LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2928

 

13.05.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 1064 vom 10. April 2013

des Abgeordneten Dietmar Schulz   PIRATEN

Drucksache 16/2577

 

 

 

Rechtsradikale Netzwerke auch in Nordrhein-Westfälischen Justizvollzugsanstalten?

 

 

 

Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 1064 mit Schreiben vom 10. Mai 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Der aktuellen Presseberichterstattung ist zu entnehmen, dass es  Ermittlungsbehörden in Hessen gelungen ist, ein rechtsradikales Netzwerk in hessischen Gefängnissen aufzudecken. Auf Nachfrage der BILD-Zeitung an das hessische Justizministerium, ob rechtsradikale Netzwerke in deutschen Gefängnissen versucht haben, Kontakt zum Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) aufzunehmen, antwortete der Sprecher des hessischen Justizministeriums Hans Liedel: „Es gab wohl diesen Versuch.“

 

Die BILD-Zeitung (Ausgabe vom 10.04.2013) schreibt dazu weiter, dass unter Berufung auf Ermittlerkreise, Mitglieder der von den hessischen Justizbehörden entdeckten Organisation hätten offenbar schriftlichen Kontakt mit NSU-Kreisen gepflegt. Dies würde bedeuten, dass es scheinbar nicht bei einem Versuch der Kontaktaufnahme geblieben ist.

 

Berichten der Süddeutschen Zeitung und des Tagesspiegels zur Folge bestätigte der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) am Dienstag 09.04.2013, dass in den vergangenen Wochen Zellen durchsucht und Postsendungen überprüft worden seien. Es habe eine verschlüsselte Kommunikation in der Post von Gefangenen gegeben, um Kontakt von hessischen Justizvollzugsanstalten in Gefängnisse anderer Bundesländer aufzunehmen. Der hessische Justizminister sagte, in den „Bikers News“ vom Oktober 2012 habe eine Kleinanzeige für eine Gefangenenhilfsorganisation geworben. Als Gründungsdatum sei der 20. April 2012 genannt worden - der Geburtstag von Adolf Hitler. Ausdrücklich sei in der Anzeige vor der Postkontrolle in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld in Osthessen gewarnt worden, sagte Hahn.

 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet dazu ergänzend, dass Rechtsradikale Codes und Symbole benutzt hätten, die offenbar selbst für Experten nur schwer als rechtsradikal zu erkennen seien. Innerhalb der Haftanstalten baute der Verein den Angaben zufolge streng hierarchische Organisationsstrukturen auf.

 

Die Süddeutsche Zeitung berichtet dazu vorläufig abschließend, dass in Hessen die Kontrollen bei Gefangenen verschärft wurden. Vollzugsbeamte sollten ab sofort fortgebildet werden, um rechtsextremistische Umtriebe schneller unterbinden zu können.

 

 

1.         Sind der Landesregierung bzw. dem Justizministerium ähnliche Strukturen oder Organisationen aus Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen bekannt?

 

Nein.

 

Von den Leiterinnen und Leitern der Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen wurde übereinstimmend berichtet, dass in den Justizvollzugsanstalten rechtsextremistische Netzwerkstrukturen nicht bekannt seien. Es bleibe lediglich festzustellen, dass Gefangene der "rechten Szene" bestrebt seien, auch in Haft Kontakt zu halten. Konkrete Erkenntnisse, dass diese Kontakte über einen normalen Briefverkehr hinausgehen, lägen indes bislang nicht vor. Gefangene, die sich erkennbar von rechtsradikalem Gedankengut leiten ließen, würden in ihrer Kommunikation und ihrem Verhalten besonders beobachtet werden; gegebenenfalls würden die erforderlichen Schritte eingeleitet.

 

 

2.       Da bei den hessischen Ermittlungsbehörden unter anderem das Landeskriminalamt und der Verfassungsschutz benannt worden sind, wird gefragt, ob derzeit auch das LKA-NRW bzw. der Verfassungsschutz in Justizvollzugsanstalten in NRW ermitteln? (Wenn ja, wird um Darstellung des Ermittlungsgegenstandes detailliert nach JVA gebeten.)

 

Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen führt aktuell kein eigenständiges Ermittlungsverfahren im Sinne der Fragestellung. Im Rahmen des hessischen Ermittlungsverfahrens leistet die Polizei NRW auf Ersuchen hin Unterstützung.

 

Der Verfassungsschutz NRW führt keine Ermittlungsverfahren durch. Im Rahmen seines gesetzlichen Beobachtungsauftrages nach dem Verfassungsschutzgesetz NRW geht er Anhaltspunkten auf extremistische Bestrebungen nach. Insoweit verfolgt der Verfassungsschutz auch Hinweise der hessischen Sicherheitsbehörden, die einen Bezug zu Nordrhein-Westfalen aufweisen.

 

 

3.       Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele Gefangene in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten einen rechtsradikalen Hintergrund haben?

 

Ausweislich der polizeilich automatisiert recherchierbaren Datenbestände sind mit Stand 18.04.2013 in Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen insgesamt 313 Personen inhaftiert, die unabhängig vom jeweiligen Haftgrund als politisch motivierte Straftäter Rechts in Erscheinung getreten sind.

In den Justizvollzugsanstalten wird mit großer Entschiedenheit, aber auch Sensibilität allen Indizien nachgegangen, die darauf hindeuten können, dass Gefangene eine rechtsradikale Einstellung pflegen oder mit entsprechenden Umtrieben sympathisieren. Gesonderte Statistiken werden nicht geführt.

 

 

4.       Gibt es in Justizvollzugsanstalten in NRW für Gefangene die Möglichkeit Zeitschriften und Magazine wie „Bikers News“ zu abonnieren?

 

Ja.

 

 

5.       Welche allgemeinen oder konkreten Anweisungen oder Planungen gibt es aufgrund der vorliegenden Berichterstattung seitens der Landesregierung, in Justizvollzugsanstalten in NRW gezielt Erkenntnisse über die Verbreitung von rechtsradikalem Gedankengut (Propagandamaterial, Magazine, Schriftverkehr) zu gewinnen?

 

Der Verbreitung entsprechenden Gedankenguts wird in jeder Hinsicht, unter anderem im Wege der Briefkontrolle, bei konkreten Anhaltspunkten auch bei der Besuchskontrolle, energisch entgegengetreten.