LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/4202

 

11.10.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 1615 vom 3. September 2013

der Abgeordneten Birgit Rydlewski und Torsten Sommer   PIRATEN

Drucksache 16/3983 Neudruck

 

 

Rechtsextreme Gewalt und die Partei „Die Rechte“

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1615 mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet.

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Am Samstag, den 31.08.2013, fand in Dortmund eine Kundgebung der Partei "Die Rechte" mit etwa 370 Teilnehmern statt. Rund 1000 friedliche Gegendemonstranten protestierten gegen diese Kundgebung.

 

Gegen Ende dieser Demonstrationen wurde aus den Reihen der Kundgebung der Partei "Die Rechte" ein selbstgebauter Sprengsatz in die Gegendemonstration geworfen, dabei wurden 5 Personen, unter anderem die Fragestellerin und ein Polizist, verletzt und mussten ärztlich versorgt werden.

 

 

1.    Bitte listen Sie die Straftaten nach Art und Anzahl auf, die von Teilnehmern an Veranstaltungen der Partei „Die Rechte“ seit deren Bestehen, insbesondere auch bei Demonstrationen, verübt wurden.

 

Die Statistiken von Polizei und Staatsanwaltschaft weisen Straftaten von Teilnehmern an Veranstaltungen der Partei "Die Rechte" nicht gesondert aus. Die folgenden Angaben sind das Ergebnis einer manuellen Auswertung, das aufgrund der Kürze der Zeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Demnach sind bzw. waren im Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.08.2013 17 Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmer von Veranstaltungen der Partei "Die Rechte" anhängig. Gegenstand der Verfahren sind die Tatvorwürfe des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vier Verfahren), der Volksverhetzung (drei Verfahren), des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (drei Verfahren), der Beleidigung (drei Verfahren), Gefangenenbefreiung (ein Verfahren), der Körperverletzung (ein Verfahren), der gefährlichen Körperverletzung (ein Verfahren) sowie der gefährlichen Körperverletzung und des Verstoßes  gegen das Sprengstoffgesetz (ein Verfahren). Die genannten Verfahren richten sich gegen Teilnehmer der rechten Szene.

 

 

2.    Wie hoch ist die Erfolgsquote bei Ermittlungen zu Straftaten auf Kundgebungen und Veranstaltungen der Partei „Die Rechte“?

 

Zu insgesamt 15 der aufgeführten 17 Straftaten konnten Tatverdächtige ermittelt werden. Dies entspricht einer Aufklärungsquote von 88 %.

 

 

3.    Welche Erkenntnisse hat das Innenministerium über die Zusammensetzung der Partei „Die Rechte“ in ihrer Eigenschaft als Nachfolgeorganisation verbotener rechtsextremer Organisationen?

 

Der Landesverband „Die Rechte“ ist ein "Auffangbecken" insbesondere für ehemalige Mitglieder der verbotenen Kameradschaftsstrukturen Dortmund, Hamm und Aachen sowie für NPD-Mitglieder. Die Führungspersonen der verbotenen Kameradschaften Dortmund und Hamm sind überwiegend identisch mit den Vorständen der Kreisverbände Dortmund und Hamm sowie des neu gegründeten Landesverbandes der Partei „Die Rechte“. Die Organisation "Die Rechte" erfüllt zum jetzigen Zeitpunkt die Voraussetzungen einer Partei im Sinne des Art. 21 GG. Das Parteienprivileg erstreckt sich auch auf alle Gebietsverbände, also auch auf die Kreisverbände Dortmund und Hamm. Einzelheiten der rechtlichen Bewertung ergeben sich aus dem Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 21.03.2013 zu TOP 4 der Sitzung des Innenausschusses am 31.01.2013 (LT-Vorlage 16/762).

 

 

4.    Welche Maßnahmen werden von der Polizei zur wirksamen Vermeidung des Einschmuggelns von Sprengkörpern und anderen gefährlichen Gegenständen in angemeldete rechtsextreme Kundgebungen getroffen?

 

Mit der sogenannten nordrhein-westfälischen Linie für den bürgernahen Einsatz der Polizei zur Bewältigung großer Versammlungslagen setzt Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren eine erfolgreiche Leitlinie für solche Polizeieinsätze. Neben der gezielten Kommunikation und Deeskalation ist das konsequente Einschreiten gegen erkannte Straftäter ein wesentlicher Baustein des Konzeptes.

 

Die polizeilichen Einsatzmaßnahmen konzentrieren sich nicht nur auf die polizeilich erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Grundrechte von Versammlungsanmeldern/-teilnehmern und Unbeteiligten während versammlungsrechtlicher Veranstaltungen, sondern auch auf die An- und Abreisephase. Polizeiliche Maßnahmen werden dabei unabhängig davon getroffen, welcher politischen Strömung die Versammlungsteilnehmer angehören bzw. welche politischen Ziele mit der Versammlung verfolgt werden.

 

Resultierend aus einer Lagebeurteilung, die auch die Erkenntnislage über den Anmelder der Versammlung bzw. mögliche Störabsichten berücksichtigt, richten die einsatzführenden nordrhein-westfälischen Polizeibehörden regelmäßig Kontrollstellen ein, um die Identität von Personen festzustellen. Sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Personen Sachen mit sich führen, die sichergestellt werden dürfen, erfolgen grundsätzlich Durchsuchungen der Person bzw. mitgeführter Gegenstände/Fahrzeuge.

 

Des Weiteren ersuchen die für die Versammlung zuständigen, einsatzführenden Polizeibehörden anlass- und lageabhängig die anderen Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen bzw. in Bund und Ländern, die von anreisenden potenziellen Teilnehmern mitgeführten Waffen oder gefährliche Gegenstände im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten sicherzustellen bzw. zu beschlagnahmen.  

 

Wollte man trotz der dargestellten umfänglichen polizeilichen Maßnah-men ausschließen, dass gefährliche Gegenstände oder Waffen in versammlungsrechtliche Veranstaltungen verbracht oder mitgeführt wer-den, wäre dies nur mit einer verdachtsunabhängigen Totalüberwachung/-kontrolle von Versammlungsteilnehmern zu erreichen, die rechtsstaatlichen Grundsätzen, z. B. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuwiderlaufen würde. Ein solches Vorgehen würde darüber hinaus den Schutzbereich des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit tangieren, da es geeignet wäre, potenzielle (friedliche) Versammlungsteilnehmer von der Ausübung ihres Grundrechtes abzuhalten.

 

 

5.    Nach welchen Kriterien werden die Maßnahmen zur Vermeidung von Straftaten bei Kundgebungen rechtsextremer Organisationen evaluiert?

 

Polizeiliche Einsätze werden grundsätzlich nachbereitet. Dabei erfolgt auch eine Überprüfung der Wirksamkeit der getroffenen polizeilichen Maßnahmen. Die Einsatznachbereitung dient unter anderem dazu, Einsatzerfahrungen zu analysieren, zu strukturieren und über den eigenen Arbeitsbereich hinaus verwertbar zu machen sowie Lösungsmöglichkeiten für erkannte Schwachstellen zu erarbeiten. Ziel ist es, die Qualität polizeilicher Arbeit zu sichern und zu steigern. Einsatzerfahrungen fließen in zukünftige Einsatzplanungen ein und können beispielsweise dazu führen, dass bei zukünftigen versammlungsrechtlichen Veranstaltungen entsprechende versammlungsrechtliche Maßnahmen (von Auflagen bis zum Verbot) getroffen werden.