LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2798

 

29.04.2013

 

 

 

 

Kleine Anfrage 1174

 

des Abgeordneten Dietmar Schulz   PIRATEN

 

 

 

Einschränkungen der bundesgesetzlich garantierten Besuchsrechte von Rechtsanwälten und Notaren in Justizvollzugsanstalten in NRW

 

 

 

Aus der Anwaltschaft wurde in den letzten Wochen Klage darüber geführt, dass Rechtsanwälte, trotz der naturgemäß zügigeren Abfertigung am Einlass von Justizvollzugsanstalten, neuerdings keine Sonderbesuchszeiten mehr erhalten und sich mit dem übrigen Besuch in der JVA Düsseldorf "anzustellen" haben. Auf die seinerzeitige Beschwerde gegenüber Herrn Justizminister Kutschaty antwortete dieser, eine bevorzugte Behandlung von Rechtsanwälten sei in keiner Justizvollzugsanstalt in NRW vorgesehen und die Beschwerden in Düsseldorf müssten zudem auf Einzelfällen beruhen.

 

Nunmehr liegen dem Düsseldorfer Anwaltsverein erneut massive Beschwerden hinsichtlich der Handhabung der Einlasskontrolle aber auch dem anwaltlichen Besuchsrecht im Allgemeinen vor. Hierbei kommt es zu spürbaren Eingriffen in das durch § 26 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) garantierte Besuchsrecht von Rechtsanwälten und Notaren. Dort heißt es, dass Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten oder Notaren in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache zu gestatten sind. Die Besuchsregelung der JVA Düsseldorf auf dessen Internetauftritt macht deutlich, dass für Rechtsanwälte und Notare nunmehr die gleichen Besuchszeiten wie für übliche Besucher gelten. Die Regelung des Bundesgesetzes wird damit ab absurdum geführt. Dabei gibt der Wortlaut des § 26 StVollzG keinen großen Auslegungsspielraum. „Besuche von Verteidigern sind zu gestatten“, ist äußerst deutlich.

 

Die Aussage des Justizministers Kutschaty, es gebe keine bevorzugte Behandlung von Rechtsanwälten in Justizvollzugsanstalten in NRW, bestätigt sich in der Realität nicht. Strafverteidiger aus dem gesamten Bundesland bestätigen gegenüber dem Anwaltsverein, dass Verteidiger derzeit verstärkt Beschränkungen in den JVA’s Aachen und Düsseldorf erfahren. Bei Besuchen beispielsweise der JVA’s Kleve, Köln oder Wuppertal gibt es für Verteidiger wie bisher eine bevorzugte Behandlung. Eine bevorzugte Behandlung von Verteidigern gab es auch noch zu Zeiten der JVA Düsseldorf-Ulmenstraße, bei der es Strafverteidigern möglich war mittwochs eine Sonderbesuchszeit wahrzunehmen. Nach einer Änderung der Besuchszeiten, sollte es eine Montagsregelung geben, die nun aufgehoben wurde. Weitere Berichte aus der Anwaltschaft belegen, dass Verteidiger trotz vorheriger schriftlicher Anmeldung des Besuchs, mit dem Hinweis „Betriebsausflugs“ oder „Betriebsversammlung“ vor verschlossenen JVA-Türen standen.

 

Mit Ausnahme der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG enthaltenen, konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die „Rechtsanwaltschaft“ findet diese Institution im Grundgesetz keine explizite Erwähnung. Demgegenüber weisen die Verfassungen einzelner Bundesländer zumindest ausdrückliche Beistands- oder gar Verteidiger-Garantien auf, wie etwa Art. 88 Abs. 1 der Thüringer Verfassung, wo es wörtlich wie folgt heißt: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Recht auf Verteidigung darf nicht beschränkt werden. Jeder kann sich eines rechtlichen Beistandes bedienen“. Ungeachtet dieses Befunds besteht aber an und für sich Übereinstimmung darüber, dass sich aus zentralen Gewährleistungen des Grundgesetzes – zumindest mittelbar – eine hinreichende Absicherung des Rechts auf Beistand und der Institution Anwaltschaft auch auf dieser Verfassungsebene herleiten lässt. Speziell das Bundesverfassungsgericht hat zu wiederholten Malen betont, „…dass das Recht auf ein faires Verfahren zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, insbesondere des Strafverfahrens mit seinen möglichen einschneidenden Auswirkungen für den Beschuldigten zählt.

 

 

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

 

1.         Welche Maßnahmen wird die Landesregierung zur Einhaltung bzw. Durchsetzung von geschriebenen Bundesrecht - § 26 StVollzG - ergreifen, um das Besuchsrecht von Rechtsanwälten und Notaren bei allen Justizvollzugsanstalten in NRW zu gewährleisten?

 

2.       Welche Maßnahmen plant die Landesregierung hinsichtlich der erfolgten Eingriffe in das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Verteidigung, um die Grundsätze des fairen Verfahrens zukünftig zu garantieren?

 

3.       Wieso kommt es scheinbar gezielt zu Besuchsbeschränkungen von Verteidigern an den Justizvollzugsanstalten Düsseldorf und Aachen?

 

4.       Welche Begründung hat die Landesregierung dafür, dass die bisherigen Sonderbesuchszeiten für Rechtsanwälte „Mittwochsregelung“ bzw. „Montagsregelung“ an der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf abgeschafft wurden, um nun mit sonstigen Besuchern gleichgestellt zu werden?

 

5.       Wie sinnvoll bzw. rechtlich vertretbar erachtet das Justizministerium die Ungleichbehandlungen von Verteidigern in verschiedenen Justizvollzugsanstalten in NRW hinsichtlich der Besuchszeiten?

 

 

 

Dietmar Schulz