Das Dokument ist auch im PDF und Word Format verfügbar.

Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/19

16. Wahlperiode

14.12.2012

19. Sitzung

Düsseldorf, Freitag, 14. Dezember 2012

Mitteilungen der Präsidentin. 1363

1   Sperrung der Rheinbrücke im Zuge der BAB 1 für Lkw ab 3,5 t sowie zum Erhaltungszustand der Bundesfernstraßen in NRW

Unterrichtung
durch die Landesregierung

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1683

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1704. 1363

Minister Michael Groschek. 1363

Bernhard Schemmer (CDU) 1366

Reiner Breuer (SPD) 1368

Arndt Klocke (GRÜNE) 1369

Christof Rasche (FDP) 1372

Stefan Fricke (PIRATEN) 1375

Klaus Voussem (CDU) 1375

Jochen Ott (SPD) 1377

Reiner Priggen (GRÜNE) 1380

Christof Rasche (FDP) 1381

Oliver Bayer (PIRATEN) 1381

Minister Michael Groschek. 1383

Bernhard Schemmer (CDU) 1384

Ergebnis. 1385

2   Landesregierung muss endlich grünes Licht für newPark und die Schaffung tausender Arbeitsplätze geben

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1668. 1385

Holger Ellerbrock (FDP) 1385

Rainer Schmeltzer (SPD) 1387

Josef Hovenjürgen (CDU) 1389

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) 1390

Oliver Bayer (PIRATEN) 1392

Minister Garrelt Duin. 1393

Ina Scharrenbach (CDU) 1395

Thomas Eiskirch (SPD) 1396

Ralf Witzel (FDP) 1397

Reiner Priggen (GRÜNE) 1399

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 1400

Minister Garrelt Duin. 1401

Josef Hovenjürgen (CDU) 1401

3   NRW braucht eine transparente und flächendeckende Beteiligung bei Frühen Hilfen und Familienhebammen. Belastende Situationen entstehen nicht nur in SGB II-Familien!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1616. 1401

Andrea Milz (CDU) 1401

Ingrid Hack (SPD) 1402

Andrea Asch (GRÜNE) 1403

Marcel Hafke (FDP) 1404

Olaf Wegner (PIRATEN) 1405

Ministerin Ute Schäfer 1406

Ergebnis. 1407

4   Elternassistenz für gehörlose Eltern durch Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1617. 1407


Ursula Doppmeier (CDU) 1407

Josef Neumann (SPD) 1408

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE) 1409

Ulrich Alda (FDP) 1410

Torsten Sommer (PIRATEN) 1411

Minister Michael Groschek. 1412

Nächste Sitzung. 1413

Entschuldigt waren:

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Minister Johannes Remmel

Minister Guntram Schneider

Ministerin Svenja Schulze         
(bis 13:00 Uhr)

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren

Martin Börschel (SPD)

Helene Hammelrath (SPD)

Thomas Marquardt (SPD)

René Schneider (SPD)

Markus Töns (SPD)

Rainer Deppe (CDU)

Wilfried Grunendahl (CDU)

Bernd Krückel (CDU)

Christina Schulze Föcking (CDU)

Daniel Sieveke (CDU)

Rainer Spiecker (CDU)

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE)

Rolf Beu (GRÜNE)       
(bis 13:00 Uhr)

Stefan Engstfeld (GRÜNE)      
(11:00 bis 13:00 Uhr)

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE)

Gudrun Elisabeth Zentis (GRÜNE)        
(bis 13:00 Uhr)

Nicolaus Kern (Piraten)


Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur 19. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Wie immer gilt mein besonderer Gruß unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 16 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir sind wieder in der Lage, einem Geburtstagskind zu gratulieren. Geburtstag hat Herr Kollege André Kuper aus der Fraktion der CDU; er wird heute ein Jahr älter. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege! Alles Gute und einen schönen Tag!

(Allgemeiner Beifall)

Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, möchte ich gerne zwei Vorbemerkungen machen. Zum einen möchte ich die Kolleginnen und Kollegen und die Fraktionen darüber unterrichten, dass wir heute unter Tagesordnungspunkt 4 nicht nur den Antrag der CDU „Elternassistenz für gehörlose Eltern durch Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher“ diskutieren werden, sondern aufgrund einer Anregung aus Ihren Reihen haben wir es auf die Schnelle hinbekommen, eine Gebärdendolmetscherin zu diesem Tagesordnungspunkt hier zu haben. – So weit zur Information.

Die Gebärdendolmetscherin wird sich rechts oder links vom Redepult postieren. Ich glaube, das war nicht nur eine sehr gute Anregung, sondern auch ein sehr guter Dienst für diejenigen, die von diesem Antrag inhaltlich betroffen sind. – Herzlichen Dank an die Fraktion der Piraten, die das vorgeschlagen hat.

(Allgemeiner Beifall)

Meine zweite Vorbemerkung geht an die Reihen der Mitglieder der Landesregierung. Liebe Mitglieder der Landesregierung! Debatten sind manchmal heftig und kontrovers. Dann geht es auch heiß zur Sache. Dafür haben wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sehr großes Verständnis. Ich habe aber ein Anliegen, das ich im Namen des Parlaments äußern möchte und das ich künftig zu beachten bitte: dass sich nämlich die Mitglieder der Landesregierung, wenn sie in den Bänken der Landesregierung sitzen, bei heftigen Debatten mit Kommentierungen verbal und nonverbal etwas zurückhalten und dem Parlament gegenüber Respekt erweisen.

(Allgemeiner Beifall)

Diejenigen, die gleichzeitig gewählte Abgeordnete des Landtags von Nordrhein-Westfalen sind, mögen bitte immer dann, wenn sie es nicht mehr aushalten und sich mit Kommentierungen nicht zurückhalten können, von den Regierungsbänken in die Reihen der Abgeordneten wechseln; denn da haben sie ja auch ihren Platz. Dann sind sie ein Abgeordneter, eine Abgeordnete, und dann können Sie entsprechend reagieren. – Vielen Dank. Ich glaube, damit kommen wir in Zukunft gut zurecht.

Nach diesen beiden Vorbemerkungen treten wir nunmehr in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1   Sperrung der Rheinbrücke im Zuge der BAB 1 für Lkw ab 3,5 t sowie zum Erhaltungszustand der Bundesfernstraßen in NRW

Unterrichtung
durch die Landesregierung

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1683

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1704

Der Chef der Staatskanzlei hat mir mit Schreiben vom 4. Dezember mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zum obengenannten Thema zu unterrichten.

Die Unterrichtung durch die Landesregierung erfolgt durch den Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr. – Herr Minister Groschek, Sie haben das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Landesregierung möchte ich Sie über die Brückensperrung der A1 und die damit zusammenhängenden verkehrs- und strukturpolitischen Implikationen unterrichten. Ich will das anhand von fünf Bemerkungen machen.

Erstens. Die Sperrung für Lkw-Verkehre über 3,5 t ist und bleibt zwingend. Wir haben inzwischen 20 schwere Schäden festgestellt. Bislang, vor diesem Vorkommnis, waren 1.080 potenzielle Schadensstellen unter Beobachtung und in Reparatur. Aus diesen 1.080 leichten Schadensfällen sind 20 schwere und 200 potenziell schwere geworden, die besonders behandelt werden müssen. Die Brücke selbst ist seit 1991 praktisch in permanenter Reparatur. 1991 wurden die ersten Schweißreparaturen an dieser Brücke durchgeführt.

Staatssekretär Bomba und der Abteilungsleiter Prof. Kunz vom Bundesverkehrsministerium haben sich vor Ort von der Schadenssituation überzeugt und mir bestätigt, dass es in Deutschland keine zweite vergleichbar beschädigte Autobahnbrücke gibt.

Deshalb beteiligt sich der Bund mit knapp 1 Million € an der Neuplanung einer Brücke. Dafür bin ich ausgesprochen dankbar. Das finde ich sehr gut. Weniger gut finde ich, dass der Bund grundsätzlich nicht bereit ist, sich an den Kosten der Nachrechnung zu beteiligen. 375 Autobahnbrücken müssen dringlich nachgerechnet werden, weil das potenzielle Schadensbrücken sind. 80 davon haben wir berechnet. Das ist ungefähr die Jahresquote, die möglich ist. Die Kosten für das Land betragen insgesamt 21 Millionen €. Das ist nur das Nachrechenwerk als Voraussetzung für eine Neuplanung. An dieser Nachrechnung beteiligt sich der Bund leider nicht.

Die Reparaturmaßnahme selbst ist nicht mehr als eine Notinstandsetzung. Ob die Brücke bis 2020 hält, kann niemand garantieren. Wir hoffen, dass sie hält, bis der Neubau fertig ist. Ob das so sein wird, weiß niemand.

Zweitens. Landesbetrieb und Polizei: Die Polizei hat hervorragende Arbeit geleistet. Sie war zum Teil mit bis zu 50 Beamtinnen und Beamten vor Ort und frustriert darüber, dass viele unverantwortlich handelnde Lkw-Fahrer das Bußgeld von 20 € eher in Kauf genommen haben als höhere Spritkosten für die Umleitung.

Ich verspreche mir weniger Druck auf der Autobahn dadurch, dass zum 1. April das Bußgeld auf 75 € erhöht wird. Letztlich abschreckend ist aber nur die Zwangsableitung von der Autobahn, die bei Verstößen mit einem Punkt und einem entsprechend hohen Bußgeld geahndet wird. Ich kann nur an alle Lkw-Fahrer appellieren: Meiden Sie die Brücke! Sie handeln unverantwortlich während der Reparaturzeit, denn Lkw-Lasten auf der Brücke beeinträchtigen ausdrücklich den Fortschritt der Reparatur.

Deshalb kann ich auch nur die Hoffnung äußern, dass es uns gelingt, die Brücke im März kommenden Jahres wieder für die normalen Lkw-Verkehre freizubekommen. Kranwagen mit hohen Achslasten und Lkw über 44 t werden wahrscheinlich dauerhaft nicht mehr über diese Brücke fahren können.

Der Landesbetrieb leistet ebenfalls überdurchschnittlich gute, sehr gute Arbeit. Ich will darauf hinweisen, dass beim Landesbetrieb Straßen.NRW in den letzten fünf Jahren – also begonnen mit Wittke über Lienenkämper bis zu mir – über 100 Ingenieurplanerinnen- und -planerstellen abgebaut wurden. Der Landesbetrieb hat also auch die Laumann-Quote für energischen Personalabbau, die jetzt wieder gefordert worden ist, durchgängig erreicht. Dennoch leistet er planerisch hervorragende Arbeit.

Verbesserungsfähig finde ich allerdings die Organisationsstruktur. Deshalb habe ich im Oktober eine Stabstelle Landesbetrieb in meinem Ministerium eingerichtet mit der Perspektive, die Organisation zu optimieren, Synergien zu schöpfen und den Planungsbereich – so gut es geht – auf die Punkte zu konzentrieren, die unter Reparatur-, Instandsetzungs- und Erhaltungsperspektiven dringend notwendig sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Gestern ist in einem Nebensatz darüber berichtet worden, dass wir bei den Investitionspauschalen für den ÖPNV gekürzt haben. Das ist richtig und falsch zugleich. Insgesamt haben wir die Betriebskostenpauschale für den laufenden Betrieb unserer Verkehrsunternehmen im Haushalt ganz deutlich aufgestockt – um über 100 Millionen €, die im Etat erwirtschaftet wurden, 30 Millionen € davon durch Umschichtung von Investitionspauschale auf die Betriebskostenpauschale. Insgesamt wächst der Haushalt für den ÖPNV aber um 28 Millionen € auf über 1,5 Milliarden €. Daraus eine Vernachlässigung abzuleiten, ist angesichts der Haushaltssituation schon abenteuerlich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Drittens. Der demografische Wandel erfasst auch unsere Infrastruktur. In den 60er- und 70er-Jahren gab es eine Brückenbauinflation, weil es auch eine Autobahnbauinflation gab. Die unglaubliche Lastenexplosion, die seitdem stattgefunden hat, konnte damals nicht kalkuliert und berechnet werden. Das gilt für die einzelnen Lkw, deren Gewicht von 24 auf 44 t gestiegen ist, wie für die Lkw-Verkehre insgesamt.

Es ist aber auch ein sehr umfassender Pfusch am Bau nachweisbar, der damals stattgefunden hat – sowohl bei Beton- wie auch bei Stahlbrücken. Man hat bei den Brückenbaumaßnahmen der 60er- und 70er-Jahre auf Deutsch gesagt den Steuerzahler beschissen – entschuldigen Sie diesen Ausdruck – und den Staat ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.

In diesem Zusammenhang muss ich daran erinnern, dass wir in Deutschland eine politische Lebenslüge im Verkehr mit uns herumtragen. Auf allen Parteitagen wird beschlossen, die Lasten von der Straße auf die Schiene zu bringen. In Wirklichkeit ist genau das Gegenteil der Fall. Die Verkehre auf der Straße nehmen explosionsartig weiter zu, die Verkehre auf der Schiene stagnieren mehr oder weniger.

Im Zusammenhang mit der A45 habe ich vielfältige Gespräche mit der Wirtschaft vor Ort geführt. Auf die Frage, ob wir nicht gemeinsam mehr Lasten von der A45 auf die Schiene bringen können, wurde mir entgegnet: Lieber Minister Groschek, in ganz Deutschland gibt es nur vier Güterwaggons, die schwerstlasttauglich sind. In der Exportnation Deutschland sind nur vier Güterwaggons schwerstlasttauglich. Ich glaube, dass spricht Bände, wie weit Realität und Anspruch bei „Schiene statt Straße“ voneinander entfernt sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was die Brücken in unserem Land insgesamt angeht, gibt es eine baugleiche Brücke auf der A40. Das ist die sogenannte Brücke Neuenkamp, auch eine rheinquerende Brücke, eine hoch wichtige Verbindung Richtung Antwerpen und Niederlande. Diese Brücke ist in Absprache mit dem Bund als Neubaumaßnahme für 2028 vorgesehen. Bislang ist die Schadenssituation so, dass wir die Planung und den Bau nicht vorziehen müssen, sondern durch verkehrslenkende Maßnahmen – weg von den Rändern, hin zur Mitte – bekommen wir eine Lastensituation auf der Brücke, dass nach Auskunft der Experten diese Brücke bis zum vorgesehenen Neubau voll tauglich und beherrschbar bleibt. Das hängt auch mit den Verkehrsbelastungen zusammen. Die A1-Brücke ist mit täglich 120.000 Fahrzeugen, die Brücke Neuenkamp auf der A40 mit täglich 90.000 Fahrzeugen belastet.

Die A45 ist noch gewichtiger als Erschließungsstraße, weil man bei der A45 keine gleich leistungsfähige Alternative hat. Bei der A45 ist zwischen Bund und Land unstrittig, dass alle Großbrücken, also alle Brücken mit einer Spannweite von einhundert Metern und mehr erneuerungsbedürftig sind. Auf Deutsch gesagt: Ein Neubau ist notwendig. Keine der Großbrücken kann repariert werden. Es gibt nur Brücken, die neu gebaut werden müssen.

Mit der Wirtschaft im Siegerland bin ich bereits seit Wochen im Gespräch. Wir sind schon vor dem Brückenfiasko in Leverkusen verabredet gewesen, bis zum Frühjahr dauerhafte Korridore für Schwerstlastverkehre nach Norddeutschland zu den Seehäfen und nach Westdeutschland nach Duisburg bzw. Antwerpen/Rotterdam offenzuhalten und diese Linienführung auch so ökologisch wie möglich, also so A45-nah wie möglich, zu gewährleisten. Auf der A45 selbst sind diese Schwerstlastverkehre bis auf Weiteres so nicht abhandelbar.

Vierte Bemerkung: Auch für das Land bestehen erhebliche Herausforderungen. Während wir beim Bund mehr als 6.000 Bundesbrücken haben, gibt es auf Landesebene Pi mal Daumen 3.500 Brücken. Von diesen 3.500 Landesbrücken rechnen wir 770 nach. Die ersten Nachrechnungen sind beauftragt. Nach ersten Schätzungen brauchen wir zur Reparatur und Erneuerung dieser Brücken rund 650 Millionen €.

Bei den Kommunen ist der Erneuerungsbedarf die große Unbekannte. Ich habe mein Haus und die Fachabteilungen beim Landesbetrieb beauftragt, für die Kommunen eine entsprechende Unterrichtung und Handlungsanleitung vorzubereiten. Denn die Kommunen in unserem Land sind originär für den Zustand ihrer Kommunalstraßenbrücken verantwortlich und können diese Verantwortung auch nicht auf externe Ingenieurbüros delegieren. Ich bin mir nicht sicher, ob sich alle Gemeinderäte dieser Tatsache bewusst sind. Deshalb wird es in den nächsten Tagen einen umfänglichen Hinweis an die entsprechenden Verbände geben.

Fünfte und letzte Bemerkung: Ohne Moos nix los. Das ist eine banale Erkenntnis, die auch hier Platz greift.

Wir bekommen vom Bund für den Erhalt unserer Bundesstraßen und Bundesstraßenbrücken im Jahr im Durchschnitt 330 Millionen €. Wir bräuchten aber allein für die Ertüchtigung der notwendigsten Erneuerungsmaßnahmen bei Brücken – 375 von insgesamt über 6.000 – 3,5 Milliarden € oder, ratierlich in ein 10-Jahres-Programm übersetzt, rund 350 Millionen € jährlich nur für die Brücken. Wir bekommen aber insgesamt für den Erhalt nur 330 Millionen €. Das Delta spricht Bände.

Zusätzlich brauchen wir mehrere Milliarden Euro für die Schiene, sowohl im Bundesbahnverkehr wie im schienengebundenen Nahverkehr. Das macht deutlich: Steuerfinanzierung allein wird es nicht bringen – völlig gleichgültig, wer ab Oktober nächsten Jahres Finanzminister in Berlin ist. Deshalb appelliere ich für eine breite Unterstützung, die Nutzungsgebühren zu erhöhen. Auf Deutsch gesagt: Wir brauchen mehr Mauteinnahmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ramsauer will die Pkw-Maut, ich will die Verbreiterung und Vertiefung der Lkw-Maut. Ich finde, dass hier das Verursacherprinzip Platz greifen soll. Das Verursacherprinzip heißt: Die Lkw-Verkehre verursachen das Gros an Schäden. Auch der Schuhkarton von Zalando wird nicht durchs Netz, sondern mit dem Lkw gebracht. Also werden wir eine weitere Zunahme von Lkw-Verkehren haben. Deshalb muss hier auch nach dem Tenor der Gerechtigkeit das Mautprinzip herhalten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Akzeptanz ist die Voraussetzung dafür. Das heißt, wir müssen eine Fondskonstruktion finden, die zugriffsicher vor den Finanzministern ist. Denn die Menschen werden nämlich eine solche Maut nur dann akzeptieren, wenn sie sicher sind, dass diese Einnahmen zielgerichtet in den Erhalt und in die Reparatur der Verkehrsinfrastruktur wandern. Sonst wird es keine Akzeptanz geben. Deshalb kann ich nur – auch an die Bundespolitik – appellieren: Lassen Sie uns gemeinsam im nächsten Jahr damit beginnen, einen „Rettungsschirm Infrastruktur“ zu spannen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich persönlich würde mir für die Bundestagswahl parteiübergreifend das Motto wünschen: Wir reparieren Deutschland! – Das Land und seine Menschen hätten es verdient. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. Auch wenn Sie das eben sehr charmant und eloquent gemacht haben – aber ein unparlamentarischer Ausdruck bleibt trotz Entschuldigung ein unparlamentarischer Ausdruck. Das muss ich Ihnen leider sagen.

Wir haben die Unterrichtung gehört. Wir treten damit in die Aussprache ein. Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Schemmer das Wort.

Bernhard Schemmer*) (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor genau einem Jahr habe ich im Plenum den römischen Dichter Titus Maccius Plautus zitiert:

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Vom Saulus zum Paulus! – Weitere Zurufe von der SPD)

„Es ist zu spät, Brunnen zu graben, wenn der Durst brennt.“ Diese Regel galt und gilt auch heute für den Straßen- und Brückenbau in NRW. Aber Rot und Grün reagieren immer erst dann, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.

(Lachen von der SPD – Jochen Ott [SPD]: Aber wer hat denn hier fünf Jahre lang regiert?)

Von einer vorsorgenden, präventiven Politik redet Frau Kraft bei jeder Gelegenheit.

(Britta Altenkamp [SPD]: Diese Rede ist aufgeschrieben, die muss gehalten werden! – Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Im Verkehrsbereich hat diese weder vor 2005 noch seit 2010 stattgefunden. Es gibt immer nur Aktionismus – das war gerade wieder so ein Beispiel – statt Konzepten. Es gibt Ankündigungen, was man tun will und wo man neu abkassieren will, aber es wird nichts gemacht,

(Zuruf von der SPD: Wie im Bund!)

es wird nichts geregelt.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Wir müssen reden über die Sicherheit im Straßenverkehr und über sichere Brücken – nicht nur bei den Hauptverkehrsachsen. Als Erstes müssen wir natürlich über die Sicherheit für Menschen reden, die von A nach B wollen. Da darf es keine Kompromisse geben. Die Sicherheit von Leib und Leben hat Vorrang.

Wenn die Statiker wie in diesem Fall „Stopp“ sagen, ist unverzüglich zu handeln. Insofern begrüßen wir die Sperrung der Rheinbrücke und hoffen, dass sie alsbald zumindest vierspurig wieder voll befahrbar ist.

Aber wir müssen das Thema etwas intensiver angehen. Für die Landesregierung spielen ja Bauen und Verkehr eine untergeordnete Rolle.

(Lachen von der SPD)

Ich zitiere Minister Duin vom 7. Juli 2012: Das Sparen muss nicht in meinem Ministerium stattfinden, sondern beim Kollegen Groschek. – Das war doch die politische Regel.

Ein grundlegendes Problem stellt der stetige Anstieg des Schwerlastverkehrs dar. Wir haben bis 2050 noch einen weiteren Anstieg um 80 % zu erwarten. Wir haben über 400 große Brücken im Bereich der Bundesfernstraßen, die so reparaturbedürftig sind, dass wir einen Sanierungsbedarf von 3,5 Milliarden € haben. Wir müssen eigentlich auch zur Kenntnis nehmen, dass ein großer Lkw mit über 10 t Achslast eine größere Zerstörungswirkung als eine Vielzahl von Pkws hat.

Noch einmal zu der Frage, was in den letzten Jahren passiert ist: Wir hatten bis 2009 einen Bundesverkehrsminister der SPD, der sich um nichts gekümmert hat. Da waren Brücken überhaupt kein Thema.

(Vereinzelt Beifall von der FDP – Josef Hovenjürgen [CDU]: Brückentage!)

Das Landesverkehrsministerium ist, als es noch CDU-geführt war, vom Bund darauf hingewiesen worden, die Brücken zu untersuchen. Damit ist noch vor der Landtagswahl 2010 aktiv begonnen worden. Und was ist ab 2010 passiert?

(Zuruf von der SPD: Da haben Sie die Wahl verloren! – Heiterkeit von der SPD)

Nichts ist passiert! Da hat man das stehen und liegen lassen. Niemand hat sich darum gekümmert, wie sich die Brücken in Nordrhein-Westfalen entwickelt haben.

Ich komme darauf zurück, was im August 2012 von Ihnen verkündet worden ist: Laut Ihrer Homepage soll Straßen.NRW zehn Jahre Zeit für die Berechnung der notwendigen Sicherungsmaßnahmen haben. – Diese Aussagen waren, wie wir heute wissen, unverantwortlich.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Das ist ja peinlich!)

Straßen.NRW hat eine eigene Projektgruppe eingerichtet. Auf der Homepage des Landesbetriebes steht, welche Strecken und welche Brücken besonders betroffen sind. Da war schon im Vorgriff die Rheinbrücke in Leverkusen auf Platz 1. Aber wir haben eine Vielzahl von Brücken an der A1, an der A3 und insbesondere an der A45, die vor mehr als 30 bis 40 Jahren gebaut wurden. Aber nichts ist passiert, um diese Brücken wieder in Ordnung zu bringen.

Dazu gehört, wie gesagt, auch diese Brücke. Eigentlich wusste der Landesbetrieb – und damit auch der Minister –, dass die Rheinbrücke besonders kritisch zu sehen ist. Deshalb – Sie haben es so verbal beantwortet, Herr Minister –

(Britta Altenkamp [SPD]: Ja, wie denn sonst? – Heiterkeit von der SPD)

frage ich: Wann und in welchen Abständen wurde der Zustand dieser Brücke neu bewertet? Entsprach die Tragfähigkeit dieser Brücke nicht schon in den letzten Jahren einer abfallenden Linie? Welches konkrete Untersuchungsergebnis ist Ursache für die notwendige Sperrung? Sie haben doch da nie mit offenen Karten gespielt.

(Zuruf von der SPD: Zocker sind wir nicht!)

Was Sie am 30.11. veranstaltet haben, waren Panik und Aktionismus. Ich will Ihnen das einmal sagen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich zitiere aus zwei Presseerklärungen. Am 30.11. ließ der Minister erklären:

„Bei den aktuell festgestellten Schäden handelt es sich um Risse im Anschlussbereich von zwei Querträgern an den Hauptträgern.“

Zeitgleich erklärte der Landesbetrieb:

„Bei den aktuell festgestellten Schäden handelt es sich um Risse im Anschlussbereich von sieben Querträgern an den Hauptträgern.“

Also, wie viele waren es denn? Waren es nun zwei oder sieben Querträger? Wer hat die Wahrheit gesagt? Der Landesbetrieb oder das Ministerium? Weiß die Linke nicht, was die Rechte tut? Gibt es nur Chaostage in Ihrem Hause? – Ich weiß das nicht.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Die FDP klatscht für Schemmer! Das ist neu!)

Dass die Grünen beim Thema „Straßen“ natürlich immer auf die Bremse treten, ist bekannt.

Wir müssen fragen, was in den letzten Jahren ab 2010 im Verkehrsministerium stattgefunden hat. Ihr Vorgänger – daran kann ich mich noch gut erinnern – war immer froh, wenn er nachmittags frühzeitig wieder in Belgien war. Da ist es auch schöner, so hat er zumindest gedacht.

Und der heutige Verkehrsminister macht immer noch den Generalsekretär. Ich erwarte von einem Verkehrsminister, dass er Minister, aber kein Generalsekretär ist. Generalsekretäre werden für Attacke gebraucht. Aber bei einem Minister ist solides Arbeiten gefragt.

(Jochen Ott [SPD]: Darin kennen Sie sich ja aus, Herr Schemmer!)

Beim Thema „Solides Arbeiten“ erinnere ich an die unterschwelligen Attacken – wie eben zwischendurch – gegen den Bund, hin und wieder auch einmal gegen den Oberbürgermeister dieser Stadt, in der wir uns befinden.

(Jochen Ott [SPD]: Der hat’s verdient!)

Aussage des Generalsekretärs: Keine Unterstützung vom Bund für den Eisernen Rhein! – Dabei haben Sie die Gespräche mit den Niederländern und den Belgiern überhaupt nicht geführt.

Der Generalsekretär: Keine Unterstützung vom Bund für die Betuwe-Linie! – Aber wir wissen doch, dass die Planung dafür schwer im Verzug ist und die damalige rot-grüne Landesregierung von 1995 bis 2005 nichts gemacht hat. Sie hat nicht genug Geld für den Fernstraßenbau zur Verfügung gestellt. Und wieder wird auf den Bund geschimpft. Für das Infrastrukturprogramm II sind ganz frisch 750 Millionen € beschlossen worden, 470 Millionen € davon für den Fernstraßenbau, 87 Millionen € davon für Nordrhein-Westfalen. Das entspricht fast dem Königsteiner Schlüssel.

Oder: Kein Geld vom Bund für studentisches Wohnen. – Dabei bekommen Sie jährlich von Bund 100 Millionen € für die Wohnraumförderung.

Sie finden ein Superprogramm aus dem Jahre 2009 von uns vor, das Sie zwischendurch haben einschlummern lassen. Das ist doch das Problem!

(Jochen Ott [SPD]: Riesig!)

Oder eine andere Aussage des Ministers: Die Stadt Düsseldorf schafft Reichengettos, statt den sozialen Wohnraum zu fördern.

(Dietmar Bell [SPD]: Was hat das denn mit den Rheinbrücken zu tun? – Jochen Ott [SPD]: Das war die Wahrheit zu Düsseldorf!)

– Das hat etwas damit zu tun, wie inkompetent dieses Haus regiert wird. Damit hat das schlicht und einfach zu tun.

Zum Bewilligungsbeschluss: Zum 30. November hat diese Landesregierung von den 850 Millionen € für den Wohnungsbau gerade einmal 360 Millionen € ausgegeben. Das ist, ob Schwarz-Gelb oder Rot-Grün regiert hat, das schlechteste Ergebnis der letzten 30 Jahre. Nein, es ist sogar noch schlechter: Das ist noch nicht einmal die Hälfte des schlechtesten Ergebnisses der letzten 30 Jahre.

(Beifall von der CDU)

Das ist ein Rekord, wie es ihn noch nie gegeben hat.

(Jochen Ott [SPD]: Bar jeder Sachkenntnis! Unerträglich!)

Private Firmen mit einem derartigen Betriebsergebnis müssten zum Insolvenzgericht. Man fragt sich: Ist es Aufgabe von Frau Kraft – vielleicht ist sie heute unterwegs; ich weiß es nicht –, oder ist das die Aufgabe des Generalsekretärs? Diese Fragen sind zu beantworten. Einen auf Generalsekretär machen reicht nun einmal nicht.

Wenn Sie Minister statt Generalsekretär wären, würden Sie uns zum Beispiel auch einmal die Begründungen für Ihre Streichlisten im Bereich des Bundesfernstraßenbaus und Landesstraßenbaus nennen und zur Verfügung stellen. Aber das machen Sie nicht.

Eben wurde es so schön erklärt: Unter Ihrem Staatssekretär Becker – immer noch von der rot-grünen Vorgängerregierung – wurde nicht nur die Streichliste erarbeitet, sondern es gab einen Vergabestopp für alle Ingenieurbüros. Das war doch das Problem. Von Ihrem Hause durfte nichts mehr vergeben werden, insbesondere auch dann nicht, wenn es um abgängige Brücken ging.

Sie sprachen eben die Personalreduktion der letzten Jahre an. Ja, es ist Personal reduziert worden. Es ist auch schon unter den Ministern Wittke und Lienenkämper Personal reduziert worden. Ich sage Ihnen aber auch: Es gibt einen natürlichen Abgang, und wenn Neueinstellungen zu erfolgen haben, werden, seitdem Rot-Grün regiert, Verwaltungsmitarbeiter, Juristen – also beamtete Bedenkenträger – und Ökologen eingestellt statt Statiker, um die Brücken in Ordnung zu bringen.

Dazu kann ich nur sagen: Wir müssen daran arbeiten, die A1 zukunftsfest achtspurig neu zu gestalten.

Im Entschließungsantrag von Rot-Grün ist eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten aufgeführt, und es wird die Verantwortung an den Bund weitergegeben. Von daher muss man dazu gar nichts weiter sagen. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU – Achim Tüttenberg [SPD]: Nicht einmal Gemeinderatsniveau!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schemmer. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Breuer das Wort. Herr Kollege Breuer, bitte.

Reiner Breuer (SPD): Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Laumann, wer solche Verkehrsexperten wie Herrn Schemmer in den eigenen Reihen hat, braucht keine Laien mehr.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Denn selbst Laien müssen doch erkennen, dass der ehemalige Generalsekretär der SPD, der heutige Minister Groschek, das Handling des Fiaskos an der Rheinbrücke generalstabsmäßig gehandelt hat. Sehr gut! Ein großes Kompliment an Herrn Minister!

(Beifall von der SPD)

Sie würden ja fast noch den Verdacht äußern wollen, dass Herr Groschek selbst Hand angelegt hat, damit er dieses Thema heute auf die Tagesordnung bringen kann. Sie sind weit von der Realität entfernt, meine Damen und Herren. Wir sind Herrn Minister dankbar dafür, dass er uns heute über die Geschehnisse unterrichtet und es zum Thema im Plenum des Landtags macht, wie es um die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Bundesfernstraßen bestellt ist.

Wir wollen noch einmal auf den Anlass zurückblicken, Herr Schemmer, nämlich auf die Tatsache, dass die Rheinbrücke als lebenswichtige Verkehrsader an der A1 dem Verfall ausgesetzt ist, wie es auch für andere Brücken gilt. Die Brücken bröseln, und Deutschland droht der Verkehrsinfarkt.

Wir haben in den vergangenen zwei Wochen hautnah erleben müssen, wie sehr die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger auf eine intakte Verkehrsinfrastruktur angewiesen sind. Die Auswirkungen der Sperrung der A1 und der Rheinbrücke für Lkws ab 3,5 t sind gravierend. Die Lkws müssen weite Umwege fahren. Dadurch entstehen Umfahrungsverkehre, die zur Überlastung anderer Autobahnen führen, zu Staus, mehr Abgasbelastungen der Bürgerinnen und Bürger. Nachteilige Auswirkungen auf die Logistikunternehmen treten ebenfalls ein.

Man muss auch einmal berücksichtigen, welche Kosten dort im Verhältnis zu den Belastungen entstehen, die die Unternehmen tragen, wenn es um die Lkw-Maut geht. Darauf komme ich gleich zurück.

Das zurzeit einzig Erfreuliche ist, dass wir feststellen können: Die Experten von Straßen.NRW haben die Straßen und Brücken in Nordrhein-Westfalens gut im Blick. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Schäden dort frühzeitig entdeckt wurden und unverzüglich die erforderlichen Schritte eingeleitet werden konnten. Die Sicherheit der Straßen in Nordrhein-Westfalen scheint also gewährleistet zu sein. Ich füge hinzu: noch gewährleistet zu sein.

Erfreulich ist auch, dass die Rheinbrücke dem Anschein nach repariert werden kann, die Instandsetzungsarbeiten in Kürze beginnen und der Verkehr für Lkws in drei Monaten wieder freigegeben werden kann.

Wir hoffen, dass das bis zu dem Zeitpunkt Bestand hat – der kommen muss –, zu dem ein Ersatzneubau erfolgt. Es ist sicherlich zu begrüßen, dass sich der Bund an den Planungskosten beteiligt und 950.000 € bereitstellt. Man fühlt sich zwangsläufig an die Werbung von Franz Beckenbauer erinnert, der gesagt hat: „Ja, is‘ denn heut‘ scho‘ Weihnachten?“, oder muss zur Kenntnis nehmen, dass man den Wahltagen im nächsten Jahr näher rückt, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir müssen aber auch ein paar Fragen beantworten – Herr Groschek hat dazu schon einiges ausgeführt –: War das alles, oder ist das nur ein Einzelfall? Dazu können wir sicherlich sagen: Nein. Was kommt noch auf uns zu? Müssen wir bald weitere Großbrücken sperren lassen? Müssen diese saniert werden? Vor allen Dingen: Wer soll das bezahlen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landesbetrieb Straßen.NRW geht heute davon aus, dass etwa 400 Brücken an Autobahnen und Fernstraßen saniert oder ersetzt werden müssen. Herr Groschek hat auf die erforderlichen Nachrechnungen hingewiesen, aber auch darauf, dass Landesstraßen sowie Landes? und kommunale Brücken betroffen sind.

Statische Überprüfungen zur aktuellen Tragfähigkeit haben schon jetzt dazu geführt, dass einige Brücken, wie es heißt, abgelastet werden. Das bedeutet: 30 Brückenbauwerke auf Bundesautobahnen in Nordrhein-Westfalen sind für den Schwerlastverkehr ab 44 t schon heute nur eingeschränkt befahrbar. Schwerlasttransporte können dort nur unter verschärften Auflagen entlangfahren.

All das ist Realität und kein Wunder, denn die Güterverkehrsleistungen, die über unsere Straßen gehen, die die Straßen belasten, die sie zu ertragen haben, haben sich seit der Wiedervereinigung fast verdoppelt und betrugen im letzten Jahr 435 Milliarden Tonnenkilometer. Die Anzahl der Schwerlasttransporte hat ebenfalls zugenommen.

Was ist zu tun, meine Damen und Herren? – Die Koalitionsfraktionen haben Ihnen heute eine Entschließung zur Unterrichtung der Landesregierung vorgelegt. Mit der Entschließung fordern wir, zuallererst ein Sonderarbeitsprogramm zur statischen Prüfung und zur Sanierung der Brückenbauwerke an Bundesfernstraßen auf den Weg zu bringen. Wir fordern auch Sie auf, Herr Schemmer, in Ihren Reihen aktiv zu werden, um dies zu unterstützen. Das Land Nordrhein-Westfalen bleibt in seiner Verantwortung für die Planung und für das Baustellenmanagement. Der Minister hat Ausführungen dazu gemacht, dass man dieser Verpflichtung auch nachkommt.

Entscheidend ist und bleibt, dass der Bund als Baulastträger der Bundesfernstraßen und Brücken die erforderlichen Finanzmittel in auskömmlicher Höhe bereitstellt. Davon kann heute nach wie vor keine Rede sein. Allein die Kosten für die eben skizzierten Sanierungen von Neubauten und der Brücken auf Bundesfernstraßen betragen etwa 3,5 Milliarden €. Wir wissen, dass der Bedarf insgesamt bei etwa 7 Milliarden € liegt.

Wir müssen dringend darüber diskutieren: Wie kann man die Straßeninfrastruktur stärker verursachergerecht finanzieren? Wir sind der Überzeugung, dass die Lkw-Verkehre stärker in die Pflicht genommen werden müssen als bisher; denn schließlich ist die Belastung der Straßen durch einen schweren Lkw von 40 t etwa 40.000-mal größer als durch ein Pkw. Schwere Lastkraftwagen verursachen mithin in besonderem Maße Kosten für den Bau, den Erhalt und den Betrieb der Straßen. Mit einer Ausweitung der Lkw-Maut für Fahrzeuge über 7,5 t auf allen Straßen der Bundesrepublik könnte dem schon bald Rechnung getragen werden. Mit der Ausweitung der Maut auf alle Straßen des Landes, aber auch der Kommunen würde zugleich das Problem der Mautausweichverkehre gemindert. Möglicherweise liegt darin auch ein Schlüssel, wie die kommunalen Straßen zukünftig besser finanziert werden können. Dazu besteht Diskussionsbedarf.

Für uns ist es jedenfalls zwingend, dass zusätzliche Einnahmen aus dem Mautsystem tatsächlich zweckgerichtet für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur verwendet werden. Darauf legen wir großen Wert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind gespannt, meine Damen und Herren, welche Vorschläge die Kommission zur Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung unter dem Vorsitz von Herrn Dr. Daehre, dem ehemaligen Landesverkehrsminister der CDU, nächste Woche machen wird. Wir werden uns konstruktiv an der Diskussion beteiligen und rufen Sie auf, dies mit uns zu tun. Herr Dr. Daehre wird auch im Februar im Verkehrsausschuss anwesend sein.

Wir stehen vor spannenden Diskussionen. Mit dem heutigen Entschließungsantrag wollen wir erste Impulse für die Diskussion geben. Folgen Sie uns, unterstützen Sie uns in diesen Aussagen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Breuer. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal ein Dank an den Minister für die Unterrichtung, die Information und das zügige Handeln in der Sache. Lieber Herr Schemmer, das ist kein Aktionismus, sondern das war dringend notwendig. Für die Rede hätten wir Ihnen gern ein Hustenbonbon angeboten, dann hätte man Sie noch besser verstehen können.

(Zuruf von der FDP: Honigbonbon!)

In den letzten Wochen haben die Ingenieure, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Straßen.NRW wichtige Arbeit geleistet, und das bei bitterer Kälte.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Ihnen gilt ein großer Dank, insbesondere auch den Polizistinnen und Polizisten. – Ich weiß nicht, warum man Ihnen das sagen muss. Wir haben in den grünen Reihen einige Polizistinnen und Polizisten, die da eine Woche eingesetzt waren und uns berichtet haben, was vor Ort los war, wie schwierig es war, die Brummifahrer abzudrängen. Wenn man das im Plenum erwähnt und zu Protokoll gibt, scheint das der FDP nicht zu gefallen – warum auch immer.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Wir bedanken uns auf jeden Fall bei den Bauingenieuren und bei den Polizistinnen und Polizisten. Die wichtige Brücke ist ein Nadelöhr für den Verkehr in Nordrhein-Westfalen, sehr geehrte Damen und Herren, und sie ist – so schlimm das Vorkommnis ist – ein Signal und ein Symbol für die marode Infrastruktur bei uns im Land. Kürzlich schrieb ein Journalist: Leverkusen ist überall. – Da ist etwas dran, denn in Nordrhein-Westfalen sind fast 400 Autobahnbrücken dringend sanierungsbedürftig. Es geht um ein Gesamtvolumen von 3,5 Milliarden €.

So schwierig die Situation ist, es ist vielleicht gut, dass wir die Debatte jetzt führen, dass wir einen Blick auf die marode Infrastruktur des Landes werfen und dass in den nächsten Wochen und Monaten entsprechend gehandelt wird. Wir brauchen eine Allianz für Infrastruktur im Land, eine Allianz für Sanierung und ein Sonderarbeitsprogramm, in dem Bund und Land zusammenarbeiten. In dem Zusammenhang – das wird der FDP und auch der CDU vielleicht ein bisschen besser gefallen – sind die Zusagen aus Berlin – der Besuch von Staatssekretär Bomba, die Zusage über 1 Million € für die Planung und auch die Zusage, dass bis 2020 ein Ersatzbau errichtet und die Gelder zur Verfügung gestellt werden sollen – ein gutes Signal. Wir bedanken uns dafür, dass auch die Bundesregierung in dem Punkt schnell gehandelt hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Letztlich ist es egal, wer in Berlin oder in Düsseldorf an der Regierung ist, wir müssen uns in den nächsten Jahren besser um unsere Infrastruktur kümmern. Das Verteilen des Geldes im Verkehrsbereich nach Himmelsrichtungen muss ein Ende haben. Es muss in den nächsten Jahren nach Bedarfen verteilt werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Und Bedarfe sind in Nordrhein-Westfalen sehr stark vorhanden.

Die VDV-Studie hat belegt, dass wir in Nordrhein-Westfalen für die Sanierung von U- und Stadtbahnsystemen in den nächsten Jahren 1,1 Milliarden € brauchen, also in den nächsten fünf Jahren 1,1 Milliarden € für Ersatzinvestitionen, weil die Städte in den 70er- und 80er-Jahren für U-Bahntunnel, für Stadtbahnstrecken keine Rücklagen gebildet haben und jetzt nach 30, 40 Jahren dort die Sanierungen anstehen.

Das, was die Brücke bei der A1 in Leverkusen ist, das ist die U-Bahnstrecke in Mülheim, die im Herbst stillgelegt worden ist. Auch hier haben wir die Situation, dass die Infrastruktur mittlerweile so marode ist, dass in Essen eine Haltestelle und in Mülheim die U-Bahnlinie stillgelegt werden musste.

Das ist unsere Antwort auf die Situation: Wir brauchen mehr Geld im System für Sanierung. Deswegen brauchen wir eine nutzerorientierte Finanzierung und eine höhere Lkw-Maut auf allen Straßen, und das mindestens ab 7,5 t, besser ab 3,5 t.

Wenn man sich momentan unsere Briefeingänge oder unsere Mails, die wir bekommen, durchguckt, dann stellt man fest: Man wird jetzt viel angeschrieben, gerade von Betrieben, von IHKn, von der Logistikwirtschaft, dass dringend gehandelt werden muss, dass die Brücke bei Leverkusen saniert werden soll. Aber auf gar keinen Fall soll man weitere Abgaben erheben. Die Aufforderung „Hände weg von der Lkw-Maut!“ erreichte uns gestern.

Sehr geehrte Damen und Herren, so wird es in den nächsten Jahren nicht funktionieren. Wir brauchen eine nutzerorientierte Steigerung der Abgaben, damit wir mehr Geld für die Sanierung unserer Straßen und unserer Stadtbahnsysteme in Nordrhein-Westfalen einsetzen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Hier kommt es darauf an, dass wir in den nächsten Wochen einen Konsens erreichen. Da hat der Kollege Breuer eben das Richtige gesagt. Eine Anhebung der Lkw-Maut ist nur dann zu verantworten, wenn dieser Betrag eins zu eins in die Verkehrsinfrastruktur geht. Es muss eine zweckgebundene Abgabe sein, die in den Infrastrukturhaushalt geht.

Ich habe den Eindruck, dass wir mittlerweile auf der Bundesebene in der Diskussion weiter sind. Ich hatte am Montagabend das Vergnügen, den ADAC-Präsidenten, Herrn Peter Meyer, zu hören, der ganz klar sagt: Die große Zukunftsaufgabe im Land ist nicht der Neubau von Straßen, sondern ist die Sanierung und der Erhalt von Straßen in Deutschland. – Nun ist ja der ADAC nicht bekannt als grüne Vorfeldorganisation.

(Zuruf von der SPD: Wer weiß!)

Ich fand es spannend, dass er sozusagen mit dieser Äußerung herausging.

Wenn ich mir – um mal ein weiteres Stichwort zu nennen – die Zusammenstellung der Planungen in den Regionalräten in Nordrhein-Westfalen angucke, die Anmeldungen für den neuen Bundesverkehrswegeplan, dann stelle ich fest, dass die Botschaft, dass wir uns zentral um Sanierung und Erhalt kümmern müssen, leider in den Kommunen und in den Kreisen in Nordrhein-Westfalen noch nicht angekommen zu sein scheint. Denn dort wird für die Anmeldung des Bundesverkehrswegeplans 2015 wieder die große Wünsch-dir-was-Liste ausgebreitet. Ich habe mir das mal detailliert beim Regionalrat Düsseldorf angeguckt: Wenn wir die Straßenprojekte, die jetzt gerade dort zusammengestellt worden sind, in Nordrhein-Westfalen realisieren wollten, dann hätten wir den Straßenbauetat der nächsten 20 Jahre komplett aufgebraucht.

Wir brauchen eine realistische Sicht auf die Dinge. Eine realistische Sicht auf die Dinge heißt, wir brauchen eine Priorisierung und eine Schwerpunktsetzung. Wir müssen uns auf das Notwendige konzentrieren. Es kann nicht sein, dass sozusagen jedes regionale Einzelinteresse bedient wird und jede kleine Umgehungsstraße uns die nächsten 20, 30 Jahre blockiert.

(Zuruf von Bernhard Schemmer [CDU])

– Fahrradautobahnen werden, wenn wir sie gebaut haben, lieber Herr Schemmer, die Straßen in Nordrhein-Westfalen entlasten. Deswegen werden wir das im nächsten Jahr voranbringen.

(Weiterer Zuruf von Bernhard Schemmer [CDU])

– Wenn die Fahrradautobahnen vom Bund bezuschusst werden.

(Lachen von der CDU)

Das hätte ich mir bei der 750-Millionen-€-Liste von Herrn Ramsauer gewünscht, die wir jetzt ja mit den ganzen Einzelmaßnahmen vorgelegt bekommen haben. Dort finden sich zahlreiche Umgehungsstraßen, insbesondere im Süden und insbesondere in Bayern, auf die man gut und gerne hätte verzichten können. Ein paar Fahrradschnellstraßen hätten dieser Liste durchaus gutgetan,

(Zurufe von der CDU)

damit wir die Straßen und auch die überlasteten Stadtbahnen, die U-Bahnen und S-Bahnen in Nordrhein-Westfalen entlasten können.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir können uns in Zukunft, sehr geehrte Damen und Herren, eine solche Politik der Gießkanne und des Wünsch-dir-was nicht mehr leisten. Wir können uns auch in Zukunft keine Großprojekte mehr leisten, die uns mit fehlerhafter Planung, wenn sie uns dann finanziell aus dem Ruder laufen – ich nenne nur das Stichwort „Stuttgart 21“ und den Berliner Hauptstadtflughafen –, über Jahre in der Verkehrsinfrastruktur blockieren, wofür Milliarden zusätzlich investiert werden müssen, die in anderen Bereichen fehlen. Die Milliarden, die in Stuttgart verbuddelt werden, hätte man besser für Straßensanierung ausgegeben.

(Beifall von der SPD)

Die hätte man besser für Brückensanierung ausgegeben.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Die hätte man in Nordrhein-Westfalen viel besser investieren können als da, wo sie jetzt eingesetzt werden.

Wir brauchen, wenn jetzt ein neuer Bundesverkehrswegeplan aufgestellt wird und weitere Schienenprojekte geplant werden, vorab eine bessere Öffentlichkeitsbeteiligung. Was wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können werden, das ist Bürgerbeteiligung über zahlreiche Klageverfahren, über Prozesse, über Volksabstimmungen, die im Nachhinein stattfinden. Wenn man die Bürgerinnen und Bürger im Land rechtzeitig beteiligt, wenn man die Planungen offenlegt, wenn man sich dem Gespräch stellt, dann kann man Verkehrsinfrastrukturprojekte viel schneller in diesem Land voranbringen. Das muss unsere Aufgabe sein mit Blick auf den neuen Bundesverkehrswegeplan, dass man sich jetzt der Debatte stellt und nicht Planungen vorantreibt, die man erst viel später offenlegt, die die Bürgerinnen und Bürger im Nachhinein beklagen. Darauf werden wir in Zukunft aufpassen, dass diese Bürgerbeteiligung stattfindet.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir werden und müssen uns auch Gedanken machen, was den Modal Split und die Veränderung des Modal Split angeht. Das hat der Verkehrsminister eben angesprochen. Bezüglich des Güterverkehrs gibt es positive Beispiele in unseren Nachbarländern. Wenn man sich die Niederlande anguckt, wenn man sich zum Beispiel die Planungen in Rotterdam anguckt – ich hatte diese Woche ein Gespräch mit Vertretern des Rotterdamer Hafens –: Hier gibt es eine klare Festlegung für die Verteilung beim Modal Split bis 2030 und entsprechende Festlegungen von Finanzquellen und Verkehrsinfrastrukturprojekten. Hier soll verschoben werden, nämlich weg von der Straße und hin zu Wasserwegen und zur Schiene. Dafür werden entsprechend Gelder zur Verfügung gestellt. Ein Blick zu den niederländischen Nachbarn würde helfen, damit wir unsere Planungen besser in die richtige Richtung lenken.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

– Sie dürfen mir, liebe Kollegen von der FDP, gerne eine Zwischenfrage stellen. Ich fühle mich natürlich durch Zwischenrufe geadelt. Aber Sie dürfen mir gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie meine Ausführungen kritikwürdig finden oder irgendetwas anzumerken haben. Auch Herr Lindner kann das gerne machen – oder Herr Rasche; wie auch immer.

(Christian Lindner [FDP]: Ich habe keine Fragen an Sie!)

– Okay. – Wenn wir jetzt nicht konzentriert und klug handeln, drohen uns in den nächsten Jahren weitere massive Schäden in der Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen, die auch unseren Wirtschaftsstandort schwächen werden.

Wir brauchen verstärkte Investitionen. Wir brauchen hier auch weitere Unterstützung vom Bund. Die Benachteiligung von Nordrhein-Westfalen in zahlreichen Bereichen, die wir auch zahlenmäßig nachgewiesen haben – wenn vonseiten des Bundes Gelder zur Verfügung gestellt werden, stehen uns nach dem Königsteiner Schlüssel 21 % zu; wir stellen aber fest, dass bei den zentralen Infrastrukturprojekten nur 3 bis 4 % nach Nordrhein-Westfalen fließen –, muss dringend beendet werden. Wir brauchen mehr Geld für Infrastruktur. Der Druck muss hier erhöht werden.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Egal, welche Regierung und welche Farbenlehre gerade am Start war, ist Nordrhein-Westfalen in den letzten zehn, 15 Jahren hier deutlich benachteiligt worden.

Wir von SPD und Grünen laden mit diesem Entschließungsantrag alle Fraktionen zur Diskussion und zur Mitarbeit ein. Teilweise gibt es im Verkehrsausschuss konstruktive Debatten und eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit. Sie ist in dieser Frage dringend notwendig, damit wir nicht aufs Abstellgleis geschoben werden und noch weitere Vorfälle wie den in Leverkusen zu beklagen haben. Wir dürfen in Nordrhein-Westfalen nicht abgehängt werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Rasche.

Christof Rasche (FDP): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte geht es zum einen um die Rheinbrücke in Leverkusen und deren Sperrung für Lkws über 3,5 t. Es geht natürlich auch um die Infrastrukturpolitik und deren Finanzierung in Gänze. Deshalb möchte ich in acht Punkten auf diese Thematik eingehen.

Erster Punkt: wirtschaftliche Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen. Meine Damen und Herren, die Verkehrsinfrastruktur ist das Herz des Industriestandortes Nordrhein-Westfalen. Wenn es dort zu erheblichen Engpässen kommt oder vielleicht sogar Engpässe geschlossen werden müssen, hat das für die Wirtschaft, die Arbeitsplätze und den Industriestandort dramatische Folgen.

Das betrifft die Brücken wie die Rheinbrücke in Leverkusen. Das betrifft Schleusen, die in Nordrhein-Westfalen in einem ganz schlechten Zustand sind; und wenn eine Schleuse dicht ist, kann ein Schiff auch nicht mehr umgelenkt werden. Das betrifft zahlreiche Schienenengpässe, die genauso saniert werden müssen.

Wir haben 10.000 Brücken in Nordrhein-Westfalen: 3.800 an Autobahnen, 2.500 an Bundesstraßen, 3.600 an Landesstraßen. Bei den Bundesfernstraßen hat man festgestellt, dass 400 Brücken in Nordrhein-Westfalen sanierungsbedürftig sind. Das ist schon eine Hausnummer. 700 Brücken sind dort überprüfungsbedürftig, was auch immer am Ende dabei herauskommt. Zahlreiche Brücken sind schon jetzt nur eingeschränkt befahrbar.

Die Sperrung der Brücke, von der wir hier reden, ist doch schon vor Monaten und Jahren diskutiert worden. Diese Sperrung stand immer im Raum. Die Frage war doch nicht, ob die Brücke gesperrt wird, sondern die wirkliche Frage war:

(Jochen Ott [SPD]: Wann?)

Wann kommt es zu einer Sperrung? – Diese Frage müssten sich alle Beteiligten gestellt haben, auch in der Vergangenheit, und dementsprechend gehandelt haben.

Darüber hinaus warnen zahlreiche Experten vor einer Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur im Bund und im Land, und zwar nicht nur in der Zukunft; sie blicken dabei auch auf die Vergangenheit.

Zweiter Punkt: die Bedeutung der Brücke bei der A1 in Leverkusen. 15.000 Lkws fahren dort am Tag entlang. Jetzt benötigt jeder Lkw im Durchschnitt einen Umweg von 25 km. Das macht eine Mehrfahrzeit von ungefähr einer halben bis ganzen Stunde aus. Im Monat sind das 300.000 zusätzliche Fahrstunden oder 7,5 Millionen zusätzlich gefahrene Kilometer.

Die Sperrung einer solchen Brücke ist für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen und deren Verkehr ein Super-GAU. Man muss aufpassen, dass man so etwas in Zukunft vermeidet, und sich überlegen, wie man damit umgeht.

Dritter Punkt: das Krisenmanagement des Ministers. Am 30. November 2012 – auch an diesem Tag haben wir hier im Hohen Haus getagt – fand um 14 Uhr aufgrund der Schadenstufen ein Termin an der Rheinbrücke in Leverkusen statt. Es folgte die Sperrung für Lkws ab 3,5 t. Für 14 Uhr wurde also sehr eilig ein Fototermin einberufen. Wir sind von Minister Groschek ja – oft in der Presse, manchmal auch hier – flotte Sprüche gewohnt. Er redet von „Luxusgettos“, was auch immer das ist. Er spricht von „ÖPNV auf lau“. Würde ich sein Vokabular benutzen, könnte ich mit Blick auf diesen Fototermin sagen: Das war Schau statt Bau, Herr Minister.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In Ihrer Botschaft haben Sie den Versuch unternommen, von Ihrer Verantwortung, von der Verantwortung des Ministeriums, abzulenken. Dabei hat das Land doch vom Bund die Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen übertragen bekommen. Es musste für die Ausschilderung von Umleitungsstrecken und für eine neue Verkehrsführung gesorgt werden. Alles hat Tage gedauert, meine Damen und Herren. Das war kein gutes Krisenmanagement. Das Krisenmanagement war eine Katastrophe.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Im Nachhinein stellt man sich natürlich die Frage, warum man sich nicht rechtzeitig mit einem Konzept beschäftigt hat, wenn man doch wusste, dass es gerade bei dieser Brücke zu irgendeinem Zeitpunkt zu einer Sperrung kommen musste, weil dort besondere Stahlkonstruktionen vorhanden sind, und warum man nicht in Vorlauf geht und alle Beteiligten rechtzeitig, bevor es zum Super-GAU kommt, fragt: Da droht uns Gefahr. Wie gehen wir mit dieser Gefahr um? Habt ihr Ideen, damit wir rechtzeitig reagieren können, wenn es zu diesem Super-GAU kommt?

Alles das hat man unterlassen. Alles das hätte man tun können. Dann wäre das Krisenmanagement weitaus besser gelaufen. Am 18. Dezember dieses Jahres folgt jetzt ein runder Tisch. Das ist zwar gut, aber einfach zu spät.

Vierter Punkt: Unterfinanzierung der Infrastruktur. Experten – ich habe es eben gesagt – reden von einer chronischen Unterfinanzierung bei Bund und Land. Schauen wir auf die Zahlen: 2011 hat Nordrhein-Westfalen vom Bund für den Bundesfernstraßenbau 1,047 Milliarden € bekommen, von 1998 bis 2009 im Durchschnitt 778 Millionen €, also deutlich weniger als im Jahre 2011. Und wer waren die Verkehrsminister von 1998 bis 2009, meine Damen und Herren? – Müntefering, Klimmt, Bodewig, Stolpe und Tiefensee!

(Beifall von der FDP und der CDU – Christian Lindner [FDP]: Aha!)

Wegen des Handelns Ihrer eigenen Verkehrsminister in Berlin ist Ihre Forderung nach mehr Geld vom Bund absolut unseriös.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie bewerten die Minister in Berlin nach zweierlei Maß; das ist nicht in Ordnung.

Schauen wir noch kurz auf die Landesstraßen! Auch dort gibt es einen erheblichen Sanierungsstau; man denke nur an die fast 4.000 Brücken. 2009 wurden von CDU und FDP 171 Millionen € zur Verfügung gestellt. Jetzt sind es nur noch 141 Millionen €, bereitgestellt von SPD und Grünen, also weit weniger. Vom Bund fordern Sie mehr, und selber tun Sie weniger. Auch das ist widersprüchlich und nicht in Ordnung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Fünftens. Werden Lkw-Fahrer und Speditionen abgezockt oder nicht? Die Straße bringt im Jahr 53 Milliarden € an Steuereinnahmen. Im Jahre 2013 ist geplant, dass davon 10,7 Milliarden an alle Verkehrsträger zurückfließen. Da habe ich doch kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Seit Jahren werden da die falschen Prioritäten gesetzt; Herr Klocke hat eben recht gehabt.

Die Lkw-Maut wurde zum 1. Januar 2005 eingeführt, damals unter den Ministern Eichel und Stolpe – Finanzen und Verkehr –, und wenig später wurden diese beiden durch Steinbrück und Tiefensee abgelöst. Lieber Herr Minister Groschek, das ist also unter Ihrer Ägide entstanden. Damals hat man eine Kompensation für die Spediteure versprochen.

„Versprochen – gebrochen“, diese Kompensation hat nicht stattgefunden. Es wurde zwar mehr Geld für die Infrastruktur versprochen, das dringend benötigt wird, aber es war der damalige Finanzminister Peer Steinbrück, der den entsprechenden Titel des Verkehrshaushalts wieder um jeden Euro, der bei der Lkw-Maut hereinkam, reduziert hat. Das war unter dem Strich ein Nullsummenspiel. Die Spediteure haben bezahlt, und am Ende kam kein einziger Euro mehr für die Infrastruktur dabei heraus.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Genau das ist doch auch der Fehler in Ihrem Antrag. Sie schreiben dort, dass die neue Lkw-Maut auf weiteren Straßen zwingend für die Verkehrsinfrastruktur verwendet werden muss. Aber Sie sagen nicht, dass der Verkehrshaushalt nicht gleichzeitig reduziert werden darf. Ihr Antrag lässt das gleiche Spiel, das im Jahre 2005 unter Peer Steinbrück stattgefunden hat, wieder zu.

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

Genau das müssen wir aber doch verhindern. Sie hätten schreiben müssen, dass die Mittel im Bundeshaushalt nicht reduziert werden dürfen. Aber das haben Sie versäumt.

Minister Groschek hat eben schön erklärt: Was bedeutet Große Koalition? Ramsauer will die Pkw-Maut, Minister Groschek will die Lkw-Maut. Meine Damen und Herren, bewahren Sie uns vor einer Großen Koalition in Berlin!

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD – Dieter Hilser [SPD]: Wider besseres Wissen!)

– Herr Kollege, schönen Dank.

Sechstens: die Daehre-Kommission und deren Begleiter. Die Daehre-Kommission hat den Investitionsstau sehr genau berechnet und warnt mit guten Argumenten vor einem Verkehrschaos in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Sie will neue Finanzierungskonzepte vorstellen und insbesondere mit sehr viel Fingerspitzengefühl mit Finanzpolitikern reden, um neue Weg zu gehen. Deshalb kommt übrigens Herr Dr. Daehre selber im Februar in den nordrhein-westfälischen Landtag.

Und was machen die Kollegen von SPD und Grünen? – Sie können diese Entwicklung nicht in Ruhe abwarten, zeigen nicht das notwendige Fingerspitzengefühl, bringen schon heute einen Antrag ein, stellen diesen zur Abstimmung und stellen damit die Strategie der Daehre-Kommission auf den Kopf.

(Beifall von der FDP)

Sie nehmen der Kommission doch die Möglichkeit, in den nächsten zwei Monaten weiter zu verhandeln, weil Sie jetzt schon eine Entscheidung verlangen. Das ist der falsche Weg. Der Antrag wird einfach viel zu früh gestellt. Es wäre klug gewesen, die heutige Diskussion in den Ausschuss, in das Gespräch mit Dr. Daehre im Februar mitzunehmen, um dann zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen.

(Beifall von der FDP)

Kollege Arndt Klocke sprach eben von einem notwendigen Konsens. Da haben Sie recht. Aber mit Ihrem Antrag erreichen Sie doch das Gegenteil, und das kann ich nicht verstehen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Siebtens: Lkw-Maut auf allen Straßen. Ist das Symbolpolitik oder nicht? Kann das deutsche Transportgewerbe diese extreme Mehrbelastung verkraften? – Wahrscheinlich nicht. Wie und vor allem wann soll die technische Umsetzung erfolgen? Keiner kann das sagen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass es durch diese Maut am Ende mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur gibt? Ihr Antrag – das habe ich eben gesagt – gibt das nicht her.

Eines kann ich überhaupt nicht verstehen – das war schon ansatzweise im Koalitionsvertrag so und jetzt wieder –: Sie machen die Lkw-Fahrer zu Buhmännern der Nation. Das haben die Lkw-Fahrer nicht verdient.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Totaler Quatsch!)

– Herr Ott, Sie müssen mit denen mal sprechen. Dann hören Sie auch deren Urteil.

Achtens. Setzt sich diese Koalition tatsächlich für eine bedarfsgerechte und notwendige Verkehrsinfrastruktur ein? – Mit diesem Antrag sicherlich nicht; die Begründung habe ich geliefert. Es kommt zum Schwur, wenn die Meldungen des Landes zum Bundesverkehrswegeplan im nächsten Jahr – vermutlich kurz vor den Sommerferien – erfolgen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Rasche, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Klocke zulassen?

Christof Rasche (FDP): Gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke, lieber Christof Rasche, dass die Zwischenfrage zugelassen ist. – Meine Frage lautet – wir haben gerade gehört, was wir in dem Antrag alles falsch angelegt haben und was alles nicht gewollt ist –: Hat die FDP einen konkreten Vorschlag, wie mehr Geld für den Ausbau und die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur akquiriert werden kann? Oder warten wir auf Februar? Denn irgendeine Festlegung oder Debatte seitens der FDP muss es auf Bundesebene oder im Wahlprogramm oder im Grundsatzprogramm geben.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter, bitte schön.

Christof Rasche (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir reden schon seit einigen Monaten genau über diese Thematik, über den Investitionsstau im Bestand und über die Notwendigkeit, aufgrund des nach den Prognosen gewaltig ansteigenden Verkehrsaufkommens mehr zu investieren – auch in neue Verkehrswege auf Schiene und Straße. Das tun nicht nur wir in diesem Haus – auch wir beide bilateral –, sondern auch die Verkehrsministerkonferenz und das Bundesverkehrsministerium.

Genau deshalb hat man doch die Daehre-Kom­mission eingesetzt, damit sie in Ruhe Vorschläge machen kann, die wir dann umsetzen können – mit vielen begleitenden, klugen Gesprächen. Alle Beteiligten waren sich einig: Wir halten – um in Fußballersprache zu sprechen – den Ball flach, bis das endgültige Ergebnis vorliegt. Diejenigen, die sich von diesem Schwur getrennt haben, sind Sie, lieber Herr Kollege Klocke, gemeinsam mit der SPD.

(Beifall von der FDP)

Sie stellen das schon jetzt zur Abstimmung, und das ist falsch. Wir wollen weiter den konsensualen Weg gehen, den wir mit der Daehre-Kommission vereinbart haben.

Bei den Meldungen zum Bundesverkehrswegeplan vor den Sommerferien kommt es zum Schwur. Da wird man feststellen: Meldet Nordrhein-Westfalen bedarfsgerecht, wie das Niedersachsen, Bayern und Hessen machen, oder meldet Nordrhein-Westfalen ein politisch motiviertes Rumpfprogramm? Ich hoffe, das wird nicht so sein. Ansonsten bekommen wir ein Problem.

Wie wollen Sie beim Bund mehr Geld einfordern, wenn Ihre Anträge und Ihre Anmeldungen das gar nicht notwendig machen? Wenn Sie Ihre Anträge an den bisherigen Bauprogrammen und deren Summe ausrichten, dann brauchen Sie demnächst gar nicht mehr Geld von Berlin zu fordern. Dann sagt Berlin nämlich: Ihr in Nordrhein-Westfalen wollt doch gar nicht mehr Geld. – Das ist rot-grüne Politik, und das müssen wir verhindern, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zum Abschluss drei Bemerkungen zum Antrag von SPD und Grünen:

Erstens. Der Antrag ist unseriös in der Problembeschreibung. Sie messen beim Handeln der Bundesverkehrsminister mit zweierlei Maß.

Zweitens. Der Antrag ist nicht präzise in der Formulierung und sichert eben nicht mehr Mittel für Verkehrsinfrastruktur.

Drittens. Der Antrag ist zum falschen Zeitpunkt gestellt.

Meine Damen und Herren, wir sollten „Schau statt Bau“ umdrehen. „Bau statt Schau“ ist besser. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Abgeordneter Fricke.

Stefan Fricke (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Wertes Kollegium! Meine Damen und Herren! Wie Sie ja vielleicht wissen, wohne ich in Köln. Und obwohl ich regelmäßig zwischen den beiden durch eine herzliche Erbfeindschaft verbundenen Städten Köln und Düsseldorf pendle, bin ich bisher von Brückentrümmern verschont geblieben, nicht jedoch von Verkehrsstaus, Umleitungen und Verspätungen.

Aber Spaß beiseite! Die Situation der Leverkusener Autobahnbrücke ist alles andere als spaßig, auch wenn sie vielleicht nicht ganz so schlimm ist, wie anfangs befürchtet – so wie die geschätzte halbe Million Euro, die zur behelfsmäßigen Sanierung aufgewendet werden muss, kein Spaß ist. Denn sie dient nur dazu, ein Loch zu stopfen, ein Loch, das spätestens 2020 neu überbrückt werden muss und von dem man nicht weiß, ob und wie lange der Flicken hält.

Eine endgültige Lösung dieses einen Problems – also einen Neubau – werde ich vielleicht gerade eben noch erleben. Die Planung dafür soll ja demnächst beginnen. Den Aufschrei über die Kosten können wir jedoch schon heute hören: allein für die Planung ca. 3,5 Millionen €, für den Neubau nach heutigen Schätzungen ca. 150 bis 200 Millionen €. Bei den inzwischen üblichen Kostensteigerungen wird es wohl nicht dabei bleiben.

Aber diese eine Großbaustelle ist nur die Spitze des Eisbergs, nur eine von derzeit bereits absehbaren 30 Großbaustellen, die uns in den nächsten Monaten und Jahren beglücken werden, von den anderen 300 bis 400 kleineren Brückenbauwerken ganz zu schweigen – Großbaustellen, die unnötig wären, wenn man, statt immer wieder neue Prestigeobjekte einzuweihen, die entsprechenden Mittel in eine sinnvolle Instandhaltung gesteckt hätte.

(Beifall von den PIRATEN)

Es hätte es heute unter anderem Herrn Groschek erspart, Männchen vor einer politisch anders orientierten Bundesregierung zu machen und ein paar ergatterte Zusatzmillionen als veritablen politischen Erfolg verkaufen zu müssen. Erspart hätte das dem Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen auch unnötige Belastungen und Behinderungen durch die kontinuierliche Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße, die heute an der Tagesordnung ist. Erspart bliebe uns auch eine verfehlte Verkehrspolitik, wobei es gleich ist, ob Schwarz oder Rot am Steuer sitzt.

Die geplanten Gigaliner werden Sie, Herr Groschek, nicht verhindern können, wenn Berlin sie will – übrigens eine Politik, die von uns Piraten mit Nachdruck abgelehnt wird.

Im Übrigen halten wir den Entschließungsantrag von SPD und Grünen für reine Kosmetik und für einen ausschließlich medienorientierten Aktionismus.

Dazu weise ich auf einen Artikel der „Rheinischen Post“ vom 5. Dezember 2012 hin, der die bisherige Position der Regierung, vertreten durch den ehemaligen grünen NRW-Verkehrsstaatssekretär Horst Becker, sehr präzise beschreibt. Diese Position ist dokumentiert durch die Ausschussprotokolle aus den Monaten März, Mai und Juni 2011 und zeigt, dass sowohl die damalige als auch die jetzige Koalition seit mindestens eineinhalb Jahren sehr genau über die desaströse Situation im Bilde war und ist.

Damit wird der Entschließungsantrag als pure Heuchelei entlarvt. Wir werden uns dieser Augenwischerei nicht anschließen.

Die schwarz-gelbe Opposition, die die Linie der Bundesregierung fährt, hat allerdings auch nichts Besseres zu bieten als das ewige Mantra: „Die Straßen müssen breiter werden und mehr Verkehr aufnehmen.“ und einen Entschließungsantrag für einen „Masterplan“, der ebenso selbstverständlich wie überflüssig ist.

Derweil saniert Berlin mit Mineralölsteuer und den durch die Lkw-Maut generierten Einnahmen lieber medienwirksam den Bundeshaushalt, anstatt das von den Straßennutzern erhaltene Geld ausreichend in die Bestandspflege und Wartung der Verkehrswege zu investieren.

Um das zu verstehen, muss man wohl über sieben Brücken gehen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Fricke. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Voussem.

Klaus Voussem (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landesbetrieb Straßen.NRW plant, baut und betreibt alle Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen, darunter mehr als 10.000 Brücken mit einer Gesamtlänge von rund 370 km. Der Großteil wurde zwischen 1960 und 1980 errichtet.

Dass diese Brücken in einem suboptimalen Zustand sind, ist wahrlich keine Neuigkeit. Dennoch sind alle schockiert, dass es jetzt zu dieser harten Einschränkung auf der A1, an einem der meist befahrenen Streckenabschnitte des Landes, gekommen ist.

Die Frage ist, ob diese Entwicklung nicht absehbar war. Es ist schließlich keine neue Erkenntnis, dass täglich 120.000 Fahrzeuge, darunter mindestens 12.000 Lastwagen, die Leverkusener Autobahnbrücke benutzen.

Der ursprüngliche Planungshorizont ging davon aus, dass die Leverkusener Rheinbrücke bis zum Jahr 2025 durch einen Neubau ersetzt wird. Man war folglich der Auffassung, dass der Betrieb der Brücke auch weiterhin vollumfänglich gewährleistet werden könnte. Ich erinnere noch einmal daran: Die Tatsache, dass von zunehmendem Lkw-Aufkom­men ausgegangen werden muss, ist schon länger bekannt. Aber dann wird die Planung über Nacht über den Haufen geworfen, da die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist.

Da kann man durchaus die Frage stellen, warum sich der Sachverhalt so schnell verändert hat. Man muss auch die Frage stellen, ob diese Entwicklung nicht absehbar war. Und wenn diese Entwicklung früher absehbar war, dann stellt sich die Frage: Warum hat die Landesregierung nicht früher etwas unternommen? Es stellt sich ernsthaft die Frage: Was hat die Landesregierung wann gewusst? Hat der Landesbetrieb Straßenbau NRW diesen Sachverhalt nicht gekannt? War die Hausspitze nicht richtig informiert? – Ich kann mir das nicht vorstellen.

Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen weiß diese Landesregierung von Beginn an um den schlechten Zustand der Brücken in Nordrhein-Westfalen. Der Landesbetrieb Straßen.NRW arbeitet schon seit 2010 an dem Problemfeld Brückensanierung. Es gibt seit dem 9. März 2010, unter dem ehemaligen Verkehrsminister Lutz Lienenkämper eingerichtet, eine Projektgruppe Brückenertüchtigung, die sich der Sache systematisch angenommen hat. Diese Projektgruppe hat Vorarbeiten geliefert, auf denen man rechtzeitig hätte aufbauen können und müssen.

Das gilt auch für die Autobahnbrücke der A1 in Leverkusen.

(Beifall von Bernhard Schemmer [CDU])

Der Bund hat bereits im Jahr 2009 entschieden, dass die alte Brücke durch einen Neubau ersetzt werden soll. Den Auftrag zur Planung hat der Landesbetrieb Straßen.NRW erhalten. Bestandteil der Planung sollten auch die Hochstraßen A und B zwischen Rheinbrücke und Autobahnkreuz Leverkusen sein. Die Kosten für den Ersatzneubau der Leverkusener Rheinbrücke wurden seinerzeit auf ca. 200 Millionen € geschätzt.

Herr Minister, ich stelle fest, dass der Landesregierung diese Problematik der Leverkusener Rheinbrücke bekannt war, und das seit Mitte 2010, also seit über zwei Jahren, und es wurde nichts getan.

Jetzt, meine Damen und Herren, ruft Rot-Grün wieder einmal nach dem Bund. Bekanntlich wird sich der Bund an den Planungen für den Neubau der Autobahnbrücke der A1 in Leverkusen mit knapp 1 Million € beteiligen. Wir begrüßen dieses finanzielle Engagement des Bundes für diese wichtige Schlagader des Verkehrs nicht nur für Köln, Nordrhein-Westfalen und Deutschland, sondern für ganz Europa ausdrücklich. Je schneller die Planung voranschreitet, desto schneller kann auch der Ersatzneubau errichtet werden.

(Beifall von der CDU und Ulrich Alda [FDP])

Ich kann mir allerdings die Bemerkung nicht verkneifen, dass jetzt der Bund in die Bresche springt für eine Aufgabe, die diese Landesregierung bislang kläglich versäumt hat. Wir haben immer kritisiert, dass Rot-Grün hier nicht genug unternimmt, und sind damit nicht allein. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 11. Dezember 2012:

„Zur Ehrlichkeit gehörte es aber auch einzugestehen, dass Neubau und Sanierung des Straßennetzes nie zu den Prioritäten der rot-grünen Regierungen in Düsseldorf gehörten.“

Weiter heißt es:

„Sicher kommt das Geld für die Bahn wie für die Autobahnen vor allem aus Berlin. Doch Geld bekommen zu können ist das eine. Das andere ist, es auch ausgeben zu wollen und – Stichwort Planung – zu können.“

Das lässt sich auch mit Zahlen eindeutig belegen. Rot-Grün hat in den Jahren 2011 und 2012 rund 23 Millionen € weniger für Neubau und Erhalt der Landesstraßen ausgegeben als CDU und FDP in 2009 und 2010. Und für die Landesstraßen tragen Sie alleine die Verantwortung. Das können Sie nicht nach Berlin abschieben.

Im aktuellen Haushaltsentwurf für das Jahr 2013 wird der groß angekündigte Vorrang für den Erhalt von Landesstraßen mit einem läppischen Plus von 105.000 € ausgestattet. Damit werden jetzt etwas über 80 Millionen € für den Erhalt ausgegeben. Das ist eine Größenordnung, die bereits von der CDU-geführten Landesregierung im Jahr 2009 durchgesetzt wurde.

(Beifall von Bernhard Schemmer [CDU] und Ulrich Alda [FDP])

Gleichzeitig streichen Sie bei den Neubaumaßnahmen satte 9 Millionen €. Für den Neubau gibt es jetzt nur noch 44 Millionen €. So wenig gab es in Nordrhein-Westfalen noch nie, dessen positive wirtschaftliche Entwicklung von einer leistungsfähigen Infrastruktur stark abhängig ist.

Wenn Sie die Mindereinnahmen für den Neubau wenigstens in den Erhalt stecken würden, wäre eine gewisse Konsequenz erkennbar. Aber so ist Ihre vermeintliche Schwerpunktsetzung Augenwischerei, Makulatur und das Papier nicht wert. Sie sparen an der Infrastruktur und rufen gleichzeitig nach dem Bund, der seine Taschen öffnen soll. Das ist unehrlich und keine solide Politik.

Für den aktuellen Fall der Leverkusener Autobahnbrücke gilt dasselbe: Der Bund muss wieder einmal ran. Auch für die originäre Landesaufgabe der Brückenplanung muss der Bund jetzt einspringen, damit der Verkehr nicht gänzlich zusammenbricht.

Meine Damen und Herren, was ist zu tun im Fall der Brücken in Nordrhein-Westfalen?

Wir brauchen einen Masterplan Brückensanierung Nordrhein-Westfalen. Hierauf zielt auch unser Entschließungsantrag. Die Landesregierung muss jetzt schnell festlegen, welche Brückenprojekte zuerst angegangen werden müssen. Es darf nicht sein, dass die Aktivitäten erst dann beginnen, wenn eine Brücke, eine Straße oder ein U-Bahn-Tunnel aus Sicherheitsgründen gesperrt werden muss. Das zu verhindern wäre wahrhaft vorsorgende Politik.

Anschließend sind die notwendigen Planungsvorhaben durchzuführen. Hier muss die Landesregierung eine zügige Abwicklung sicherstellen, am besten dadurch, dass die Aufträge auch wieder an externe Büros vergeben werden.

Bei den Planungen muss sichergestellt werden, dass die Brücken, die saniert oder neu gebaut werden, schon heute größer geplant werden, um auch zukünftig möglicherweise weiter wachsende Verkehre aufnehmen zu können. Man darf nicht den Fehler früherer Jahre machen, die Infrastrukturkapazitäten schon bei der Planung und beim Bau unnötig zu begrenzen.

Wir wollen eine langfristige und nachhaltige Planung, die lange Bestand hat und eine positive Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen ermöglicht. Es darf keine Klein-Klein- und Schnellschusslösungen à la Rot-Grün mehr geben. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Voussem. – Für die SPD-Landtags­fraktion spricht der Abgeordnete Ott.

Jochen Ott (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Christof Rasche, ich meine, für den Minister würde eher „Schlau am Bau“ gelten. Das finde ich ein viel besseres Zitat als das, was du hier gebracht hast.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Eines ist doch ganz klar: Es macht keinen Sinn, hier so zu argumentieren, weil du ganz genau weißt, weil Sie, Herr Rasche, ganz genau wissen, dass wir hier in den letzten zwei Jahren unabhängig von der Frage, wer in Berlin regiert hat, und unabhängig von den Koalitionen immer wieder gemeinsam festgestellt haben, dass es mit der Finanzierung der Infrastruktur so nicht weitergeht, dass hier Fehler gemacht worden sind.

Lieber Christof Rasche, immerhin kriegst du alle Verkehrsminister der letzten 12 oder 15 Jahre zusammen und hast sie aufzählen können. Aber du hast natürlich mit keinem Wort erwähnt, dass der Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, der gleichzeitig Wirtschaftsminister ist, in der Frage „Infrastruktur“ in keiner Art und Weise irgendwann einmal aufgeschlagen oder irgendwo zur Geltung gekommen ist. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn du auch das erwähnt hättest.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Um das Zweite direkt zu sagen: Die SPD-Bundestagsfraktion hat in ihrem Infrastrukturkonzept beispielsweise die Fondslösung vorgeschlagen und gesagt, dass keine Kürzungen im Haushalt erfolgen sollen. Insofern weiß ich nicht, woher die Interpretation stammt, dass wir den Fonds schaffen und die Haushaltsmittel reduzieren wollen. Das ist an den Haaren herbeigezogen.

Drittens. Heute geht es nicht um Daehre, Christof Rasche, sondern heute geht es um diesen ganz konkreten Antrag zur A1. Wir sollten das nicht miteinander vermengen. Wir werden in diesem Landtag gemeinsam über die Daehre-Kommission sprechen. Der Minister hat zu Recht gesagt: Lasst es uns nicht in den Wahlkampf ziehen. – Ich bin gespannt, ob das funktionieren wird.

Aber eines muss ich doch noch an deine Adresse gerichtet erwähnen, lieber Christof Rasche. Wir, also Rot-Grün gemeinsam mit der FDP, haben hier verschiedene Initiativen gestartet und gemeinsam versucht, uns im Sinne dieses Anliegens auf den Weg zu machen. Das Problem ist nur: Wenn die Fraktionen von Rot und Grün immer den Eindruck haben, dass sie in der Plenardebatte erst einmal einen reinbekommen, obwohl sie sich mit der FDP vorher auf eine gemeinsame Initiative verständigt haben, dann ist dies nicht besonders schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Angebot bleibt bestehen, und ich halte es für zwingend, dass wir gemeinsam vorgehen. Aber dann müssen wir uns auch alle am Riemen reißen.

Der letzte Punkt. Es ist sehr interessant, dass die Lkw-Fahrer auf einmal das Herzensanliegen der FDP sind. Ich bin gespannt, ob es im Rahmen der Diskussion über Mindestlöhne und die Bezahlung dieser Lkw-Fahrer auch die FDP sein wird, die für diese Fahrerinnen und Fahrer eintritt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, was ich besonders nett finde, ist die Tatsache, dass die FDP in den „Schemmerismus“ einsteigt und sagt: Wir müssen beim Bundesverkehrswegeplan den Bedarf anmelden. – Wir wissen, dass wir bei den nahezu baureifen Straßen in Nordrhein-Westfalen ein Sanierungsvolumen von über 400 Millionen € haben. Die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen sind allerdings nicht finanziert. Da stellt sich doch die Frage: Müssen wir uns nicht langsam mal ehrlich machen? Müssen wir uns nicht ehrlich machen und darüber nachdenken, wie man das in den Griff bekommt?

Auch ich bin der Meinung, dass ein Bedarf da ist. Aber ob man dann letztendlich wirklich alle Maßnahmen mit in die Priorisierung nimmt, sollte man sich gut überlegen.

Deshalb, Herr Kollege Fricke – bevor ich zu Herrn Schemmer komme – nur eines: Seit zwei Jahren diskutiert die Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen das Thema, das Arndt Klocke mit der Überschrift „Allianz für Infrastruktur“ versehen hat, und die Sozialdemokratie hat auf ihrem Parteitag im September dazu ein Grundsatzpapier beschlossen, über das zwei Jahre diskutiert worden ist. Dann so zu tun, als ob das alles Populismus wäre und als ob man sich mit den Sachen nicht beschäftigen würde, ist einfach falsch. Informieren sie sich an dieser Stelle.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Schemmer, zu Ihnen. Die „Generation Schemmer“, um das einmal deutlich zu sagen,

(Zurufe von der CDU)

ist die Generation, die diese Verkehrspolitik, die wir jetzt ausbaden müssen, zu verantworten hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen von der CDU)

Einer ganzen Generation haben wir Versprechungen gemacht. Wir haben bei ihr Erwartungen geweckt, und wir haben Planungswüsten produziert. Und was ist am Ende dabei herausgekommen? – Wir verzeichnen bei vielen Menschen in Nordrhein-Westfalen, die seit 40 Jahren auf Straßenprojekte warten, Politikverdrossenheit und Enttäuschung. Das ist eine Form von Politik, die wir für die nächste Generation so nicht fortsetzen möchten.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb ganz klar: Es ist notwendig, darüber nachzudenken, wie man Prioritäten setzt, und eine – das hat der Minister deutlich gemacht – ist der Erhalt der bestehenden Infrastruktur.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was die CDU auch immer noch nicht kapiert hat – und das ist wirklich schwierig –, ist, dass wir in Nordrhein-Westfalen Dinge gemeinsam anpacken müssen. Die Vorredner haben die Fakten genannt; deshalb brauche ich nicht alle Straßen einzeln aufzuzählen.

Tatsache ist: In allen in den letzten zwei Jahren durchgeführten Anhörungen wurde uns immer wieder bestätigt: Nordrhein-Westfalen schneidet seit 20 Jahren immer unterdurchschnittlich ab. Egal, wer in Berlin regiert hat: Es fließt zu wenig Geld in den Westen dieser Republik, und deshalb muss das gemeinsame Interesse aller im Landtag vertretenen Parteien darin bestehen, in Berlin – und zwar unabhängig davon, wer dort gerade regiert – für mehr Geld für die Infrastruktur im Herzen der Bundesrepublik, nämlich in Nordrhein-Westfalen, zu kämpfen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Arndt Klocke hat den Zustand unserer Brücken, der Straßen, der Eisenbahnbrücken, der ÖPNV-Systeme beschrieben. Deshalb werden wir mit der Daehre-Kommission entsprechend umgehen müssen und überlegen, wie wir es finanzieren.

Und ja, ich gebe dem Verband der Logistik recht: Wir haben durch den Straßenverkehr viel Geld eingenommen. Ich meine all die Abgaben wie beispielsweise Kfz- und Mineralölsteuer. Viel Geld ist geflossen. Aber alle Parteien auf Bundesebene haben in den vergangenen Jahren andere Prioritäten gesetzt und mit diesem Geld alles Mögliche finanziert. Das stimmt. Es hilft nur nicht weiter, wenn wir über die Haushaltssituation der Kommunen, des Bunds und der Länder sprechen. Von den kommunalen Brücken haben wir heute nur im Ansatz gesprochen.

Ich will daran erinnern, dass außer der Rodenkirchener Brücke alle Brücken zwischen Bonn und Düsseldorf von Schwerlastern oder Lkws nicht mehr befahren werden dürfen. Überall gibt es die Probleme, und die Kommunen müssen sehen, wie sie diese Probleme in den Griff kriegen. Das heißt – und das sage ich ohne Schuldzuweisungen an einzelne Ebenen oder einzelne Farben –: Wir müssen diesen Prozess jetzt gemeinsam angehen und uns Gedanken darüber machen.

Wir haben beim Schwerlastverkehr besondere Probleme. Deshalb wird in meiner Heimatstadt Köln überlegt, den Schwerlastverkehr mittels Ponton-Boote über den Rhein zu transportieren. Das macht man auch nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil massive wirtschaftliche Themen damit verbunden sind und der Transport von Schwerlastern wichtig ist.

Dazu gehört aber auch – und das sollten wir der Ehrlichkeit halber hier hinzufügen –, dass wir beim Modal Split und bei der Frage, wie wir Schwerlastverkehr abwickeln, alle Verkehrsträger in den Blick nehmen. Dazu gehört dann auch, dass wir uns fragen müssen: Warum ist die Bahn nicht für Schwerlastverkehr ausgestattet? Dann müssen wir uns die Frage stellen: Warum können wir über die Binnenschifffahrt gerade aus Rotterdam nicht so viel abfedern, wie wir eigentlich müssten?

Wir alle kennen die Prognosen aus Rotterdam. Wir alle wissen, was an zusätzlichen Lkws, von denen wir jetzt noch gar nicht reden, auf uns zurollt, wenn der Rotterdamer Hafen ausgebaut sein wird. Die spannende Frage ist: Wie gehen wir damit um? – Keine Häfen zu bauen – ohne jetzt zu kommunalpolitisch zu werden –, ist jedenfalls nicht die Lösung, Christof Rasche.

Es ist auch keine Lösung, sich keine Gedanken darüber zu machen, liebe CDU, wie wir den Eisernen Rhein so schnell wie möglich auf Schiene setzen. Da hilft es uns nicht, wenn die CDU im Bund alles dafür tut, um hinsichtlich der Eisenbahnprojekte gegen die Interessen von Nordrhein-Westfalen zu arbeiten. Das geht zumindest beim Eisernen Rhein so nicht.

Bei der Betuwe bin ich zuversichtlich. Ich hoffe, dass man sich in diese Richtung bewegt, und da scheint der gemeinsame Ansatz auch zu funktionieren.

Von daher: Wenn wir den Modal Split wollen, wenn wir die Verlagerung der Güter von der Straße auf Schiene und Wasser wollen, müssen wir die entsprechenden Kapazitäten ermöglichen. Wir müssen auch die Logistikbranche in Nordrhein-Westfalen ermutigen, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen.

Wir haben in der Vergangenheit oft festgestellt, dass die Bereitschaft, sich an der Stelle zu bewegen, nicht besonders ausgeprägt ist. Wir müssen also überlegen, wie man gemeinsam diese Schwerlasttransporte, aber auch die anderen Lkw-Transporte, da wo es möglich ist, aufs Wasser und auf die Schiene bekommt.

Last, but not least: Sehr geehrter Herr Voussem, ich glaube, dass in diesem Land seit einigen Jahren sehr ernsthaft an den Brücken gearbeitet wird und immer wieder geschweißt worden ist. Das haben wir nicht nur einmal, sondern mehrfach gehört. Wenn in solchen Fällen, in denen jahrelang geschweißt, gerettet und gekittet wird, eine Situation entsteht, in der es besondere Risse gibt, dann muss ein Minister handeln. Das hat dieser Minister getan, und deshalb hat er es auch gut gemacht, verehrte Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es war nicht abgesprochen, aber ich will es zum Schluss wenigstens noch sagen, Herr Minister Groschek. Sie haben das Thema „Zalando“ erwähnt. Was mich in der Debatte wirklich ein bisschen ärgert, ist, dass keiner bereit ist, mit den Menschen darüber zu diskutieren, wie unser Wirtschaftssystem an diesen Stellen eigentlich funktioniert.

Wir bestellen, lieber Herr Kollege Fricke, im Internet natürlich mal auf die Schnelle irgendein Produkt und freuen uns, dass alle möglichen Lieferanten in der Lage sind, entweder über die Nacht eingeflogen oder über Lkws eingebracht, in jeden einzelnen Haushalt die Geschenke zu bringen, die früher woanders gekauft worden sind. Das ist eine Entwicklung unserer Volkswirtschaft. Die meisten genießen es auch, weil sie wissen, dass es ein Mehr an Komfort ist.

Das bedeutet aber auch, dass der Verkehr dadurch zugenommen hat und anders organisiert wird. Wir haben an anderen Stellen davon gesprochen, dass die Lagerhaltung aufgelöst worden ist und viele Dinge sozusagen auf dem Lkw gelagert werden.

Wenn das alles so ist, müssen wir uns sehr grundsätzlich über die Frage unterhalten – deshalb sind wir auch auf die vielleicht dann doch irgendwann stattfindende Enquetekommission „Logistik“ gespannt –: Wie gehen wir eigentlich mit dem Thema in Zukunft um? Wie machen wir uns auch selber ehrlich? Ich kann mich nicht hinstellen und irgendetwas im Netz anklicken und gleichzeitig beklagen, dass der Verkehr so zugenommen hat und ich mit meinem Pkw nicht mehr weiterfahren kann. Diese Grundsatzfragen sollten an einem solchen Tag zumindest erwähnt werden, und wir sollten gemeinsam darüber reden, wie man das in Zukunft gestaltet.

Fakt ist jedenfalls: Das verursacht Kosten. Die Frage ist: Wer muss diese Kosten bezahlen? Ich bin der festen Überzeugung, diese Debatte werden wir mit der Daehre-Kommission und deren Ergebnissen gemeinsam führen können, und dann hoffentlich auch in der Logistik-Enquete.

In diesem Sinne finde dich die Debatte wichtig, weil sie im Landtag deutlich macht, dass es hier einen Schwerpunkt gibt. Und es ist unsere Verantwortung als Politiker, in allen Fraktionen den Nichtverkehrspolitikern, den Nichtwirtschaftspolitikern klarzumachen: Liebe Freunde, hier geht es um eine ganze Menge mehr als nur um eine Brücke. Hier geht es unsere Lebensqualität und um unseren Wirtschaftsstandort.

Wenn wir das gemeinsam anschieben würden, und zwar nicht nur in Floskeln, sondern wirklich, dann wären wir einen Schritt weiter. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Abgeordneter Priggen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Rasche, Sie wissen es besser, als Sie es eben ausgeführt haben. Da Sie gleich noch einmal als Redner an der Reihe sind, will ich Ihnen in genau sieben Punkten antworten. Ich meine, wir sollten da Gemeinsamkeiten haben.

Erstens. Wir brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur und müssen den Erhalt der Brücken – sowohl Autobahnen, Landesstraßen und kommunale Straßen – gewährleisten, weil das einfach Voraussetzung dafür ist, dass vernünftig produziert und gelebt werden kann. Am Beispiel der Kölner Brücke sieht man ja gerade, wie wichtig das für die Chemiebetriebe in Leverkusen ist.

Zweitens. 3,5 Milliarden € in NRW in zehn Jahren allein für die Bundesautobahnen plus die Landesstraßen plus die kommunalen Straßen sind – wir kennen die Situation der Kommunen und des Landes – nicht zu stemmen, ohne dass wir zusätzliche Einnahmen haben.

Drittens. Hauptverursacher der Schäden sind zu 99 % Lkws. Deswegen muss man an der Stelle auch konsequent sein. Als die Kölner Brücke gebaut wurde, war das Durchschnittsgewicht von Lkws 24 t. Heute liegt es bei 44 t. Deswegen ist es auch klar, wer das aus meiner Sicht bezahlen muss. Es sind nicht die Berufspendler, die es verursachen, sondern wir müssen dazu kommen, dass wir die Lkws zur Kostendeckung heranziehen und auch das Übergewicht vernünftig kontrollieren; denn über 30 % der Lkw-Frachten laufen nachweislich, über Stichproben festgestellt, mit erheblicher Lastüberschreitung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Viertens. Wir brauchen eine strategische Reparaturplanung. Es ist doch völlig klar: Wenn auf der Sauerlandlinie zwischen Dortmund und Frankfurt drei Brücken zwischen zwei Abfahrten liegen, dann kann man nicht die eine in drei Jahren, die nächste in sieben und die letzte in zehn Jahren reparieren; denn jedes Mal müssen Umleitungen eingerichtet werden. Ich muss mir schon überlegen, wie ich zwischen zwei Abfahrten alles in einem Rutsch reparieren kann, weil das allein schon mehrere Jahre dauert und ich den gesamten Umleitungsverkehr gewährleisten muss.

Das heißt, ich brauche eine vernünftige strategische Planung, wie ich all die Dinge, bei denen es erforderlich ist, so reparieren kann, dass der Verkehr auf den Hauptverkehrsadern – das sind die Bundesautobahnen – auch durchlaufen kann.

Fünftens. Als die Lkw-Maut berechnet worden ist, ist nicht die Kostenbewältigung all dieser Brückenreparatur- und ?unterhaltungsmaßnahmen einberechnet worden. Deswegen müssen wir da zu einer Neuberechnung kommen. Deswegen finde ich den Vorschlag des Ministers absolut richtig. Wir brauchen eine verursachergerechte Regelung über die Lkw-Maut. Und ich sage: Wir brauchen sie für alle Fahrzeuge ab 3,5 t, und zwar auf allen Straßen, weil ich sonst nicht weiß, wie Land oder Kommune das finanzieren sollen.

Sechstens. Das ist mein Hauptkritikpunkt, Herr Rasche: Wir haben ein Verantwortung für den Erhalt der Infrastruktur. Egal, wer nächstes Jahr im September in Berlin regiert – wir müssen die Frage beantworten: Wo sollen die Milliarden herkommen, die dafür zusätzlich gebraucht werden? – Wir wissen doch genau, dass wir das Geld nicht haben. Wir haben die Mittel für Sanierungsmaßnahmen von 54 auf 80 Millionen € erhöht und beim Neubau heruntergesetzt, weil der Erhalt an der Stelle einfach wichtiger ist. Aber wir wissen, dass wir die Summen, die da nötig sind, nicht allein aufbringen können. Das wissen Sie genauso. Wenn Sie in der Regierung wären, könnten Sie das auch nicht. Und zusammen müssen wir es für den Bund beantworten.

Letzter Punkt: Ich finde die Fondslösung, die Minister Groschek hier vorgeschlagen hat, an der Stelle richtig. Ich finde, dass man die strategische Planung, wie man repariert, offen und transparent mit allen, mit den Betrieben, IHKs und Kommunen, diskutieren sollte, weil man nicht drum herumkommt. Und das kann man auch konsensual tun.

Es sind also sieben Punkte, in denen wir uns über Maßnahmen verständigen können, die absolut notwendig sind. Wir können über viele Punkte streiten, aber eine Situation, in der Bayer Leverkusen seinen Betrieb nicht aufrechterhalten kann und wenige Jahre später die nächste Brücke etwas weiter rheinaufwärts kaputt ist, können wir uns nicht leisten. Oder ich stelle mir vor, in Duisburg mit dem Hafen die Infrastruktur zu erhalten und nachher der Stadt Duisburg zu sagen: Ihr schafft es nicht mit den kommunalen Brücken und fangt an, eine nach der anderen zu sperren.

Gute 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, nach dem Aufbau der Infrastruktur im Osten jetzt nicht in der Lage zu sein, eine gut ausgerüstete Infrastruktur im Westen zu erhalten, das wäre ein Armutszeugnis. Wir müssen uns ehrlich fragen: Was sind die Maßnahmen, die konkret nötig sind? Und wie bekommen wir es vernünftig finanziert? Da muss man sich verständigen – egal, wer in Berlin regiert. Das ist die Verantwortung, die wir zusammen haben. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Rasche.

Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zum Kollegen Priggen! In der Tat waren wir bei diesen sieben Punkten nicht weit auseinander. Punkt 1 passt, Punkt 2 passt. Zu Punkt 3 – Sie sagen, wir müssten bei den Lkws mehr kassieren, um die Schäden zu beheben, die sie selbst verursacht haben – weise ich nur auf die Argumentation vom Kollegen Arndt Klocke hin, bei der sich bei mir zumindest ein Fragezeichen auftut.

Bei dieser Diskussion sprach er von Ersatzinvestitionen im Bereich U-Bahn und Ersatzinvestitionen im Bereich ÖPNV. Es kann nicht sein, dass wir argumentieren, wir nehmen den Lkw-Fahrern noch mehr Geld ab, damit es dann in U-Bahnen und den ÖPNV fließt.

(Beifall von der FDP und Bernhard Schemmer [CDU])

Davor haben die Spediteure und die Lkw-Fahrer Angst. In die Argumentation wurde das Bestreben, dass Geld in den ÖPNV fließen muss, mit hineingepackt. Aber diese Kombination, lieber Herr Priggen, passt nicht. Da müssen wir einen geradlinigen Weg gehen.

Punkt 4 passt wieder. Über Punkt 5 müssen wir diskutieren, vielleicht auch im Februar mit Dr. Daehre. Punkt 6 und Punkt 7 passen.

Man muss in Berlin zu einem Umdenken kommen. Das haben wir auch schon mit Herrn Tiefensee diskutiert. Er sagte: Wenn alle Landesfinanzminister und -verkehrsminister sich verständigen und auf einen neuen Verteilungsschlüssel einigen, dann mache ich das als Bundesverkehrsminister gerne mit. – Das ist ein Problem, das es bei allen Parteien gibt. Lassen Sie uns gemeinsam für vernünftige Ziele kämpfen. Dann sind wir dabei.

Einen Punkt, den Minister Groschek angesprochen hat, der ein wichtiges Problem aufzeigt, möchte ich noch ansprechen: das Verlagern von mehr Verkehr auf die Schiene. Ist die DB AG in ihrer Unternehmensstruktur mit ihrem Geschäftsmodell dazu in der Lage? Ich habe gehört, am vergangenen Dienstag standen reichlich Waggons auf den Schienen. Der Güterverkehr auf der Schiene hat im Oktober nachgelassen, aber im November und Dezember extrem zugenommen. Die Folge: Es fehlten 50 Loks in Nordrhein-Westfalen, 150 Loks bundesweit, weil sich die DB AG aus Sparsamkeit im Oktober entschieden hatte, Loks aus dem Verkehr zurückzuziehen. Auch da muss es ein Umdenken geben. Dann kann man ganz leicht mehr Verkehr auf die Schiene bringen.

Kollege Jochen Ott, Konsens in der Bewertung hatten wir in den letzten zwei Jahren. Das soll auch so bleiben. Wir waren uns einig: In dem Wettbewerb um Bundesmittel zwischen den einzelnen Bundesländern und vielen Lobbyisten hat Nordrhein-Westfalen nur eine Chance, wenn wir gemeinsam agieren – ohne Schuldzuweisungen. Beim gemeinsamen Vorgehen auch beim Eisernen Rhein – das haben Sie genannt – oder bei der Betuwe-Linie sind wir dabei. Das sollte unser Grundkonsens bleiben. Dazu ist auch die FDP bereit. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, Jochen Ott [SPD] und Reiner Priggen [GRÜNE])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Abgeordnete Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuschauer aller Welten! Danke, Herr Minister Groschek, für Ihre Unterrichtung. Hoffen wir, dass bei der Reparatur nicht Schneelast und Eis dazwischenkommen, die behindern. Die Horrorvorstellung ist: Lkws bleiben auf einer mit Schnee belasteten Brücke stecken, andere Lkws wollen überholen, und dann hat man gleich auch noch zwei Lkw-Spuren auf der Brücke. Das tut unseren Brücken nicht gut.

Auch wenn es hier um die am deutlichsten und am stärksten beschädigte Brücke geht: Entwarnung kann man nicht geben – nicht für die Brücken in NRW.

Vorweg noch: Herr Minister Groschek, Sie haben die Verlagerung „Schiene statt Straße“ erwähnt – das ewige Lippenbekenntnis. Es wurde auch ein paar Mal aufgegriffen. Ich hoffe, dass sich die Zeiten ab sofort ändern. Bisher heißt es aber immer: Okay, Schiene statt Straße wollen wir. Wir wollen diesen Schienenausbau, aber der benötigte Schienenausbau kommt erst in Jahrzehnten. Lasst uns zwischendurch ein paar Straßen für das Notwendigste bauen, damit die Container zum Beispiel an der niederländischen Grenze von der Schiene auf die Lkws geladen werden können und dann an der Grenze zur Schweiz wieder von den Lkws auf die Schiene gebracht werden. – Ich befürchte, dass es so passieren wird. Herr Ott hat ein paar Sachen aufgezählt, die wir dringend brauchen. Ich hoffe, wir kriegen das hin.

Loks zu beschaffen, was Herr Rasche ansprach, ist vielleicht schneller möglich als in ein paar Jahrzehnten.

Ich gebe Ihnen recht: Sie haben alle Fehler gemacht – leider immer genau dann, als Sie an der Regierung waren. Ich finde es sehr schade, dass es nicht andersherum war.

(Jochen Ott [SPD]: Das wird Ihnen ja nicht passieren!)

– Noch ist das nicht passiert. Dass man in den 60er-Jahren den Verkehrszuwachs vielleicht falsch eingeschätzt hat – okay. Aber die Pflege und das Handeln danach entsprachen nicht der gebotenen Verantwortung.

Wenn Herr Schemmer sagt, von 2005 bis 2010 – das haben Sie auch an einer anderen Stelle gesagt, das sagt die CDU immer wieder – wurde so viel wie nie zuvor in NRW gebaut –, dann frage ich mich, woher Sie das Geld für die Instandhaltung genommen haben. Ein Budget war im Haushalt nicht zu erkennen.

(Zurufe von der SPD)

Ich wüsste gerne, welche Kassen das waren.

Herzlichen Dank auch einmal an SPD und Grüne für die schöne Zusammenfassung in Form eines Entschließungsantrags. Die meisten Forderungen des Antrages kann man kaum ablehnen. Das betrifft übrigens auch den CDU-Antrag, in dem noch weniger steht. Genauso könnte man fordern, dass Lehrer ab sofort eine akademische Ausbildung erhalten sollen. Das klingt gut. Da fragt man sich, warum das nicht schon längst jemand gefordert hat; das sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielleicht hoffen Sie, durch eine breite Zustimmung des Landtags der Landesregierung bei der Durchsetzung der Punkte beim Bund zu helfen.

Nach all den Selbstverständlichkeiten und Forderungen, die auf eine breite Zustimmung des Antrages hoffen lassen, hat sich noch die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßen in den Entschließungsantrag gemogelt. Herr Minister Groschek hat es auch angesprochen. Diese Forderung führt im Gegensatz zu den anderen in eine Debatte, die uns wahrscheinlich noch lange begleiten wird. Sie greift das Metaproblem der Verkehrsfinanzierung auf und liefert einen konzentrierten Lösungsvorschlag.

Vordergründig ist das erst einmal eine gute Sache. Der Straßengüterverkehr, der vor allem an den teuersten Infrastrukturbauwerken die größten Schäden verursacht, soll also die finanziellen Mittel dafür bereitstellen. Die rollende Lagerhaltung soll mehr Miete zahlen.

Dies könnte generell in erheblich größerem Umfang geschehen, als dies derzeit durch die Lkw-Maut geschieht, und zwar nicht durch weitere Mautmaßnahmen, sondern zum Beispiel über den Dieselpreis. Doch der Mautausweitung stehe ich nach den Erfahrungen mit Toll Collect skeptisch gegenüber.

Das betrifft zum einen die Finanzierung der notwendigen Infrastruktur. Denn wenn es beim Aufbau der Infrastruktur Probleme gibt, heißt es bald: Mehr Einnahmen, die nicht eingezogen werden, bringen eigentlich niemandem etwas. Zum anderen betrifft das den Datenschutz. Eine über Bundes-, Landes- oder gar Kreisstraßen verteilte Überwachungsinfrastruktur wäre Sache eines Innen-Geheimdienstes und nicht eines Verkehrsministeriums.

(Beifall von den PIRATEN – Jochen Ott [SPD]: Tata! Sie haben den geheimen Plan entdeckt!)

Selbst mit der Zusicherung, Pkw würden nicht erfasst, es würden keine Bewegungsprofile erstellt, und gespeichert würden Daten sowieso nicht, bliebe eine solche Überwachungsinfrastruktur eine Überwachungsinfrastruktur, die alle Menschen des Landes betrifft. Dem kann man nicht zustimmen.

Das System Toll Collect hat ja sowieso einige Krankheiten. Statt der bisher geforderten 7 Milliarden € Vertragsstrafe will das Bundesverkehrsministerium die Deutsche Telekom und Daimler als wichtige deutsche Unternehmen schonen und mit einer Vergleichszahlung von 2,5 Milliarden € davonkommen lassen. 7 Milliarden € sind es eigentlich. Im Oktober hatte Jörg Vogelsänger, Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz, noch berichtet, der Verkehrsinfrastruktur fehlten bundesweit 7 Milliarden €. Die Summe ist zufälligerweise gleich hoch – allerdings pro Jahr.

Dass der Bund mal eben auf diese hohe Summe verzichtet, ist nicht hinnehmbar. Es ist auch nicht hinnehmbar, dass er die restlichen 2,5 Milliarden € durch Geklüngel eigentlich wieder zurückgeben möchte. So wird es jedenfalls in der Presse beschrieben.

(Unruhe)

Die gleichen Argumente wie bei der Ausweitung der Lkw-Maut treffen übrigens auch auf Ideen der Einführung einer Pkw-Maut zu. Vignetten dagegen bieten kaum Steuerungsmöglichkeiten. Einheitliche Vignetten würden Vielfahrer, große und spritfressende Autos sowie Autobahnfahrer bevorzugen, Berufspendler und Kleinwagenfahrer aber benachteiligen.

Herr Breuer erwähnte Franz Beckenbauer. Herr Rasche fuhr mit Fußballmetaphern fort. Mein Motto ist: Es gibt nur einen Rudi Völler.

(Beifall von den PIRATEN – Jochen Ott [SPD]: Was kriegst du denn für diesen Spruch? Einen Kasten Bier?)

Mit Abgaben auf Kraftstoffe, jetzt Energiesteuer genannt, bestehen bereits Instrumente, die genutzt werden können, um effizient zusätzliche Mittel für die Finanzierung der Straßenverkehrsinfrastruktur gezielt zu erheben. Die sollten eigentlich zweckgebunden sein und somit zukünftig Verkehrsbeiträge heißen, die mit dem Erwerb des Kraftstoffs zu zahlen sind.

(Jochen Ott [SPD]: Was hat das denn mit Rudi Völler zu tun?)

Kein anders Instrument ist so effizient und elegant wie die Kraftstoffabgabe. Gefahrene Kilometer, Fahrzeugtyp, Gewicht, Umweltfreundlichkeit, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit: All dies wird automatisch ohne großen bürokratischen Aufwand und datenschutzfreundlich berücksichtigt.

(Jochen Ott [SPD]: Was hat das mit Rudi Völler zu tun?)

– Es ging um das „ein“. Ich habe übrigens mit dem Fußball nicht angefangen.

(Jochen Ott [SPD]: Ich dachte, weil der aus Leverkusen kommt!)

So lange sich ressourceneffizientere und schadstoffärmere Antriebssysteme nicht durchgesetzt haben, sollte eine erhöhte und zweckgebundene Kraftstoffabgabe wesentlich zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beitragen. Die jetzige Steuer auf Kraftstoffe ist nicht zweckgebunden. Sie ist auch als Gemeinkostenabschlag für Flächenverbrauch, Gesundheits- und Umweltschäden zu verstehen. Große Teile jedoch müssten für Gegenmaßnahmen bereitgestellt werden: für einen Ausbau des ÖPNV, des Güterverkehrs auf der Schiene und auf Wasserstraßen sowie für Radverkehrsinfrastruktur.

(Unruhe)

Herr Minister Groschek forderte zu Beginn eine Fondsstruktur zur Finanzierung. Die Schweiz hat mit einem solchen Fonds eigentlich schon sehr gute …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, ich bitte um eine kurze Pause. – Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die Gespräche im Plenarsaal nicht so laut zu führen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich freue mich, dass der Plenarsaal nun gut gefüllt ist, aber ich weise darauf hin, dass der Redner ein Anrecht darauf hat, dass seine Rede und seine Botschaften, die damit verbunden sind, gehört werden. Vielen Dank.

Oliver Bayer (PIRATEN): Die Schweiz hat einen Fonds für Eisenbahngroßprojekte eingerichtet, gespeist aus einem Mehrwertsteuer-Promille, einer Schwerverkehrsabgabe, 25 % Mineralölsteuereinnahmen und zusätzlich bezuschusst mit rund 8 Milliarden Franken aus dem Bundeshaushalt. Sie sind mit dieser Konstruktion sehr zufrieden.

Zurück zur Forderung, die Verursacher Lkw mehr in die Pflicht zu nehmen. Hinzu kommt, dass Transportkosten generell viel zu niedrig sind. Dass mit erhöhten Kosten die Wirtschaft geschädigt würde, ist ein Märchen. Der Transport selbst wird sich nicht verlagern und ist so unverschämt billig, dass alte Berechnungsmodelle, die zumindest früher in der BWL und in der Wirtschaftsgeografie eingesetzt wurden, in Beziehung auf die Transportkosten schon lange nicht mehr gelten. Transport ist überall auf der Welt zu billig. Gerade in Deutschland ist der Transport via Lkw zu billig.

Dem Warenwirtschaftssystem würde es global guttun, wenn intrakontinentale Transporte zum Vorteil dezentral organisierter Märkte nicht nahe des Nulltarifs zu haben wären. Wenn der Transport insgesamt teurer wird und wieder deutlicher in die Berechnung der Produktion einfließt, werden auch die Löhne der Fahrer wieder besser. Es würde weniger transportiert und transporteffizienter produziert, was dem Fahrermangel und natürlich der Verkehrsinfrastruktur, dem Klima, der Umwelt, der Gesundheit, dem Haushalt und letztlich der Gesellschaft insgesamt zugutekommt.

Wir haben auch schon die Probleme mit dem Bundesverkehrswegeplan angesprochen. Es stehen sehr viele Dinge darin. Das sind viel zu viele Projekte, die erstens natürlich nie umgesetzt werden,

(Zuruf: Boah, ey!)

selbst wenn man nicht an die Instandhaltung denkt, sondern das Geld in Neubauten investiert. Zweitens werden auch viel zu viele Projekte gleichzeitig angefangen. Weil das Geld nicht da ist, müssen sie gestreckt werden. Dadurch wird alles immer teurer. Daran müssen wir auf jeden Fall etwas tun. Wir müssen an anderer Stelle auch einmal ganz deutlich darüber sprechen, was in einen Bundesverkehrswegeplan gehört und was nicht. Sehr vieles gehört eben nicht hinein.

Die Verkehrsinfrastruktur aller Verkehrsmittel ist sanierungsbedürftig. Herr Klocke sagte es bereits: Das betrifft insbesondere auch Stadtbahntunnel, bei denen notwendige Rücklagen fehlen. Allein die Instandhaltung von Brücken, Trassen und Straßen kostet NRW in den nächsten Jahren mehr, als insgesamt für den Verkehr zur Verfügung steht.

Darüber hinaus werden sich die Anforderungen an die Verkehrssysteme ändern. Reurbanisierung, demografischer Wandel, Klimawandel, steigender Transit- und Güterverkehr, neue technische Möglichkeiten, zusätzliche Mittel müssen diesen Verkehrswandel unterstützen und dürfen nicht in jahrzehntealte Verkehrskonzepte fließen, die nach ihrer Realisierung Jahrzehnte zum Sinnbild von Fehlinvestitionen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Groschek das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Einige Anmerkungen.

Herr Voussem, bei aller Freundschaft: Was die Diskussion angeht, Ihre Unterstellung finde ich noch nicht einmal böswillig, sondern nur peinlich.

(Beifall von der SPD)

Weder ich persönlich noch die Bediensteten des Landesbetriebs Straßen haben fahrlässig in Kauf genommen, dass Risse dieser klaffenden Art eintreten mussten, um irgendwelche Inszenierungen zu zelebrieren. Eine solche Unterstellung ist Ihrer auch unwürdig, Kollege Voussem.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich hatte darauf hingewiesen, dass seit 1991 an dieser Brücke geschweißt wird. Seit 1991 wissen alle Verkehrspolitiker, dass potenziell Erneuerungsbedarf vorhanden ist. Es war bis zum 30. November zwischen Land und Bund abgestimmt, dass diese Brücke bis 2025 erneuert wird, weil man nach Expertenurteil davon ausgehen musste, dass die Instandsetzung im Bauch der Brücke, die permanent stattfindet, bis dahin eine Ertüchtigung möglich macht. Dann traten in der Tat über Nacht die klaffenden Risse auf, die potenziell auch an anderen Brücken auftreten könnten. Deshalb ist ein sofortiger enormer Handlungsbedarf eingetreten. Daher kann auch niemand die Garantie übernehmen, dass diese Brücke bis 2020 funktionstüchtig bleibt. Die Experten rechnen damit, aber garantieren kann das niemand.

Zweite Anmerkung: Ja, wir brauchen den Ausbau an einer anderen Stelle als an den Straßen. Wir brauchen einen Ausbau der Infrastruktur im Bereich Schiene. Aus diesem Grunde kämpfen wir darum, Betuwe endlich zu verwirklichen. Dafür nimmt das Land 450 Millionen € Landessteuergeld als Sponsoring in die Hand, damit es dabei endlich vorangeht. Auch das gehört zur Wahrheit: Das Land muss subventionieren, damit überhaupt einmal eine vernünftige, verantwortliche Verkehrserschließung zwischen Rhein-Ruhr und Rotterdam gewährleistet wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir kämpfen um den RRX auch deshalb, weil damit dringend notwendige Schieneninfrastruktur zwischen Köln und Rhein-Ruhr aufgebaut wird. RRX ist doch ein Teil des Ausbauprogramms. Schließlich kämpfen wir deshalb um den Eisernen Rhein, um die Lasten von den Straßenbrücken zu nehmen und mehr Schiene zur Verfügung zu haben, um die Logistikketten zu schließen. Die Binnenschifffahrt ist ebenfalls ein wichtiges Feld. Darüber werden wir im nächsten Jahr im Ausschuss wesentlich intensiver diskutieren.

Die Landesregierung hat schon vor dem Schadensfall in rekordverdächtiger Höhe 32 Millionen € an Vergabemitteln für Ingenieurleistungen bereitgestellt. Damit wollen wir gewährleisten, dass die priorisierten Planungsvorhaben zügig umgesetzt werden. Die Ingenieurbüros in Nordrhein-Westfalen werden natürlich angesichts der Marktnachfrage auch bei der Preisgestaltung so zulangen, dass man sehen muss, ob diese Rekordausstattung noch dafür ausreicht, unsere Planungsprioritäten abzudecken. Diese Priorisierung im Haushalt ist völlig gegen den Kürzungstrend. Hier wurde der Ansatz sinnvoll und richtig verstärkt.

(Beifall von der SPD)

Eine weitere Anmerkung: Alle Verkehrspolitiker – auch die der letzten Jahrzehnte – müssen sich fragen lassen, ob ihr Interesse nach dem Spatenstich einer Neubaumaßnahme noch gleich hoch geblieben ist. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass das Medieninteresse bei Reparatur und Instandsetzung weitaus geringer ausgeprägt ist als beim Scherenschnitt und beim Spatenstich. Auch das sollte uns zum Nachdenken veranlassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine letzte Anmerkung betrifft die nachhaltige Finanzierung: Ich könnte jetzt beredt aus meiner ersten Länderverkehrsministerkonferenz berichten. Dabei hat mich vieles merkwürdig berührt. Eines ist mir jedenfalls noch deutlicher geworden: Wir brauchen Bündnisse, die nicht immer entlang der traditionellen Parteigrenzen auf nationaler Ebene verlaufen werden, wenn wir eine nachhaltige Finanzierung hinbekommen wollen. Wir brauchen die auf jeden Fall, weil wir die europäische Logistik-Drehscheibe Nummer eins sind, was Sie zu Recht betont haben, Herr Rasche.

Deshalb brauchen wir über die Daehre-Kommission den Anstoß, dass die lange Bank vor der Bundestagswahl nicht das Schicksal für die Mehrfinanzierung sein darf. Wir können es uns nicht erlauben, erst nach der Bundestagswahl anzufangen, über Finanzierung zu diskutieren. Wir müssen vor der Bundestagswahl anfangen, damit im nächsten Koalitionsvertrag in Berlin diese Mehreinnahmen wirklich verbrieft sind. Ansonsten gucken wir alle gemeinsam in die Röhre.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Schemmer das Wort.

(Unruhe von der SPD und den GRÜNEN)

Bernhard Schemmer*) (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich das, was Sie, Herr Minister Groschek, bezüglich der Unterstellung des Kollegen Voussem geäußert haben, deutlich zurückweisen. Lesen bitte einmal das nach, was er tatsächlich gesagt hat!

Ich komme ein bisschen zu dem Ergebnis, dass das, was Sie als Unterstellung verstanden haben, vielleicht die Wahrheit sein könnte. Gesagt hat er das nämlich so nicht. Insofern muss das in Ordnung gebracht werden.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Das können wir ja nachlesen!)

Ich erinnere daran, dass die Herren Tiefensee, Klimmt, Stolpe, Müntefering und Bodewig Minister waren. Ich kann nur sagen, auf Bundesebene ist in der Vergangenheit nichts passiert. Jetzt geht es immer gegen Ramsauer.

Sie sagen ja sogar, dass die Erneuerung der Rheinbrücke für 2025 einvernehmlich zwischen Land und Bund abgesprochen war. – Ich zitiere aus der Presseerklärung des großen Verkehrspolitikers Norbert Römer vom 30.11.:

„Die verfehlte Verkehrspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung wirkt sich katastrophal auf unser Land aus. Die chronische …“

(Heiterkeit und langanhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Außer dumm und dämlich zu quatschen, konnte Rot-Grün noch nie etwas.

(Beifall von der CDU und der FDP – Lachen von der SPD und den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Schon wieder vermessen! – Weitere Zurufe)

Ich komme auf die Pressemitteilung von Herrn Römer zurück:

„Für den Verkehrsinfarkt in Leverkusen ist Bundesverkehrsminister Ramsauer mit verantwortlich.“

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Welch schäbiges Vorgehen, nachdem der Minister gerade das Gegenteil gesagt hat! – Schönen Dank.

(Lautes Lachen und lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schemmer. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluss der Beratung.

(Unruhe)

– Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei aller Freude – es ist ja bald Weihnachten – sage ich Ihnen: Der Applaus hat einen Großteil der Redezeit eingenommen. Es gibt zwei wichtige Entschließungsanträge, über die wir abstimmen müssen.

Wir kommen zur Abstimmung über diese beiden Entschließungsanträge. Wir stimmen erstens über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/1683 ab. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU- und der FDP-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion der Piraten angenommen.

Ich komme zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/1704. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU und der FDP sowie eines Kollegen aus der Fraktion der Piraten bei Enthaltung der restlichen Fraktion der Piraten abgelehnt.

Wir kommen nun zu:

2   Landesregierung muss endlich grünes Licht für newPark und die Schaffung tausender Arbeitsplätze geben

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1668

Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Fraktion Herrn Abgeordneten Ellerbrock das Wort.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worum geht es in dieser Aktuellen Stunde? – Es geht um eine Bürgschaft des Landes in Höhe von 17,5 Millionen € für die newPark GmbH, die von 23 Gemeinden, zwei Kreisen und der IHK Nord Westfalen getragen wird.

Was soll damit bewirkt werden? – Der Ankauf von 550 ha Fläche von einem großen Energieversorger. Zunächst sollen davon 150 ha entwickelt werden. Die Entscheidung tut jetzt und heute not, da sonst die Kaufoption ausläuft. Die Vertragsverhandlungen für eine Verlängerung sind offen.

Weiterhin ist zu beachten, dass EU-Mittel vom EFRE-Programm in 2013 auslaufen. Die Finanzierung des Nachfolgeprogramms von EFRE ist offen. Also droht die Gefahr des Verlustes von EFRE-Mitteln.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Das Land hat derzeit schon knapp 3 Millionen € für planungsvorbereitende Maßnahmen ausgegeben. Das Nutzungskonzept sieht vor, auf einer Fläche von rund 150 ha als Erstinvestition Unternehmen mit mindestens 10 ha Flächengröße anzusiedeln, wobei jeweils Erweiterungsoptionen um mindestens 3 ha gewährleistet werden sollen.

Es geht um produzierendes Gewerbe und seine Zulieferungsindustrie. Geplant ist von der Standortgemeinde Datteln, 2013 die Bauleitplanung abzuschließen, um möglichst 2014 Ansiedlungsmaßnahmen durchzuführen. Insgesamt ist nach Auskunft der newPark GmbH im Konzept beabsichtigt, öffentliche Mittel in Höhe von rund 29 Millionen € einzusetzen. Daraus soll eine Wertschöpfung von mehr als 12 Milliarden € erwirtschaftet werden.

Nicht zu verkennen ist, dass diese Fläche auch im Zusammenhang mit dem Kraftwerksprojekt Datteln zu sehen ist. Aufgrund von Synergien wie Abwärmenutzung ist es planerisch sinnvoll, neben jedem Kraftwerk eine industrielle Ansiedlungsfläche zu haben.

Probleme bestehen. Zunächst ist die uns allen bekannte FFH-Problematik zu nennen. Zum Zweiten gibt es zwar eine planfestgestellte Erschließungsstraße, die B 474, die allerdings vom BUND und einem Privaten beklagt wird.

(Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN]: Bravo!)

Das Verfahren liegt beim OVG.

Meine Damen und Herren, wer sich dieser Problematik annimmt, muss in die Geschichte der Landesentwicklungsplanung zurückgehen. Im Jahre 1976 scheiterte im Orsoyer Rheinbogen bei Rheinberg eine Industrieansiedlung der VEBA. Die damalige SPD-Landesregierung hat es zu Recht für notwendig erachtet, im Sinne einer Landesentwicklung auch Flächen im Angebot zu haben, um Großindustrie nach Nordrhein-Westfalen zu holen.

Die Zeiten, in denen wir über Stahlwerke, große Raffinerien usw. sprachen, sind vorbei. Deshalb ist die ehemals vorgesehene Flächennutzung von mindestens 200 ha für einen Betrieb Anfang der 90er-Jahre auf eine Ansiedlungsgröße von 150 ha modifiziert worden. Bei einer Clusterorientierung soll ein einzelner Betrieb 80 ha haben.

Warum sind diese Flächen nicht genutzt worden? – Weil sie nicht verfügbar waren.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU)

Der Landesentwicklungsplan sieht vor, dass diese Flächen vor konkurrierender Nutzung zu schützen sind. Allerdings sind sie tatsächlich nicht verfügbar.

Hierbei, Herr Minister Duin, ist es sinnvoll, dass wir uns bei unserer grundsätzlichen Überlegung darüber klar werden, was wir ändern können, um Flächen, die wir aus Landesinteresse planerisch vor konkurrierender Nutzung sichern wollen, tatsächlich verfügbar zu machen. Man sollte wirklich überlegen, ob man den Grundeigentümern einen geringen Betrag zahlt, damit sie zukünftig bei Inanspruchnahme der Fläche nach einer festgelegten Preisgleitklausel einen schon bekannten Verkaufspreis akzeptieren und gleichzeitig auf Einrede gegen das Vorhaben verzichten. Denn jede Planung ist nur so gut wie ihre Durchsetzung vor Ort. Deswegen müssen wir uns hier Gedanken machen, wie wir weiterkommen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, im Zuge des Projektes newPark sind nach den Jahren 2009/2010 die Landesentwicklungsplanung und Regionalplanung geändert worden. Eine ehemalige Fläche von mehr als 1.000 ha ist auf rund 330 ha verkleinert worden.

Aber: Wir haben hinsichtlich FFH, Erholung und regionalem Grünzug eine konkurrierende Nutzung zugelassen, die eine Gesamtnutzung dieser Fläche aufgrund der Konkurrenzsituation erschwert. Das läuft dem Geist der seit 1976 bestehenden Flächensicherung für eine gewerblich-industrielle Nutzung dieses Gebietes zuwider. Das sind die Probleme, mit denen wir uns heute auseinandersetzen.

Welche Probleme haben wir? – Man sagt – erstens –: Wir wissen noch gar nicht, welcher Investor kommt. – Nein, ein Investor kommt nur dann, wenn die Fläche tatsächlich verfügbar und nach Möglichkeit mit Baurecht versehen ist.

Zweitens. Die Straßenanbindung und die öffentliche Erschließung – hier am Kanal gelegen – sind in Ordnung? Das muss gesichert werden. Ich habe auf die Problematik der B 474 hingewiesen. Diese Sache liegt beim OVG. Man ist guten Mutes.

Drittens. Man sagt, die Flächen würden nicht nachgefragt. Hinsichtlich der Verfügbarkeit habe ich eben etwas ausgeführt. Prognos weist in seinem Gutachten überzeugend den Flächenengpass im Ruhrgebiet nach, sodass Flächen über 10 ha in drei Jahren im Ruhrgebiet wahrscheinlich vergriffen sein werden. Das ist ein Warnzeichen.

Viertens. Meine Damen und Herren, Ja, wir haben Altlasten und Brachflächen im Ruhrgebiet. Aber wer von Ihnen würde auf einer solchen Altlastenfläche investieren? Wir kennen ja nicht die Altlast von morgen und wissen damit auch nicht, welche neuen Parameter wir neu einführen werden. Herr Minister Duin, wenn wir Altlastensanierung wirklich ernst meinen, dann muss es für den Investor eine Risikoabsicherung geben, damit das Land, wenn morgen ein neuer Schadstoff entdeckt wird, den Investor nicht als Zustandsstörer und damit sanierungspflichtig ausmacht. Wir müssen zusehen, dass wir diese Flächen tatsächlich verfügbar machen.

Bei der Gelegenheit werde ich nicht müde, an die Wirtschaft zu appellieren, die Arbeit des Altlastensanierungsverbandes AAV weiter kräftig zu unterstützen, auch wenn sie zu Recht wegen des Wasserentnahmeentgeltes ihre Zahlungen wesentlich reduziert haben.

(Beifall von der FDP und Lutz Lienenkämper [CDU])

Die Wirtschaft steht in der Verantwortung und muss sich stärker engagieren.

Fünftens. Demgegenüber muss sich auch der Naturschutz umstellen, sodass wir zu einer Flächenrotation kommen: Flächen, die aufgegeben werden, werden dem Naturschutz und der Grünnutzung zugeführt, während andernorts Flächen aufgegriffen werden. Die Bilanz muss stimmen. Dieser Weg ist richtig: Ja zur Natur aus zweiter Hand!

Sechstens. Die FFH-Randlage ist in diesem Gebiet ein ganz entscheidendes Hindernis. Ich bin immer dafür, zum Erhalt des genetischen Reproduktionspotenzials Ja zu sagen. Das ist seit Jahren bekannt. Hier müssen wir allerdings überlegen: Das Kraftwerk schöpft in seiner Randlage die Emissions- und vor allen Dingen die Immissionsgrenzen in diesem Bereich aus. Immissions- und Emissionsprognosen werden erstellt. 2013 wird man weitersehen. Dann kann man über Emissionsminderungsmaßnahmen reden.

Siebtens. Das Gebiet in der Randlage zu FFH ist sicherlich schwierig. Es gibt aber auch Ausnahmen von einer FFH-Regelung. Herr Kollege Priggen, ich rekurriere auf § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes. Das ist dann möglich, wenn in besonderem Maße prioritäre Lebensräume – also eine ganz besondere Naturschutzorientierung -…

(Der Redner wendet sich wegen der Redezeitanzeige an das Präsidium.)

– Ich dachte, ich hätte sieben Minuten. Hier steht: Redezeit zu Ende.

Wenn nach § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes Belange des Allgemeinwohls im Vordergrund stehen und eine Zumutbarkeit an anderer Stelle nicht gegeben ist, ist das möglich.

Wer wie gestern über Opel und das Investitionsklima redet, der sollte darauf setzen, dass Sie, Herr Minister Duin und Herr Groschek, mit dem Naturschutz im Sinne des Allgemeinwohls auf einen Weg kommen, diese Nutzung möglich zu machen.

(Beifall von der FDP)

Wir haben eine Blaupause für dieses Problem: Vor wenigen Jahren ging es um die Anbindung von Opel in Bochum an die Querspange der A44 auf die A43. Damals hat es einen großen Zielkonflikt zwischen Grünen und SPD gegeben. Der damalige Ministerpräsident hat in einem starken Schritt gesagt: „Wir machen das!“, denn schon damals stand in Bochum die Arbeitsmarktproblematik im Raum.

Hier muss die Landesregierung zu einer Linie finden und Ja zur Bürgschaft sagen. Wenn wir die Bürgschaft nämlich heute nicht einleiten, dann kann die Verkaufsoption wegfallen. Außerdem geben wir zur falschen Zeit das falsche Signal. Sagen wir deshalb Ja zur Verbesserung des Investitionsklimas in Nordrhein-Westfalen. Das haben wir noch gestern alle gemeinsam eingefordert. Sagen wir damit auch Ja zur Bürgschaft. Das ist eine Chance für Arbeitsplätze im Ruhrgebiet,

(Beifall von der FDP und der CDU)

die wir so schnell nicht wiederbekommen.

Deswegen ist es notwendig, dass Sie, Herr Minister, ein klares Bekenntnis und ein Ja zum Arbeitsplatzerhalt, zur Arbeitsplatzsicherung und zu newPark abgeben. Und das heißt: Ja zur Bürgschaft. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Ellerbrock. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Schmeltzer.

Rainer Schmeltzer*) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Ellerbrock, ja, in Datteln soll unter der Bezeichnung „newPark“ eine Fläche für industriell-gewerbliche Großvorhaben entwickelt werden. Wir sagen von vornherein zunächst einmal: Das ist auch gut so!

(Beifall von der SPD)

Dies tun wir allerdings ohne die Einschränkung, die Sie getätigt haben, indem Sie immer auf die verschiedenen Kriterien hingewiesen haben. Sie haben immer „Ja, aber“ gesagt. Ich will versuchen, das ein bisschen zu relativieren.

Durch die Flächenentwicklung auf dem newPark-Areal soll eine vermarktbare Fläche von annähernd 150 ha entstehen. Die Projektsteuerung erfolgt durch die newPark-GmbH-Gesellschafter, die breit gefächert sind. Unter anderem sind das die Stadt Datteln, der Kreis Recklinghausen, die Stadt Dortmund, die WiN Emscher Lippe GmbH sowie NRW.URBAN. Sie haben es richtig erkannt: Es handelt sich um ein großes regionales Projekt.

Die Landesregierung hat dieses regionale Projekt immer unterstützt, übrigens auch unter dem abgewählten Ministerpräsidenten Rüttgers und der Wirtschaftsministerin Thoben, genauso wie unter der heutigen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und den Wirtschaftsministern Voigtsberger und Duin.

Die Bewilligung des Förderantrags für den Planungsprozess ist bereits 2008 erfolgt. Die Förderung aus dem Ziel-2-Programm betrug damals 2,9 Millionen €.

Wir wissen ganz genau: In Nordrhein-Westfalen müssen weiterhin große Industrieansiedlungsprojekte möglich sein. Darauf weisen auch und besonders die Wirtschaftsförderer im Ruhrgebiet berechtigterweise immer wieder hin. Industrieansiedlungsprojekte müssen gerade dort möglich sein, wo Industrie und Arbeitsplätze besonders benötigt werden. Deshalb stehen wir zu der Planung des Gebietes newPark,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

ebenso wie die Region und auch die Regionalplanung des RVR. Die Regionalplanung hat aber auch festgelegt, dass es sich bei der Erstansiedlung auf der newPark-Fläche um ein Produktionsunternehmen mit einer Flächengröße – Herr Ellerbrock, Sie haben darauf aufmerksam gemacht – von mindestens 10 ha handeln muss. Nur unter der Voraussetzung haben die Nachbarkommunen die Entwicklung von newPark mitgetragen, um mögliche kommunale Verlagerungseffekte auszuschließen, die wir bei vielen Flächen im Land leider Gottes schon viel zu oft hatten.

Auch die Landesplanung kann ihren Beitrag dazu leisten, das newPark-Projekt planerisch abzusichern. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung das Projekt durch Flächensicherung unterstützen wird, wie im Übrigen von der Ministerpräsidentin bereits im November 2011 öffentlich zugesagt.

Klar ist, Herr Ellerbrock: Die Landesregierung hat in ihrer Verantwortung für das ganze Land die planerischen, juristischen, zeitlichen und haushalterischen Risiken sehr sorgfältig zu prüfen; immerhin geht es um eine Bürgschaft von 17,5 Millionen €. Gerade Sie seitens der Opposition mahnen doch immer die Haushaltspolitik an. Deswegen werden wir das sehr kritisch überprüfen.

Sie fordern in Ihrem Antrag, die Landesregierung solle grünes Licht für newPark geben. Diese Forderung zeigt vor allem eins: Die FDP hat bis heute nichts, aber auch gar nichts aus der juristischen Klatsche gelernt, die sie in ihrer Verantwortung als mitregierende Partei erhalten hat. Sie verfolgt immer noch die Strategie, mit der sie schon in der gerichtlichen Auseinandersetzung um das Kraftwerk Datteln 4 gescheitert ist: Augen zu und durch! – Genau das machen wir nicht.

(Marcel Hafke [FDP]: Das ist doch totaler Quatsch! – Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

Wenn sich die FDP mit dem Urteil des OVG Münster zu Datteln 4 oder mit dem Urteil zum Trianel-Kraftwerk in Lünen befasst hätte, dann müsste sie wissen, dass politischer Wille kein Ersatz dafür ist, alle Hausarbeiten zu erledigen. Wir und die Landesregierung machen unsere Hausaufgaben, und zwar verantwortungsbewusst.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Sie streuen bewusst Sand in die Augen. Sie schüren Illusionen in der betroffenen Region. Sie fordern die Landesregierung auf, die gleichen Fehler zu wiederholen, die Sie bei dem Kraftwerk Datteln 4 gemacht haben, und damit, Sorgfalt durch Aktionismus und Unterlassung zu ersetzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Sie haben noch nicht mal den politischen Willen!)

Sie verschweigen bewusst mögliche juristische Risiken, die derzeit noch ungelöst sind. Die müssen wir sehen, Herr Ellerbrock, und können nicht mit „Ja, aber“ arbeiten.

(Thomas Kufen [CDU]: Doch!)

Sie verschweigen, dass der Planfeststellungsbeschluss für die Realisierung der Bundesstraße 474n, die das Gebiet an das Straßennetz anschließen soll, beim OVG Münster beklagt wird und die Verhandlung kurz bevorsteht. Wenn der Klage stattgegeben würde, könnte kein Lkw das Areal auf vernünftige Weise erreichen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ellerbrock?

Rainer Schmeltzer*) (SPD): In der Aktuellen Stunde, Herr Präsident, sind Zwischenfragen meines Wissens nicht zulässig.

Vizepräsident Oliver Keymis: Verdammt! Das könnte sein.

(Heiterkeit von Lutz Lienenkämper [CDU])

Herr Ellerbrock hat mich überlistet.

(Allgemeiner Beifall)

Herzlichen Glückwunsch, Herr Ellerbrock, Sie haben mich echt erwischt. Aber das hängt damit zusammen, dass die Aktuelle Stunde so verspätet stattfindet. Dadurch war ich schon in meinem normalen 12-bis-13-Uhr-Dienst. Außerdem steht Weihnachten kurz vor der Tür. Ich bedanke mich für Ihre Meldung und Ihren Hinweis. Herr Ellerbrock hat es nicht gewusst, ich habe es auch nicht gewusst. – Bitte, Herr Schmeltzer, fühlen Sie sich ungestört und fahren Sie fort.

Rainer Schmeltzer*) (SPD): Ich fühle mich nach wie vor ungestört und bedanke mich recht herzlich dafür, dass Ihre Ausführungen nicht auf meine Redezeit angerechnet werden.

Sie ignorieren, dass die Umweltverträglichkeit des Vorhabens – FFH, Artenschutz – sichergestellt werden muss, weil der newPark in unmittelbarer Nähe des FFH-Gebiets Lippeaue zwischen den Kreisen Unna und Dorsten liegt. Sie haben zwar darauf hingewiesen, Herr Kollege Ellerbrock, aber immer mit dem „Aber“ hinterher. Wenn das Problem nicht gelöst wird, würden keinerlei Emissionen von dem Areal aus mehr genehmigt werden.

Das sogenannte Trianel-Urteil des OVG Münster vom 1. Dezember 2011 legt ein neues Verfahren zur Zulässigkeit von Emissionen fest. Ich weiß, wovon ich rede, weil sich das Urteil auf meine Heimatstadt Lünen bezieht. Das Summationsprinzip beinhaltet, dass alle Emissionen einer Region addiert werden. Das Prioritätsprinzip beinhaltet, dass die Antragsteller in ihrer zeitlichen Reihung zu bewerten sind. Im Ergebnis stünden nach diesen Prinzipien für den neuen Industriestandort newPark keine Emissionen mehr zur Verfügung. Dass das Trianel-Urteil zu berücksichtigen ist, zeigt die gerade abgeschlossene dreitägige Anhörung des neuen Genehmigungsverfahrens für das Trianel-Kraftwerk in meiner Heimatstadt Lünen.

(Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Sollen solche Aspekte wirklich außer Acht gelassen werde, ohne dass wir die Ergebnisse kennen? – Das wäre fahrlässig. Ich bin froh, dass wir eine Landesregierung haben, die verantwortlich und gewissenhaft handelt bzw. das macht, was bei Schwarz-Gelb immer propagiert wurde: handeln wie ein ordentlicher Kaufmann, also die Bürgschaften im Vorfeld sorgfältig prüfen. Ich bin sicher, dass die Landesregierung nach Abschluss der Prüfungen eine verantwortbare Entscheidung treffen wird, die von der SPD-Fraktion in allen Regionen des Landes vertreten werden kann. Die SPD-Fraktion wird sich gerne ebenso verantwortlich an den vorbereitenden Gesprächen beteiligen.

Ich bin froh, Herr Kollege Ellerbrock, dass die FDP mit ihrem Harakiri-Kurs nicht die Regierungsverantwortung in diesem Land trägt, sondern verantwortungsvolle Politik von Rot und Grün,

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

sowohl inhaltlich als auch haushalterisch, seit Mai 2010 und verstärkt seit Mai 2012 die Geschicke des Landes lenkt. Wir stehen hinter newPark. Der Haushalt für 2013 ist eingebracht worden. Darin sind die Bürgschaften nach wie vor verankert. Wenn wir das nicht gemacht hätten, dann hätten wir deutlich signalisiert, dass wir es fallen lassen. Wir wollen es aber. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Schmeltzer, und noch einmal Entschuldigung für die von mir ungebührlich vorgenommene Unterbrechung. – Herr Hovenjürgen, in der Aktuellen Stunde des Landtags von Nordrhein-Westfalen, die heute ausnahmsweise erst um 12 Uhr begonnen hat – ich bekomme es noch hin –, haben Sie jetzt das Wort für die CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Danke schön. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmeltzer, am Anfang war ich noch optimistisch, dass es ein klares Ja zum newPark wird. Zum Schluss prägte allerdings das „Aber“ Ihre Rede. Ich muss ganz klar sagen, dass ich mir eine konsequentere Haltung gewünscht hätte, insbesondere wenn Sie die Probleme beschreiben, die man unstreitig so sehen kann. Richtig ist allerdings auch: Wir brauchen die Fläche zur Ansiedlung von neuer Industrie und neuer Arbeit im Ruhrgebiet. Wenn Sie von Summation reden, dann kann man das so sehen, aber wenn wir uns anschauen, wo wir unter solch einer Sichtweise überhaupt noch Ansiedlungen betreiben könnten, dann schiede das Ruhrgebiet zukünftig für industrielle Ansiedlungen aus. Somit hätten wir keine Chance, den Menschen im Ruhrgebiet überhaupt noch Arbeit bieten zu können. Das kann doch wohl nicht unser gemeinsames Ziel sein.

(Beifall von der CDU)

Ich bin Herrn Ellerbrock und der FDP dankbar, dass sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben, weil sie notwendig ist, weil sie ganz klar deutlich macht, wie intensiv wir diese Flächen benötigen, um überhaupt noch von großflächiger industrieller Ansiedlung reden zu können.

Wer dann – wie zum Beispiel Kollege Herrmann, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, vor einigen Tagen im Kreistag von Recklinghausen – erklärt, wir sollten endlich mit der Mär aufhören, dass es industrielle Arbeitsplätze mit Produktionsanteilen in dieser Region überhaupt noch geben könnte, weil die eh nach Asien wandern, dem sage ich: Diesen Kampf um Arbeitsplätze für die Menschen in unserer Region gebe ich nicht verloren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich werde mich mit meiner Fraktion zusammen darum bemühen, den Menschen hier im Ruhrgebiet Arbeit zukommen zu lassen.

Wer dann da sagt, wir müssten Altflächen nutzbar machen, der muss sich auch mit dem Baurecht, dem Abstandserlass des Landes Nordrhein-West­falen, auseinandersetzen. Der weiß dann auch, dass wir auf altindustriellen Flächen eben nicht wieder industriell handeln können, sondern in der Regel am Ende unter Berücksichtigung der Wohnsituation, weil sich eben in der geschichtlichen Entwicklung des Ruhrgebiets das Wohnen um die Arbeit entwickelt hat und eben innerstädtisch liegt und dadurch bedingt die Flächen im Verhältnis zum Wohnen für industrielle Bereiche nicht mehr nutzbar sind. Zum Schluss bleibt nicht störendes Gewerbe. Das bedeutet in der Regel Einzelhandel. Das bedeutet in der Regel Angriff auf die Innenstädte. Dann haben wir Konfliktsituationen, die wir auch in unseren Städten nicht gebrauchen können, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen noch einmal ganz konsequent: Wer neue Arbeitsplätze will, der muss auch den newPark wollen. Da macht es keinen Sinn, letztendlich schon heute, liebe Fraktion der Grünen, aus dem Wirtschaftsminister einen Bettvorleger flechten zu wollen, sondern hier hätte der Wirtschaftsminister ganz klar unsere Unterstützung. Er hat sie für den Bereich des newParks. Ich würde mich freuen, wenn auch Sie – Herr Priggen wird ja, glaube ich, gleich dazu reden –, Herr Priggen, zu diesem Thema „newPark“ stehen könnten. Denn wir brauchen ihn in der Region.

Wir brauchen ihn übrigens genauso wie den Kraftwerksstandort Datteln 4.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Denn auch Datteln 4, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Grünen, ist ein Beitrag, der die Energiewende gelingbar macht. Sie wollen doch, dass die Energiewende gelingt.

(Beifall von der FDP)

Deshalb brauchen wir Datteln 4, um die Energiewende zu ermöglichen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wenn man, liebe Frau Beer, den Hinweis der Fraktionsvorsitzenden Ihrer RVR-Fraktion hört, die sagt, wir könnten ja im newPark Windräder bauen, um Datteln 4 zu ersetzen, dann kann ich nur sagen: Da beginnt die fachliche Ahnungslosigkeit nun wirklich Blüten zu treiben.

Denn wenn man weiß, welche Fläche wir heute benötigen, um überhaupt ein Windkraftrad der neuen Dimension mit 3 MW, 200 m Höhe und 100 m Rotordurchmesser zu stellen, dann weiß man auch, dass wir vielleicht von fünf Windrädern sprechen, die wir auf dieser Fläche platzieren könnten, mehr aber nicht. Davon könnte ich dann im Prinzip 5 MW an Energie ersetzen von den 1.100 MW, die Datteln 4 stündlich liefern könnte. So viel zum fachlichen Beitrag der RVR-Fraktion der Grünen zur Energiewende. Auch das zeugt von nicht unbedingt hoher Sachkompetenz.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen noch einmal zusammengefasst, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der newPark ist ein Beitrag zur Reindustrialisierung des Ruhrgebiets. Deshalb brauchen wir ihn, Herr Duin. Deshalb haben Sie unsere Unterstützung bei der Umsetzung.

Wir brauchen aber auch die Bürgschaft in der Region, weil diese Bürgschaft zwingende Voraussetzung ist, um den Grunderwerb zu tätigen, weil die Kommunen in dem Bereich der Gesellschafter im Stärkungspakt stehen und die Unterstützung des Landes brauchen, um diese Entwicklung in ihrem Bereich möglich zu machen.

Wenn sie sie nicht erhalten, dann geht im Ruhrgebiet die Spirale nach unten weiter, weil Folgendes passieren wird: Schon heute müssen die Stärkungspaktkommunen im Ruhrgebiet ihren Bürgern die höchsten Abgaben abverlangen. Faktisch bedeutet das: Da, wo Brennpunkte sind, ist das Leben am teuersten. Wenn wir im Ruhrgebiet keine neue Arbeit anbieten können, dann wird das dazu führen, dass diese Spirale nach unten weitergeht. Dagegen kämpfen wir an, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn wir schon immer wieder über Nachhaltigkeit in der Politik reden, dann lassen Sie mich auch noch auf einen Faktor von Nachhaltigkeit verweisen. Wir haben im Ruhrgebiet eine flächendeckende Umweltzone, und alle haben sich dafür gelobt. Dies wird zur Folge haben, dass 35.000 Pkw-Besitzer, die zurzeit noch mit roter Plakette ihren Pkw bewegen, ihn auf Dauer nicht mehr bewegen werden können. Diesen Menschen muss ich in erreichbarer Nähe Arbeit schaffen. Denn wenn ich ihnen die Mobilität nehme, dann habe ich die verdammte Pflicht – ich nehme „verdammt“ zurück, Entschuldigung, Herr Präsident –, dann habe ich die wirkliche Pflicht, an dieser Stelle dafür zu sorgen, dass die Menschen im Ruhrgebiet mit dem ÖPNV in vertretbarem Zeitkorridor ihre Arbeitsplätze erreichen können.

Dafür muss es neue Arbeit im Ruhrgebiet geben können. Dafür brauchen wir am Rande des Ruhrgebiets diese Fläche newPark, weil wir Altflächen, wie schon ausgeführt, in der Dimension nicht mehr nutzbar machen können. Wer Industrie will, wer will, dass dieses Land industrieller Schwerpunkt bleibt, der muss im Ruhrgebiet Arbeit zulassen, der muss newPark wollen. Wir werden dafür kämpfen. Wenn der Wirtschaftsminister es will, stehen wir da an seiner Seite. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hovenjürgen. Aber Sie dürfen natürlich selbstverständlich sich selbst verdammt in die Pflicht nehmen. Das ist ohne Probleme auch in diesem Parlament in freier Rede möglich. – Es spricht als nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Schneckenburger.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Ellerbrock, es war erstaunlich moderat, was Sie vorgetragen und wie Sie das vorgetragen haben.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wieso erstaunlich?)

– Ja, es war wirklich erstaunlich. Man musste im Grunde genommen anderes befürchten.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Nein, es ist ein differenzierter Kollege!)

Herr Ellerbrock hat das ganz recht gemacht. Allerdings – das muss man doch sagen – endete es dann doch so, wie zu befürchten war, nämlich mit einem ideologischen Bekenntnis der FDP: Wir brauchen Flächen. Wir brauchen Neuansiedlungen. – Hierbei wird nicht berücksichtigt, wie die Realität tatsächlich ist, dass nämlich Neuansiedlungen, Ausweisungen von Gewerbeflächen an rechtliche Vorgaben gebunden sind.

Wenn wir ehrlich miteinander sind, dann muss man dazu sagen, dass die Auseinandersetzung,

(Ralf Witzel [FDP]: Sagen Sie doch ehrlich, dass Sie newPark gar nicht wollen!)

die Entwicklungsgeschichte von newPark genau von diesen rechtlichen Fragen begleitet und mit diesen rechtlichen Fragezeichen auch weiterhin versehen ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Wollen Sie es, oder wollen Sie es nicht?)

Wie ist es denn wirklich? – Schauen wir einmal ganz kurz zurück. Die newPark-Fläche ist vor 35 Jahren im Landesentwicklungsplan für Großvorhaben ausgewiesen worden. Was ist zunächst gekommen? -Gekommen ist nichts.

Dann wurde die Fläche verkleinert. Es fand auch eine Anpassung der Rahmenbedingungen statt. Die Untergrenze für den Flächenbedarf ist auf 80 ha reduziert worden. Das war schon 1994. Vor diesem Hintergrund sind anschließend neue Pläne der Städte Datteln und Waltrop zur Realisierung von newPark entstanden. 2009 sind dann die Weichen gestellt worden. So lange ist diese Fläche bereits in der Planung und Überplanung – übrigens ohne dass das Großvorhaben, das dort ursprünglich angesiedelt werden sollte, realisiert worden wäre.

Jetzt kommen Sie und geben hier Bekenntnisse dazu ab, dass das Ruhrgebiet Arbeitsplätze braucht. Herr Hovenjürgen, da stimmen wir überein. Das Ruhrgebiet braucht in der Tat Arbeitsplätze. Das Ruhrgebiet braucht auch industrielle Arbeitsplätze und gewerbliche Arbeitsplätze. Das ist komplett richtig. Aber mit Bekenntnissen allein macht man keine Politik, Herr Hovenjürgen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Man muss auch sagen, wie es denn wirklich gehen kann und wie es rechtlich so sauber gehen soll, dass Sie nicht als Opposition eines Tages kritisieren: Warum hat der Wirtschaftsminister eine Bürgschaft für ein Projekt gegeben, bei dem die rechtlichen Voraussetzungen noch gar nicht geklärt waren? – Diese Frage würden Sie ja stellen.

Man springt wirklich zu kurz, wenn man sich hierhin stellt und erklärt, das bräuchten wir, aber dann nicht den Weg aufzeigen und sagen kann, wohin es gehen soll.

Es wird also schon seit Jahren über die Entwicklung dieser Fläche gesprochen. Es sind auch Gutachten in Auftrag gegeben worden. Man muss aber festhalten, dass die Risiken in Bezug auf die Entwicklung weiterhin vorhanden sind, Herr Hovenjürgen. Sie kommen doch aus der Region und müssten das auch wissen.

Beispielsweise müssten Sie wissen, dass ein Verfahren gegen den Bau der B474n anhängig ist. – Übrigens richtet sich dieses Verfahren gegen den ersten Teil der Planfeststellung. Der zweite Teil der Planfeststellung, der für die Erschließung der Fläche noch sehr viel wichtiger wäre, ist noch gar nicht erfolgt. – Darüber wird im Januar 2013 verhandelt. Der Ausgang des Verfahrens ist offen und unklar – wie das vor Gericht eben ist. Es ist noch nicht einmal klar, wann genau das Urteil vorliegen wird. – Das ist eines der Risiken bei dieser Entwicklung.

Es gibt weitere Risiken. So bestehen wirtschaftliche Risiken durch Verlagerungen von Ansiedlungen aus anderen Kommunen des Emscher-Lippe-Raums; auch dies muss man sorgfältig abwägen.

Außerdem steht man vor planungsrechtlichen Fragen. An der gerade schon angesprochenen FFH-Verträglichkeitsanalyse kommt man auch nicht vorbei.

Letztendlich gibt es finanzielle Risiken; denn die beteiligten Kommunen können ihre Eigenanteile am Grundstückserwerb ohne eine entsprechende Bürgschaft des Landes nicht darstellen. Wie der Kollege Schmeltzer gerade gesagt hat, geht es hier um eine Bürgschaft von 17,5 Millionen €, die das Land übernehmen soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wir haben vorgestern hier eine Haushaltsdebatte geführt. Zu Recht haben alle Redner darauf hingewiesen – deswegen handeln wir auch entsprechend –, dass bei diesem Landeshaushalt ein hoher Konsolidierungsbedarf besteht und dass ab 2020 die Schuldenbremse gilt. Diese Landesregierung bemüht sich auch, genau das auf den Weg zu bringen. Gleichzeitig fordern Sie hier den Wirtschaftsminister auf, Bürgschaften für ein Entwicklungsvorhaben zu vergeben, bei dem die rechtlichen Voraussetzungen noch überhaupt nicht geklärt sind. Sie müssten uns erst einmal erklären, wie daraus eine konsistente Haushalts- und Finanzpolitik des Landes werden soll.

Es ist absolut sinnvoll und richtig, dass die Landesregierung sorgfältig prüft und damit die genannten Risiken vor dem Hintergrund der möglichen finanziellen Belastung durch die Übernahme einer Bürgschaft für den Grundstückserwerb in den Blick nimmt. Das kann man einer Landesregierung doch nicht ernsthaft vorwerfen! Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie auch zugeben, dass Sie als Opposition die Ersten wären, die ein anderes Verfahren hier anprangern würden.

Über die wirtschaftspolitische Sinnhaftigkeit des Planungsvorhabens kann man vielleicht noch unterschiedlicher Meinung sein. Man kann der Landesregierung aber nicht vorwerfen, dass sie vor der Absicherung des Ankaufs dieser Fläche, die eine erhebliche Dimension hat, in einen sorgfältigen Abwägungsprozess über die Gesamtrisiken eintritt und auch noch abwartet, wie rechtliche Auseinandersetzungen verlaufen, die die ganze Planung zum Scheitern bringen können.

Lassen Sie mich nun noch etwas zur Gewerbeflächensituation im Ruhrgebiet insgesamt anmerken. Ja, das Ruhrgebiet hat perspektivisch auch Flächenbedarf. Es hat aber auch einen Flächenvorrat. Das ist anders, als Sie es eben dargestellt haben, Herr Hovenjürgen. Es gibt doch die entsprechende Analyse des RVR. Danach hat das Ruhrgebiet einen Flächenvorrat für gewerbliche Bauvorhaben von 2.721 ha. Das steht in der Studie der Wirtschaftsförderung im RVR, die Sie eigentlich kennen müssten.

Der Ehrlichkeit halber füge ich hinzu, dass davon 1.168 ha mit Restriktionen unterschiedlicher Art belegt sind. Tatsächlich sofort verfügbar sind damit 1.552 ha.

Es geht also nicht darum, dass kurzfristig ein Bedarf an Gewerbeflächen besteht. Vielmehr gibt es einen mittelfristigen und langfristigen Bedarf an Gewerbeflächen.

Herr Hovenjürgen, wenn man dann eine konsistente Politik, auch auf RVR-Ebene, machen will, muss man fragen: Gibt es Instrumente, um Flächen mit Restriktionen, also Brachflächen, beispielsweise Flächen mit einer Altenlastenproblematik, wieder verfügbar zu machen? Welche Instrumente brauchen wir dafür?

Schließlich haben wir ein gemeinsames Ziel – darauf hat sich auch Ihre ehemalige Landesregierung verpflichtet –, nämlich das 5?ha-Ziel. Es geht also darum, Flächen zu sparen und Flächen zu schonen. Deshalb müssen wir unter anderem Instrumente entwickeln, mit denen diese Altflächen wieder verfügbar gemacht werden können. Dazu will ich Sie gerne einladen. Das wäre der richtige Weg. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneckenburger. – Für die Piratenfraktion spricht nun Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zuschauer! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die noch da sind! Der Strukturwandel, demografische Effekte, kommunale Finanznot und ein großer struktureller Mangel an klassischen Jobs, der größer sein dürfte als in den Arbeitslosenstatistiken erkennbar, machen der gesamten Region nördlich der Ruhr schwer zu schaffen.

Die Wirtschaft der Region braucht neue Perspektiven, die auf alten Stärken aufbauen und langfristig für ein neues, stabiles Wirtschaftsprofil und für Arbeitsplätze sorgen.

Die Ansiedlung auch neuer Unternehmen ist dabei entscheidend. Vielfach werden es Spin-offs sein, die sich mit neuen Ideen unabhängig entwickeln wollen und dabei unterstützt werden sollten.

Mit viel Kreativität und Offenheit für Neues, das aus Bestehendem hervorgeht, wird die Region nördlich der Ruhr den Strukturwandel meistern, so hoffe ich doch – allerdings nicht mit einem ideenlosen, allein durch seine Größe überzeugenden und dafür gänzlich unerschlossenen Industriegebiet voller Luftschlösser. BWLer kennen zumindest das Modell der Analyse von Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken. Schon dabei hätte eigentlich etwas auffallen müssen.

Was soll das Spiel mit der Hoffnung auf 9.200 Arbeitsplätze, die übrigens selbst in der Prognos-Studie erst für die Zeit nach 2030 erwartet werden? Mit viel Glück wird es Ansiedlungen geben, womöglich verlagert aus anderen Teilen der Region – aber in der gewünschten Qualität und mit dem gewünschten Arbeitsplatzangebot wohl eher nicht; denn was fehlt, sind die herausragenden Standortfaktoren, die überzeugen, sich dort anzusiedeln. Die Größe ist nicht einmalig, und ob es ein guter Standortfaktor ist, dass man sich nah am Naturschutzgebiet befindet, ist auch die Frage. Im Idealfall ziehen andere Unternehmen oder bestimmte Kompetenzen vor Ort.

Aber es gibt dort keine bestehenden Agglomerationen, keine vorhandenen Wertschöpfungsketten oder irgendwelche anderen Synergiemöglichkeiten. Nicht einmal die Infrastrukturanbindung ist gesichert, selbst die Bundesstraße nicht, übrigens als alleinige Zugangsmöglichkeit zu einem Green-Technologies-Standort unwürdig. Herr Hovenjürgen, wie sollen denn die, die wegen der Umweltzone ihr Auto abschaffen mussten, zu diesen Arbeitsplätzen kommen? Aber auch ein Autobahnanschluss wäre keine Garantie für Erfolg – siehe den Logistikstandort Legden in der Nähe der A31, der nicht vollläuft.

Also: Was sind die Alleinstellungsmerkmale, die dafür sorgen, dass das Areal nicht bloß eine weitere subventionierte Konkurrenz zu anderen Gewerbegebieten in der Region ist?

Ein Gewerbesteuererlass ist für mich ein Indikator dafür, dass es darum geht, mit der Nachbarschaft zu konkurrieren, und dass es keine besseren Argumente gibt. Allein die Größe kann als Argument herangezogen werden. Danach verlangen Logistikunternehmen, aber ausgerechnet die will man dort nicht anziehen. Alle anderen Unternehmen müssen von sich aus wachsen.

Wir stellen auch Ihre Antragsbegründung bezüglich Flächenverfügbarkeit infrage. Wir denken, dass es ausreichend Flächen in NRW gibt.

Bestehende Probleme leugnen wir dabei natürlich nicht. Viele Flächen müssen zunächst einem Flächenrecycling oder einer Nachverdichtung unterzogen werden. In den mit Schwermetallen oder Chemikalien belasteten Böden finden Sie die Auswirkungen sogenannter externer Effekte oder, um es zu übersetzen: Umweltverschmutzungen, für die keiner bezahlt und die deshalb keiner beseitigt hat.

Die Gesetzeslage verpflichtet uns, für jede Naturfläche, die in ein Industriegebiet verwandelt wird, einen Ausgleich zu schaffen. Das heißt, an anderer Stelle müssen neue Naturflächen ausgewiesen werden. Ihr Antrag sagt, es gebe zu wenig Wirtschaftsflächen in NRW. Mit einer neu anzulegenden Naturfläche würden potenzielle, bereits erschlossene, womöglich integrierte Räume für Industrie- und Gewerbeflächen an anderer Stelle jedoch nicht mehr zur Verfügung stehen. Im nördlichen Ruhrgebiet gibt es viele Brachflächen und ehemalige Montanflächen. Es müssten also ohnehin noch viele Großflächen und Böden recycelt werden. Eine bereits renaturierte Fläche in Teilen wieder in ein Industrie- oder Gewerbegebiet umzuwandeln – und umgekehrt –, macht überhaupt keinen Sinn.

Flächenrotation, Herr Ellerbrock, hakt daran, dass wir dann Naturgebiete mit Infrastruktur und Industriegebiete ohne Infrastruktur haben, zumal sie keine Auenlandschaft umsiedeln können.

Es gibt genügend integrierte Flächen und bereits gut erschlossene Flächen, die überplanbar sind: etwa in Bergkamen, in Bochum, im nahen Dortmund – Westfalenhütte, PHOENIX-Areal oder Zeche Gneisenau –, in Castrop-Rauxel, Mittelstandspark. Ich lese jetzt nicht alle vor.

Das newPark-Konzept ist an entscheidender Stelle nicht schlüssig. Global Player und Local Spin-offs in Kombination mit Green-Technologies klingen mehr nach Wunsch als nach Wirklichkeit. Bei globalen Großkonzernen wird man an dem Standort nur mit massiven Subventionen Argumente haben. Ich erinnere an Nokia und Bochum, aber in dem Fall auch an Rumänien, wo auch nur Subventionen mitgenommen wurden. Ich erinnere an bekannte dreiste Fälle wie Vattenfall oder Müllermilch.

Lokale Spin-offs dagegen benötigen Nähe zu bestehenden Systemen. Wie viele Unternehmen mit diesem Flächenverbrauch – außer dem vierten Kraftwerksblock – wollten sich denn in den 15 Jahren der Diskussion zunächst vielleicht mit 80 ha oder 10 ha dort ansiedeln? Wir verstehen den Wunsch vieler nach einem Symbol für die Region. Dies kann aber nicht nach dem Prinzip Hoffnung geschehen: Wenn wir einen Park bauen, wird sich schon irgendwie ein Global Player dafür entscheiden, woanders wegzuziehen und sich dort dauerhaft niederzulassen.

Lassen Sie mich abschließend einen versöhnlichen Vorschlag machen. Wenn Sie so an Ihrer Vision hängen, wenn Sie wirklich daran glauben – es ist Ihr gutes Recht, zu träumen –, dann nehmen Sie nicht den Holzhammer! Die Verlängerung der Verkaufsoption ist doch nur eine Formsache, übliche Praxis. Ein paar Monate zusätzlich werden nach 15 Jahren Diskussion und einem Erfüllungshorizont von mindestens weiteren 15 Jahren Ihren Traum nicht erschüttern. Nehmen Sie sich jetzt Zeit für die Durchführung einer Umweltprüfung nach EU-Umweltrecht! Haben Sie Geduld bezüglich der Ergebnisse der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung und der Klage gegen die B474n! Zeigen Sie Skeptikern wie mir wenigstens, dass Sie an den Pro-Argumenten für newPark arbeiten! – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bayer. – Für die Landesregierung spricht der Wirtschaftsminister, Herr Duin.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will ich den Antragstellern, die diese Aktuelle Stunde beantragt haben, danksagen, weil sie die Möglichkeit gibt, das Thema im Zusammenhang zu erläutern und in der Region vorhandene Gerüchte und Berichterstattungen einzuordnen.

Zu Beginn will ich eines deutlich machen: Diese Landesregierung tut alles für neue Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen – erst recht in der Emscher-Lippe-Region.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das ist ein Gerücht!)

Wenn ich nur einen Termin in dieser Woche parallel zum Plenum herausgreife, an dem ich mit Landrat Süberkrüb, Oberbürgermeister Baranowski, Oberbürgermeister Tischler und anderen zusammengesessen habe, um darüber zu reden, welche auch über newPark hinausgehenden Initiativen wir für die Emscher-Lippe-Region in den kommenden Jahren ergreifen können, dann ist das täglich gelebte Arbeit, dafür zu sorgen, dass dort neue Arbeitsplätze entstehen, damit in dieser so schwierigen Region des Landes eine Perspektive erwächst.

Das schließt an das an, was gestern in der Debatte eine große Rolle gespielt hat und nicht zuletzt durch Ihren Fraktionsvorsitzenden Herrn Lindner zum Ausdruck gebracht worden ist: nicht in Depressionen zu verfallen und vorhandene Depressionen nicht zu verstärken, sondern mit ein bisschen mehr Optimismus an die Dinge heranzugehen.

Wir sollten auch eines nicht tun – das will ich für die Landesregierung noch einmal betonen –: die Sorgen der Opelaner in einer Region des Ruhrgebiets gegen die Hoffnungen in anderen Regionen ausspielen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Landesregierung hat aber Verantwortung für das ganze Land und gegenüber jedem Steuerzahler/jeder Steuerzahlerin in Nordrhein-Westfalen. Bevor die Landesregierung eine Bürgschaft über zunächst 17,5 Millionen € übernimmt, muss sie die Risiken für die Realisierung dieses Projekts bewerten.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich nenne jetzt sechs Punkte, die zum Teil in der Debatte schon eine Rolle gespielt haben, um das noch einmal zu verdeutlichen.

Erstens. Es gibt noch keine Straße zur Anbindung von newPark. Das OVG Münster hat noch nicht entschieden. Erst Mitte Januar findet ein Verhandlungstermin statt.

Zweitens. Wir müssen klären, ob das Maß an Schadstoffen in der Region schon voll ist. Es gibt in der Region noch die Kraftwerkstandorte Herne STEAG, Lünen Trianel, Datteln E.ON und das FFH-Gebiet Lippe-Aue in unmittelbarer Nähe zu dem Areal. Nach dem Urteil des OVG Münster – Herr Kollege Schmeltzer hat das vorhin schon einmal erläutert – zu Trianel muss geprüft werden, welche Emissionen für den Industriestandort newPark am Ende noch zur Verfügung stehen.

Drittens. Es gibt noch keine Bauleitplanung für die newPark-Fläche. Ich finde, die Ideen, die dazu geäußert worden sind, wie wir künftig mit solchen Dingen umgehen, völlig in Ordnung und nachdenkenswert, aber aktuell gibt es keine Bauleitplanung für die newPark-Fläche. Wir wissen schon jetzt, dass diese Bauleitplanung, wenn wir sie haben werden, beklagt werden wird, und dieses Verfahren wird nicht innerhalb eines Jahres umgesetzt werden.

Viertens. Die Förderperiode 2007 bis 2013 läuft aus und sie zu erreichen ist angesichts des zeitintensiven Verwaltungsverfahrens nicht mehr realistisch. Der aktuelle Entwurf für die nächste Förderperiode hat andere Schwerpunkte, insbesondere die Flächensanierung. Damit haben wir es in diesem Fall ganz offensichtlich nicht zu tun. Die beteiligten Kommunen – davon haben Sie selbst gesprochen –, alle im Nothaushaltsrecht, und das Land Nordrhein-Westfalen können Ausfälle natürlich nicht tragen.

Fünftens. Die beteiligten Kommunen müssen die Eigenanteile des Projekts stemmen, und die unter anderem – da bin ich wieder bei dem Thema „Bauleitplanung“ – auch selbst finanzieren. Wir reden hier für die Stadt Datteln über eine finanzielle Herausforderung von nicht ganz 1 Million €, aber von rund 900.000 €. Die Frage: Ist das für alle Gesellschafter, für alle Beteiligten dieses Projekts leistbar?

Sechstens. Der Regionalplan hat festgelegt, dass newPark ein Unternehmen zur Erstansiedlung mit einem Flächenbedarf von 10 ha benötigt, damit es nicht zu Verlagerungen aus dem Umland kommen kann, die kleinflächiger sind.

Diese Punkte – das sind noch nicht einmal alle – sind nicht abschließend geklärt. Damit sind die Voraussetzungen, um, wie es in dem Antrag zur Aktuellen Stunde heißt, grünes Licht zu geben, nicht gegeben.

Natürlich – wir wissen das – gibt es Angebote von Landwirten, nach einem Scheitern des Projekts die Flächen zu erwerben. Aber unser erstes Ziel bleibt es, die Realisierungschancen des Projekts zu bewerten und nicht die Schadensminderung nach einem Scheitern in den Mittelpunkt unserer Überlegungen zu stellen. Wir können nicht in die Rolle kommen zu überlegen, welcher Landwirt wohl wie viel Euro für welchen Quadratmeter am Ende bereit ist zu zahlen, um hier zu einer Entscheidung zu gelangen. Das ist nicht der Maßstab, über den wir reden.

Deswegen lassen wir uns auch nicht unter Druck setzen. Wir werden nach Abschluss unserer Prüfung eine Entscheidung treffen. Die Voraussetzungen, um grünes Licht zu geben, sind in der jetzigen Situation jedenfalls nicht gegeben. Deswegen sind mit dem Grundstückseigentümer Gespräche geführt worden. Ich hoffe, dass wir noch in der nächsten Woche eine entsprechende Entscheidung des Unternehmens erhalten, damit die Ankaufoption noch einmal verlängert wird. Dann haben wir die notwendige Zeit gewonnen.

Alle Punkte – das will ich zum Abschluss noch einmal deutlich machen –, die ich heute hier genannt habe, die in der Debatte eine Rolle gespielt haben, sind nicht nur von meinem Haus, sondern auch von mir persönlich mehrfach mit der Entwicklungsgesellschaft besprochen worden, ob mit Herrn Bussfeld, Frau Dr. Bergmann, Herrn Süberkrüb oder Herrn Mager aus Dortmund und anderen. Wir sind in einem ganz intensiven Dialog, um genau diese Punkte abzuarbeiten.

Gerade die FDP ist es doch, der es so wichtig ist, dass auch bei Bürgschaften mit allergrößter Vorsicht – nehmen Sie nur einmal die Debatte gestern und worüber wir da gesprochen haben – mit Steuergeldern umzugehen ist. In Kenntnis all dieser offenen Fragen und dieser Probleme, die wir mit diesem Projekt newPark haben, jetzt ein Ja auszusprechen, wäre nicht verantwortungsvoll gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie wären die Ersten, die es mir zum Vorwurf machen würden, wenn ich eine solche Entscheidung vor dem Hintergrund der gerade beschriebenen Entwicklung getroffen hätte. Deswegen muss für die Landesregierung im Mittelpunkt stehen: solides Abarbeiten der genannten Punkte und alles dafür tun, dass die Menschen gerade in der Emscher-Lippe-Region – wie ich es zu Beginn gesagt habe – eine gute Perspektive auf neue Arbeitsplätze haben. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Frau Scharrenbach.

Ina Scharrenbach (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch große Industrieprojekte müssen in NRW weiter möglich sein. Daher soll unter anderem die Fläche Datteln/Waltrop nach dem Entwurf des Landesentwicklungsplans als Standort für flächenintensive Großvorhaben gesichert werden.

Damit derartige Flächen für flächenintensive Großvorhaben gesichert werden, muss ihre Inanspruchnahme allerdings an strikte Voraussetzungen geknüpft werden.

„Die Landesregierung unterstützt das Projekt durch Flächensicherung“, das waren die Worte der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Rahmen eines Interviews im „Wirtschaftsspiegel“ der IHK Nordwestfalen aus dem November 2011. Herr Schmeltzer hat ebenfalls zitiert.

In der Tat: Es waren damals kraftvolle Worte. Aber wo ist die Kraft für dieses Projekt geblieben?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: In Berlin! Im Bundesrat!)

Wenn ich mir Ihre Redebeiträge hier so anhöre – auch zuletzt Herrn Minister Duin –, dann, glaube ich, kann man die in einem einfachen Satz zusammenfassen: Sie haben sich von diesem Projekt innerlich schon längst verabschiedet.

(Beifall von der CDU)

Ende 2011 wurde die Kaufoption für die 550 ha großen Flächen bis zum 31. März 2012 verlängert. Die erforderliche Bürgschaft des Landes wurde in dieser Zeit nicht zur Verfügung gestellt. Insofern können wir es auch nicht so darstellen lassen, als kämen diese Bürgschaft und das Auslaufen der Frist so plötzlich. Wir sprechen in dieser Region schon sehr lange über diese erforderliche 100%ige Landesbürgschaft, damit die kommunalen Gesellschafter diesen Park realisieren können. Danach wurde die Kaufoption bis zum 31. Dezember dieses Jahres verlängert. Aber auch jetzt liegt die erforderliche Landesbürgschaft nicht vor. Und wir haben vernommen, dass Sie die dieses Jahr auch nicht mehr erteilen werden.

Am 23. November dieses Jahres kamen die Vertreter des Aufsichtsrates und die Gesellschafter zusammen. Auf der Tagesordnung stand wie bereits ein Jahr zuvor, im November 2011, die Beschlussfassung über den Erwerb der newPark-Flächen.

Am 2. Oktober hat die rot-grüne Landesregierung den Zwischenbericht der Prognos AG erhalten. Nach Darstellung der Aufsichtsräte und Gesellschafter wurde damals vereinbart, dass die Entscheidung über die Landesbürgschaft bis zum 8. November dieses Jahres fällt.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Und seitdem? – Warum vereinbaren Sie mit den Vertretern der Aufsichtsräte und Gesellschafter einen Zeitpunkt, für den Sie zusagen, über die Landesbürgschaft zu entscheiden, und die Entscheidung fällt nicht?

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie benennen hier ein rechtliches Kriterium nach dem anderen. Insofern müssen Sie sich schon fragen lassen, warum Sie die Zeit nicht genutzt haben, diese rechtlichen Kriterien insoweit hinreichend zu prüfen.

Wenn Sie verweisen auf die Klage zur Realisierung des Planfeststellungsverfahrens zur Bundesstraße 474n: Auch da gibt es juristische Möglichkeiten, Kaufverträge so auszugestalten, dass sie an Bedingungen im Zusammenhang mit dem Verfahrensausgang geknüpft werden. Dann hätten Sie im Zusammenhang mit der Landesbürgschaft die Förderbedingungen für die Städte und Gemeinden gesichert.

Das, was Sie jetzt tun, ist dem Grunde nach etwas perfide. Sie sagen: Wir müssen jetzt mal die Finanzrisiken in diesem Projekt abprüfen. – Sie haben doch den Zwischenbericht der Prognos bekommen. Sie kennen doch die Meinungen der Aufsichtsräte und Gesellschafter zur Realisierung dieses Projektes.

(Beifall von der CDU)

Wenn sich im nächsten Jahr – worauf Sie hingewiesen haben – die Förderbedingungen ändern, dann lassen Sie die Städte und Gemeinden mit dem Erwerb und der Finanzierung der 17,5 Millionen € über das Darlehen allein.

Herr Hovenjürgen hat darauf hingewiesen, dass sich etliche Städte und Gemeinden, die Gesellschafter der GmbH sind, im Stärkungspakt befinden. Diese Gemeinden können diese Finanzierung nicht mal eben vornehmen, weil dann die Restriktionen des Stärkungspaktgesetzes greifen würden.

So funktioniert es nicht. Deshalb ist das, was Sie hier tun, perfide.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Der Konflikt zwischen SPD und Grünen, der anscheinend in erheblichem Maße dazu beiträgt, dass die Landesregierung die dringend erforderliche Landesbürgschaft nicht gibt, wird damit auf dem Rücken der Menschen und Städte in unserer Region ausgetragen.

Ich will Ihnen das einmal konkret machen. Wir haben in der Metropole Ruhr eine Arbeitslosenquote von 10,8 %. Die Agentur für Arbeit attestiert dem Ruhrgebiet, dass es die ungünstigste Arbeitsmarktsituation in ganz Nordrhein-Westfalen hat. Insgesamt sind 251.411 Menschen ohne Beschäftigung – 251.411 Menschen und ihre Familien, die nicht die Möglichkeit haben, über Arbeit ihren Standard, ihr Leben zu sichern.

Wenn Sie, Herr Schmeltzer, sagen, die SPD stehe hinter newPark

(Thomas Eiskirch [SPD]: Das hat der Minister auch gesagt!)

– der Minister auch –, dann kann ich dazu nur sagen: Sprich Brutus, was willst du mit dem Messer? – Ich glaube, es ist hier sehr deutlich geworden, dass Sie dieses Projekt eben nicht unterstützen und dass diese Worte dem Grunde nach leer sind, weil Sie sie nicht füllen.

(Beifall von der CDU)

Die Städte und Gemeinden im Ruhrgebiet, die in dieser GmbH zusammengekommen sind, haben deutlich gemacht, dass man interkommunal zusammenarbeiten will und dass man sich vereinbart hat. Es wurden neue Wege gefunden. Insofern ist es wichtig, dass diese interkommunale Zusammenarbeit auch eine Zukunft bekommt.

Ihnen ist von Prognos mitgeteilt worden, dass im besten Fall bis zu 9.000 Arbeitsplätze auf diesen Flächen entstehen können. Weitere 2.000 Arbeitsplätze im regionalen Handwerk hängen daran. Das sind die Zukunftsperspektiven, die die Städte und Gemeinden für unser Ruhrgebiet aufgerufen haben. Die dürfen Sie hier nicht kaputt machen, indem Sie die Landesbürgschaft zeitlich nach hinten schieben und sich damit aus diesem Projekt zurückziehen.

Wir haben allein in der Emscher-Lippe-Region durch den Rückzug der Montanindustrie über 70.000 Industriearbeitsplätze verloren. Es ist eben nicht gelungen, diesen Strukturwandel in der Emscher-Lippe-Region zu meistern – auch, weil die Emscher-Lippe-Region nicht in dem Maße die Unterstützung bekommen hat wie die Hellweg-Region, auch nicht durch diese Landesregierung.

Wenn Sie hier auf verfügbare Industrieflächen verweisen, dann sage ich: Das ist zum einen richtig. Zum anderen müssen Sie dann aber auch sagen: Da, wo früher Industrie war, kann heute Industrie nicht mehr sein vor dem Hintergrund zunehmender umweltgesetzlicher Auflagen, die es letztendlich nicht möglich machen, diese Brachflächen in erforderlichem Maße zu erschließen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Deshalb müssen wir in der Tat, Frau Schneckenburger, darüber diskutieren, wie wir das in Zukunft mit der Flächenpolitik, mit der Brachpolitik, mit der Aufbereitung von Brachflächen in Nordrhein-Westfalen regeln.

Wir haben im Ruhrgebiet – das hat Herr Hovenjürgen ausgeführt – die ungünstigsten sozialen Bedingungen. Wir haben die höchsten Kassenkredite, wir haben die höchste Verschuldung. Wir kommen in die Situation, dass wir dort, wo wir die ungünstigsten sozialen Bedingungen haben, perspektivisch die höchsten Steuern haben. Und Sie drehen mit an dieser Abwärtsspirale. Dieses Verhalten können wir als CDU nicht mittragen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was haben wir für eine Alternative?)

– Geben Sie die Landesbürgschaft! Machen Sie den Weg frei für die Kommunen, für den Ankauf und für die Förderbedingungen! Dann können wir das Projekt entwickeln!

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Lächerlich!)

Sie haben heute – entgegen unserer Hoffnung – keine Aussage darüber getroffen, wann die Landesbürgschaft gegeben wird. Insofern können wir als CDU-Landtagsfraktion Ihnen attestieren: Das ist heute ein schlechter Tag für das Ruhrgebiet und für die Menschen im Ruhrgebiet. Und Sie haben sich eigentlich endgültig vom Industrieland Nordrhein-Westfalen verabschiedet. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Scharrenbach. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Eiskirch.

Thomas Eiskirch*) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was mich wirklich ärgert? Immer dann – das war gestern Morgen in der Aktuellen Stunde schon genauso –, wenn wir aus diesem Haus eigentlich ein breites, ein eindeutiges Signal der Solidarität und des Einstehens für bestimmte Regionen oder Standorte bräuchten nach dem Motto „Der Landtag steht geschlossen zu einem Thema“, dann versuchen Sie – das werfe ich jetzt nicht der FDP vor, sondern beiden Rednern der CDU –, diese Themen zu nutzen, um parteipolitisches Kalkül zum Ausdruck zu bringen und Dinge gegeneinander auszuspielen. Ich finde das nach wie vor unwürdig und schäbig, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Da sind auch die Widersprüche zu nennen. Der Kollege Hovenjürgen tut so, als wäre das Ruhrgebiet ein Raum. Die Frau Kollegin Scharrenbach war diesbezüglich differenzierter und hat die Unterschiede zwischen der Emscher-Lippe-Region und der Hellweg-Region deutlich gemacht. Sie vergessen dabei allerdings, dass es Ihre Wirtschaftsministerin war, die gesagt hat: Der Strukturwandel ist beendet.

Das hat sie in Presseerklärungen wortwörtlich geäußert. Frau Thoben hat den Strukturwandel damals für beendet erklärt. – Nein, das ist er nicht, und deswegen ist es richtig, sich diese Problemsituation differenziert anzuschauen und mit Lösungen aufzuwarten. Das ist die Verantwortung dieser Landesregierung und unser aller Verantwortung, und dieser sollten wir uns gemeinsam stellen – und nicht gegeneinander.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann ist es natürlich auch ein Stück weit Autosuggestion, hier so zu tun, als hätte es in dem Prozess keine Veränderungen gegeben.

Noch einmal zu Ihnen, Frau Scharrenbach: Wenn Sie davon reden, wie die Abläufe waren – der Minister hat das auch noch einmal sehr deutlich gemacht –, dann kann man doch nicht einfach unterschlagen, dass vor etwas über einem Jahr, am 1. Dezember 2011, das Urteil zum Kraftwerk der Trianel in Lünen ergangen ist. Das kann man doch nicht unterschlagen. Natürlich ergeben sich daraus neue Interdependenzen, die man zu berücksichtigen hat.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Das muss ich Ihnen eigentlich auch nicht erzählen. Schließlich ist es Ihre Nachbargemeinde. Sie werden hoffentlich wissen, dass vorgestern der Erörterungstermin zur Neuplanung beendet wurde. Das heißt, dieser muss jetzt ausgewertet werden. Wir sind also auf einem Weg, auf dem diese Dinge wieder zueinander finden und ineinander fließen müssen. Insofern ist es doch mehr als seriös, sich der Situation zu stellen und zu gucken, was die Dinge sind, die etwas erlauben, und was Dinge sind, die etwas infrage stellen können, weswegen man sich damit beschäftigen und nach Lösungen suchen muss.

Insofern finde ich es schlicht und ergreifend nicht fair, dass Sie es hier so darstellen, zumal sowohl der Minister als auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD als auch, wenn ich es vorhin richtig mitbekommen habe, die Kollegin Schneckenburger von den Grünen deutlich gemacht haben, dass wir natürlich zu dem stehen, was gesagt worden ist. Im Gegensatz zu Ihnen erkennen wir allerdings auch, welche Veränderungen es gab, auf die man sich nun einstellen muss.

Es gibt noch mehr dieser Veränderungen. Wir müssen festhalten, dass bei diesem Thema wie auch bei anderen Themen – irgendwie scheinen Sie das zumindest für die Emscher-Lippe-Region flächendeckend zu Ihrem Kredo zu machen – Bekenntnisse nicht Sachverstand und Sachverhalte ersetzen können, Kolleginnen und Kollegen. Das ist nicht mehr zu ertragen.

Egal, ob es bei Datteln 4 oder bei Trianel in Lünen ist: Überall dort, wo Urteile gefällt worden sind, die veränderte Grundsituationen ergeben, glauben Sie, dies durch Bekenntnispolitik zu verändern. Das ist nicht richtig. Darauf muss man ein bisschen mehr Hirnschmalz verwenden, sich in den Sachverhalt einarbeiten und nach Lösungen suchen – so, wie wir es nun bei Datteln 4 sehr kleinteilig machen müssen, weil Sie es damals in Ihrer Verantwortung vor die Wand gefahren haben! So und nicht anders war das.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Kollege Hovenjürgen, Sie sprechen davon, wie das aussieht, und bringen zwischenparteilich starke Worte. Ich kann eines immer nur betonen: Das Wichtigste bei Projekten ist, dass sie vor Ort getragen werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen vortragen, was heute in der „WAZ“ von Ihrem stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden im Rat der Stadt Datteln, Herrn Sonderkamp, zu lesen war: „Ich habe den Glauben an die Realisierung verloren“, sagte er und äußerte sich kritisch über Argumente, die immer wieder für dieses Gebiet herangezogen würden.

Dazu kann ich nur sagen: Arbeiten Sie nicht hier daran, diejenigen zu überzeugen, die eh an der Seite derer stehen, die für die Realisierung eintreten. Arbeiten Sie vielmehr daran, dass wenigstens die CDU vor Ort geschlossen hinter dem Projekt steht! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Eiskirch. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Witzel das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier in dieser Woche intensiv über die Krise bei Opel gesprochen. Diese Debatte für den Standort Bochum zeigt uns eines: Wir brauchen Industriearbeitsplätze im Ruhrgebiet.

Deutschland ist wegen eines starken industriellen Kerns gut durch die Finanzkrise gekommen. Den müssen wir erhalten und weiter ausbauen.

(Beifall von der FDP)

Die Ansiedlung von neuer Industrie verbindet gerade bei dem hier in Rede stehenden Projekt Umweltschutz und Arbeitsplätze. Es ist deshalb ein wichtiger Beitrag zum Strukturwandel im Ruhrgebiet. Trotzdem wird newPark dort vor Ort und auch hier mit all der Skepsis im Haus ständig von den Grünen blockiert. Deshalb sagen wir Ihnen: Sie sollten an Ihrer landespolitischen Schwerpunktsetzung etwas ändern. Investieren Sie etwas weniger Energie in das Biotop des Nationalparks Lippe und etwas mehr in Industriearbeitsplätze eines newPark Emscher-Lippe, meine Damen und Herren!

(Beifall von der FDP)

Hätten Sie dem newPark in Ihrer Regierungszeit nur halb so viel Aufmerksamkeit wie dem Nationalpark gewidmet, dann wären wir hier erheblich weiter.

Die vom Wirtschaftsministerium geforderte ergebnisoffene Kosten-Nutzen-Analyse von Prognos geht in ihrem Zwischenbericht davon aus, dass das regionale Beschäftigungspotenzial knapp 9.500 Arbeitsplätze betrage. Die kumulierte Bruttowertschöpfung summiere sich demnach bis zum Jahr 2039 auf immerhin 12,3 Milliarden €. Aktuell sind laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit 250.000 Menschen im Ruhrgebiet arbeitslos gemeldet. Allein im Kreis Recklinghausen sind es rund 33.500. Und dieses Potenzial wollen insbesondere die Grünen bereitwillig verschenken, indem sie Umweltschutz und Arbeitsplätze einmal mehr ideologisch gegeneinander ausspielen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Mario Krüger [GRÜNE]: Die Ideologen sind doch Sie!)

Das newPark-Konzept ist außerhalb NRWs bislang ein voller Erfolg. Es wurde bereits in Erfurt umgesetzt. Dort sind seitdem mehrere Tausend Arbeitsplätze geschaffen worden.

Die unterschiedlichen Meinungen in Ihrer Koalition werden ja offenbar. Denken Sie an den gerade erst publizierten Brandbrief an Frau Ministerpräsidentin Kraft von den Oberbürgermeistern Ullrich Sierau, SPD, Dortmund, Frank Baranowski, SPD, Gelsenkirchen, Bernd Tischler, SPD, Bottrop, sowie des Landrats des Kreises Recklinghausen Cay Süberkrüb, SPD, gemeinsam mit dem DGB Emscher-Lippe und der Vestischen Gruppe der IHK zu Münster. Was sagen Sie all diesen Akteuren? Das sind doch keine Gegner der Landesregierung, es sind Ihre Parteifreunde, die Ihnen sagen: Sie müssen hier einmal voranmachen!

(Beifall von der FDP)

Sie nehmen da eine Verzögerungshaltung ein. Herr Wirtschaftsminister, Sie waren gerade so ehrlich einzuräumen, dass dann, wenn wir in den nächsten Tagen nicht schnell zu Entscheidungen kommen, für die neue Förderperiode EFRE – 2013 und danach – große Risiken bestehen. Sie selber haben hier ganz offen eingeräumt, dass es Fragezeichen gibt, ob bei neuen Förderschwerpunkten überhaupt noch die Unterstützung zu generieren ist, die wir heute noch haben könnten. Deshalb tickt natürlich hier die Uhr. Sie müssen schnell handeln.

Eines geht nämlich nicht: dass wir unter Vorschub bestimmter Argumente aus Sicht der Regierung ein paar Wochen Zeit gewinnen, um dann mit Krokodilstränen Anfang nächsten Jahres oder im Frühjahr 2013 hier zu sagen: Wir hätten das alles gerne gemacht, aber die Fördervoraussetzungen stimmen jetzt nicht mehr. Jetzt trägt es sich wirtschaftlich nicht mehr. Tut uns wahnsinnig leid. Wir hätten es doch so gerne gehabt! – Das wäre kein ehrlicher Umgang mit dieser Problematik.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deshalb haben auch wir ganz ehrlich gesagt – mein Kollege Ellerbrock hat bereits darauf hingewiesen –: Selbstverständlich gibt es noch einzelne planerische Fragen zu klären und sind noch Schritte zur Realisierung von newPark zu unternehmen. Das bestreitet niemand. Entscheidend ist, dass es jetzt ein Signal der Planungssicherheit dafür gibt, dass Sie die Bürgschaft erteilen wollen. Man kann Grundstücksankäufe auch unter Prämissen tätigen, dass bestimmte Eigenschaften wie Anbindung und Erreichbarkeit von Liegenschaften gegeben sind. Aber entscheidend ist, dass dieses Zeichen von Ihrer Seite kommt, dieses Signal für das Ruhrgebiet und die Emscher-Lippe-Region.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Was Sie von den Grünen wirklich wollen, wird nicht offenbar, wenn man sich die aktuellen Interviews von Herrn Priggen anschaut, zum Beispiel in der „Recklinghäuser Zeitung“. Dort sagen Sie ja mehr oder weniger: Wir haben doch jetzt neue Möglichkeiten durch die Entwicklung bei Opel. – Vielmehr muss man einmal in alte Protokollunterlagen dieses Hauses aus der 14. Legislaturperiode schauen. Damals haben wir die Debatten auch schon geführt. Sie haben sich dort auch eingelassen. Wenn man in bisherige Debatten hineinschaut, wird offenbar, dass Sie seit Jahren die Skepsis, den Zweifel nähren, weil Sie in Wahrheit nicht wollen, dass newPark hier entsteht. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Wir stehen zu newPark, wollen es auf den Weg bringen und erwarten von der Landesregierung, die Leitentscheidung so zu treffen, dass dieses Projekt auch gelingt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Kollege Priggen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Der muss jetzt alles wieder richtigstellen!)

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Witzel, dieses dröhnende Verlangen nach Bekenntnissen oder Signalen der Planungssicherheit nützt überhaupt nichts. Wir beide sind gleich lange im Landtag. Ich habe gelernt, dass Landesplanung eine Königsdisziplin dessen ist, was man überhaupt an planerischen Tätigkeiten machen kann. Sie können Bekenntnisse abgeben, aber damit kommen Sie an dieser Stelle nicht weiter. Sie müssen sauber und sorgfältig planen und zur Kenntnis nehmen, dass Sie sonst immer wieder vom Oberverwaltungsgericht, vom Europäischen Gerichtshof genau in diesem Prozess korrigiert werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will es Ihnen noch einmal erklären, weil Sie offensichtlich immer mal Gedächtnislücken haben. Sie haben in der Zeit von 2005 bis 2010 hier regiert. Sie waren in der Zeit für die Planungsentscheidungen in diesem Bereich zuständig. Das ist eine Region, bei der wir über jeden Arbeitsplatz froh sind, bei der es aber gewisse hohe Vorbelastungen gibt und bei der Sie vier Projekte zugelassen und angestoßen haben, und zwar alle parallel und ohne abzuwägen.

Das ist auf der einen Seite das E.ON-Kraftwerk in Datteln. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat den Bebauungsplan in Grund und Boden zerfetzt, und Sie haben ein landesplanerisches Desaster angerichtet. Nicht wir haben es gemacht, sondern Sie haben es falsch eingestielt.

(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Sie wollen es gar nicht!)

Etwa zur gleichen Zeit, ein bisschen früher, ist die Kraftwerksplanung der Steag in Herne eingeleitet worden. Lünen ist seinerzeit auch eingeleitet worden. Auch bei Lünen haben Ihnen die Gerichte – deswegen gibt es noch einmal den Erörterungstermin – im Prinzip Ihre Planungsleistung zerschlagen. Und dann packen Sie obendrauf noch Waltrop.

Jetzt gibt es – das ist vom Kollegen Schmeltzer schon richtig gesagt worden – ein Gerichtsurteil vom 1. Dezember 2011: das Trianel-Urteil des OVG Münster zu Lünen. Das ist keine grüne Einrichtung, sondern das Oberverwaltungsgericht, das für Landesplanung zuständig ist. Dieses hat davon gesprochen, dass es eine Summationswirkung in der Region gibt. In einer Region gibt es ein bestimmtes zulässiges Maß an Belastungen. Wenn das Maß überschritten ist, geht da nichts Neues mehr. Dann hat das Gericht eine Prioritätenabfolge genannt: Die Planungen, die zuerst beantragt werden, haben ein Vorrecht. In dieser Reihenfolge der Planungen gibt es vor Lünen und vor newPark nämlich Herne von der Steag und Datteln von E.ON. Dann kommt Lünen, und nach drei Kraftwerken kommt newPark.

Wenn Sie Zeitung lesen – das sind im Übrigen keine Pressemitteilungen der Grünen –, sollten Sie ganz sorgfältig feststellen können, dass die Trianel, um Lünen möglich zu machen, mit Steag einen Vertrag geschlossen hat. Sie hat für den Betrieb des Kraftwerks in Lünen die finnische Fortum herausgenommen und nimmt an der Stelle die Betriebsmannschaft der Steag. Dafür reduziert die Steag ihr Emissionspotenzial in Herne, sodass man insgesamt hofft, in der Summationswirkung Lünen gängig zu machen. Das ist das, was die Firmen machen, weil sie genau wissen, dass das Maß voll ist, und auch wissen, dass das OVG da wieder drüberschaut. Das alles ignorieren Sie und wollen es nicht wahrhaben.

Da sage ich Ihnen als grüner Spießer: Es gehört auch dazu, dass man die Rechtsstaatlichkeit, die Planungssicherheit, die Planungsprozesse sorgfältig einbezieht. Der Kollege Ellerbrock kennt das alles; deswegen hat er an der Stelle auch ganz zurückhaltend auf Ihren Dröhnbeitrag reagiert. Es nützt nämlich nichts: Wenn man nicht sauber und sorgfältig arbeitet, hat es keinen Zweck, hinterher herumzudröhnen und Bekenntnisse zu fordern. Es rächt sich nämlich, wenn man nicht ordentlich arbeitet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das haben Sie aber an der Stelle gemacht. Um das ganz klar zu sagen: Man kann über Projekte streitiger Auffassung sein, aber es hilft niemandem, wenn man Leute durch schludrige Planungsarbeit vor die Gerichte jagt. Es hilft nicht den Investoren, die wissen wollen, ob sie handeln können, und das auch möglichst schnell, sonst kostet es unnötig Geld und Zeit. Es hilft nicht den Bürgern, die man damit auf die Bäume jagt. Es hilft auch nicht der lokalen Politik.

Da haben Sie einen Fehler nach dem anderen gemacht. Alle Projekte, über die ich geredet habe und die damit zusammenhängen, liegen in Ihrer Regierungszeit. Das ganze Desaster haben Sie zu verantworten und nicht diejenigen, die mit den Konsequenzen leben müssen. Zu dieser Verantwortung sollten Sie auch einmal stehen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Piratenfraktion erteile ich das Wort Herrn Kollegen Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute von einem Industriepark in einem Naturschutzgebiet. Was ist denn das? Eigentlich ein schreiender Widerspruch. Industriestandorte werden nicht dadurch umweltfreundlich, dass wir sie in einem Naturschutzgebiet ansiedeln. Das ist kein Green New Deal mit Zukunftsarbeitsplätzen, der hier geplant ist.

Herr Ellerbrock von der FDP hat in seinem Eingangsbeitrag zur Aktuellen Stunde einen Zusammenhang zum Schwarzbau in Datteln hergestellt. Er sagte, es sei sinnvoll, Industriegebiete dort zu bauen und zu erschließen, wo es bereits Kraftwerke gibt. Ich weiß nicht, was das Kraftwerk Datteln, das wahrscheinlich sowieso nicht in Betrieb gehen wird, damit zu tun hat. Das Kraftwerk Datteln ist dafür gebaut, um Eisenbahnstrom mit 16 2/3 Hertz herzustellen. Das können Sie in einem Industriegebiet gar nicht verwenden. Da braucht man 50 Hertz. Damit werden Sie dort nicht einmal Plastikweihnachtsbäumchen herstellen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Es geht also um ein Naturschutzgebiet, das zu einer Industriefläche werden soll und das Flora-Fauna-Habitat Lippeauen mit beeinflusst. Es sollte allgemein bekannt sein, dass in FFH-Gebieten wild lebende Arten und deren Lebensräume geschützt und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume auch gesichert werden soll. Das besagt die Naturschutzrichtlinie der Europäischen Union, und das ist geltendes Recht.

Diese Rieselfelder, um die es hier geht, sind naturschutzfachlich wertvolle, große Flächen. Teilweise reichen sie eben bis in die Lippeauen, die FFH-Gebiet sind. Sie haben auch eine wichtige Klimafunktion für den Ballungsraum im Ruhrgebiet, weil sie eine Kaltluftschneise sind, die an heißen Sommertagen Kaltluft in das Ruhrgebiet bringen – eine immer wichtiger werdende Funktion im Zuge des Klimawandels. Das gehört mit zur Klimaanpassungsstrategie, die wir brauchen.

Es sind auch wichtige Überschwemmungsgebiete, die bei Extremniederschlägen Hochwasserwellen abpuffern können. Und es gibt einen europaweiten Rückgang der Wiesenvögel, der Vögel der offenen Fluren, die genau in diesen Gebieten ihre Habitate haben und die unbedingt geschützt werden müssen.

Ein so wertvolles und schützenswertes Gebiet zu zerstören, dafür kann man sich kaum einen triftigen Grund vorstellen. Wir kennen auch keinen. Der Presse war zu entnehmen, dass auf eine strategische Umweltprüfung verzichtet wurde. Das ist nicht rechtsstaatlich. Warum wurde darauf verzichtet? Weiß das jemand hier? Eine Realisierung dieses newParks würde eine ökologisch intakte Freifläche zerstören und in eklatanter Weise gegen elementare Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes verstoßen. Und ohne Umweltprüfung verstößt die Planung dann auch noch gegen europäisches Recht. Damit haben wir dann wieder den Zusammenhang zu Datteln – genauso ein Schwarzbau, der gegen Recht und gegen Rechtstaatlichkeit verstößt.

Das heißt, dem Projekt droht bei einer Klage das gleiche Schicksal wie dem E.ON-Schwarzbau in Datteln. Ich hoffe, dass NABU und BUND klagen werden. Wir werden das gegebenenfalls unterstützen. Hier wird ohne Notwendigkeit und ohne Rücksicht auf die Landschaft auf Naturschutzbelange und auf die wichtige Erholungsfunktion in wertvolle Grünbereiche hineingegangen. Unsere Forderung ist hier ganz klar: Wir wollen eine strategische Umweltprüfung.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich komme zur Erschließung des Gebietes. Wer zahlt dafür? Die Kommunen, die Dattelner Bürger? Der Dattelner Rat hat dazu schon diskutiert. Da ging es um Abwasserrohre, die über die Abwassergebühren der Dattelner Bürger finanziert werden müssen. Die Gesamtkosten sind unbekannt, es sind wohl Millionen. Es ist ein teures Vergnügen, so dicke Kanalrohre zu verlegen. Und bei den klammen Haushalten der Kommunen ist das von ihnen kaum zu stemmen.

Es gibt keine offiziellen Angaben zu den Erschließungskosten. Wo ist da die Transparenz? Es gibt sicher gute Gründe, diese Ausgaben zu verschleiern. Das sollen dann nämlich die Bürger für den newPark bezahlen. Warum? Wenn ein Privatmensch ein Grundstück erschließt, um darauf ein Haus zu bauen, darf er seine Erschließungskosten selber tragen. Hier werden diese Rieselfelder ein finanzieller Alptraum für die Bürger. Die Arbeitsplätze und die entsprechenden Steueraufkommen sind nicht garantiert – und wenn, dann kommt überhaupt erst etwas in ferner Zukunft. Und die Landesregierung soll jetzt eine Bürgschaft absegnen. „Wer bürgt, wird gewürgt“, weiß der Volksmund.

(Beifall von den PIRATEN)

Über die verkehrstechnische Anbindung wurde hier schon geredet. Das werde ich jetzt unterlassen.

Ich möchte noch einmal ein Zitat bringen:

„Der Landtag Nordrhein-Westfalen stellt fest, dass das ‚newPark‘-Projekt auf den Rieselfeldern im Bereich der Städte Datteln und Waltrop ökologisch und ökonomisch verfehlt, kommunalhaushaltsrechtlich fragwürdig und in punkto Arbeitsmarktpolitik und EU-Beihilferecht mit einer Vielzahl von rechtlichen und politischen Unwägbarkeiten behaftet ist. Ein Projekt, das in dieser Weise durch Fehlanreize und Mängel geprägt wird, ist nicht dazu geeignet, den Standort NRW zu stärken.“

Das ist aus einem Antrag der Grünen vom 02.03.2010. Ich finde es schade, dass Frau Schneckenburger und auch Herr Priggen auf ihren alten Antrag, der eine vernünftige Position enthielt, hier nicht mehr eingegangen sind. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal der Wirtschaftsminister zu Wort gemeldet, dem ich hiermit das Wort erteile.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine ganz kurze Antwort auf das, was Frau Scharrenbach und Herr Witzel hier gesagt haben. Zum einen wurde hier noch einmal auf ein Datum hingewiesen, den 8. November, an dem eine Entscheidung hätte getroffen werden können. Ich habe gerade noch einmal nachgeguckt. In der Tat hat es am 8. November ein Treffen mit dem Lenkungsausschuss der Projekt- und Entwicklungsgesellschaft mit mir im Ministerium gegeben.

Dann haben Sie beide mehrfach zum Ausdruck gebracht, wir würden dieses Projekt eigentlich nicht mehr wollen. Ich will versuchen, das in zwei Sätzen zusammenzufassen: Wenn diese Landesregierung dieses Projekt nicht mehr wollen würde, dann hätte es am 8. November eine negative Entscheidung über die Vergabe der Bürgschaft gegeben. Es ist alleine dem politischen Willen dieser Landesregierung zu verdanken, dass es die Perspektive newPark weiterhin gibt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Jetzt hat sich auch noch Herr Kollege Hovenjürgen zu Wort gemeldet.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf den geschätzten Kollegen Priggen an dieser Stelle eingehen. Wenn wir den Außenbereich schonen, wenn wir im Außenbereich weniger zugreifen wollen, wenn wir den Landwirten die Flächen durch Kompensation und anderweitige Nutzungen nicht vorenthalten wollen, dann müssen wir bereit sein, im Bereich der Altflächen tätig zu werden.

Zur Wahrheit gehört, dass man die Bereitschaft besitzen muss, über den Abstandserlass und die Landesbauordnung neu zu reden. Man muss die Bereitschaft besitzen zu sagen: Wir müssen über nichtstörendes Gewerbe und die Klassifizierung neu reden, wir müssen über weniger störende Industrie neu reden, damit wir in der Lage sind, Altflächen in Anspruch zu nehmen.

Wenn wir schon diese aufwachsende Belastungssituation erwähnen und die daraus resultierende Problemstellung, die Sie beim newPark sehen, darf man vielleicht darauf hinweisen, was in den über 16 Jahren der newPark-Geschichte für ein Aufwuchs an Ansprüchen entstanden ist. Auch da hat es einen Aufwuchs gegeben. Wir wären vielleicht schon fertig gewesen, wenn wir da schneller gewesen wären. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Wir sind bereit, alle Wege miteinander ernsthaft zu erörtern, die zur Realisierung von Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet führen. Wir müssen dann aber auch die Chancen ergreifen, die wir haben. Wir sehen den newPark als Chance. Wir würden uns freuen, wenn wir gemeinsam an diesem Strang ziehen. Ich widerspreche dem Kollegen Thomas Eiskirch ganz deutlich: Wir ziehen am selben Strang. Wir möchten nur erkennen, dass das alle regierungstragenden Parteien auch tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit schließe ich diese Aktuelle Stunde.

Wir treten ein in den Tagesordnungspunkt

3   NRW braucht eine transparente und flächendeckende Beteiligung bei Frühen Hilfen und Familienhebammen. Belastende Situationen entstehen nicht nur in SGB II-Familien!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1616

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion Frau Kollegin Milz das Wort. Bitte, Frau Kollegin Milz.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Andrea Milz*) (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen in Zukunft noch besser gerecht zu werden, hat die Bundesregierung zu Beginn des Jahres das Bundeskinderschutzgesetz auf den Weg gebracht. Aufbauend auf den beiden Säulen Prävention und Intervention will das Gesetz alle wichtigen Akteure im Kinderschutz stärken.

Ein wichtiger Baustein bei der Umsetzung der Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen seit Juli ist die Förderung des Auf- und Ausbaus von Netzwerken Früher Hilfen. Netzwerkkoordinatoren werden eingesetzt und qualifiziert. Familienhebammen und vergleichbare Berufsgruppen aus dem Gesundheitsbereich werden gefördert, damit sie eine Lotsenfunktion zwischen den Familien und den Netzwerken übernehmen können. Ehrenamtlich Tätige, die Familien im Alltag helfen, werden über Projekte unterstützt.

Dafür stellt der Bund den Ländern Geld zur Verfügung. Das sind im Jahr 2012 30 Millionen €. Ab 2014 werden es dauerhaft 51 Millionen € sein. Die Verteilung der Bundesmittel auf die Länder erfolgt jeweils zu einem Drittel nach dem Königsteiner Schlüssel, der Anzahl der unter Dreijährigen mit SGB-II-Bezug und der Anzahl der unter Dreijährigen insgesamt. Danach erhält Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr rund 6,2 Millionen € und ab 2014 jährlich 10,3 Millionen €. So weit, so gut.

Unser Antrag macht aber schon in seiner Überschrift deutlich, dass die Realisierung in Nordrhein-Westfalen leider nicht so erfolgt, wie wir uns das vorstellen oder wie es vor allem im Interesse von jungen Familien wäre. Vielmehr ist es so, dass innerhalb Nordrhein-Westfalens die Bundesmittel ausschließlich nach der Anzahl der unter Dreijährigen im SGB-II-Bezug verteilt werden. Das führt dazu, dass die Gelder vermehrt nur in die städtischen Ballungsgebiete fließen und der ländliche Raum weitgehend leer ausgeht. Wir finden das absurd, denn oft haben wir gerade in den ländlichen Gemeinden höhere Geburtenzahlen und auch sehr viele junge Familien.

Meine Damen und Herren von der Koalition und von der Landesregierung, wenn ich mich recht erinnere, haben wir in ähnlichen Debatten schon einmal den Zusammenhang dargestellt, als es zum Beispiel um Familienzentren ging. Glauben Sie wirklich, dass schwierige finanzielle oder familiäre Situationen und Lebenslagen gerade kurz vor oder nach einer Geburt nur in bestimmten gesellschaftlichen Schichten vorkommen? Finden Sie dort – im besten Falle nur vorübergehende – Überforderungen? – Nein, die finden Sie überall.

Es hängt sicherlich nicht nur vom SGB-II-Bezug einer Familie ab, wie erfolgreich ein Kind ins Leben startet. Prävention – das sagt schon die Übersetzung des Wortes – setzt eben schon da an, wo noch nichts passiert ist. Von den vielfältigen Unterstützungsangeboten der Frühen Hilfe könnten wirklich alle Familien profitieren. Die Fachleute sind sich darin einig, dass es umso besser ist, je früher diese stattfinden.

Meine Damen und Herren Kollegen von SPD und Grünen, Sie haben sich groß auf die Fahnen geschrieben, dass Sie kein Kind zurücklassen wollen.

(Zustimmung von Andrea Asch [GRÜNE])

Das hören wir hier doch in jeder Plenarwoche. Ich hoffe, damit meinen Sie aber nicht nur die Kinder im SGB-II-Bezug, und alle anderen sind wurscht. Wenn auch der Bund den Ländern keine Vorgaben zur Mittelverteilung machen kann, so fordert die Verwaltungsvereinbarung dennoch eine flächendeckende Beteiligung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Sie beschwören doch, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, immer wieder die Chancengleichheit aller Kinder von Anfang an. Sie haben heute und hier die Gelegenheit, Ihren Worten auch Taten folgen zu lassen.

(Beifall von der CDU)

Beweisen Sie, dass es Ihnen ernst ist, und sorgen Sie dafür, dass die Gelder der Bundesinitiative allen Kommunen und allen dort lebenden Familien zugutekommen. Und dann übernehmen Sie bitte einen gerechteren Verteilungsschlüssel, der auch die Gesamtzahl der unter Dreijährigen berücksichtigt! – Danke.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Hack das Wort.

Ingrid Hack (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher, die Sie am späten Freitagnachmittag noch da sind!

(Zurufe: Spät?)

– Am mittleren. Okay.

Einen richtigen und wichtigen Schritt zur Unterstützung von Eltern und ihren Kindern nennen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, die durch das Bundeskinderschutzgesetz nun zur Verfügung stehenden Mittel. Diese Auffassung teilen wir natürlich uneingeschränkt.

Blicken wir kurz auf die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes zurück, das am 1. Januar dieses Jahres endlich in Kraft treten konnte, so waren es vor allem furchtbare Fälle von Kindesvernachlässigung, die uns alle zutiefst erschütterten. Sie waren der Anlass, in den vergangenen Jahren den Kinderschutz in Deutschland entscheidend zu verbessern. Das heißt auch, Wege zu suchen, die unterschiedlichsten Ursachen für Kindesvernachlässigung, für elterliche Überforderung, für Hochrisikosituationen zu beseitigen oder zumindest nachhaltig zu verringern.

In zahlreichen Kommunen des Landes – aus heutiger Sicht möchte ich behaupten, in allen Kommunen des Landes – wurden unterschiedliche Babybegrüßungsprogramme entwickelt, und das nicht nur, um Neueltern zu zeigen, dass die Kommune sich mit ihnen über ihr Kind freut, sondern auch, um schnellstmöglich Angebote zur Information und, wenn gewünscht, zur Hilfe und Unterstützung anzubieten.

Ebenfalls in vielen Kommunen wurden Netzwerke zahlreicher Akteure geknüpft, die ausgehend von diesen Willkommensbesuchen die Bedarfe von Eltern Neugeborener aufgreifen und Kleinkinder bis zum Kita-Besuch begleiten. Auch hier sind wir glücklicherweise viele Schritte weiter als noch vor Jahren.

Mit den nun zur Verteilung anstehenden Mitteln – Frau Milz hat das natürlich richtig beschrieben, die Summe beträgt in Nordrhein-Westfalen bis Ende 2013 15,2 Millionen € und in den darauf folgenden Jahren jeweils 10,3 Millionen € – sollen diese bereits vorhandenen Strukturen sichergestellt und ausgebaut werden. Auch diese Möglichkeit begrüßen wir natürlich uneingeschränkt.

Der Bund hat in der Mittelverteilung an die Länder auch bereits das Kriterium Anzahl der Kinder unter drei im SGB-II-Bezug, also einen Sozialindex, festgelegt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus unserer Sicht ist das eine komplett richtige Entscheidung. Wir haben uns in diesem Hause schon oft darüber unterhalten, dass die Effizienz der familienpolitischen Leistungen in unserem Land und auch bundesweit sehr häufig gering ist. Das beklagen wir. Dabei ist die Summe insgesamt nicht gering. Der Bund hat aber erkannt, dass das Verteilprinzip Gießkanne eben nicht zur hohen Effizienz beiträgt. Das finden wir gut. Das können wir nicht bei allen Entscheidungen sagen, die aus dem Hause von Frau Schröder bei uns landen.

Das Land Nordrhein-Westfalen verstärkt diesen Faktor für die zielgerichtete Verteilung der Mittel. Dagegen richtet sich ja Ihr Antrag. Das Land vergibt die Summe nach Anzahl der Kinder unter drei im SGB-II-Bezug. Aus unserer Sicht werden wir damit nur dem gerecht, was Konsens ist, Ungleiches ist ungleich zu behandeln, und wo der Bedarf größer ist, gehören mehr Mittel hin.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, beschreiben das in Ihrem Antrag selbst – ich zitiere –: „… die Initiative des Bundesministeriums …, mit der Eltern und ihre Kinder bei Bedarf … Hilfe und Unterstützung erhalten“.

Wir alle wissen aus vielen Erfahrungsberichten: Der Unterstützungsbedarf von Familien erhöht sich mit der Anzahl der Risikofaktoren, die in Familien auftauchen. Die schon angesprochenen unterschiedlichen Ursachen für elterliche Überforderung sind vor allem dann ein Risiko, wenn mehrere gleichzeitig auftreten, wenn zu materieller Armut Krankheit hinzukommt, wenn Suchtproblematik, soziale Isolation, psychische Problemlagen dazukommen, wenn besonders junge Mütter zu Alleinerziehenden werden, ohne jede Aussicht auf Erwerbstätigkeit. Diese Mehrfachbelastungen verursachen die meisten und die schwerwiegendsten Risikolagen für die Kinder in den Familien. Hier müssen gezielt die Netzwerkakteure wirkungsvoll, das heißt gut ausgestattet, agieren können. Hier werden aller Erfahrung nach die Familienhebammen tätig, die oft auch als einzige Zugang zu den Müttern haben, ganz häufig im Gegensatz zum ASD oder zum Jugendamt.

Wir wissen auch, in Familien, in denen durch die materiellen und immateriellen Bedingungen Kindern glücklicherweise ein gedeihliches Aufwachsen gewährt werden kann, bei allen Schwierigkeiten und Neuerungen, die ein Baby mit sich bringt – das will ich überhaupt nicht bestreiten –, sind die Wege zu Informationen und Angeboten selbstverständlicher zu beschreiten, die Energie zur Eigeninitiative und Selbsthilfe ist viel größer. Wir bleiben dabei: zuerst die Jüngsten und zuerst diejenigen, bei denen der Bedarf am größten ist. Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Lassen Sie mich aber einen Punkt ganz persönlich und außerhalb der Meinungsverschiedenheiten, die wir hier auf sachlicher Ebene austragen, sagen: Da es sich um den letzten Plenartag in diesem Jahr handelt, erlaube ich mir mit Genehmigung des Präsidenten, Ihnen allen schon an dieser Stelle noch eine friedvolle Adventszeit zu wünschen, ein frohes Weihnachtsfest – die Christenheit feiert ja die Geburt eines Kindes, weshalb ich mir gedacht hatte, das passt zum Thema – und ein gesundes Neues Jahr. Diese Wünsche wollte ich Ihnen gerne mitgeben. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Frau Kollegin Asch hat jetzt für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich, dass sich in diesem vorliegenden Antrag ein gewisser Konsens – vorweihnachtlich friedlich – zwischen der CDU, der antragstellenden Fraktion, und der rot-grünen Landespolitik abzeichnet. Sie schreiben nämlich in Ihrem Antrag:

„Es gilt der Grundsatz: Wo frühe Hilfen versagen bzw. nicht stattfinden, können später erhebliche Folgen für die Kinder zu beklagen sein.“

Meine Damen und Herren, genau das ist der Kern der präventiven Sozialpolitik der rot-grünen Landesregierung, den wir als Koalition unterstützen. Kein Kind zurücklassen und besser früh fördern, als spät teuer zu intervenieren – das sind genau die Kern­sätze unserer Politik.

Auch der Bund hat dies begriffen. Er hat mit dem Bundeskinderschutzgesetz diesen präventiven Ansatz finanziell unterstützt. Bis es so weit war – die Kollegin Ingrid Hack hat das noch einmal dargestellt – brauchte es einer sehr langen Beratungszeit, und es brauchte vor allen Dingen mehrerer Interventionen durch die rot-grüne Bundesratsmehrheit, bis aus diesem Bundeskinderschutzgesetz dann tatsächlich ein gutes Gesetz geworden ist. Erst durch die Ablehnung im Bundesrat konnte nämlich im Vermittlungsausschuss die finanzielle Unterstützung des Bundes für die Präventionspolitik der Länder erreicht werden.

Fast noch wichtiger ist, dass die Befristung der Finanzierung zum Beispiel von Familienhebammen im Bundesratsverfahren aufgehoben wurde. Familienhebammen sind in der Tat ein wichtiger Baustein innerhalb der Netzwerke der frühen Hilfen. Allerdings ist es nicht richtig, Familienhebammen alleine auf eine Lotsenfunktion zu beschränken, wie Sie das in Ihrem Antrag formuliert haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Familienhebammen machen nämlich viel mehr. Es ist ein eigenständiger Ansatz in der Unterstützung der Familien an der Schnittstelle zwischen Gesundheitsfürsorge und Jugendhilfe. Man sollte sie nicht, wie es die CDU-Fraktion getan hat, auf eine Lotsenfunktion reduzieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir sind froh, dass die Bundesmittel länger laufen als ursprünglich vorgesehen. Denn es kann doch nicht sein, dass bei den Familienhebammen etwas Ähnliches wie jetzt bei den Schulsozialarbeiterinnen passiert. Sie werden ins System eingeführt, sie werden angelernt, und hinterher macht sich der Bund vom Acker, wenn es um die dauerhafte Finanzierung geht. Das kann nicht sein. Wir haben das zum Glück bei den Familienhebammen gelöst. Ich hoffe, dass das bei der Schulsozialarbeit in ähnlicher Form möglich ist.

Es ist genauso der Bund-Länder-Vereinbarung zu verdanken, dass die bürokratischen Hemmnisse, die ursprünglich von Frau Schröder vorgesehen waren, reduziert und abgemildert werden konnten. Ursprünglich sollte eine Mittelverteilung durch eine eigene Bundesbehörde erfolgen. So hatte Frau Schröder das geplant. Aber auch wie später bei den Fiskalpaktmitteln konnte sie sich nicht durchsetzen und hat sich zum Glück den Bundesländern beugen müssen.

Beim Verteilschlüssel – darauf bezieht sich Ihr Antrag maßgeblich – haben sich die Bundesländer – Frau Milz, das wissen Sie – untereinander auf folgenden Kompromiss geeinigt: Es gibt einen Verteilschlüssel pro Kind vom Bund zu den Ländern. Dann kann jedes Land gemäß seiner fachlichen Einschätzung und den Notwendigkeiten vor Ort diese Mittel weiterverteilen.

Diese Regelung, die wir sinnvollerweise in Nordrhein-Westfalen gefunden haben, ist im Einvernehmen mit der Bundesfamilienministerin Schröder getroffen worden. Sie wurde bislang von niemandem kritisiert. Selbst die kommunalen Spitzenverbände – selbst der Landkreistag, der in diesen Fragen besonders kritisch ist; Sie haben moniert, dass die Landkreise benachteiligt werden – haben das nicht kritisiert. Vielmehr müssen wir feststellen: An diesem Punkt ist die CDU-Fraktion mit ihrer Forderung allein zu Haus. So weit zu den Rahmengesetzgebungen und den Voraussetzungen.

Jetzt kommen wir zum eigentlichen inhaltlichen Kern. Es gibt – das können Sie in den sehr zahlreichen und unterschiedlichsten Untersuchungen nachlesen – einen deutlich belegten Zusammenhang zwischen den sozial prekären Lagen von Familien und den HzE-Leistungen, die hinterher von den Kommunen zu bezahlen sind.

Die jüngste Datenanalyse der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik zeigt überdeutlich: In 61 % der HzE-Fälle beziehen Familien im Transfer, also SGB-II-Familien, diese HzE-Leistungen. Das heißt, es gibt einen ganz engen Zusammenhang zwischen einem Hilfebedarf, SGB-II-Bezug und prekären Lagen der Familien.

Das zu ignorieren wie Sie das jetzt tun, ist unfachlich. Wir von Rot-Grün wollen mit unserer Unterstützung für Familien dort ansetzen, wo die Hilfen am meisten gebraucht werden, nämlich bei den Familien im SGB-II-Bezug. Da wollen wir unsere Hilfen konzentrieren.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit ist abgelaufen, Frau Abgeordnete.

Andrea Asch (GRÜNE): Meine Damen und Herren, ich freue mich darauf, das fachlich im Ausschuss diskutieren zu können. Wir haben es vorweihnachtlich-friedlich heute so geregelt, dass es nicht direkt abgestimmt wird, sondern dass wir Möglichkeiten zur Diskussion haben. Dann können wir das inhaltlich noch einmal erörtern.

Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Weihnachtszeit, Zeit, sich zu erholen und etwas Abstand zur Politik zu bekommen sowie einen guten Übergang ins neue Jahr. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Abgeordneter Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Kollegen von der CDU spricht ein wichtiges Thema an: den Umgang der Landesregierung mit Bundesmitteln für die Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen im Zuge des Bundeskinderschutzgesetzes.

Wir sind uns in zwei Dingen einig:

Erstens ist das Anliegen richtig und ein wichtiger Schritt für mehr Kinderschutz und Familienförderung. Wir wollen Familien, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, unterstützen. Die Initiative zur Förderung von Familienhebammen setzt hierbei an und soll den Familien eine Begleitung an die Hand geben.

Zweitens ist es gut, dass der Bund im Zuge des Bundeskinderschutzgesetzes den Ländern für den Ausbau und Unterhalt entsprechender Strukturen eine finanzielle Beteiligung zugesichert hat.

Allerdings scheinen bei der Verteilung der Mittel die Vorstellungen auseinanderzudriften. Während die Bundesregierung und andere Bundesländer der Auffassung sind, dass von diesem Projekt grundsätzlich alle Familien profitieren sollten,

(Beifall von Bernhard Tenhumberg [CDU])

will die Landesregierung den Faktor SGB-II-Bezug übergewichten. Abgesehen von den Mitteln für die Koordinierungsstelle und für Qualifizierungen sollen die NRW zugewiesenen Mittel ausschließlich nach dem Anteil der U3-Kinder mit SGB-II-Bezug verteilt werden.

Damit höhlt Rot-Grün die mit dem Projekt verfolgte Absicht, dass alle Kinder profitieren können, aus. Das ist – da gebe ich den Kollegen von der CDU recht – nicht richtig. Das gilt auch, liebe Frau Asch, unabhängig davon, ob das Konzept vom Bund schon kritisiert wurde oder auch nicht. Sie tragen hier im Land dafür die Verantwortung, dass alle flächendeckend von diesem Projekt partizipieren. Das sollte auch der Anspruch dieser rot-grünen Landesregierung sein.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der Bedarf an Unterstützung mag in Kommunen mit vielen SGB-II-Familien höher sein, aber es gibt sicherlich viele Familien in Nordrhein-Westfalen, die genau diesen Bedarf an Unterstützung haben, ohne dass ein SGB-II-Bezug besteht.

Das sieht die Familienministerin eigentlich auch so. Jedenfalls hat sie das in einer Pressemitteilung vom 21. September so gesagt. Ihre Verteilung liest sich jetzt jedoch anders. Im Grunde genommen heißt es jetzt: ohne SGB-II-Bezug auch kein Bedarf an frühen Hilfen. – Diese Vorgehensweise ist auch uns Liberalen zu einseitig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, mit Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung zu den frühen Hilfen haben Sie sich dazu bekannt, dass alle Kinder und Familien die Möglichkeit haben sollen, an dem Projekt zu partizipieren. So heißt es in der Rahmenvereinbarung:

„Ziel ist eine Stärkung der Frühen Hilfen, die sich an alle Eltern ab der Schwangerschaft und an Eltern mit Kleinkindern wenden, um über Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren und insbesondere Eltern in belasteten Lebenslagen spezifische Hilfen anzubieten.“

Mit Ihrem einseitigen Verteilungsmodus konterkarieren Sie dieses Anliegen ein Stück weit.

Das machen übrigens selbst andere rot und grün geführte Bundesländer besser. In Baden-Württem­berg erfolgt die Weitergabe der Mittel an die Kommunen nach dem Schlüssel: 30 % Anteil der Kinder mit SGB-II-Bezug und 70 % nach den Geburtenzahlen 2008 bis 2010. In Bremen hat man sich für einen Sockelbetrag, Sozialindex und Anteil aller U3-Kinder entschieden. Bei Ihren Kollegen aus Rheinland-Pfalz richtet sich die Verteilung der Mittel nach der Einwohnerzahl, der Zahl der Kinder unter sechs Jahren und der Zahl der unter dreijährigen Kinder im Leistungsbezug nach SGB II.

All diese Modelle sind verteilungsgerechter als der von Ihnen gewählte Schlüssel. Sie sollten sich also an den anderen Bundesländern, die ebenfalls von Rot-Grün geführt werden, orientieren. Überarbeiten Sie Ihre eindimensionalen Förderkriterien! Dies aber bitte nicht – wie Sie es in einer Vorlage ankündigen – erst im Jahr 2014. – Vielen Dank.

Da es alle gemacht haben, wünsche auch ich Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und noch eine gute Adventszeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Wegner das Wort.

Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen am Stream und auf der Tribüne! Junge Familien brauchen qualitativ hochwertige Hilfsangebote. Sie benötigen oft Unterstützung bei der Organisation und Planung ihres Tagesablaufs sowie bei Fragen rund um die Erziehung ihrer Kinder.

Die Bundesregierung hat mit der Initiative „Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen“ die Arbeit der in diesem Bereich oft ehrenamtlich tätigen Personen nicht nur gewürdigt, sondern auch finanziell gefördert. Das begrüßen wir sehr.

Die Mittelverteilung an die jeweiligen Kommunen geht von den Ländern aus. Derzeit berücksichtigt das Land Nordrhein-Westfalen bei der Mittelverteilung nur solche Kinder unter drei Jahren, die Leistungen nach dem SGB II beziehen. Sind Beratungsbedarf und soziale Schieflagen etwa auf Eltern beschränkt, deren Kinder Leistungen nach dem SGB II beziehen? – Sicherlich nicht! Die Hilfsangebote der Familienhebammen und der frühen Hilfen verteilen sich – laut pro familia, Caritas und Diakonie – über ein viel breiteres gesellschaftliches Spektrum: an Kinder beziehungsweise Eltern mit Behinderungen, an Mütter, die sehr früh schwanger werden, an alleinstehende Elternteile sowie an Eltern mit frühgeborenen Kindern und Mehrlingsgeburten.

Es ist zum einen falsch, Familien mit SGB-II-Bezug als Problemfamilien zu stigmatisieren. Zum anderen vernachlässigt diese Sichtweise Familien, die sich nur knapp über Wasser halten oder aus Scham oder Stolz keine Leistungen nach dem SGB II beziehen. Ich sage es ganz deutlich: Prekäre und hilfsbedürftige Lebenssituationen lassen sich nicht alleine am Bezug von SGB-II-Leistungen festmachen.

Ganz außen vorgelassen werden bei dieser Verteilung der Mittel zum Beispiel auch Familien, die Hilfe für behinderte Menschen oder zur Überwindung besonders schwerer Lebenslagen nach dem SGB XII erhalten. Gerade diese Familien benötigen Unterstützung.

Wir haben die Initiative ergriffen und mehrere Organisationen – ich habe sie schon genannt: pro familia, Caritas, Diakonie und auch den Kinderschutzbund – kontaktiert, um die sozialen Lebenslagen der Hilfe suchenden Personen zu erfragen. Im Gegensatz zu dem, was Sie vorhin gesagt haben, Frau Asch, kritisieren diese Organisationen den derzeitigen Verteilungsschlüssel auf jeden Fall.

Unsere Nachfragen ergaben, dass eine reine Verteilung nach dem vorhandenen SGB-II-Fällen das Ziel eindeutig verfehlt. Zwar gibt es ohne Frage in diesen Familien häufiger Probleme; doch nicht ausschließlich! Hinzu kommt die Tatsache, dass Beratungsbedarf nicht nur bei Familien mit Kindern unter drei Jahren zu finden ist – zwar nimmt die Anzahl der Fälle mit dem Eintritt in den Kindergarten rapide ab –, jedoch bekommt nicht nach wie vor nicht jede Familie einen entsprechenden Kindergartenplatz für ihr Kind. Auch dann sind Familien oft noch unterstützungsbedürftig.

Zu Beginn meiner Rede wollte ich eigentlich kritisieren, dass der Antrag zur direkten Abstimmung steht. Ich freue mich aber, dass wir doch noch Zeit haben werden, darüber im Ausschuss zu diskutieren. Denn wir können uns noch ganz andere Gewichtungen der Mittelverteilung vorstellen, wenn der derzeitige Schlüssel zu sehr in eine Richtung geht. Ein wenig Bedenken habe ich auch noch beim Antrag der CDU, wobei ich schon zugestehen muss, dass es derzeit wahrscheinlich besser wäre, den Antrag der CDU zu nehmen. Warten wir einmal auf das, was im Ausschuss kommt.

Trotzdem möchte ich hier noch etwas kurz erwähnen: Der Titel des Antrags ist doch sehr stark polarisierend und hinterlässt bei mir den Eindruck, dass unterschiedliche Bevölkerungsschichten – nämlich zum einen die Schicht mit und zum anderen die Schicht ohne SGB-II-Bezug – gegeneinander ausgespielt werden sollen. Unter diesem Aspekt betrachtet, hätte ich es heute niemandem verübeln können, wenn er diesem Antrag der CDU heute nicht zugestimmt hätte, auch wenn ich das Gegenteil empfohlen hätte.

Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Schäfer das Wort.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Danke, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich möchte noch einmal deutlich sagen, dass es ein zentrales Ziel der Landesregierung ist, Kinder und Familien stärker zu unterstützen. Risiken in den Familien wollen wir mit präventiven Ansätzen entgegenwirken.

Am Anfang meiner Ausführungen möchte ich auch etwas ganz deutlich sagen: Die frühen Hilfen insgesamt gibt es nicht erst, seitdem es das Bundeskinderschutzgesetz gibt,

(Beifall von der SPD)

sondern in den Kommunen und in den Jugendämtern wird schon einiges umgesetzt.

Aber dort, wo Risiken bereits zu Gefährdungen geführt haben, wollen wir schnell und zielgenau Hilfe anbieten. Das setzen wir mit dem Landeskonzept zur Umsetzung der Bundesinitiative „Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhabammen“ konsequent und zielgerichtet um.

Für den Schlüssel, den wir gewählt haben, um die zusätzlichen Bundesmittel zu verteilen, sprechen gute Gründe. Wir orientieren uns konsequent an der zentralen Zielgruppe der frühen Hilfen, die in der Fachwelt unumstritten ist. Das sind Familien in belasteten Lebenslagen, mit geschwächten familiären Bewältigungsressourcen. Auf diese Familien müssen wir so früh wie möglich zugehen. So können wir sie wirksam in ihrer Erziehungskompetenz und beim Aufbau einer gelingenden Eltern-Kind-Beziehung stärken.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Erfahrungen im Aktionsprogramm des Bundes „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ von 2006 bis 2010 sowie die in diesem Zusammenhang in den Ländern erprobten Konzepte und Programme, die auch schon ähnlich aufgelegt worden sind, haben eindeutig gezeigt, wie wichtig das ist. Denn Lebenslagen und Belastungen sind bekanntlich regional sehr unterschiedlich verteilt. Wir steuern die Mittel somit am Bedarf orientiert. Dorthin, wo der Bedarf hoch ist, fließen eben mehr Fördermittel.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Trotzdem haben wir gleichzeitig sichergestellt, dass alle 186 Jugendämter in Nordrhein-Westfalen Mittel aus der Bundesinitiative erhalten. Damit ist die von Ihnen geforderte Grundausstattung durchaus gewährleistet, meine Damen und Herren, abgesehen vom ohnehin bestehenden gesetzlichen Auftrag der Kinder? und Jugendhilfe nach SGB VIII.

Dass kleinere Jugendämter bei einem einheitlichen Verteilerschlüssel weniger erhalten, versteht sich, glaube ich, von selbst. Wir haben in Nordrhein-Westfalen viele Kleinst? und Kleinjugendämter. Das ist die Struktur in diesem Land. Von 186 Jugendämtern sind immerhin 82 für unter 50.000 Einwohner zuständig. Sie können aber auf der Kreisebene mit anderen Jugendämtern oder mit freien Trägern kooperieren. Deswegen ist mir nicht ganz klar, was die CDU mit ihrem Antrag bezweckt, besonders zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits alles mit allen Beteiligten abgestimmt ist und wir auf dem Weg sind, das Landeskonzept umzusetzen. Sie wissen, dass wir sehr schnell gehandelt haben.

(Bernhard Tenhumberg [CDU]: Schnell ist nicht immer gut!)

Das Antrags? und Bewilligungsverfahren ist unmittelbar nach der Zuweisung des Bundes im November bei den Jugendämtern angelaufen. Die Auszahlungen an die Jugendämter sind bereits erfolgt, damit das Geld noch in diesem Jahr verausgabt werden kann.

Dabei haben wir unser Landeskonzept und damit den geplanten Verteilerschlüssel so schnell es ging kommuniziert. Uns ist die hier geäußerte Kritik bis jetzt nicht begegnet. Die beteiligten Verbände – die kommunalen Spitzenverbände, die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die Jugendverbände –, andere Fachressorts und auch die Fachöffentlichkeit haben keinerlei Einwände erhoben. Ich habe im Fachausschuss bereits im Oktober über das Landeskonzept berichtet, noch bevor es das Bundesfamilienministerium geprüft hatte und inzwischen gebilligt hat. Das heißt, wir haben es mit Berlin abgestimmt. Trotz des Zeitdrucks bei der Umsetzung des Programms gibt es inzwischen viele positive Rückmeldungen von den Jugendämtern. Das ist ein schöner Erfolg, über den ich mich freue und für den ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses bedanke, die das so zügig umgesetzt haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich kann Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, nur bitten, die Bemühungen der Jugendämter zu unterstützen, und zwar im Hinblick auf die Familien in Nordrhein-Westfalen, die es ganz besonders schwer haben. Denen müssen wir zielgerichtet helfen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, dass die Initiative der Länder dazu geführt hat, dass wir die Mittel für unsere Jugendämter verstetigen können. Das hatte die Bundesfamilienministerin anfangs gar nicht vor. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind damit am Ende der Beratung des Tagesordnungspunktes angelangt und kommen zur Abstimmung.

Entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung haben sich die Fraktionen darauf verständigt, den Antrag Drucksache 16/1616 nicht direkt abzustimmen, sondern an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Empfehlung folgen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir treten nun in den letzten Tagesordnungspunkt ein:

4   Elternassistenz für gehörlose Eltern durch Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1617

Ich weise darauf hin, meine Kolleginnen und Kollegen, dass die Beratung dieses Tagesordnungspunktes von einer Gebärdendolmetscherin übersetzt wird, die sich gleich neben dem Rednerpult aufstellen wird. Da ist sie schon. – Frau Ramona Kahl, herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Auf diese Art und Weise werden wir sicherstellen, dass die Debatte im Videostream über die Landtagsinternetseite auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer nachvollziehbar ist, die auf eine Gebärdendolmetscherin angewiesen sind.

Jetzt steigen wir in die Beratung ein. – Für die antragstellende CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Doppmeier das Wort.

Ursula Doppmeier (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Wir beschäftigen uns heute mit einer besonders wichtigen Problematik, die von betroffenen gehörlosen Eltern an uns Politiker herangetragen wurde. Mit unserem Antrag setzen wir ein eindeutiges Signal für alle Betroffenen und zeigen, dass wir ihre Problematik verstanden haben. Wir sind gemeinsam mit ihnen verärgert, dass die Umsetzung eines solchen Punktes so lange dauert. Dabei herrscht doch auch im Petitionsausschuss Einigkeit darüber, dass hier Handlungsbedarf besteht.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Für die CDU steht die Familie im Zentrum der Politik. Den Bedürfnissen von Eltern mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen gehört unsere besondere Aufmerksamkeit. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Landesregierung, kann man von Ihnen nicht behaupten, ansonsten hätten Sie doch schneller gehandelt.

Sie alle wissen: Die UN-Konvention bekräftigt in Art. 23 den Anspruch auf Unterstützung der Eltern bei der Versorgung und Erziehung. Dazu gehören nicht nur offizielle Termine mit Wahlen von Elternvertretungen, sondern selbstverständlich auch Elternabende in der Schule, Schulfeste und vor allem Elternsprechtage.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Beer zulassen?

Ursula Doppmeier (CDU): Nein, ich möchte gerne erst zusammenhängend vortragen. – Hier ist die Hilfe eines Gebärdendolmetschers für gehörlose Eltern unabdingbar. Andere Länder machen es uns doch vor. Wissen Sie, dass das Land Baden-Württem­berg seit dem Jahr 2008 beispielsweise die Übernahme von Gebärdendolmetscherkosten anlässlich von Elternabenden oder sonstigen notwendigen Gesprächen mit Lehrern und Lehrerinnen für gehörlose Eltern fördert? Hier hat man eine ganz einfache unbürokratische Lösung gefunden. Das Land Baden-Württemberg weist dem Landesverband der Gehörlosen die entsprechende Summe zu. Dieser übernimmt dann die Kostenabwicklung. Im Jahr 2008 waren das 40.000 €, im Jahr 2009 60.000 €. Also alles ganz unbürokratisch und direkt für die Betroffenen.

Aber was machen Sie, die nordrhein-westfälische Landesregierung? – Zunächst kündigen Sie immer revolutionäre Entscheidungen an. Anschließend planen Sie erst einmal und dann warten Sie ab. Meine Damen und Herren, aber effektives Regierungshandeln zum Wohle der Betroffenen sieht anders aus.

Beweisen können Sie dies jetzt im Falle der Eltern­assistenz für gehörlose Eltern. Regeln Sie dieses jetzt hier auch einmal schnell und unbürokratisch. Sie zögern und vertrösten die betroffenen Eltern. Sie haben Ausreden, um nichts anzupacken. In diesem konkreten Fall wollen Sie jetzt erst auf ein Gutachten warten, welches im Mai zu dieser Problematik erscheinen soll.

(Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE] und Andrea Asch [GRÜNE])

Aber zu diesem Zeitpunkt ist doch das Schuljahr abgelaufen. Wir brauchen kein Gutachten mehr, das wahrscheinlich nur wieder ein Bürokratiemonster aufbaut, sondern schnelle aktive Hilfe für diese gehörlosen Eltern tut jetzt not.

(Beifall von der CDU)

Die betroffenen Familien und vor allen Dingen Kinder in Nordrhein-Westfalen brauchen jetzt Ihre Hilfe. Hörende Kinder gehörloser Eltern haben oft mit massiven schulischen Problemen zu kämpfen. Eltern können oft nicht in das normale Schulleben integriert werden, worunter die Kinder leiden und dann psychisch auffällig werden.

Deshalb fordern wir Sie auf: Nehmen Sie jetzt Geld in die Hand zum Wohle der Kinder und ihrer Eltern! Hören Sie auf mit fadenscheinigen Ausreden! Schaffen Sie die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen! Leiten Sie die in Ihrem Aktionsplan angekündigten Maßnahmen umgehend ein! Weiten Sie die Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher schnell und unbürokratisch aus! Verschaffen Sie so den Gehörlosen Gehör! Holen Sie mit einer verantwortungsvollen Inklusionspolitik die Kinder aus der Stille! Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Doppmeier. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Neumann das Wort.

Josef Neumann (SPD): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In Nordrhein-Westfalen leben 2,5 Millionen Menschen mit Behinderungen. Davon sind 1,7 Millionen Menschen schwerbehindert.

Die NRW-Landesregierung hat bereits 2010 mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention für diese 2,5 Millionen Menschen in diesem Lande begonnen. Jeder, der hier heute früh sagt, dass Baden-Württemberg 2008 und 2009 Geld zur Verfügung gestellt hat, hätte natürlich die Chance gehabt, das während der eigenen Regierungszeit auch schon zu tun.

(Beifall von der SPD)

Der Aktionsplan der Landesregierung Nordrhein-Westfalen umfasst mehr als 100 Maßnahmen, die in den nächsten Jahren zur Umsetzung der UN-Konvention in unserem Lande beitragen sollen.

Eine dieser Maßnahmen ist die Überprüfung der Kommunikationshilfsmittelverordnung, in der geregelt ist, welche Kommunikationsmittel Menschen in Nordrhein-Westfalen bekommen.

2,5 Millionen Menschen mit Behinderungen sind sehr unterschiedlich. Auch Menschen, die hörgeschädigt sind, sind unterschiedlich.

Das ist der Grund, warum das Land Nordrhein-Westfalen eine Studie in Auftrag gegeben hat, um die Lebenssituation von hörgeschädigten Menschen zu überprüfen und daraus Maßnahmen ableiten zu können, die insbesondere in diese Kommunikationshilfsmittelverordnung einfließen.

Uns nützt derzeit kein Aktionismus, aber uns hilft ein nachhaltiger Aktionsplan, der schrittweise nach und nach umgesetzt wird, in dem wir klar und deutlich regeln, dass die Kommunikationsmittel nicht nur für den Bereich Schule, sondern auch für andere Bereiche der Lebenslagen von diesen Menschen in Anspruch genommen werden können.

(Beifall von der SPD)

Wir diskutieren nicht nur über die Frage von Verwaltungsakten. Es geht um die Frage der Einschulung. Es geht um die Frage von Elternsprechtagen. Es geht um die Frage Kindertagesstätten und sonstiges.

Sich jetzt auf eine einzige dieser vielen Maßnahmen zu beschränken, würde letztendlich bedeuten, doch keine nachhaltige Hilfe zu leisten. Das sollten wir nicht tun, sondern unseren konkreten konsequenten Weg gehen, diesen Aktionsplan nachhaltig für diese 2,5 Millionen Menschen umzusetzen.

(Beifall von der SPD)

Wir haben natürlich – das muss man anerkennen – die Situation, dass wir selbstverständlich in Kürze vor einem Einschulungsjahr stehen. Wir müssen im Ausschuss darüber diskutieren, wie wir mit so einer Problematik umgehen. Ich denke, da werden wir nachhaltig im Ausschuss diskutieren.

Lassen Sie mich zum Abschluss – das ist heute der letzte Tagesordnungspunkt – ein Ereignis aus einer Schule erzählen, die ich vor ein paar Tagen besucht habe. Dort gab es eine Weihnachtsaufführung. Für die Weihnachtsaufführung hat die 6. Klasse dieser Schule alle Schülerinnen und Schüler gebeten, eine Rolle zu übernehmen. Und alle Schülerinnen und Schüler haben die Rolle übernommen. Eine Rolle blieb offen, die vom Herbergsvater. Aber da hat man den kleinen Tim gefunden. Tim hat gesagt: Ja, ich übernehme die Rolle.

Dann kam die große Vorstellung in der großen Schulaula. Es war sehr voll. Josef und Maria betreten diesen Raum und stehen vor der Herberge. Josef klopft an das Fenster und fragt: Ist in dieser Herberge ein Platz frei? – Herbergsvater Tim macht das Fenster auf und sagt: Ja, sehr gerne.

(Beifall von der SPD)

Ja, meine Damen und Herren, wie wären wir vor 2.000 Jahren weitergekommen, wenn schon damals das Fenster aufgegangen wäre? Was hätte sich im Zuge dieses inklusiven Ansatzes für die Menschen ändern können? – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Grochowiak-Schmieding.

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir hier eine Gebärdensprachdolmetscherin sehen, ist ein weiterer Schritt in Richtung „barrierefreier Landtag“.

(Allgemeiner Beifall)

Bei unseren grünen Parteitagen und weiteren grünen Veranstaltungen ist das schon zu einem selbstverständlichen Bild geworden.

Übrigens haben wir uns als guten Vorsatz für das neue Jahr vorgenommen, allen unseren Fraktionsmitgliedern die Teilnahme an einem Gebärdensprachkurs anzubieten. Damit wollen wir uns ein Stück weit für die inklusive Gesellschaft fit machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es ist schön, dass Sie dieses Thema im Jahre 2012 nun auch für sich entdeckt haben. Sie haben hier einen Antrag vorgelegt, dessen Thema wir bereits ausführlich im Sozialausschuss beraten haben. Eigentlich sollten Sie deshalb auch wissen, dass ein sorgfältiger Arbeitsprozess stattfindet, der im Übrigen durch die vorliegenden Petitionen angeregt wurde. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass es ein Kollege der FDP und meine Kollegin Martina Maaßen waren, die dieses Thema überhaupt erst in den Ausschuss und die parlamentarische Debatte gebracht haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Immerhin freue ich mich, dass Sie inzwischen davon abgerückt sind, Ihren Antrag heute hier kontrovers zur Abstimmung zu stellen; denn das wäre der Sache nun wirklich nicht dienlich.

Worum geht es, meine Damen und Herren? – In Deutschland gibt es schätzungsweise 80.000 gehörlose Menschen. Etwa 1,5 Millionen sind schwerhörig oder postlingual ertaubt. Dazu kommt die Gruppe der Altersschwerhörigen.

Der soziale Kontakt der gehörlosen Menschen mit der hörenden Umwelt wird erschwert, weil die Verwendung der Lautsprache in der Gesellschaft vorherrschend ist. Nicht hören zu können, bedeutet daher im Allgemeinen einen sehr weit gehenden Ausschluss von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Für gehörlose Eltern stellt darüber hinaus die Erziehung ihrer hörenden Kinder eine ganz besondere Herausforderung dar. Aufgrund ihrer Kommunikationssituation sind sie oftmals von anderen Bildungs- und Beratungsangeboten für Eltern ausgeschlossen. Dennoch wollen natürlich auch diese Eltern ihre Pflichten und Rechte – insbesondere dann, wenn es um ihre Kinder geht – wahrnehmen.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich möchte das nun wirklich nicht auf die gesunde Entwicklung der Kinder beschränken, was auch immer Sie darunter verstehen, und schon gar nicht auf die von Ihnen bemühten Schulmitwirkungspflichten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Unter Schulmitwirkungspflichten versteht man zum Beispiel die Pflicht einer Schülerin oder eines Schülers zur Teilnahme am Unterricht und dazu, sich dort Leistungsüberprüfungen zu stellen. Ich vermute, dass das dem- oder derjenigen, der oder die diesen Antrag formuliert hat, nicht ganz klar war. Solche Feinheiten können wir im Ausschuss aber gerne noch klären.

Meine Damen und Herren, gehörlose Menschen verfügen über visuelle Sprache, nämlich die deutsche Gebärdensprache. Darüber hinaus gibt es als eine weitere Möglichkeit das Schriftdolmetschen.

Zurzeit ist die Bereitstellung – das ist bereits gesagt worden – geeigneter Kommunikationsmittel per Gesetz auf die sogenannten Verwaltungsverfahren begrenzt. In NRW wird das im Moment noch durch Kannbestimmungen oder freiwillige Maßnahmen in Kita und Schule abgemildert. Diese Hilfestellungen sind ein erster Schritt zur Unterstützung gehörloser Eltern und Kinder.

Mit der Aufstellung des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ hat die rot-grüne Landesregierung einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der Vorhaben der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung getan. Hierin wird unter anderem die Normenkontrolle aller Gesetze festgeschrieben. Es wird auch das Recht der Menschen auf Assistenz zur uneingeschränkten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben festgestellt.

Das Normenprüfverfahren ist bereits in Arbeit. Änderungs- und Anpassungsbedarfe der Kommunikationshilfeverordnung und des Behindertengleichstellungsgesetzes wurden bereits erkannt.

Darüber hinaus hat die Landesregierung schon im Jahr 2011 bei der Universität zu Köln eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben. Sie haben sie eben als gar nicht so wichtig bezeichnet. Wir sehen das völlig anders. Diese Untersuchung wird die Lebenslagen gehörloser und schwerhöriger Menschen analysieren und uns Handlungsempfehlungen für unsere landespolitische Tätigkeit geben. Das Gutachten wird Ende Mai 2013 vorliegen.

(Ursula Doppmeier [CDU]: Das ist aber zu spät für die Einschulung!)

Es wird uns auch Erkenntnisse zu dem Problem gehörloser Menschen an Schulen und in Kitas bringen.

Auch dies müsste bei Ihnen in der CDU bekannt sein; denn alles das wurde bereits im Fachausschuss diskutiert. Dort wurde auch mehrheitlich anerkannt, dass die Problemstellung insgesamt sehr komplex ist und die Lösung zunächst einer fundierten Analyse bedarf. Mit einer solchen Analyse als Basis wollen wir dann eine zielgenaue Lösung erarbeiten.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Abgeordnete.

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Ich werde jetzt zum Schluss kommen, Herr Präsident. – Dabei können sicher auch Erfahrungen und Lösungen aus anderen Bundesländern einfließen. Die von Ihnen genannte Lösungsmöglichkeit ist mit Sicherheit noch nicht einmal die praktischste und schon gar nicht die unbürokratischste. Selbstverständlich werden wir auch die Betroffenen zu den Beratungen hinzuziehen.

Die rot-grüne Koalition wird sich dem Thema „Inklusion“ mit der gebotenen Sorgfalt und Ernsthaftigkeit widmen. Wir werden also nicht unausgegoren herumwursteln, sondern mit Hand und Fuß handeln. – Ich freue mich auf konstruktive Beratungen im Ausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Alda das Wort.

Ulrich Alda (FDP): Herr Präsident! Liebe Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich bei der vorletzten Rede eines Abgeordneten in diesem Plenarjahr von einer Gebärdendolmetscherin begleitet werde und auch genau zu diesem Thema Stellung nehmen kann. – Durch den Spielfilm „Jenseits der Stille“ von Caroline Link aus dem Jahr 1996, der zahlreiche Preise erhalten hat, ist die Lebenssituation von gehörlosen Eltern und hörenden Kindern ins Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit gerückt.

Meine Damen und Herren, wir sind jetzt 16 Jahre weiter. Viel hat sich nicht getan. Daher bringe ich durchaus Verständnis für den Druck der CDU auf. Dass sich der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion dieses Personenkreises annimmt, hat allerdings einen ganz konkreten Hintergrund.

Dabei handelt es sich um zwei Petitionen, die dem Petitionsausschuss des Landtags im Jahre 2011 vorlagen. Diese Petitionen beziehen sich auf das Problem, dass die Frage der Kostenerstattung für einen Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose Eltern von hörenden Kindern bei Gesprächen in Schulen und Kindertageseinrichtungen bislang ungeklärt ist. Da voraussichtlich über die beiden Einzelfälle hinaus weitere Familien von diesem Problem betroffen sind, haben FDP und Grüne beschlossen, das Thema im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu beraten. Frau Kollegin, Sie haben netterweise vorhin darauf hingewiesen, und ich darf es noch einmal unterstreichen: Das gibt es neuerdings, FDP und Grüne machen etwas zusammen; darüber freue ich mich auch.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Dazu wurde ein Bericht des zuständigen Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales angefordert. Danach ergibt sich folgender Sachstand – es tut mir leid, jetzt wird es ein bisschen juristisch –:

Gemäß § 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes NRW (BGG NRW) existiert in Verbindung mit § 2 der Kommunikationsverordnung ein Anspruch auf die Bereitstellung eines Gebärdensprachdolmetschers unter folgender Voraussetzung: Der Anspruch besteht, wenn eine solche Hilfe zur Wahrnehmung eigener Rechte in einem Verwaltungsverfahren erforderlich ist und eine schriftliche Verständigung nicht funktioniert.

Veranstaltungen in den Schule oder der Kita, zum Beispiel Elternabende, sind jedoch nicht ein Bestandteil von Verwaltungsverfahren.

Im Schulgesetz gibt es nach § 65 ff. Schulgesetz einen geringen Haushaltansatz – das letzte Wort ist bewusst in Anführungsstriche gesetzt –, um auf freiwilliger Basis ohne Anerkennung einer Rechtspflicht im Einzelfall Kosten für die betroffenen Eltern zu übernehmen.

Ich glaube, komplizierter geht es nicht. Ich quäle Sie nicht mehr allzu lange.

Aus dem im Kinderbildungsgesetz KiBiz verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag lässt sich zwar ein hoher Stellenwert der Zusammenarbeit mit den Eltern und eine entsprechende Beratung von Eltern ableiten – die jeweilige Kita kann Kosten für einen Dolmetscher erstatten, und zwar über einen Zuschuss, der den Trägern einer Kita vom zuständigen Jugendamt zur Erfüllung dieser Beratungsaufgaben bereitgestellt wird –, allerdings gibt es auch im KiBiz keinen gesetzlichen Anspruch auf Kostenerstattung für diesen Zweck.

Die Landesregierung hat im Rahmen des Normprüfungsverfahrens nach der UN-Behindertenrechts­konvention einen Änderungsbedarf festgestellt und diesen in den Aktionsplan der Landesregierung „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ aufgenommen.

Auch an der Stelle unterstütze ich die CDU grundsätzlich, dass mehr Druck gemacht werden muss, insbesondere, was die angeführte Seite 62 angeht.

Zudem hat das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales ein wissenschaftliches Gutachten bei der Universität Köln in Auftrag gegeben. Auf diese Weise soll unter anderem die Lage gehörloser und schwerhöriger Menschen analysiert werden. Das Gutachten wird voraussichtlich Ende Mai 2013 vorliegen.

Im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales wurde in der Sitzung am 21. November dieses Jahres über den Bericht des Ministeriums beraten. Im Zuge der Diskussion wurde festgestellt, dass es sinnvoll ist, die weiteren Aktivitäten auf der Basis zusätzlicher Erkenntnisse zu begleiten und für die betroffenen Familien eine unbürokratische, aber auch sachgerechte Lösung zu erreichen.

Der im Antrag der CDU vorgeschlagene Lösungsweg ist sicherlich gut gemeint. Ich freue mich allerdings auf die vertiefte Erörterung im Ausschuss und bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die mitgeholfen haben, dass wir das Thema noch mal im Ausschuss beraten können.

Also vorletzter Abgeordneter hier am Pult wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten, eine schöne Adventszeit und einen guten Rutsch! Ich freue mich auf das nächste Jahr. – Danke.

(Beifall von der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Sommer das Wort.

(Torsten Sommer [PIRATEN] zögert, seine Rede zu beginnen, und betrachtet nachdenklich die Gebärdensprachdolmetscherin, die neben ihm steht.)

Herr Kollege, bitte.

Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! So wie Sie, liebe Kollegen, und wie auch ich fühlen sich gehörlose Menschen regelmäßig in unserer Gesellschaft. Man weiß erst mal nicht: Was hat derjenige jetzt gesagt? Was ist da passiert? Das ist schade. Denn die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hängt zu großen Teilen von der Kommunikation ab, sei sie verbal oder wie bei Menschen mit Fehl- und Schwerhörigkeit nonverbal.

Viele hörbehinderte Menschen, die auf die Kommunikation in der Gebärdensprache angewiesen sind, haben hörende Kinder. Die Eltern neigen dazu, ihre Kinder in Alltagssituationen als Familiendolmetscher einzusetzen, so zum Beispiel beim Einkauf, bei Behördengängen, beim Fernsehen, beim Telefonieren sowie bei den Elterngesprächen in Schule und Kindergarten. Diese Möglichkeit der Kommunikationshilfe wird von den Eltern dann genutzt, wenn aus Kostengründen nicht rechtzeitig ein Dolmetscher zu einem Gesprächstermin bestellt wurde.

Hier wird hörbehinderten Eltern die Möglichkeit, ihre grundrechtlich geschützten Rechte als Eltern auszuüben, extrem erschwert. Wie kann es sein, dass in diesem unserem Land die Eltern nach § 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit § 2 …

Ist Herr Alda noch da? – Nein, sehe ich nicht, schade.

(Zuruf: Doch!)

– Ah, danke schön.

… der Kommunikationshilfeverordnung Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ein Recht auf Bereitstellung eines Gebärdensprachdolmetschers haben – an dieser Stelle vielen Dank an Julia Probst, die mich per Twitter daran erinnern ließ, dass es „Gebärdensprachdolmetscher“ heißt und nicht „Gebärdendolmetscher“, wie er volkstümlich genannt wird, leider auch im Antrag der CDU –, dies aber beispielsweise für Veranstaltungen wie Elternabende und allgemeine Informationsabende in Schulen und Kindergärten nicht gilt?

Wie ist das mit der Intention des Aktionsplans der Landesregierung „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ zu vereinbaren? – Gar nicht, steht zu befürchten. Missstände, die durch die Kommunikationshilfeverordnung Nordrhein-Westfalen vom 15. Ju­ni 2004, übrigens unterzeichnet vom damaligen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück sowie der damaligen Gesundheitsministerin Birgit Fischer, entstanden sind, wurden im Evaluationsbericht der Landesregierung vom 24. September 2008 nicht einmal thematisiert. Erst durch Einreichung diverser Petitionen wurden die gesamten Missstände der Kommunikationshilfeverordnung deutlich.

Die aktuelle Situation grenzt an einen Skandal, da sich die Landesregierung in den letzten beiden Jahren außerstande sah, diesen unhaltbaren Zustand abzustellen. Selbst der Petitionsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen hat schon vor über einem Jahr festgestellt – ich zitiere; mit Verlaub –, dass derzeit keine für hörgeschädigte Eltern befriedigende und vor allem verlässliche gesetzliche Regelung besteht.

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt in seiner letzten Sitzung fraktionsübergreifend fest, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Das war zumindest mein Eindruck.

Sehr geehrte Damen und Herren, in Anbetracht des eben geschilderten Prozesses stellt sich hier die Landesregierung ein Armutszeugnis aus. Nach wie vor besteht kein gesetzlicher Anspruch auf die Übernahme von Gebärdensprachdolmetschern, wenn es sich nicht um die Wahrnehmung der eigenen Rechte der Verwaltung gegenüber handelt.

Hier ist die Landesregierung gefordert, sofort die angekündigten Maßnahmen des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ umzusetzen und unbürokratisch Übergangsregeln für den betroffenen Personenkreis zu schaffen

(Beifall von den PIRATEN)

– ich wiederhole das kurz für den Stream: Beifall leider nur von der Piratenfraktion –, damit gehörlose Eltern ihrem Erziehungsauftrag uneingeschränkt nachkommen können.

Damit deutlich wird, wie die Hilfebegehren derzeit beschieden werden, zitiere ich – mit Verlaub – aus einem dieser ablehnenden Bescheide:

Die Veranstaltungen sind kein Bestandteil der Tätigkeit des Landkreises, und ihre Durchführung dient auch nicht der Vorbereitung oder dem Erlass von Verwaltungsakten. Vielmehr stellen sie Informationsangebote der von ihnen zur Betreuung ihres Kindes gewählten privaten Elterninitiative dar. Ihre Teilnahme daran ist ein rein privat-rechtlicher und kein öffentlich-rechtlicher Vorgang.

Es darf in dieser Gesellschaft nicht sein, dass Eltern mit solchen Argumenten abgespeist werden. Da wir hier noch erheblichen Verbesserungsbedarf sehen, stimmen wir zur Nachbesserung der Überweisung in den Ausschuss natürlich zu.

An dieser Stelle möchte ich auch noch anregen, dass zukünftig alle Plenarsitzungen durch einen Gebärdensprachdolmetscher begleitet werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung erteile ich nun in Vertretung für Herrn Minister Schneider Herrn Minister Groschek das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nach den heutigen Beiträgen der Fraktionen stelle ich gerne fest, dass wir uns darüber einig sind, dass gehörlose Eltern hörender Kinder besser als bisher unterstützt werden sollen. Und das ist gut so.

Es hat die Arbeit des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales in der Vergangenheit stets ausgezeichnet, behindertenpolitische Entscheidungen über alle Parteigrenzen hinweg im Konsens zu treffen. Sehr geehrte Frau Doppmeier, ich hoffe, das gelingt auch bei dieser Frage. Ihr Temperament wird sich hoffentlich durch eine konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss ausdrücken.

Es liegt der Landesregierung jedenfalls sehr am Herzen, dass diese Gemeinsamkeit auf diesem so wichtigen Politikfeld bleibt. Die Erziehung hörender Kinder ist für gehörlose Menschen eine besondere Herausforderung. In Kitas, in Schulen ohne den Einsatz von Kommunikationshelfern wie zum Beispiel Gebärdensprachdolmetschern sind sie häufig nicht in der Lage, ihrem Informations- und Beratungsauftrag nachzukommen. Hier müssen wir so schnell es geht helfen, und die gerade zitierten Briefe sprechen auch Bände.

Herr Minister Schneider ist dem Ausschuss für Arbeit, Integration und Soziales dankbar dafür, dass er den Impuls für kurzfristig umsetzbare Unterstützungsmöglichkeiten in den Bereichen Schule und Kitas gegeben hat. Dazu wird der Minister in Abstimmung mit seinen Kolleginnen Sylvia Löhrmann und Ute Schäfer den Ausschüssen für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Schule und Weiterbildung sowie Familie, Kinder und Jugend einen Bericht mit Handlungsvorschlägen vorlegen.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass es gemeinsam mit allen Fraktionen gelingen wird, im Haushaltsplan 2013 dann tatsächlich Mittel für mehr Kommunikationshilfen für gehörlose Eltern hörender Kinder auszuweisen. Darüber hinaus gilt, was die Landesregierung im Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ festgelegt hat. Das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und die sogenannte Kommunikationshilfeverordnung NRW müssen im Interesse der behinderten Menschen weiterentwickelt werden. Acht Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes und drei Jahre nach der UN-Konvention besteht ein Weiterentwicklungsbedarf.

Was hier notwendig ist, werden wir mit den betroffenen Menschen, den interessierten Fachverbänden und selbstverständlich auch den Kommunen diskutieren. Ein solcher Diskussionsprozess braucht jedoch Zeit, und diese Zeit sollten wir uns nehmen. Hier gilt der Grundsatz: Sorgfalt geht vor Hektik. Wer diesem Grundsatz folgt, erreicht bessere Ergebnisse als diejenigen, die erst losstürmen und sich dann Gedanken über die Richtung machen.

Lassen Sie uns also in den Ausschüssen nach einer gemeinsamen behindertenpolitischen Linie suchen, wie unser Behindertengleichstellungsgesetz und die darauf basierenden Verordnungen fortentwickelt werden können. Die berechtigten Belange hörgeschädigter Menschen werden sicherlich im Vordergrund stehen.

In der grundsätzlichen Zielsetzung liegen wir also gar nicht so weit auseinander. Beginnen wir mit kurzfristigen Hilfen für die Eltern Anfang des Jahres 2013 und diskutieren wir anschließend, wie es für gehörlose Eltern von Schul- und Kindergartenkindern weitergeht. Viele behinderte Menschen, nicht nur die Sinnesbehinderten, warten darauf, dass wir das Behindertengleichstellungsrecht in unserem Land weiterentwickeln. Das gehen wir umfassend und mit einer guten Mischung aus Energie und Sorgfalt an.

Ich bin mir sicher, dass wir mit Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses schnell gute Ergebnisse erzielen werden, und sage deshalb umso überzeugter: Frohe, friedliche Weihnachten und einen besonders guten, friedvollen Rutsch in ein Jahr 2013 mit spannenden Diskussionen hier im Hause zum Wohle unseres wunderbaren Landes und der Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind daher am Schluss der Beratung und kommen zur Abstimmung.

Entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung haben sich die Fraktionen darauf verständigt, den Antrag Drucksache 16/1617 nicht direkt abzustimmen, sondern an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung so angenommen.

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung, der mutmaßlich letzten Plenarsitzung des Jahres 2012. Der Landtag Nordrhein-Westfalen und wir alle persönlich, meine Kolleginnen und Kollegen, können auf ein überaus ereignisreiches politisches Jahr 2012 zurückschauen. Wir sind gespannt auf das, was das Jahr 2013 bringen wird.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien und – ich denke in Ihrer aller Namen – auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Landesparlamentes ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest und alles erdenklich Gute für 2013.

(Allgemeiner Beifall)

Die nächste Sitzung findet statt am Mittwoch, den 23. Januar 2013, 10 Uhr.


Die Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen ist geschlossen.

Schluss: 14:30 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 96 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.