LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/4244

 

17.10.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 1627 vom 18. September 2013

des Abgeordneten Dirk Schatz   PIRATEN

Drucksache 16/4043

 

 

 

Dringend gesucht - Nachwuchskräfte mit Zuwanderungsgeschichte für die Polizei NRW

 

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1627 mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet.

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

In Nordrhein-Westfalen leben ca. 18 Millionen Menschen, davon haben rund 4,2 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund. Dies entspricht einem Anteil von knapp 24 Prozent an der gesamten Bevölkerung. Bei den unter 19-jährigen ist dieser Anteil sogar noch größer. In öffentlichen Institutionen wie der Polizei sollte die ethnische und kulturelle Vielfalt der Gesellschaft widergespiegelt werden. Aus diesem Grund setzt die Polizei NRW in den letzten Jahren verstärkt auf Nachwuchs mit Zuwanderungsgeschichte. „Sie besitzen durch ihre Sprachkenntnisse und kulturellen Hintergründe besondere Kompetenzen. Deswegen setzen wir verstärkt auf diese jungen Leute“ sagte Innenminister Jäger im Rahmen der Freischaltung des Internetportals für die Online-Bewerbung bei der Polizei NRW.

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung

 

Unter dem Begriff "Menschen mit Zuwanderungsgeschichte" bzw. "Menschen mit Zuwanderungshintergrund" werden hier die Migrantinnen und Migranten verstanden, die sich um eine Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen bewerben. Insoweit liegt bei der Beantwortung der Fragen die Definition aus der Antwort auf die Kleine Anfrage 2828 der Abgeordneten Andrea Ursula Asch, Grüne, vom 03.11.2008, LT-Drucksache 14/7598, zugrunde.

 

1.       Wie hat sich die Zahl der Bewerbungen und der Einstellungen von Menschen mit Zuwanderungshintergrund in den Polizeidienst von 2008 bis heute entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und Geschlecht)?

 

Die Zahl der Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund für den gehobenen Polizeivollzugsdienst hat sich nach Angaben des zuständigen Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW in den Jahren 2008 bis 2012 wie folgt entwickelt:

 

Jahr

Bewer-bungen

Migranten gesamt

Migranten

weiblich

Migranten

männlich

Migranten Prozentanteil

2008

9193

1415

366

1049

15,39 %

2009

6424

829

186

643

12,90 %

2010

7088

1267

266

1001

17,88 %

2011

7527

1439

349

1090

19,12 %

2012

8252

1757

401

1356

21,29 %

 

Die Zahl der Einstellungen von Menschen mit Migrationshintergrund in

den gehobenen Polizeivollzugsdienst hat sich nach Angaben des zuständigen Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW in den Jahren 2008 bis heute wie folgt entwickelt:

 

Jahr

Einstellun-gen

Migranten gesamt

Migranten

weiblich

Migranten

männlich

Migranten Prozentanteil

2008

1100

68

21

47

6,18 %

2009

1100

58

11

47

5,27 %

2010

1100

124

28

96

11,26 %

2011

1400

143

38

105

10,21 %

2012

1400

161

43

118

11,50 %

 

Die Auswertung der Einstellungskampagne 2013 ist noch nicht abgeschlossen.

Seit der Einstellungskampagne 2010 werden unter dem Begriff Migran- ten deutsche Bewerberinnen/Bewerber auch mit ausländischen Eltern oder einem ausländischen Elternteil statistisch erfasst.

 

 

2.       Mit welchen Maßnahmen arbeitet die Landesregierung, um Menschen mit Zuwanderungshintergrund für den Polizeidienst zu gewinnen?

 

Das Werberahmenkonzept der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen sieht eine Dreistufigkeit der Personalnachwuchswerbung auf örtlicher, regionaler und zentraler Ebene vor. Die vielfältigen Maßnahmen, die sich speziell an Interessenten mit Migrationshintergrund richten, werden als "Modell der direkten Ansprache" praktiziert.

 

Dabei ist gerade die örtliche Werbung von Menschen mit Migrationshintergrund von ausschlaggebender Bedeutung.

Aus einer  Vielzahl von Werbemaßnahmen werden an dieser Stelle  zur besseren Veranschaulichung exemplarisch genannt:

 

·         Informationsrunden in türkischen (und anderen) Kulturvereinen, Moscheen, im Türkischen Generalkonsulat

·         Internetverlinkungen zu entsprechenden Netzwerkpartnern, z.B. zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

·         Werbung für Schülerbetriebspraktika von Schülerinnen und Schülern von Schulen mit einem hohen Migrationsanteil

·         Spezielle Informationsveranstaltungen für Eltern und Familienangehörige von Menschen mit Migrationshintergrund in den Einstellungsbehörden

·         Einbeziehung von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten mit

Migrationshintergrund im Rahmen von Berufsmessen

·         Veröffentlichung von Informationen zu Veranstaltungen und Informationsrunden in ausländischen Printmedien

 

Daneben gibt es im Bewerberportal der Polizei (www.polizei.nrw.de/beruf) einen eigenen Themenbereich "Integration erwünscht", der bei Menschen mit Migrationshintergrund Interesse wecken und mögliche Hemmschwellen bei einer Bewerbung überwinden soll.

 

 

3.       Welche Unterstützungsmaßnahmen bestehen für Bewerberinnen und Bewerber um z.B. die oftmals schwierige Hürde des Deutschtests leichter zu machen?

 

Derzeit werden keine Unterstützungsmaßnahmen angeboten.

 

Eine Befragung zur Fairness und sozialen Validität des Auswahlverfahrens auch unter Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund hat ergeben, dass die Durchführung eines Rechtschreib- und Zeichensetzungstests in deutscher Sprache von Migrantinnen und Migranten überwiegend nicht als unfair empfunden wird. Auch die Frage, ob es fair gewesen wäre, den Test in einer anderen Sprache zu bearbeiten, wurde überwiegend verneint.

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4.       Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit, dass eine ausgeprägte und qualifizierte interkulturelle Kompetenz den Mangel von anderen Voraussetzungen für die Bewerbung bei der Polizei ausgleicht?

 

Im Anforderungsprofil der Polizei Nordrhein-Westfalen für das Auswahlverfahren für den gehobenen Polizeivollzugsdienst ist die interkulturelle Kompetenz Bestandteil der Bereiche Kooperationsfähigkeit, Flexibilität im Handeln, Werteorientierung, Neutralität und Konfliktfähigkeit. Die Leistungen einzelner Anforderungsbereiche können zum Teil unterein-ander kompensiert werden. Das derzeitige Projekt  XENOS "Interkulturelle Kompetenz (und Inklusion) in Personalauswahlverfahren der Polizei" (Projektzeitraum 2012 - 2014) beschäftigt sich u.a. mit der Frage der Ausschärfung des Anforderungsbereiches "interkulturelle Kompetenz". Das Ergebnis der Arbeitsgruppe bleibt abzuwarten.

 

 

5.       Könnte durch die Öffnung des Polizeidienstes für Realschüler der Kreis von qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern mit Zuwanderungsgeschichte erhöht werden (bitte begründen)?

 

Die Berufsbildungshochschulzugangsverordnung eröffnet bereits jetzt für die Polizei Nordrhein-Westfalen neue Bewerberkreise auch bezogen auf die Zielgruppe der Realschüler. Voraussetzung für eine Bewerbung sind danach z.B. ein Meisterbrief im Handwerk oder eine abgeschlossene mindestens zweijährige Berufsausbildung mit anschließender beruflicher Tätigkeit von wenigstens drei Jahren. Personalgewinnungsmaßnahmen werden sich zukünftig auf diesen Personenkreis verstärkt ausrichten müssen.

 

Die Landesregierung sieht derzeit darüber hinaus keinen Bedarf für Realschülerinnen und Realschüler eine Zugangsmöglichkeit für das Duale Studium bei der Polizei Nordrhein-Westfalen zu schaffen.

Für die Zukunft hält sich die Landesregierung die Option offen, auch für Realschülerinnen und Realschüler eine Zugangsmöglichkeit für das Duale Studium bei der Polizei Nordrhein-Westfalen zu entwickeln, sofern sich aufgrund einer Änderung der Rahmenbedingungen (stark sinkende Bewerberzahlen) eine entsprechende Notwendigkeit ergeben sollte.