LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/2583

 

12.04.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 942 vom 27. Februar 2013

des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder   PIRATEN

Drucksache 16/2223

 

 

 

Flugverbotszone für die Urananreicherungsanlage Gronau

 

 

 

Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 942 mit Schreiben vom 5. April 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Seit 2011 lässt die Landesregierung die Sicherheit der Urananreicherungsanlage Gronau vor dem Hintergrund neuer Sicherheitsbewertungen von Atomanlagen nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Rahmen einer „vorgezogenen Sicherheitsüberprüfung“ von externen Gutachtern checken. Auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder hat die Landesregierung am 10. Januar 2013  zu „risikomindernden Maßnahmen“ zum Schutz der Urananreicherungsanlage Gronau Stellung genommen (Landtagsdrucksache 16-1832) und dabei unter anderem festgestellt:

 

„Als risikomindernde Maßnahme gegen Flugzeugabsturz herrscht unterhalb 2000 Fuß (ca. 600m) und in einem Abstand von 1,5 km der erkennbaren Grenzen der Urananreicherungsanlage Gronau ein Überflugverbot.“

 

Diese Aussagen sind erstaunlich, weil eine derart minimale Flugverbotszone wohl kaum einen Flugzeugabsturz verhindern kann. Die Flugzeit für 1,5 km beträgt weniger als eine Minute, zudem gibt es für größere Höhen kein allgemeines Überflugverbot.

 

Aktuell urteilte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 23. Januar 2013, dass die Flugrouten für den neuen Berliner Großflughafen unrechtmäßig seien, weil die Flugzeuge dem Forschungsreaktor am Wannsee zu nah kommen würden. Der Abstand von 3 km und die Flughöhe von 2600 Metern seien zu gering. Selbst Sportflugzeuge müssten in Berlin einen Abstand von mindestens zwei nautischen Meilen (ca. 3,7 km) einhalten.

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung:

 

Die Luftraumfestlegung über dem deutschen Hoheitsgebiet obliegt dem Bund.

 

 

1.       Nach welchen konkreten Sicherheitskriterien hat die Landesregierung die Einrichtung der erwähnten Mini-Flugverbotszone rund um die Urananreicherungsanlage Gronau beschlossen?

 

Die Landesregierung hat nicht über die Einführung der Flugverbotszone entschieden. Die Festlegung von Luftraumsperrgebieten bzw. Gebieten mit Flugbeschränkungen fällt ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes.

 

 

2.       Welche Gegenmaßnahmen sind bei Nichteinhaltung der Flugverbotszone konkret vorgesehen?

 

Eine Nichteinhaltung wird nach § 62 Luftverkehrsgesetz mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwerer Strafe bedroht ist. Bei fahrlässigem Verhalten wird eine Nichteinhaltung mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft. Bei einem erheblichen Luftzwischenfall könne nach § 13 LuftSiG die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte der Länder im Luftraum zur Verhinderung eines besonderen schweren Unglücksfalles eingesetzt werden.

 

 

3.       Wie viel Reaktionszeit bleibt den Mitarbeitern der Urenco bzw. den Katastrophenschutzbehörden konkret bei einem willentlichen Missachten der Flugverbotszone (bitte in Minuten und Sekunden angeben)?

 

Aufgabe der Katastrophenschutzbehörden ist nicht die Überwachung des Luftraumes und somit auch nicht die Überwachung von willentlichen Missachtungen von Flugverboten oder Verletzungen von Flugverbotszonen. Insoweit gibt es keine “Reaktionszeit“ der Katastrophenschutzbehörden auf derartige luftverkehrstechnische Verstöße.

Der Objektsicherungsdienst der Urenco meldet der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde nahe Flugbewegungen.

 

 

4.       Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus der aktuellen oberverwaltungsgerichtlichen Beurteilung von Flugrouten über Atomanlagen für die Sicherheitsüberprüfung der Urananreicherungsanlage Gronau?

 

Das OVG Berlin-Brandenburg hat im Januar dieses Jahres die Flugroutenfestlegung für den künftigen Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg aufgehoben, Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ist zugelassen. Das Gericht hat bemängelt, dass das Risiko für einen Flugunfall oder einen terroristischen Anschlag bei der Routenfestlegung nicht oder zumindest nicht ausreichend ermittelt worden sei. Es stellt also ein sog. Ermittlungsdefizit bzw. einen Ermittlungsausfall fest und fordert eine fallspezifische Risikoermittlung. Die Flugroutenfestlegung entlang des Berliner Forschungsreaktors hat es damit nicht endgültig verworfen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

Das dem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für die Urananreicherungsanlage Gronau zugrundeliegende Sicherheitsgutachten hat die Risiken aus dem Flugverkehr detailliert und differenziert nach Flugzeugklassen untersucht. Die dem Sicherheitsgutachten zugrundeliegenden Angaben wurden im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung bestätigt. Ein Ermittlungsdefizit bzw. ein Ermittlungsausfall liegt hier nicht vor.

 

 

5.       Welche offiziellen Luftfahrtkorridore gibt es rund um die Urananreicherungsanlage Gronau (bitte nach genauer Entfernung zur UAA Gronau, nach genauer Flughöhe, nach Nutzungsfrequenz und nach evtl. zugeordneten Flughäfen aufschlüsseln)?

 

In der Nähe der Urananreicherungsanlage Gronau befinden sich folgende Flugverkehrsstrecken:

 

T281: Entfernung ca. 2,5 km, Mindestflughöhe ca. 6100 m

L980: Entfernung ca. 7,5 km, Mindestflughöhe ca. 1800 m

 

Über die Frequentierung liegen der Landesregierung keine aktuellen Zahlen vor.

Eine Instrumentenabflugstrecke des Flughafens Münster-Osnabrück führt auf die Flugverkehrsstrecke L980.