wie können wir das Ausmaß von Hasskriminalität genauer erfassen?

Zunächst einmal fehlt es oft an der Sensibilisierung der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden in den Bereichen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und generell gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Es kommt noch wesentlich zu oft zu Fällen, bei denen Gerichte und/oder Ermittlungsbehörden den rassistischen Hintergrund nicht erkennen. Da wird zum Beispiel munter behauptet, rassistische oder antiziganistische Äußerungen seien ausschließlich auf Alkoholeinfluss zurückzuführen. Aber in vielen Fällen ist Alkohol lediglich der Auslöser, nicht aber das Motiv. Warum wurde gerade diese Tat begangen? Warum wurde gerade dieses Opfer ausgewählt? Diese Fragen werden oftmals nicht gestellt. Deshalb werden solche Fälle somit nicht als für die PMK-rechts relevant betrachtet.

Auch die Opferperspektive findet kaum Berücksichtigung. Die Aussage des Täters nimmt oft eine höhere Priorität ein als die Aussage von Opfern und Zeuginnen und Zeugen. Dies führt auch dazu,

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

dass sich Opfer rechter Gewalt eher an zivilgesellschaftliche Organisationen und Opferberatungsstellen wenden als an die Behörden. Deshalb müssen staatliche Behörden zukünftig enger mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeiten und deren Fachwissen und Erfahrung in Aus- und Fortbildungsmaßnahmen der Polizeibeamtinnen und -beamten einbezogen werden. Das Hinzuziehen externer Expertise kann dafür sorgen, dass Hasskriminalität besser erkannt, spezifiziert und ihr Ausmaß richtig erfasst wird.

Der Rechtsextremismusexperte Bernd Wagner von Exit vertrat gegenüber der „Berliner Zeitung“ die Auffassung, dass die Zahlen der PMK-rechts von Anfang an nach unten gedrückt würden und die politische Führung die Zahlen immer gerne niedrig gehalten habe. Zusammenfassend kann man sagen, das geschönt niedrige Mordzahlen aus PMK-rechts in Bezug gebracht werden mit aufgebauschten Zahlen aus PMK-links, welche sich beim genauen Hinsehen in hohem Umfang als Ordnungswidrigkeiten herausstellten.

Zeigen wir der Öffentlichkeit, dass es auch anders geht. Erkennen wir endlich die ganz reale tägliche Bedrohung für viele Menschen durch rechte Gewalttäter in diesem Land an und tun wir etwas dagegen. Bitte stimmen Sie deshalb für unseren Antrag. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Rydlewski. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Lüders.

Nadja Lüders (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Rydlewski, Sie haben viel ausgeführt, nur leider nicht zu Ihrem Antrag. Denn das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, sind die Ergebnisse und die Empfehlungen des PUA zur NSU.

Ich glaube, wir sind uns alle hier einig, dass uns die Aufdeckung des Terrortrios zur NSU alle schwer schockiert hat und wir alle aufgefordert sind, uns diese Empfehlungen genauer anzugucken, um sie dann auch umzusetzen.

Aber vieles ist schon gemacht worden oder wird selbst in Ihrem Antrag beschrieben, zum Beispiel die Aufklärung der noch nicht bewerteten Mordfälle. Sie fordern aber, dass sich genau dafür der Innenminister einsetzen soll. Ich glaube, so ganz haben Sie die Entwicklung in NRW nicht mitverfolgt.

(Beifall von der SPD)

Mit Aufdeckung hat der Innenminister sofort veranlasst, eine besondere Organisation gegen rechts aufzubauen. Wir haben eine Statistik, in der explizit alle Straftaten, alle Allgemeindelikte, die durch Rechtsextreme verwirklicht werden, ausgewertet und aufgeführt werden. Das, was Sie hier darlegen, ist ein wenig anders als das, was Sie in Ihrem Antrag fordern.

Ich glaube, wenn man sich diesem Thema ernsthaft, nicht nur plakativ widmen will, dann sollte man das Ganze im Blick haben. Und das Ganze ist – das rufe ich für Sie auch noch einmal in Erinnerung –, dass unser Innenminister Ralf Jäger – er wird es vielleicht gleich auch noch einmal klar und deutlich sagen – die Verbote der Kameradschaften und des Nationalen Widerstands in Dortmund angeordnet hat. Das waren mit die ersten Maßnahmen im Rahmen des Acht-Punkte-Programms, das Ihnen bekannt sein sollte.

In NRW finanzieren wir mittlerweile zwei Opferberatungsstellen – eine für das Rheinland, die andere für Westfalen. Wir unterstützen die mobilen Beratungen finanziell, und wir koordinieren über das Landesnetzwerk die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten. Sie schreiben, man möge die Polizei in Aus- und Fortbildung dafür sensibilisieren. Es tut mir Leid, diese Aufforderung reicht mir nicht. Ich möchte den Bestand erhalten und daran festhalten, was wir tun. Das ist essenzieller Bestandteil der Aus- und Fortbildung der Polizei und des Verfassungsschutzes. In dieser Hinsicht verstehe ich Ihren Antrag nicht so genau.

Wir sollten da einmal genauer hinsehen und auf die Qualität der Straftaten eingehen, die der PMK-rechts zuzuordnen sind. Welche Schlussfolgerungen ziehen wir denn daraus? Nur das Zusammenführen von Zahlenmaterial hilft doch in keiner Weise beim Kampf gegen Rechts. Ehrlich gesagt, da sind Sie für mich mit Ihrem Antrag wesentlich zu kurz gesprungen. Ich habe auch ein wenig den Eindruck – das gebe ich offen zu –, dass sie jetzt noch einmal im Wahlkampf eine Schlagzeile setzen wollen; denn zum einen sind Sie auf keine der anderen Fraktionen zugegangen, um sich einmal ernsthaft mit diesem Thema zu beschäftigen. Sie haben zum anderen die direkte Abstimmung hier gefordert, ohne sich intensiv mit der Definition der PMK-rechts – was es bedeutet, dort die Straftaten aufzunehmen – auseinanderzusetzen.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Lüders, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, Herr Kollege Sommer von den Piraten würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Nadja Lüders (SPD): Gerne!

Torsten Sommer (PIRATEN): Danke Frau Präsidentin! Danke Kollegin Lüders, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade gesagt, dass man nicht einfach die Zahlen der verschiedenen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zusammenführen dürfte. Ist Ihnen bewusst, dass Frau Kollegin Rydlewski genau das angemahnt hat? Sie sagte, dass diese Zahlen zurzeit einfach 1:1 nebeneinander gesetzt werden und dass eben nicht ordentlich differenziert wird, um welche Straftaten es sich dabei handelt. Zurzeit werden – durch einfache Kumulation der Zahlen – Straftaten mit Ordnungswidrigkeiten auf eine Stufe gesetzt werden. Genau das hat Kollegin Rydlewski gesagt. Ist das bei Ihnen nicht angekommen? Oder woran liegt das jetzt? – Danke schön.

Nadja Lüders (SPD): Herr Sommer, darauf antworte ich gerne, weil anscheinend bei Ihnen etwas nicht angekommen ist. Das betrifft nämlich den Wortbeitrag Ihrer Kollegin und Ihren hier gestellten Antrag. Der Antrag sagt dazu in keiner Weise etwas aus, sondern er fordert die Landesregierung auf, etwas zu tun, was schon längst in Gang gesetzt worden ist und was demnächst, was die genaue Einordnung anbelangt, hoffentlich im Rahmen der Innenministerkonferenz zu ersten Ergebnissen führen wird.

Wie gesagt, die Rede Ihrer Kollegin hat mit Ihrem Antrag an der Stelle überhaupt nichts zu tun. Ehrlich gesagt: Unserer Fraktion ist dieses Thema einfach zu wichtig, um diesen, vorsichtig ausgedrückt, ein wenig als erledigt zu bezeichnenden Antrag anzunehmen. Das ist wirklich zu kurz gesprungen. Damit ist mir klar, dass Sie nicht wirklich ernsthaft an diesem Thema interessiert sind. Sie hätten diesen Antrag mit uns allen in Ruhe besprechen können, um an der Definition einzelner Punkten in Bezug auf die PMK-rechts zu arbeiten. Das hätten Sie tun sollen. Die Rede entspricht aber, wie gesagt, in keiner Weise Ihrem Antrag.

(Beifall von der SPD)

Man sollte zusätzlich, denke ich, eines berücksichtigen: Die Empfehlungen des NSU-Ausschusses gehen wesentlich weiter. Dazu verweise ich auf den Bund beziehungsweise unseren Bundesjustizminister Heiko Maas, der gerade die Gesetzesinitiative zu dem, worüber auch Ihre Kollegin gesprochen hat, ergriffen hat. Dabei geht es darum, § 46 des Strafgesetzbuches zu erweitern, um bei der Strafzumessung die Motivation berücksichtigen zu können.

Noch einmal ernsthaft: Der Antrag springt an dieser Stelle zu kurz. Die Beantragung der direkten Abstimmung zeigt: Sie wollen keine inhaltliche Diskussion. Wir hätten sie gerne geführt. Daher lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Lüders. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Sieveke.

Daniel Sieveke (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschus-ses des Deutschen Bundestages kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Gefahr des gewaltbereiten Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus auch vom polizeilichen Staatsschutz falsch eingeschätzt wurde. Auf Seite 861 der Bundestagsdrucksache 17/14600 heißt es – ich zitiere – in diesem Zusammenhang:

„Die polizeiliche Analyse rechtsextremistischer Gewalt war fehlerhaft, das Lagebild dadurch unzutreffend. Die Erfassung rechtsmotivierter Straftaten erfolgt bislang rein polizeilich über das derzeitige Definitionssystem PMK (‚Politisch motivierte Kriminalität‘), das große Schwächen hat. Dies zeigt sich exemplarisch an der Debatte um die Anerkennung der Todesopfer rechter Gewalt seit 1990.“

Der Untersuchungsausschuss zog daraus – ich zitiere erneut aus Seite 861 des Abschlussberichts – unter anderem folgende Schlussfolgerung:

„Notwendig ist die grundlegende Überarbeitung des ‚Themenfeldkatalogs PMK‘ – unter Hinzuziehung von Expertenwissen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft.“

Meine Damen und Herren, dass die derzeitige Erfassung rechtsmotivierter Straftaten einer grundlegenden Überarbeitung bedarf, ist damit unstreitig. Der Bundestagsuntersuchungsausschuss hat dies parteiübergreifend anerkannt. Deswegen – da schließe ich mich ausdrücklich meiner Vorrednerin an – hätte es dieses Antrages nicht bedurft.

(Beifall von der CDU)

Es ist falsch. Sie machen es hier populistisch, um ein Themenfeld zu besetzen, das schon lange besetzt ist, und zwar demokratisch und nicht populistisch. Dabei geht es darum, sich parteiübergreifend der Ernsthaftigkeit des Themas zu stellen.

Für uns ist das, was Sie betreiben, reine Showpolitik. Meine Vorrednerin hat es gerade eindrucksvoll geschildert: Die Ausführungen, die Sie gemacht haben, passen überhaupt nicht zu Ihrem Antrag. Das ist überhaupt nicht deckungsgleich.

Darüber hinaus – ich hoffe, meine Vorrednerin hat das genauso gemeint, wie ich es jetzt ausdrücke – hat Ihr Antrag auch inhaltliche Schwächen.

(Nadja Lüders [SPD]: Ja!)

Das beginnt bereits bei der Überschrift des Antrags, in der ausschließlich von der – ich zitiere erneut – Notwendigkeit einer Reformierung des Definitionssystems politisch motivierter Kriminalität-rechts die Rede ist. Die Empfehlungen des Abschlussberichtes des NSU-Untersuchungsausschusses gehen jedoch deutlich weiter. Dort ist nämlich – ich hatte es bereits angesprochen – ausdrücklich von einer grundlegenden Überarbeitung des gesamten Themenfeldes politisch motivierter Gewalt die Rede. Das betrifft eben nicht nur die Gewalt von Rechten, nicht nur die Gewalt von der Linken, sondern damit gemeint sind auch Ausländerextremismus und islamistisch motivierte Gewalt.

All das wird in Ihrem Antrag überhaupt nicht angesprochen. Wenn der Landtag Ihren Antrag in der vorliegenden Form billigen würde, würde unser Land weit hinter das zurückfallen, worüber der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages bereits Einigkeit erzielt hat, nämlich die Überzeugung, dass jede Form politisch motivierter Gewalt in Deutschland, von Hass in Deutschland, bekämpft werden muss, und zwar unabhängig davon, von wem diese Gewalt ausgeübt wird. Dies war, ist und bleibt übrigens die Position, die die CDU-Fraktion in diesem Hohen Haus immer vertreten hat. Es wäre wünschenswert, wenn auch die Piraten im Laufe zukünftiger Debatten rund um diese Thematik zu dieser Einsicht kommen würden.

Wir können diesem Antrag daher leider nur unsere Ablehnung erteilen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Sieveke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Statistisch gesehen wird in Nordrhein-Westfalen jeden zweiten Tag ein Mensch Opfer rechter oder rechtsextremer Gewalt. Das verdeutlicht, dass Rechtsextremismus und rechte Gewalt für Nordrhein-Westfalen ein Problem und Thema sind. Jeder dieser Übergriffe und die Bedrohungen, die durch Rechtsextreme erfolgen, stellen immer auch einen Angriff auf unsere vielfältige und pluralistische Gesellschaft dar. Deshalb muss jedes Opfer die Solidarität unserer Gemeinschaft und Gesellschaft und die Unterstützung durch den Staat erfahren.

Weil wir der Verantwortung des Staates für die Betroffenen rechter Gewalt nachkommen, haben wir als rot-grüne Koalition schon in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass in Nordrhein-Westfalen zwei unabhängige Opferberatungsstellen mit Landesmitteln eingerichtet wurden, obwohl wir uns momentan in einer sehr angespannten Haushaltslage befinden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Während der Bund Mittel für entsprechende Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt bisher nur in den ostdeutschen Bundesländern zur Verfügung stellt, muss es in den westdeutschen Bundesländern landeseigene Mittel geben. Die stellen wir in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Ich erwarte von der Bundesregierung und der neuen Bundesfamilienministerin, dass sie klarstellt, dass Rechtsextremismus auch in Nordrhein-Westfalen und den anderen westdeutschen Bundesländern ein Problem darstellt und die Mittel für die Opferberatungsstellen nicht – wie bisher – nur nach Ostdeutschland fließen, sondern in ganz Deutschland entsprechend gezahlt werden.

(Beifall von den GRÜNEN - Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Allerdings wissen wir auch, wenn man sich mit der PMK-rechts befasst, dass es bei den rechtsextrem motivierten Straftaten in der polizeilichen Statistik eine hohe Dunkelziffer gibt. Ein Grund dafür ist, dass nicht alle Straftaten zur Anzeige gebracht werden. An der Stelle sehe ich einen wesentlichen Handlungspunkt für uns, das Vertrauen in die Arbeit einer bürgernahen Polizei zu stärken und gleichzeitig die Polizeibeamtinnen und -beamten im Umgang mit den Opfern rechter Gewalt zu schulen.

Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass wir darüber diskutieren, wie man den Austausch zwischen den Kreispolizeibehörden und den Opferberatungsstellen stärkt, damit die Polizei Betroffene rechtsextremer Gewalt direkt an die Beratungsstellen verweisen kann. Im Gegensatz zu Statistiken würde das den Opfern wirklich helfen.

Das Problem der Dunkelziffer hat eine weitere Komponente, die ich hier ebenfalls benennen will. Es werden nämlich nicht alle politisch rechts motivierten Straftaten als solche eingeordnet. Übergriffe von Neonazis auf linksalternative Jugendliche werden als jugendliche Schlägereien abgetan. Es gibt momentan Diskussionen über den Prozess in Bayern, wo bei einem vorbestraften Neonazi, der einen Migranten umgebracht hat, weder von der Staatsanwaltschaft noch den Richtern ein Bezug zur rechtsextremen Ideologie hergestellt wird. Das löst, finde ich, zu Recht sehr viel Unverständnis aus.

Ich sehe sowohl die Polizei als auch die Justiz in der Pflicht, die Aus- und Fortbildungsinhalte, die wir bereits haben und über die wir im Innenausschuss schon diskutiert haben, weiterzuentwickeln und für das Thema Sensibilität zu schaffen.

Ich will es hier aber auch ganz klar sagen: Die PMK-rechts ist eben nur eine Statistik, die es als Kriminalstatistik nicht schafft, die alltäglichen Dimensionen von Rassismus, Diskriminierung wirklich abzubilden. Rassismus in der Gesellschaft ist mehr als die Anzahl der Straftaten, die nachher in der PMK-rechts auftauchen. Für viele Menschen ist das Alltag. Auch darüber müssen wir sprechen. Das fehlt mir aber in diesem Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genauso kann die Statistik, von der Sie schreiben, sie sei ein Analyseelement, nur ein möglicher Baustein zu einer Analyse sein und Anhaltspunkte für Entwicklungen bieten. Sie kann auch vor Ort sehr hilfreich sein, wenn man in Auseinandersetzungen mit politisch Verantwortlichen tritt, die nicht wahrhaben wollen, dass man dort ein rechtsextremes Problem hat. Man kann denen dann nämlich zeigen, dass es vor Ort sehr wohl rechtsextreme Straftaten gibt.

Zu dem Zweck kann dieses Instrument hilfreich sein, ersetzt aber nicht die Analyse bei Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus, die viel breiter angelegt sein muss: Wir brauchen Lagebilder, und zwar auch für Nordrhein-Westfalen, wie jeweils die Situation aussieht. Ich glaube, dass man für diese Lagebilder auch die Zusammenarbeit mit den Mobilen Beratungsteams, zwischen Polizei und Beratungsteams stärken könnte, um umfassende Erkenntnisse zusammenzutragen.

Für mich gehört zu den Lagebildern auch die Antwort auf die Frage nach antimuslimischen Straftaten und antiziganistischer Straftaten. Wie sind dort die Entwicklungen angesichts einer entsprechenden Stimmungslage, die wir momentan in der Gesellschaft einfach verspüren. Wir als Grüne haben es im Ausschuss bereits deutlich gemacht: Wir haben an dieser Stelle durchaus noch Diskussionsbedarf.

Etwas will ich noch sagen: Man kann uns, glaube ich, nicht vorwerfen, dass wir in den letzten Jahren untätig gewesen wären. Wir haben bei den Sicherheitsbehörden entsprechende Schwerpunkte gesetzt: Es gibt die Sonderkommissionen in Aachen, Wuppertal, Dortmund und Köln. Das finde ich sehr wichtig.

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit!

Verena Schäffer (GRÜNE): Es gibt das Kompetenzzentrum beim LKA. Wir haben im Verfassungsschutzgesetz den Schwerpunkt ganz klar auf gewaltorientierte Bestrebungen gesetzt, zu denen auch der Rechtsextremismus gehört.

– Letzter Satz, dann höre ich auf zu reden: Wir brauchen mehr als nur eine Statistik, sondern wir brauchen ein Zusammenspiel von einer starken Zivilgesellschaft, verlässlicher Finanzierung von Opferberatung und Mobiler Beratung, Aussteigerprogramme. Außerdem brauchen wir eine Schwerpunktsetzung bei den Sicherheitsbehörden. Nur dann können wir auch den Kampf gegen den Rechtsextremismus gewinnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Orth.

Dr. Robert Orth (FDP): Guten Tag! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat gezeigt, dass ein Thema, das sehr ernst ist, uns alle sehr bewegt und uns in der Vergangenheit sehr schockiert hat, auch einmal nicht ganz so glücklich angefasst werden kann.

Insofern möchte ich jetzt auch nicht alle Ausführungen, die meine Vorrednerinnen und Vorredner gemacht haben, wiederholen. Ich möchte aber ganz klar für uns betonen, dass wir auch sehr erschüttert über das waren, was sich hinter den NSU-Morden verborgen hat. Wir hätten uns etwas Derartiges gar nicht vorstellen können. Deswegen bin ich froh, dass unsere Bundestagsfraktion seinerzeit 2011 als erste den Untersuchungsausschuss gefordert hat, der dann auch im Bund getagt hat und Ergebnisse hervorgebracht hat, die wir heute hier besprechen.

Aber auch wir sehen im Antrag der Piraten folgendes Problem: Auf der einen Seite bemängeln Sie die Definition der politisch motivierten Kriminalität, auf der anderen Seite aber liefern Sie keine zutreffende Definition dafür, was politisch motivierte Kriminalität von rechts eigentlich ist. Das fehlt in Ihrem Antrag. Deswegen können wir diesem auch nicht zustimmen. Wir haben uns überlegt, wie wir damit umgehen und haben uns dazu entschlossen, uns bei dem Antrag zu enthalten. Denn wir möchten nicht den Eindruck erwecken, dass unsere Meinungen – jedenfalls im Kern der Sache – weit auseinanderliegen. Ihr Antrag ist jedenfalls nicht zustimmungsfähig.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den Sie in die Debatte eingeführt haben. Sie haben behauptet, dass Taten von links aufgebauscht und Taten von rechts im Prinzip heruntergeschrieben würden. Ich muss sagen, dass ich bisher nicht den Eindruck hatte – egal, welche Regierung von wem gestellt wurde –, dass so agiert wurde. Ich würde den Innenminister bitten, darauf einzugehen. Ich halte es für eine ungeheuerliche Unterstellung, dass behauptet wird, Extremismus der einen Form werde verharmlost, wohingegen Extremismus der anderen Form entsprechend überbewertet werde.

(Beifall von der FDP)

Im Übrigen bin ich der Meinung – das muss man einmal ganz klar sagen –, dass Extremismus, welcher Form auch immer, verachtenswert ist, und das ist die Leitlinie meiner Politik. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Das Handicap, das Mitglieder der Landesregierung gelegentlich haben, ist, mit Reden an das Pult zu treten und festzustellen, dass fast alles schon vorher gesagt worden ist. Deshalb, möchte ich mich auf einige wenige Punkte beschränken. Ich möchte nicht auf die auch aus meiner Sicht vorhandenen inhaltlichen Schwächen des Antrages eingehen. Des Weiteren möchte ich auch keine großen Ausführungen zu dem Definitionssystem „Politisch Motivierte Kriminalität“ machen. Ich möchte nur noch auf einige wenige Punkte eingehen.

Nordrhein-Westfalen ist bisher das einzige Land, das seit 2012 auch Straftaten von Personen, die nicht der politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen sind, getrennt erfasst; im Übrigen mit dem erschreckenden Ergebnis, dass auf eine Straftat, die politisch motiviert rechts ist, bei den gleichen Personen zwei Straftaten der Allgemeinkriminalität kommen. Die sind also nicht nur politisch gefährlich, sie sind gemeingefährlich.

Wir haben – ich orientiere mich jetzt an dem Antrag – den Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages umfänglich unterstützt. Wir haben ihn priorisiert. Mein Haus hat allein diesem Ausschuss im Rahmen seiner Arbeit 13.000 Blatt Akten zur Verfügung gestellt.

Ich kann Folgendes feststellen: Im Zuge dessen, was wir mit unserem Acht-Punkte-Programm „Bekämpfung rechts“ und was wir mit der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes in Nordrhein-Westfalen getan haben, haben wir faktisch die Mehrzahl der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages bereits umgesetzt.

Es gibt eine noch ausstehende Empfehlung – daran arbeiten wir in der Innenministerkonferenz –, nämlich tatsächlich die sogenannte PMK und den Themenfeldkatalog dazu umfänglich zu überarbeiten. Denn natürlich verändert sich eine Gesellschaft, und entsprechend müssen sich auch die statistischen Erfassungen von Kriminalität verändern. Demzufolge müssen Themen wie antimuslimische und antisemitische Straftaten auch in geeigneter Form in diese Statistik einfließen. Daran arbeiten wir bereits längst in der Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz. Am 11. Juni werden wir das ebenfalls auf der Tagesordnung haben. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Die antragstellende Fraktion der Piraten hat eine direkte Abstimmung beantragt. Diese führen wir jetzt auch durch, und zwar über den Inhalt des Antrages Drucksache 16/5748. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU und der fraktionslose Abgeordnete Stein. Wer möchte sich der Stimme enthalten? – Das ist die FDP-Fraktion. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Antrag Drucksache 16/5748 der Piratenfraktion abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 15 und rufe auf:

16       Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP darf die kulturelle Vielfalt in NRW nicht gefährden!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5742

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Lamla das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen zu Hause und – einige wenige – auf der Tribüne! NRW ist ein wichtiger Standort für Webvideos. Webvideos sind Videoproduktionen, die online veröffentlicht werden und dort ihre Verbreitung finden. Die Film- und Medienstiftung NRW unterstützt die European Web Video Academy hier in Düsseldorf darin, den Nachwuchs an jungen Webvideo-Produzenten effektiv zu fördern. Die Oscars der „Generation You Tube“, der Webvideopreis, wird übrigens in Düsseldorf vergeben.

Diese kreative Energie vieler kleiner und mittlerer Akteure, aber auch von professionalisierten Laien, den „Prosumenten“, ist das, was unseren Kreativstandort so spannend und lebendig macht, meine Damen und Herren.

Der Kreativstandort NRW ist aber auch auf Rahmenbedingungen angewiesen, die innovationsfördernd sind. Die Bedürfnisse von vielen kleinen und mittleren Akteuren in diesem Feld müssen unserer Meinung nach viel stärker berücksichtigt werden. Diese Leute machen nämlich das kreative NRW aus.

Der Deutsche Kulturrat und auch der Landesmusikrat NRW sprechen sich vehement für eine Herausnahme des Kultur- und Mediensektors aus dem Geltungsbereich von TTIP aus. Und das ist auch gut so.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Herausnahme des Kultur- und Medienbereichs ist vor allem als ein Schutz vor Deregulierung gedacht. Dem Abbau von Handelshemmnissen zwischen der EU und den USA soll regulatorischer Schutz für Kultur und Medien entgegengesetzt werden – allein deshalb, weil die USA die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen noch nicht ratifiziert hat.

So weit stimmen dem, was bisher geschah, also zu. Aber diese Forderungen gehen uns Piraten noch nicht weit genug in die Materie hinein, um einen effektiven Schutz für den Kreativstandort NRW zu gewährleisten. Wir müssen die Situation, auf der das Problem existiert, etwas breiter betrachten.

Da kristallisieren sich zwei große Bereiche heraus: das Immaterialgüterrecht mit dem Urheberrecht und die Telekommunikation. Eine lebendige Kreativ- und Kulturlandschaft, wie wir sie hier in NRW haben, lebt nun mal von Spielräumen. Das sind nicht nur Spielräume in Form von Theatern, Studios und Proberäumen, sondern es ist auch urheberrechtlicher, fair gestalteter Spielraum, der im Sinne der Kreativen und nicht im Sinne der Verwerter und Medienkonzerne besteht. Hiermit meine ich zum Beispiel einen sicheren Rechtsrahmen für Remixe und für Zitate.

Lösungsmöglichkeiten gibt es bereits, zum Beispiel durch die Verwendung von freien Lizenzen wie etwa Creative Commons. Deren Verwertung ist jedoch beispielsweise bei der Verwertungsgesellschaft GEMA nicht ohne Weiteres möglich. Gerade aus diesem Grund hat sich beispielsweise die europäische Verwertungsgesellschaft C3S gegründet, die – übrigens mit NRW-Landesmitteln bezuschusst – ihren Hauptsitz in: Düsseldorf jüngst eröffnet hat.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie sehen: NRW hat ein bedeutendes, zukunftsträchtiges Potenzial, was Kultur und Medien betrifft. Dies wollen wir auch effektiv schützen.

Es ist bekannt, dass TTIP sich zum ACTA-Wiedergänger entwickeln könnte. ACTA, meine Damen und Herren – wir erinnern uns –, wurde zum Glück vom EU-Parlament abgeschmettert, mithilfe vieler, vieler Akteure, Aktivisten, Menschen, die auf die Straße gegangen sind. An dieser Stelle auch noch mal vielen Dank!

(Beifall von den PIRATEN)

ACTA wurde unter anderem deswegen abgeschmettert, weil die dort vorgesehene Harmonisierung der Immaterialgüterrechte auch der kulturellen Vielfalt erheblichen Schaden zufügen könnte. Die rechtliche Bevorzugung der Situation der großen Medien– und Unterhaltungs­konzerne mag zwar innerhalb dieser Monopole für Wachstum und Geldströme sorgen; die vielen, vielen kleinen und mittleren Kreativakteure bleiben in diesem Verlauf jedoch immer stärker zurück.

Im Bereich der Telekommunikation geht es vor allem um die Netzneutralität. Meine Damen und Herren, wir haben letzte Woche im Ausschuss für Kultur und Medien zusammen mit Rot-Grün nach einem Jahr politischer Arbeit und Verhandlungen einen gemeinsamen Antrag verabschiedet.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Lukas Lamla (PIRATEN): Das zeigt, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Gerade Netzneutralität ist für Kreative ein lebenswichtiger Faktor, wenn es um die Selbstvermarktung im Internet geht.

– Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Ende. –

Meine Damen und Herren, wir müssen bei der Gestaltung genau darauf achten, welche anderen Bereiche den Schutz für unsere Kultur und den Kreativstandort NRW bei den Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen beeinträchtigen oder unterwandern könnten. Mit diesen mahnenden Worten möchte ich abschließen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bialas.

Andreas Bialas (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe großes Verständnis dafür, dass immenses Misstrauen im Hinblick auf die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU besteht. Warum? Und warum auch gerade im Kultursektor?

Erstens. Es war nicht die schwarz-gelb geführte Bundesregierung, die eine Ausnahme, die Sonderregeln für Kunst und Kultur forderte. Zum Glück waren es die Franzosen.

Zweitens. Es gibt im Grunde genommen keine Positivliste, keine Verständigung über den Inhalt des zu Verhandelnden, also kein klar umrissenes, begrenztes Mandat, sondern Negativlisten, in denen aufgeführt ist, was nicht verhandelt werden soll, wobei im Grunde alles andere zur Disposition steht. Genau da fragt man sich natürlich mit einer gewissen Unruhe, ob auch alle Facetten des schützenswerten Gutes erfasst sind, ob alle Begrifflichkeiten stimmen, ob nicht möglicherweise unterschiedlich interpretiert wird.

Drittens. Die gesamten Verhandlungen finden abgeschieden und im Geheimen statt. Die derzeitige Intransparenz gerade auch hinsichtlich des Verhandlungsmandates lässt für viele nicht zwingend einen gradlinigen Weg erkennen, der dazu führt, dass das Abkommen ab einem gewissen Zeitpunkt völlig offen in der Zivilgesellschaft und auch im politischen Rahmen debattiert wird.

Viertens. Die Absicht einer Investitionsschutzklausel verunsichert zutiefst; denn es darf kein Klagerecht gegenüber demokratisch legitimierten und gesetzlich normierten Schutzräumen für Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge und von öffentlichen Dienstleistungen geben. Dies unterminiert unsere Demokratie, unterminiert unsere Grundrechte.

(Beifall von den PIRATEN)

Fünftens. Sogenannte kulturelle Dienstleistungen sind der zweitgrößte Exportmarkt der USA. Wenn hier eine weitere Expansion nach anderen Rechtsgrundlagen beabsichtigt ist, sind unsere derzeitige Kulturlandschaft und unsere Kulturförderung in höchstem Maße betroffen.

In den USA regiert weitgehend der Markt. 13 % der Kunst- und Kulturförderung werden dort vom Staat getragen – im Gegensatz zu fast 87 % in Deutschland. Damit regiert der Markt in den USA auch bei den Inhalten. Nicht Qualität, sondern aktueller Geschmack eines breiten Publikums ist primäres Kriterium der Orientierung bei der Werkförderung und der Werkschaffung. Der kreative schöpferische Akt wird mehr und mehr aufgegeben. Produziert werden gängige und profitable Formate.

Das Ansehen von Kulturgütern als Handelsware wäre das Ende unseres heutigen Verständnisses von Kultur und ihren Aufgaben.

Natürlich fallen hierunter die Themen „Urheberschutz“, „Buchpreisbindung“, „Kunst- und Kulturförderung“, „öffentlich-rechtlicher Rundfunk und öffentlich-rechtliches Fernsehen“, „Filmförderung“ und „Steuervergünstigungen“, aber auch „freier Zugang zu den Fördertöpfen für alle als einklagbares Recht“.

Das alte Europa ist eine Kulturregion allererster und besonders qualitativer Güte. Europa identifiziert sich hierüber. Nicht nur aus dem kulturellen Erbe, sondern auch aus der weiteren kulturellen Produktivität bezieht Europa seinen Reichtum. Wir verstehen Kultur in erster Linie nicht als Ware, sondern als Grundrecht und Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Auf Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 7. Mai 2013, also vor etwa einem Jahr, haben wir hier im Landtag bereits Folgendes beschlossen – ich darf zitieren –:

„Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, insbesondere an das federführende Wirtschaftsministerium, ihrer Verpflichtung nachzukommen, die Kultur- und Medienhoheit der Länder zu wahren … und keine Verhandlungen für den Kultur- und Medienbereich zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen aufzunehmen.“

Dies gilt selbstverständlich weiterhin und muss unsererseits nicht jährlich neu verabschiedet werden.

Unser jetziger Wirtschaftsminister auf Bundesebene, Sigmar Gabriel, äußerte sich hierzu ebenfalls sehr eindeutig.

Eines ist für uns daher ganz klar: Die Errungenschaften der Arbeiterbewegung im Hinblick auf Arbeits- und Sozialstandards sowie unser kulturelles Verständnis, dass Kunst öffentliche Aufgabe ist und sich auch neben einem Markt mit seinen Mechanismen behaupten können muss, werden bewahrt. Ein Aufweichen oder einen Abbau wird es mit uns hier nicht geben können.

Wir sehen in dem Freihandelsabkommen aber nicht nur Risiken, sondern ebenfalls Chancen. Es geht daher um faire Bedingungen für die Wirtschaft und genauso um faire Bedingungen hinsichtlich der Interessen der Bürgerinnen und Bürger.

Einer Überweisung stimmen wir selbstverständlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Schick.

Thorsten Schick (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP darf die kulturelle Vielfalt in NRW nicht gefährden!“ heißt der Antrag der Piraten. Ich habe keinen Zweifel, dass diese Forderung von allen Parlamentariern hier geteilt wird.

(Beifall von der CDU und Michele Marsching [PIRATEN])

Ich habe auch keinen Zweifel, dass diese Forderung von der Bundesregierung genauso unterstützt wird und die Bundesregierung die kulturelle Vielfalt in Deutschland in diesem Freihandelsabkommen absichern will.

Dass das nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sieht man auch am Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission. Aus diesem sind audiovisuelle Dienstleistungen herausgenommen. Außerdem ist ausgewiesenes Ziel – so führen die Piraten auch in ihrem Antrag aus –, den Kultur- und Mediensektor grundsätzlich aus dem Geltungsbereich des TTIP-Abkommens herauszunehmen. Damit wären sowohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk als auch eine eigenständige Kulturpolitik der Länder abgesichert.

Richtig ist aber auch, dass es Befürchtungen hinsichtlich weiterer Auswirkungen des Freihandelsabkommens gibt. Als Schlagworte möchte ich hier das Urheberrecht und den Investitionsschutz nennen.

Zunächst zum Urheberrecht: Das Freihandelsabkommen darf und wird kein Förderprogramm zugunsten von US-Produzenten und US-Filmstudios sein. Mit dem WIPO-Vertrag und dem Pekinger Vertrag wird bereits der Schutz von ausübenden Künstlern sowie Tonträgerherstellern harmonisiert.

Problematisch ist der Wunsch der USA, der EU-Kommission und einiger Mitgliedsländer, die unbedingt ein Investor-Staat-Schiedsverfahren in das Abkommen aufnehmen möchten. Ich bin der Bundesregierung dankbar, die deutlich gemacht hat, dass spezielle Investitionsvorschriften nicht erforderlich sind.

Trotz dieser Probleme, über die wir im Ausschuss sicherlich noch etwas intensiver diskutieren werden, muss man festhalten, dass das Freihandelsabkommen mit den USA zu gesamtwirtschaftlichen Gewinnen für Europa von rund 119 Milliarden € pro Jahr führen kann. In diesem Zusammenhang muss man im Auge haben, dass Wachstum und Beschäftigung für uns wichtig sind. Diesen Zielen fühlen wir uns ebenfalls verpflichtet. Deshalb sollten wir das Abkommen nicht von vornherein verteufeln.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. – Der Überweisung stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schick, bei den von Ihnen erwähnten 119 Milliarden € handelt es sich um eine offizielle Zahl der EU-Kommission. Bei solchen Zahlen bin ich immer skeptisch – vor allen Dingen, wenn sie so genau sind. Schließlich könnten es auch 121 Milliarden € sein. Vielleicht sind es aber auch nur 117 Milliarden €. Daher halte ich mich bei solchen Einschätzungen immer sehr zurück.

Wie Sie wissen, hat die grüne Fraktion zum Thema „TTIP“ eine dezidiert andere Position eingenommen. Wir haben am 4. Februar dieses Jahres einen Fraktionsbeschluss gefasst, mit dem das Freihandelsabkommen insgesamt kritisch eingeschätzt wird. Das hat vor allen Dingen damit zu tun – es ist hier schon erwähnt worden –, dass dieses Abkommen hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.

Ich bin meinem Kollegen Stefan Engstfeld besonders dankbar, weil er als europapolitischer Sprecher unserer Fraktion diese Problematik immer wieder in die Fraktion getragen hat und frühzeitig deutlich gemacht hat, dass wir hier sehr gut aufpassen müssen

(Reiner Priggen [GRÜNE] hebt die Hände.)

– genau, Herr Fraktionsvorsitzender; wir sollten ihn einmal hochleben lassen –, weil es um ganz viele kritische Punkte geht, die mit diesem Abkommen für uns alle zur Diskussion gestellt werden. Da sollte man sich nicht vertun.

Ich habe den Eindruck – wenn ich das so offen sagen darf, Herr Lamla –, dass Ihr Antrag das auch macht. Ich finde es nicht falsch, es auf die Kreativszene, die Sie beschreiben, herunterzubrechen. Aber es ist eben nicht das Ganze, sondern es ist ein ganz kleiner Teil unserer Kreativszene.

Da waren wir voriges Jahr – darauf hat Herr Bialas eben bereits hingewiesen – doch schon weiter. Wir haben genau das alles mit unserem Beschluss hier im Landtag am 7. Mai gemeint. Sehr frühzeitig waren gerade die Kultur- und Medienleute sensibilisiert, weil uns klar war und ist, dass der Bereich „Kultur und Medien“, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, aber auch die Kulturförderung Teile der Daseinsvorsorge in Nordrhein-Westfalen, in der Republik überhaupt sind, letztlich ein Stück Identifikationsmerkmal des – wie Herr Bialas es eben so schön zitierte – alten Europa.

Vor diesem Hintergrund ist Ihr Ausschnitt nicht schlecht gewählt; man kann auch diesen Teil darin sehen. Aber Ihr Antrag kommt natürlich ein Jahr zu spät, und er greift im Grunde nichts wirklich Neues auf an einer Stelle, wo wir uns im Grundsatz einig sind, dass wir dies vor dem Zugriff der Konzerne schützen wollen.

Da zielt meiner Ansicht nach Ihre Argumentation – jedenfalls so, wie ich es wahrgenommen habe – ein Stück daneben. Die eigentliche Gefahr geht doch nicht davon aus, dass wir das Urheberrecht nicht vernünftig der digitalen Zeit anpassen wollen, sondern die Gefahr geht davon aus, dass Unternehmen wie Google, Amazon, Microsoft und andere große amerikanische Player es mit all diesen Dingen überhaupt nicht ernst meinen und eine ganz andere Linie verfolgen, als wir sie hier in Europa, in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen zu diesen Themen verfolgen.

Ich habe den Eindruck, vor diesem Hintergrund müssen wir uns mit dem Antrag im Ausschuss durchaus noch mal befassen. Wir tun das auch gerne. Aber die Diskussionen zu TTIP müssen in allen anderen Gebieten mindestens ebenso intensiv stattfinden. Ich weiß, dass Sie das auch in keiner Weise ausschließen.

Ich will Sie noch auf einen großen Leak hinweisen, der dank der Europafraktion der Grünen stattgefunden hat, die das geleakt haben, was in geheimen Hinterzimmern sozusagen als Verhandlungsmandat definiert worden war. Wenn es nicht zu entsprechender Transparenz bei TTIP kommt, dann, glaube ich, müssen wir insgesamt diesem Abkommen sehr kritisch gegenüberstehen.

Herr Schick, entschuldigen Sie. Auch im Hinblick auf die 119 Milliarden €, die Sie genannt haben: Das Handelsabkommen stellt uns vor große Probleme. Ein Punkt, auf den schon mal hingewiesen worden ist …

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Keymis, bevor Sie zum Ende kommen und ich ein Problem bekomme: Der Herr Kollege Kern würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Oliver Keymis (GRÜNE): Ja, bitte.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Kollege Keymis, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade zu Recht ausgeführt, dass wir uns in diesem Hause schon mit TTIP befasst haben und dass bei den Verhandlungen der audiovisuelle Bereich jetzt herausgenommen wurde. Sie sagten, wir haben eigentlich schon weitgehende Regelungen bekommen, und haben so getan, als wäre das ein bisschen überflüssig.

Teilen Sie mit mir die Auffassung, dass damit nicht der Bereich des sogenannten geistigen Eigentums ausgeklammert ist, dass das Verhandlungsmandat, das jetzt noch besteht, über TTIP genau diesen Bereich neu regeln will und dass damit dieser kulturelle Bereich durchaus weiterhin betroffen und bedroht ist?

Oliver Keymis (GRÜNE): Der kulturelle Bereich ist aus meiner Sicht durch das Investorenschutzabkommen, das damit verbunden wäre, bedroht, nämlich dass man sagt: Es gilt das Rechtsprinzip des Ortes, von wo aus der Handelnde aktiv ist. – Das ist das Problem, mit dem wir zu kämpfen haben.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Ein weiteres Problem!)

Das betrifft möglicherweise auch Urheberrechtsfragen; das ist richtig. Wir unterhalten uns über das Urheberrecht in Deutschland viel differenzierter, als das aus amerikanischer Sicht passiert.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das ist ja die Gefahr!)

Ich glaube, an dem Punkt sind wir uns einig. Wir unterhalten uns auf einem Level, wo wir sagen: Für User und Produzenten muss es zu einem gerechten Ausgleich kommen. Da mag es zwischen Piraten und Grünen noch gewisse Unterscheidungen geben, was dann im Einzelnen gerecht ist.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das hoffe ich!)

Aber vom Prinzip her bin ich der Meinung, dass wir die eigentliche Gefahr unterschätzen, die davon ausgeht, dass die Amerikaner in einer Rekordzeit – wenn man sich überlegt: im Juli 2013 sind die Verhandlungen begonnen worden, Ende 2015 sollen sie abgeschlossen sein – auch über die kleinste Regelung beraten, auch darüber, welche Rücklichter an welchen Fahrzeugen wie montiert werden. Soll das alles innerhalb von zwei Jahren verhandelt werden? Ich halte das eh für sehr gewagt.

Genau hinter dieser Eile und hinter der Geheimniskrämerei vermuten wir Grüne – das haben wir auf den verschiedenen Ebenen deutlich gemacht: im Europaparlament, in Berlin, aber auch hier in Düsseldorf – versteckt große Nachteile für uns alle, wenn wir dieses Abkommen so abschließen, wie die Amerikaner sich das im Wesentlichen wünschen.

Außerdem soll es ja – so habe ich Stefan Engstfeld immer verstanden –ein Vorbildabkommen für alle Länder sein, mit denen wir solche Abkommen auch noch schließen sollen. Das birgt doppelt Gefahr.

Wir werden uns im Ausschuss weiter darüber unterhalten. Ich denke, dass wir uns insgesamt über das, was hier schon gesagt wurde, sehr einig sind. Auch wir haben im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Folgen für unsere Kunst- und Filmförderung große Befürchtungen, dass hier Löcher aufgerissen werden, die jenseits der von Ihnen im Antrag angesprochenen Problematik für uns eine Gefahr darstellen.

Deshalb freue ich mich auf weitere Debatten und hoffe, dass wir insgesamt einem Abkommen, das nicht unseren Interessen hier in Europa, in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen dient, nicht zustimmen müssen. Das wird noch ein spannender Prozess. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Überschrift des Antrags der Piratenfraktion, den wir heute beraten, können wir als FDP-Fraktion ohne Vorbehalt zustimmen. Die kulturelle Vielfalt in Nordrhein-Westfalen darf nicht gefährdet werden. Kulturelle Vielfalt ist nämlich ein Ausdruck von Freiheit. Aber diese scheint bei der Piratenfraktion nach der Überschrift rasch zu Ende zu sein.

Meine Damen und Herren, es ist doch so: Die Piraten haben aufmerksam zur Kenntnis genommen, dass in der Bevölkerung ein gewisses Unbehagen gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen existiert. Das ist grundsätzlich auch gut so; eine kritische Öffentlichkeit ist Bestandteil einer starken Demokratie. Ein Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union ist ja auch ein Projekt von großer wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Tragweite. Es ist daher richtig, den Fortgang genau zu beobachten.

Für die FDP-Fraktion sage ich: Wir treten für Freihandel ein und haben keine Angst vor der breiten Welt der Freiheit. Wir sehen darin Chancen für Arbeitsplätze, für Wachstum und für niedrige Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Aber klar ist auch: In solchen Verhandlungen sitzen sich nicht ausschließlich Anhänger eines grenzenlosen Freihandels vorbehaltlos gegenüber. Dort sitzen in erster Linie Vertreter bestimmter Interessen. Sie wollen möglichst viele ihrer Interessen durchsetzen. Aus diesem Grund ist es grundsätzlich notwendig, die Verhandlungen genau zu beobachten.

Es ist insbesondere Aufgabe der Bundesregierung, ihr Gewicht in die Verhandlungen einzubringen. Sie muss dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und Europas keine Nachteile durch das Abkommen erleiden. Namentlich ist das die Aufgabe von Bundeswirtschaftsminister Gabriel, der übrigens auch für die Koordinierung der Europapolitik der Bundesregierung zuständig ist. Er hat dafür zu sorgen, dass ein faires und vertretbares Ergebnis vorgelegt wird. Und er muss die Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen.

Meine Damen und Herren, kommen wir zurück zum Antrag! Die Piraten haben also festgestellt, dass sich Unbehagen gegenüber Freihandelsabkommen breitgemacht hat. Sie versuchen nun, dieses mit möglichst effekthascherischen Überschriften

(Pfeifen von den PIRATEN)

und unsachlichen Initiativen für sich nutzbar zu machen.

(Zuruf von den PIRATEN: Ah, ja!)

Das ist zwar im Grundsatz verständlich, aber falsch. Dass die Initiative der Piraten auch unsachlich ist, erklären Sie ja bereits selbst in Ihrem Antrag. Sie weisen nämlich darauf hin, dass Medien- und Kulturpolitik nicht Bestandteil der Verhandlungen sind. Sie sind sogar explizit ausgenommen.

(Beifall von der FDP)

Und auch das ist richtig und wird von der FDP-Fraktion unterstützt.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schmitz, Entschuldigung, dass ich auch Sie unterbreche: Herr Kollege Sommer würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Ingola Schmitz (FDP): Ja, bitte schön.

Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich möchte nur wissen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass es den Piraten nicht darum geht, dass ein gewisses Unbehagen gegen irgendein Freihandelsabkommen besteht, sondern dass das Unbehagen der Piratenfraktion und der Piratenpartei – das kann ich an der Stelle, glaube ich, sagen – darin besteht, dass alle diese Verhandlungen im absolut Geheimen stattfinden. Freihandel ist für uns kein Problem, aber diese Geheimverhandlungen sind ein Problem. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen? – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Ingola Schmitz (FDP): Ich betone noch einmal: Die Medien- und Kulturpolitik ist explizit ausgenommen. Des Weiteren geht aus Ihrem Antrag nicht deutlich hervor, was Sie eigentlich möchten.

(Michele Marsching [PIRATEN]: War das die Antwort auf die Frage?)

Es ist richtig und wird von der FDP-Fraktion unterstützt, dass die Kultur- und Medienpolitik explizit ausgenommen ist. Bei internationalen Abkommen muss selbstverständlich das Gleiche gelten, was innerhalb der Europäischen Union gilt. Kultur- und Medienpolitik sind Angelegenheiten der Mitgliedstaaten. Die EU ist nicht dafür da, Kulturförderinstrumente zu regulieren oder die Kultur- und Medienvielfalt in Europa zu harmonisieren.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schmitz, ich muss Sie leider noch einmal unterbrechen und fragen, ob Sie diesmal eine Zwischenfrage des Kollegen Priggen zulassen möchten.

Ingola Schmitz (FDP): Bitte schön, Herr Priggen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Danke schön, Frau Kollegin Schmitz, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich möchte gerne insistieren. Der Kollege der Piraten hat Sie eben etwas gefragt, und das ist genau auch meine Frage. Wir haben nichts gegen Freihandelsabkommen. Das ist sinnvoll, das kann man sehr gut machen. Aber was uns neben anderen Sachen konkret stört, ist die absolute Geheimhaltung der Verhandlungen, die zu diesem Abkommen führen. Die Frage an Sie ist, ob Sie das teilen, ob Sie das auch so verstehen und so akzeptieren, dass es einen stört, dass das nicht transparent ist, sondern absolut geheim.

(Beifall von den PIRATEN)

Ingola Schmitz (FDP): Herr Priggen, ich nehme das zur Kenntnis.

(Zuruf von den PIRATEN: Die Antwort ist aber sehr übersichtlich!)

– Ich nehme es zur Kenntnis, dass man hier natürlich vorsichtig sein muss.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das war eine klare Frage!)

Worum geht es?

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das frage ich mich auch!)

Ich wiederhole: Die EU ist nicht dafür da, Kulturförderinstrumente zu regulieren oder die Kultur- und Medienvielfalt in Europa zu harmonisieren. Sie ist aber sehr wohl dafür da, etwa die Roaminggebühren in Europa abzusenken. Es geht um die Beseitigung und Verhinderung von ungerechten Markteintrittsbarrieren und von Protektionismus. Das ist aber auch das Ziel des Transatlantischen Freihandelsabkommens, TTIP.

Ich persönlich finde den Antrag der Piraten vor diesem Hintergrund wenig überzeugend. Ich kann offen gesagt auch keine konkreten Maßnahmen erkennen, die im Beschlussteil Ihres Antrags gefordert würden. Insofern besteht der Verdacht, dass es Ihnen hier um eine reine Show­veranstaltung geht. Vielleicht können die Antragsteller diese Vermutung ja in den anstehenden Ausschussberatungen entkräften.

Die FDP-Fraktion stimmt der Überweisung in den Ausschuss für Kultur und Medien zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schneider in Vertretung für Herrn Minister Duin.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In ihrem Antrag fordern die Piraten die Landesregierung auf, sich für einen effizienten Schutz der Kreativ- und Kulturlandschaft in NRW einzusetzen. Wenn Sie mit dem Antrag erreichen wollen, dass sich die Landesregierung für die Herausnahme der Bereiche Kultur und Medien aus dem Freihandelsabkommen der EU mit den USA einsetzen soll, dann kommen Sie, liebe Piraten, zu spät.

(Zuruf von den PIRATEN: Oh!)

Genau das nämlich hat die Landesregierung – ein Redner hat eben schon darauf hingewiesen – vor einem Jahr in Übereinstimmung mit einer Entschließung des Landtags getan. Der Bundesrat hat sich mit den Stimmen von NRW dafür ausgesprochen. Und er war damit erfolgreich; denn dies ist genau so in das Verhandlungsmandat eingeflossen, auf dessen Grundlage die Europäische Kommission jetzt verhandelt.

Wir haben uns hier also auf Grundlage eines Antrags des Landtags von Nordrhein-Westfalen durchgesetzt; das räumen Sie im Übrigen in Ihrem Antrag selbst ein. Eigentlich wäre das ein Grund, der Landesregierung für die erfolgreiche Wahrnehmung von Landesinteressen zu danken. Dabei könnte man es dann auch belassen; denn die erfolgreiche Durchsetzung dieses Anliegens ist ein starker Beleg dafür, dass es entgegen vielfach artikulierten Ängsten sehr wohl möglich ist, auf die Verhandlungen über das TTIP Einfluss zu nehmen.

Wenn Sie über den Hebel TTIP eine Grundsatzdebatte über das Urheberrecht entfachen wollen, dann ist dies, meine ich, ein unpassender Anlass.

Sie machen mit Ihrem Antrag den gleichen Fehler, der bei vielen TTIP-Kritikern zu beobachten ist: Sie kommentieren ein Abkommen, das es noch gar nicht gibt. Sie unterstellen alle möglichen und unmöglichen Eingriffe auf deutsche Schutzstandards und Verbraucherrechte.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Jetzt beschwören Sie sogar eine Monopolbildung auf dem Kultursektor als Folge von TTIP. Bezeichnend ist, wie oft Sie in Ihrem Antrag ausführen: „es gebe Befürchtungen“, „es könne nicht ausgeschlossen werden“, „möglicherweise würden Rechte eingeschränkt“ und so weiter und so fort.

(Zuruf von den PIRATEN: Der Verhandlungsstand ist ja nicht öffentlich!)

Lassen Sie uns doch abwarten, worauf sich die Verhandlungsführer auf Basis der ihnen erteilten Verhandlungsmandate verständigen werden. Im Anschluss daran können wir immer noch darüber diskutieren, ob uns TTIP als Gesamtpaket mehr Nutzen oder mehr Schaden bringt. Dann wird auch der Bundesrat damit befasst und sich eine endgültige Meinung bilden.

Sie beklagen zu Recht, dass die Verhandlungen zu TTIP zu wenig transparent geführt werden und Ihnen zu wenig über den Verhandlungsstand bekannt ist. Aber Sie wissen schon jetzt, dass Sie dagegen sind. Das passt alles nicht so richtig zusammen.

Ich bin Bundeswirtschaftsminister Gabriel im Übrigen sehr dankbar dafür, dass er zu einer Versachlichung der Debatte beigetragen hat.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lamla zulassen?

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Bitte schön.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Lukas Lamla (PIRATEN): Herr Minister, vielen Dank dafür, dass Sie die Frage zulassen. Ich weiß, es ist eigentlich nicht Ihr Ressort, sondern Sie sprechen in Vertretung. Dennoch ist Ihr Redebeitrag ziemlich scharf. Deshalb muss ich Ihnen einfach eine Frage stellen. Bekannt ist die Tatsache, dass bei den Verhandlungen über den Begriff des geistigen Eigentums gesprochen wird. Mich würde interessieren, was Sie im Bereich Kultur und Medien unter dem Begriff des geistigen Eigentums verstehen.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Das ist ein weitreichendes Feld, das wir sicher nicht am heutigen Abend behandeln dürfen und können. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wird sich in einem umfassenden Sinne dafür einsetzen, dass geistiges Eigentum geschützt wird. Ich sage gleich auch noch etwas zu diesem Thema, weil es sehr wichtig ist.

Wie eben schon ausgeführt, bin ich Herrn Gabriel sehr dankbar dafür, dass er zur Sachlichkeit in der Debatte beigetragen hat. Vor einer Woche hatte er die Fachöffentlichkeit und Vertreter aus allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft zu einer hochkarätigen Informationsveranstaltung mit den beiden Verhandlungsführern der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten nach Berlin eingeladen. Dort konnten auch die Nichtregierungsorganisationen, die sich kritisch zu TTIP äußern, mit den maßgeblichen Akteuren der Verhandlungen diskutieren.

Besonders erfreulich ist, dass Herr Gabriel gestern in der „Rheinischen Post“ die Gründung eines Beirats bekanntgegeben hat, der die Verhandlungen zum Handelsabkommen begleiten wird. Neben Kulturvertretern und Verbraucherschützern werden auch Nichtregierungsorganisationen, Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie andere gesellschaftliche Kräfte vertreten sein.

Die ganze Diskussion ist dadurch belastet, dass Offenheit und Transparenz als wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein solch weitreichendes Abkommen gesellschaftliche Akzeptanz findet, nur unzulänglich und unzureichend vorhanden sind. Daran muss gearbeitet werden.

TTIP ist kein Deregulierungsprojekt und kein Projekt zur umfassenden Absenkung von Standards. Es ist der Versuch, technische Standards einander anzupassen oder aufeinander abzustimmen, und zwar so, dass die berechtigten Schutzinteressen der beiden Wirtschaftsräume respektiert werden, auch unterschiedlich hohe, wenn das politisch gewollt ist.

Wenn sich die Verhandlungsführer an ihre Verhandlungsmandate halten, wird es keine Herabsetzung bestehender Standards geben. Darauf werden wir auch in Nordrhein-Westfalen besonders achten. Natürlich gehört der Schutz des geistigen Eigentums zu den Themen, die in einem Handelsabkommen behandelt werden müssen, aber eben nicht im Sinne einer Absenkung von Standards. Das ist ja Ihre große Sorge.

Ich sehe nicht, dass TTIP die kulturelle Vielfalt in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland oder in Europa gefährden kann, wenn sich die Verhandlungsführer an das ihnen erteilte Mandat halten. Wir werden dies kontrollieren und begleiten. Dann kann TTIP auch im Bereich von Kultur etwas sehr Wertvolles und Vernünftiges für Europa, für Deutschland und NRW beinhalten. – Vielen Dank.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich muss darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 2:39 Minuten überzogen hat. – Ich sehe aber bei den Fraktionen keine weiteren Wortmeldungen mehr. Wir sind damit am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags der Fraktion der Piraten Drucksache 16/5742 an den Ausschuss für Kultur und Medien – federführend – sowie an den Ausschuss für Europa und Eine Welt. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

17       Auf jede Stimme kommt es an: Europawahl am 25. Mai 2014 nutzen, um die gemeinsame Zukunft zu gestalten

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5775

Änderungsantrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5864

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/5852

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/5875

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Abgeordneten Frau von Boeselager für die CDU-Fraktion das Wort.

Ilka von Boeselager (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist leider schon sehr spät, und dennoch muss ich feststellen, dass wir elf Tage vor der politischsten Wahl zum Europäischen Parlament stehen, die diese Gemeinschaft bislang erlebt hat. Es ist sehr schade, dass dieser Antrag erst um 21:07 Uhr diskutiert wird. Es wäre wichtig gewesen, wenn wir uns schon viel früher mit diesem Antrag auseinandergesetzt hätten.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Anti-Europäer und Europa-Skeptiker haben sich aus unterschiedlichen Richtungen in Stellung gebracht, leider auch bei uns in Nordrhein-Westfalen. Neu ist, dass das Europäische Parlament jetzt auch anders gestaltet werden kann, und zwar insofern, als dass die Wahl, die am 25. Mai 2014 stattfindet, auch darüber entscheidet, wer demnächst Kommissionspräsident werden wird. Insofern haben die Bürgerinnen und Bürger zum ersten Mal ein wesentlich größeres Mitspracherecht.

Der Wahlausgang am 25. Mai hat auch für uns in Nordrhein-Westfalen schicksalhafte Bedeutungen. Das Wohlergehen unseres Bundeslandes und die Partnerschaft in Europa sind zwei Seiten einer Medaille. Dieses Bewusstsein hat das landespolitische Handeln in Nordrhein-Westfalen von Beginn an geprägt. Ich darf an Karl Arnold erinnern, der in seiner Neujahrsansprache 1949 den Vorschlag machte, mit unseren Nachbarn aus Frankreich, Belgien und Luxemburg ein völkerrechtliches Abkommen zu schaffen, eine Kooperation im Montanbereich auf den Weg zu bringen.

Das war zur damaligen Zeit eine tollkühne Initiative, die für den Schumann-Plan und alles Weitere den Weg bereitet hat. Die EU wurde in Nordrhein-Westfalen geboren; das muss man immer wieder deutlich erwähnen. Der Kreißsaal war das Ruhrgebiet, so hat es Ulrich von Alemann einmal ausgedrückt.

Darauf aufbauend sind die europäischen Einbindungen in Nordrhein-Westfalen und die Europafreundlichkeit der Politik fraktionsübergreifend weiterentwickelt und intensiviert worden, in Zusammenarbeit und Freundschaft mit den Benelux-Ländern, ebenfalls mit Frankreich, mit Polen und weiteren Nachbarn.

Dass wir auf die Zusammenarbeit und Kooperation in Europa angewiesen sind, gilt im globalen Zeitalter einmal mehr. Nordrhein-Westfalen braucht Europa, und Europa braucht auch uns in Nordrhein-Westfalen. Ich denke, in dieser Bewertung sind wir uns grundsätzlich einig.

Die Landesregierung hat kurz vor der Europawahl am 9. Mai 2014 eine Veranstaltung hierzu durchgeführt. Wir fanden es nicht sehr gut, dass erst nach großen Protesten auch die Opposition daran teilnehmen durfte.

Wir finden es schade, dass insgesamt so wenig von dem umgesetzt worden ist, was sich die Landesregierung praktisch selbst auf die Flagge oder auf ihr Papier geschrieben hat. Das bedauern wir sehr. Das Ganze ist zwar am 9. Dezember 2008 in einer Absichtserklärung gemündet, aber danach gab es keinen politischen Fahrplan mehr.

Man sieht auch, wie wenig die Ministerin für Europa hier in Düsseldorf präsent ist. Herr Schneider, Sie sind heute wirklich ein Multitalent.

(Zurufe: Das ist er wirklich!)

Sie sind Wirtschaftsminister, Sie sind Europaminister. À la bonne heure, das ist schon eine besondere Leistung.

Was wollen wir mit unserem Antrag heute eigentlich deutlich machen?

(Zuruf von den PIRATEN: Das würde uns auch interessieren!)

– Das will ich Ihnen jetzt sagen. Es ist sehr wichtig, im ureigenen Interesse konstruktiv an unserer Zukunft in Europa mitzuarbeiten und mitzugestalten und dafür zu sorgen, dass das Erstarken der links- und rechtspopulistischen Parteien …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende!

Ilka von Boeselager (CDU): … verhindert wird, und gleichzeitig auch dazu beizutragen, dass der Negativtrend am 25. Mai 2014 wieder eine Umkehr erfährt. Wir müssen Europa sehr viel mehr in den Mittelpunkt stellen. Hier ist vor allen Dingen die Landesregierung gefordert, denn letztlich haben Sie die Mehrheit.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, die Redezeit ist deutlich überschritten.

Ilka von Boeselager (CDU): Wir wollen gerne dazu beitragen. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin von Boeselager. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Töns.

Markus Töns (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU: „Auf jede Stimme kommt es an: Europawahl am 25. Mai 2014 nutzen, um die gemeinsame Zukunft zu gestalten“ ist löblich. Aber das ist es auch schon.

Wir alle kennen die Situation: Die Europäische Union und das Europäische Parlament werden immer wieder – in den letzten Monaten besonders intensiv – mit Kritik überschüttet. Viele stellen sich die Frage: Wozu dient diese Wahl eigentlich? Wir hören das auch an den Infoständen, die wir alle bedienen. Die Leute wollen wissen, worum wir uns auf europäischer Ebene kümmern und warum wir die Menschen davon überzeugen wollen, zur Europawahl zu gehen.

Das ist eigentlich der Punkt, um den es geht. Wir wollen alle zusammen für diese Europawahl werben. Ich kann aber bei keiner Partei hier im Landtag erkennen, dass es dafür nicht ein großes Interesse gibt. Deshalb bin ich schon ein bisschen enttäuscht; das muss ich Ihnen sagen, Frau von Boeselager. Als Sie den Antrag eingebracht haben und wir von Rot-Grün Ihnen das Angebot gemacht haben, doch etwas Gemeinsames auf den Weg zu bringen, diesen Antrag mit einem Änderungsantrag zu erweitern, vielleicht dafür zu sorgen, dass alle Parteien in diesem Landtag sich diesem Antrag anschließen können, um einen gemeinsamen Wahlaufruf zu machen, haben Sie sich dem verweigert.

Mittlerweile liegen ein Änderungsantrag der Piraten, ein Entschließungsantrag der FDP und ein rot-grüner Entschließungsantrag auf dem Tisch. Ich hätte es schöner gefunden, wenn wir uns alle darum gekümmert hätten. Wir alle betonen in all diesen Anträgen, wie wichtig die Europawahl für Nordrhein-Westfalen ist – und das bei aller Unterschiedlichkeit unserer Positionen auch im Wahlkampf. Ich finde das ein Stück weit schade.

Sie haben recht mit Ihrer Kritik – das will ich durchaus sagen –, dass die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes zu jener Tageszeit nicht mehr so prickelnd ist – für uns alle nicht. Das sieht man auch am Plenarsaal. Er ist nicht mehr so toll gefüllt.

Ich möchte noch etwas dazu sagen: Sie als antragstellende Fraktion hätten im Ältestenrat dafür sorgen können, dass der Antrag zu einem etwas prominenteren Zeitpunkt behandelt wird. In der Hinsicht ist auch nichts gelaufen. Sie sollten daher mit der Kritik an dieser Stelle ein bisschen vorsichtig sein.

Lassen Sie mich noch zwei oder drei Dinge sagen, die von entscheidender Bedeutung sind. Sie kritisieren die Benelux-Strategie der Landesregierung. Sie sagen, es gebe gar keine Strategie. Da passiere seit Jahre nichts mehr. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben diese Benelux-Strategie intensiv mit Ihnen diskutiert. Es ist schon fatal, dass man in einem solchen Antrag, in dem es um die Europawahl geht, die Benelux-Strategie der Landesregierung kritisiert.

Sie kritisieren die Nichtanwesenheit der Ministerin, die heute in Berlin weilt. Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen. Das ist schon abenteuerlich. Sie geht eben den Interessen des Landes nach im Auftrag von uns allen. Das sollte man auch zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf von der CDU)

Wir reden in diesem ganzen Zusammenhang immer – und das ist in Ihrem Antrag zu sehen – zu viel vom Binnenmarkt und zu wenig von einem sozialen Europa.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben eine europäische Wirtschafts- und Finanzunion. Das ist richtig, und das ist auch wichtig. Wir brauchen aber endlich auch eine Sozialunion. Es ist nach meiner Überzeugung ein Konstruktionsfehler der Europäischen Union, dass wir uns darum noch nicht gekümmert haben. Eines der Beispiele dafür, wohin das führt, ist die Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Gerade in Griechenland beträgt sie 60 %, in Spanien 50 %.

Nur mithilfe – jetzt kommen wir zu einem Punkt, den ich hochspannend finde – des Europäischen Parlaments wurde eine Jugendgarantie eingebracht. Die Regierungschefs – und deshalb brauchen wir ein starkes Parlament, das etwas durchsetzt – haben sich aber dieser Jugendgarantie zumindest hinsichtlich der finanziellen Verantwortung bisher entzogen, auch Frau Merkel. Das muss man deutlich sagen.

Wir brauchen ein starkes Parlament zur Kontrolle der Kommission. Mittlerweile ist die Kommission die Regierung Europas. Also braucht man in einer Demokratie ein starkes Parlament, das diese Regierung kontrollieren kann.

Der nächste Kommissionspräsident – Sie haben es gesagt – wird vom Parlament auf Vorschlag des Rates gewählt. Aber wie ist denn die Haltung von Frau Merkel dazu? Wie ist Ihre Haltung als Partei dazu? Ich habe nicht gehört, dass es dazu ein klares Bekenntnis gibt, welcher Spitzenkandidat die Mehrheit hinter sich bringt, damit er dann auch vom Rat vorgeschlagen wird. Da machen Sie sich einen sehr schlanken Fuß. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wir verstecken im Übrigen in unserem Wahlkampf den Spitzenkandidaten nicht. Die EVP – besser gesagt die CDU, die zur EVP gehört – versteckt ihren Spitzenkandidaten in Deutschland. Das ist Ihnen vielleicht peinlich. Ich weiß nicht, ob das so ist.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist um.

Markus Töns (SPD): Herr Präsident, ich komme zum Ende meiner Ausführungen.

(Zurufe von der CDU)

Wichtig ist in Europa, dass wir dem Rechtsruck in Europa ein Zeichen mit einer hohen Wahlbeteiligung entgegensetzen und dafür sorgen, dass die Menschen in Europa gut vertreten werden, und zwar durch ein starkes Europäisches Parlament. Dafür können wir alle werben. Es geht aber nicht darum, Einzelsüppchen zu kochen. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Stefan Engstfeld*) (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich schließe mich der Kritik an, die der Kollege Töns geäußert hat. Liebe CDU-Fraktion, liebe Ilka von Boeselager, es wäre gut und besser gewesen für diesen Tagesordnungspunkt, wenn die gute Initiative von der CDU-Fraktion hätte geöffnet werden können, wenn es eine interfraktionelle Lösung hätte geben können. Wir haben das Angebot gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es wurde abgelehnt. Jetzt haben wir unterschiedliche Anträge. Das ist nicht zuträglich, denn eigentlich müssten wir gemeinsam ein starkes Signal aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen an unsere Bevölkerung senden und sagen: Geht am 25. Mai wählen. Denn diejenigen – das wissen wir alle; das muss ich hier niemandem erklären –, die nicht wählen gehen, werden nachher von Mehrheiten im Parlament regiert, die sie nicht haben wollten.

Genau darum geht es bei dieser Europawahl. Bei dieser Europawahl 2014 geht es auch darum, ob der Einfluss von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in Europa weiter zunimmt. Wir sehen: In vielen Staaten der Europäischen Union treten Parteien mit nationalistischen Tönen an, die mit Forderungen nach dem Austritt aus der Europäischen Union, der Abschaffung des Euros und der Einschränkung der Freizügigkeit sowie gegen eine angebliche Bedrohung durch den Islam auf Stimmenfang gehen.

Auch in Deutschland versuchen rechtsgerichtete bis rechtsextreme Parteien, in das Europäische Parlament zu kommen. Während NPD oder PRO NRW mit offen rassistischen und antidemokratischen Forderungen auftreten, versucht die Alternative für Deutschland, mit wohlstandchauvinistischen, marktradikalen und teils nationalistischen Positionen in das Europaparlament zu kommen.

Gerade vor diesem Hintergrund der Gründungsgeschichte der Europäischen Union, die auf der Überwindung des Nationalismus fußt, ist es bedenklich, wenn sich Parteien zur Europawahl aufstellen, antreten und nachher gewählt werden, die die europäische Vereinigung rückabwickeln wollen. Diesen Tendenzen müssen wir entgegentreten.

Deswegen ist unser Aufruf: Gehen Sie wählen so, dass auch rassistische, antidemokratische und extremnationalistische Positionen keinen Einzug in das Europaparlament erhalten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die FDP spricht Herr Kollege Dr. Wolf.

Dr. Ingo Wolf (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich teile die Ansicht, dass ein Thema wie Europa elf Tage vor der Wahl eine prominentere Setzung auf der Tagesordnung verdient gehabt hätte. Es ist sicherlich kein Glanzstück, wenn wir uns um diese Zeit über ein Thema unterhalten, das uns alle bewegt und das uns auch in vielen Fällen eint.

Ich finde, dass der Ansatz der CDU, „Europa“ noch mal zum Thema zu machen, richtig ist und auch in Ihrem Papier eine ganze Reihe von Punkten enthalten ist, mit denen wir konform gehen. Das ist etwa die Besorgnis um das Erstarken extremistischer Kräfte sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Selbstverständlich gehört dazu auch die Frage der demokratischen Weiterentwicklung. Wir haben keine Equal Representation. Die großen Staaten sind in der Relation schwächer vertreten als die kleinen. Man kann da eine Menge beklagen.

Ich denke aber – deswegen werden wir uns enthalten –, dass es auch darüber hinaus einige Punkte gibt, die in diesem Antrag fehlen.

Mir ist das Thema „Friedens- und Freiheitsunion“ sehr wichtig. Gerade mit Blick auf die Ukraine ist das Thema „Sicherheit in Europa“ wieder auf die Tagesordnung gekommen. Man hat ein neues Gefühl, auch bei jungen Menschen, die das früher für selbstverständlich gehalten haben.

Wir haben die großen Themen „NSA“, „Big Data“, die Freiheitsrechte, deren Einschränkung droht.

Wir haben schließlich das Thema „Schengen“, aufkommende neue Grenzkontrollen bei den Niederlanden. Auch das besorgt uns. Das muss man sicherlich auch deutlich machen, dass das für Europa kein Ruhmesblatt ist, wenn wir in solche nationalen Egoismen zurückfallen.

Das zweite Thema ist Stabilitäts- und keine Transferunion, aber auch, lieber Herr Kollege Töns, keine Sozialunion. Wir wollen in der Tat Solidarität gegenüber den Staaten, die sich nicht selber helfen können, aber bitte gegen Solidität. Wir wollen eiserne Leitplanken, wenn Hilfe geleistet wird, und sind insofern nicht froh darüber, dass sowohl auf der CDU-Seite als auch auf der SPD-Seite da alles aufgeweicht worden ist, auch was den Einfluss der Troika anbetrifft.

Auch die Frage der Sozialunion, die hier noch mal angesprochen worden ist, will ich sehr kritisch beleuchten. Ich verweise auf eine Stellungnahme des Bundesrates Drucksache 119/14, in der der Bundesrat sehr deutlich sagt, dass es beispielsweise einen Königsweg für angemessenere, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten, der auf alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise angewendet werden kann, nicht gibt.

Das gilt natürlich auch für Löhne, Mindestlöhne, Sozialhilfe. Wir wollen hier den Vorrang der Nationalstaaten, ein deutliches Zeichen, dass dieses keine Verantwortung der Union ist, sondern der einzelnen Mitgliedstaaten.

Letztendlich, meine Damen und Herren, ist auch die Wettbewerbsunion für uns Liberale von ganz großer Bedeutung. Wir wollen Einheit. Aber wir wollen Einheit in Vielfalt. Deswegen soll sich die EU auf die großen Fragen beschränken. Da geht es um Flüchtlingsfragen. Da geht es um Außen- und Sicherheitspolitik. Da geht es insbesondere auch um Energiepolitik, wo wir glauben, dass Alleingänge falsch sind. Wir wollen, dass man die Mitgliedstaaten eben dort stark lässt, wo keine Europarelevanz besteht. Da kann das auch jeder Mitgliedstaat selber regeln. Da brauchen wir keine überbordenden Regelungen aus Brüssel. Das mindert die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für das Thema „Europa“.

Schließlich ein letzter Punkt: Perspektivunion. Wir bilden in unserem Kulturraum eine Blaupause für Freiheit, für Toleranz, für Bürgerrechte, aber auch für Marktwirtschaft.

Deswegen sagen wir Liberale Ja zu Europa. Wir sagen Ja zu einem grenzenlosen Europa innerhalb der Europäischen Union. Wir sagen Ja zum Binnenmarkt und vor allen Dingen auch zu einer EU, einer Europa-Wertegemeinschaft, die sich sehen lassen kann und die es sich auch lohnt, zu verteidigen, auszubauen und in der Welt zum Vorbild zu nehmen, auch wenn wir nicht jeden damit glücklich machen können und werden. Aber wir wollen unsere Werte deutlich verteidigen. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Kern.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und auch zu Hause! Wenn man den vorliegenden CDU-Antrag zum ersten Mal liest, will man eigentlich spontan zustimmen. Er liest sich gut und zeichnet ein blumiges Bild von NRW in Europa mit einer Vielzahl von Allgemeinplätzen und einem echten Wohlfühlcharakter.

Doch der Antrag ist in Wirklichkeit ein recht träges „Weiter so“ in der Europapolitik. Er geht leider an der Lebensrealität vor allem der jungen Menschen in Europa vorbei.

Ebenso ist es bei Rot-Grün. In einfühlsamer Prosa beklagen Sie sich in Ihrem Antrag über sinkende Wahlbeteiligungen und warnen vor der Gefahr von Rechts, aber ohne dabei Lösungen aufzuzeigen. Herr Töns, Sie fordern noch nicht einmal etwas.

Ihren Hinweis zur Sozialunion habe ich zur Kenntnis genommen. Aber setzen Sie sich doch einfach in Berlin in der Großen Koalition als SPD dafür ein. Das ist, glaube ich, wirksamer als hier.

(Beifall von den PIRATEN)

Die FDP behauptet in ihrem ansonsten seicht gehaltenen Antrag doch allen Ernstes – Zitat –: „Die europäische Verschuldenskrise hat Europa stärker zusammengebracht …“ – Das, Herr Dr. Wolf, ist ungefähr so, als wenn man bei einem Banküberfall mit Geiselnahme sagen würde, dies hätte die Bankkunden jetzt zusammengeschweißt.

(Beifall von den PIRATEN)

Das ist schon zynisch.

Das ist alles Showpolitik, die hier keinem wehtun und zu nichts verpflichten soll. Es sind aber eben nicht nur Worte, die zählen, sondern Taten. Denn es sind die gleichen etablierten Parteien, die das europäische Projekt einer jungen Generation zu vermitteln versuchen, die deren Perspektivlosigkeit und Europamüdigkeit mit verursacht haben.

Nur einige Beispiele: Sie beschweren sich über das Erstarken der Rechtspopulisten in ganz Europa. Gleichzeitig treibt die verheerende Austeritätspolitik die jungen Menschen genau denen massenhaft in die Arme.

Sie alle stellen die Wahl des Kommissionspräsidenten als demokratische Direktwahl dar. Dabei wurden die Nominierungen Schulz und Junckers wieder in Hinterzimmern zwischen den Staatschefs ausgeklüngelt.

Sie sprechen davon, die Menschen zur Stimmabgabe motivieren zu wollen, während Ihre Wahlplakate, liebe CDU, den Wählern suggerieren, dass Angela Merkel für das Präsidentenamt zur Wahl steht. Das ist nicht besonders seriös.

Wir Piraten wissen: Wenn die Sinnhaftigkeit der EU vermittelt werden soll, bedarf es eben auch einer Neuausrichtung der europäischen Politik vor allem auf die Belange der jungen Menschen in Europa.

Wir fordern eine funktionierende europäische Bildungs- und Ausbildungspolitik, eine starke, spürbare soziale Komponente in der EU und vor allem echte Mitbestimmungsmöglichkeiten.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben in unseren Antrag konkrete Forderungen aufgenommen, von der Direktwahl des Kommissionspräsidenten bis zum Initiativrecht für das Europaparlament.

Jetzt noch ein Wort zu der hier eben stattgefundenen Debatte, dass der TOP hier recht spät angesetzt wurde. Ja, da sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Da wurde jetzt auf die CDU gezeigt und gesagt, dass sie hätte beantragen können, den TOP früher zu behandeln. Aber das ist etwas heuchlerisch, da allein auf die CDU zu zeigen.

Denn der Grund dafür, dass wir hier so spät darüber diskutieren, liegt darin, dass wir nicht drei Plenartage vereinbart haben, sondern – das wurde von Ihnen bzw. von Ihren Parlamentarischen Geschäftsführern so gewünscht – das auf zwei Tage reduziert haben. Daher die Zeitnot und der ungünstige Zeitpunkt. Da können Sie sich an die eigene Nase fassen.

(Beifall von den PIRATEN)

Frau von Boeselager, ich befürchte, so gut der Antrag auch gemeint war, wir überschätzen Wirkung und Wirksamkeit unseres Tuns im Parlament, wenn wir glauben, dass so ein Antrag tatsächlich Einfluss auf die Wahlbeteiligung hat. Viel wichtiger wäre es, in Europa bürgernahe Politik zu machen und die Menschen mitzunehmen. Dann braucht man sich keine Gedanken über die Wahlbeteiligung zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Landesregierung spricht Minister Schneider in Vertretung von Frau Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau von Boeselager, eine Bemerkung. Die Europaministerin schwänzt nicht; sie ist dienstlich unterwegs. Wir sollten niemandem unterstellen, seine Arbeitskraft nicht einzubringen, um das Land NRW voranzubringen.

Mit dem vorliegenden Antrag unterstreicht die CDU-Fraktion die Bedeutung Europas für NRW. Zudem weist sie auf die Bedeutung Nordrhein-Westfalens für Europa hin. So weit, so gut. All das ist zu begrüßen. Auch dass der Antrag auf die partnerschaftliche Verbundenheit mit unseren Nachbarstaaten Belgien, den Niederlanden und Luxemburg eingeht, ist lobenswert. Damit habe ich aber auch schon alle positiven Aspekte des Antrags genannt.

Völlig falsch ist der Vorwurf der CDU, das Engagement der Landesregierung hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Beneluxstaaten erscheine derzeit als unambitioniert oder lustlos.

Tatsache ist: Die Zusammenarbeit sowohl mit den Beneluxstaaten als auch mit der Beneluxunion hat unter dieser Landesregierung erheblich an Dynamik gewonnen. Mit unserer im letzten Jahr beschlossenen Beneluxstrategie wurde zum ersten Mal überhaupt die Zusammenarbeit mit Nachbarländern mit einem strategischen Ansatz versehen.

Wie vielfältig die politischen Austausche sind, lässt sich an den zahlreichen Terminen auf politischer Ebene ablesen und bei den entsprechenden Gesprächen nachzeichnen. So hat die Ministerpräsidentin ihre ersten Auslandsreisen nach der Regierungsneubildung nach Belgien, in die Niederlande sowie nach Luxemburg unternommen. Das unterstreicht die politische Bedeutung, die die Landesregierung der Zusammenarbeit mit unseren unmittelbaren Nachbarn beimisst.

Dass unsere Nachbarn das auch so sehen, zeigen die Gegenbesuche auf höchster Ebene. So war erst kürzlich – Mitte Januar – der niederländische Ministerpräsident in Düsseldorf zu Gast. Dass das niederländische Königspaar am 27. Mai zu einem Besuch in NRW weilen wird, unterstreicht unsere Beziehungen auf höchster Ebene.

Zudem werden wir zum Tag der Deutschen Einheit im Jahr 2014 unser Land in Den Haag präsentieren und dort gemeinsam mit dem deutschen Botschafter Niederländerinnen und Niederländer empfangen.

Im Antrag fehlt gänzlich – darauf ist schon hingewiesen worden – die Sozialpolitik. Ein Hinweis auf einen notwendigen gemeinsamen europäischen Rahmen in der Sozialpolitik und dessen Umsetzung auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene hätte dem Antrag tatsächlich gutgetan, auch weil die Zustimmung der Menschen zur europäischen Integration daran hängt, dass Europa in den Köpfen der Menschen nicht allein mit Liberalisierungspolitik und dem Rückbau des Sozialstaates verbunden wird, wie er zuletzt in den Krisenstaaten erfolgt ist.

Deshalb kann die Landesregierung den Antrag der CDU nicht unterstützen. Auch dem Änderungsantrag der Piraten und dem Entschließungsantrag der FDP können wir unsere Unterstützung nicht geben. Die FDP schürt nur die Angst vor einer möglichen Vergemeinschaftung von Schulden.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen konzentriert sich auf die Trias, die vor den Europawahlen wirklich wichtig sind: hohe Wahlbeteiligung, starkes Parlament, klare Absage an alle europafeindlichen Strömungen. Dies beinhaltet die Bekämpfung aller Formen des Nationalismus, des Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit.

Mit diesen klaren Positionen können wir vielleicht noch in den nächsten Tagen vor allem auf die Wahlbeteiligung Einfluss nehmen. Wir müssen uns gemeinsam bemühen, die Wahlbeteiligung zu erhöhen, damit die Wahlen auch weiterhin ein Beispiel dafür bieten, dass Europa demokratisiert und über demokratische Institutionen vorangebracht wird. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von den GRÜNEN: Bravo!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich bedanke mich auch für die Begeisterung im Saal beim Thema „Europa“.

Wir kommen zur Abstimmung über vier Anträge.

Ich rufe zunächst den Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/5864 auf. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Antrag Drucksache 16/5864 mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und FDP gegen die Stimmen der Piraten abgelehnt.

Zweitens. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5775. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt dieses Antrages. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/5775 der CDU mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Zustimmung der CDU-Fraktion, bei Enthaltung der FDP-Fraktion und der Fraktion der Piraten abgelehnt.

Drittens. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/5852. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/5852 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU, der FDP und der Fraktion der Piraten angenommen.

Viertens. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5875. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/5875 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion der CDU und der Fraktion der Piraten bei Zustimmung der FDP-Fraktion abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den nächsten Tagesordnungspunkt auf:

18       Zweites Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich der Ministerpräsidentin

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5411

Beschlussempfehlung
des Hauptausschusses
Drucksache 16/5779

zweite Lesung

Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 2)

Wir kommen somit direkt zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/5779, den Gesetzentwurf Drucksache 16/5411 unverändert anzunehmen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/5411  mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und Piraten bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

19       Zweites Gesetz zur Änderung von landesrechtlichen Vorschriften aus Anlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes und zur Vornahme weiterer Änderungen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5303

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/5781

zweite Lesung

Auch hier haben sich die Fraktionen zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 3)

Wir kommen zur direkten Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 16/5781, den Gesetzentwurf Drucksache 16/5303 unverändert anzunehmen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dem nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/5303 in zweiter Lesung einstimmig vom Landtag verabschiedet.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

20       Gesetz zur Modernisierung des Verwaltungsverfahrensgesetzes und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5230

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 16/5782

zweite Lesung

Wir kommen nun zur Aussprache. Ich erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Kollegen Heinrichs das Wort.

Falk Heinrichs (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der insbesondere darauf abzielt, aktuelle Änderungen im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes in das Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen zu übertragen. Die auf Bundesebene beschlossene Regelung, die es jetzt in Landesrecht zu übernehmen gilt, erscheint der SPD-Landtagsfraktion durchaus sinnvoll und begrüßenswert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Darüber hinaus ist die SPD-Landtagsfraktion davon überzeugt, dass diese gesetzlichen Anpassungen einen spürbaren Beitrag zu mehr Effizienz und Transparenz wichtiger Verwaltungsverfahren bei uns in Nordrhein-Westfalen leisten werden. Gute Sache, weiter so! – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Heinrichs. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Korte.

Kirstin Korte (CDU): Herr Präsident! Auch ich werde es recht kurz machen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung werden die jüngsten Änderungen im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes auf das Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen übertragen. Wir hörten es.

Dieses betrifft insbesondere verfahrensbeschleunigende Maßgaben, Vorschriften im Bereich der Planungen von Infrastrukturvorhaben sowie die Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens – Stichwort: frühe Öffentlichkeitsbeteiligung.

Darüber hinaus werden Änderungen im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes infolge des E-Government-Gesetzes auf das Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen übertragen. Die vorgeschlagenen Anpassungen setzen damit genau das in Landesrecht um, was der Deutsche Bundestag auf Initiative der unionsgeführten Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr beschlossen hat.

Die CDU-Fraktion wird sich der Beschlussempfehlung des Innenausschusses deshalb anschließen und dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Korte. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Bolte.

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer im Stream! Das vorliegende Gesetz zur Modernisierung des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist – das haben wir gehört – im Wesentlichen eine rechtstechnische Übertragung dreier Bundesgesetze.

Das erste betrifft das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, das in unser Verwaltungsverfahrensgesetz übertragen wird. Stichwort: „Frühe Bürgerbeteiligung“. Wenn das alles so funktioniert, wie man es sich vorstellt und wie wir es uns wünschen, führt das zu einer größeren Akzeptanz für Projekte. Das finden wir alle gut, denn daraus resultiert entgegen landläufiger Vorbehalte keine überbordende Verzögerung von Projekten, sondern sie führt eher zu zügigeren Verfahren, zu niedrigeren Kosten und zu weniger Widerstand in der Bevölkerung. Das ist doch etwas, was wir begrüßen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Beim zweiten Bereich wird es spannend, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist Viertel vor zehn, da kann man auch einmal über E-Government sprechen. Die Regelungen aus dem E-Government-Gesetz des Bundes sollen jetzt in einem ersten Schritt mit kleinen Änderungen in das Verwaltungsverfahrensgesetz übertragen werden. Auch das ist sicherlich kein Hexenwerk im Föderalismus, dass man eine bundesrechtliche in eine landesrechtliche Regelung überträgt.

Sie alle, die sich damit auseinandergesetzt haben, wissen, dass wir als Grüne zum E-Government-Gesetz des Bundes, welches Frau Korte gerade loben musste, starke Kritik vorgebracht haben. DeMail ist sicherlich noch mit vielen Problemen behaftet – genauso wie auch die qualifizierte elektronische Signatur im Moment noch mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen hat. Da besteht also bundesrechtlicher Nachbesserungsbedarf, Kollege Marsching. Das sehen Sie völlig richtig. Dem soll sich die neue Bundesregierung doch, bitte schön, widmen. Dazu sind Absichten im Vertrag der Großen Koalition verankert, und die müssen jetzt in die Tat umgesetzt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, klar ist nämlich: Im Bundesrecht klafft bisher noch eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Bezug darauf, mehr Beteiligung und mehr Offenheit zu ermöglichen. Da ist wenig passiert.

Das ist der Punkt, wo NRW den Unterschied machen wird; denn für uns geht es bei E-Government um weit mehr als eine reine Vereinfachung von Verwaltungsprozessen. Es geht – das haben Sie in den letzten Monaten und Jahren von uns immer wieder an verschiedenen Stellen der Debatte hören dürfen – natürlich klar um mehr Beteiligung durch die Open-Government-Strategie, um mehr Transparenz durch Open-Delta und natürlich auch um Verbesserungen im Bereich E-Government.

Dass da Handlungsbedarf besteht, meine Damen und Herren, können Sie nicht zuletzt aus den Ergebnissen des grünen Online-Checks ablesen, der die Kommunen und ihre Internet-Angebote getestet hat. Da haben wir ganz klar gesehen: Es gibt Handlungsbedarf. Das fassen wir jetzt an.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was wir dann anfassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir garantiert vor 21:00 Uhr debattieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. Auch Sie haben Ihre Redezeit von fünf Minuten nicht ausgenutzt. Ich gebe das Wort jetzt weiter an Herrn Dr. Orth von der FDP-Fraktion.

Dr. Robert Orth (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde jetzt nicht der Versuchung erliegen und mich mit dem Kollegen Bolte auseinandersetzen, auch wenn er die eine oder andere Vorlage gegeben hat, sondern ich sage einfach nur: Wir hatten in Bezug auf den Gesetzentwurf keine Bedenken im Innenausschuss. Deswegen stimmen auch wir heute zu. – Schönen Abend!

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger im Livestream! Ich weiß, es ist spät, und ich weiß auch, dass Sie Ihre...

(Unruhe)

– Vielleicht können Sie etwas zur Ruhe kommen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte trotz der Freude über die kurzen Redebeiträge um etwas Aufmerksamkeit und Ruhe im Plenarsaal.

Frank Herrmann (PIRATEN): Danke schön. – Ich weiß, dass Sie Ihre Reden lieber zu Protokoll gegeben hätten; aber ich finde es gut, dass wir heute zum ersten Mal über dieses Gesetz gesprochen haben. Weil es das erste und gleichzeitig das letzte Mal ist, lassen Sie mich – das kann ich Ihnen leider nicht ersparen – ein paar Anmerkungen zur Verfahrensdokumentation machen, die hier im Landtag erstellt werden wird.

Ich möchte zunächst kurz auf die vorliegende Beschlussempfehlung …

(Unruhe)

– Vielleicht gehen Sie zum Reden besser nach draußen. – Ich möchte kurz auf die vorliegende Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses eingehen. Dort steht, dass sich der Ausschuss an zwei Terminen mit dem Gesetzentwurf befasst hat. – Das ist formal sicherlich korrekt. Beim ersten Termin haben wir, die Piratenfraktion, ein Sachverständigengespräch beantragt. Das war alles. Beim zweiten Termin ist dieses Gespräch durchgeführt worden, und gleichfalls hat dort die Schlussabstimmung stattgefunden. Eine inhaltliche Befassung gab es nicht.

(Matthi Bolte [GRÜNE]: Sie haben doch eingewilligt in dieses Verfahren!)

Zu dem Sachverständigengespräch hätten nach den Regeln des Ausschusses fünf Sachverständige eingeladen werden können. Einer war anwesend. Wir waren die einzige Fraktion, die Fragen gestellt hat, welche leider auch nur zum Teil beantwortet werden konnten. Danach gab es die Abstimmung, und es war Schluss. Die schriftliche Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände wurde von niemandem beachtet. Das war die Befassung im Innenausschuss.

Meine Damen und Herren, ist das Gesetz so sensationell gut, dass es keiner Beratung bedarf? – Mit Sicherheit nicht.

Ich komme kurz zum Inhalt. Der vorliegende Gesetzentwurf soll nach Auffassung von Herrn Minister Jäger gemäß seiner bei der Einbringung zu Protokoll gegebenen Rede lediglich bundesgesetzliche Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planungsverfahren auf Landesebene einführen und zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation in Nordrhein-Westfalen beitragen. – Genau das Gegenteil ist aber der Fall.

Die im Entwurf aufgeführten Verfahren für eine frühe Bürgerbeteiligung im Vorfeld von Planfeststellungsverfahren sind lediglich mit einer Hinwirkungspflicht versehen. Das ist alles andere als eine klare Aussage und wird dazu führen, dass dieses Gesetz bei strittigen Fällen nie zur Anwendung kommen wird. Ich glaube eher, dass dieses Gesetz ein Verwaltungsgerichtsverfahrenbeschaffungsgesetz wird.

Was passiert, wenn sich jemand gegen eine Hinwirkungspflicht ernsthaft zu Wehr setzt, sehen wir aktuell bei der Debatte über die Offenlegung der Vergütung von Sparkassenvorständen. Auch hier ist die Landesregierung nicht bereit, zuzugeben, dass ihre eigens installierte Hinwirkungspflicht Unsinn ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten sprechen uns nicht nur in solchen Verfahren, sondern immer für eine klare und gesetzlich verpflichtende Regelung der Öffentlichkeitsbeteiligung aus. Jeder Bürger soll verlässlich recherchieren können, wo und wann er sich bei der Gestaltung seines Lebensumfeldes einbringen kann.

(Beifall von den PIRATEN)

Hier aber wird nur ein fauler Kompromiss von Schwarz-Gelb aus der abgelaufenen Legislaturperiode des Bundestags umgesetzt.

Wir hätten fast ein ganzes Jahr lang Zeit gehabt, um für Nordrhein-Westfalen ein besseres Umsetzungsgesetz zu erarbeiten. Leider hat das Ministerium für Inneres und Kommunales einmal mehr den letzten Termin gewählt, um das mit aller Gewalt durch das Parlament zu drücken. Schlechtes Gesetz – schlechte Umsetzung – schlechte Bürgerbeteiligung!

In den kommenden Tagen wollen Sie sich für Ihre Open-Government-Strategie mit neuen Formen der Bürgerbeteiligung abfeiern lassen? Wie passt das zusammen?

In der Großen Anfrage der Grünen zum Verbraucherschutz hat man die Arbeit der Landesregierung als tadellos dargestellt. Ich bin enttäuscht von den regierungstragenden Fraktionen, dass man diese Farce hier mitmacht.

Kommen wir noch kurz zu E-Government und der De-Mail! Zuletzt haben wir von den Grünen gehört, dass die NSA-Debatte bereits überholt ist.

(Matthi Bolte [GRÜNE]: Von wem haben Sie das gehört?)

Heute wird die De-Mail von den Grünen einfach so im Land eingeführt.

– Herr Bolte, ich habe eben das erste Mal ein kleines bisschen Kritik gehört, dass De-Mail zu kritisieren ist. Warum haben Sie keinen Vorschlag gemacht? Warum haben Sie nichts geändert? Dass De-Mail trotz der massiven Kritik – auch im bundesgesetzlichen Verfahren – nun mit diesem Gesetzentwurf die Schriftform im Verwaltungsverfahren ersetzen kann,

(Lebhafter Widerspruch von Matthi Bolte [GRÜNE] – Zuruf von den PIRATEN: Gehen Sie nach Hause!)

zeigt, dass die Landesregierung entweder technisch inkompetent ist oder politisch einfach nicht will, ihren Bürgerinnen und Bürgern eine technisch einwandfrei verschlüsselte Kommunikationsform zur Verfügung zu stellen!

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überschritten.

Frank Herrmann (PIRATEN): Herr Präsident, ich könnte diesen Punkt noch viel weiter ausdehnen. Aber in Anbetracht des Faktes, dass Sie es geschafft haben, diesen peinlichen Tagesordnungspunkt auf eine Zeit jenseits 21 Uhr zu legen, beglückwünsche ich Sie zu diesem Coup.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das Einzige, was peinlich ist, ist Ihr Auftritt!)

Leider werden Sie nun ein wirklich schlechtes Gesetz für Nordrhein-Westfalen beschließen. Ich kann meiner Fraktion nur empfehlen, sich mit einer Ablehnung ganz weit von diesem Entwurf zu distanzieren. – Danke schön.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein gutes Gesetz. Die Landesregierung empfiehlt Zustimmung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/5782, den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/5230 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über diesen Gesetzentwurf. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/5230 von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP gegen die Stimmen der Piraten in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

21       Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Bundesausbildungsförderungsgesetz

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5545 – Neudruck

erste Lesung

Ministerin Löhrmann hat mitgeteilt, dass sie ihre Einbringungsrede zu Protokoll  geben wird. (Siehe Anlage 4)

(Beifall von der SPD)

Eine weitere Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Somit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/5545 – Neudruck – an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend – sowie an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist einstimmig Überweisung erfolgt.

Wir kommen zu

22       Gesetz über die Zulassung von Zentren und über die Einrichtung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in Nordrhein-Westfalen (Präimplantationsdiagnostikgesetz Nordrhein-Westfalen – PIDG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5546

erste Lesung

Frau Ministerin Steffens hat mitgeteilt, dass sie ihre Rede zur Einbringung des Gesetzentwurfs zu Protokoll  geben wird. (Siehe Anlage 5) Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung: Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/5546 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung einstimmig erfolgt.

Wir kommen zu

23       Gesetz zur Änderung des Archivgesetzes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/5774

erste Lesung

Frau Ministerin Schäfer hat mir mitgeteilt, dass sie ihre Einbringungsrede zu Protokoll  gegeben hat. (Siehe Anlage 6) Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/5774 an den Ausschuss für Kultur und Medien. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu

24       Sexuelle Gewalt an Frauen und Männern mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung konsequent bekämpfen!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/5555

erste Lesung

Eine Beratung ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5555 an den Ausschuss Frauen, Gleichstellung und Emanzipation – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales; Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch diese Überweisung einstimmig erfolgt.

Wir kommen zu

25       Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 4. Quartal des Haushaltsjahres 2013 sowie Überschreitungen unter 25.000 Euro im gesamten Haushaltsjahr 2013

Antrag
des Finanzministeriums
gemäß Artikel 85 Absatz 2 LV
Vorlage 16/1823

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/5783

Eine Debatte ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/5783, die mit Vorlage 16/1823 beantragte Genehmigung zu erteilen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer folgt dieser Empfehlung nicht? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU und der FDP und unterschiedlichen Abstimmungen bei den Kollegen der Piratenfraktion angenommen und die beantragte Genehmigung erteilt.

Ich rufe auf:

26       Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Stadt Ahaus sowie weiterer 13 Städte und Gemeinden §§ 8 Abs. 3 und 5 des Gesetzes zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2013 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 – GFG 2013) vom 21. März 2013 (GV.NRW. S. 167 ff.) verletzten die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung

VerfGH 7/14
Vorlage 16/1816

Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses
Drucksache 16/5784

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 16/5784, in dem Verfahren nicht Stellung zu nehmen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen wird, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dieser Empfehlung nicht folgen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung 16/5784 einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

27       In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 19
gem. § 82 Abs. 2 GeschO
(§ 79 Abs. 2 GeschO a. F.)
Drucksache 16/5785

Die Übersicht 19 enthält sechs Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 Geschäftsordnung bzw. § 79 Abs. 2 Geschäftsordnung a. F. an den Ausschuss zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden, sowie einen Entschließungsantrag und zwei Änderungsanträge.

Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den Ausschüssen entsprechend der Übersicht 19 abstimmen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Damit ist auch dieses Abstimmungsverhalten einstimmig durch das Plenum bestätigt worden.

Wir kommen zu:

28       Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 16/21

Mit der Übersicht 21 liegen Ihnen Beschlüsse zu Petitionen vor. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. – Ist jemand mit den Beschlüssen nicht einverstanden? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung fest, dass damit diese Beschlüsse bestätigt sind.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung. Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 15. Mai 2014, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen trotz der fortgeschrittenen Stunde noch einen angenehmen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 22:02 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage 1

Namentliche Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/5744TOP 10 (Verantwortung für die Bevölkerung wahrnehmen – PCB-betroffene Lehrkräfte, Eltern und Schüler nicht alleine lassen!)

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Herr Abel

GRÜNE

 

X

 

2

 Herr Abruszat

FDP

 

X

 

3

 Herr Dr. Adelmann

SPD

 

X

 

4

 Herr Alda

FDP

 

X

 

5

 Frau Altenkamp

SPD

 

X

 

6

 Frau Andres

SPD

 

X

 

7

 Frau Asch

GRÜNE

 

X

 

8

 Herr Bas

GRÜNE

 

X

 

9

 Herr Bayer

PIRATEN

X

 

 

10

 Herr Becker, Andreas

SPD

 

X

 

11

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

 

X

 

12

 Frau Beer

GRÜNE

 

X

 

13

 Frau Dr. Beisheim

GRÜNE

 

X

 

14

 Herr Bell

SPD

 

X

 

15

 Frau Benninghaus

SPD

 

X

 

16

 Herr van den Berg

SPD

 

X

 

17

 Herr Dr. Berger

CDU

 

 

X

18

 Herr Berghahn

SPD

 

X

 

19

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

 

X

20

 Herr Beu

GRÜNE

 

X

 

21

 Herr Bialas

SPD

 

X

 

22

 Herr Biesenbach

CDU

 

 

X

23

 Frau Birkhahn

CDU

 

 

X

24

 Herr Bischoff

SPD

 

X

 

25

 Frau Blask

SPD

 

X

 

26

 Herr Börner

SPD

 

X

 

27

 Herr Börschel

SPD

abwesend

28

 Freifrau von Boeselager

CDU

 

 

X

29

 Herr Bolte

GRÜNE

 

X

 

30

 Herr Bombis

FDP

 

X

 

31

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

 

X

 

32

 Frau Brand

PIRATEN

X

 

 

33

 Frau Brems

GRÜNE

 

X

 

34

 Herr Breuer

SPD

 

X

 

35

 Herr Brockes

FDP

 

X

 

36

 Frau Dr. Bunse

CDU

 

 

X

37

 Herr Burkert

CDU

 

 

X

38

 Herr Busen

FDP

entschuldigt

39

 Herr Dahm

SPD

 

X

 

40

 Herr Deppe

CDU

 

 

X

41

 Frau van Dinther

CDU

 

 

X

42

 Frau Dmoch-Schweren

SPD

 

X

 

43

 Frau Doppmeier

CDU

 

 

X

44

 Herr Dr. Droste

CDU

 

 

X

45

 Herr Dudas

SPD

 

X

 

46

 Frau Düker

GRÜNE

 

X

 

47

 Herr Düngel

PIRATEN

entschuldigt

48

 Herr Eiskirch

SPD

 

X

 

49

 Herr Ellerbrock

FDP

 

X

 

50

 Herr Engstfeld

GRÜNE

 

X

 

51

 Frau Fasse

CDU

 

 

X

52

 Herr Fehring

CDU

 

 

X

53

 Herr Feuß

SPD

 

X

 

54

 Herr Fortmeier

SPD

 

X

 

55

 Frau Freimuth

FDP

 

X

 

56

 Herr Fricke

PIRATEN

X

 

 

57

 Herr Ganzke

SPD

 

X

 

58

 Herr Garbrecht

SPD

 

X

 

59

 Herr Gatter

SPD

abwesend

60

 Frau Gebauer

FDP

 

X

 

61

 Frau Gebhard

SPD

 

X

 

62

 Herr Geyer

SPD

 

X

 

63

 Frau Gödecke

SPD

 

X

 

64

 Herr Goldmann

GRÜNE

 

X

 

65

 Herr Golland

CDU

entschuldigt

66

 Frau Grochowiak-Schmieding

GRÜNE

 

X

 

67

 Herr Große Brömer

SPD

 

X

 

68

 Herr von Grünberg

SPD

 

X

 

69

 Herr Grunendahl

CDU

 

 

X

70

 Frau Güler

CDU

 

 

X

71

 Herr Haardt

CDU

 

 

X

72

 Herr Dr. Hachen

CDU

 

 

X

73

 Frau Hack

SPD

 

X

 

74

 Herr Hafke

FDP

 

X

 

75

 Herr Hahnen

SPD

 

X

 

76

 Frau Hammelrath, Gabriele

SPD

 

X

 

77

 Frau Hammelrath, Helene

SPD

 

X

 

78

 Frau Hanses

GRÜNE

 

X

 

79

 Herr Hausmann

CDU

 

 

X

80

 Herr Hegemann

CDU

 

 

X

81

 Herr Heinrichs

SPD

 

X

 

82

 Frau Hendricks

SPD

 

X

 

83

 Herr Hendriks

CDU

 

 

X

84

 Herr Herrmann

PIRATEN

X

 

 

85

 Herr Herter

SPD

 

X

 

86

 Herr Hilser

SPD

 

X

 

87

 Herr Höne

FDP

 

X

 

88

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

 

X

89

 Frau Howe

SPD

entschuldigt

90

 Herr Hübner

SPD

 

X

 

91

 Herr Jäger

SPD

 

X

 

92

 Herr Jahl

SPD

 

X

 

93

 Frau Jansen

SPD

 

X

 

94

 Herr Jörg

SPD

 

X

 

95

 Herr Jostmeier

CDU

 

 

X

96

 Herr Jung

CDU

 

 

X

97

 Herr Kämmerling

SPD

 

X

 

98

 Herr Kaiser

CDU

 

 

X

99

 Herr Kamieth

CDU

 

 

X

100

 Herr Kerkhoff

CDU

 

 

X

101

 Herr Kern, Nicolaus

PIRATEN

X

 

 

102

 Herr Kern, Walter

CDU

 

 

X

103

 Herr Keymis

GRÜNE

 

X

 

104

 Frau Kieninger

SPD

 

X

 

105

 Herr Klocke

GRÜNE

 

X

 

106

 Frau Klöpper

CDU

 

 

X

107

 Herr Körfges

SPD

 

X

 

108

 Frau Kopp-Herr

SPD

 

X

 

109

 Frau Korte

CDU

 

 

X

110

 Herr Kossiski

SPD

 

X

 

111

 Frau Kraft

SPD

entschuldigt

112

 Herr Kramer

SPD

 

X

 

113

 Herr Krick

SPD

abwesend

114

 Herr Krückel

CDU

 

 

X

115

 Herr Krüger

GRÜNE

 

X

 

116

 Herr Kruse

CDU

 

 

X

117

 Herr Kufen

CDU

 

 

X

118

 Herr Kuper

CDU

 

 

X

119

 Herr Kutschaty

SPD

 

X

 

120

 Herr Lamla

PIRATEN

X

 

 

121

 Herr Laschet

CDU

abwesend

122

 Herr Lienenkämper

CDU

 

 

X

123

 Herr Lindner

FDP

abwesend

124

 Herr Löcker

SPD

 

X

 

125

 Herr Lohn

CDU

 

 

X

126

 Frau Lück

SPD

 

X

 

127

 Frau Lüders

SPD

 

X

 

128

 Herr Lürbke

FDP

 

X

 

129

 Frau Lux

SPD

 

X

 

130

 Frau Maaßen

GRÜNE

 

X

 

131

 Herr Dr. Maelzer

SPD

 

X

 

132

 Herr Markert

GRÜNE

 

X

 

133

 Herr Marquardt

SPD

 

X

 

134

 Herr Marsching

PIRATEN

X

 

 

135

 Herr Meesters

SPD

 

X

 

136

 Frau Middendorf

CDU

 

 

X

137

 Frau Milz

CDU

 

 

X

138

 Herr Möbius

CDU

 

 

X

139

 Herr Moritz

CDU

 

 

X

140

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

 

X

 

141

 Herr Müller, Hans-Peter

SPD

 

X

 

142

 Herr Müller, Holger

CDU

 

 

X

143

 Frau Müller-Witt

SPD

 

X

 

144

 Herr Münchow

SPD

 

X

 

145

 Herr Münstermann

SPD

 

X

 

146

 Herr Nettekoven

CDU

 

 

X

147

 Herr Nettelstroth

CDU

 

 

X

148

 Herr Neumann

SPD

 

X

 

149

 Herr Nückel

FDP

 

X

 

150

 Herr Olejak

PIRATEN

X

 

 

151

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

 

X

152

 Herr Ortgies

CDU

 

 

X

153

 Herr Dr. Orth

FDP

 

X

 

154

 Herr Ott

SPD

 

X

 

155

 Herr Dr. Papke

FDP

 

X

 

156

 Herr Dr. Paul, Joachim

PIRATEN

X

 

 

157

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

 

X

 

158

 Frau Philipp

SPD

 

X

 

159

 Frau Pieper

PIRATEN

X

 

 

160

 Herr Post

CDU

 

 

X

161

 Herr Preuß

CDU

 

 

X

162

 Frau Preuß-Buchholz

SPD

 

X

 

163

 Herr Priggen

GRÜNE

 

X

 

164

 Herr Rahe

SPD

 

X

 

165

 Herr Rasche

FDP

 

X

 

166

 Herr Rehbaum

CDU

 

 

X

167

 Herr Römer

SPD

 

X

 

168

 Herr Rohwedder

PIRATEN

X

 

 

169

 Herr Rüße

GRÜNE

 

X

 

170

 Frau Ruhkemper

SPD

 

X

 

171

 Frau Rydlewski

PIRATEN

X

 

 

172

 Frau Schäfer, Ute

SPD

 

X

 

173

 Frau Schäffer, Verena

GRÜNE

 

X

 

174

 Frau Scharrenbach

CDU

 

 

X

175

 Herr Schatz

PIRATEN

entschuldigt

176

 Herr Scheffler

SPD

 

X

 

177

 Herr Schemmer

CDU

 

 

X

178

 Herr Schick

CDU

 

 

X

179

 Herr Schittges

CDU

entschuldigt

180

 Herr Schlömer

SPD

 

X

 

181

 Herr Schmalenbach

PIRATEN

X

 

 

182

 Herr Schmeltzer

SPD

 

X

 

183

 Herr Schmitz, Hendrik

CDU

 

 

X

184

 Frau Schmitz, Ingola Stefanie

FDP

 

X

 

185

 Frau Schneckenburger

GRÜNE

entschuldigt

186

 Herr Schneider, Guntram

SPD

 

X

 

187

 Herr Schneider, René

SPD

 

X

 

188

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

X

 

189

 Herr Schultheis

SPD

 

X

 

190

 Herr Schulz

PIRATEN

X

 

 

191

 Frau Schulze

SPD

 

X

 

192

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

 

X

193

 Herr Schwerd

PIRATEN

X

 

 

194

 Herr Seel

CDU

 

 

X

195

 Frau Dr. Seidl

GRÜNE

 

X

 

196

 Herr Sieveke

CDU

 

 

X

197

 Herr Sommer

PIRATEN

X

 

 

198

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

 

X

 

199

 Herr Spiecker

CDU

 

 

X

200

 Herr Dr. Stamp

FDP

abwesend

201

 Herr Stein

fraktionslos

 

 

X

202

 Frau Steininger-Bludau

SPD

 

X

 

203

 Frau Steinmann

SPD

 

X

 

204

 Herr Prof. Dr.Dr. Sternberg

CDU

 

 

X

205

 Herr Stotko

SPD

 

X

 

206

 Frau Stotz

SPD

 

X

 

207

 Herr Sundermann

SPD

 

X

 

208

 Herr Tenhumberg

CDU

entschuldigt

209

 Herr Thiel

SPD

entschuldigt

210

 Herr Töns

SPD

 

X

 

211

 Herr Tüttenberg

SPD

 

X

 

212

 Herr Ünal

GRÜNE

 

X

 

213

 Herr Uhlenberg

CDU

 

 

X

214

 Frau Velte

GRÜNE

 

X

 

215

 Herr Vogt, Alexander

SPD

 

X

 

216

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

 

X

217

 Frau Voigt-Küppers

SPD

 

X

 

218

 Frau Voßeler

CDU

 

 

X

219

 Herr Voussem

CDU

 

 

X

220

 Frau Wagener

SPD

 

X

 

221

 Frau Warden

SPD

 

X

 

222

 Frau Watermann-Krass

SPD

 

X

 

223

 Herr Weckmann

SPD

 

X

 

224

 Herr Wedel

FDP

 

X

 

225

 Herr Wegner

PIRATEN

X

 

 

226

 Herr Weiß

SPD

 

X

 

227

 Herr Weske

SPD

 

X

 

228

 Herr Wirtz, Axel

CDU

 

 

X

229

 Herr Wirtz, Josef

CDU

 

 

X

230

 Herr Witzel

FDP

 

X

 

231

 Herr Dr. Wolf, Ingo

FDP

 

X

 

232

 Herr Wolf, Sven

SPD

 

X

 

233

 Herr Wüst

CDU

 

 

X

234

 Herr Yetim

SPD

entschuldigt

235

 Herr Yüksel

SPD

 

X

 

236

 Frau Zentis

GRÜNE

 

X

 

237

 Herr Zimkeit

SPD

 

X

 

 

Ergebnis

 

17

139

64

 


Anlage 2

Zu TOP 18 – Zweites Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich der Ministerpräsidentin – zu Protokoll gegebene Reden

Elisabeth Müller-Witt (SPD):

Die heute aufgrund der Gesetze zur Befristung von Landesrecht zur Überprüfung anstehenden Gesetze aus dem Zuständigkeitsbereich der Ministerpräsidentin sind zum einen das Gesetz über den Verdienstorden des Landes NRW in der Form vom 9. Juni 2009, zum anderen das Gesetz über die staatliche Anerkennung für Rettungstaten, ebenfalls in der form vom 9. Juni 2009.

In Form eines Artikelgesetzes sollen nun beide vorliegenden Normen angesichts der Tatsache, dass sie sich bewährt haben und keiner Änderung bedürfen, zusammen entfristet und auf Dauer angelegt werden.

Dies dürfte, davon gehe ich aus, unstrittig sein – entsprechend der Beschlussfassung des Hauptausschusses und trotz der dortigen Ablehnung durch die FDP-Fraktion.

Sowohl die Auszeichnung von Mitbürgern für besondere herausragende Leistungen auf den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern als auch die Ehrung von Rettungstaten, welche oftmals unter Einsatz des eigenen Lebens erfolgten, sind nicht zur Disposition stehende Akte, die nun auch in unbefristeten Gesetzen ihre entsprechende Wertschätzung erfahren sollen. Wir werden daher dem Artikelgesetz zur Umsetzung dieses Ziels unsere Zustimmung erteilen.

Werner Jostmeier (CDU):

Die Entfristungen betreffen das Gesetz über den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und das Gesetz über die staatliche Anerkennung für Rettungstaten. Beide Gesetze treten am 30. Juni 2014 außer Kraft. Da sich nach Auffassung der Landesregierung beide Gesetze bewährt haben, soll die Befristung entfallen.

Als Zeichen der Anerkennung für besondere Verdienste um das Land Nordrhein-Westfalen und seine Bevölkerung wurde der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 1986 gestiftet. Er wird an Frauen und Männer ohne Ansehen der Staatsangehörigkeit verliehen.

Die Rettungsmedaille wird an Personen verliehen, die unter Einsatz des eigenen Lebens die Rettungstat unternommen haben. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1951. Entsprechende Gesetze gibt es auch in anderen Bundesländern.

Mit den fünf Gesetzen zur Befristung des Landesrechts aus den Jahren 2004 und 2005 hat der Landtag Nordrhein-Westfalen das gesamte Landesrecht unter den grundsätzlichen Vorbehalt der Befristung und der ständigen Überprüfung des kompletten Normbestands gestellt.

In der Folge mussten gerade seit dem Jahr 2010 immer wieder Berichte vorgelegt werden. Tatsächlich sind in dieser Legislaturperiode 11 Gesetze beschlossen worden, mit denen gesetzliche Befristungen neu geregelt werden.

Die CDU-Fraktion legt großen Wert darauf, dass der Sinn der Befristungsgesetze weiterhin Gültigkeit hat und die landesrechtlichen Normen sich einer Überprüfung unterziehen müssen.

Daher begrüßen wir die Ankündigung der Landesregierung aus dem Gesetzentwurf Drucksache 16/178 „Fünftes Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie des Justizministeriums“:

„Zur sachgerechten Verfolgung der Ziele der Bürokratievermeidung, des Bürokratieabbaus und der Normverschlankung hält die Landesregierung es für zwingend geboten, an dem strikten Befristungserfordernis in der bisherigen Form festzuhalten. Das Instrument hat sich als umfassend tauglich erwiesen, die mit seiner Einführung in der 13. Wahlperiode verfolgten Ziele auch tatsächlich zu erreichen.“

Da die oben genannten Gesetze sich aus unserer Sicht bewährt haben und das Land damit Bürgerinnen und Bürger ehren kann, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben, stimmen wir in diesem Fall dem Gesetzentwurf zu.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE):

Wir haben den Sachverhalt in der letzten Woche im Hauptausschuss insofern behandelt, als dass der Gesetzentwurf lediglich aufgerufen und zur Abstimmung gestellt wurde und dort die breite Zustimmung der Fraktionen fand.

Der Regelungsgehalt des Gesetzentwurfs, der ausschließlich an den Hauptausschuss überwiesen wurde, ist auch sehr überschaubar. Angesicht dieser Tatsache macht auch ein Suchen nach langen Ausführungen zur Begründung dieses Sachverhaltes keinen Sinn.

Bei den von der Landesregierung vorgeschlagenen Änderungen handelt es sich lediglich um die Aufhebung von Befristungsregelungen. In Artikel 1 handelt es sich um die Änderung des Gesetzes über den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und in Artikel 2 um die Änderung des Gesetzes über die staatliche Anerkennung für Rettungstaten.

Wir halten diese Änderungen für sachgerecht und werden diesen auch zustimmen.

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, diesen unproblematischen Vorschlägen ebenfalls zu folgen und dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Dirk Wedel (FDP):

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf setzt die Landesregierung ihre Strategie der „Entfristung“ von Landesrecht fort. Diese Strategie stellt eine Abkehr von Grundsätzen dar, die gerade die Sozialdemokraten in diesem Hohen Hause sowie in der seinerzeitigen Landesregierung noch vor gut zehn Jahren für unabdingbar hielten – und dies, wie ich betonen möchte, völlig zu Recht.

Grundsätzlich sollten nämlich alle Gesetze und die von ihnen ausgehenden Verordnungen befristet werden. Das bedeutet, dass diese Regelungen nach einem vorher festgelegten Zeitraum automatisch außer Kraft treten. Müssen bzw. sollen sie fortbestehen, muss ein erneutes Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden.

Ein solches sogenanntes Befristungsmanagement wurde von der nordrhein-westfälischen Landesregierung erst im Jahr 2011 ausgesetzt, nachdem es zuvor erfolgreich praktiziert worden war. Neue Gesetzte werden inzwischen nicht mehr mit einem Verfallsdatum versehen, so zum Beispiel das Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen. Bei bestehenden Gesetzen hebt die rot-grüne Koalition bestehende Befristungen regelmäßig vollständig auf und verzichtet damit auf eine Überprüfung, ob ein Gesetz zum einen überhaupt benötigt wird und zum anderen, ob es seinen Zweck auch nach vieljähriger Geltung noch zu erfüllen geeignet ist.

Durch die Befristung und Überprüfung muss die Existenz von Gesetzes und Verordnungen regelmäßig legitimiert werden. Bestehende Bürokratie würde beständig mit der Realität konfrontiert. Das bisherige Prinzip, dass in der Praxis Vorschriften im Zweifel erhalten bleiben – gleichviel, ob sie tatsächlich noch benötigt werden oder nicht –, würde umgekehrt. Und schließlich müssten auch sämtliche Subventionen, Fördermittel, Sozialleistungen und andere Mittelauskehrungen des Landes regelmäßig auf den Prüfstand – ein TÜV für staatliche Leistungen würde entstehen.

Vor diesem Hintergrund haben wir Liberalen in der Vergangenheit bereits die Aufhebung von Befristungen in anderen Geschäftsbereichen abgelehnt; selbstverständlich werden wir dementsprechend auch den heute vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen, da er diesen Zielen widerspricht.

Zuletzt am 23.10.2012 hat die FDP-Fraktion zum Gesetzentwurf zur Aufhebung entsprechender Befristungen im Bereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie des Justizministeriums in diesem Hohen Hause eine Protokollerklärung abgegeben. Auf deren Inhalt möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich Bezug nehmen:

Mit der Entfristung von Rechtsvorschriften wird ein wirksames Instrument abtgeschafft, um die regelmäßige Kontrolle der Notwendigkeit und Wirkung der bestehenden Vorschriften sicherzustellen und Regelungen aufgrund fortschreitender Veränderungen anzupassen, zu vereinfachen, zu reduzieren oder aufzuheben. Noch 2003 hat gerade die SPD dies in Person des seinerzeitigen Innenministers Behrens anders bewertet.

Wir bedauern diese Abkehr von einer aus unserer Sicht ausnehmend sinnvollen Zielsetzung und lehnen Ihren Gesetzentwurf heute ab.

Michele Marsching (PIRATEN):

Mit einem Blick auf die Uhr fasse ich mich kurz, wir wollen ja alle nach Hause:

Es wurde bereits alles gesagt. Ich schließe mich den Ausführungen meiner Kollegen an.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales:

Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht vor, die aufgrund der Vorgaben des Befristungsprojekts enthaltenen Verfallsklauseln im Gesetz über den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und im Gesetz über die staatliche Anerkennung von Rettungstaten (RettungstatenG) zum 30. Juni 2014 aufzuheben und beide Gesetze zu entfristen.

Die beiden Normen regeln Ehrungen, mit denen das Land Nordrhein-Westfalen besondere Leistungen anerkennt. Beide Stammgesetze haben sich in der bestehenden Form bewährt, sodass die genannten Verfallsklauseln gestrichen werden sollten.

Darüber hinausgehende Änderungen werden nicht für erforderlich gehalten.

Der Gesetzentwurf wurde in der vergangenen Woche im Hauptausschuss beraten und der Entfristung mehrheitlich zugestimmt (ohne Zustimmung der FDP und ohne weitere Aussprache).


Anlage 3

Zu TOP 19 – Zweites Gesetz zur Änderung von landesrechtlichen Vorschriften aus Anlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes und zur Vornahme weiterer Änderungen – zu Protokoll gegebene Reden

Sven Wolf (SPD):

Zum 1. August 2013 ist das zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts des Bundes – kurz das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – in Kraft getreten. Das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz hat Regelungen zu den Gerichtskosten geändert. Die Kostenordnung wurde durch das Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare ersetzt. Die Justizverwaltungskostenordnung wurde durch das Gesetz über Kosten in Angelegenheiten der Justizverwaltung ersetzt.

Diese Änderungen auf Bundesebene werden wir nun mit der zweiten Lesung der Änderungen landesrechtlicher Vorschriften nachvollziehen. Inhaltlich geht es hierbei um die bereits erwähnte Anpassung der im Bundesrecht vorgenommenen Änderungen an unser Landesrecht. Die Änderungen betreffen zum einen das Justizgesetz Nordrhein-Westfalen und zum anderen das Hinterlegungsgesetz Nordrhein-Westfalen.

Daneben gibt es aber auch eine mehr als redaktionelle Änderung. Der Gesetzentwurf schafft neue Gebührentatbestände in Notarangelegenheiten. Präziser geht es hierbei um Gebühren für Leistungen der Justizverwaltung im Zusammenhang mit der Amtsführung eines Notariats. Diese neuen Vorschriften wurden in einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Landesjustizverwaltung der Rheinischen und der Westfälischen Notarkammer erarbeitet. Ganz im Sinne einer frühzeitigen und konstruktiven Beteiligung der Betroffenen.

So wurde im Einvernehmen mit den Notarinnen und Notaren in NRW vereinbart, dass für die Geschäftsprüfung der Notariate, die Bestellung von Vertretern und die Prüfung eines Antrags auf Nebentätigkeit durch die Justizverwaltung künftig eine entsprechende Gebühr erhoben wird. Die Landesregierung rechnete mit Schaffung der neuen Gebührentatbestände im Gebührenverzeichnis mit Mehreinnahmen des Landes in Höhe von etwa 470.000 € pro Jahr.

Eine Regelung, die den Haushalt entlastet und mit den Betroffenen vorab vereinbart war. Keine Überraschung also, dass die Beratung im Rechtsausschuss kurz, knapp und einstimmig erfolgte.

Die SPD-Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.

Jens Kamieth (CDU):

Am 10.08.2013 ist das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23. Juli 2013 in Kraft getreten. Durch die in Artikel 1 des
2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes enthaltene Aufhebung und Neugestaltung der Kostenordnung durch ein neu strukturiertes Gerichts- und Notarkostengesetz sowie durch die in Artikel 2 des Gesetzes enthaltene Aufhebung und Neugestaltung der Justizverwaltungskostenordnung durch ein modernes Justizverwaltungskostengesetz werden zahlreiche Folgeänderungen in Gesetzen des Landes Nordrhein-Westfalen notwendig. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält die erforderlichen redaktionellen Änderungen des Landesrechts. Außerdem wird das Gebührenverzeichnis um einen Abschnitt 7 „Notarangelegenheiten“ ergänzt, in dem drei neue Gebühren eingeführt werden.

Darüber hinaus ist im Justizgesetz (Artikel 1) die Schaffung neuer Gebühren in Notarangelegenheiten vorgesehen, indem ein neuer Abschnitt 7 im Gebührenverzeichnis zu § 124 Abs. 2 des Justizgesetzes angefügt wird. Die vorgeschlagenen Gebühren betreffen Tätigkeiten der Justizverwaltung im Zusammenhang mit der Amtsführung der Notarinnen und Notare, insbesondere der Geschäftsprüfung. Sie sind vom Landesrechnungshof angeregt und von einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Westfälischen und der Rheinischen Notarkammer erarbeitet worden. Die Rechtmäßigkeit und Zumutbarkeit der Erhebung von „verursachungsgerechten Gebühren“ ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt worden.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung ist in erster Linie rechtstechnischer Natur. Änderungen von Bundesrecht werden redaktionell auf Bestimmungen des nordrhein-westfä-lischen Landesrechts übertragen. Da konnte die Landesregierung nicht viel falsch machen.

Daher empfehle ich meiner Fraktion gemäß der Empfehlung des Rechtsausschusses, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Dagmar Hanses (GRÜNE):

Der breite Konsens hier im Parlament zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz freut mich sehr, doch er überrascht mich nicht. Die einstimmige Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses haben Sie sicher alle zur Kenntnis genommen.

Nicht nur, weil diese Änderungen auch beschlossenes Bundesrecht in Landesrecht überführen, sondern auch, weil durch die Einführung dreier neuer Gebührentatbestände dem Land NRW neue Einnahmen von ca. 470.000 € verschafft werden.

Dabei folgen wir einer Empfehlung des Landesrechnungshofes und tragen dazu bei, dass Verursacherinnen und Verursacher sich durch die Umlage einer Gebühr an entstehenden Kosten beteiligen. Das Einvernehmen mit den beiden nordrhein-westfälischen Notarkammern besteht auch an dieser Stelle.

Die Anpassungen im Hinterlegungsgesetz, im Justizgesetz und im Justizverwaltungskostengesetz sind notwendig und unstrittig.

Selbstverständlich stimmen wir dem Gesetzentwurf zu.

Dirk Wedel (FDP):

Der vorliegende Gesetzentwurf betrifft im Wesentlichen die notwendigen Folgeänderungen im Landesrecht, die durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz des Bundes veranlasst sind. Durch redaktionelle Änderungen werden das Justizgesetz NRW sowie das Hinterlegungsgesetz NRW dem neuen Gerichts- und Notarkostengesetz sowie dem neuen Justizverwaltungskostengesetz angepasst. Zudem wird durch die Einführung dreier neuer Gebührentatbestände in Notarangelegenheiten dem Bericht des Landesrechnungshofs zur Prüfung des Aufwands der Justizbehörden im Rahmen der Dienstaufsicht über Notare vom 21. Dezember 2011 Rechnung getragen. Dem Gesetzentwurf können wir somit – wie bereits im Rechtsausschuss – zustimmen.

Dietmar Schulz (PIRATEN):

Der vorliegende Gesetzentwurf wurde zuletzt in der Rechtsausschusssitzung am 7. Mai beraten und abgestimmt. Er wurde von allen Fraktionen einstimmig angenommen.

Inhaltlich geht es um Folgendes: Am 1.8.2013 ist das Gesetz zur Modernisierung der Kosten in Kraft getreten, welches die bis dahin geltende Kostenordnung aufhob und Neuregelungen durch ein Gerichts- und Notarkostengesetz schuf. Ebenso wurde die Justizverwaltungskostenordnung modernisiert.

Der Gesetzentwurf nimmt Folgeänderungen vor, die aufgrund der eben genannten Gesetzesänderungen nötig werden. Diese sind überwiegend redaktionell. Neu eingeführt werden in Artikel 1 drei Gebührentatbestände. Erstens: Gebühr für eine Geschäftsprüfung nach § 93 Absatz 1 BNotO; zweitens: Gebühr für die Bestellung einer Notarvertreterin/eines Notarvertreters; drittens: Gebühr für Verfahren über die Anzeige einer Nebentätigkeit und über den Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit einer Notarin/eines Notars.

Dadurch wird erreicht, dass die unter 1 bis 3 genannten Prüfungen nicht mehr unentgeltlich, sondern gebührenpflichtig erfolgen, was wiederum positive Auswirkungen auf den Haushalt hat.

Insgesamt bitte ich auch in zweiter Lesung um Zustimmung zu diesem Gesetz und erteile meiner Fraktion die Abstimmungsempfehlung, der Empfehlung des Rechtsausschusses zu folgen.

Thomas Kutschaty, Justizminister:

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung ist Ihnen bereits aus seiner ersten Lesung im Plenum am 9. April 2014 bekannt. Der Rechtsausschuss des Landtags hat am 7. Mai 2014 einstimmig die Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen.

Lassen Sie mich in aller Kürze nochmals Folgendes anmerken:

In dem Gesetzentwurf geht es ganz überwiegend darum, die durch das Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23. Juli 2013 erforderlich gewordenen Folgeänderungen in Gesetzen des Landes Nordrhein-Westfalen vorzunehmen.

So bedingt die Ablösung der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Kostenordnung durch das „Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare“ ebenso wie die Ablösung der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Justizverwaltungskostenordnung durch das „Gesetz über Kosten in Angelegenheiten der Justizverwaltung“ neben mehreren Änderungen im Justizgesetz Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010 auch redaktionelle Anpassungen in § 122 Abs. 4 des Justizgesetzes. Aus demselben Grund sollen auch redaktionelle Modifikationen im Hinterlegungsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 16. März 2010 vorgenommen werden.

Neben den genannten redaktionellen Änderungen ist im Justizgesetz auch die Schaffung neuer Gebühren in Notarangelegenheiten vorgesehen, die in einem neuen Abschnitt 7 dem Gebührenverzeichnis zu § 124 Abs. 2 des Justizgesetzes angefügt werden.

Die vorgeschlagenen Gebühren betreffen Tätigkeiten der Justizverwaltung im Zusammenhang mit der Amtsführung der Notarinnen und Notare, insbesondere der Geschäftsprüfung. Sie sind vom Landesrechnungshof angeregt und von einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Westfälischen und der Rheinischen Notarkammer erarbeitet worden. Die Rechtmäßigkeit und Zumutbarkeit der Erhebung von „verursachungsgerechten Gebühren“ ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt worden.

Der heute eingebrachte Gesetzentwurf enthält die erforderlichen redaktionellen Anpassungen des Landesrechts an das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz und zwei sonstige redaktionelle Änderungen. Diese sind mit keinen Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte verbunden.

Durch die Schaffung dreier neuer Gebührentatbestände im Gebührenverzeichnis können dem Land Mehreinnahmen in Höhe von jährlich etwa 470.000 € zufließen.

Das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel wird von allen im Landtag vertretenen Parteien unterstützt.

Ich bitte Sie deshalb um Ihre Stimme für den Gesetzentwurf.


Anlage 4

Zu TOP 21 – Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Bundesausbildungsförderungsgesetz – zu Protokoll gegebene Rede

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung:

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf kommt die Landesregierung dem in § 4 des Ausführungsgesetzes zum BAföG festgelegten Auftrag nach, die Wirksamkeit dieses Gesetzes erneut zu überprüfen und dem Landtag bis spätestens zum 30. Juni 2014 zu berichten.

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz wird im Auftrag des Bundes von den Ländern ausgeführt. Mit dem Ausführungsgesetz zum BAföG werden die Zuständigkeiten für die Durchführung der Aufgaben nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im Land Nordrhein-Westfalen geregelt.

Als Zuständigkeitsregelung ist das Gesetz unverzichtbar und hat sich bewährt. Da bereits die Evaluierung im Vorfeld des Änderungsgesetzes zum AG BaföG -NRW – vom 30.06.2009 zum gleichen Ergebnis gelangte, ist vorgesehen, mit dem nun eingebrachten Änderungsgesetz die bisher fünfjährig wiederkehrende Berichtspflicht zur Überprüfung der Wirksamkeit des AG BAföG – NRW – aufzuheben.

Darüber hinaus wird das Gesetz an die BAföG-Auslandszuständigkeitsverordnung vom 19. Oktober 2011 angepasst. Nordrhein-Westfalen ist nunmehr bundesweit für die Bearbeitung von Ausbildungsförderanträgen für Ausbildungen in den Niederlanden, in Belgien und in Luxemburg zuständig.

In der Praxis ist der Wechsel der Auslandszuständigkeit bereits seit Anfang 2012 umgesetzt: Die Bezirksregierung Köln hat zu diesem Zeitpunkt die Zuständigkeit für BAföG-fähige Ausbildungen in Großbritannien, in Irland und in der Türkei an die nun zuständigen Stellen in Niedersachsen bzw. Baden-Württemberg abgegeben und die Bearbeitung von Auslands-BAföG für Ausbildungen in den Niederlanden, in Belgien und in Luxemburger übernommen.

Weitere inhaltliche Änderungen sieht der Gesetzentwurf nicht vor.


Anlage 5

Zu TOP 22 – Gesetz über die Zulassung von Zentren und über die Einrichtung der Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik in Nordrhein-Westfalen (Präimplantationsdiagnostikgesetz Nordrhein-Westfalen – PIDG NRW) – zu Protokoll gegebene Rede

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter:

Der vorliegende Gesetzentwurf setzt die nach der Präimplantationsdiagnostikverordnung des Bundes erforderlichen Regelungen um. Das heißt: die Einrichtung einer Zulassungsbehörde für Präimplantationsdiagnostikzentren sowie einer Ethikkommission in Nordrhein-Westfalen.

Durch das Bundesgesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik vom 21. November 2011 ist das Embryonenschutzgesetz mit Einführung des § 3a geändert worden. Die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik in Deutschland bleibt grundsätzlich verboten. Ausnahmsweise sind entsprechende Maßnahmen unter Einhaltung enger Kriterien an Zentren für Präimplantationsdiagnostik zulässig.

Die landesrechtlich vorgesehenen Regelungen orientieren sich eng am Rechtsrahmen der Bundesverordnung, um den Ausnahmecharakter der Präimplantationsdiagnostik klarzustellen.

Es soll lediglich eine Ethikkommission für Nordrhein-Westfalen geben, und nur eine Behörde soll über die Zulassung von Zentren für Präimplantationsdiagnostik entscheiden. Dies zielt darauf ab, jeweils eine einheitliche und neutrale Entscheidungspraxis zu gewährleisten.

Das grundsätzliche Dilemma der Präimplantationsdiagnostik, Embryonen auf Probe zu zeugen und einer Art „Qualitätsprüfung“ zu unterziehen, bevor man sich für sie entscheidet, kann jedoch nicht aufgelöst werden. Die Grundsatzentscheidung hierfür ist mit Schaffung des Präimplantationsgesetzes bereits auf Bundesebene gefällt worden.

Wir bewegen uns hier in einem ethischen Grenzbereich – umso wichtiger ist es, durch gesetzliche Regelungen den Ausnahmecharakter entschieden zu unterstreichen und das Verfahren nur innerhalb enger Grenzen zuzulassen.

Deshalb sieht der Gesetzentwurf meines Hauses eine Begrenzung der Anzahl an Zentren für Präimplantationsdiagnostik auf insgesamt maximal zwei Zentren in Nordrhein-Westfalen vor – gegebenenfalls. eines in Nordrhein und eines in Westfalen-Lippe.

Sowohl Chancen als auch Risiken der genetischen Diagnostik müssen unter ethischen Gesichtspunkten bewertet werden. Es wird auch in Zukunft keine Welt ohne Krankheit und Behinderung geben.

Mit dem Gesetz soll jedoch genetisch vorbelasteten Paaren, die nicht selten schon einen langen Leidensweg, womöglich mit Fehlgeburten oder anderen traumatischen Erlebnissen, hinter sich haben, die Möglichkeit gegeben werden, ihren Kinderwunsch auf legalem Weg und unter optimaler medizinischer Betreuung in Nordrhein-Westfalen zu verwirklichen.


Anlage 6

Zu TOP 23 – Gesetz zur Änderung des Archivgesetzes Nordrhein-Westfalen – zu Protokoll gegebene Rede

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport:

Wertvolles, unersetzliches Archivgut zu bewahren und die entsprechenden Nutzungsmöglichkeiten sicherzustellen, ist für die Landesregierung eine sehr wichtige Aufgabe. Ihr kommt in Nordrhein-Westfalen ein verfassungsrechtlicher Rang zu.

Der Verfassungsauftrag richtet sich dabei gleichermaßen an Land, Gemeinden und Gemeindeverbände. Um ihn zu erfüllen, ist eine gesetzliche Regelung unverzichtbar.

Alle Bundesländer und der Bund haben daher Archivgesetze verabschiedet. Das nordrhein-westfälische Archivgesetz vom 16. März 2010 tritt am 30. September 2014 außer Kraft. Die Befristung war Anlass, das 2010 weitgehend neu gefasste Gesetz auf seine Tauglichkeit und auf eventuell notwendige Änderungen hin zu überprüfen.

Von den Fachleuten in den Archiven wurden nur wenige Änderungen vorgeschlagen. Das hat die Einschätzung der Landesregierung bestätigt, dass sich das geltende Archivgesetz bewährt hat. Auch außerhalb Nordrhein-Westfalens gilt es als modern und zukunftsfähig.

Vor allem zwei inhaltliche Änderungen sind nach Auswertung der fachlichen Rückmeldungen vorgesehen:

Erstens. Mit Blick auf die Archivierung digitaler Unterlagen ist eine Erweiterung des Aufgabenspektrums für das Landesarchiv vorgesehen.

So soll auch anderen staatlichen und kommunalen Kultur- und Gedächtniseinrichtungen die Nutzung eines sogenannten „Speicherknotens“ des Landesarchivs ermöglicht werden.

Zweitens. Auf Wunsch der kommunalen Familie sollen Regelungen, die bisher nur für das Landesarchiv Gültigkeit haben, auf die kommunalen Archive übertragen werden.

Das betrifft unter anderem die Mitwirkung bei der Feststellung von Austauschformaten zur Archivierung elektronischer Dokumente – oder die Einbindung der kommunalen Archive, wenn es um die Planung und Einführung beziehungsweise Veränderung von IT-Systemen geht.

Außerdem sollten auch die Kommunalarchive – wie jetzt schon das Landesarchiv – das Recht haben, Unterlagen bereits in den Verwaltungen einsehen und so auf ihre Archivwürdigkeit prüfen zu können.

Mit diesen wenigen Änderungen wird Nordrhein-Westfalen auch weiterhin über ein praxistaugliches Archivgesetz verfügen: über eine gute gesetzliche Grundlage, die es dem Landesarchiv und den kommunalen Archiven erlaubt, ihre wichtigen Aufgaben auch in Zukunft fachgerecht wahrzunehmen.