LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2677

 

22.04.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 1008 vom 20. März 2013

des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder   PIRATEN

Drucksache 16/2475

 

 

 

Rodung Hambacher Forst

 

 

 

Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1008 mit Schreiben vom 19. April 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Die Richtlinie 92/43/EWG oder auch Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie, ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union (EU).

Eines ihrer wesentlichen Ziele ist,  ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten, Natura 2000, zu erhalten oder zu errichten.

 

Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume.

 

Auf dem Europäischen Rat im Jahr 2001 in Göteborg beschlossen die EU-Mitgliedstaaten, bis zum Jahr 2010 den weiteren Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen (2010-Ziel).

 

Besondere Schutzgebiete nach der FFH-Richtlinie werden auf der Basis „Natürlicher Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse“ nominiert.

 

Vom gemeinschaftlichen Interesse sind Pflanzen- und Tierarten, die nach Gesetzen der Europäischen Union geschützt sind, da sie bedroht, potenziell bedroht, selten oder endemisch sind.

 

Die Mitgliedsstaaten sind angehalten, die Populationen der aufgeführten Arten zu schützen. Sie sind in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie aufgelistet.

Die Arten des Anhangs IV haben in der Umsetzung der Richtlinie besonderes Gewicht. Nach dem Wortlaut dürfen ihre „Lebensstätten“ nicht beeinträchtigt oder zerstört werden – völlig unabhängig davon, wo sie sich befinden.

 

Dazu noch ein Ausschnitt aus der Pressemitteilung des Umweltministers Remmel vom 05.03.2013:

„Wir müssen das wertvolle Naturerbe Nordrhein-Westfalens schützen und bewahren.

… Etwa 45 % der heimischen Tier-, Pilz- und Pflanzenarten sind in ihren Beständen gefährdet oder bereits ausgestorben. Von den insgesamt etwa 12.000 betrachteten Arten sind 42 % der Farn- und Blütenpflanzen, 42 % der Säugetierarten, über 50 % der Vogelarten und 55 % der Schmetterlingsarten gefährdet oder ausgestorben.“

 

 

Frage 1.       Welche streng geschützten Arten nach den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie kommen im Hambacher Forst vor bzw. sind dort gelistet?

 

Zu Frage 1.

Die im Hambacher Forst vorkommenden Fledermausarten Bechsteinfledermaus und Großes Mausohr sind in Anhang II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführt. Außerdem sind Nachweise der in Anhang IV gelisteten Arten Breitflügelfledermaus, Große Bartfledermaus, Kleine Bartfledermaus, Fransenfledermaus, Wasserfledermaus, Kleiner Abendsegler, Großer Abendsegler, Rauhautfledermaus, Zwergfledermaus, Braunes Langohr, Haselmaus, Kreuzkröte, Wechselkröte, Springfrosch und Kleiner Wasserfrosch bekannt.

 

 

Frage 2.       Warum ist der Hambacher Forst noch nicht als Natura 2000 Gebiet gemeldet worden, obwohl dort nachweislich diverse Pflanzen- und Tierarten vorkommen, die nach der FFH-Richtlinie zu schützen sind?

 

Zu Frage 2.

Die Landesregierung NRW hat 1977 den Braunkohlenplan Hambach genehmigt. Die im Jahr 1992 in Kraft getretene FFH-Richtlinie ist auf derartige „Altprojekte“ im laufenden Abbaubetrieb im Sinne einer Plangewährleistung nicht nachträglich anzuwenden. Folglich ist die Inanspruchnahme des Hambacher Forstes für den Braunkohlenabbau rechtmäßig.

Die vom Land Nordrhein-Westfalen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit benannten FFH-Gebiete sind von der Europäischen Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 3 der FFH-Richtlinie aufgenommen worden. Damit ist die Meldung von FFH-Gebieten an die EU für Nordrhein-Westfalen im Einvernehmen mit der EU-Kommission abgeschlossen.

 

 

Frage 3.       Wie soll das Waldgebiet (Hambacher Forst), das ohne Ausnahme den Kriterien der europäischen FFH-Richtlinie entspricht, in Zukunft geschützt werden, wenn es nicht als Natura 2000 Gebiet gemeldet ist?

 

Zu Frage 3.

siehe Antwort zu Frage 2.

 

 

Frage 4.       Hat RWE erneut eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung (für 2013) erhalten, um den Hambacher Forst doch noch weiter roden zu dürfen?

 

 

Frage 5.       Wenn Frage vier mit ja beantwortet wurde, welche Auflagen sind in der Ausnahmegenehmigung enthalten, um die zu schützenden Arten nicht zu gefährden?

 

Zu den Fragen 4. und 5.

Die Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage werden gemeinsam beantwortet:

 

Die für die Erteilung von artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen gemäß § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz zuständigen Unteren Landschaftsbehörden des Rhein-Erft-Kreises und des Kreises Düren haben am 07.01.2013 bzw. am 15.01.2013 der RWE Power AG artenschutzrechtliche  Ausnahmegenehmigungen bis Ende des Jahres 2013 erteilt. Diese Ausnahmegenehmigungen regeln im Wesentlichen den Fang und die Umsiedlung artenschutzrechtlich relevanter Tierarten im Vorfeld des Tagebaus Hambach. Sie dienen damit dem Schutz, d.h. der Vermeidung und Verminderung negativer Auswirkungen auf die lokalen Populationen der betroffenen Arten.

Entsprechend den vorliegenden Ausnahmegenehmigungen dürfen  die laufenden Rodungen nur unter Einhaltung eines umfangreichen Schutzmaßnahmenkonzeptes erfolgen. Dieses Konzept regelt, wie unbeabsichtigte Tötungen nach EU-Recht geschützter Arten vermieden werden und der Fang und die Umsiedlung von Haselmäusen und Amphibien methodisch, räumlich und zeitlich zu gestalten sind. Über die Ergebnisse der Umsiedlungsmaßnahmen und die weitere Entwicklung der umgesiedelten Populationen sind den zuständigen Landschaftsbehörden Berichte vorzulegen.