LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2637

 

16.04.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 977 vom 19. März 2013

der Abgeordneten Frank Herrmann und Dirk Schatz   PIRATEN

Drucksache 16/2423

 

 

 

Ausstiegsprogramme beim Verfassungsschutz

 

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 977 mit Schreiben vom 16. April 2013 namens der Landesregierung beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Das erfolgreichste Aussteigerprogramm für Rechtsextreme EXIT soll Ende April 2013 auslaufen. Seit dem Jahr 2000 hat EXIT mehr als 480 Menschen geholfen, aus der rechtsextremen Szene auszusteigen.

 

Ab dem 1. Mai 2013 wird die Ausstiegsarbeit von EXIT nach eigenen Angaben nur noch im Notbetrieb aufrecht erhalten werden können, da die Finanzierung durch das Bundesarbeitsministerium und den Europäischen Sozialfonds (ESF) ausläuft und nicht verlängert wird. Eine kleine Außenstelle von EXIT in Dortmund, die bis Ende 2012 von der Stadt unterstützt wurde, ist bereits eingestellt worden. Die Stadt begründet ihre Entscheidung damit, dass sie ab 2013 in Sachen Ausstieg mit dem Verfassungsschutz des Landes NRW und seinen regionalen Kontakten kooperieren.

 

Eine weitere Finanzierung der überparteilichen und unabhängigen Initiativen wird auch von Seiten der Ministerien mit dem Verweis auf die Aussteigerprogramme beim Verfassungsschutz abgelehnt.

 

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes soll nun durch § 7 Absatz 6 geregelt werden, dass Personen nicht zur Informationsbeschaffung eingesetzt werden sollen, die an einem Aussteigerprogramm des Bundes oder eines Landes teilnehmen.

 

 

1.         Wie viele ausstiegswillige Personen wurden vom Verfassungsschutz NRW seit 2001 betreut? (Bitte für jedes Jahr aufschlüsseln und bitte die Zahl der betreuten ausstiegswilligen Personen seit August 2012 gesondert aufführen)

 

Insgesamt sind bisher 256 Personen in das Programm aufgenommen worden.

 

2001

17

2002

22

2003

13

2004

15

2005

22

2006

25

2007

10

2008

10

2009

17

2010

19

2011

17

2012

37

davon Zugänge zweite Jahreshälfte: 14

Summe aus 2001–2012

224

2013

(bis 03/2013)

6

 

Die Zahlen stellen die Anzahl der Neuzugänge des jeweiligen Jahres dar. Im Programm befindliche Personen werden in der Regel über eine Dauer von ca. drei bis sechs Jahren betreut. In der Gesamtzahl sind darüber hinaus 26 Personen enthalten, die aufgrund von Kooperationen zwischen den Aussteigerprogrammen des Bundes und der Länder und anderen Hilfseinrichtungen, zum Beispiel der Arbeitsgemeinschaft Kinder - und Jugendschutz NRW (AJS), zur Betreuung abgegeben worden sind.

 

2.         Wie viele Personen, die sich im Ausstiegsprogramm des Verfassungsschutzes befanden, wurden gleichzeitig als Informationsbeschaffer (V-Mann / V-Person) eingesetzt?

 

Im Januar 2012 hat das MIK auf einen Einzelfall öffentlich hingewiesen, der im Rahmen einer internen Schwachstellenanalyse aufgefallen war. In diesem Fall wurde eine Person als Klient des Aussteigerprogramms NRW deklariert und als Informationsquelle eingesetzt. Diese Person wurde aber nicht durch das Aussteigerprogramm betreut. Über diesen Fall, der nicht den Grundsätzen des Aussteigerprogramms entsprach, wurde das Parlamentarische Kontrollgremium informiert. Dieser Fall war zudem einer der Auslöser einer intensiven Überprüfung der Arbeit des Verfassungsschutzes NRW, mit der Herr Staatssekretär a.D. Dieter Schubmann-Wagner beauftragt wurde.

Die Arbeit des Aussteigerprogrammes NRW basiert auf den gemeinsamen Standards, die die Aussteigerprogramme des Bundes und der Länder festgelegt haben. Ein wesentliches Aufnahmekriterium in das Aussteigerprogramm NRW ist die Einstellung aller Kontakte zur rechtsextremistischen Szene durch den Ausstiegswilligen. Hierzu muss sich jeder Ausstiegswillige zu Beginn der Betreuung verpflichten. Demzufolge ist es ausgeschlossen, dass ein Ausstiegswilliger gleichzeitig als Informationsbeschaffer eingesetzt werden kann. Dies würde im Übrigen dem Ziel der Umsetzung eines erfolgreichen Ausstiegs entgegenstehen.

 

 

3.         Wie kommt der Kontakt zwischen "Ausstiegswilligen" und dem Aussteigerprogramm zustande?

 

Einerseits haben Ausstiegswillige die Möglichkeit, sich von sich aus an das Aussteigerprogramm zu wenden. Zur Kontaktaufnahme wurde eine Hotline-Nummer geschaltet. Der Kontakt kann auch über die Staatsschutz-Dienststellen, die Justizvollzugsanstalten, andere Soziale Dienste oder auch das Umfeld der Personen hergestellt werden. Andererseits spricht das Aussteigerprogramm seit Kurzem auch Anhänger der rechtsextremistischen Szene aktiv an, um sie zum Umdenken und Aussteigen zu bewegen.

 

 

4.         Wie wird zukünftig die Trennung zwischen dem Ausstiegsprogramm und der nachrichtendienstlichen Arbeit des Verfassungsschutzes (Quellenabschöpfung, V-Leute) sichergestellt?

 

Die Ausstiegswilligen werden in einem Bereich betreut, der personell und arbeitstechnisch von den anderen Bereichen der Abteilung Verfassungsschutz des MIK NRW getrennt ist.