LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2714

 

24.04.2013

 

 

 

 

Änderungsantrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

zu der Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschuss - Drucksache 2645 -

 

und

 

zum Gesetzentwurf der Landesregierung

 

„Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung in Nordrhein-Westfalen“ - Drucksache 16/1435

 

 

 

Der Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

 

I.                 § 1 erhält folgende Fassung:

 

„Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefährlichkeit der Untergebrachten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann. Die Untergebrachten sollen befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Der Vollzug hat zugleich die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten zu schützen.“

 

Begründung:

 

Die Norm benennt die drei Ziele des Vollzuges. Der Resozialisierungsgedanke sollte jedoch im Vordergrund stehen. Wesentliches Vollzugsziel ist nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben die Minderung der Gefährlichkeit der Untergebrachten für die Allgemeinheit dergestalt, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann. Diese Zielvorgabe wird sodann dahingehend ergänzt und präzisiert, dass die Untergebrachten befähigt werden sollen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Beide Sätze bilden gemeinsam das Vollzugsziel. Schließlich wird der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten in die Vollzugsziele integriert, weil nur dieses Unterbringungsziel den schwerwiegenden Eingriff in Freiheitsrechte von Straftätern rechtfertigen kann, die ihre Freiheitsstrafe bereits verbüßt haben. Der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist nämlich nur dann verhältnismäßig, wenn das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Freiheitsrecht des Betroffenen im Einzelfall überwiegt. Die Untergebrachten erbringen ein Sonderopfer, welches ihnen nur solange und soweit abverlangt werden darf, wie ihre Gefährlichkeit dies erfordert. Da sich der Vollzug allein aus dem überwiegenden Schutzinteresse der Allgemeinheit rechtfertigt, muss er umgehend beendet werden, wenn dieses das Freiheitsrecht des Untergebrachten nicht länger überwiegt (E BVerfG, Rn. 107). Dies bedeutet jedoch nicht, dass nur solche Maßnahmen ergriffen werden, die allein auf eine Minderung der Gefährlichkeit der Untergebrachten für die Allgemeinheit zielen. Vielmehr ist der Vollzug so auszurichten, dass den Untergebrachten nach Möglichkeit ein Leben in Freiheit ohne erneute Straffälligkeit ermöglicht wird.

 

 

 

II.           § 2 erhält folgende Fassung:

 

Absatz 3 wird wie folgt geändert:

 

a.    In Satz 2 werden nach dem Wort „erhalten“ die Wörter „und zu fördern“ eingefügt.

 

b.    In Satz 3 werden nach dem Wort „zu“ die Wörter „wahren und zu“ eingefügt.

 

Begründung:

 

Die Vorschrift enthält die Gestaltungsgrundsätze für den Vollzug der Sicherungsverwahrung. Diese Grundsätze richten sich an die für den Vollzug der Sicherungsverwahrung verantwortlichen Stellen, räumen den Untergebrachten aber keine unmittelbaren Rechte auf einzelne Maßnahmen ein. Die Grundsätze sollten jedenfalls stets erhalten und gefördert werden.

 

 

 

III.        § 3 erhält folgende Fassung:

 

Absatz 1 wird wie folgt geändert:

 

„Die Erreichung der Vollzugsziele erfordert die Mitwirkung der Untergebrachten. Ihre Bereitschaft hierzu ist fortwährend zu wecken und zu fördern.“

 

Begründung:

 

Der neu formulierte Absatz 1 Satz 1 hebt hervor, dass die Erreichung der Vollzugsziele die Mitwirkung der Untergebrachten erfordert (siehe § 4 Abs. 1 StVollzG). Die Regelung hat Appellcharakter und betont die Mitwirkungsnotwendigkeit, begründet aber keine Mitwirkungspflicht der Untergebrachten. Ergänzend regelt Satz 2 eine fortwährende Verpflichtung, die Bereitschaft der Untergebrachten zur Mitwirkung zu wecken und zu fördern.

 

 

 

IV.       § 4 erhält folgende Fassung:

 

a.    Der Wortlaut wird Absatz 1.

 

b.    Es wird folgender Absatz 2 eingefügt:

 

„Von mehreren geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die Untergebrachten voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder nicht mehr erreicht werden kann.“

 

Begründung:

 

Absatz 1 regelt in Anlehnung an den Wortlaut des § 4 Abs. 2 StVollzG die Stellung der Untergebrachten. Absatz 2 verleiht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Vollzug der Sicherungsverwahrung besondere Bedeutung.

 

 

 

V.        § 9 erhält folgende Fassung:

 

Absatz 2 wird wie folgt geändert:

 

In Satz 1 werden die Wörter „die für die Beurteilung der Gefahren, die von den Untergebrachten ausgehen, maßgeblich sind“ mit den Wörtern „deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung der Untergebrachten und für die Beurteilung ihrer Gefährlichkeit maßgeblich sind“ ersetzt.

 

Begründung:

 

Die Behandlungsuntersuchung dient nicht nur dazu die Gefährlichkeit der Untergebrachten festzustellen, sondern bildet insbesondere die Grundlage für eine planvolle Behandlung der Untergebrachten. Das Diagnoseverfahren erstreckt sich auf die Persönlichkeit, die sozialen Bezüge sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine Beurteilung der Gefährlichkeit der Untergebrachten, eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung der Untergebrachten nach der Entlassung notwendig erscheint. Es baut auf die im Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen gewonnenen Erkenntnisse auf. Die Einrichtung zieht hierzu geeignete Vollstreckungs- und Vollzugsunterlagen heran.

 

 

 

VI.       § 11 erhält folgende Fassung:

 

Absatz 1 wird wie folgt geändert:

 

a.    Es wird folgender Satz 1 eingefügt:

 

„Den Untergebrachten sind die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Behandlungsmaßnahmen anzubieten.“

 

b.    In Satz 2 (vormals 1) werden die Wörter „Die anzubietenden Behandlungsmaßnahmen“ mit dem Wort „Diese“ ersetzt.

 

Begründung:

 

Durch die vorgenommene Änderung des Abs. 1 Satz 1 wird ein Rechtsanspruch der Untergebrachten auf die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Behandlungsmaßnahmen begründet. Dazu zählen insbesondere psychiatrische, psychotherapeutische und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen.

 

VII.      § 13 erhält folgende Fassung:

 

Absatz 1 wird wie folgt geändert:

 

In Satz 1 Nummer 2 wird vor dem Wort „Gründe“ das Wort „zwingende“ eingesetzt.

 

Begründung:

 

Wie die Landesregierung bereits begründend ausführt (S. 71 des Entwurfs) sollte eine Verlegung eines Untergebrachten nicht ohne weiteres erfolgen, da diese örtliche Veränderung oft einschneidende Folgen für die Untergebrachten nach sich ziehen und auch die gerichtliche Zuständigkeit beeinflusst werden kann. Es sollten deshalb „zwingende“ Gründe der Vollzugsorganisation vorliegen, die eine Verlegung oder Überstellung rechtfertigen.

 

 

 

VIII.     § 37 erhält folgende Fassung:

 

Es wird folgender Absatz 4 eingefügt:

 

„(4) Für die Pfändbarkeit des Überbrückungsgeldes gilt § 51 Abs. 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.“

 

Begründung:

 

Die Änderung entspricht der bewährten Vorschrift des § 51 Abs. 4 und 5 StVollzG.

 

 

 

IX.       § 62 erhält folgende Fassung:

 

a.    Der Wortlaut wird Absatz 1.

 

b.    Es wird folgender Absatz 2 eingefügt:

 

„(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die dem Untergebrachten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Untergebrachten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.“

 

Begründung:

 

Absatz 2 stellt die Anwendung von Verhaltensvorschriften und Sicherheitsmaßnahmen unter den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (siehe § 81 Abs. 2 StVollzG).

 

 

 

 

 

X.        § 64 erhält folgende Fassung:

 

Absatz 2 wird wie folgt geändert:

 

„Wenn Hinweise zur Gefährdung der Sicherheit und Ordnung vorliegen oder auf Anordnung der Leitung der Einrichtung ist es im Einzelfall zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen.“

 

Begründung:

 

Die allgemeine Anordnung von einer mit Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung ist unverhältnismäßig und stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Das Schamgefühl der Untergebrachten würde dadurch in unverhältnismäßiger Weise verletzt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Bestimmungen zur Durchsuchung in der Sicherungsverwahrung strikter sein müssen, wie jene im Strafvollzug. Der Gesetzeswortlaut ist deshalb so zu ändern, dass mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchungen nur unter Vorliegen bestimmter Voraussetzungen stattfinden, wie auch in § 84 StVollzG geregelt ist.

 

 

 

XI.       § 70 erhält folgende Fassung:

 

Absatz 5 wird wie folgt geändert:

 

In Satz 2 werden die Worte „drei Monaten“ mit den Worten „30 Tagen“ ersetzt.

 

Begründung:

 

Absatz 5 Satz 2 begründet die Pflicht, die Zustimmung der Aufsichtsbehörde einzuholen, wenn eine Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum mit oder ohne Fesselung/Fixierung mehr als drei Monate Gesamtdauer im Jahr übersteigt (siehe auch § 89 Abs. 2 StVollzG). Diese Frist erscheint sehr lange und sollte insbesondere im Hinblick auf die besondere Eingriffsintensität der Freiheitsentziehung auf 30 Tage verkürzt werden.

 

 

 

XII.      § 84 erhält folgende Fassung:

 

Absatz 5 wird wie folgt geändert:

 

a.    Der Wortlaut wird Absatz 1.

 

b.    Es wird folgender Absatz 2 eingefügt:

 

„(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Justizvollzugsanstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Untergebrachten sich in sie selbst betreffenden Angelegenheiten an diese wenden können.“

 

c.    Es wird folgender Absatz 3 eingefügt:

 

„(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.“

 

Begründung:

 

Die Änderungen entsprechen der bewährten Regelung in § 108 Abs. 2 und Abs. 3 StVollzG und es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb das Beschwerderecht für Untergebrachte in der Sicherungsverwahrung beschnitten werden soll.

 

 

Dr. Joachim Paul

Frank Herrmann

Nicolaus Kern

Dietmar Schulz

 

und Fraktion