LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2893

 

07.05.2013

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

 

 

Keine Erdgasförderung mit der Hydraulic-Fracturing-Methode (Fracking)

 

 

 

1.    Sachverhalt

 

In Deutschland und besonders in Nordrhein- Westfalen hat ein Wettlauf um unkonventionelle Erdgasquellen begonnen. Große Energiekonzerne wie Exxon Mobil, Wintershall und andere Unternehmen haben sich rund 60 Prozent der Landesfläche von Nordrhein-Westfalen zur Suche nach Erdgas gesichert oder entsprechende Anträge gestellt. Die potenziellen Abbaugebiete umfassen das gesamte Westfalen, weite Teile des Niederrheins, des Kreises Mettmanns und das nördliche Wuppertal.

 

In Nordrhein-Westfalen werden große Lagerstätten  von Schiefergas vermutet, bis zu 2 Billionen Kubikmeter werden geschätzt. Deren Ausbeutung würde jedoch einen gravierenden Eingriff in die Landschaft bedeuten. Dafür müsste man Abbauflächen von 20.000 Quadratkilometern rasterartig erschließen. Das entspräche einem Gebiet vergleichbar mit der annähernden Hälfte der Fläche Niedersachsens. Nötig wäre alle zwei bis fünf Kilometer ein Bohrturm und Anlagen für Abwasserentsorgung, Gasaufbereitung und Transport. Ein immenses Problem in einem so dichtbesiedelten Gebiet wie Nordrhein-Westfalen mit seinen ohnehin schon gravierenden Flächenproblemen.

 

Gas aus Schiefergestein herauszupressen ist viel schwieriger und teurer als die herkömmliche Gasförderung, denn das in Gesteinsporen eingeschlossene Gas lässt sich nur mit der aufwändigen  und umweltschädlichen Fracking-Methode fördern.

 

Dabei wird eine mit Chemikalien versetzte Flüssigkeit unter hohem Druck in die Tiefe gepumpt, um das gastragende Gestein aufzubrechen. Die Frack-Flüssigkeit verbleibt zu einem Teil in der Tiefe, ein anderer Teil wird wieder nach oben befördert und muss gelagert, zur Wiederverwendung gereinigt oder entsorgt werden.

 


 

Die Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mit Hilfe von Fracking ist mit hohen Risiken für die Bevölkerung und die Umwelt, insbesondere für Grund- und Oberflächenwasser und damit auch für das Trinkwasser, verbunden. Eine große Gefahr geht dabei von dem Frackwasser aus, das mit teils giftigen Chemikalien versetzt ist, deren genaue Zusammensetzung die Unternehmen nur teilweise bekannt geben. Diese Chemikalien werden in enormen Mengen zugesetzt und können Grund- und Oberflächenwasser irreversibel verschmutzen. Pro Bohrloch werden einige Millionen Liter mit giftigen Chemikalien versetztes Wasser in den Untergrund gepresst. Dieses kontaminierte Wasser muss dann anschließend wieder entsorgt werden.

 

Darüber hinaus können im Rahmen der Erdgasförderung – gleich ob konventionell oder unkonventionell – radioaktive Substanzen und Salze, darunter Schwermetalle, über das Lagerstättenwasser und wieder aufsteigendes Frackwasser in das Grund- und Oberflächenwasser gelangen.

 

Die Ewigkeitsschäden sind noch gar nicht abschätzbar.

 

Gegen dieses Verfahren hat sich breiter Widerstand in Nordrhein-Westfalen formiert.

 

Bei Erdgas handelt es sich um einen bergfreien Bodenschatz. Das Aufsuchen bergfreier Bodenschätze bedarf der behördlichen Erlaubnis nach § 6 Bundesberggesetz (BbergG). Die eventuell anschließende Gewinnung bergfreier Bodenschätze bedarf der behördlichen Gewinnungsberechtigung.

 

Allerdings ist der rechtliche Rahmen zur Förderung von Erdgas nicht auf die Gefahren von Fracking ausgelegt. Das Bundesbergrecht ist ungeeignet, den Schutz der Umwelt, des Allgemeinwohls sowie die Grundrechte der Betroffenen zu garantieren. Es verhindert transparente Genehmigungsverfahren, die Beteiligung der Kommunen, der Betroffenen und die vorrangige Berücksichtigung der Belange der Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Umwelt. Umweltverträglichkeitsprüfungen sind nur unter unrealistischen Vorgaben vorgesehen. Es verstößt gegen EU-Recht.

 

In den USA, wo unkonventionelles Erdgas bereits großflächig gefördert wird, kam es durch Fracking bereits zu Unfällen wie der Kontamination des Trinkwassers, zu Explosionen und Erdstößen.  Auch in Deutschland fürchten viele Anwohnerinnen und Anwohner, Kommunen sowie Betreiber von Wasserwerken um das Trinkwasser und protestieren daher gegen geplantes Erdgasfracking.

 

Umfassende Beteiligungsrechte, die Belange der Betroffenen und der Umwelt werden mit dem bestehenden Rechtsrahmen nur unzureichend sichergestellt.

 

Laut einer wissenschaftlichen Studie des Tyndall Centre for Climate Change Research ist die Klimabilanz von unkonventionellem Erdgas auch noch negativ, da die Förderung und Nachsorge mit hohem technischen und energetischen Aufwand und mit großen Umweltbelastungen verbunden sind. Daher sollte höchstens konventionell gefördertes Erdgas als fossiler Energieträger nur übergangsweise auf dem Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien genutzt werden.

 

In einigen Ländern, auch in der EU, sowie einzelnen Bundesstaaten der USA ist Fracking bereits verboten.

 


 

2.    Der Landtag stellt fest:

 

·         Dass im Rahmen der Erdgasförderung mit der Fracking-Methode Grund-, Oberflächen- und Trinkwasser durch verschiedene Prozesse gefährdet und irreversibel  geschädigt werden können: Durch nicht ausreichende Abdichtung der Bohrlöcher, Verunreinigung mit Chemikalien und Gasaustritte durch künstliche Rissbildung beim Fracking, Leitungslecks  für Frack- und Lagerstättenwasser und unsachgemäße Behandlung und Entsorgung von Frack- und Lagerstättenwasser.

 

·         Dass in den USA  mit Hilfe von umfangreichen wissenschaftlichen Studien der Zusammenhang zwischen Trinkwasserverschmutzungen und Fracking  bereits belegt ist.

 

·         Dass schon zahlreiche Fälle  in den USA belegt sind, in denen Fracking Explosionen und Erdstöße verursacht hat.

 

·         Dass neben diesen Gefahren eine hohe Flächeninanspruchnahme eine notwendige Voraussetzung bei der Förderung unkonventionellen Erdgases ist.

 

·         Dass  das Bergrecht Genehmigungsverfahren nach allgemein anerkannten und sonst geltenden Rechtsstaatsprinzipien verhindert, darunter Transparenz, Beteiligung der Kommunen, der Betroffenen und die vorrangige Berücksichtigung der Belange der Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Umwelt.

 

 

 

3.    Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

 

1.         Maßnahmen zu ergreifen, um die umweltschädliche Förderung von Erdgas durch Fracking überflüssig zu machen, darunter eine verstärkte Förderung der erneuerbaren Energien und weitere Maßnahmen zur Einsparung und Effizienzsteigerung bei der Nutzung von Erdgas zu ergreifen.

2.         Dafür Sorge zu tragen, dass bei der Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen Risiken für Menschen und Umwelt, insbesondere eine Kontamination des Grund- und Oberflächenwassers, vollständig ausgeschlossen werden können.

3.         Die Fördermethode des Hydraulic Fracturing  zu verbieten und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen bzw. sich für ein Verbot der Fördermethode im  Bundesrat einzusetzen.

4.         Eine Pflicht zur Information der Öffentlichkeit durch die Unternehmen für alle geplanten Bereiche wie des Erkundens, des Aufsuchens und des Förderns von Erdgas einzuführen.

5.         Dafür Sorge zu tragen, dass der Wasserschutz bei der Erkundung und Förderung von Erdgas uneingeschränkten Vorrang erhält.

6.         Eine umfassende  Beteiligungspflicht  für alle Erkundungs- und Fördervorhaben vorzuschreiben. Die bisherige Verordnung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP) für den Bergbau ist völlig unzureichend, da die Schwellenwerte zu hoch angesetzt sind.

7.         Eine umfassende  Klagemöglichkeit  für betroffene Privatpersonen und Um- weltverbände verbindlich zu ermöglichen.


 

 

8.         Sich über den Bundesrat für die Abschaffung des Bergrechts und die Einführung eines Bundesumweltgesetzbuches sowie die Einführung einer dreidimensionalen Raumplanung einzusetzen.

 

 

 

 

Dr. Joachim Paul

Monika Pieper

Hanns-Jörg Rohwedder

Kai Schmalenbach

Simone Brand

 

 

und Fraktion