LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2642

 

16.04.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 978 vom 19. März 2013

der Abgeordneten Dirk Schatz und Frank Herrmann   PIRATEN

Drucksache 16/2424

 

 

 

Dauerhaftes Bleiberecht zur wirksamen Bekämpfung von Menschenhandel

 

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 978 mit Schreiben vom 16. April 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist eine besonders menschenverachtende Form der Kriminalität. Zum Beweis des Straftatbestandes ist die Aussage der Opfer von großer Bedeutung. Ohne diese Aussage und insbesondere auch ohne das persönliche Erscheinen der Zeuginnen vor Gericht, ist eine angemessene Verurteilung der Täter schwierig bis unmöglich.

 

Derzeit erhalten Drittstaatsangehörige, die Opfer von Menschenhandel geworden sind und sich für eine Zeuginnenaussage entscheiden, einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4a Aufenthaltsgesetz. Dieser Aufenthaltstitel erlischt jedoch nach Beendigung des Strafverfahrens. Es liegt nach der jetzigen Regelung im Ermessen der Behörden, ob weiterhin ein Aufenthaltstitel erteilt wird. Für die Frauen bedeutet das ein Leben in Angst und Unsicherheit. Auch kann die Rückkehr in das Herkunftsland durchaus sehr gefährlich sein. Nicht selten werden die Betroffenen, sowie ihre Familienangehörigen im Heimatland von den TäterInnen bedroht. Auch das Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung“ für Nordrhein-Westfalen 2011 stellt fest, dass die Aussagebereitschaft sowie die Zusammenarbeit der Opfer mit der Polizei von Scham und Angst vor Repressalien der Täter geprägt ist. Durch die Ausübung seelischer und physischer Gewalt werden Opfer und ihnen nahe stehende Personen traumatisiert.

 

Es ist jedoch oftmals schwer, diese Gefährdung nachzuweisen. Die Klientinnen begeben sich durch die Aussage gegen die TäterInnen in große Gefahr und bedürfen deshalb besonderen Schutzes. Dieses Schutzbedürfnis wurde auch letzte Woche im Petitionsausschuss des Bundestages bestätigt. Die Abgeordneten waren sich darüber einig, dass ohne die Anzeige- und Aussagebereitschaft der Opfer die wirksame Bekämpfung von Menschenhandel nur schwer zu erreichen sei. Aber auch aus humanitären Gründen müsse den Opfern ein dauerhaftes Bleiberecht eingeräumt werden, wie es bereits in Italien und in den USA erfolgreich praktiziert wird.

 

 

1.         Wie viele Frauen in NRW, die Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung wurden, bekamen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4a AufenthG im Zeitraum 2011-2012 zugesprochen (bitte nach Ort und Alter aufschlüsseln)?

 

Das Ausländerzentralregister (AZR) als verfügbare Quelle enthält Angaben zur Zahl der Personen, die zu einem Stichtag im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4a AufenthG waren, weil sie Opfer von Menschenhandel wurden oder ihnen Beihilfe zur eigenen illegalen Einwanderung geleistet wurde.

 

In NRW waren laut AZR zum Stichtag 28.02.2013 im Besitz einer solchen Aufenthaltserlaubnis (nach Geschlecht und Alter):

 

Gesamt

M

W

Bis 16

16 - 18

18 - 25

25 - 35

35 - 45

45 - 55

Ab 55

12

2

10

-

-

5

5

2

-

-

 

Weitere Angaben, etwa zu Zeitpunkt, Ort und genauem Grund der Erteilung, können daraus nicht entnommen werden. Da die Statistik keinen Rückschluss auf die Einzelfälle ermöglicht, wäre zur weiteren Beantwortung der Frage 1 eine Abfrage bei allen 82 Ausländerbehörden NRWs erforderlich. Der damit verbundene personelle und zeitliche Aufwand würde das für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage vertretbare Maß übersteigen, eine Beantwortung in der zur Verfügung stehenden Zeit wäre nicht möglich.

 

 

2.         Wie viele dieser Frauen wurden nach Beendigung des Strafverfahrens abgeschoben?

 

Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

 

 

3.         Wie vielen dieser Frauen wurde die Aufenthaltserlaubnis verlängert (bitte mit dem jeweiligen Grund der Verlängerung angeben)?

 

Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

 

 

 

 

4.         In wie vielen dieser Fälle führte die Aussage der Opfer zu einer Verurteilung der TäterInnen (bitte mit dem jeweiligen Delikt angeben)?

 

Hierzu liegen der Landesregierung statistische Daten nicht vor. Eine Sonderauswertung, die von Hand vorzunehmen wäre, ist in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

 

 

5.         Könnte die Aussicht auf ein längeres Bleiberecht die Aussagebereitschaft von Opfern von Menschenhandel erhöhen und so zu einer größeren Aufklärungsquote führen (bitte begründen)?

 

Drittstaatsangehörigen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, kann bei entsprechender Aussagebereitschaft als Zeuge/Zeugin während des Strafverfahrens ein befristeter Aufenthaltstitel gemäß § 25 Abs. 4a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt werden. Diese Regelung dient primär der Erleichterung der Durchführung des gegen die Täter/?innen gerichteten Strafverfahrens.

 

Die darüber hinausgehenden Gesichtspunkte des Opferschutzes werden nach Abschluss des Strafverfahrens gegen die Täter/-innen im Rahmen einer anschließenden Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG (aufgrund eines Ausreisehindernisses) bzw. § 25 Abs. 3 AufenthG (aufgrund eines Abschiebungsverbotes) oder einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG berücksichtigt.

 

Durch diese Regelungen wird der häufig erheblichen Gefährdung von Menschenhandelsopfern, die mit Strafverfolgungsbehörden kooperieren, auch nach Abschluss des Strafverfahrens gegen die Täter/-innen bzw. nach deren Ausscheiden aus der Rolle der Opferzeugin/des Opferzeugen Rechnung getragen. Zudem soll ein Beitrag zur Erhöhung der Aussagebereitschaft der Betroffenen geleistet werden.

 

Allerdings sind die Erfolgsaussichten dieser aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten zum Zeitpunkt, in dem sich die Betroffenen für oder gegen eine Zeugenaussage entscheiden müssen, häufig nicht vorherzusehen. Diese Unsicherheit erhöht die psychische Belastung der Opfer. Deshalb beabsichtigt die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder, sich bei ihrer Konferenz im Juni 2013 mit diesem Thema zu befassen.

 

Derzeit existieren keine empirischen Studien zur Auswirkung ergänzender Bleiberechtsregelungen auf die Aussagebereitschaft von Opfern von Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung und eine damit ggf. verbundene Erhöhung der Aufklärungsquote.