LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/1183

 

24.10.2012

 

 

 

 

Gesetzentwurf

 

der Landesregierung

 

 

Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

 

 

A    Problem

 

Die aktuelle Bedrohung durch den Rechtsextremismus erfordert den Einsatz neuer Instrumente zur Gewinnung und zum Austausch von Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Dies nicht zuletzt, seitdem der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) - in den Medien auch als Zwickauer Terrorzelle bezeichnet - im November 2011 als rechtsextreme terroristische Vereinigung in Deutschland bekannt wurde. Der NSU wird unter anderem für die Neonazi-Mordserie an neun Menschen mit Migrationshintergrund in den Jahren 2000 bis 2006 sowie für den Mord an einer Polizistin im Jahr 2007 verantwortlich gemacht. Bezogen auf Nordrhein-Westfalen wird der NSU verdächtigt, in Dortmund einen Mord begangen zu haben und in den Jahren 2001 und 2004 in Köln zwei Attentate verübt zu haben.

 

Der Gesetzentwurf soll die polizeiliche Bekämpfung des Rechtsterrorismus durch die Ermöglichung der Teilnahme an einer neu errichteten Verbunddatei verbessern. Anlass hierfür ist das am 20. August 2012 ausgefertigte Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus (Rechtsextremismus-Datei-Gesetz (RED-G)), das im Wesentlichen die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Errichtung einer standardisierten zentralen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus (Rechtsextremismus-Datei (RED)) regelt. Dieses Gesetz schafft die Rechtsgrundlage für eine neue Verbunddatei zur Bekämpfung des Rechtsextremismus nach dem Vorbild der Antiterrordatei (eingeführt durch das Gemeinsame-Dateien-Gesetz vom 22. Dezember 2006). Für die Teilnahme der nordrhein-westfälischen Polizei an dieser RED bedarf es einer landesrechtlichen Anpassung des Polizeigesetzes für die damit verbundene automatisierte Datenverarbeitung.

 

 

B    Lösung

 

Für die Teilnahme der nordrhein-westfälischen Polizei an der RED ist zwingend § 33 Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) zu ändern, um es den Polizeibehörden zu ermöglichen, ihre Erkenntnisse in einer solchen gemeinsamen Datei mit anderen Sicherheitsbehörden zu verarbeiten.

 

           

C    Alternativen

 

Das RED-G selbst bestimmt unter anderem die Verfassungsschutzbehörden der Länder und die Landeskriminalämter zu an der RED teilnehmenden Behörden und verpflichtet sie unter bestimmten Voraussetzungen, bereits erhobene Daten in der Datei zu speichern. Im Falle einer Beibehaltung des bisherigen Rechtszustands bestünde zudem die Gefahr, dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen in der effektiven Bekämpfung des Rechtsextremismus beschränkt wäre. Die Polizei wäre vom schnellen Informationsaustausch der anderen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern abgeschnitten. Somit bestehen insoweit keine Alternativen.

 

 

D    Kosten

 

Durch die Errichtung einer gemeinsamen RED entstehen bei der Polizei nicht vermeidbare Kosten, insbesondere im Bereich der Polizei- und Kommunikationstechnik. Diese haben ihren Ursprung im RED-G und sind derzeit noch nicht abschließend bezifferbar. In der mittelfristigen Finanzplanung wurde daher zunächst ein Betrag von 54.000 Euro berücksichtigt.

 

 

E     Zuständigkeit

 

Zuständig ist das Ministerium für Inneres und Kommunales. Beteiligt sind die Staatskanzlei, das Finanzministerium und das Ministerium für Schule und Weiterbildung.



F    Auswirkungen auf die Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände

 

Belange der kommunalen Selbstverwaltung werden nicht berührt.

 

 

G    Finanzielle Auswirkungen auf die Unternehmen und die privaten Haushalte

 

Es bestehen keine Auswirkungen.

 

 

H    Befristung

 

Das Polizeigesetz ist die Kernnorm der öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr und damit unverzichtbar zur Gewährleistung der inneren Sicherheit in Nordrhein-Westfalen. Das Polizeigesetz ist deshalb nicht befristet, sondern unterliegt nach § 68 einer Berichtspflicht bis zum 31. Dezember 2014.

 

 


 

G e g e n ü b e r s t e l l u n g

 

Gesetzentwurf der Landesregierung

 

 

Auszug aus den geltenden Gesetzesbestimmungen

 

Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

 

 

 

Artikel 1

Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

 

 

 

§ 33 Absatz 6 Satz 3 des Polizeigesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW. S. 441), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Februar 2010 (GV. NRW. S. 132) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

 

 

§ 33
Errichtung von Dateien,
Umfang des Verfahrensverzeichnisses,
Freigabe von Programmen,
automatisiertes Abrufverfahren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Die Einrichtung einer Verbunddatei mit automatisierter Abrufmöglichkeit, an der neben der Polizei auch andere Behörden beteiligt sind, ist nur zulässig nach dem Antiterrordateigesetz vom 22. De­zember 2006 (BGBl. I S. 3409), geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 26. Februar 2008 (BGBl. I S. 215) und nach dem Rechtsextremismus-Datei-Gesetz vom 20. August 2012 (BGBl. I S. 1798)."

 

 

(6) Das Innenministerium kann zur Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr, die nicht nur von örtlicher Bedeutung sind, mit anderen Ländern und dem Bund eine Verbunddatei der Polizei vereinbaren, die eine automatisierte Datenübermittlung ermöglicht. In der Vereinbarung ist festzulegen, welcher Polizeibehörde die nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften bestehenden Pflichten einer speichernden Stelle obliegen. Die Einrichtung einer Verbunddatei mit automatisierter Abrufmöglichkeit, an der neben der Polizei auch andere Behörden beteiligt sind, ist nur zulässig nach dem Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3409). In eine Datei gemäß Satz 3 dürfen nur Daten eingegeben werden, die gemäß § 24 suchfähig in einer Datei gespeichert und den beteiligten Behörden gemäß §§ 26 ff. übermittelt werden können; § 26 Absatz 1 Satz 3 findet keine Anwendung.

 

Artikel 2

Inkrafttreten

 

 

 

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

 

 

 

 


 

Begründung

 

Allgemeiner Teil

 

Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, die polizeiliche Bekämpfung von gewaltbezogenem Terrorismus durch Teilnahme an einer neu errichteten Verbunddatei zu verbessern. In Bund und Ländern besteht Einigkeit darüber, dass eine effektive Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus einen umfassenden und schnellen Informationsaustausch aller Sicherheitsbehörden voraussetzt. Die Basis für diesen Informationsaustausch ist eine unter Wahrung des Trennungsgebotes elektronisch geführte, gemeinsame Datei von Polizei und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern.

 

 

Besonderer Teil

 

Zu Artikel 1:

Zu § 33 Absatz 6 PolG NRW:

In Bund und Ländern besteht Einigkeit darüber, dass eine effektive Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus einen umfassenden und schnellen Informationsaustausch aller Sicherheitsbehörden voraussetzt. Die Basis für diesen Informationsaustausch ist eine unter Wahrung des Trennungsgebotes elektronisch geführte gemeinsame Datei von Polizei und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern.

Das dazu auf Bundesebene neu geschaffene Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus (Rechtsextremismus-Datei-Gesetz - RED-G) vom 20. August 2012 (BGBl. I S. 1798 (Nr. 39)) macht eine Anpassung des § 33 Abs. 6 PolG NRW notwendig. Diese Vorschrift lässt derzeit nur eine Teilnahme an der Antiterrordatei (ATD) nach dem Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder vom 22. Dezember 2006 (Antiterrordateigesetz - ATDG), geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 26. Februar 2008, zu. Der Verweis auf das ATDG in § 33 Abs. 6 PolG NRW wird redaktionell geändert, indem die korrekte Zitierung unter Verwendung der Kurzbezeichnung erfolgt. Die zwischenzeitlich erfolgte Änderung des ATDG wird ebenfalls berücksichtigt.

Durch die Änderung des § 33 Abs. 6 PolG NRW wird sichergestellt, dass eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Polizei besteht, wenn sie Daten in der RED mit anderen Verfassungsschutz- oder Sicherheitsbehörden verarbeitet. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 24. Januar 2012 ist bei der Regelung eines Datenaustausches zur staatlichen Aufgabenwahrnehmung zwischen der Datenübermittlung seitens der auskunftserteilenden Stelle und dem Datenabruf seitens der auskunftssuchenden Stelle zu unterscheiden (Az.: 1BvR 1299/05, Rn. 123). Ein Datenaustausch vollzieht sich durch einander korrespondierende Eingriffe von Abfrage und Übermittlung, die jeweils einer eigenen Rechtsgrundlage bedürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierbei das Bild einer Doppeltür gebildet, bei der der Gesetzgeber nicht nur die Tür zur Übermittlung von Daten öffnet, sondern auch die Tür zu deren Abfrage (BVerfG a. a. O.). Durch den neugefassten § 33 Abs. 6 PolG NRW wird der Polizei die rechtliche Möglichkeit gegeben, an der durch das RED-G geschaffenen RED teilzunehmen und Daten in dieser gemeinsamen Datei zu verarbeiten. Der damit verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entsteht dabei erst durch das Zusammenwirken der Erlaubnisnorm des § 33 Absatz 6 PolG NRW und den korrespondierenden Vorschriften des RED-G, durch die die Einrichtung der gemeinsamen Datei normiert ist.

 

 

Zu Artikel 2:

Die Vorschrift regelt das In-Kraft-Treten.